VERU - Versuchseinrichtung für energetische und ... · 3 Gebäude und Versorgungstechnik Je Etage...
Transcript of VERU - Versuchseinrichtung für energetische und ... · 3 Gebäude und Versorgungstechnik Je Etage...
Zusammenfassung
Der Gesamtenergiebedarf von Gebäuden wird durch vielfältige Komponenten beein-flusst, die zum Teil energetisch konkurrie-rend wirken können. Sonnenschutzsysteme können die Solargewinne deutlich reduzie-ren, gleichzeitig aber auch dazu führen, dass die Stromverbräuche für die Beleuchtung an-steigen. Dies erhöht letztendlich wiederum die Kühllasten. Die einzelnen Komponenten müssen daher im Gesamtkontext betrachtet und bewertet werden. Auf dem Freigelände des Fraunhofer-Institut für Bauphysik (BP) in Holzkirchen wurde hierzu eine modulare Versuchseinrichtung für energetische und raumklimatische Untersuchungen (VERU) errichtet, an der Untersuchungen an unter-schiedlichsten Fassadensystemen sowie de-ren Auswirkung auf die dahinter liegenden Räume im Zusammenwirken mit unter-schiedlichen Anlagensystemen durchgeführt werden können. Das Untersuchungsziel von Forschungsvor-haben an VERU ist die integrale Betrach-tungsweise des Energietransports durch die Fassade gepaart mit dem Energieverbrauch für Beheizung, Kühlung, Lüf-tung und Beleuchtung. Darüber hinaus besteht die Möglich-keit, Fragen zur raumklimatischen Behaglichkeit unter spe-zieller Berücksichtigung der Wechselwirkung mit den tech-nischen Anlagen eines Gebäudes zu untersuchen.
1 Ziele und Möglichkeiten
Insbesondere bei innovativen, komplexen Fassadensyste-men können die für eine exakte energetische Auslegung ei-nes Gebäudes notwendigen Fassadenkenndaten mit Hilfe
der klassischen Laborprüfmethoden häufig nicht mit ausrei-chender Genauigkeit ermittelt werden. Die Übertragung der aus den Laborproben ermittelten Kenndaten auf die gesam-te Fassade stößt bei komplexen, inhomogenen Aufbauten an Grenzen. Für die Bewertung der bauphysikalischen Eigen-schaften solcher Fassaden können, in Ergänzung zu den La-borprüfungen, Messungen an der Versuchseinrichtung für energetische und raumklimatische Untersuchungen (VE-RU) am Standort Holzkirchen des Fraunhofer IBP durch-geführt werden. Bei Untersuchungen an VERU steht die integrale Betrach-tung von Fassade, Raum und Anlagentechnik im Vorder-grund, um praxisnahe Aussagen zu Energieverbrauch, visu-eller und thermischer Behaglichkeit treffen zu können. Das mehrgeschossige Gebäude auf dem Freigelände in Holzkir-chen ermöglicht es, konventionelle und innovative Fassa-den- bzw. Gebäudehüllsysteme nahezu jeglicher Art zu tes-ten. Die Modularität der hinter den Fassadenelementen be-findlichen Zellen mit variabler Raumtiefe erlaubt praxis-nahe Untersuchungen im 1:1-Maßstab unter realer Bewitte-rung. Der allgemeine Fokus der Untersuchungen an VERU um-fasst folgende Bereiche: – Integrale Bewertung von innovativen Fassadenlösungen – Ermittlung des gesamten solaren Wärmeeintrages über
die Fassade – Bestimmung der integralen Wärmeverluste über die Fas-
sade
VERU - Versuchseinrichtung für energetische und raumklimatische Untersuchungen
Bild 1. Westansicht der Versuchseinrichtung für energetische und raumklimatische Untersuchungen (VERU)
H. Sinnesbichler, I. Heusler
Dipl.-Ing. Herbert Sinnesbichler
Gruppenleiter Fassadenkonzepte
am Fraunhofer-Institut für Bauphysik (BP)
Standort Holzkirchen
Fraunhoferstr. 10, 83626 Valley
http://www.ibp.fraunhofer.de
Dr.-Ing. Ingo Heusler
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
in der Arbeitsgruppe Fassadenkonzepte
am Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP)
Standort Holzkirchen
http://www.ibp.fraunhofer.de
Sonderdruck aus Jahresausgabe 2013/2014 Band 88, Seiten 104-107
Die Versuchsräume können zum thermisch-energeti-schen Vergleich unterschiedlicher baulicher und an-lagentechnischer Komponenten oder Kontrollstrate-gien bedarfsabhängig angepasst werden. Einer der beiden Versuchsräume dienst hierbei in der Regel als Referenzmaßstab.
– Bewertung von in die Fassade integrierter Anlagentechnik – Produktentwicklung, Produktoptimierung – Analyse der Blendsituation an der Fassade (Ermittlung der
Leuchtdichteverteilung) – Ermittlung der Tageslichtquotienten – Erprobung von Kunstlichtkonzepten – Steuerungsverhalten von Sonnenschutz- und Kunstlicht-
systemen – Bewertung der thermischen Behaglichkeit – Vergleichende Untersuchungen an identisch orientierten
Testräumen – Bemusterung von Fassadenlösungen zur Erhöhung der
Planungssicherheit für Architekten, Planer und Bauherren – Datenaufbereitung zur Validierung von Simulations-
modellen für die dynamische Gebäudesimulation
2 Neu errichtete energetische Zwillingsräume
Im 2. Obergeschoss des VERU befinden sich südseitig zwei identische Versuchsräume die speziell für energetische Ver-gleichsmessungen konzipiert sind. Durch hochgedämmte und temperierbare Hüllflächen können die Wärmeströme über die nicht versuchsrelevanten Innenbauteile auf ein Mi-nimum begrenzt werden. Die beiden Räume haben eine Raumbreite von jeweils 3,6 m, eine Raumtiefe von 5,5 m und eine Höhe von 2,8 m (Prüfgeometrie nach DIN EN ISO 13791). Die beiden Versuchsräume sind mit einer Heizung, Kühlung, Lüftung und einem dimmbaren Beleuchtungssys-tem sowie einem innen- und außenliegendem Sonnenschutz ausgestattet.
Bild 2. Glasdoppelfassade an VERU
Bild 3. Raumklimatische Untersuchungen in einer Großraumbürosituation
Bild 4. Blick in einen der beiden energetischen Zwillingsräume im 2. OG des VERU
3 Gebäude und Versorgungstechnik
Je Etage des dreigeschossigen Versuchsgebäudes in Stahlbe-tonkonstruktion sind sechs quadratische Messzellen vor-handen, die einzeln und in Kombination, z.B. zur Unter-suchung von Konzepten für Großraumbüros oder Kon-ferenzräume betrachtet werden können. Durch teilweise demontable Zwischendecken ist es mög-lich, Untersuchungen an mehrgeschossigen Räumen bzw. Hallen durchzuführen. In Teilbereichen der massiven Zwi-schendecken sind Systeme zur Betonkernaktivierung einge-baut. Die zu untersuchenden Fassadenelemente bzw. Ver-schattungssysteme sind an der Ost-, Süd- und Westseite des Gebäudes über vordefinierte Haltesysteme montierbar. Un-abhängig von den einzelnen geplanten Untersuchungen ist der Versuchsstand mit einer umfangreichen Grundausstat-tung ausgerüstet:
– Zentrale Warmwasserheizanlage mit Gas-brennwertkessel
– Zentrale Kälteversorgung, Kaltwassernetz – Raumweise einstellbare, zeitgesteuerte
Luftwechsel – Bauteilaktivierung – Zuluftaufbereitung mit Vorheizung, Vor-
kühlung, Be- und Entfeuchtung – Zeitgesteuerte, variabel einstellbare in-
terne Wärmequellen – Zentrale Regel- und Steueranlage mittels
innovativer, prozessoffener SPS-Software
Bild 5. Südansicht der energetischen Zwillingsräume mit versuchsspezifischen Sonnenschutzstellungen
Bild 6. Adiabates Raumkonzept der energetischen Zwillingsräume
Bild 7. Grundriss der energetischen Zwillingsräume
Bild 8. Haustechnische Versorgungssysteme im Nordtrakt des VERU
4 Messdatenerfassung
Die Messdatenerfassung erfolgt durch das am Institut entwi-ckelte Messsystem IMEDASTM, das auch die Kommunikation mit der zentralen Regelung übernimmt. Die wesentlichen Vorteile des Systems sind: – Zentrale Messwerterfassung und -speicherung – Internetbasierter Zugriff über Webbrowser auf alle Funk-
tionalitäten (Prozessvisualisierung, Datenbankzugriff, Auswertevorlagen, Messkanallisten usw.)
- Echtzeitprozessvisualisierung der Messdaten in einer gra-fischen Oberfläche
– Möglichkeit des passwortgeschützten Online-Zugriffs auf die Visualisierungen (z.B. zur Darstellung auf Messen oder für interne Präsentationen)
– Kopplung der Messdatenerfassung und der Regelungssys-teme. Speicherung aller relevanten Systeminformationen in der zentralen Messdatenbank
– Hohe Ausfallsicherheit
Bild 10. Wetterstation am Dach des VERU
Bild 11. Web-basierte Prozessvisualiserung eines Versuchstandes durch IMEDASTM
Bild 9. Verteilleitungen der Adiabatregister für die energetischen Zwillingsräume
[1] Sinnesbichler, H. et al.: Weiterentwicklung und Evaluierung von Tech-
nologien und von Bewertungsmethoden zur Steigerung der Gesamt-
energieeffizienz von Gebäuden (EnEff06), IBP-Bericht WTB-02–2007.
[2] Heusler, I.; Sinnesbichler, H.; Erhorn, H.; Nimtsch, A.: Erarbeitung einer
vereinfachten Berechnungsmethode für Doppelfassaden für die Inte-
gration in die deutsche EPBD-Energieeffizienzbewertungsmethode DIN
V 18599 (Bewertungsmethode GDF), IBP-Bericht Nr. ESB-002/2009
HOKI.
[3] Sinnesbichler, H.; Eberl, M.: Temporärer Wärmeschutz durch Rollläden
mit Infrarot reflektierender Oberflächenbeschichtung, IBP-Mitteilung
496, 36 (2009).
[4] Heusler, I.; Kersken, M.; Sinnesbichler, H.: Untersuchung der Potenzia-
le von innen liegenden Sicht- und Sonnenschutzsystemen zur Verringe-
rung des Heizwärmebedarfs von Gebäuden, IBP-Bericht ESB-007/2009
HOKI.
[5] Hauser, G.; Sinnesbichler, H.; Eberl, M.: Nächtliche Kühlung mittels ei-
nes modifizierten Solarkollektors, IBP-Mitteilung 498, 37 (2010).
[6] Heusler, I.; Kersken, M.; Sinnesbichler, H.; Nimtsch, A.: Untersuchung
der Potenziale von innen liegenden Sonnenschutzsystemen in Form von
Plissees und Kammerplissees zur Verringerung des Heizwärmebedarfs,
IBP-Bericht ESB-004/2011 HOKI.
[7] Sinnesbichler, H.; Kersken, M.; Eberl, M.: Bewertung einer hermetisch
gedichteten Glasdoppelfassade (CCF) für den Neubau eines Büro-
gebäudes der Firma La Roche AG in Basel, IBP-Bericht ESB-001/2012
HOKI.
[8] Sinnesbichler, H.; Kersken, M.: Bewertung einer belüfteten Glasdoppel-
fassade (SCF), IBP-Bericht ESB-007/2012 HOKI.
[9] Janssens, A.: Full scale test facilities for evaluation of energy and hygro-
thermal performances, INIVE 2011 (www.dynastee.info).
Der Prüfstand VERU ist eine der Versuchsplattformen im
aktuell laufenden internationalen Forschungsvorhaben des
IEA EBC Annex 58 „Reliable building energy performance
characterisation based on full scale dynamic measurements“
(http://www.kuleuven.be/bwf/projects/annex58/index.htm)
5 Auswahl bisher durchgeführter Projekte an VERU mit Literaturverweisen
Seit der Inbetriebnahme des VERU im Jahr 2002 wurden unter anderem die folgenden Forschungsvorhaben bearbei-tet:
© S
pri
ng
er-
VD
I-Verl
ag
Gm
bH
& C
o.
KG
, D
üss
eld
orf
20
13