VERWANDLUNGEN - Culturebase · Dutilleux dagegen ist im 3. Satz von Métaboles streng zwölftönig....

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26. JANUAR 2020, 17:00 UHR 27. JANUAR 2020, 19:30 UHR OPERNHAUS 4. SINFONIEKONZERT Henri Dutilleux Béla Bartók Robert Schumann VERWANDLUNGEN

Transcript of VERWANDLUNGEN - Culturebase · Dutilleux dagegen ist im 3. Satz von Métaboles streng zwölftönig....

  • 26. JANUAR 2020, 17:00 UHR27. JANUAR 2020, 19:30 UHR

    OPERNHAUS

    4. SINFONIEKONZERT

    Henri Dutilleux Béla Bartók

    Robert Schumann

    VERWANDLUNGEN

  • Henri Dutilleux (1919 – 2013)Métaboles (1963/64)

    1. Incantatoire (Beschwörend). Largamente –2. Linéaire (Linear). Lento moderato –

    3. Obsessionnel (Zwanghaft). Scherzando –4. Torpide (Betäubt). Andantino –

    5. Flamboyant (Flammend). Presto

    Béla Bartók (1881 – 1945)Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 Sz 112 (1937/38)

    1. Allegro non troppo 2. Andante tranquillo

    3. Allegro molto

    – Pause –

    Robert Schumann (1810 – 1856)Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 (1845/46)

    1. Sostenuto assai – Allegro ma non troppo2. Scherzo. Allegro vivace – Trio I – Trio II – Coda

    3. Adagio espressivo4. Allegro molto vivace

    Niedersächsisches Staatsorchester HannoverSOLIST Tobias Feldmann (Violine)

    DIRIGENT Stephan Zilias

  • Variation ist so alt wie die Musik selbst, Verzierung und Verwandlung sind schöpferische Urprinzipien. Als „Thema mit Variationen“ entstand sogar eine eigene Form des kreativen musikalischen Spiels. Einer der akribischsten musikalischen Spieler des 20. Jahrhunderts war der französische Komponist Henri Dutilleux. Sein Orchesterwerk Métaboles ist ein virtuoses Konzert für alle Orchestergruppen, das die Verwandlung musikalischer Ideen zum Prinzip erklärt. Auch der ungarische Komponist Béla Bartók interessierte sich für das Spiel mit musikalischem Material: Im Zentrum seines 2. Violinkonzerts steht ein ausgewachsener Variationensatz. Folklore und Fortschritt verbinden sich in diesem virtuosen Konzertklassiker. Den offenen Variationen der ersten Konzerthälfte stehen nach der Pause die inneren Verwandlungen von Schumanns 2. Sinfonie gegenüber. Das gewichtige Werk zeigt den Komponisten auf dem Höhepunkt der „Beherrschung der großartigen Form, wo Schlag auf Schlag die Ideen wechselnd erscheinen und doch durch ein inneres geistiges Band verkettet“ sind. So hatte Schumann selbst die Anforderungen an die Form der Sinfonie beschrieben.

    KONZERT AUF EINEN BLICK

  • Interview

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    Mit dem Konzertprogramm gehen wir Stück für Stück weiter in die Vergangenheit. Méta-boles von Henri Dutilleux entstand in den 1960er Jahren, Béla Bartóks 2. Violinkonzert in den 1930ern, nach der Pause landen wir mit Robert Schumanns 2. Sinfonie in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Wo gibt es Verbindungs linien zwischen diesen drei Werken?Stephan Zilias Was alle drei Werke verbindet, ist eine ungeheure Spielfreude. Alle drei pulsieren vor Leben, vor innerer Spannung und rhythmischer Energie. Schumanns 2. Sinfonie prägt ein unbändiger Lebenswille, eine kribbelnde Energie von der ersten bis zur letzten Note. Dutilleuxʼ Orchesterwerk Métaboles ebenfalls: Geschrieben für das Cleveland Orchestra zum 40-jährigen Beste-hen, stellt es die Qualitäten des Orches ters in den Vordergrund, reiht sich ein in die Traditi-on des Konzerts für Orchester von Bartók und Lutosławski – höchst virtuos für alle Orches-tergruppen. Alle drei Werke eint zudem eine kontrapunktische Herangehensweise ...

    … das Setzen von linearen Stimmen und Gegen stimmen, das seinen Ursprung in der Alten Musik hat.Schumann hat sich im Jahr der Entstehung seiner 2. Sinfonie viel mit Bach beschäftigt,

    der 3. Satz ist ein direkter Rückgriff auf das Musikalische Opfer. Bartók dachte kontra-punktisch in seinem gesamten Schaffen, er war verrückt nach Umkehrungen und Krebs-gängen von Motiven … das 2. Violinkonzert ist voll davon. Außerdem gibt es bei Bartók ein zwölftöniges Thema, das aber nicht voll ausgearbeitet im Schönberg’schen Sinne ist. Dutilleux dagegen ist im 3. Satz von Métaboles streng zwölftönig. Bei beiden hört man das aber nicht, ohne es zu analysieren.

    Das ist bemerkenswert: Bei Dutilleux und Bartók offenbaren die Partituren dem Analysierenden eine ungeheure Komplexität, trotzdem wirken sie auch beim ersten Hören unmittelbar faszinierend. Das ist für mich ein Gütesiegel für erstklas-sige Musik – dass sie auf mehreren Ebenen funktioniert. Eine weitere Gemeinsamkeit im Programm gibt es noch: Allen drei Komponis-ten geht es darum, zwischen den einzelnen Sätzen ihrer Werke Einheit zu stiften. Das ist eher eine strukturelle als eine dramaturgische oder emotionale Gemeinsamkeit. Bei Schu-mann gibt es ein Motto, das er der Sinfonie voranstellt, das dann in allen Sätzen wieder auftaucht. Das Thema des langsamen Satzes kehrt im letzten Satz als Gegenstimme

    KRIBBELNDE ENERGIE

    Dirigent Stephan Zilias im Gespräch mit Dramaturgin Swantje Köhnecke

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    4. Sinfoniekonzert

    wieder, die vier Sätze werden zu einer Einheit verquickt. Bei Bartók ist es insofern extrem, als der 1. und 3. Satz des Violinkonzertes das -selbe thematische Material haben und der letzte dadurch eine Variation des ersten ist. Der 2. Satz ist ein Variationensatz in sich – da erkennt man die symmetrische Anlage um die Achse des mittleren Satzes. Auch bei Dutilleux schließlich gibt es eine Art Motto zu Beginn: Das Material des Anfangs speist sich aus vier Akkorden, die am Ende wiederkehren.Und – eine Sache der ersten Programm-hälfte – Dutilleux und Bartók bedienen sich aller denkbaren instrumentatorischen Kniffe. Das 2. Violinkonzert von Bartók ist sinfonisch gedacht und sehr groß besetzt. Es gibt nur we-nige Violinkonzerte, in denen das Orchester so viel zu tun bekommt! Dutilleux ist ebenfalls ein gewiefter Meister der Farbpalette.

    Teilen Sie die große Verehrung, mit der viele Musiker*innen Henri Dutilleux begegnen? Olivier Messiaen hat gesagt, jedes seiner knapp 30 Stücke sei ein Meisterwerk. Métaboles wird im Programmheft der Berliner Philharmoniker als „heiliges Rätsel“ beschrieben …Nein. Ich finde nicht, dass Dutilleux die Musik-geschichte geprägt hat wie zum Beispiel Pierre Boulez.

    Pierre Boulez war die Galionsfigur der musikalischen Avantgarde nach 1945, ungeheuer einflussreich als Komponist, als Dirigent auch des „großen“ Repertoires in Oper und Konzert, als Direktor des Musik forschungsInstituts IRCAM in Paris.Boulez hat polarisiert, an ihm ist man nicht vorbeigekommen, ob man ihn verehrt oder abgelehnt hat. Dutilleux hat nicht so große Wellen geschlagen. Aber Dutilleux hat es geschafft, dass einige seiner Werke heute zum Kanon der Orchesterliteratur gehören – und das können nicht viele Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von sich behaupten! Das liegt auch daran, dass seine Musik publikumswirksam ist, etwa das Cellokonzert Tout un monde lointain, das viele große Cellisten im Repertoire haben, oder das oft gespielte Streichquartett Ainsi la nuit. Vielen Menschen gefällt diese Musik auf An-hieb. Bei Métaboles ist das ähnlich. Das ist ein wahnsinnig cleveres, gut gearbeitetes Stück, und es klingt einfach wunderbar.

    Da hat Bartók in seinem Violinkonzert 30 Jahre zuvor größere Experimente gemacht – mit Vierteltönen in der Kadenz des 2. Satzes …Bartók ist der wesentlich radikalere und einflussreichere Komponist, das ist kein Ver-

  • Interview

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    gleich. Seine systematische Durchdringung des Tonmaterials war einzigartig. Damit war er nicht nur für alle neueren ungarischen Komponisten ein Vorbild, sondern zum Bei-spiel eben auch für Pierre Boulez.

    Bartók schrieb dieses Violinkonzert 1937/38 in einer Zeit des Wandels.Es handelt sich um ein Abschiedsstück – sein letztes Instrumentalwerk vor der Emigration aus Europa nach Amerika, mit vielen Rück-griffen auf die ungarische Volksmusik. Der Anfang klingt ja so, als säße jemand 1938 in Budapest auf der Straße und begleitete sich selbst. Neben der erwähnten systematischen Anlage durchweht das Stück eine deutlich zu spürende Wehmut. Die Ahnung, dass in der Welt des aufkommenden Faschismus kein Platz mehr für den Komponisten und seine Musik ist. Aber Bartóks Herz bleibt in Mittel-europa – das hört man auch in seinen Werken, die später in Amerika entstanden sind, wie etwa dem Konzert für Orchester.

    Haben Sie eine Lieblingsstelle im Programm? Gibt es etwas, worauf Sie sich besonders freuen?Schumanns 2. Sinfonie an sich ist eines meiner Lieblingsstücke. Sie gehört zu den Werken, die

    ich seit der Kindheit immer wieder gehört habe und über die ich gedacht habe: Das möchte ich un bedingt mal dirigieren – und jetzt ist es so weit! In der Sinfonie selbst freue mich am meisten auf den langsamen Satz. Das ist einer der schönsten instrumentalen Sinfoniesätze, die Schumann je geschrieben hat. Gewaltig finde ich, wie dann am Schluss der Sinfonie das Motto nochmal auftaucht und wie ein Berg allmählich aus den Wolken hervortritt und immer konkretere Züge annimmt – da ist die zyklische Anlage der Sinfonie deutlich zu spü-ren. Das sind zwei absolute Lieblingsstellen!

  • Hen

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  • 4. Sinfoniekonzert

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    HENRI DUTILLEUX

    * 22. Januar 1916 in Angers† 22. Mai 2013 in Paris

    Métaboles

    KOMPOSITION

    1959 bis 1964, als Auftragswerk zum 40-jährigen Orchesterjubiläum des Cleveland Orchestra

    URAUFFÜHRUNG

    14. Januar 1965 in Cleveland (USA) durch das Cleveland Orchestra unter der Leitung George Szell

    WIDMUNG

    „À George Szell“

    BESETZUNG

    2 Flöten, 2 Piccoli, 3 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten, Bassklarinette, 3 Fagotte, Kontrafagott – 4 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba – Pauken, Tempelblock,

    Kleine Trommel, Tomtoms, Große Trommel, kleines und großes Becken, Crash-Becken, Tamtams, Triangel, Kuhglocken, Xylofon, Glockenspiel – Harfe, Celesta – Streicher

    DAUER

    ca. 18 Minuten

  • Als im Jahr 2005 der Ernst von Siemens Musikpreis – dotiert mit 150.000 Euro und mitunter als „Nobelpreis für Musik“ bezeich-net – an Henri Dutilleux vergeben wurde, fragten sich große Teile der Musikwelt, wer dieser Mann denn sei. Überrascht stellte man fest, dass der französische Komponist bereits 89 Jahre alt war. Doch sein Œuvre umfasste weniger als 30 Werke, verteilt auf Solowerke, Lieder, Kammermusik und Orchesterstücke, und bis zu seinem Tod 2013 folgten nur noch ein weiteres Stück für Sopran und Orchester (Le temps l’horloge, komponiert für die Sopra-nistin Renée Fleming) sowie ein neuer Satz zu einer früheren Kammermusik.Und doch ist die kleine Zahl der Werke kein Zeichen für geringe Produktivität. Dutilleux hat in fast sieben Jahrzehnten seines Arbeits-leben weitaus mehr Werke komponiert, doch nur wenige hielt er für aufführbar, überliefer-bar, gültig vor den eigenen hohen Ansprüchen. Diese wenigen wiederum sind absolute Einzel-stücke, oft über Jahre ausgefeilt und gereift. Jede Note auf der Goldwaage gewogen ist denn auch der Titel der ersten umfangreichen Gesamt darstellung zu seinem Werk, die 2016 aus Anlass des 100. Geburtstags des Kompo-nisten erschien.

    Auch Dutilleux selbst war so ein Solitär, ein Einzelgänger unter den Komponist*innen. Als „Außenseiter“, „Tüftler“ und „Genie“ be-schrieb ihn DER SPIEGEL plakativ. Studiert hatte er von 1933 bis 1938 am Conservatoire in Paris, gekrönt vom renommierten „Prix de Rome“, den vor ihm schon viele Granden der französischen Musik gewonnen hatten (darunter Berlioz, Gounod, Bizet, Massenet, Debussy, Charpentier, Ibert). Sein Geld verdiente er als Abteilungsleiter des französi-schen Rundfunks (1943–63) und Professor für Komposition in Paris (ab 1961). Unüberhörbar sind in seiner Musik die Ein-flüsse der französischen Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts, von Ravel, Debussy, Roussel oder Fauré. Neuere Schulen kannte er, doch keiner folgte er in Reinkultur – nicht der Zweiten Wiener Schule in der Nachfolge von Arnold Schönberg, die mit der Zwölfton-technik ein eigenes musikalisches System erfunden hatte; nicht dem Weg der französi-schen Groupe des Six mit Arthur Honegger, Darius Milhaud und Francis Poulenc, die Ein-flüsse der Unterhaltungsmusik, von Jazz und Varieté in ihre Werke aufnahm; und auch nicht dem strengen Serialismus eines Pierre Boulez, Luigi Nono oder Karlheinz Stock hausen, die

    EIN UNIVERSUM IN 20 MINUTEN

    Zu Henri Dutilleux’ Métaboles

    4. Sinfoniekonzert

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  • Henri Dutilleux

    jeden Anklang an tonale Dreiklänge und emotionale Assoziationen der Musik ablehn-ten. „Henri Dutilleuxʼ Kunst steht allein, sie will weder bekehren noch belehren, sie hat ihr eigenes Universum geschaffen“ (so DIE ZEIT im Nachruf 2013). Jedes seiner Werke folgt einem klar umrisse-nen außermusikalischen Thema oder stellt sich einer abstrakten kompositorischen Auf-gabe. So auch das Orchesterwerk Métaboles, zwischen 1959 und 1964 als Auftragswerk des Dirigenten George Szell für das Cleveland Or-chestra entstanden. Hinter dem titelgebenden Fremdwort aus dem Griechischen verbirgt sich ein Konzertstück, das die Verwandlung musikalischer Ideen in Töne fasst. Anders als die ornamentale, auszierende Variation eines immer gleichen Themas (die uns im 2. Violinkonzert von Bartók begegnen wird), beschreibt die Metabolie Veränderungen in der Substanz. Die Biologie verwendet den Be-griff gleichbedeutend mit der Metamorphose, dem Gestaltwandel eines Tiers, etwa von der Raupe über die verpuppte Larve zum Schmet-terling. „Der Geist und die Form dieser Musik hat ihren Ursprung in einer intensiven Betrachtung der Natur“, gab denn auch der Komponist zu Protokoll. In fünf miteinander verbundenen Sätzen setzt Dutilleux die Idee der organischen Metamor-phosen in seiner Musik um – ein intellektuel-les Spiel von faszinierender Klangmagie. Dem liegt ein klares Schema zugrunde: „In jedem der fünf Stücke wird die Initial-gestalt – sei sie melodisch, rhythmisch, har-monisch oder einfach instrumental – einer Folge von Transformationen unterworfen. An einem bestimmten Punkt der Evolution,

    gegen Ende jedes Stückes, ist die Deforma-tion so ausgeprägt, dass sie eine neue Figur hervorbringt, und dieses erscheint als Fili-gran unter dem sinfonischen Gewebe. Diese Figur dient sodann als Ausgangspunkt für das folgende Stück. Das geht so weiter bis zum letzten Stück, wo sich gegen die Coda das Anfangsmotiv des Werkes wieder abzeichnet.“ (Dutilleux über Métaboles, 1984).Dieses Schema ist gut nachvollziehbar: Ein Motiv wird aufgestellt und so weit verwan-delt, dass darunter ein neues Motiv auftaucht. Dieses ist die Grundlage des folgenden Satzes, in dem das zweite Motiv den Prozess der Verwandlung durchläuft. Bis sich am Ende des letzten Satzes der Kreis schließt und das erste Motiv erscheint. Doch die komposito-rische Gestaltung der Motive ist so komplex, dass eine genaue Untersuchung ein Konzert-programmheft sprengen würde, allein 15 eng bedruckte Seiten umfasst die musikwissen-schaftliche Analyse im oben genannten Buch (Jede Note auf der Goldwaage gewogen)! Denn jedes musikalische Parameter – Melodie, Rhythmus, Harmonie oder Instrumentie-rung – kann bei Dutilleux zur Spielfläche der Metabolie werden.So verdichtet und hoch komplex seine Partitur ist, so unmittelbar eindrücklich und wirkungs-voll ist sie auch. Dutilleux wählt eine präg-nante musikalische Form: ein „Konzert für Orchester“, wie es spätestens seit dem Kon-zert für Orchester von Béla Bartók von 1943 be kannt und beliebt war. Nicht ein einzelner Solist, sondern das ganze Orchester kann in diesem Werk seine Virtuosität entfalten. In jedem Satz stellt der Komponist eine andere Instrumentengruppe in den Mittelpunkt;

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  • 4. Sinfoniekonzert

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    zudem erhält jeder Satz einen sprechenden Titel, der zum assoziativen Verständnis bei-trägt.Der 1. Satz (Incantatoire, beschwörend) beginnt mit einer Folge von vier Akkorden, einem charakteristischen Intervall in der Oberstimme (dem Tritonus, diabolus in musica), einem für das Werk zentralen Ton: e. Zu diesen vier Akkorden wird Dutilleux ganz am Schluss zurückkehren; der Ton e wird im ganzen Werk immer wieder angesteuert, sei es umspielt von dissonanten Nebentönen, sei es im reinen Einklang. Hier stehen die Holzbläser im Mittelpunkt, die Streicher er-klingen nur in einem kurzen Abschnitt allein, der sich aber als Ausgangsmotiv des nächsten Satzes entpuppt. Der 2. Satz (Linéaire, linear) beginnt mit dem Tritonus des Anfangs, anders harmonisiert, aber aus dem Tritonus entspinnt sich hier eine lange melodische Linie. Die Streicher ent-wickeln diese Linie in geradezu romantischer Klangsinnlichkeit, die großen Gruppen immer weiter aufgeteilt und auf gefächert in bis zu 20 Einzelstimmen, belebt durch variierte Spieltechniken, kräftiges Marcato, flirrendes Flageolett, gleitendes Glissando, schwirrende Triller. Quasi unbemerkt stellt Dutilleux in den Klangschichtungen ein rein zwölf - töniges Thema auf, das zur Grundlage des 3. Satzes wird. Dieser ist tatsächlich zwölf-tönig organisiert, mit einem Thema aus allen Tönen der chromatischen Tonleiter (zunächst vor gestellt im gezupften Kontrabass) und seinen drei Spiege lungen (horizontal als Um kehrung, vertikal als Krebs, also rückwärts gespielt, sowie als Umkehrung der Krebsform). Ist der Satztitel Obsessionnel (zwanghaft)

    vielleicht ein Seitenhieb auf den in den 1960er Jahren strikt und dogmatisch vertretenen Serialismus? Die Hauptrolle spielen hier die Blechbläser über gezupften Streichern; im Charakter ist der Satz ein rhythmisch gepräg-tes Scherzo. So überrascht es nicht, dass im 4. Satz (Torpide, betäubt) ein rhythmisches Pattern im Schlagzeug das zentrale Motiv ist, das seine musikalische Metamorphose erfährt. Als zweite Schicht erscheinen changierende Bläser- Akkorde aus sechs immer gleichen Tönen, die wie in einem Kaleidoskop ihre Anordnung wechseln. Im 5. Satz (Flamboyant, flammend) schließlich vereinigen sich alle Orchestergruppen zum virtuosen Finale, aus dem sich die Anfangsakkorde und der Zentral-ton e herausschälen.So kehrt das Werk zu seiner Keimzelle zurück und hat in knapp 20 Minuten eine ganze musi-kalische Welt durchmessen.

  • Der Mensch spielt nur, wo er

    in voller Bedeutung des Wortes

    Mensch ist, und er ist nur da

    ganz Mensch, wo er spielt.

    Friedrich Schiller

  • Béla

    Bar

    tók

  • 4. Sinfoniekonzert

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    BÉLA BARTÓK

    * 25. März 1881 in Nagyszentmiklós, ÖsterreichUngarn† 26. September 1945 in New York

    Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 Sz 112

    KOMPOSITION

    ab Frühjahr 1937, mit längeren Unterbrechungen bis Herbst 1938

    URAUFFÜHRUNG

    23. März 1939 in Amsterdam, mit dem Solisten Zoltán Székely und dem Concertgebouw Orchester

    unter der Leitung von Willem Mengelberg

    WIDMUNG

    „Meinem lieben Freund Zoltán Székely“

    BESETZUNG

    2 Flöten (2. auch Piccolo), 2 Oboen (2. auch Englischhorn), 2 Klarinetten (2. auch Bassklarinette), 2 Fagotte (2. auch Kontrafagott) –

    4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen – Pauken, Triangel, 2 Kleine Trommeln, Große Trommel, 2 Becken, Tamtam – Celesta, Harfe – Streicher

    DAUER

    ca. 32 Minuten

  • 4. Sinfoniekonzert

    „Ich kenne kein anderes Violinkonzert, das so viele verschiedenen Spieltechniken, Klang-farben und allgemein kompositorisch viel-seitige Ideen so intelligent umsetzt. Extreme Ausdrucksstärke, Variationsreichtum und eine unglaublich große Farbpalette zeichnen das Werk aus.“ So beschreibt Tobias Feldmann das 2. Violinkonzert von Béla Bartók.Es ist das große Violinkonzert des ungarischen Komponisten – sein 1. Violinkonzert, das nur zwei Sätze umfasst, blieb der Öffentlichkeit lange unbekannt und wurde erst viele nach seinem Tod uraufgeführt.

    VARIATIONSREICHTUM

    Als den Komponisten 1937 die Anfrage des Geigers Zoltán Székely für ein Solokonzert erreichte, dachte er zunächst an einen Zyklus von Variationen, ließ sich jedoch von der drei-sätzigen Konzertform überzeugen. So ist das Werk auf den ersten Blick ein Solokonzert in klassischer Tradition, mit schnellem Kopfsatz, langsamem Mittelsatz und virtuosem Finale. Doch unter der Oberfläche dieser Großform bleibt doch die Variation das entscheidende musikalische Thema des Stückes. Im Zentrum steht ein Variationensatz, mit einem Thema und sechs Variationen. Zudem ist der 3. Satz eine Variation des 1., über dasselbe themati-sche Material komponiert.

    Dieses thematische Material speist sich aus Elementen ungarischer Volksmusik. In ausgedehnten Reisen durch Ungarn und auf den Balkan, nach Russland, in die Türkei und Nordafrika hatte Bartók Volksmusik „gesam-melt“, das heißt aufgezeichnet und transkri-biert. Die traditionellen Melodien und Rhyth-men setzte Bartók nicht als dekoratives Zitat oder exotische Farbe ein. Sie wurden Teil seiner eigenen expressiven Musiksprache, sie prägten seinen kompositorischen Wortschatz.Damit stand er in deutlicher Opposition zu einer anderen, nationalistisch gefärbten Volkstümlichkeit seiner Zeit: Das 2. Violin-konzert entstand am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, als letztes großes Werk Bartóks vor seiner Emigration in die USA. Als ent-schiedener Antifaschist war er nach 1933 nicht mehr in Deutschland aufgetreten und war auch seiner zunehmend rechtsradikalen ungarischen Heimat fremd geworden.

    SPIELTECHNIKEN UND FARBPALETTE

    Auch wenn das 2. Violinkonzert von Béla Bartók wahrlich „keine Wellness-Musik“ ist (Tobias Feldmann), ist das Werk ein absolutes Standardwerk im Repertoire des 20. Jahrhun-derts. Es wird von Solisten hoch geschätzt und viel gespielt. Der Geiger Christian Tetzlaff etwa lobt die Ausarbeitung der Solostimme:

    KONZERT IN VARIATIONENZu Bartóks 2. Violinkonzert

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    „Der Geigen part ist sensationell geschrieben, als ob Bartók von Kindesbeinen auf an mit der Geige groß geworden wäre, obwohl er eigent-lich Pianist war“. So wie Johannes Brahms für sein Violin konzert mit eng mit dem Geiger Joseph Joachim zusammengearbeitet hatte, holte sich Bartók Rat bei Zoltán Székely, dem Solisten der Uraufführung. Viele spezielle Spieltechniken kommen zum Einsatz, ausge-dehnte Doppelgriff-Passagen und raffinierte Bogentechnik. Aber auch die Orchesterstim-men weisen besondere Anweisungen auf, wie etwa Glissandi in den Posaunen, Schlägel- und Schlagangaben für die Perkussionisten oder Spieltechniken für Abweichungen vom klassi-schen Streicherklang. Auch in der Instrumen-tation zieht Bartók alle Register der Komposi-tionskunst, um ein unerhört weites Spektrum an Klangfarben zu kreieren.

    AUSDRUCKSSTÄRKE

    Weit ausgreifend und mit großem Ton eröff-net die Solo-Violine das Thema des 1. Satzes (Allegro non troppo) über Harfenakkorden – angelehnt an einen langsamen ungarischen Volkstanz. Das Thema wird mit vielen Tem-powechseln in sich wandelnden Charakteren entfaltet: gesanglich, fahl, zart, robust, tän-zerisch oder aufrührend. Als zweites Thema stellt Bartók eine Melodie vor, die er selbst als „eine Art von Zwölfton-Thema, aber mit ausgesprochener Tonalität“ beschrieb, also als Verbindung zweier streng genommen un-vereinbarer musikalischer Systeme. So weitet Bartók die Ausdruckswelten – bis hin zur tonalen Experimentierlust in einer Passage mit Vierteltönen und der ausgedehnten, von

    Bartók auskomponierten Solokadenz frei von jeder tonalen Bindung.Der 2. Satz (Andante tranquillo) beginnt in romantisch anmutendem Gestus: Ein schlich-ter absteigender Dreiklang in Harfe und Celli erdet das musikalische Geschehen wieder, der Solist stellt das Thema vor. Die erste Varia-tion setzt eine chromatische Auszierung über Pauke und gezupften Kontrabass. Die zweite Variation bringt hohe Holzbläser, Harfe und Celesta ins Spiel. Die dritte Variation führt die Solo-Violine in ausdrucksstarken Doppel-griffen. In der vierten Variation spielen Celli und Kontrabässe, imitiert von 2. Violinen und Bratschen, das Thema, das die Solo-Violine in Trillern und Fiorituren umspielt. Die fünfte Variation ist tänzerisch; Piccolo, große Flöte und Klarinetten, Harfe, Triangel und kleine Trommel spielen mit der Solo-Violine um die Wette. Die abschließende sechste Variation dünnt den Orchesterklang auf gezupfte Strei-cher, Pauke und kleine Trommel aus, kombi-niert mit legerissimo eilenden Tongirlanden und zitternden Repetitionen der Sologeige. Der Satz schließt mit einer sehnsüchtigen Re-miniszenz an die Originalgestalt des Themas.Der 3. Satz (Allegro molto) greift das Thema des 1. Satzes im tänzerischen Dreiertakt auf. Bartók setzt Orchester und Solist in einen virtuosen Dialog, wechselnd zwischen turbul-ent vorantreibenden und innehaltenden Ab-schnitten. Dabei ersetzte er auf Wunsch von Zoltán Székely die abschließenden Takte, die er zunächst nur für Orchester konzipiert hatte, durch einen effektvollen Bravour-Schluss mit Solo-Violine.

    Béla Bartók

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  • 4. Sinfoniekonzert

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    ROBERT SCHUMANN

    * 8. Juni 1810 in Zwickau† 29. Juli 1856 in Endenich

    Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61

    ENTSTEHUNG

    Skizzierung vom 12. bis 28. Dezember 1845, Instrumentierung Februar bis April und September/Oktober 1846

    URAUFFÜHRUNG

    5. November 1846 in Leipzig unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy

    WIDMUNG

    „Seiner Majestät dem Könige von Schweden und Norwegen Oscar I. ehrfurchtsvoll zugeeignet“

    BESETZUNG

    2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 2 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen – Pauken – Streicher

    DAUER

    ca. 40 Minuten

  • 4. Sinfoniekonzert

    Mit Ludwig van Beethovens weltumspannen-der 9. Sinfonie im Neujahrskonzert hat das Niedersächsische Staatsorchester 2020 be-gonnen, Robert Schumanns 2. Sinfonie folgt im ersten Sinfoniekonzert dieses Jahres. Der Zusammenhang zwischen beiden Kom-ponisten und Werken geht über die eher zu-fällige Begegnung auf einem Konzertspielplan und die geographische Gemeinsamkeit ihrer Lebenswege hinaus (Schumann starb 1856 in Beethovens Geburtsstadt Bonn). Die beiden Komponisten verbindet auch mehr als die bloße Vertrautheit des Jüngeren mit dem Werk des Älteren – als Pianist kannte Schumann natürlich das Klavierwerk Beethovens, als Komponist dessen Sinfonien. Und als Essay-ist schrieb Schumann 1839 über Beethoven: „Wenn der Deutsche von Sinfonien spricht, so spricht er von Beethoven: die beiden […] sind seine Freude, sein Stolz. Wie Italien sein Neapel hat, der Franzose seine Revolution, der Engländer seine Schifffahrt etc., so der Deutsche seine Beethoven’schen Sinfonien.“ Und nicht nur im Nationalgefühl, sondern auch bei den nachfolgenden Sinfonikern habe Beethoven „tiefe Spuren“ hinterlassen. Doch sieht Schumann das sinfonische Erbe Beet-hovens noch offen: Die „Aufrechthaltung oder Beherrschung aber der großartigen Form, wo Schlag auf Schlag die Ideen wechselnd er-scheinen und doch durch ein inneres geistiges

    Band verkettet“ sei, finde man „mit einigen Ausnahmen nur selten“.Bis zu diesem Jahr 1839 hatte Robert Schumann mit seinen opp. 1 bis 23 nur Werke für Solo-klavier komponiert und ahnte noch nicht, dass er selbst sieben Jahre später ganz erkennbar in Beethovens Fußstapfen treten würde. Zeitgenössische Rezensenten der von Schu-mann 1834 mit begründeten Neuen Zeitschrift für Musik erkannten in der 2. Sinfonie einen Bezug zu Beethoven im Allgemeinen und dessen 9. Sinfonie im Besonderen: Die C-Dur-Sinfonie sei „ein weiterer Grenzstein zu dem Ziele, dessen Richtung Beethoven durch seine letzten Werke vorgezeichnet hat. […] Das große Drama der 9. Sinfonie mit all seinen überwältigenden Momenten erscheint hier wieder“ (1849). Schumann habe in er 2. Sinfonie „über Beethoven hinaus“ den „größten Fortschritt“ in der Instrumental-musik gemacht, kurz: „Ludwig konnte es noch nicht mit den bloßen Instrumenten, er musste von der Dichtkunst das Wort borgen, Robert vollbringt’s zum ersten Male mit den bloßen Instrumenten.“ (1850).So überraschend der Vergleich auf den ersten Blick wirkt – hier die rein instrumentale Sinfonie von knapp 40 Minuten, dort das über einstündige Werk mit großem Chorfinale auf den Text von Friedrich Schillers Ode An die Freude –, so klar wird auf den zweiten Blick

    „MIT DEN BLOSSEN INSTRUMENTEN“

    Zu Schumanns Sinfonie Nr. 2 C-Dur

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    der Zusammenhang erkennbar. Schumanns 2. Sinfonie ist wie Beethovens 9. eine „Final-sinfonie“ – ihr ganzer musikalischer Bauplan ist auf das Finale hin ausgerichtet, in dem viele Themen der ersten drei Sätze aufge-nommen und zusammengeführt werden. Dabei werden die musikalischen Gegensätze ausgeglichen; geradezu archetypisch lösen sich Kontraste und Spannungen in triumpha-lem Jubel auf (per aspera ad astra). Hierfür reicht Schumann der Rahmen des mit nur zwei Hörnern sogar recht klein besetzten Orchesters.In diese Richtung weist auch die Wahl der Tonart C-Dur. Von Theoretikern als Tonart „für fröhliche Sachen und solche, die Größe haben“, (J. Rousseau 1691) oder als „ganz rein“ (Chr. F. D. Schubart 1784/85) bezeichnet, stellt sich Schumann damit in die Tradition der großen Sinfonien Mozarts und Schuberts. Der Besuch einer Probe und eines Konzerts mit Schuberts „großer“ C-Dur-Sinfonie in Leipzig hatte nachweislich den Beginn der Komposition im Dezember 1845 ausgelöst. Und Schumann berichtete von seiner neuen Sinfonie an einen Freund: „Ich denke, so ’ne rechte Jupiter“, mit Bezug auf Mozarts letzte große Sinfonie in derselben Tonart.Die langsame Einleitung des 1. Satzes (Sostenuto assai) eröffnet mit dem später wiederkehrenden Motto der Sinfonie: einem Trompetensignal in C-Dur. Dessen punktier-ter Rhythmus wird in das folgende Allegro ma non troppo übernommen und in ein tänzerisches Thema überführt. Rhythmische Kontraste, weit angelegte Steigerungen und expressive Ausbrüche prägen diesen Kopf-satz, der eher wie eine variierende Reihung

    musikalischer Episoden wirkt denn als sche-matische Erfüllung der klassischen Sonaten-satzform.Wie in Beethovens 9. folgt als 2. Satz das ener-giegeladene Scherzo (Allegro vivace), in das hier zwei zartere Trios eingelagert sind. Für das Orchester sei dieser Satz „eine derbe Nuss zu knacken“, wie Schumann schrieb – technisch anspruchsvoll und für die dama-lige Zeit hoch virtuos. Der langsame 3. Satz (Adagio espressivo) von klagendem, schmerz-lichem Charakter lässt als weiteren musika-lischen Einfluss den kontrapunktischen Stil Johann Sebastian Bachs erkennen. Das Jahr 1845 ist als Schumanns „Bach-Jahr“ bezeich-net worden, hatte er doch intensiv dessen Werke studiert, selbst Fugen über den Namen B-A-C-H und kontrapunktische Werke für Pedalflügel komponiert. Der Anklang an das Thema des Musikalischen Opfer von Bach und der fugierte Stil des Zwischenspiels sind deutliche Spuren hiervon. Im Finale (Allegro molto vivace) fließen dann Elemente der vorigen Sätze zusammen: Material aus dem Scherzo erklingt in der Überleitung, Motivik des langsamen Satzes prägt das 2. Thema, das Motto klingt immer wieder an, bis es den Satz strahlend und triumphal beendet. Ein weiteres Beethoven-Zitat flicht Schumann hier ein: das Motiv zur Textzeile „Nimm sie hin denn, diese Lieder“ aus dem Liederzyklus An die ferne Geliebte – eine Chiffre der Widmung an seine Frau Clara, die er auch schon in andere Werke aufgenommen hatte. So erweist sich Schumanns 2. Sinfonie als ein Werk, in dem sich viele Ein-flüsse der musikalischen Tradition zu einem großen und neuen Ganzen verbinden.

    Robert Schumann

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    Stephan Zilias, geboren in Wiesbaden, ist seit 2018 1. Kapellmeister der Deut-schen Oper Berlin. Bereits während seines Klavier- und Dirigierstudiums in Köln, Düsseldorf und London arbeitete er als musikalischer Assistent von Markus Stenz an der Oper Köln, wo er 2011 mit drei Vorstellungen von Wozzeck debütierte. Wichtige musikalische Impulse erhielt er durch Meisterkurse bei Bernard Haitink, Gianluigi Gelmetti und Ilan Volkov. An der English National Opera London, bei den Festspielen Baden-Baden und an der Opéra de Lyon sammelte er bei weiteren Assistenzen Erfahrungen im internationalen Opernbetrieb. Sie kamen ihm bei den folgenden Festengage-ments in Mainz (Kapellmeister und Korrepeti-tor, 2012 bis 2014), Lüneburg (1. Kapellmeister, 2014/15) und Bonn (1. Kapellmeister, 2015 bis 2018) zugute. Zukünftige Gastengagements führen ihn an die Oper Leipzig und zum Opernfestival Savonlinna. Als Kapellmeister und Assistent von Donald Runnicles an der Deutschen Oper Berlin dirigierte er mit

    großem Erfolg Werke wie La Traviata, Nabucco und La Sonnambula, Don Giovanni und Die Zauberflöte, Die Fle-dermaus und Carmen sowie Vorstellungen der Neupro-duktionen von Wozzeck und Detlev Glanerts neuer Oper Oceane. Wichtige Debüts umfassen Carmen beim Savonlinna Fes-tival, Il barbiere di Siviglia an der Oper Leipzig und Salome

    im Herbst 2019 an der Staatsoper Hannover. Stephan Zilias dirigierte Konzerte des Beet-hoven Orchesters Bonn, das ihn auch für Konzerte im Beethoven-Jahr 2020 einladen wird. Des weiteren stand er am Pult der Hofer Symphoniker und des Orchestre Symphonique de Mulhouse.Die Royal Academy of Music in London er-nannte ihn 2018 zum „Associate“ – eine Ehre, die besonders verdienten Absolventen dieser ältesten Musikhochschule Großbritanniens zuteil wird.

    stephanzilias.com

    BIOGRAFIEND

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    Biografien

    Der deutsche Geiger Tobias Feldmann, in Fulda geboren, Jungstudent der Musik-hochschule Würzburg und Absolvent der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin bei Antje Weithaas, erspielte er sich 2012 beim hiesigen Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerb den 3. Preis und den Publi-kumspreis. Im selben Jahr hatte er schon den Deutschen Musikwettbewerb gewonnen, 2015 wurde er Preisträger des Königin Elisabeth Wett-bewerbs.Seitdem erspielt sich Tobias Feldmann um-fassende internationale Konzerterfahrung. Als Konzertsolist war er zu Gast bei Klang-körpern wie dem Beethoven Orchester Bonn, dem Museumsorchester Frankfurt, der NDR Radio philharmonie Hannover, dem Münche-ner Kammerorchester, dem Residentieorkest Den Haag, dem Brussels Philharmonic Or-chestra, dem Orquesta Sinfónica de Barce-lona, Moscow State Symphony, Las Vegas Philharmonic, Utah Symphony Orchestra und dem Orchestre Symphonique de Quebec. Highlights der aktuellen Saison sind seine Debüts mit dem Tampere Philharmonic und der Tapiola Sinfonietta, dem Bournemouth

    Symphony Orchestra, dem Concertgebouw Kammer-orchester, der Staatsphilhar-monie Nürnberg und dem Qatar Philharmonic Orches-tra. Von der Neubrandenbur-ger Philharmonie wurde er zum „Artist in Residence“ 2019/20 ernannt. Als Kammermusiker gas-tierte Tobias Feldmann bei bedeutenden Festivals wie den Festspielen Mecklen-

    burg-Vorpommern, dem Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Rheingau Musik Festival, dem Kissinger Sommer, dem Moritzburg Fes-tival, der Schubertiade Hohenems, den Tiroler Festspielen Erl, dem Ascona Festival, dem Turina Festival in Sevilla und dem Tongyeong International Music Festival. Tobias Feldmanns CD-Aufnahmen erhalten internationale Beachtung, so auch seine Ein-spielung der Violinkonzerte von Sibelius und Rautavaara (2018, Alpha Classics).Tobias Feldmann spielt auf einer Violine von Nicolò Gagliano (Neapel, 1769). 2018 wurde er mit nur 26 Jahren auf eine Professur an die Hochschule für Musik Würzburg berufen.

    tobias-feldmann.com

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    Die Geschichte des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover reicht bis in das Jahr 1636 zurück: Mitten im Dreißigjährigen Krieg gründete Herzog Georg von Calenberg seine Hofkapelle. Heinrich Schütz, Agostino Steffani und Georg Friedrich Händel zählten zu den ersten Kapellmeistern. Mit dem Umzug in das heutige Opernhaus im Herzen der Stadt 1852 wurde das Orchester entscheidend vergrößert. Joseph Joachim war der herausragende Konzertmeister dieser Zeit, Heinrich Marschner und Hans von Bülow waren bedeutende Kapellmeister. Zu den Generalmusikdirektoren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählten Rudolf Krasselt und Franz Konwitschny, beide politisch nicht unumstritten. Berühmte Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler, Otto Klemperer, Hans Knappertsbusch und Ferenc Fricsay leiteten Konzerte, Komponisten wie Franz Schreker, Igor Strawinsky, Hans Pfitzner und Paul Hindemith dirigierten Aufführungen ihrer Werke. Nach dem Zweiten Weltkrieg war George Alexander Albrecht mit einer Dienstzeit von 1965 bis 1993 ein prägender Chefdirigent.

    Seit dem 1. Januar 1970 gehört das Orchester zur Niedersächsischen Staatstheater Han-nover GmbH und wird vom Land Niedersach-sen als dessen größter Klangkörper finanziert. Es zählt zur Zeit 105 Mitglieder. Das Nieder-sächsische Staatsorchester Hannover er - ar beitet neben täglich wechselnden Opern-vorstellungen pro Spielzeit acht Sin fonie-konzerte, eine eigene Kammerkonzert reihe im Landesmuseum sowie Kinder- und Sonder konzerte. In den vergangenen Jahren haben sich die Arbeitsbedingungen des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover entscheidend verbessert: 2012 wurde ein neuer Probensaal in den Räumen der früheren Landesbühne Hannover bezogen. Seit der Spielzeit 2015/ 16 spielt das Orchester seine Sinfoniekonzerte in einem neuen, akustisch optimierten Konzertzimmer. 2018 hat sich das Orchester nach einem intensiven zweijährigen Entwick-lungsprozess ein Leitbild gegeben, das sein künstlerisches und soziales Selbstverständnis definiert.

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    Orchesterbesetzung

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    1. VIOLINE Ion Tanase, Urara Oku, Michael Wild, Julia Khodyko, HansChristian Euler, Asmus Krause, Sigrun Thielmann, Andreas Bilo, Maria Trojanowski, Annette MainzerJanczuk,

    Wienczyslaw Kasprzak, Angela Jaffé, Birte Päplow, Britta Wewer *2. VIOLINE Ionut Pandelescu, Doris Anna Mayr, Sandra Huber, Ulrich Nierada,

    Volker Droysen von Hamilton, Berit Rufenach, Igor Bolotovski, Thomas Huppertz, Maike Roßner, Johanna Kullmann, Aleksandra SzurgotWienhues, Yaroslav Bronzey

    VIOLA Stefanie Dumrese, Peter Meier, Olof von Gagern, Johanna Held, Anne Krömmelbein, Frank Dumdey, AnneCaroline Thies, Nir Rom Nagy, Lucia Nell, Seoyoon Chang

    VIOLONCELLO Reynard Rott, Gottfried Roßner, Marion Zander, Hartwig Christ, Corinna Leonbacher, Lukas Helbig, Amanda Anderson *, Johann Caspar Wedell *

    KONTRABASS Andreas Koch, Bors Balogh, Heinrich Lademann, Dariusz Janczuk, Siegfried Renders, Robert Amberg

    FLÖTE Alexander Stein, Bernadette Schachschal, Birgit Schwab, Jérémie Abergel OBOE Eleanor Doddford, Nikolaus Kolb, YuPo Wang, Micha Häußermann *

    KLARINETTE Uwe Möckel, Maja Pawelke, Michael Pattberg, Ralf Pegelhoff FAGOTT Wiebke Husemann, Andreas SchultzeFlorey, Nicolas Müller, Florian Raß

    HORN Renate Hupka, Victoria Hauer, Adam Lewis, Horst Schäfer TROMPETE Lukas Kay, Jochen Dittmann, Stefan Fleißner, Markus Günther

    POSAUNE Michael Kokott, Tobias Schiessler, Max Eisenhut TUBA Ulrich Stamm PAUKE Arno Schlenk

    SCHLAGZEUG Sebastian Schnitzler, Oliver Schmidt, Philipp Kohnke, Sebastian HahnORCHESTERDIREKTOR Ingo J. Jander *Gast

  • HERZLICH WILLKOMMEN!Die englische Oboistin Eleanor Doddford, Jahrgang 1994, gewann kurz vor Weihnachten 2019 das Probespiel als Solo-Oboistin des Niedersächsischen Staatsorchesters Hanno-ver. Herzlich willkommen an der Staatsoper Hannover! Nach erstem Oboenunterricht an der Chetham’s School of Music in Manchester studierte sie am Royal College of Music in London, in Lyon, Stuttgart und an der hiesigen Hochschule für Musik, Theater und Medien. Bei der 11. International Oboe Competition of Japan 2018 in Tokyo erreichte sie das Halb-finale. Erste Orchestererfahrung sammelte Eleanor Doddford im National Youth Orches-tra of Great Britain und in der Jungen Deut-schen Philharmonie. Gastengagements führ-ten sie zu renommieren Orchestern wie dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester, dem Gürzenich Orchester Köln, dem Stutt-garter Kammerorchester und als Solo-Oboe zum BBC Symphony Orchestra London.

    PATENSCHAFT NJOSeit vielen Jahren schon gibt es die Paten-schaft des Niedersächsischen Staatsorches-ters Hannover für das Niedersächsische Landesjugendorchester, kurz: NJO. Mehrere Musiker*innen des Staatsorchesters sind Do-zent*innen des NJO und leiten die Register-proben der Stimmgruppen. Die Jugendlichen kommen ihrerseits regelmäßig in die Gene-ralproben der Sinfoniekonzerte im Opern-haus, erhalten eine exklusive Einführung ins Programm und können Profi-Musiker*innen und Dirigent*innen befragen.Am 20. Juni 2020 steht eine Premiere in der Geschichte der Zusammenarbeit an: Zum ersten Mal werden beide Ensembles gemein-sam vor Publikum spielen. Unter der Leitung von Kapellmeister Cameron Burns eröffnen sie die Jugendkonzertnacht open stage mit Auszügen aus Nikolai Rimski-Korsakows Ton-dichtung Scheherazade. Das Orchester wird zu diesem Anlass zur Hälfte mit Jugendlichen des NJO, zur Hälfte mit Profis besetzt sein – eine aufregende, bereichernde Erfahrung für beide Seiten!

    NEUES AUS DEM ORCHESTER

    Einblicke in das Orchesterleben

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    4. Sinfoniekonzert

  • Musik gehört zu den Urbedürfnissen der Menschen aller Kulturen.

    Deshalb will die „Stiftung Niedersächsisches Staatsorchester Hannover“ das Engagement von herausragenden Gastdirigenten und Solisten der Konzerte des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover finanziell unterstützen.

    Ganz besonders möchte sich die Stiftung für die Heranführung von Kindern und Jugendlichen an die Instrumentalmusik, sowie die Förderung des künstlerischen Nachwuchses einsetzen. Sie sind die künftigen Besucher der Konzerte, vielleicht auch sogar einmal Mitglieder eines Orchesters.

    Ihre Lebendigkeit erhält die Musik jedoch immer wieder aus dem kompositorischen Schaffen der jeweiligen Gegenwart. Deshalb fördert die Stiftung auch finanziell die Vergabe von Kompositionsaufträgen des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover.

    Helfen Sie mit, dieses einzigartige Kulturgut zu fördern.

    Geschäftsführung: Stefan Kramer, Steinhorstweg 12, 31535 NeustadtKontakte für Spenden, Zustiftungen oder Vermächtnisse der gemeinnützigen Stiftung

    Tel.: 0173 – 36 70 611; Konto: Sparkasse Hannover, IBAN: DE15 2505 0180 0900 2740 [email protected] | www.stiftung-staatsorchester.de

    4. Sinfoniekonzert

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    4. Sinfoniekonzert

    TEXTNACHWEISE

    Das Interview mit Stephan Zilias und die Programmtexte von Swantje Köhnecke sind Originalbeiträge.

    Zitat Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, 15. Brief. Stuttgart 2000.

    Quellen Dutilleux: Siglind Bruhm: Jede Note auf der Goldwaage gewogen. Waldkirch 2016. Oda Tischewski: Fünfzehn Jahre für eine Nocturne. In: DIE ZEIT, 23. Mai 2013,

    online unter www.zeit.de/kultur/musik/201305/nachrufkomponisthenridutilleux, und Klaus Umbach: Der Tüftler von der Île St. Louis. In DER SPIEGEL 21/2005, S. 152–154,

    online unter www.spiegel.de/spiegel/print/d40474077.html.Die Zitate über das 2. Violinkonzert von Béla Bartók entstammen einem Interview mit Tobias Feldmann für die Theaterbeilage SPIELZEIT 01/2020 der Hannoverschen

    Allgemeinen Zeitung (20. Dezember 2019) und einem Interview des Bayerischen Rundfunk mit Christian Tetzlaff (9. April 2019, www.brklassik.de/themen/klassikentdecken/

    starkestueckebartokviolinkonzertnr2100.html)Der Text zu Schumanns 2. Sinfonie zitiert Robert Schumann: Neue Symphonieen für

    Orchester (1839). In: ders.: Gesammelte Schriften über Musik und Musiker. Leipzig 1854, Bd. III, S. 133f., sowie Artikel der Neuen Zeitschrift für Musik nach dem Vorwort der UrtextPartitur

    von Breitkopf & Härtel, hg. v. Joachim Draheim, Wiesbaden 1996, S. IIIf.

    BILDNACHWEISE

    Henri Dutilleux: Thomas Hammje; Béla Bartók: Archiv Boosey & Hawkes; Robert Schumann: Robert SchumannHaus Zwickau; Stephan Zilias: Thilo Beu;

    Tobias Feldmann: Kaupo Kikkas

    IMPRESSUM

    SPIELZEIT 2019/20HERAUSGEBER Niedersächsische Staatstheater Hannover GmbH

    Staatsoper Hannover INTENDANTIN Laura BermanINHALT, REDAKTION Dr. Swantje Köhnecke KONZEPT, DESIGN Stan Hema, Berlin

    GRAFIK Philipp Baier, Madeleine Hasselmann, Minka Kudraß DRUCK QUBUS media GmbH, Betriebsstätte Steppat

    Staatsoper Hannover, Opernplatz 1, 30159 Hannoverstaatsoperhannover.de

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