Vögel fristig überleben zu können. - natuerlich-online.ch · die Ernährungsweise des seltenen...

6
46 Natürlich | 7-2006 E in frisch gepflügter Acker ent- spricht ganz den Vorstellungen von einem idealen Brutplatz, die der Kiebitz in seinem Gehirn ge- speichert hat. Frei von Gebüschen, karg bewachsen, uneben und im Frühling mehr in Braun- als in Grüntönen gefärbt sind auch die Moore und Riedwiesen, in denen die Art natürlicherweise brütet. Und so baut der Vogel bei uns sein Nest mit Vorliebe auf dunklen Ackerböden. Dass er hier in eine Falle tappt, kann er nicht ahnen. Kiebitzpopulation seit Jahren rückläufig Jedes zweite Gelege räumen Füchse und andere nächtliche Gelegeräuber ab. Auch um der Zerstörung durch Landmaschi- nen zu entgehen, braucht es bei der rund vierwöchigen Brutzeit reichlich Glück. Nach dem Schlüpfen sind die Küken vor derartigem Unheil einigermassen gefeit, doch jetzt droht der Hungertod. Nur in feuchten Böden finden sie genug Wür- mer, Käfer, Insektenlarven und Spinnen. In den trockenen, harten Ackerböden kommen sie mit ihren kurzen, weichen Schnäbeln nicht an die Bodentiere heran. Die Schweizer Kiebitzpopulation ist denn auch schon seit Jahren defizitär: Es kommen viel weniger Junge auf, als Alte sterben. Solange die Art in Holland und Norddeutschland noch prosperierte, gab es stets Nachschub. Doch mittlerweile hat der Kiebitz auch in seinen Kerngebieten Pro- bleme, weshalb der Bestand in der Schweiz in den 1990er-Jahren förmlich kollabierte. Knapp 200 Paare dürften derzeit bei uns noch brüten, das Ende erscheint absehbar. Vögel Rund 200 Vogelarten brüten in der Schweiz. Ein Viertel davon braucht gezielte Förderung, um lang- fristig überleben zu können. Text: Hansjakob Baumgartner

Transcript of Vögel fristig überleben zu können. - natuerlich-online.ch · die Ernährungsweise des seltenen...

Page 1: Vögel fristig überleben zu können. - natuerlich-online.ch · die Ernährungsweise des seltenen Vogels. Und fand dabei heraus, wie ihm geholfen werden kann. ... Flussseeschwalbe

46 Natürlich | 7-2006

Ein frisch gepflügter Acker ent-spricht ganz den Vorstellungenvon einem idealen Brutplatz, dieder Kiebitz in seinem Gehirn ge-

speichert hat. Frei von Gebüschen, kargbewachsen, uneben und im Frühlingmehr in Braun- als in Grüntönen gefärbtsind auch die Moore und Riedwiesen, indenen die Art natürlicherweise brütet.Und so baut der Vogel bei uns sein Nestmit Vorliebe auf dunklen Ackerböden.Dass er hier in eine Falle tappt, kann ernicht ahnen.

Kiebitzpopulation seit Jahren rückläufigJedes zweite Gelege räumen Füchse undandere nächtliche Gelegeräuber ab. Auchum der Zerstörung durch Landmaschi-nen zu entgehen, braucht es bei der rundvierwöchigen Brutzeit reichlich Glück.Nach dem Schlüpfen sind die Küken vorderartigem Unheil einigermassen gefeit,doch jetzt droht der Hungertod. Nur infeuchten Böden finden sie genug Wür-mer, Käfer, Insektenlarven und Spinnen.In den trockenen, harten Ackerböden

kommen sie mit ihren kurzen, weichenSchnäbeln nicht an die Bodentiere heran.

Die Schweizer Kiebitzpopulation istdenn auch schon seit Jahren defizitär:Es kommen viel weniger Junge auf, als Altesterben. Solange die Art in Holland undNorddeutschland noch prosperierte, gab esstets Nachschub. Doch mittlerweile hat derKiebitz auch in seinen Kerngebieten Pro-bleme, weshalb der Bestand in der Schweizin den 1990er-Jahren förmlich kollabierte.Knapp 200 Paare dürften derzeit bei unsnoch brüten, das Ende erscheint absehbar.

Vögel Rund 200 Vogelarten brüten in der Schweiz.

Ein Viertel davon braucht gezielte Förderung, um lang-

fristig überleben zu können.

Text: Hansjakob Baumgartner

Page 2: Vögel fristig überleben zu können. - natuerlich-online.ch · die Ernährungsweise des seltenen Vogels. Und fand dabei heraus, wie ihm geholfen werden kann. ... Flussseeschwalbe

Natürlich | 7-2006 47

Tiere NATUR

Es sei denn, ein Schutzprojekt der Schwei-zerischen Vogelwarte Sempach bringe dochnoch Rettung.

Bruterfolge dank ElektrozäunenDie Wauwilerebene LU beherbergt eineder letzten Kolonien. 26 Gelege produ-zierten die hier ansässigen Kiebitze 2005.Damit die Bauern sie beim Pflügen, Eg-gen, Säen und Düngen umfahren konn-ten, markierten Luc Schifferli von der Vo-

gelwarte und seine Mitarbeiter jedes ein-zelne Bodennest mit einer Stange undinformierten die betroffenen Landwirte.Das bewirkte, dass kein einziges Gelegemehr durch Landmaschinen zu Schadenkam. Wo dies möglich war, wurden dieGelege zudem mit Elektrozäunen vorFüchsen geschützt, auch dies mit durch-schlagendem Erfolg.

Die Sterblichkeit nach dem Schlüpfenblieb indessen hoch, drei Viertel derKüken verschwanden spurlos. Insgesamtaber gelang es, den Bruterfolg auf 0,8

flügge Jungvögel pro Paar zu erhöhen,was für die Bestandeserhaltung knappreichen würde.

Doch der Aufwand für den Nester-schutz ist riesig. Um die tausend Frankenkostete ein flügger Jungkiebitz. Auf langeSicht ist das kein praktikables Konzeptfür die Erhaltung der Art in der Schweiz.Doch vielleicht lohnt es sich, bei derKükensterblichkeit anzusetzen. Wennzum Beispiel dank verbessertem Nah-rungsangebot mehr Küken überlebenwürden, könnte die Population die hohenGelegeverluste besser verkraften.

Wiedehopf braucht Maulwurfsgrillen Um mehr über die hohe Kükensterblich-keit zu erfahren, hefteten die Forscherder Vogelwarte den 2006 geschlüpftenKüken einen 0,5 Gramm schweren Mini-sender in das Rückengefieder. MittelsPeilgeräten konnten sie dann die Vögeljederzeit im Gelände orten. Diese in derWildtierforschung verbreitet angewandteMethode gibt Aufschluss über die tägli-chen Bewegungen, die Ernährung undnamentlich auch über die Todesursachender Küken. Noch liegen die Ergebnissenicht vor, doch vielleicht lässt sich darausein Rezept für ein Rettungsprogramm fürden arg bedrohten Vogel ableiten.

in Not

Aktionspläne für VogelschutzZur Förderung der 50 Prioritätsarten haben

der Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife

Schweiz, die Schweizerische Vogelwarte

Sempach und das Bundesamt für Umwelt

BAFU im Jahr 2003 das Programm Arten-

förderung Vögel Schweiz ins Leben gerufen.

Es soll mithelfen, die bestandsgefährden-

den Faktoren für die Arten zu erkennen und

deren Lebensgrundlagen mit gezielten

Massnahmen zu verbessern.

Inzwischen konnten zahlreiche Artenförde-

rungsprojekte lanciert werden. Für sechs

Arten – Auerhuhn, Wiedehopf, Mittelspecht,

Weissstorch, Steinkauz und Flussuferläufer

– werden nationale Aktionspläne erarbeitet,

die in den nächsten Jahren zur Umsetzung

kommen sollen.

Alle

Fot

os: B

ildag

entu

r Wal

dhäu

sl

Brutpflege:Kiebitze bevorzugen Wiesen

als Kinderstube

Page 3: Vögel fristig überleben zu können. - natuerlich-online.ch · die Ernährungsweise des seltenen Vogels. Und fand dabei heraus, wie ihm geholfen werden kann. ... Flussseeschwalbe

48 Natürlich | 7-2006

So gelang es beim Wiedehopf. Auchfür ihn sah es zeitweise düster aus. Nochin den 1960er-Jahren war er in derSchweiz weit verbreitet, dann brachendie Bestände ein. Im Wallis zwischen Brigund Martigny hielt sich Anfang der1990er-Jahre das letzte grössere Vorkom-men. Hier erforschte der OrnithologeRaphaël Arlettaz das Brutgeschehen unddie Ernährungsweise des seltenen Vogels.Und fand dabei heraus, wie ihm geholfenwerden kann.

Maulwurfsgrillen sind sozusagen einGrundnahrungsmittel des Wiedehopfs,Baumhöhlen sein natürlicher Nistort. ImRhonetal findet er beides – aber nicht amselben Ort. In den Agrarflächen derEbene ist das Nahrungsangebot üppig,doch fehlen taugliche Höhlenbäume.Nistgelegenheiten bieten andererseits diealten Eichen an der sonnigen Talflanke,wo der Boden aber zu trocken und zu hartist für die Maulwurfsgrille. Die Kräfteraubenden Futterflüge, zu denen die Vö-gel genötigt waren, beeinträchtigten denBruterfolg massiv.

Mit dem Wiedehopf geht es aufwärtsMit dem Anbringen von Nistkästen un-mittelbar neben den besten Futterplätzenliess sich das Problem lösen. Die Vögelzügelten prompt, mehr Junge wurdenflügge. Zwischen 1979 und 1992 hatteein brütendes Paar pro Saison durch-schnittlich 4,8 Jungvögel hochgebracht,1998 waren es 5,7. Der zuvor serbelnde

Bestand erholte sich. Auch im KantonGraubünden gibt es neuerdings ermuti-gende Hinweise, dass es mit dem Wiede-hopf wieder aufwärts geht.

Sonnige Landschaften mit buntblühenden Wiesen und Weiden und ei-nem ausreichenden Angebot an Höhlen-bäumen – zum Beispiel in hochstämmigenObstgärten – sind günstige Brutgebietefür den Vogel. Solche Landschaften zuerhalten und aufzuwerten, ist denn auchdie zweite Stossrichtung des Artenförde-rungsprogramms für den Wiedehopf.Dies soll schwerpunktmässig im Wallisund Graubünden geschehen. Die hiergeförderten Vorkommen könnten dannals Quellpopulationen für die Wieder-

besiedlung anderer Regionen der Schweizdienen.

Kiebitz und Wiedehopf sind zwei von50 Vögeln auf einer Liste der Prioritäts-arten für Artenförderungsprogramme.Knapp 200 Brutvogelarten zählt die Avi-fauna der Schweiz. Für ihr Wohlergehenwird einiges getan: Vogelschutzgebietewerden ausgeschieden, wertvolle Lebens-räume wie Moore, Trockenwiesen undAuen unter Schutz gestellt, Bäche renatu-riert. Mit Ökobeiträgen an die Landwirt-schaft werden Hecken, Blumenwiesen,Buntbrachen und andere naturnahe Le-bensräume geschaffen. Spezifische, aufdie Bedürfnisse einer Art ausgerichteteFörderungsmassnahmen setzen da an, wodie anderen Programme zugunsten dergesamten Biodiversität nicht genügen.

Braunkehlchen fallen dem Mäher zum OpferDie Landwirtschaftsbetriebe bei Ramoschim Unterengadin GR produzieren fastausnahmslos biologisch. Sie halten dieRichtlinien strikt ein und weisen mehrals die geforderten Anteile ökologischerAusgleichsflächen aus. Für das Braun-kehlchen reicht das offenbar noch nicht.

Mitte des 19. Jahrhunderts, als dieheute mit Geldern aus der Landwirt-schaftskasse geförderten Ökowiesen nochnormales Grünland waren, brütete derVogel noch überall in der Schweiz. Dieimmer intensivere Grünlandnutzung ver-trieb ihn aus dem Mittelland. Nicht nur

Wachtelkönig: Ein wenig melodiöses, aber gut hörbares Geknarre verrät seine Anwesenheit

Wiedehopf: Ernährt sich vor allemvon Maulwurfsgrillen

Page 4: Vögel fristig überleben zu können. - natuerlich-online.ch · die Ernährungsweise des seltenen Vogels. Und fand dabei heraus, wie ihm geholfen werden kann. ... Flussseeschwalbe

Natürlich | 7-2006 49

Tiere NATUR

dass der Mäher hier stets zu früh kommt:In den üppigen aber artenarmen Mittel-landwiesen ist auch das Futter – Klein-tiere aller Art – zu knapp geworden.

Geblieben ist der Art das Berggebiet,doch auch hier wird es allmählich eng fürsie. Vor 20 Jahren wurden die Talwiesenim Engadin Ende Juni geschnitten. Zudiesem Zeitpunkt werden die jungenBraunkehlchen flügge, ein Grossteil derBruten entging so dem Mäher. Heute er-folgt der erste Schnitt rund einen Monatfrüher, weshalb in den landwirtschaftli-chen Gunstlagen praktisch keine Brutenmehr aufkommen.

Einigermassen erfolgreich brütet derVogel hingegen noch auf den Heumattenoberhalb 1400 Meter. Das Förderungs-programm zielt deshalb darauf ab, zu-mindest diese Brutplätze zu erhalten. Derfrühste Schnitttermin muss dazu auf dieZeit nach Anfang Juli hinausgeschobenwerden. Zusätzlich werden Nester in denHangwiesen weiter unten markiert, damitsie bei der Mahd verschont werden kön-nen. So hofft man, den Bruterfolg imganzen Gebiet so weit zu heben, dass diePopulation stabilisiert werden kann.

Wachtelkönig: Ein nächtlicher SchnarcherMindestens 30 Zentimeter hoch muss dasGras einer Wiese sein, damit ein Wachtel-könig darin zu nisten beginnt. In diesemZustand ist sie nahezu schnittreif. DerVogel kommt deshalb immer zu spät. Umihm dennoch Bruten zu ermöglichen,verrichten drei Mitarbeiter des SchweizerVogelschutzes SVS/BirdLife Schweiz so-wie zahlreiche freiwillige Ornithologin-nen und Ornithologen während der Brut-saison Nachtarbeit. Der Wachtelkönigruft zwischen 23 und 4 Uhr in der Frühe:ein wenig melodiöses, aber gut hörbares

Geknarre, das ihm den Übernamen Wie-senschnarcher eingebracht hat. Wo sol-cher Nachtlärm zu vernehmen ist, ver-sucht der SVS, mit dem betroffenen Bau-ern eine Verschiebung des Schnittterminsbis in den Spätsommer zu vereinbaren –gegen Entschädigung durch zusätzlicheÖkobeiträge.

Dieses Vorgehen ermöglichte der Artseit 1996 rund 60 Bruten in der Schweiz,die sonst alle dem Mäher zum Opfer ge-fallen wären. Sie erfolgten hauptsächlichim Engadin und im Neuenburger Jura. Inden ganzen 1980er-Jahren hatte der Wie-senvogel bei uns hingegen bloss zweimalnachweislich gebrütet.

Ziegenmelker: Akut bedrohtDie Vorstellung, er sauge den Ziegennachts die Milch ab, gab dem Ziegenmel-ker den sonderbaren Namen. Vielleichtentstand sie, weil der Vogel gerne in Wäl-dern brütet, in denen Ziegen weiden. DieWeidetiere fressen den Jungwuchs ratze-kahl ab und lichten den Wald auf. Bewei-dung ist denn auch alles andere als einenachhaltige Form der Waldnutzung,doch dem Ziegenmelker kommt dies ge-legen. Wie eine Schwalbe kurvt er durchden Luftraum lockerer Wälder und er-hascht Nachtfalter, die seine Flugbahnkreuzen – er wird deshalb auch Nacht-schwalbe genannt.

Der heutige Schweizer Wald ist nichtmehr nach seinem Geschmack. Zu dichtstehen die Bäume. Es mangelt an Insek-ten und der Flugraum ist zu eng. DerZiegenmelker ist daher bei uns akut be-droht. Seine letzte Bastion sind dietrockenen Eichen- und Föhrenwälder anden südexponierten Flanken des Rhone-tals. Hier versuchen die SchweizerischeVogelwarte und der kantonale Forst-dienst nun gemeinsam, die Lebensraum-situation für die Art gezielt zu verbessern.Bestände werden aufgelockert und offene

Diese Vögel brauchen SchutzDie 50 prioritären Vogelarten, die mit Artenförderungsprogrammen gefördert werden sollen(so genannte Prioritätsarten):

AlpenseglerAuerhuhn BartgeierBekassineBirkhuhnBraunkehlchen (Bild)DrosselrohrsängerDohleDorngrasmücke EisvogelFeldschwirlFitislaubsängerFlussregenpfeiferFlussseeschwalbe

FlussuferläuferGartenrotschwanzGelbspötterGrauammer

GrauspechtGrosser BrachvogelHaselhuhnHeidelerche

Kiebitz KolbenenteKuckuckLachmöweMauersegler MittelspechtNachtigallOrtolan RebhuhnRohrschwirlRotkopfwürger

RotmilanSchleiereuleSteinhuhnSteinkauzSteinrötelTurmfalkeUferschwalbeWachtelkönigWaldlaubsängerWaldohreuleWaldschnepfeWeissstorchWendehals WiedehopfZaunammerZiegenmelkerZwergohreule

Ziegenmelker: Gut getarnt und dennoch beinahe ausgerottet

Page 5: Vögel fristig überleben zu können. - natuerlich-online.ch · die Ernährungsweise des seltenen Vogels. Und fand dabei heraus, wie ihm geholfen werden kann. ... Flussseeschwalbe

TiereNATUR

Flächen geschaffen. Noch muss sich in-dessen erweisen, ob dem Ziegenmelkerdamit wirksam zu helfen ist. Bei ihmsteckt die Artenförderung noch in derPhase der Massnahmenevaluation.

Wählerischer MittelspechtAuch der Mittelspecht ist ein Waldvogel,der Spezialbehandlung braucht. Er klaubtseine Nahrung aus den Ritzen der Stämmehervor. Nur in der borkigen Rinde vonmindestens 60 Jahre alten Eichen findet erzu jeder Jahreszeit reichlich Spinnen,Schmetterlingsraupen, Käfer, Ameisen undihre Larven. Er ist deshalb eng an das Vor-kommen von Eichen gebunden.

Als die Wälder noch vorrangig alsWeidegebiet genutzt wurden, war die Ei-che forstwirtschaftlich eine der wichtigs-ten Baumarten. Unter den Eichen wach-sen die besten Schinken, wussten dieBauern, die ihre Schweine zum Fressen der Eicheln in die Wälder trieben. Heute

sind gemäss Landesforstinventar nurnoch zwei Prozent der Bäume im hiesigenWald Eichen, Tendenz abnehmend.

Zusammen mit dem Baum geht der Vo-gel: Seit Ende der 1970er-Jahre ist die Mit-telspecht-Population im Kanton Zürich umein Drittel geschrumpft. In der Schweizbrüten zurzeit noch etwa 500 Paare.

Kurzfristig gilt es, den Bestand zustabilisieren, und auf längere Sicht soll erauf mindestens 700 Brutpaare erhöhtwerden: So lautet das Ziel des nationalenAktionsplans Mittelspecht Schweiz. Dazumüssen die bestehenden Lebensräumegesichert und verjüngt sowie neue, zu-sammenhängende und vernetzte Eichen-flächen geschaffen werden. Im VereinproQuercus, der sich der Förderung derEiche verschrieben hat, findet der Vogel-schutz hierzu einen forstlichen Partner.

Zwergohreule ist praktisch ausgestorbenFast schon zu spät kommt der Rettungs-versuch für die in der Schweiz praktischausgestorbene Zwergohreule. Ein Relikt-bestand hält sich im Mittelwallis. SeinLebensraum ist eine Heckenlandschaftmit Obstbäumen und mageren Wiesen:ein Idyll, aber nicht gut genug für die an-spruchsvolle Eulenart, die sich haupt-sächlich von Heuschrecken ernährt. 2002waren hier nur noch ein Paar und einSingle zugegen.

Ein Jahr danach startete die Vogel-warte einen Rettungsversuch: In denWiesen wurden drei Meter breite Streifenangelegt, die nur einmal alle zwei Jahreim September auf der halben Länge ge-schnitten werden. Die Altgrasstreifen bil-den in der Zeit der Mahd Rückzugsräumefür Heuschrecken und andere wirbelloseTiere. Namentlich das Grüne Heupferd,das wichtigste Beutetier, ist hier dreimalhäufiger als im angrenzenden Kulturland,ergab die Erfolgskontrolle. Ob dies derGrund dafür ist, dass in den letzten bei-den Jahren wieder drei Zwergohreulen-Paare im Gebiet erfolgreich gebrütet ha-ben, wird die Zukunft weisen.

Eisvogel braucht BrutplätzeBereits heute kann ein Renaturierungs-projekt im Aargau als Erfolg gewertetwerden. Der Auenwald Foort nördlichvon Bremgarten AG war bis vor kurzemvon der Reuss durch einen Damm abge-schnitten (siehe «Natürlich» 1-06). Inden Jahren 2003 und 2005 wurde in zweiBauetappen die Uferverbauung auf einerLänge von 600 Metern entfernt. Zudemhoben Bagger Seitenläufe aus, in die sichdie Reuss nun verzweigen und Ufer ero-dieren kann. Das war nicht zuletzt Arten-förderung für den Eisvogel. Die Art gräbtihre Brutröhren in frische Erdanrisse, amliebsten gleich unter den Wurzeln derdarüber wachsenden Vegetation. SolcheStellen fressen die Bäche und Flüsse in

Zwergohreule: Im Mittelwallis hält sich noch ein Kleinstbestand von wenigen Individuen

Mittelspecht: Er benötigt mindestens 60 Jahre alte Eichen

Page 6: Vögel fristig überleben zu können. - natuerlich-online.ch · die Ernährungsweise des seltenen Vogels. Und fand dabei heraus, wie ihm geholfen werden kann. ... Flussseeschwalbe

Natürlich | 7-2006 51

Tiere NATUR

die Ufer, wo noch natürliche Auendyna-mik wirksam ist. Bereits im Frühling2004 brütete ein Eisvogelpaar am Steil-ufer eines frisch ausgehobenen Seiten-laufs.

Einst wurde der Eisvogel als Fisch-räuber verfolgt, doch auf die Rote Listeder bedrohten Arten brachte ihnhauptsächlich der Umstand, dass ihm inder verbauten Gewässerlandschaft dieerodierenden Steilufer fehlen. Wo es derBach nicht mehr tut, kann indessen derMensch nachhelfen: Eisvögel nehmen ab-gegrabene Brutwände leicht an, sofern siein einem möglichen Brutgebiet liegen,mindestens 1,5 Meter über den Hoch-

wasserspiegel ragen, breit genug undleicht überhängend sind. Unter Umstän-den ist auch die Anlage künstlicher Brut-röhren sinnvoll. Doch besser ist es, inrenaturierten Bächen und Flüssen dieNatur wirken zu lassen.

Renaturierungen helfen FlussuferläuferDas nützt auch dem Flussuferläufer, dersein Nest an locker bewachsenen Schot-terbänken errichtet. Mit der Zähmungder hiesigen Bäche und Flüsse verlor ereinen Grossteil seines Lebensraums, dochjetzt könnten wieder bessere Zeiten an-

brechen. Der Schutz der Auen von natio-naler Bedeutung fordert die Wiederbele-bung gezähmter Fliessgewässer, «MehrRaum für die Flüsse» ist auch die neuePhilosophie im Hochwasserschutz: Wosich Fliessgewässer wieder ausbreitenkönnen, sinkt das Risiko von Über-schwemmungen im Unterlauf.

Mehr Dynamik in den Auen ist einallgemeines Ziel im Naturschutz. Diespezifische Artenförderung beginnt beiden Extras. Entlang von Ufern, an denenBoote landen, Angler ihre Rute auswerfenund sich Spaziergänger mit oder ohneHund tummeln, können Flussuferläufernicht brüten. Hier müssen Betreteverbotewährend der Brutzeit für Ruhe sorgen.Baden kann man dann immer noch abMitte Juli, wenn die Vögel flügge sind. ■

Infobox

Literatur zum Thema

• Bauer / Bezzel / Fiedler: «Das Kompendiumder Vögel Mitteleuropas», 3 Bände, Aula-Verlag 2005, ISBN: 3-89104-696-0, Fr. 202.–

• Burkhardt: «Vögel – unsere Nachbarn»,Verlag Schweizerische Vogelwarte 2005,ISBN: 3-9521064-3-7, Fr. 68.–

• «Vögel in der Schweiz», Verlag Schweize-rische Vogelwarte 2001, ISBN: 3-9521064-6-1, Fr. 58.–

• «1000 Vögel», Verlag Naumann und Göbel2004, ISBN: 3-625-10774-0, Fr. 23.50

• Amann: «Vögel des Waldes», Neumann-Neudamm Verlag 2006, ISBN: 3-7888-0759-8, Fr. 52.30

• Bastin / Haan: «Ein Vogelparadies in deinemGarten – Lebensräume für Vögel gestalten»,Landwirtschaftsverlag 2006, ISBN: 3-7843-3386-9, Fr. 23.90

• Berg / Have / Keijl: «Vögel Europas – Erken-nen – Bestimmen – Beobachten», GondromVerlag 2005, ISBN: 3-8112-2592-8, Fr. 23.60

• Bezzel: «BLV Handbuch Vögel», BLV-Verlag2006, ISBN: 3-8354-0022-3, Fr. 25.50

• Brown / Ferguson / Lawrence: «Federn,Spuren und Zeichen der Vögel Europas –Ein Feldführer», Aula-Verlag 2005, ISBN: 3-89104-689-8, Fr. 52.10

Internet

• www.artenfoerderung-voegel.ch

• www.birdlife.ch/artenfoerderung

• www.vogelwarte.ch>Aktuell>Artenförderung

• www.xn-artenfoerderung-nmb.ch

• www.wild.unizh.ch/bg/index.htm

• www.birdlife.org/ (englisch)

• www.rspb.org.uk/ (englisch)

Flussuferläufer: Nur Betreteverbote entlang bestimmter Flussabschnitte sichern den Bestand

Eisvogel: Nistet in erodierenden Steilufern entlang von Flüssen und Bächen