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DiagonalZeitschrift der Universität Siegen

Jahrgang 2016

Herausgegeben vom Rektor der Universität Siegen

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Gero Hoch / Hilde Schröteler-von Brandt /Volker Stein / Angela Schwarz (Hg.)

Vielfalt als Chance

Mit 53 Abbildungen

V& R unipress

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þberhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISSN 0938-7161ISBN 978-3-8470-0688-6

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Inhalt

Gero Hoch, Hilde Schröteler-von Brandt, Angela Schwarz & Volker SteinVielfalt als Chance. Zur Einleitung in das Heft . . . . . . . . . . . . . . . 9

Jürgen StrothmannIdentität als Frage von Recht und Kultur. Das Römische Reich als»Vielvölkerstaat« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Petra LohmannEinheit und Vielheit. Miscellen zur Chiffre des Turms bei Michel deMontaigne und seinem Einfluss auf Thomas Bernhard . . . . . . . . . . 31

Marijana ErsticVielfalt in einem deutschsprachigen »Dalmatien«-Narrativ. Der RomanOlivas Garten (2013) von Alida Bremer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Sandra NuyFilm als politisches Probehandeln? Über den israelischen Spielfilm Ajami(2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Tobias Scheidt»Man kommt in eine andere Welt« – Historische Grenzen und regionalesWissen in »Südwestfalen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Thomas MeyerSpiel ohne Grenzen – Liebesglück im Internet . . . . . . . . . . . . . . . 77

Arnd Wiedemann & Julian QuastVielfalt in der Geldanlage – Chancen und Risiken für Investoren amdeutschen Zertifikatemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

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Gustav Bergmann & Jonas KeppelerVielfalt und kritische Reflexion – Über die Bedeutung einer PluralenÖkonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Carsten HefekerVielfalt in der Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Anke Schüll & Natalia MaslanBig Data – Datenberg voller Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Robert BrandtDie Vielfalt von Werkstoffkombinationen für den Fahrzeugleichtbau: DieChance für die Mobilität der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Wolf-Dietrich BukowUrbanität, Diversität und Mobilität. Neue Herausforderungen für einenachhaltige und inklusive Stadtentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Jürgen SteinbrecherVielfalt im Mobilitätsverhalten – neue Trends bei jungen Menschen . . . 187

Stefanie MarrKluge Frauen. Schöne Männer. Nur Mut! . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

Juliane Gerland & Sisko ZielbauerInklusionsforschung im Kunstlabor j Kunstforschung im Inklusionslabor 219

Katharina Miketta & Gabriele WeißDie unbestimmte Vielfalt der Vielfalt. ErziehungswissenschaftlichePerspektiven auf Diversity-Management an der Hochschule . . . . . . . . 229

Patrick Bredebach, Carolin Flender,Markus Kötter & Matthias TrautmannVielfalt der Siegener Studierenden – am Beispiel des Workloads imLehramtsbachelor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

Veronika Batzdorfer & Harry KullmannNeue Vielfalt im Klassenzimmer – Multiprofessionelle Kooperation alsHerausforderung inklusiver Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

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Iris BaumgardtVielfalt im Klassenzimmer – Chancen und Herausforderungen auf demWeg zur inklusiven Grundschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

Anna-Maria Hintz, Michael Paal & Pascal KleebergHeterogenität als Chance und Herausforderung – Schulische Inklusionaus Sicht von Grundschul- und Förderlehrkräften . . . . . . . . . . . . . 289

Birgit PapkeVielfalt in Kindertageseinrichtungen – Tatsache, Chance und Bedingungfrühkindlicher Bildungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Johannes Schädler & Martin F. ReichsteinIrgendwann ist Schluss!? – Nebeneffekte der professionellenUnterstützung von Menschen mit herausforderndem Verhalten . . . . . . 319

Michael MüllerWarum es wichtig ist, wie wir Vielfalt bewerten. Individuelle Ursachenvon gesellschaftlichen Ausgrenzungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . 333

Wolfgang BergemDie Flüchtlingskrise als Identitätskrise. Multiple Identitäten alsVoraussetzung und Merkmal erfolgreicher Integration von Migrantinnenund Migranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

Rainer GeißlerEin Effekt der Flüchtlingskrise: Deutschland ist angekommen – voneinem Gastarbeiterland über ein Zuwanderungsland wider Willen zueinem modernen Einwanderungsland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Claus GrupenVielfalt als Chance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

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Gero Hoch, Hilde Schröteler-von Brandt, Angela Schwarz &Volker Stein*

Vielfalt als Chance. Zur Einleitung in das Heft

Was ist nicht schon alles über Vielfalt geschrieben worden – über ihre Defini-tionsversuche, ihre Ausprägungen, ihre Wirkmächtigkeit, ihre Begrenzungen,ihre Bedrohungen in der Gegenwart ebenso wie in der Vergangenheit, kurz: überihre eigene Vielfältigkeit. Vielfalt stellt eine Grundkonstante des Lebens dar. Siezu vermeiden, auch das eine historische Erfahrung, war kaum möglich und wirdes auch in Zukunft nicht sein – höchstens sie zu verdrängen oder zu ignorieren.Ob dies aber ein gutes Rezept ist, um den Herausforderungen einer vielfältigenWelt gerecht zu werden, kann getrost bezweifelt werden. Denn es hat sich in derVergangenheit schon nicht bewährt und erscheint auch in aktuellen Situationenals wenig sinnvoll. Zumindest ist dies der Standpunkt vielfältiger Forschung,darunter jene, die sich etwa mit der Steuerbarkeit komplexer Systeme ausein-andersetzt (vgl. z. B. Ashby 1956; Buckley 1968).

Als soziale Konstruktion der Realität (vgl. Berger/Luckmann 1966) unterliegtauch die Vielfalt einer kollektiven Betrachtung und Bewertung. Selbst wenn mansich im Ergebnis darüber einig werden möchte, dass man die Chancen derVielfalt im Bewusstsein ihrer Risiken wahrnehmen möchte, so setzt ein Vielfalts-Diskurs zunächst drei wichtige Stufen voraus:(1) Vielfalt sehen. In vielen Kontexten wie beispielsweise Soziopolitik (z. B.

Wiener 2008), Sprachenlernen (z. B. Forsman 2010) oder Wirtschaftsko-operation (z. B. Scholz/Stein 2013) wird eine Aufmerksamkeit für Vielfalt,Vielfältigkeit, Unterschiedlichkeit, Abweichungen, Anderssein, Diversität

* Univ.-Prof. Dr. Gero Hoch, Universität Siegen, Fakultät III (Wirtschaftswissenschaften –Wirtschaftsinformatik – Wirtschaftsrecht), vormals Lehrstuhl für Unternehmensrechnung.Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hildegard Schröteler-von Brandt, Universität Siegen, Fakultät II (Bildung– Architektur – Künste), Department Architektur, Stadtplanung und Planungsgeschichte.Univ.-Prof. Dr. Angela Schwarz, Universität Siegen, Fakultät I (Philosophische Fakultät),Geschichte – Neuere und Neueste Geschichte.Univ.-Prof. Dr. Volker Stein, Universität Siegen, Fakultät III (Wirtschaftswissenschaften –Wirtschaftsinformatik – Wirtschaftsrecht), Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb.Personalmanagement und Organisation.

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etc. als Voraussetzung für eine gelingende Interaktion zwischen Menschenangesehen. Es gibt umfangreiche Forschungen zu den Methoden, so z. B.zum Einsatz des Mediums Film (z. B. Lee/Priester 2015), wie auch zu denProzessen des Aufmerksamkeitserwerbs, der bereits frühkindlich beginnenkann (z. B. Eisbach 2004).

(2) Vielfalt verstehen und erklären. Sehr spannend wird die Darstellung derWirkweisen rund um den Umgang mit Vielfalt. So werden vielfältig Begriffedefiniert und voneinander abgegrenzt (z. B. Qin/Muenjohn/Chhetri 2014)sowie Modelle – vereinfachte Abbilder der Realität – dazu entworfen, wieVielfalt in unterschiedlichen Kontexten wirkt (z. B. Lambert 2016), umletztlich in die »Black Box« der Vielfalt hineinzusehen.

(3) Vielfalt gestalten. In der konkreten Bewältigung von Vielfalt oder zumindestder gedanklichen Durchdringung ihrer Bewältigbarkeit werden Hand-lungsempfehlungen gegeben, wie erwünschte Ergebnisse im Umgang mitVielfalt erreicht werden können (z. B. Dass/Parker 1999), bis hin zu Vor-schlägen, wie man Vielfalts-Konflikten begegnet (z. B. Friedman/Davidson2001) oder wie man den Umgang mit Vielfalt über kontextuale Grenzenhinweg transferiert (z. B. Syed/Ozbilgin 2009).

Wie herausfordernd und schwierig der Umgang mit den Chancen von Vielfalttatsächlich ist, zeigt ein kurzer Blick auf die früher immer wieder angesprocheneund wiederholt in die Realität umgesetzte Mischung, was heute allerorts unterdem Stichwort der »Synergie« angestrebt wird. Während Akkulturation nichtselten eine einseitig vollzogene Anpassung an ein Anderes beschreibt undSymbiose das gemeinsame Wahrnehmen von Chancen mehrerer Akteure alsinterdependente und überlebenswillige Zweckgemeinschaft beinhaltet, gehtSynergie als Integrationsziel einen Schritt weiter, da hier tatsächlicher Mehr-wert, hervorgerufen durch kollektives Handeln vielfältiger Akteure, angestrebtwird (Stein 2014, S. 72). Synergie bedeutet gemäß griechischem Wortursprung(»syn«/»ergon«) »Zusammenwirken« und wird landläufig als »das Ganze istmehr als die Summe seiner Teile« oder »2 + 2 = 5-Effekt« (Kitching 1967, S. 92)apostrophiert. Sie wird in der Regel im Sinne eines »Collaborative Advantage«(Huxham/Macdonald 1992, S. 51) gebraucht, bei dem Partner zur gegenseitigenNutzensteigerung zusammenarbeiten. Während Lerneffekte aus der Wieder-holung gleichartiger Tätigkeiten resultieren, entsteht bei der Synergie durchKombination ähnlicher beziehungsweise verschiedenartiger Eignungen zu-sätzliches Wissen. Dennoch: »Der Begriff der Synergie ist ebenso populär wieunscharf« (Wiendieck 2004, S. 392). Denn die Identifikation von Synergie unddie Quantifizierung von Synergieeffekten stellen Problemfelder dar, die auchheute noch in Theorie und Praxis als weitgehend ungelöst gelten. So bemerktschon der Managementforscher Michael E. Porter : »Glaubt man den Jahresbe-

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richten der Unternehmen, so hängt praktisch alles mit allem zusammen! Docheingebildete Synergie ist sehr viel häufiger als tatsächliche Synergie« (Porter1999, S. 149). Dies liegt nicht zuletzt an der Schwierigkeit, aus Vielfalt einewertigere Ganzheit zu erschaffen, wobei sowohl die Mechanismen der additivenZusammensetzung von Verschiedenheit wie auch der Schaffung von neuer»Gestalten« als nichtadditive Komplexe noch nicht durchschaut werden. Zudemkann man nicht von vornherein davon ausgehen, dass vielfältige Akteure ihreSchwächen gegenseitig ausgleichen, wie das Phänomen des »Social Loafing«(Latan8/Williams/Harkins 1979; Comer 1995), des Trittbrettfahrerverhaltens inGruppen, beschreibt. Es ist also offensichtlich alles andere als einfach, denUmgang mit Vielfalt vom Sehen über das Verstehen und Erklären in das Ge-stalten zu überführen.

Doch gerade dies fordert zu intensiverer Forschung heraus. DIAGONAL hatsich als interdisziplinäre wissenschaftliche Jahreszeitschrift der Universität Siegenetabliert. Das Leitbild der Universität Siegen »Zukunft menschlich gestalten«verlangt geradezu von den Universitätsangehörigen einen Brückenschlag vonihrer disziplinären Forschung zur individuellen und gesellschaftlichen Lebens-wirklichkeit. Es ist erfreulich, dass viele Forschende aus allen Fakultäten das fürdie 37. Ausgabe gesetzte Jahresthema »Vielfalt als Chance« vor dem Hintergrundihrer eigenen wissenschaftlichen Heimat beleuchten. Die möglichen Betrach-tungsweisen auf »Vielfalt« und die Diskussionen um Prozesse der Ausdifferen-zierung werden aus unterschiedlichen Disziplinen und im Kontext »vielfältiger«Fragestellungen und somit entlang der Fächervielfalt der Universität Siegen auf-gezeigt, unter anderem von der Philosophie, Geschichtswissenschaft, Erzie-hungswissenschaft, Informatik, Sozialwissenschaft, Naturwissenschaften, Poli-tikwissenschaft, Sprachwissenschaft, Medienwissenschaft, Ingenieurwissen-schaft, Kunst- und Musikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft. Inhaltlich wirdder Diskurs zur Vielfalt auf Zusammenspiel, Synergie und Nutzen hin gelenkt,wobei ebenso die Grenzen von »Vielfalt als Chance« ausgelotet werden.

Eine solch große und facettenreiche Resonanz auf die Einladung, sich mitdiesem Thema intensiver zu beschäftigen, führt selbst zu Vielfalt und derChance, die insgesamt 26 Beiträge in eine Reihung zu bringen, die ihre eigeneGeschichte erzählt. Wir haben uns für eine Narration entschieden, in der Vielfaltkeine Norm ist, zu der sich jeder aufgrund aktueller Vorgaben bekennen muss,kein Problem, das eine langwierige Suche nach Lösungen und geeigneten Be-wältigungsstrategien erfordert, nicht einmal eine Frage, nach der es mindestensnoch eine andere Realität, eine scheinbar klarere, sicherere, gleichförmige gebenkönnte. Vielfalt war immer da und wird es in menschlichen Gemeinschaftenimmer sein: eben eine Grundkonstante. Was uns als Forscherinnen und For-scher ebenso wie als Menschen fasziniert, ist die Frage, wie mit ihr umgegangenwird. Und so wird unsere Geschichte gerahmt von einem Blick zurück und einem

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nach vorn: zurück in ein antikes Reich, das als über jahrhunderte stetig ex-pandierender Vielvölkerstaat immer wieder aufs Neue auf Vielfalt zu reagierenhatte, nach vorn in eine sich weiter wandelnde Gesellschaft in Deutschland undihren langen Lernprozess hin zu der Erkenntnis, dass Vielfalt mehr ist als nurgegeben. Die Narration lautet innerhalb dieses Rahmens in etwa so:

Lasst uns, inspiriert durch die historischen Erfahrungen gelingender Integration, mitVielfalt in der Literaturwissenschaft und anderen Medienformen beginnen, bevor diefiktionale Realität langsam in die reale Realität übergeht: Hier berühren wir ein Feldmenschlicher Interaktion, das gemeinhin nicht mit Wirtschaft und Vermarktung ver-bunden wird, nämlich die Ökonomisierung der Hoffnung auf Liebe. Darauf folgt derÜbergang in die vertrauteren Bereiche des Ökonomischen, in Finanzwirtschaft undvolkswirtschaftliche Methodik, wonach sich die Themen langsam in die Welt der Datenund der Produktion weiterbewegen. Wo wir dann gerade bei Fahrzeugen sind, liegenÜberlegungen zu Urbanität und zum Mobilitätsverhalten nicht fern. Diversität wirddanach als Element der künstlerischen Gestaltung aufgegriffen, die – einer Universitätentsprechend – vor allem Konzepte der Vermittlung von Vielfalt darstellt. Damit sindwir bei der erziehungswissenschaftlichen Perspektive, die zunächst allgemein, dann mitFokus auf die Universität, die Schulen, noch konkreter die Grundschulen und schließlichdie Kindergärten eingenommen wird. Grundsätzliche Diskussionen der Grenzen einerBerücksichtigung von Vielfalt leiten über zu allgemeinen Fragen der Identität, hierinsbesondere der Identität von Nationen. Die gesellschaftliche Bewertung von Vielfalt,so lassen es die einzelnen Kapitel dieser Geschichte erkennen, gehört ebenso wie dasPhänomen selbst dazu und ist eben nicht nur ein Thema inmitten der aktuellen Zu-wanderungswelle, die unter der Bezeichnung von der Flüchtlingskrise diskutiert wird.

Der hier entfalteten Geschichte liegt demnach eine Verkettungslogik zugrunde,die einen weiten Bogen spannt – und an jeder anderen als der von uns gewähltenStelle hätte beginnen können. So steht es der Leserschaft, die diese Ausgabe vonDIAGONAL hoffentlich auch in diesem Jahr wieder in großer Zahl finden wird,völlig frei, sich vielfältige eigene Wege durch die Vielfalt zu suchen. Die Her-ausgeberinnen und Herausgeber, Autorinnen und Autoren dieses Bandes wür-den sich darüber sehr freuen.

Literatur

Ashby, William R. (1956): An introduction to cybernetics. London.Berger, Peter L./Luckmann, Thomas (1966): The social construction of reality. A treatise in

the sociology of knowledge. Garden City, NY.Buckley, Walter (1968): Society as a complex adaptive system. In: Buckley, Walter (Hrsg.),

Modern systems research for the behavioral scientist: A source book. Chicago, IL,S. 490–521.

Comer, Debra R. (1995): A model of social loafing in real work groups. Human Relations 48(6), S. 647–667.

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Dass, Parshotam/Parker, Barbara (1999): Strategies for managing human resource diver-sity : From resistance to learning. Academy of Management Executive 13 (2), S. 68–80.

Eisbach, Anne O’Donnell (2004): Children’s developing awareness of diversity in people’strains of thought. Child Development 75 (6), S. 1694–1707.

Forsman, Liselott (2010): EFL education in the new millennium: Focus on the promotionof awareness of difference and diversity. Scandinavian Journal of Educational Research54 (5), S. 501–517.

Friedman, Raymond A./Davidson, Marin N. (2001): Managing diversity and second-orderconflict. International Journal of Conflict Management 12 (2), S. 132–153.

Huxham, Chris/Macdonald, David (1992): Introducing collaborative advantage: Achiev-ing interorganizational effectiveness through meta-strategy. Management Decision 30(3), S. 50–56.

Kitching, John (1967): Why do mergers miscarry? Harvard Business Review 45 (6),S. 84–101.

Lambert, Jason (2016): Cultural diversity as a mechanism for innovation: Workplacediversity and the absorptive capacity framework. Journal of Organizational Culture,Communications & Conflict 20 (1), S. 68–77.

Latan8, Bibb/Williams, K. D./Harkins, Stephen (1979): Many hands make light the work:The causes and consequences of social loafing. Journal of Personality and Social Psy-chology 37 (6), S. 822–832.

Lee, Othelia Eun-Kyoung/Priester, Mary Ann (2015): Increasing awareness of diversitythrough community engagement and films. Journal of Social Work Education 51 (1),S. 35–46.

Porter, Michael E. (1999): Vom Wettbewerbsvorteil zur Unternehmensstrategie. In: Porter,Michael E. (Hrsg.), Wettbewerb und Strategie. München, S. 127–162.

Qin, John/Muenjohn, Nuttawuth/Chhetri, Prem (2014): A review of diversity conceptu-alizations: Variety, trends, and a framework. Human Resource Development Review 13(2), S. 133–157.

Scholz, Christian/Stein, Volker (2013): Interkulturelle Wettbewerbsstrategien. Göttingen.Stein, Volker (2014): Integration in Organisationen. München – Mering.Syed, Jawad/Ozbilgin, Mustafa (2009). A relational framework for international transfer of

diversity management practices. International Journal of Human Resource Manage-ment 20 (12), S. 2435–2453.

Wiendieck, Gerd (2004): Gruppenverhalten und Gruppendenken. In: Schreyögg, Georg/Werder, Axel von (Hrsg.), Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisati-on. 4. Aufl. Stuttgart, Sp. 388–398.

Wiener, Antje (2008): European responses to international terrorism: Diversity awarenessas a new capability? Journal of Common Market Studies 46 (1), S. 195–218.

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