Vertriebsingenieurwesen - THINK ING. kompakt - Ausg. 1/10

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kompakt Ausgabe 1 | 2010 Thema: Vertriebsingenieurwesen Jeden Monat neue Infos aus der Welt der Ingenieure »» I N T R O Vertrieb im Sinn Früher war alles ganz einfach: Der Ingenieur war der Tüftler, der mit ei- niger Genialität an neuen Erfindun- gen herumbasteln durfte, ohne an finanzielle Aspekte denken zu müssen. Ein Abbild Daniel Düsen- triebs sozusagen, liebenswert welt- fremd und aufgrund mangelnden Geschäftssinns ständig in der Ge- fahr schwebend, die eigenen Erfin- dungen stark unter Wert zu verkau- fen. Für die Kostenaufstellungen, Gewinnkalkulationen, den Kontakt zu den Kunden, den Verkauf und die Werbung waren die kaufmän- nischen Abteilungen zuständig. Dieses Konzept der Arbeitstei- lung hat so lange gut funktioniert, bis auf der einen Seite die neu kon- struierten technischen Apparate im- mer komplexer und auf der ande- ren die Anforderungen der Kunden immer spezieller wurden. Es reich- te also nicht mehr aus, Produkte mit einer guten Qualität zu konstruie- ren, sondern es ging auch darum, die Maschinen erklären zu können und die Kundenwünsche zu ver- stehen. Mit dem dafür notwendi- gen technischen Know-how konnte die Kaufmannschaft nur überfor- dert sein, während es den traditio- nell ausgebildeten Ingenieuren an den betriebswirtschaftlichen Grund- lagen mangelte. Und so wurde von der Ingenieurszunft zur Abwechs- lung mal keine Maschine, sondern eine neue Fachrichtung erfunden: das Vertriebsingenieurwesen. // Vergleicht man die verschie- denen Ingenieurberufe mit olympischen Disziplinen, so wür- de der Vertriebsingenieur wohl am ehesten als Zehnkämpfer bezeichnet werden. Denn die Fähigkeiten, über die er verfü- gen muss, gehen weit über das mathematische, physikalische und technische Wissen hinaus, das als Grundlage – wie bei al- len ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen – als selbstver- ständlich vorausgesetzt wird. Die Aufgabenvielfalt der Inge- nieure im Vertrieb liegt darin be- gründet, dass das Voranschrei- ten der Technik und die immer größer werdende Komplexität der technischen Welt Spezialisie- rungen in vielen Teilbereichen »» P O R T R Ä T Der richtige Mann für China Auch der Blick des Mittelstands geht immer mehr Richtung Fern- ost. Das beweist Vertriebsingenieur Peter Dittmann, der die verfahrens- technischen Anlagen seines Arbeitgebers zum festen Be- standteil chinesischer Kraftwerke machen will. »» weiter S. 3 + 4 »» VERTRIEB UND PRODUKTE Der Business-Draht glüht global Güter für 984,1 Billionen Euro gingen 2008 von Deutschland hinaus in die Welt. Ob Automo- bile, Raffinerien, Pipeline-Rohre, Hochgeschwindigkeitszüge oder Schrauben, Vertriebsingenieure sind am globalen Erfolg maßgeb- lich beteiligt. »» weiter S. 5 + 6 erforderten – im Zuge dessen wuchs aber auch der Bedarf an Generalisten. Denn es entstand ein großes Kommunikationspro- blem unter den spezialisierten Ingenieuren: Niemand versteht mehr, was der andere vermit- teln will, weil sich jeder nur noch in einem kleinen Teilbereich aus- kennt und damit alle eine andere Sprache sprechen. Fit in allen Disziplinen Ganz gleich, ob mit Ingenieur-, Natur-, Wirtschafts-, Rechts-, Geistes- oder Gesellschaftswissenschaften – als echte Allrounder kommen Vertriebsingenieure mit allen Bereichen in Berührung »» V E R T R I E B S I N G E N I E U R W E S E N »» weiter S. 2 © Wallstein GmbH © Nico Ruti, Photocase © Foto oben: thotti, Photocase · Foto ganz oben: Franz Pfluegl, Fotolia © Gerti G., Photocase

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Vertriebsingenieure haben das technische Know-how, den Wirtschafts-Background und das kommunikative Geschick, um die entwickelten Produkte ihrer Ingenieurkollegen anderer Fachrichtungen an den Kunden zu bringen. Wie unersetzlich sie in der heutigen Technikwelt sind, zeigt das neue THINK ING. kompakt zum Thema Vertriebsingenieurwesen.

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kompaktAusgabe 1 | 2010

Thema: Vertriebsingenieurwesen

Jeden Monat neue Infos aus der Welt der Ingenieure

»» I N T R OVertrieb im Sinn Früher war alles ganz einfach: Der Ingenieur war der Tüftler, der mit ei-niger Genialität an neuen Erfindun-gen herumbasteln durfte, ohne an finanzielle Aspekte denken zu müssen. Ein Abbild Daniel Düsen-triebs sozusagen, liebenswert welt-fremd und aufgrund mangelnden Geschäftssinns ständig in der Ge-fahr schwebend, die eigenen Erfin-dungen stark unter Wert zu verkau-fen. Für die Kostenaufstellungen, Gewinnkalkulationen, den Kontakt zu den Kunden, den Verkauf und die Werbung waren die kaufmän-nischen Abteilungen zuständig. Dieses Konzept der Arbeitstei-lung hat so lange gut funktioniert, bis auf der einen Seite die neu kon- struierten technischen Apparate im-mer komplexer und auf der ande-ren die Anforderungen der Kunden immer spezieller wurden. Es reich-te also nicht mehr aus, Produkte mit einer guten Qualität zu konstruie-ren, sondern es ging auch darum, die Maschinen erklären zu können und die Kundenwünsche zu ver-stehen. Mit dem dafür notwendi-gen technischen Know-how konnte die Kaufmannschaft nur überfor-dert sein, während es den traditio-nell ausgebildeten Ingenieuren an den betriebswirtschaftlichen Grund-lagen mangelte. Und so wurde von der Ingenieurszunft zur Abwechs-lung mal keine Maschine, sondern eine neue Fachrichtung erfunden: das Vertriebsingenieurwesen. //

Vergleicht man die verschie-denen Ingenieurberufe mit olympischen Disziplinen, so wür-de der Vertriebsingenieur wohl am ehesten als Zehnkämpfer bezeichnet werden. Denn die Fähigkeiten, über die er verfü-gen muss, gehen weit über das mathematische, physikalische und technische Wissen hinaus, das als Grundlage – wie bei al-

len ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen – als selbstver-ständlich vorausgesetzt wird.

Die Aufgabenvielfalt der Inge-nieure im Vertrieb liegt darin be-gründet, dass das Voranschrei-ten der Technik und die immer größer werdende Komplexität der technischen Welt Spezialisie-rungen in vielen Teilbereichen

»» P O R T R Ä TDer richtige Mann für China Auch der Blick des Mittelstands geht immer mehr Richtung Fern-ost. Das beweist Vertriebsingenieur Peter Dittmann, der die verfahrens-technischen Anlagen seines Arbeitgebers zum festen Be-standteil chinesischer Kraftwerke machen will. »» weiter S. 3 + 4

»» V E R T R I E B U N D P R O D U K T EDer Business-Draht glüht global Güter für 984,1 Billionen Euro gingen 2008 von Deutschland hinaus in die Welt. Ob Automo-bile, Raffinerien, Pipeline-Rohre, Hochgeschwindigkeitszüge oder Schrauben, Vertriebsingenieure sind am globalen Erfolg maßgeb-lich beteiligt. »» weiter S. 5 + 6

erforderten – im Zuge dessen wuchs aber auch der Bedarf an Generalisten. Denn es entstand ein großes Kommunikationspro-blem unter den spezialisierten Ingenieuren: Niemand versteht mehr, was der andere vermit-teln will, weil sich jeder nur noch in einem kleinen Teilbereich aus-kennt und damit alle eine andere Sprache sprechen.

Fit in allen DisziplinenGanz gleich, ob mit Ingenieur-, Natur-, Wirtschafts-, Rechts-, Geistes- oder Gesellschaftswissenschaften – als echte Allrounder kommen Vertriebsingenieure mit allen Bereichen in Berührung

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Links zum Studium

Neben der allgemeinen Aus-richtung „Wirtschaftsingenieur-wesen“, das unter anderem in Hannover, Dortmund, Clausthal, Heilbronn und München studiert werden kann, gibt es immer mehr spezialisierte Studiengän-ge. Den Anfang hat übrigens die kleine Hochschule Furtwangen bereits vor über zwanzig Jahren gemacht. Bremen bietet neben dem Studiengang „Wirtschafts-ingenieurwesen“ einen weiteren an, der auf Geschäftsbeziehun-gen zu China spezialisiert ist.

Hier eine kleine Auswahl:

Sales & Service Engineering (Master)www.hs-furtwangen.de/deutsch/ studienangebote/studiengaenge/master/master/pe_sem.html

Industrial Management and Engineering China B.Eng.www.hs-bremen.de/internet/de/studium/stg/imec/index.html

Internationales Technisches Vertriebsmanagementwww.fh-aschaffenburg.de/ index.php?id=3629

Internationaler Technischer Vertrieb (Bachelor)www.htw-aalen.de/studium/vu

Sales Engineering and Product Managementwww.ruhr-uni-bochum.de/sepm

Vertriebsingenieurwesen (Master)www.hs-karlsruhe.de/servlet/PB/menu/1015098/index.html

Internationales Vertriebs- und Ein-kaufsingenieurwesen (Bachelor)www.fh-kiel.de/index.php?id=2245

Internationales Technisches Vertriebsmanagementwww.ba-mosbach.de/index.php?id=49

Das ist aber für ein Unterneh-men, das gewinnbringend Pro-dukte am Markt positionieren will, sozusagen der Anfang vom Ende. Und so hat ausgerech-net die zunehmende Speziali-sierung in allen Bereichen einen Bedarf an Generalisten hervor-gebracht, die eine Schnittstel-lenfunktion einnehmen und als „Dolmetscher“ zwischen Käu-fern, Verkäufern, Anwendern und Entwicklern fungieren.

Kein Wunder, dass bei Ver-triebsingenieuren die Kommuni-kationsfähigkeit groß geschrie-ben wird, und das unter ganz verschiedenen Aspekten. Sie müssen zum Beispiel die Bedürf-nisse von Kunden verstehen, um einen Auftrag an Land zu zie-hen, und im Anschluss bei der

Projektplanung auch in der Lage sein, an Lösungen zur techni-schen Umsetzung mitzuarbeiten und den Ingenieurteams zu ver-mitteln, was genau bei der Neu-entwicklung beachtet werden muss. Dabei geht es auch um wirtschaftliche Kalkulationen, denn jedes Feature, das unnö-tigerweise implementiert wird, verursacht überflüssige Kosten oder führt im schlimmsten Fall sogar zur Unzufriedenheit eines Kunden mit dem Endprodukt.

Entwickelt eine Firma ein neu-es Produkt, ohne dass bereits konkreter Bedarf besteht, kann es auch die Aufgabe des Ver-triebsingenieurs sein, erst einmal Kunden dafür zu finden. Und dazu muss er die Fahrtrichtung wechseln: Jetzt geht es darum,

vermitteln zu können, worin die Innovation besteht und warum die angebotene Maschine be-sonders gut geeignet ist, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen.

Aber mit der erfolgreichen Entwicklung und einem abge-schlossenen Verkauf ist es noch lange nicht getan: Auch beim nachfolgenden Kundendienst sind die Fähigkeiten des Ver-triebsingenieurs gefragt. Er muss vor Ort erklären, wie die Ma-schine in der Praxis bedient wird und muss auf Zusatzwünsche und Verbesserungsvorschläge eingehen, die erst nach der In-betriebnahme entstehen. Und im internationalen Kontext geht es auch darum, sich mit den Ei-genheiten anderer Kulturen aus-einanderzusetzen und fremde

Denkweisen zu verstehen – von den dazu benötigten Fremd-sprachenkenntnissen mal ganz abgesehen. Mit anderen Wor-ten: Gut kommunizieren zu kön-nen, heißt für den Vertriebs-ingenieur, neben technischem Verständnis nicht nur Überzeu-gungskraft zu besitzen, sondern außerdem über psychologische Kenntnisse, Einfühlungsvermö-gen und didaktische Fähigkeiten zu verfügen.

Aber damit nicht genug: Auch Marketingkenntnisse sind ge-fragt. Denn um ein Produkt ver-kaufen zu können, ist es wich-tig, den Markt zu analysieren, zu wissen, „was die Konkurrenz so treibt“ und überzeugende Prä-sentationen zu erstellen und vorzutragen.

Damit ist das Ende der Qua-lifikationsfahnenstange immer noch nicht erreicht: Juristische Kenntnisse kommen ins Spiel, wenn es um Vertragsverhand-lungen geht und bei der konkre-ten Projektplanung zum Beispiel die Einhaltung von Umweltnor-men beachtet werden muss.Bei all dem ist – wie oben be-reits angedeutet – ein Geschäft nur dann erfolgreich, wenn es gewinnbringend ist. Ein Ver-triebsingenieur muss sich also außerdem in den Bereichen Controlling, Finanzierung und Rechnungswesen auskennen.

So vielfältig die Aufgaben sind, so unterschiedlich sind auch die Branchen, in denen die Vertriebs-Multitalente gesucht sind. Dazu gehören die Auto-

mobilindustrie, die Luftfahrt, Umwelt-, Medizin- und Elek-trotechnik, Telekommunikati-on, Maschinen- und Anlagen-hersteller, Metall und Kunststoff verarbeitende Betriebe sowie Softwareunternehmen, um nur einige zu nennen.

Betrachtet man das Gesamt-bild, könnte man auf die Idee kommen, dass der eingangs gezogene Sportvergleich hinkt. Vielleicht wäre es treffender, von einem Zwanzigkämpfer zu sprechen, wenn es ihn denn gäbe. Angst machen sollte das allerdings niemandem, denn das große Aufgabenspektrum bringt auf jeden Fall einen ge-waltigen Vorteil mit sich: Lan-geweile ist so gut wie ausge-schlossen. //

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»» Fortsetzung von S. 1: Fit in allen Disziplinen

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Vertriebsingenieure sind als „Dolmetscher“ und Kommunikationstalent auf verschiedenen Ebenen gefragt und gefordert.

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Auf der Suche nach neuen Märkten im alten China»» P O R T R Ä T

Peter Dittmann ist ein al-ter Fuchs. Im Bereich Wär-me-, Verfahrens- und Prozess-technik würde der 57-jährige Vertriebsingenieur bei „Wer wird Millionär“ locker alle Hür-den bis zur Masterfrage neh-men und anschließend noch Günther Jauch davon überzeu-gen, einen korrosionsbestän-digen Wärmetauscher in der Größe eines Lkws zu kaufen. Das ist sein Metier. Er vertreibt, konzipiert und optimiert Tau-scheranlagen zur Wärmenut-zung. Eingesetzt werden diese riesigen Spezialanfertigungen aus edlen Stählen und speziel-len Kunststoffrohren zumeist in Großkraftwerken. Weltweit. Viel technisches Know-how, Unmengen gewundener Rohr-leitungen, eine kompakte Bau-form und die Gesetze der Thermodynamik holen so aus Abwärme neue Energie.

Genau die hat auch Ditt-mann im Überschuss. Er erlebt gerade mal wieder ei-nen weite-ren zweiten Frühling. Bei seinem Arbeitge-ber in Reck-linghausen, dem mittel-ständischen Verfah-rens- und Umwelt-technikun-ternehmen Wallstein Ingeni-eur GmbH, steht näm-lich aktuell die Erobe-rung des Reichs der Mitte auf der Tagesordnung, da Chinas

Steinkohlekraftwerke durch-weg Probleme mit veralteten

und ver-schmutz-ten Wärmetau-schersys-temen ha-ben. Eine Erneue-rung die-ser Anla-gen wurde im Einpar-teienstaat jüngst so-gar staat-lich festge-schrieben. Das eröff-net fin-digen Vertriebs-ingenieu-

ren einen riesigen Markt, der zudem kontinuierlich wächst.

80 Prozent des in China pro-duzierten Stroms stammen aus Kohlekraftwerken und jedes Jahr kommen Kapazitäten von 50 bis 90 Gigawatt neu hinzu.

Diese Fakten kennt Dittmann nur zu gut. Schließlich beobach-tet er die internationalen Märk-te für Kraftwerkstechnik schon sein Leben lang. Nach dem Ma-schinenbaustudium mit Schwer-punkt Wärmetechnik war er 25 Jahre bei der GEA Group im Auslandsgeschäft tätig. „Global zu arbeiten war damals schon Alltag für uns Vertriebsingeni-eure – von Raffinerien in Sau-di Arabien bis zum Kraftwerk in Korea“, erzählt er. Und an sei-nen ersten selbst akquirierten Auftrag im Alter von 33 Jahren erinnert er sich ebenfalls noch gut. „Eine Anlage für 13 Millio-nen D-Mark. Das kam wie aus dem Nichts. Ein super Gefühl.“

In Kooperation mit GEA und DuPont bringt Vertriebsingenieur Peter Dittmann Kraftwerkstechnik aus Recklinghausen ins Reich der Mitte

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Vertriebsingenieur Peter Dittmann verkauft deutsche Verfahrenstechnik Richtung ChinaVertriebsingenieur Peter Dittmann verkauft deutsche Verfahrenstechnik Richtung China

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Der erste persönliche Vertriebsbesuch im fernen Peking. V.l.n.r.: Dirk Wallstein, Peter Dittmann (beide Wallstein GmbH), Franz-Josef Hintzen (GEA), Martin Brueck (DuPont), Cicely Cai (DuPont), Richard Cheung (DuPont) und Fanxin Meng (GEA)

Bei den aktuellen Aufträgen, die Dittmann für die Wallstein Ingenieur GmbH akquiriert, rei-chen die Angebotsgrößen zwar mittlerweile bis zu 30 Millionen Euro, aber den Vertriebs-Fokus ausschließlich auf Deutschland und Europa zu richten, reicht längst nicht mehr aus.

China ist das neue Land der Verheißung für deutsche Ver-fahrenstechnik. Und nur zu gern würde Dittmann nach sei-ner Asien-Reise mal ein An-gebot inchinesischer Währung kalkulieren. Damit der alte Hau-degen in Peking nicht allein ei-ner ganzen Terrakotta-Armee gegenübersteht, aktivierte er vor der Tour zusammen mit Se-nior-Chef Dieter Wallstein die guten Kontakte zu etablier-ten Global Playern. Mit der GEA Group führte man Gespräche, inwieweit eine internationa-le Zusammenarbeit im Bereich Kraftwerkstechnik möglich ist und auch DuPont, mit denen man bereits spezielle Rohre für Kunststoffwärmetauscher ent-wickelt hatte, versprach als Tür-

öffner in der Volksrepublik tätig zu werden. Mit Erfolg.

Am 6. September 2009 check-te Peter Dittmann sein Reisege-päck am Frankfurter Flughafen ein und schwebte erstmals gen Peking. Sechs Termine in vier Tagen standen auf dem Pro-gramm. Die Kontaktanbahnung durch GEA und DuPont hat-te gut funktioniert und zudem den großen Vorteil, dass man vor Ort in China auf lokale An-sprechpartner beider Großun-ternehmen traf. „Die Strukturen der Großen bieten den nötigen

Hintergrund für Marktakqui-se und Nutzung von internati-

onalen Fertigungsstrukturen“, weiß Dittmann. „Das konstruk-tionstechnische Know-how für die Wärmetauscher-Anlagen kommt natürlich von uns!“ Davon mussten jetzt nur noch die staatlichen regionalen Inge-nieurbüros überzeugt werden, die in China für derartige Auf-tragsvergaben zuständig sind. „Das sind Riesenläden, in de-nen teilweise 600 bis 700 In-genieure sitzen. Aber nicht nur mit denen muss man sprechen, sondern auch mit den Kraft-werksbetreibern“, schildert Ditt-mann.

Da ahnt man schon, dass es ein Kommunikationstalent wie ihn gewurmt haben muss, kein Chinesisch zu sprechen. Sein Englisch ist zwar durch die jahr-zehntelange Berufserfahrung perfekt, aber die beste Kommu-nikation beim Kunden ist immer noch die in der Muttersprache. Gerade deshalb empfiehlt Ditt-man dem Vertriebsingenieur-Nachwuchs neben einer prak-tischen Ausbildung auch das Erlernen einer zweiten Fremd-sprache: „Nicht nur Englisch lernen, auch Chinesisch oder Portugiesisch – in jedem Unter-nehmen ist man dann automa-tisch der Mann oder die Frau für genau diesen Markt!“

Zudem gilt laut Dittmann, dass Vertriebsingenieure im-mer wieder „ihren Hintern hoch kriegen müssen“. Flexibilität und Mobilität stehen hoch im Kurs. Nur vom Telefon aus lassen sich seiner Ansicht nach keine Ge-schäfte machen. „Der globa-

Zur Person Peter Dittmann ist bei der Wallstein Ingenieur GmbH in Recklinghausen einer der Senior-Vertriebsingenieure. Der 57-Jäh-rige ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Faszination für Tech-nik wuchs bei Dittmann nach dem Abitur mit dem Wehrdienst bei der Marine und der dort all-gegenwärtigen Maschinen-technik. Danach machte er eine Ausbildung zum Maschinen-schlosser im Bergbau und ent-schied sich für ein Studium an der Fachhochschule Bochum im Bereich Maschinenbau. Der Be-rufseinstieg als Ingenieur gelang ihm bei der GEA Group, wo er anfangs in der Forschung und später 25 Jahre im Vertrieb von verfahrenstechnischen Anlagen tätig war. Seit 2006 ist Dittmann Technischer Leiter für Kraftwerk-sprodukte bei der Wallstein In-genieur GmbH.

„Man muss dran bleiben“, lau-tet das Motto des erfahrenen Vertriebsingenieurs, der wann immer es geht, seine Erfahrun-gen an den Nachwuchs weiter-gibt. Zum Job im Vertrieb sagt er: „Am Anfang hat der Kunden-kontakt nicht viel mit Ingenieur zu tun. Man muss kommunikativ sein und sich auf Menschen und Mentalitäten einstellen können. Im weiteren Verlauf des Busi-ness geht’s dann immer mehr um konstruktionstechnische Aufgaben, Auftragsabwicklung und das Tagesgeschäft des En-gineering.“

le Markt stellt völlig neue Anfor-derungen an alle Ingenieure, die im Vertrieb tätig sind“, erklärt er und fügt noch schmunzelnd hinzu: „Wer immer bei Mami sein will, für den ist das nix!“ Dittmanns Draht Richtung Pe-king glimmt übrigens immer noch auf Hochtouren. Und es vergeht kein Besuch im heimi-schen Restaurant „Zu den golde-nen Stäbchen“, bei dem nicht flei-ßig Chinesisch gelernt wird. Auch das Visum für die nächste Rei-se ist bereits beantragt. Fehlt also nur noch die Auftragsvergabe für den ersten Wärmetauscher mit Ruhrgebiets-Know-how im Land des Lächelns. //

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Ein Wärmetauscher-Modul wird in einem Kraftwerk eingebaut

Der erste persönliche Vertriebsbesuch im fernen Peking. V.l.n.r.: Dirk Wallstein, Peter Dittmann (beide Wallstein GmbH), Franz-Josef Hintzen (GEA), Martin Brueck (DuPont), Cicely Cai (DuPont), Richard Cheung (DuPont) und Fanxin Meng (GEA)

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»» K U R Z - I N T E R V I E W» 10 Antworten in 10 Sätzen

Stefan Meyer ist bei der SMT Scharf GmbH in den Märkten Süd-afrika, Ameri-ka, Türkei und Indien für den

Vertrieb von Transport- und Logistiksystemen im Untertage-bergbau zuständig. Hinzu kommt außerdem der Tunnelbau. Ein guter Arbeitstag beginnt mit …einem fröhlichen „Glückauf!“.Als Vertriebsingenieur muss man …sich als Bindeglied zwischen Kun- den und eigenem Unternehmen verstehen sowie die Erwartungen seiner Kunden frühzeitig erkennen.Wirklich aufregen könnte ich mich, …wenn andere Leute, auf die ich mich verlasse, mich im Stich lassen.Die Ingenieurausbildung in Deutschland …ist in ein gutes Fundament für das Berufsleben, auf das sich bauen lässt.Der technische Verkauf ist…eine spannende, abteilungsüber-greifende und interdisziplinäre Tätigkeit.Entspannung finde ich …mit meinen zwei Söhnen im Technikmuseum oder schlicht bei einem gut gezapften Pils in der Kneipe an der Ecke.Wenn ich nicht Ingenieur geworden wäre, hätte ich …als ein überzeugtes Kind vermut- lich einen Kiosk aufgemacht. Das Beste an meiner Tätig-keit ist, …sich in vielen Situationen schnell auf sich ändernde Rahmenbedin-gungen einstellen zu müssen und die Freiheit zu besitzen, Entschei-dungen selbsttätig zu treffen.BWL lernt man als Ingenieur …leider viel zu wenig während des Studiums. Umso schneller eignet man sich jedoch die wichtigsten Grundlagen im Beruf an.Als Rentner werde ich ...mir einen Geländewagen kaufen und versuchen, mit diesem von Kapstadt nach Kairo zu fahren. Vermutlich werde ich jedoch in Südafrika hängen bleiben und endlich die wunderbare Natur genießen, die ich auf Dienstrei-sen nur im Eiltempo durchquere. //

Güter im Wert von 984,1 Billionen Euro wurden laut Statistischem Bundesamt 2008 von Deutschland in alle Welt exportiert. 17,2 Prozent dieser unglaublichen Masse an vor-wiegend technischen Waren, bestanden aus Automobilen und Automobilteilen. Danach folgte der Maschinenbau mit 16,3 Prozent und auf Platz drei lagen die chemischen Produk-te mit einem Anteil von 9,3 Pro-zent am Gesamtexport. Die-se drei Branchen allein machten 42,8 Prozent von Deutschlands Exporten aus. Wegen der Wirt-schaftskrise werden die Zah-len für 2009 zwar etwas dünner ausfallen, trotzdem finden Ver-triebsingenieure in den obigen

drei Branchen nach wie vor viel Vertriebspotenzial.

Wie gut das globale Vertriebs-geschäft funktioniert, beweist der Erneuerbare-Energien-Sektor der Siemens AG. Groß-aufträge erhielt man nämlich unlängst sowohl aus Nordameri-ka als auch aus Neuseeland. 28 deutsche Windkraftanla-gen für die Kiwis mit 64 Mega-

watt und 250 für die Amerika-ner mit 565 Megawatt wurden geliefert. Allein der US-Auftrag hatte ein Volumen von mehr als 600 Millionen Euro. Vor der bri-tischen Küste wird übrigens bis 2020 ein gigantischer neuer Offshore-Windpark entstehen, der ein Viertel von Großbritan-niens Energiebedarf decken soll, und auch die Entscheidung für den Bau eines 295 Mega-watt-Windparks bis 2013 vor

der deutschen Insel Hel-goland ist gefallen.

Klar, dass die Vertriebsin-

genieure von E.on, RWE und Siemens fleißig

»» V E R T R I E B U N D P R O D U K T E

Millionenschwere GroßverkäuferManche Vertriebsingenieure schreiben Zahlen, von denen auch echte Millionäre nur träumen können – aber der finanzielle Erfolg im Job gehört natürlich dem Unternehmen

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Der Erneuerbare-Energien-Sektor könnte für Vertriebsingenieure der zukünftige deutsche Verkaufsschlager werden.

Größter Kunde für den Export deutscher Medizintechnik sind die USA

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dieser Spezialgeräte lag bei insgesamt 1,3 Milliarden Euro.

Die Vertriebsingenieure von ABB konnten ihren Arbeitgeber kurz vor Weihnachten 2009 noch

mit einem Großauftrag erfreu-en: ein 115 Millionen US-Dollar schweres Energietechnikprojekt für Bangalores neu geplan-tes Metronetz. Es geht um zwei Hauptlinien mit insgesamt über 42 Kilometern Länge und 41 Haltestationen. ABB ist für

Längst sind die Kontakte und Akquisen deutscher Vertriebs- ingenieure auf den globalen Markt ausgerichtet

daran arbeiten, weitere Aufträ-ge an Land zu ziehen.

Auf der Medica in Düsseldorf konnte man im November ver-gangenen Jahres erfahren, dass im Zeitraum von Januar bis Au-gust 2009 medizintechni-sche Geräte und Appara-te im Wert von 8,6 Milliarden Euro aus Deutschland ausge-führt wurden. Größter Kunde für deutsche Vertriebsingeni-eure, die Medizintechnik ver-kaufen, waren die USA. Dorthin wurden rund ein Fünftel der Geräte (im Wert von 1,7 Milliar-den Euro) exportiert. In deutli-chem Abstand folgten Frank-

reich (644 Millionen Euro), die Niederlande (463 Millionen Euro) und das Vereinigte Kö-nigreich (417 Millionen Euro). Besonders nachgefragt wa-ren Röntgenapparate und Ma-gnetresonanzgeräte deutscher Hersteller. Der Ausfuhrwert

Spezielle Stahlprodukte, wie diese Pipeline-Rohre, werden auch in die entlegensten Teile der Welt verkauft

Richtlinienkompetenz

„Ein Unternehmen lebt nicht von dem, was es produziert, son-dern von dem, was es verkauft“, hat der ehemalige Chrysler-Vor-sitzende Lee Iacocca einmal ge-sagt. Welche Bedeutung dieser Satz hat, lässt sich unter anderem daran ablesen, dass inzwischen 25 Prozent aller Ingenieure mit Vertriebsaufgaben betraut sind – Tendenz steigend. Der Verein Deutscher Ingeni-eure (VDI) fördert mit Unterstüt-zung der Industrie bereits seit Mitte der 90er Jahre die Einrich-tung von entsprechenden Studi-engängen an den Hochschulen und hat im Dezember 2009 die Richtlinie VDI 4501 herausgege-

»» F A C H B E G R I F F EMarketing-Englisch & Vertriebs-Deutsch» Akquise: Kundengewinnung durch per-sönliche Verkaufsgespräche.» B2B- oder B-to-B: „Business to Business“, Geschäfts- beziehung zwischen zwei oder mehreren Unternehmen.» B2C: „Business to Consumer“, Han-delsbeziehungen zwischen Un-ternehmen und Privatpersonen.» Investitions-, Industriegüter-marketing: Marketing von Produktionsfak-toren (die der Herstellung von Gütern dienen) mit privatwirt-schaftlichen und öffentlichen Organisationen als Zielgruppe, inzwischen häufig auch als B2B-Marketing bezeichnet.» Key-Account-Management: Spezielle Betreuung von Groß-kunden, die für die Existenz ei-nes Unternehmens besonders wichtig sind. Man bezeichnet sie auch als sogenannte Schlüssel-kunden.» ROI: „Return on Investment“, Modell zur Messung der Rendite des eingesetzten Kapitals.» CEO: „Chief Executive Officer“, be-zeichnet längst auch in Deutsch-land den Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens.» CFO:Meint den „Chief Financial Officer“, also jenen, der früher Kaufmännischer Leiter oder Finanzvorstand hieß.» CVO: Er ist der Visionär und späht als „Chief Visionary Officer“ in die Zukunft der Unternehmen und Märkte.» Compliance: Regelüberwachung und Maß-nahmen, die das regelkonforme Verhalten eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter im Hin-blick auf alle gesetzlichen Ge- und Verbote gewährleisten. ImpressumVerantwortlicher Herausgeber:Arbeitgeberverband Gesamt-metall · Wolfgang Gollub · Leiter Nachwuchssicherung / THINK ING.Postfach 060249 · 10052 Berlinwww.think-ing.de

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ben, die sich mit dem Berufsfeld Technischer Vertrieb auseinan-dersetzt.

Sie erläutert die Qualifika-tionsmöglichkeiten zum Ver-triebsingenieur, die neben den Spezialstudiengängen auch be-rufsbegleitende Weiterbildungs-maßnahmen für „traditionell“ ausgebildete Ingenieure umfas-sen. Die Richtlinie beschreibt au-ßerdem, welches Wissen und welche Fähigkeiten für eine er-folgreiche Tätigkeit im techni-schen Vertrieb notwendig sind. Und VDI 4501 definiert das Ver-triebsingenieurwesen ganz all-gemein als „wichtige Ingenieur-disziplin“, um die Bedeutung des Themas für Wirtschaft und Un-ternehmen zu unterstreichen.

die Stromversorgung und Elekt-rizitätsverteilung verantwortlich. Die Produktlieferungen umfas-sen Transformatoren, Konden-satoren, Relais sowie Kabel und Schaltanlagen. All das wird da-für sorgen, dass die über sie-ben Millionen Einwohner der am schnellsten wachsenden Stadt Indiens bald auch ziemlich schnell zur Arbeit kommen.

Nord Stream heißt die geplante längste Offshore-Pipeline der Welt. Sie verbindet russische Erd-gasfelder mit dem westeuropä-ischen Netz und läuft durch die komplette Ostsee. Der Mülhei-mer Stahlrohrspezialist Europipe liefert für den ersten Strang circa 1.000 Kilometer (860.000 Ton-nen) Spezialstahlrohre, die von in-nen mit Epoxy auskleidet und von außen mit Polyethylene be-schichtet sind. Die Rohre liegen in einer maximalen Wassertiefe von 210 Metern und müssen ei-nen Druck von 220 bar aushalten. Da haben die Vertriebsingenieu-re von Europipe also wirklich mal ein Produkt verkauft, das sie nie wiedersehen werden. Schließlich tauchen die Rohre ab in den Ozean. //

Vertriebsingenieure finden sich in allen technischen Bran-chen. Sie haben das ingenieur-wissenschaftliche Know-how, den BWL-Background und das kommunikative Geschick, um die Produkte, die ihre Ingenieurkol-legen aus allen Fachbereichen in den Entwicklungs- und Ferti-gungsabteilungen der Unterneh-men herstellen, an den Kunden zu bringen. Technische Verkäufer wie sie sind als Schnittstelle zum Kunden in einer immer komple-xer werdenden Technikwelt ein-fach unersetzlich.

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Spezielle Stahlprodukte, wie diese Pipeline-Rohre, werden auch in die entlegensten Teile der Welt verkauft

Längst sind die Kontakte und Akquisen deutscher Vertriebs- ingenieure auf den globalen Markt ausgerichtet