Vierteljährliche Publikation, Ausgabe Juni 2017 · den, dass die Konjunktur im Kanton Zürich im...

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Kanton Zürich Volkswirtschaftsdirektion Amt für Wirtschaft und Arbeit Zürcher Wirtschafts- monitoring Vierteljährliche Publikation, Ausgabe Juni 2017 Und der Aufschwung kommt doch: Stärkere Nachfrageimpulse aus dem Ausland verleihen der Zürcher Wirtschaft im Frühjahr 2017 mehr Schwung. Positiv schlägt so zu Buche, dass die Nachfrage von ausländischen Kunden nach Bankdienstleistungen wieder stärker zunimmt. Anstrengende Anpassungs- prozesse halten allerdings in vielen Branchen wie der Industrie, dem Detailhandel und auch den Banken noch an. Der Wandel bleibt somit auch in Zürich eine wesentliche Konstante. Nicht leicht ist auch die Arbeitsmarktintegration von Personen, welche Leistungen der Sozialhilfe oder der Invalidenversicherung beziehen. Vielfach haben sie keinen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung, dürfen aber die Beratung der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) in Anspruch nehmen. Lesen Sie mehr zu den verschiedenen Vermittlungsleistungen der Arbeits- marktbehörden zugunsten dieser Stellensuchenden im Spezialthema. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen. Bruno Sauter Chef Amt für Wirtschaft und Arbeit Liebe Leserinnen, liebe Leser Das Wichtigste in Kürze Kanton Zürich Neuer Elan der Zürcher Wirtschaft 2 Anhaltend starker Gegenwind im Detailhandel 3 Banken – die Ausländer kommen wieder 4 Erholung am Arbeitsmarkt lässt hoffen 5 Schweiz und Ausland Weltwirtschaft zieht leicht an 6 Aussenwirtschaftliche Impulse auf die Zürcher Volkswirtschaft 6 Europa: anhaltendes Wachstum 6 USA: moderates Wachstum setzt sich fort – bisher ohne neue Impulse 7 China: anhaltendes Wachstum, aber widersprüchliche Signale 8 Schweiz: allgemeine Belebung 8 Risiken: Immobilienmarkt, Wahlen in Italien, US-amerikanische Wirtschaftspolitik 9 Spezialthema Interview «Die Arbeitslosenversicherung muss den neuen Anforderungen der Arbeitswelt Rechnung tragen», Gespräch mit Thomas Buchmann, Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau, und Edgar Spieler, Leiter Arbeitsmarkt im Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich 10 Bericht Kein Anspruch auf Taggelder, aber trotzdem auf dem RAV 12

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Kanton ZürichVolkswirtschaftsdirektionAmt für Wirtschaft und Arbeit

Zürcher Wirtschafts- monitoringVierteljährliche Publikation, Ausgabe Juni 2017

Und der Aufschwung

kommt doch: Stärkere

Nachfrageimpulse

aus dem Ausland

verleihen der Zürcher

Wirtschaft im Frühjahr

2017 mehr Schwung.

Positiv schlägt so zu

Buche, dass die

Nachfrage von

ausländischen Kunden nach Bankdienstleistungen

wieder stärker zunimmt. Anstrengende Anpassungs-

prozesse halten allerdings in vielen Branchen

wie der Industrie, dem Detailhandel und auch den

Banken noch an. Der Wandel bleibt somit auch in

Zürich eine wesentliche Konstante.

Nicht leicht ist auch die Arbeitsmarktintegration

von Personen, welche Leistungen der Sozialhilfe

oder der Invalidenversicherung beziehen. Vielfach

haben sie keinen Anspruch auf Leistungen der

Arbeitslosenversicherung, dürfen aber die Beratung

der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV)

in Anspruch nehmen. Lesen Sie mehr zu den

verschiedenen Vermittlungsleistungen der Arbeits-

marktbehörden zugunsten dieser Stellensuchenden

im Spezialthema.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen.

Bruno Sauter

Chef Amt für Wirtschaft und Arbeit

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Das Wichtigste in Kürze

Kanton ZürichNeuer Elan der Zürcher Wirtschaft 2

Anhaltend starker Gegenwind im Detailhandel 3

Banken – die Ausländer kommen wieder 4

Erholung am Arbeitsmarkt lässt hoffen 5

Schweiz und AuslandWeltwirtschaft zieht leicht an 6

Aussenwirtschaftliche Impulse auf die Zürcher Volkswirtschaft 6

Europa: anhaltendes Wachstum 6

USA: moderates Wachstum setzt sich fort – bisher ohne neue Impulse 7

China: anhaltendes Wachstum, aber widersprüchliche Signale 8

Schweiz: allgemeine Belebung 8

Risiken: Immobilienmarkt, Wahlen in Italien, US-amerikanische Wirtschaftspolitik 9

Spezialthema Interview «Die Arbeitslosenversicherung muss den neuen Anforderungen der Arbeitswelt Rechnung tragen», Gespräch mit Thomas Buchmann, Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau, und Edgar Spieler, Leiter Arbeitsmarkt im Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich 10

BerichtKein Anspruch auf Taggelder, aber trotzdem auf dem RAV 12

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Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 20172

Kanton Zürich

Nach einer schwächeren Phase im Winter 2016/17 zeigt sich die Zürcher Wirtschaft im Frühjahr wieder draufgängerischer im Einklang mit der schnelleren Gangart der Weltwirtschaft. Die Geschäftslage ist in allen Branchen ausser dem Detailhandel und der Industrie gut und hat sich weiter verbessert. Überraschend positive Anzeichen kommen vom Bankensektor. Nach wie vor unbefriedigend ist die Ertragslage in der Industrie. Im Detailhandel läuft das Geschäft nur bei den grossen Unternehmen einigermassen befriedigend. Die Zürcher Volkswirtschaft dürfte in diesem Jahr mit gut 1.5% leicht stärker wachsen als 2016. Der leichte Rückgang der Arbeitslosigkeit hält an.

Neuer Elan der Zürcher Wirtschaft Nach der kleinen Atempause im Winter zeigen sich die Zürcher Unternehmer im Frühling 2017 wieder optimistischer. Die zunehmenden Nachfrageimpulse aus dem Ausland haben diese schnellere Gangart begünstigt, siehe dazu die Ausführungen im nachfolgenden Text «Schweiz und Ausland». Die Unternehmen der meisten Branchen im Kanton Zürich melden eine Verbesserung ihrer Geschäftslage im Vergleich zum ersten Quartal, ausgehend von einer bereits guten Geschäftslage. Das ist in der unten stehenden Grafik daran ersichtlich, dass sich die Mehrheit der bunten Branchenkreise im rechten oberen Quadranten befindet. Nur die Kreise des Detailhandels und der Industrie sind ausserhalb dieses Quadranten.

Der Kreis des Detailhandels liegt auf der horizontalen Achse, was bedeutet, dass sich die Geschäftslage der Branche im Vergleich zum Vorquartal weder verbessert noch verschlechtert hat. Dieser Kreis liegt links der senkrechten Achse und zeigt damit an, dass die Geschäftslage von der Mehrheit der Detailhändler noch als schlecht beurteilt wird. Da-gegen zeigt im Fall der Industrie die Position des lila Kreises, dass sich die guten und schlechten unternehmerischen Beurteilungen der Geschäftslage in etwa die Waage halten (Kreis auf der senkrechten Achse). Im Vergleich zum ersten Quartal hat sich zudem die Beurteilung der Geschäftslage verschlechtert (Kreis unterhalb der horizontalen Achse).

Die zwei Branchen – der Detailhandel und die Industrie – sind daher nach wie vor schwache Stützen des Aufschwungs der Zürcher Volkswirtschaft oder gar Bremsklötze. Die Lage im Detailhandel wird durch strukturelle Umwälzungen deutlich erschwert, wie nachfol-gend ausgeführt wird. In der Industrie ist es vorwiegend die Ertragslage, welche aufgrund der wieder stärker rückläufigen Verkaufspreise beziehungsweise der erneuten Aufwertung des Schweizer Frankens unbefriedigend ist. Der Franken hat sich seit Mitte 2016 gegenüber den Währungen der wichtigsten Handelspartner (nominaler handelsgewichteter Index) leicht aufgewertet und damit den Vorteil der tiefen inländischen Teuerung wieder zunichtegemacht. Der Auftragsbestand hat sich dagegen parallel zur stärkeren Dynamik bei wichtigen auslän-dischen Absatzmärkten wieder verbessert. Auch die Erwartungen für die Produktionsent-wicklung in den kommenden drei Monaten sind sehr gut.

Geschäftslage und ihre Entwicklung zur Vorperiode nach Bedeutung der BrancheKanton Zürich: Daten BAK Basel (Wertschöpfungsanteile), KOF Konjunkturforschungsstelle (Geschäftslage)

Aktuelle Geschäftslage

Verä

nder

ung

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esch

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lage

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orpe

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gute Geschäftslage

Verbesserung zur Vorperiode

Verschlechterung zur Vorperiode

schlechte Geschäftslage

Gastgewerbe

Industrie

verschiedene Dienstleistungen

Banken

Baugewerbe

Detailhandel

Grosshandel

30

20

10

0

−10

−20

−30

−20 0 20 40 60

Zur Untergruppe der

sogenannten verschiedenen Dienst-

leistungen bei den KOF-Umfragen

gehören folgende Branchen:

Verkehr, Information, Kommunikation,

persönliche Dienstleistungen und

wirtschaftliche Dienstleistungen, wozu

die freiberuflichen, technischen und

wissenschaftlichen Dienstleistungen,

das Grundstücks- und Wohnungs-

wesen sowie die sonstigen Dienst-

leistungen zählen.

Die Grösse der Kreise steht

proportional für den jeweiligen Anteil

der Wertschöpfung einer Branche an

der gesamten Wertschöpfung im

Kanton. Die Industrie stellt dabei einen

höheren Anteil als der Detailhandel,

aber einen kleineren Anteil als die

verschiedenen Dienstleistungen.

Die Banken und der Grosshandel sind

ebenfalls bedeutende Branchen

gemessen am Anteil ihrer Wertschöp-

fung, während das Gastgewerbe und

auch das Baugewerbe ein sehr viel

geringeres Gewicht aufweisen.

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Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2017 3

Bei den Banken, dem Baugewerbe und der wertschöpfungs-mässig sehr bedeutenden Branche verschiedene Dienstleis-tungen weisen die Geschäftslageindikatoren hingegen auf eine zunehmende Aufschwungsdynamik hin. Auch das Gastge-werbe und der Grosshandel holen auf und scheinen die auf-wertungsbedingten Erschwernisse nach der Aufhebung des Franken-Euro-Mindestkurses im Gegensatz zu dem Detailhan-del und der Industrie hinter sich zu lassen. Optimistisch stimmt, dass die Wertschöpfung der gut laufenden Branchen im obe-ren rechten Viertel – ersichtlich an der Grösse der Kreise – die Wertschöpfung der schlecht laufenden Branchen links unten deutlich übersteigt. Insgesamt darf daraus geschlossen wer-den, dass die Konjunktur im Kanton Zürich im zweiten Quartal 2017 an Fahrt gewinnt.

Anhaltend starker Gegenwind im DetailhandelDer Detailhandel steht immer noch unter Druck und es ist kein Ende absehbar. Der starke Frankenkurs erschwert das Ge-schäft und begünstigt den Einkaufstourismus im nahen Aus-land. Je härter der Preiskampf, umso bessere Chancen haben damit natürlich auch ausländische Konkurrenten (z.B. Lidl, Aldi, Zalando, Amazon.com, Digitec Galaxus AG), sich ein grösse-res Stück des Schweizer Konsumkuchens zu ergattern. Diese Argumente gelten allerdings auch für den Grosshandel, der sich mittlerweile schon wieder bestens erholt hat, wie in der Grafik zur aktuellen Geschäftslage (siehe gegenüberliegende Seite) ersichtlich ist. Für den Detailhandel dürften die Zunah-me des Onlinehandels und generell die über das Internet be-reitstehenden Informationen und Vergleichsmöglichkeiten die grössten Herausforderungen darstellen. Mit ihren lokalen Ver-kaufsstellen sind Detailhändler diesen Veränderungen stärker ausgesetzt als die Grosshandelsunternehmen. Die überall schnell verfügbaren Informationen zu Konkurrenz angeboten steigern den Wettbewerbsdruck in fast allen Bereichen. Die Detailhandelsbranche reagiert auf diese Herausforderungen mit verschiedenen und innovativen Verkaufskonzepten. Mög-liche Zukunftsszenarien davon werden im nebenstehenden Kasten skizziert. Grosse Unternehmen verfügen dabei viel-fach über genügend finanzielle und organisatorische Möglich-keiten, um sich diesen Entwicklungen anzupassen und online attraktive Verkaufskanäle aufzubauen. Mittleren und kleineren Detailhandelsunternehmen ohne eigene IT-Bereiche fällt diese Anpassung im Durchschnitt schwerer und der Aufwand be-lastet sie im Verhältnis zum Umsatz stärker.

Im Kanton Zürich haben im Detailhandel denn auch die grossen Unternehmen am wenigsten unter der Aufwertung und der Zunahme des Onlinehandels der letzten Jahre gelitten, wie die Umfrageergebnisse in den Grafiken auf Seite 4 zeigen. Ihre Einbrüche bei der Kundenfrequenz seit Anfang 2015 sind weniger tief als bei den mittleren und kleinen Unternehmen. Gemessen wird die Kundenfrequenz im Vergleich zum Vorjah-resmonat. Während die Kundenfrequenz bei den grossen Un-ternehmen um den Jahreswechsel herum jeweils schon wie-der zunahm, ist sie bei den kleinen und mittleren Unternehmen in den letzten Jahren nur rückläufig gewesen. Seit Anfang 2015 hat sich dieser Rückgang lediglich abgeschwächt.

Bei den Umsatzerwartungen zeigt sich das gleiche Bild: Trotz der Zunahme der Zahl der Konkurrenten im Detail-handel sind die grossen Unternehmen noch recht optimistisch und sie gingen auch im schwierigen Jahr 2015 von weiteren Zunahmen ihrer Umsätze aus. Dagegen hellten sich die Er-wartungen bei den mittleren und kleinen Unternehmen höchs-

Kanton Zürich

Einkaufserlebnis der Zukunft

Der Detailhandel prüft Szenarien, mit denen sich die Branche

neu erfinden kann, und setzt auf die Digitalisierung. Ein Mix

aus physischen und Online-Verkaufsplattformen dürfte weiter-

bestehen, weil Kunden vor Ort Dinge befühlen, Farben und

Grössen beurteilen, aber Einkäufe auch bequem zu Hause

tätigen wollen. In Zukunft werden sie dank Virtual Reality

Produkte im Gebrauchskontext virtuell ausprobieren können,

unterstützt vom digitalen Concierge, der beim Onlinebummeln

hilft oder personalisierte Produktpakete zusammenstellt

wie man sie schon vom Herren ausstatter Outfittery kennt.

Wiederkehrende Einkäufe von Lebens mitteln und Gebrauchs-

gegenständen werden Konsumenten dann auch smarten

Geräten wie dem als Kommunikationszentrale konzipierten

Family-Hub-Kühlschrank von Samsung überlassen können.

Noch revolutionärer soll sich der physische Verkauf verändern.

Läden werden zu Showrooms ohne Lager vorräte, integrieren

Branchenfremdes (zum Beispiel Gesundheitschecks) oder

reagieren als Pop-Up-Stores dynamisch auf Nachfrage hypes.

Dabei wird das Einkaufserlebnis inszeniert durch die Waren-

präsentation, Farben und Düfte. Sensoren und Apps werden

den Kunden vom Betreten bis zum Verlassen des Verkaufs-

raums begleiten, jede Bewegung (bald auch den Gesichts-

ausdruck) registrieren, den Bezahlvorgang auto matisieren –

und all dies ohne Verkaufspersonal. Amazon testet dieses

utopisch erscheinende Ladenkonzept gegenwärtig in einem

Pilotprojekt.

Zweifelsohne werden Käuferschichten weiterbestehen, die

für persönliche menschliche Beratung gerne mehr bezahlen.

Mit Produkt- und Technologiekenntnissen ausgerüstet, könnte

der Personal Digital Shopper den Kunden nicht nur fachkundig

beraten, sondern ihm auch sicheres Geleit durch die schöne

neue Einkaufswelt geben.

Der Onlinehandel betraf in der Schweiz 2016 Waren und Güter

im Umfang von 7.8 Mrd. CHF, was gemäss dem Verband des

Schweize rischen Versandhandels (VSV ASVAD) einer Zunahme von

8.3% gegenüber 2015 entspricht. Online-Auslandseinkäufe legten

dabei mit einer Zuwachsrate von 18% überdurchschnittlich zu.

ZH: Kundenfrequenz im Detailhandel nach UnternehmensgrösseKanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigte und geglättete Angaben

Zunahme

2014 2015 2016 2017

20

10

0

−10

−20

−30

−40

Kleine UnternehmenMittlere UnternehmenGrosse UnternehmenSchweizer Franken (nominaler handelsgewichteter Index)

Abnahme

160

155

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Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 20174

Kanton Zürich

tens vorübergehend etwas auf. Möglicherweise infolge der Aufwertung der letzten Quartale haben sich bei allen Detail-handelsunternehmen die Umsatzerwartungen für das erste Halbjahr 2017 wieder verschlechtert. Dabei sind die kleinen Unternehmen pessimistischer als die mittleren. Diese Re-sultate sehen für die Schweiz erneut sehr ähnlich aus.

Der Onlinehandel läuft bei dauerhaften Produkten wie Möbeln, Kleidern und Heimelektronik naturgemäss besser als bei Nahrungsmitteln. Diese sogenannten Non-Food-Produkte dürften daher stärker unter dem erhöhten Konkur-renzdruck der neuen Vertriebskanäle leiden als die Nah-rungsmittel (Food). Allerdings erhöht der Markteintritt von ausländischen Konkurrenten in diesem Bereich mit Unter-nehmen wie beispielsweise Lidl, Aldi und Spar den Konkur-renzdruck auch unabhängig vom Onlinehandel spürbar. Die Umfrageergebnisse der KOF für den Kanton Zürich zeigen, dass beide Bereiche nach 2015 deutlich gelitten haben: Die Umsatzerwartungen gingen in beiden Bereichen stark zu-rück. Im Verlauf von 2016 zeigen diese Indikatoren im Bereich Food allerdings eine stärkere Erholung an als im Bereich Non-Food. Auch hier ist das Bild für die gesamte Schweiz sehr ähnlich.

Zusammenfassend ist der aktuell laufende Struktur-wandel für den Detailhandel im Kanton Zürich wie auch in der Schweiz sehr hart, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen im Bereich der online handelbaren Güter. Und ein Ende dieses Prozesses ist nicht absehbar.

Banken – die Ausländer kommen wieder Die Geschäftslage der Banken im Kanton Zürich verbesserte sich seit Anfang 2017 deutlich. Die aggregierten Indikatoren für den Bankensektor zeigen, dass sich die Nachfrage von Bankkunden in den vergangenen sechs Monaten deutlich erholt hat und damit die bessere Geschäftslage massgeb-lich erklärt wird.

Ist diese Erholung der Nachfrage nach Bankdienst-leistungen eine Begleiterscheinung des an Stärke gewinnen-den Aufschwungs? Die Aufschlüsselung der Nachfrage nach Kundengruppen bietet teilweise Antworten auf diese Frage. Erfreulicherweise haben sich fast alle Kundensegmente verbessert. Am deutlichsten ist die Zunahme seit Mitte 2016 bei den Firmenkunden und den ausländischen Kunden. Die-se beiden Segmente sind für die Nachfrageerholung ent-scheidend. Die Geschäfte mit den Privat- und inländischen Kunden liefen schon vorher recht gut. Die Erholung des Ge-schäftes mit Firmenkunden in den letzten Quartalen dürfte tatsächlich mit dem wieder breiter abgestützten Wirtschafts-wachstum im Kanton Zürich und im Ausland im Zusammen-hang stehen.

Die Nachfrageerholung bei den ausländischen Kun-den ist besonders überraschend und dürfte unabhängig von der inländischen Konjunktur erfolgt sein. Diese Nachfrage war infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2009 stark eingebrochen und hat nun die Höchststände der letzten Jahre übertroffen. Eine genaue Zuordnung ist schwierig. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Brexit-Entscheidung die Nachfrage der ausländischen Bankkunden im Kanton Zürich etwas beflügelt hat. Der Beschluss Grossbritanniens, aus der EU auszutreten, dürfte eine Phase der Unsicherheit über das institutionelle Umfeld des Finanzplatzes London einge-läutet haben. In welchem Ausmass andere geopolitische Entwicklungen sowie die neue amerikanische Regierung

Banken: Nachfrageentwicklung (letzte drei Monate)Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigte Angaben

2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

80

60

40

20

0

−20

−40

−60

−80Abnahme

Zunahme

PrivatkundenFirmenkundenAusländische KundenInländische Kunden

ZH: Erwarteter Umsatz im Detailhandel nach UnternehmensgrösseKanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigte und geglättete Angaben

Kleine UnternehmenMittlere UnternehmenGrosse UnternehmenSchweizer Franken (nominaler handelsgewichteter Index)

Zunahme

Abnahme

2016 201720152014

30

20

10

0

−10

−20

160

155

150

145

140

ZH: Erwarteter Umsatz im Detailhandel Food / Non-FoodKanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigte und geglättete Angaben

FoodNon-FoodSchweizer Franken (handelsgewichteter Index, rechte Skala)

20142013 20162015

20

15

10

5

0

−5

−10

160

155

150

145

140

135

Zunahme

Abnahme

Die Entwicklung bei einzelnen Banken kann ganz

unterschiedlich ausfallen. In den KOF-Umfragen werden die

Einschätzungen der befragten Banken mit der Zahl der

Beschäftigten gewichtet und zusammengefasst. In der untersten

Grafik werden diese aggregierten Indikatoren dargestellt.

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Kanton Zürich

Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2017 5

eine Rolle gespielt haben, ist schwer zu sagen. In jedem Fall scheint der Finanzsektor im Kanton Zürich desto mehr von der politischen Stabilität der Schweiz zu profitieren, je weniger berechenbar die politische Entwicklung in anderen grossen Industrieländern ausfällt.

Erholung am Arbeitsmarkt lässt hoffen Die Aussichten stimmen zuversichtlich: Die Unternehmen er-warten in allen Branchen mehrheitlich eine weitere Verbesse-rung ihrer Geschäftslage ausser in dem Detailhandel und der Industrie. In der Industrie sind die Unternehmen, welche eine weitere Verschlechterung erwarten, nur leicht in der Überzahl gegenüber denjenigen, die von einer Verbesserung ausgehen. Besonders deutlich ist die Aufhellung der Aussichten im Gross-handel und im Gastgewerbe. Auch die Banken sind sehr opti-mistisch, dass sich ihre Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten weiter verbessern wird. Die Indikatoren der Geschäftslage bei den Baubranchen und den verschiedenen Dienstleistungen bleiben in etwa auf dem gleichen Stand wie in den letzten Monaten. Insgesamt dürfte die Zürcher Volks-wirtschaft in diesem Jahr um gut 1.5% wachsen nach knapp 1% im Jahr 2016.

Passend zur wirtschaftlichen Erholung ist die Arbeits-losigkeit in den letzten Monaten in den meisten Branchen sai-sonbereinigt leicht zurückgegangen. Ausnahmen bilden dabei die Banken, die Branche Verkehr, Information und Kommuni-kation sowie der Detailhandel. Erfreulicherweise sind die Rück-gänge in der Industrie und im Baugewerbe recht deutlich, wel-che die gesamte Entwicklung aufgrund ihres hohen Anteils stark mitbestimmen. Die Arbeitslosenquote beträgt im Mai 2017 3.5% nach 3.9% Anfang 2017. Angesichts der sehr verhaltenen Be-schäftigungspläne der Unternehmen gemäss den KOF-Um-fragen dürfte der weitere Rückgang der Arbeitslosigkeit 2017 saisonbereinigt in bescheidenem Rahmen bleiben.

Dr. Aniela Wirz, Leiterin Fachstelle Volkswirtschaft

Arbeitslose nach BranchenKanton Zürich: Daten SECO, saisonbereinigt

4500

4000

3500

3000

2500

2000

1500

1000

500

30

25

20

15

× 1000

2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

IndustrieBaugewerbe

Verkehr/Information/KommunikationTotal (rechte Skala)

Banken

DetailhandelGastgewerbe

KOF-Umfragen

• Die Umfragen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich

(KOF) basieren auf monatlichen und vierteljährlichen

Erhebungen bei leitenden Persönlichkeiten von Unternehmen in

verschiedenen Branchen: Industrie, Bau, Gastgewerbe,

Projektierungssektor (Architektur- und Ingenieurbüros),

Detailhandel, Grosshandel, Finanz- und Versicherungsdienst-

leistungen, verschiedene Dienstleistungen.

• Die Branche verschiedene Dienstleistungen besteht aus

folgenden Unterkategorien: Verkehr, Information, Kommunika-

tion, persönliche und freiberufliche, technische und wissen-

schaftliche Dienstleistungen, Dienstleistungen des Grundstück-

und Wohnungswesens, sonstige Dienstleistungen.

• Die Antworten aus einem Unternehmen werden mit dessen

Beschäftigungszahl gewichtet. Die Antworten aller Unter nehmen

werden zu Produktegruppen und Branchen zusammen gefasst.

• Die meisten Fragen sind qualitativer Natur (Antworten: höher,

gleich, tiefer). Aus dem Saldo zwischen den Prozentanteilen

der (+)- und (−)-Antworten resultiert die überwiegende Tendenz

der erfragten Grösse, welche als Indikator in den Grafiken am

häufigsten dargestellt wird.

• Zur Abschwächung der Zufallsschwankungen werden in den

Grafiken in der Regel saison bereinigte Daten mit regressions-

analytisch ermittelten Randwerten dargestellt. Die geglätteten

Zeitreihen werden zusätzlich noch um Extremwerte bereinigt.

Für detaillierte Informationen zu den KOF-Umfragen siehe

www.kof.ethz.ch /surveys /bts

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Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 20176

Schweiz und Ausland

Die Weltwirtschaft zieht 2017 im Vergleich zum Vorjahr leicht an, wobei die USA der Haupttreiber dafür sind. In Europa bleibt das Wachstum der Wertschöpfung moderat, ohne sich wesentlich zu beschleunigen. In der Schweiz entwickeln sich sowohl der Aussenhandel als auch der Konsum robust. Die Arbeitslosigkeit dürfte dadurch im Verlauf des Jahres gering-fügig sinken.

Weltwirtschaft zieht leicht anDie Weltwirtschaft hat zu Beginn des Jahres 2017 leicht an Schwung gewonnen, wie die Entwicklung des weltweiten Warenhandels verdeutlicht (siehe Grafik). Die neuen Wachstums-impulse kommen dabei hauptsächlich aus den USA. Auch in einigen Schwellenländern zei-gen sich Zeichen der Erholung. Insgesamt bleibt das Tempo der Weltwirtschaft aber mode-rat. Vorlaufende Indikatoren deuten darauf hin, dass sich das Wachstum im zweiten Halbjahr 2017 auf einem leicht höheren Niveau als im ersten Halbjahr fortsetzen wird.

Aussenwirtschaftliche Impulse auf die Zürcher VolkswirtschaftDie bedeutendsten aussenwirtschaftlichen Impulse für die Zürcher Volkswirtschaft dürften in diesem Jahr gemäss der Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) trotz grossen Unsicherheiten aus den USA kommen. Hier ist im Vergleich zum Vorjahr mit einer spürbaren Zunahme des Wachstums zu rechnen. Auch in Frankreich, Grossbritannien und den Nieder-landen dürfte sich das BIP-Wachstum 2017 im Vergleich zum Vorjahr leicht beschleunigt fortsetzen. In Deutschland, Italien und China ist zwar weiterhin mit Zuwächsen der Wert-schöpfung zu rechnen, allerdings mit tieferen Raten als im Vorjahr. Unsere Analyse zeigt, dass die Unternehmen des Kantons Zürich mit den genannten sieben Ländern am meisten Waren und Dienstleistungen austauschen. Wie sich die aussenwirtschaftlichen Impulse konkret auf die Zürcher Volkswirtschaft auswirken wird detailliert im Zürcher Text ab Seite 2 beschrieben.

Europa: anhaltendes WachstumIm Euroraum wuchs das Bruttoinlandprodukt (BIP) im ersten Quartal 2017 auf das Jahr hoch-gerechnet mit 2%. Damit erreichte es das gleiche Niveau wie bereits im Vorquartal. Im gesam-ten Jahr 2016 hatte der Zuwachs 1.6% betragen.

Im März lag die Arbeitslosenquote bei 9.5% und damit um 0.7 Prozentpunkte tiefer als ein Jahr zuvor. Weiterhin bestehen allerdings beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Während Spanien eine Arbeitslosenquote von 18.2% aufweist, liegt sie in Deutschland bei 3.2%. Gleiches gilt für die Jugendarbeitslosigkeit. Sie liegt in Spanien bei 40.5%, in Italien bei 34.1%, in Frankreich bei 23.7%, in Deutschland hingegen bei 6.7%. Dies zeigt, dass die Eurozone trotz der nun seit vier Jahren anhaltenden Wachstumsphase weiterhin vor beträchtlichen Herausforderungen steht.

Die Grafik bildet drei Dimensionen ab:

die Bedeutung eines Handels partners

für den KantonZürich anhand der

Grösse der Punkte, die Prognose des

BIP-Wachstums des Internationalen

Währungsfonds (IWF) der jeweiligen

Länder für das Jahr 2017 auf der

horizontalen Achse und die Differenz

zwischen der Wachstumsrate des BIP

von 2016 und der Prognose für 2017

auf der vertikalen Achse.

Grundsätzlich kann erwartet werden,

dass die Impulse für den Zürcher

Aussenhandel von denjenigen

Ländern am grössten sind, welche

am weitesten rechts oben in der

Grafik liegen, abhängig von

der Punktgrösse. Für das Jahr 2017

sind somit die bedeutendsten

Wachstums impulse für die

Zürcher Wirtschaft aus den USA

zu erwarten

Methodische Hinweise

zur Berechnung der Bedeutung

der einzelnen Länder für den Zürcher

Aussenhandel finden Sie unter:

http://www.awa.zh.ch/

internet/volkswirtschaftsdirektion/

awa/de/aktuell/zuercher_

wirtschaftsmonitoring.html

1.0

0.5

0

−0.5

Wirtschaftsentwicklung der wichtigsten Handelspartner des Kantons Zürich 2017Schweizerische Nationalbank (Dienstleistungen), Eidg. Zollverwaltung (Waren), OECD (BIP-Prognose)

schwächere positive Impulse

stärkere positive Impulse

konstante positive Impulse

USA

Deutschland

Niederlande

China

Frankreich

Italien

Grossbritannien

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Prognose der BIP-Wachstumsrate 2017

0.0 2.5 5.0

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Schweiz und Ausland

Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2017 7

Diese Unterschiede zwischen den Ländern widerspiegeln sich auch in den Aussenhandelsbilanzen. Zwar konnte die Eurozone unter anderem durch die Abwertung ihrer Währung den Han-delsbilanzüberschuss stetig steigern. Sie verkaufte also stetig mehr Waren in Länder ausserhalb der Eurozone, als sie von diesen kaufte. Dadurch vergrösserte sich der Handelsbilanz-überschuss vor allem im Verhältnis zu den USA deutlich. Im ersten Quartal 2017 betrug dieser 46.7 Milliarden Euro. Alleine der Überschuss von Deutschland betrug jedoch zu diesem Zeitpunkt 61.2 Milliarden Euro, während insbesondere Frank-reich ein beträchtliches Defizit in der Höhe von 24.4 Milliarden Euro aufwies (siehe Kasten, S. 8).

Vorlaufende Indikatoren deuten darauf hin, dass sich das Wachstum in der Eurozone im zweiten Halbjahr 2017 mit einer Höhe von leicht unter 2% fortsetzt. Wachstumsimpulse dürften dabei von der steigenden Beschäftigung, teilweise höheren Reallöhnen und der wachsenden Weltwirtschaft kom-men. Die bedeutendsten Zuwächse sind von Deutschland und Frankreich zu erwarten. Beide Länder werden vermutlich in fast ähnlichem Tempo mit etwa 1.5% wachsen. Ein deutlich tieferes Wachstum von unter einem Prozent ist in Italien zu erwarten, während es in Spanien bei etwa 2.5% liegen dürfte.

Grossbritannien verzeichnete im ersten Quartal 2017 auf das Jahr hochgerechnet ein BIP-Wachstum von 0.8%. Dies entspricht der tiefsten Wachstumsrate seit dem ersten Quartal 2016. Zwar profitierte die Industrie vom tiefen Aussen-wert der britischen Währung und der Erdölsektor von der Er-holung des Ölpreises. Die beiden Branchen wiesen entspre-chend Zuwächse auf. Ihre volkswirtschaftliche Bedeutung ist allerdings für die britische Volkswirtschaft nicht vergleichbar mit derjenigen diverser Dienstleistungen. Vor allem im Detail-handel zeigten sich die Folgen der tieferen Kaufkraft. Sie ist das Resultat der höheren Inflation als Folge der Währungsab-wertung und des höheren Ölpreises. Die Wertschöpfung sank hier dementsprechend und belastete den Gang der britischen Volkswirtschaft. Die vorlaufenden Indikatoren zeigen nach dem Entscheid zum Ausstieg aus der Europäischen Union insge-samt weiterhin ein gemischtes Bild. Die Wachstumsrate dürfte sich in diesem Jahr bei etwa 1.6% einpendeln und somit ge-genüber dem ersten Quartal leicht beschleunigen. Für das Jahr 2018 ist allerdings eine weitere Abkühlung zu erwarten.

USA: moderates Wachstum setzt sich fort – bisher ohne neue ImpulseIn den USA wuchs das BIP im ersten Quartal 2017 auf das Jahr hochgerechnet noch um 1.2%, nach 1.6% im gesamten Vorjahr. Insbesondere die Konsumausgaben leisteten nicht die gewohnten Impulse. Das schwache Quartalswachstum sollte allerdings vorerst nicht überbewertet werden. Bereits in den Vorjahren wurde saisonbereinigt im ersten Quartal jeweils eine deutlich tiefere Quartalswachstumsrate registriert. Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass die Ursache dafür im nicht optimalen Saisonbereinigungsverfahren der Behörden liegt. Das Wachstum der Beschäftigung setzte sich im April wieder beschleunigt fort, nachdem im März nur noch geringe Zu-wächse verzeichnet worden waren. Die meisten Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt weiter verbessert. Die Arbeitslosenquote liegt noch bei 4.4%, wäh-rend die Partizipationsrate allerdings weiterhin deutlich unter-halb des Vorkrisenniveaus von 2007 liegt. Es arbeitet somit weiterhin ein deutlich tieferer Anteil der Bevölkerung als vor der Finanzkrise.

Entwicklung globaler Warenhandel Daten: CBP World Trade, Export- und Importvolumen, saisonbereinigt, Veränderung zum Vorjahresmonat, Januar 2001 bis März 2017Rote Linie = über 12 Monate gleitender Durchschnitt

25

20

15

10

5

0

−5

−10

−15

−20

−252006 20072005 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

%

1

0

−1

−2

−3

110

100

90

80

70

2006 2008 2010 2012 2014 2016

ItalienFrankreichDeutschlandBIP-Wachstum Euroraum (linke Achse)

Europa: Wachstum und Konjunkturaussichten einzelner LänderReales saisonbereinigtes BIP-Wachstum zum Vorquartal, Economic Sentiment Indicator (ESI)

Einkaufsmanagerindex IndustrieReales BIP-Wachstum zum Vorquartal

2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

60

55

50

45

40

35

30

2

1

0

−1

−2

−3

USA: Wachstum des realen BIP und EinkaufsmanagerindexEinkaufsmanagerindices (ISM), reales BIP (BEA), Werte saisonbereinigt

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Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 20178

Schweiz und Ausland

Vorlaufende Indikatoren deuten auch weiterhin auf eine leichte Beschleunigung des Wachstums auf leicht unter 2.5% im Ver-gleich zum Vorjahr 2016 hin. Die wichtigste Stütze des Wachs-tums dürfte im zweiten Halbjahr wieder der Konsum sein. Aller-dings bleibt die Reallohnentwicklung trotz der tiefen Arbeits-losenquote bescheiden. Der durchschnittliche Stundenlohn lag im April gerade einmal 2.5% höher als ein Jahr zuvor. Bei einer Inflationsrate von 2.3% beträgt der Reallohnanstieg somit 0.2%. Allerdings dürften auch die leichte Belebung der Welt-wirtschaft und die Erholung des Ölpreises über die höhere Aussenhandelsnachfrage und höhere Investition für zusätzli-che Wachstumsimpulse sorgen.

China: anhaltendes Wachstum, aber widersprüch liche Signale China verzeichnete im ersten Quartal 2017 ein Wachstum von 6.9%. In den vier Vorquartalen waren jeweils Wachstumsraten von 6.7% verzeichnet worden. Es handelt sich dabei um die erste leichte Beschleunigung des Wirtschaftsgangs seit dem Jahr 2013. Grund dafür dürften mitunter die staatlichen Impuls-programme sein, welche insbesondere im Immobiliensektor ihre Wirkung zeigen. Sie dürfte allerdings zunehmend schwä-cher werden.

Vorlaufende Indikatoren deuten denn auch darauf hin, dass sich das Wachstum in den kommenden Quartalen erneut abschwächen dürfte. Dies zeigt sich beispielsweise anhand der Bestellungseingänge in der Industrie (siehe nebenstehende Grafik). Dabei scheinen sich trotz anziehender Weltkonjunktur auch die Exportbestellungen im Vergleich zum Vorjahr nur noch geringfügig zu erhöhen. Das Wachstum der Wertschöpfung dürfte sich auch deshalb erneut abschwächen auf etwa 6.5% für das ganze Jahr 2017.

Schweiz: allgemeine Belebung In der Schweiz wuchs das BIP im ersten Quartal 2016 auf das Jahr hochgerechnet um 1.1%. Damit hat sich der Wirtschafts-gang im Vergleich zum vierten Quartal 2016 leicht beschleu-nigt. Im vierten Quartal 2016 hatte das Wachstum noch 0.6% betragen. Zum Wachstum trugen alle Hauptkomponenten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bei, der private und der öffentliche Konsum, die Investitionen und der Aussenhandel. Rückläufig waren hingegen die Lagerinvestitionen. Dies deu-tet darauf hin, dass die Unternehmen ihre Lager zunehmend leeren, was hinsichtlich der zukünftigen Produktion ein positi-ves Zeichen sein dürfte.

Indikatoren, welche den weiteren Wirtschaftsgang für das zweite Halbjahr 2017 vorwegnehmen dürften, deuten da-rauf hin, dass sich das BIP-Wachstum vermutlich weiter leicht beschleunigen wird.

Der Konsum dürfte auch im zweiten Halbjahr 2017 wei-ter wachsen. Die Reallöhne stiegen im letzten Jahr auch dank rückläufigen Preisen um 1.1%. Im ersten Quartal wuchsen die Nominallöhne nur noch um 0.1%. Verbunden mit leicht stei-genden Preisen resultiert daraus ein geringfügiger Reallohn-verlust zu Beginn des Jahres. Die anhaltenden leicht positiven Impulse des Konsums haben ihre Ursache vor allem in der besseren Arbeitsmarktlage und der anhaltenden Zuwande-rung. Die Beschäftigung wuchs im zweiten Halbjahr 2016 wie-der und die Arbeitslosigkeit sank zu Beginn des Jahres 2017 leicht. Allerdings setzte sich auch der Strukturwandel fort. In der Industrie nahm die Anzahl an Stellen im Vergleich mit den jeweiligen Vorjahresquartalen während des gesamten letzten

Neue Bestellungen Industrie – VorjahresveränderungNeue Exportbestellungen Industrie – VorjahresveränderungBruttoinlandprodukt ein Quartal vorlaufend (linke Skala)

China: Wachstum und vorlaufende IndikatorenChina: nationales statistisches Amt China (NBS China)

2014 2015 2016 2017

7.4

7.2

7.0

6.8

6.6

6.4

6.2

6.0

10

5

0

−5

−10

Aktuelle Geschäftslage verschiedener BranchenSchweiz: KOF-Umfragen, saisonbereinigt und geglättet

2013 2014 2015 2016 2017

Banken DetailhandelProjektierungssektor GrosshandelIndustrie BaugewerbeDienstleistungen Gastgewerbe

Gute Geschäftslage

Schlechte Geschäftslage

80

60

40

20

0

−20

−40

Aussenhandelsüberschüsse und ihre Wirkung

Anhaltende hohe Aussenhandelsüberschüsse ermöglichen in

der Regel ein hohes Beschäftigungsniveau sowie den Abbau

der öffentlichen und/oder privaten Verschuldung, während

entsprechende Defizite eine wachsende Verschuldung nach

sich ziehen. Insgesamt muss die Weltwirtschaft eine ausgegli-

chene Aussenhandelsbilanz aufweisen, da kein Handel mit

anderen Planeten betrieben wird. Somit können nicht alle

Länder gleichzeitig Überschüsse generieren. Vielmehr steht

jedem Überschuss ein Defizit in gleicher Höhe gegenüber.

Die politischen Initiativen der Defizitländer USA und Frankreich

erfolgen somit mit gutem Grund. Durch die Ungleichgewichte

im Aussenhandel und die unterschiedliche ökonomische

Entwicklung im Euroraum besteht aber gleichzeitig, beispiels-

weise für Deutschland, die Gefahr, dass sich die geldpolitischen

Massnahmen, insbesondere die tiefen Leitzinsen, zu stark

an den «schwachen» Ländern orientieren. Dies kann in den

«starken» Ländern mittelfristig zu Übertreibungen bei der

Kreditvergabe und als Folge davon beispielsweise zu stark

steigenden Immobilienpreisen führen. Eine entsprechende

Entwicklung zeigt sich derzeit in Deutschland, allerdings noch

auf relativ tiefem Niveau. Trotzdem besteht die Gefahr, dass

sich die Eurokrise bei einer Fortsetzung dieser Entwicklung

mittelfristig unter umgekehrten Vorzeichen wiederholt.

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Schweiz und Ausland

Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2017 9

Jahres erneut ab. Die insgesamt dennoch leicht höhere Beschäftigung dürfte aber positiv auf den Konsum einwirken. Die Zuwanderung abzüglich der Auswanderung war in den ersten vier Monaten des Jahres zwar um fast 10% tiefer als im gleichen Vorjahreszeitraum. Trotz-dem wuchs die Bevölkerung dadurch in den ersten vier Monaten um knapp 18 000 Personen. Auch dies dürfte den Konsum stützen.

Die Kapazitätsauslastung in der Industrie bleibt zwar weiterhin relativ tief. Sie hat sich aber im ersten Quartal 2017 gemäss den Umfragen der KOF Konjunkturforschungsstelle verbessert. Dies dürfte positiv auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen wirken. Auch die Bauinvestitionen dürften im gesamten Jahr 2017 geringfügig ansteigen. Entsprechende Indikatoren wie der Bauindex waren allerdings im zweiten Quartal 2017 erneut rückläufig, was nicht dafür spricht, dass aus dem Bau bedeutende Impulse kommen werden. Wach-sende Leerstände werden vermutlich ein wichtiger Grund dafür sein, dass die Bautätigkeit nicht erneut an Fahrt gewinnt.

Der Aussenhandel dürfte dank der anziehenden weltweiten Konjunktur in diesem Jahr einen leicht positiven Beitrag zum BIP-Wachstum leisten. Dabei werden die USA und Deutschland auch in der gesamten Schweiz als bedeutendste Abnehmer fungieren. Dämp-fend auf die Exporte in die Eurozone wirkt weiterhin der hohe Aussenwert des Schweizer Frankens. Die Schweizerische Nationalbank hat zwar in den vergangenen Quartalen einer weiteren Aufwertung entgegengehalten, allerdings war sie damit zumindest bis vor den französischen Präsidentschaftswahlen Ende April / Anfang Mai nur teilweise erfolgreich. Die anhaltenden Risiken in der Eurozone und die weiterhin expansive Geldpolitik dürften den Druck auf den Schweizer Franken aufrechterhalten.

In den letzten zwei Jahren stammten die positiven Wachstumsbeiträge aus dem Aussen handel zum weitaus bedeutendsten Teil von der chemisch-pharmazeutischen Indus-trie, während in der Maschinenindustrie nur geringe und in der Fahrzeug- und Uhrenindustrie sowie der Industrie für Präzisionsinstrumente rückläufige Exporte registriert wurden gemes-sen in Schweizer Franken. Die Beschäftigungsintensität der Exporte der chemisch-pharma-zeutischen Industrie ist dabei weit geringer als bei den meisten anderen Industriezweigen. Die abnehmende Beschäftigung in der gesamten Industrie trotz wachsenden Warenexpor-ten erklärt sich auch durch diesen Strukturwandel im Aussenhandel mit Waren.

Zusammenfassend dürften in diesem Jahr somit vor allem die positiven Beiträge des privaten Konsums und des Aussenhandels die Konjunktur stützen. Zudem ist weder mit der öffentlichen Hand, noch den Investitionen mit wachstumshemmenden Beiträgen zu rechnen. Dadurch wird sich das BIP-Wachstum vermutlich von 1.3% im letzten Jahr auf etwa 1.6% in diesem Jahr beschleunigen. Als Folge davon dürfte sich die Arbeitslosenquote leicht redu-zieren auf saisonbereinigt 3.2%.

Risiken: Immobilienmarkt, Wahlen in Italien, US-amerikanische Wirtschafts-politik Es bestehen verschiedene Risiken, welche dazu führen können, dass sich die Volkswirt-schaften anders als beschrieben entwickeln können. In der Schweiz könnte eine erneute Auf-wertung des Schweizer Frankens, beispielsweise aufgrund des ungewissen Wahlausgangs in Italien Ende 2017 / Anfang 2018, zu einer erneut schwächeren als der erwarteten Entwick-lung vor allem in der Industrie und im Detailhandel führen. Im Gegensatz könnte ein rascher als erwartet erfolgender Ausstieg der Europäischen Zentralbank aus der sehr expansiven Geldpolitik den Aussenwert des Schweizer Frankens auch abschwächen. Dies hätte – mit einer zeitlichen Verzögerung – vermutlich ein stärkeres Wachstum der Schweizer Exporte als erwartet zu Folge. Risiken bestehen weiterhin auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Zuneh-mende Leerstände und das weiterhin hohe Preisniveau könnten bei einer raschen Korrektur zu deutlich wachsender Arbeitslosigkeit und finanzieller Instabilität führen. Ursache dafür wäre auch die mit der hohen Bautätigkeit verbundene enorme private Hypothekarverschul-dung der Haushalte. Das Szenario einer raschen Korrektur wird aber momentan nicht als wahrscheinlich eingeschätzt. Bedeutendstes Risiko für die Weltwirtschaft ist die weiterhin unklare Umsetzung der wirtschaftspolitischen Pläne der US-amerikanischen Regierung. Hier bestehen weiterhin sowohl deutliche Auf- als auch Abwärtsrisiken.

Thomas Bauer, Fachstelle Volkswirtschaft

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«Die Arbeitslosenversicherung muss den neuen Anforderungen der Arbeitswelt Rechnung tragen»Bei den Regionalen Arbeitsmarktvermittlungszentren melden sich vermehrt stellenlose Personen, die keinen Anspruch auf Taggelder der Versicherung haben. Ein Gespräch mit Thomas Buchmann, Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit (AWA) Kanton Aargau, und Edgar Spieler, Leiter Arbeitsmarkt des AWA Kanton Zürich, über Herausforderungen und Zukunfts-modelle der Arbeitslosenversicherung.

Jede dritte Person die sich 2014 vom RAV abgemeldet hat, hat nie Leistungen bezogen. Sollen sich Personen, die keinen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung haben, beim RAV melden? Edgar Spieler: Ja, Personen, die arbeiten wollen und den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechen, sollen sich beim RAV anmelden – auch wenn sie keinen oder keinen Anspruch mehr auf Taggelder der Arbeitslosenversi-cherung (ALV) haben. Wir bieten diesen Menschen kompetente Beratung und Vermittlung und leisten einen Beitrag zur Entlastung der Systeme der sozialen Sicherung. Thomas Buchmann: Einverstanden. Noch nicht ganz gelöst ist allerdings die Frage der Finanzierung der RAV-Beratungskosten von Menschen mit erschwer-tem Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Qualifikationen, ihres Gesund-heitszustands, ihres Alters oder andere Faktoren, die jedoch die Kriterien für Beratungsleistungen erfüllen. Da sie einen höheren Beratungsaufwand ge-nerieren als Stellensuchende mit einer hohen Arbeitsmarktfähigkeit, haben die RAV bei zunehmenden Anmeldungen solcher Personen ein Leistungs- bzw. ein Finanzierungsproblem.

Der Kanton Aargau hat im Jahr 2012 das Pilotprojekt «Pforte Arbeits-markt» gestartet. Dabei arbeiten RAV, IV-Stelle und Sozialdienste von zehn Gemeinden unter einem Dach zusammen. Neben der möglichst raschen Vermittlung in den Arbeitsmarkt geht es darum, Doppelspurig-keiten zwischen den verschiedenen Stellen zu vermeiden. Welches sind die Erfahrungen mit diesem Projekt? TB: Bei der «Pforte Arbeitsmarkt» geht es ausschliesslich um die Arbeitsinte-gration, wobei Arbeitslosenversicherung, Invalidenversicherung und Sozial-dienste kooperieren. Der Sozialdienst muss sich aber weiterhin um alle ande-ren Aufgaben wie etwa die materielle Sozialhilfe oder Unterkunftsthemen kümmern. Die Erfahrungen mit dem Projekt sind grundsätzlich gut. Stellen-suchende und Arbeitgebende schätzen die Beratung aus einer Hand und die versicherungsübergreifende Kompetenz. Das Abschieben von Klienten ist kein Thema mehr, sondern immer das Bestreben nach der besten Beratung und Betreuung. Die Fallbearbeitung erfolgt speditiv, effizient und effektiv.

Warum verfolgt der Kanton Zürich nicht auch ein ähnliches Projekt wie der Kanton Aargau? ES: Wir verfolgen ein ähnliches Projekt, indem wir die Zusammenarbeit der RAV mit den IV-Stellen und den Sozialdiensten schrittweise intensivieren und die Instrumente der Institutionen zur Wiedereingliederung koordinieren. Wir glauben aber nicht, dass umfassende organisatorische Massnahmen den ent-scheidenden Mehrwert bilden. Studien konnten bis jetzt noch keine signifikant positiven Wirkungen der «Pforte Arbeitsmarkt» gegenüber dem bestehen-den Regelsystem nachweisen. Ausserdem wurde festgestellt, dass die Opti-mierungen der «Pforte Arbeitsmarkt» mehrheitlich auch in den bestehenden Organisationsstrukturen erfolgen können. Dies entspricht unserem Ansatz.

Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2017

Spezialthema Interview

10

Thomas Buchmann ist seit 2005 Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau und Präsident des Träger-vereins «Pforte Arbeitsmarkt». Er ist Ökonom.

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Die Konzepte der RAV sind aus den 1990er-Jahren. Dazu gehört unter anderem die aktive Arbeitsmarktpolitik. Sind diese Konzepte z.B. für ältere Arbeitnehmende heute noch zeitgemäss?ES: Die Instrumente und Konzepte der RAV bewähren sich auch heute weit-gehend. Wir haben aber einen zunehmenden Anteil Stellensuchender, die eine intensivere Beratung benötigen würden. Das sind zum Beispiel ältere Stellensuchende, deren Positionierung im Arbeitsmarkt oft anspruchsvoller ist. Aufgrund der Budgetvorgaben durch den Bund müssen wir diese Perso-nen in Weiterbildungs- oder Beschäftigungsprogramme schicken, statt sie intensiver im RAV zu beraten. Das Problem liesse sich aber sehr einfach lösen: Der Bund müsste die Budgets für den Betrieb der Organe der ALV, zum Bei-spiel der RAV, und für die sogenannten arbeitsmarktlichen Massnahmen zu-sammenlegen. TB: Die Gesetzgebung ist zurzeit noch genügend flexibel, um damit auf neue Anforderungen, beispielsweise den zunehmenden Anteil älterer Stellensu-chender, reagieren zu können. So werden im Bereich der arbeitsmarktlichen Massnahmen Angebote ständig weiterentwickelt. Eine Anpassung des Arbeits-losenversicherungsgesetzes nur für diese Gruppe drängt sich somit nicht auf.

Der Anteil an befristeten Arbeitsverhältnissen hat in der Schweiz seit Anfang der 1990er-Jahre zugenommen. Dies führt tendenziell dazu, dass weniger Personen berechtigt sind, Leistungen der Arbeitslosen-versicherung zu beziehen. Sehen Sie hier eine neue Herausforderung für die ALV?ES: Ja, ich sehe eine Herausforderung bei der Prävention von Arbeitslosig-keit. Es sind vor allem Hilfskräfte, die unfreiwillig über längere Zeit befristete Arbeitsverhältnisse oder auch Arbeitsverhältnisse auf Abruf ohne Mindest-pensen eingehen müssen. Verbände, Berufsbildungsämter und die Arbeits-marktbehörden sollten gemeinsam mehr Angebote für den Berufsabschluss für Erwachsene schaffen und deren Nutzung ermöglichen. Im Kanton Zürich weisen wir Arbeitgeber und Stellensuchende auf die bestehenden Angebote der Nachholbildung hin und organisieren entsprechende Anlässe. TB: Für die ALV ist dies vor allem insofern eine Herausforderung, als die befristeten Arbeitsverhältnisse häufige Wiederanmeldungen zur Folge haben und zu einem Mehraufwand z.B. bei der Prüfung und Berechnung des An-spruches auf Arbeitslosenentschädigung führen. Die RAV sind zwar bestrebt, Personen auf der Stellensuche dauerhafte Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Sie können sich den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt aber auch nicht entziehen. Zu dieser Realität gehört leider auch, dass vielen Personen auch mit Unterstützung durch das RAV nur eine Wiederanstellung in ein atypi-sches Arbeitsverhältnis gelingt.

Wenn atypische Formen der Beschäftigung durch die Digitalisierung zunehmen, wie beispielsweise im Fall des Taxivermittlers Uber, wie müssen sich die ALV und die Arbeitsvermittlung verändern? Wie sieht in Ihren Augen die Arbeitslosenversicherung 4.0 aus?TB: Die sozialen Sicherungssysteme müssen diesen neuen Entwicklungen Rechnung tragen. Dies bedeutet bei der ALV, dass Absicherungsmodelle ent-wickelt werden müssen, die besser auf die heutigen und zukünftigen flexib-len Erwerbsformen abgestimmt sind. Zum Beispiel muss die Differenzierung zwischen selbstständig erwerbend oder angestellt aufgehoben oder zumin-dest relativiert werden, um hier eine Absicherung zu erlauben.ES: Ja, die Unterscheidung zwischen selbstständig und nicht selbstständig erwerbend ist kaum mehr zeitgemäss. Die ALV 4.0 wird aber auch selbst digi-talisiert sein: Sämtliche administrativen Prozesse werden vollumfänglich elek-tronisch abgewickelt, die Vermittlung erfolgt auf der Grundlage von Match-ingtools, Fachfragen werden im vertraulichen Chatroom beantwortet und arbeitsmarktliche Massnahmen zunehmend online angeboten. Das Setting für die anspruchsvolle Personalberatung bleibt aber analog: von Mensch zu Mensch.

Thomas Bauer, Fachstelle Volkswirtschaft

Edgar Spieler ist seit 2010 Leiter Arbeits-markt im Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich. Er hat Philosophie und Betriebswirtschaft studiert.

Spezialthema Interview

Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2017 11

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Kein Anspruch auf Taggelder, aber trotzdem auf dem RAVHäufig sind Menschen auf Leistungen der Sozialhilfe oder der Invalidenversicherung angewiesen. Gerade für diese Personen ist die Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt von grosser Bedeutung. Die Regionalen Arbeitsvermittlungs-zentren (RAV) beraten vermehrt Personen, die keine mone-tären Leistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten, aber dennoch angemeldet sind und eine Integration in den Arbeitsmarkt anstreben. Inzwischen hat rund jede dritte Person, die sich von einem RAV abmeldet, keine Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen.

Sogenannte Nichtleistungsbezüger rücken vermehrt in den Fokus der Arbeits-marktbehörden. Deren Auftrag erstreckt sich nicht nur auf die Beratung und Vermittlung von Personen, die gemäss dem Arbeitslosenversicherungsge-setz einen Anspruch auf Taggelder der Versicherung haben, sondern auf alle Stellensuchenden. Die Definition des Nichtleistungsbezugs bezieht sich auf monetäre Leistungen der Arbeitslosenversicherung (ALV) und klammert den Bezug weiterer Leistungen der öffentlichen Arbeitsvermittlung wie Beratungs-, Qualifizierungs- oder Vermittlungsangebote aus.

Arbeitsmarktintegration wird wichtigerIm Rahmen einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik werden die betroffenen Einzelpersonen vermehrt in den Fokus gerückt und ihre aktive Anpassungs-leistung, ihre Eigenverantwortung und Risikobereitschaft werden wichtiger. Ebenfalls ist festzustellen, dass die Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure komplexer und intensiver geworden ist. Die öffentliche Arbeitsvermittlung ist dadurch verstärkt mit Personen konfrontiert, die keine Taggelder erhalten. Zusätzlich führen weitere Faktoren auf dem Arbeitsmarkt wie beispielsweise die Zunahme von atypischen Beschäftigungsverhältnissen oder Migration dazu, dass mehr Personen bei den RAV gemeldet sind, die keine Taggelder der Arbeitslosenversicherung beziehen können. Weiter werden im Zuge der Bemühungen der Arbeitsmarktbehörden die Beratungs- und Vermittlungs-angebote der RAV breiter wahrgenommen und erreichen verstärkt auch Per-sonen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind oder generell einen Einstieg oder eine Rückkehr ins Erwerbsleben suchen. Vor diesem Hintergrund haben sich die Arbeitsmarktbehörden von zehn Kantonen entschlossen, das Thema Nichtleistungsbezüger von ihrer Forschungsstelle AMOSA untersuchen zu lassen. Auf Basis fundierter Kenntnisse zu der Grösse und der Zusammen-setzung dieser Gruppe, ihren Anmeldemotiven und ihrem arbeitsmarktlichen Integrationspotenzial werden Wege für die (Re-)integration von Nichtleis-tungsbezügern in den Arbeitsmarkt aufgezeigt.

Unterscheidung nach Art des TaggeldbezugsZeichnet man das Bild des Leistungsbezugs der Stellensuchenden im AMO-SA-Gebiet nach, so können folgende Ergebnisse festgehalten werden: Rund 117 000 stellensuchende Personen haben sich im Jahr 2014 von einem RAV abgemeldet. Knapp jede dritte Person (29%) hat von der An- bis zur Abmel-dung nie Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen. Innerhalb des AMOSA-Gebiets bestehen regional moderate Unterschiede. Einen geringe-ren Anteil Niebezüger weist Graubünden aus (16%), ein höherer findet sich in Schaffhausen mit 38 Prozent. Die Art des Leistungsbezugs lässt weitere Un-terteilungen zu. 38 Prozent der untersuchten Personen weisen Phasen der Stellensuche mit und ohne Taggeldbezug auf. Dabei handelt es sich häufig um Erwerbstätige, die sich während der Kündigungsfrist angemeldet haben. Schliesslich finden sich Stellensuchende, die während ihrer gesamten Arbeits-suche Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen haben. Sie machen ebenfalls rund einen Drittel (33%) aus.

Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 201712

Spezialthema Bericht

Angelo Wetli ist stellvertretender Leiter der Arbeitsmarktbeobachtung Ostschweiz, Aargau, Zug und Zürich (AMOSA). AMOSA führt im Auftrag dieser Kantone wissenschaft-liche Studien zu praxisbezogenen Themen des Arbeitsmarktes durch und entwickelt Massnahmen zur raschen und nachhaltigen Integration von Stellensuchenden in den Arbeitsmarkt. Weitere Informationen finden sich auf der Website www.amosa.net.

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Page 13: Vierteljährliche Publikation, Ausgabe Juni 2017 · den, dass die Konjunktur im Kanton Zürich im zweiten Quartal 2017 an Fahrt gewinnt. Anhaltend starker Gegenwind im Detailhandel

Spezialthema Bericht

Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2017 13

Generell lässt sich festhalten, dass Stellensuchende ohne Leistungsbezug tendenziell jünger und weniger gut qualifizierte Personen sind. Überdurch-schnittlich häufig verfügen sie auch über eine ausländische Staatsangehörig-keit. Insbesondere Niebezüger sind mit einer mittleren Dauer von eineinhalb Monaten (42 Kalendertagen) vergleichsweise kurz bei den RAV angemeldet. Phasen- und Immerbezüger weisen hingegen mit 240 respektive 122 Tagen eine viel längere Dauer der Stellensuche auf. Die angesprochenen Niebezü-ger verzichten zudem häufig auf die Vermittlungsleistungen und beenden die Zusammenarbeit mit den RAV freiwillig (siehe Grafik zu den Abmeldegrün-den vom RAV). Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von mangelnder Motivation bis hin zu gesundheitlichen Problemen, die eine weitere Stellen-suche verunmöglichen. Niebezüger finden seltener eine neue Arbeitsstelle und werden auch seltener durch Behörden oder private Stellenvermittler ver-mittelt. Die Zusammenarbeit mit Niebezügern gestaltet sich vergleichsweise schwierig, Gesprächstermine werden häufiger unentschuldigt nicht wahrge-nommen und müssen häufiger verschoben werden. Dies zeigt sich auch da-ran, dass Niebezüger im Vergleich zu den anderen stellensuchenden Perso-nen überdurchschnittlich oft von den RAV abgemeldet werden, weil sie den Kontrollpflichten ferngeblieben sind.

Befragung von RAV-Personalberatenden zu Fokusgruppen Um weiterführende Informationen zu den biografischen Hintergründen der betroffenen Personen, zu den Motiven der RAV-Anmeldung sowie zu deren arbeitsmarktlichen Integrationspotenzialen zu erhalten, wurde eine umfang-reiche Befragung von RAV-Personalberatenden durchgeführt. Entlang von Fokusgruppen wurden diese zu Profilen von Nichtleistungsbezügern befragt.

Abmeldegründe vom RAVDaten: Abmeldungen AVAM 2014, AMOSA-Gebiet

Vermittelt durch Behörden oder private Stellenvermittler Selber Stelle gefunden Kontrollpflicht ferngebliebenVerzicht auf Vermittlung Nicht vermittlungsfähig und andere Gründe

Immerbezüger

Phasenbezüger

Niebezüger

0% 10% 20% 40%30% 50% 60% 80%70% 90% 100%

Übersicht NichtleistungsbezügerDaten: Befragung zu Nichtleistungsbezügern, Bestand 30.6.2015, AMOSA-Gebiet, n= 651

Erwerbstätige in der KündigungsfristGesundheitlich beeinträchtigte Personen Ausgesteuerte PersonenBerufs- und WiedereinsteigendeInfo- und BeratungskundenSelbstständig Erwerbstätige

AMOSA-Fokusgruppen

32% 15%

10% 8%

4%

2% 2%

4%

10%

Nicht-leistungs-bezüger

21%

Leistungsbezüger79%

Personen aus dem EU-RaumFamiliennachzügerVorläufig Aufgenommene / FlüchtlingeEURES und GrenzgängerAndere (nicht in obige Gruppen kategorisierbar)

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Spezialthema Bericht

Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 201714

Datengrundlage bildete eine repräsentative Zufallsstichprobe von rund 650 stellensuchen-den Personen, die am Stichtag 30. Juni 2015 beim RAV registriert waren und zu diesem Zeitpunkt keine Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen. Die Ergebnisse zeigen, dass die grösste Gruppe der Nichtleistungsbezüger mit 32 Prozent die Erwerbstätigen in der Kündigungsfrist darstellen. Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen machen rund 15 Prozent, Ausgesteuerte sowie Berufs- und Wiedereinsteigende jeweils zehn Prozent der Nichtleistungsbezüger aus (siehe Grafik auf Seite 13 unten).

Charakteristisch für die Nichtleistungsbezüger ist ein hoher Anteil an Personen (40%), in deren Fallbearbeitung externe Stellen wie Sozialbehörden oder IV-Stellen involviert sind. Ferner bezieht gut jede dritte Person (30%) finanzielle Leistungen ausserhalb der Arbeits-marktbehörden. Rund 20 Prozent der Nichtleistungsbezüger werden den RAV durch externe Stellen zugewiesen. Die Art der Zusammenarbeit und Form der Involvierung externer Stel-len ist sehr unterschiedlich. Es kann sich dabei um eine komplexe, institutionenübergreifende Fallbearbeitung handeln, aber auch um eine einfache Abklärung mit dem Ziel, eine Zweit-meinung zu erhalten. Zwischen den Fokusgruppen bestehen hinsichtlich der Zusammen-arbeit mit externen Stellen grosse Unterschiede. Während bei Stellensuchenden in der Kün-digungsfrist kaum externe Stellen involviert sind, die Betroffenen nicht zu einem RAV zugewiesen werden und auch keine Leistungen Dritter beziehen, gilt für die Gruppe der vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlinge das Gegenteil.

Schwächeres ArbeitsmarktintegrationspotenzialGemäss der von AMOSA durchgeführten Befragung spielen verschiedene Motive eine Rolle für die RAV-Anmeldung. Zunächst ist hier der Bezug von Taggeldern der ALV zu nennen. Dieses Motiv ist bei über 90 Prozent der Erwerbstätigen in der Kündigungsfrist für die Anmel-dung von grosser Bedeutung. Weniger verbreitet ist dieses Motiv bei Familiennachzügern sowie bei vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen. Hier sind Massnahmen und Qualifizierung sowie Beratung und Vermittlung bedeutsamer. Das Motiv Information und Auskunft findet sich schliesslich vor allem bei Personen aus dem EU-Raum, bei Info- und Beratungskunden sowie bei selbstständig Erwerbstätigen und teilweise bei Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Aus Sicht der Personalberatenden weist ein grosser Teil der Nichtleistungsbezüger ein vergleichsweise schwächeres Arbeitsmarktintegrationspotenzial auf als Stellensuchende, die ALV-Leistungen beziehen. So beurteilen die RAV-Personalberatenden den Aufwand für die Fallbearbeitung von Nichtleistungsbezügern als sehr hoch. Weiter zeichnen sich die Fälle oft durch hohe Komplexität aus, die viel Spezialwissen erfordern. Insbesondere die Qualifi-zierung von Nichtleistungsbezügern gestaltet sich schwierig, weil rechtliche und finanzielle Hürden bestehen, die den Zugang zu Kursen und anderen Fördermassnahmen einschrän-ken. Bezüglich Arbeitsmarktintegrationspotenzial unterscheiden sich die Fokusgruppen deutlich: Während Erwerbstätige in der Kündigungsfrist gute Chancen auf dem Arbeits-markt haben, liegen die Probleme bei Ausgesteuerten tendenziell in der Motivlage sowie beim Handlungsspielraum bei arbeitsmarktlichen Massnahmen. Bei Personen mit gesund-heitlichen Problemen dominiert die hohe Fallkomplexität, während bei anerkannten Flücht-lingen und vorläufig Aufgenommenen die Arbeitsmarktfähigkeit und die Motivation schwä-cher als bei anderen Stellensuchenden eingeschätzt werden.

Arbeitsmarktbehörden reagieren flexibel Eine Bestandsaufnahme von Good Practices im AMOSA-Gebiet zeigt, dass in vielen Kanto-nen erfolgreich Aktivitäten für Nichtleistungsbezüger angeboten werden. Zentrale Elemente bilden dabei die Bewerbungsunterstützung und die Förderung der Bewerbungskompetenzen, die in allen AMOSA-Kantonen in Form von Bewerbungskursen angeboten werden. In einigen Kantonen gibt es zusätzliche Angebote im Rahmen von Bewerbungsbüros oder Bewerbungs-werkstätten. In einigen Kantonen werden für die Beratung der Nichtleistungsbezüger auch spezialisierte Berater, z.B. Jobcoaches, eingesetzt. Weiter wird verstärkt die Zusammenar-beit mit externen, ebenfalls involvierten Behörden gesucht. Handlungsempfehlungen, die im Rahmen einer Tagung der Arbeitsmarktbehörden gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertre-tern von Sozialbehörden, IV-Stellen, Migrationsbehörden / Integrationsfachstellen und Be-rufsberatung erarbeitet wurden, zielen darauf ab, die gemeinsamen Schnittstellen zu den Sozialbehörden zu optimieren, die Falltransparenz zu verbessern und gemeinsame Abspra-chen bei der Fallbearbeitung zu fördern.

Angelo Wetli, stellvertretender Leiter AMOSA

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Page 15: Vierteljährliche Publikation, Ausgabe Juni 2017 · den, dass die Konjunktur im Kanton Zürich im zweiten Quartal 2017 an Fahrt gewinnt. Anhaltend starker Gegenwind im Detailhandel

Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2017 15

Kanton ZürichKonjunktur Quelle 2016 III/2016 IV/2016 I/2017

Bruttoinlandprodukt, real BAK Basel, VgV. 1.0 – – –

Warenexporte, nominell Eidg. Zollverwaltung, Vjp. − 5.0 − 9.1 − 4.7 2.2

Bauvorhaben Schw. Baumeisterverband, Vjp. 14.4 39.1 5.8 25.6

Logiernächte (Hotel- und Kurbetriebe) BfS, Vjp. 1.1 − 0.9 2.6 1.6

Beschäftigung und Arbeitsmarkt

Beschäftigte BfS, Vjp. 0.5 − 0.4 0.1 − 0.2

Arbeitslose SECO, Vjp. 7.5 7.4 4.3 1.3

Arbeitslosenquote SECO 3.7 3.5 3.7 3.8

Unternehmen

Neueintragungen im Handelsregister Creditreform, Vjp. 1.1 1.6 − 0.7 7.9

Branchenentwicklung ZürichBranche Quelle 2015 2016 2017 2018

Finanzsektor, BAK Basel, VgV. − 2.0 0.1 1.5 1.6 reale Bruttowertschöpfung

Unternehmensbez. Dienstleistungen, BAK Basel, VgV. 0.9 1.0 2.0 1.9 reale Bruttowertschöpfung

Öffentliche Dienstleistungen, BAK Basel, VgV. 1.7 3.0 1.9 2.2 reale Bruttowertschöpfung

Grosshandel, BAK Basel, VgV. 0.2 1.3 1.1 1.4 reale Bruttowertschöpfung

Investitionsgüterindustrie, BAK Basel, VgV. 0.0 − 0.1 2.3 2.5 reale Bruttowertschöpfung*

Baugewerbe, BAK Basel, VgV. − 3.2 0.8 1.1 1.6 reale Bruttowertschöpfung

SchweizKonjunktur Quelle 2016 III/2016 IV/2016 I/2017

Bruttoinlandprodukt, real SECO, VgV., annualisiert 1.3 0.1 0.6 1.1

Warenexporte, nominell Eidg. Zollverwaltung, Vjp. 3.7 6.2 − 0.6 6.9

Bauvorhaben Schw. Baumeisterverband, Vjp. 10.4 19.7 13.5 13.9

Logiernächte (Hotel- und Kurbetriebe) BfS, Vjp. − 0.3 0.0 1.0 0.8

Detailhandelsumsätze, Index, BfS, VgV. −1.6 0.1 0.6 0.5 real, ohne Treibstoffe, saisonbereinigt

Beschäftigung und Arbeitsmarkt

Beschäftigte BfS, Vjp. 0.5 0.3 0.5 0.4

Arbeitslose SECO, Vjp. 4.6 3.9 1.1 − 0.8

Arbeitslosenquote SECO 3.3 3.2 3.4 3.5

Löhne, nominal BfS, Vjp. 0.7 0.6 0.7 0.1

VgV. = Veränderung gegenüber der Vorperiode (in %) Vjp. = Veränderung gegenüber Vorjahresperiode (in %)

* Investitionsgüterindustrie: Herstellung von Metallerzeugnissen, Maschinenbau, Elektrobranche, Feinmechanik, Optik, Fahrzeugbau.

Wirtschaftsmonitoring

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Wirtschaftsmonitoring

Schweiz (Fortsetzung)

Preise Quelle 2016 III/2016 IV/2016 I/2017

Konsumentenpreise LIK BfS, VgV. − 0.4 − 0.3 − 0.1 0.2

Mietpreisindex BfS, VgV. 0.2 0.1 0.4 0.3

Geld, Zins und Währungen

Rendite 10-J.-Bundesobligationen SNB, Sqe. − 0.14 − 0.52 − 0.14 − 0.10

Wechselkurs EUR – CHF SNB, Sqe. 1.08 1.09 1.08 1.07

Wechselkurs USD – CHF SNB, Sqe. 1.02 0.97 1.02 1.00

Realer Wechselkursindex SNB* SNB, Sqe. 115.68 116.04 115.68 115.64

Handelspartner

Bruttoinlandprodukt Deutschland, Destatis, VgV., annualisiert 1.9 0.8 1.6 2.4 real, saisonbereinigt

Bruttoinlandprodukt USA, BEA, VgV., annualisiert 1.6 3.5 2.1 1.2 real, saisonbereinigt

PrognosenKonjunktur, Arbeitsmarkt, Preise Quelle 2015 2016 2017 2018

Bruttoinlandprodukt Schweiz, real SECO, VgV., ESVG 2010 0.8 1.3 1.6 1.9

Arbeitslosenquote Schweiz SECO, VgV., ESVG 2010 3.2 3.3 3.2 3.1

Konsumententeuerung Schweiz SECO, VgV. − 1.12 − 0.4 0.5 0.3

Bruttoinlandprodukt Kanton Zürich, BAK Basel, VgV. 0.0 1.0 1.7 1.8 real

VgV. = Veränderung gegenüber der Vorperiode (in %) Sqe. = Stand bei Quartalsende

* Realer Wechselkursindex SNB: gewichtet die Veränderungen verschiedener Währungen im Vergleich zum Schweizer Franken nach Wichtigkeit des Handelspartners, preisbereinigt; Abnahme entspricht einer relativen Vergünstigung von Schweizer Produkten.

ImpressumHerausgeber Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) Walchestrasse 19 Postfach 8090 Zürich Telefon 043 259 26 26 Fax 043 259 51 04

Redaktionelle Dr. Aniela Wirz,Verantwortung Fachstelle Volkswirtschaft www.awa.zh.ch/monitoring

Bildnachweis Jürg Waldmeier (S. 1), z. Vg. (S. 10 ), Allessandro de la Bella (S. 11), Nandor Nagy (S. 12)

Produktion Solms Grafik, WinterthurDruck Spillmann Druck AG, Zürich

Erscheinungsdaten Vierteljährlich, Publikationsdatum dieser Ausgabe: 19. Juni 2017 Datenstand: 1. Juni 2017 Die nächste Ausgabe erscheint im September 2017

Bezugsbedingungen Das Zürcher Wirtschaftsmonitoring kann kostenlos beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich abonniert oder bezogen werden: Thomas Bauer

[email protected] Telefon 043 259 49 37

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