Von dem - Thienemann-Esslinger Verlag · aus dem Zoo ausgebrochen ist, um seine Großfamilie in...
Transcript of Von dem - Thienemann-Esslinger Verlag · aus dem Zoo ausgebrochen ist, um seine Großfamilie in...
IMMER DIE BESTEN
GESCHICHTEN. TH
IEN
EM
A
N N
Von dem
BESTSELLER-Autor
Zum Vorlesen und allerersten Selberlesen
Bestsellerautoren und vielversprechende Debüts
Mit vielen farbigen Illustrationen von bekannten Künstlern
Unverwechselbare Geschichten
IMMER DIE BESTEN
GESCHICHTEN.
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Handel,
nach dem großen Erfolg von „Wir sind nachher wieder da, wir müssen
kurz nach Afrika“, jetzt auch mit Musik-CD, möchte ich Ihnen in
diesem Frühjahr gleich drei unverwechselbare Geschichten in ver-
gleichbarer Ausstattung präsentieren. Die liebenswerten Hauptfiguren
bestehen als kleine Fusselwesen Abenteuer in einer kunterbunten
Filzwelt, schließen Freundschaft mit einem etwas durchgedrehten
Aufräumroboter und entdecken das Besondere im Alltäglichen. Üppig
bebildert garantieren diese Bücher besonders gemütliche Vorlesestun-
den. Welche Welt wollen Sie als erste entdecken?
Eine vergnügliche Lektüre wünscht Ihnen
Ihre Katharina Ebinger
Programmleitung Thienemann Verlag
wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach afrika (neu: mit musik-cd)
emma ist eben doch ein glückskind
eddi error – unser roboter krempelt alles um
S.4
S. 6
S.1 6
fussel und flocke die retter von filz
S. 26
Von dem
BESTSELLER-Autor
© F
otof
isch
er
4 5
Der Bestseller von Oliver Scherz jetzt mit Musik-CD
Was tut man, wenn spätabends ein Elefant ans Fenster klopft? Wenn dieser Elefant
aus dem Zoo ausgebrochen ist, um seine Großfamilie in Afrika zu besuchen? Und
wenn er gar nicht weiß, wo Afrika überhaupt liegt? Man packt Äpfel, Kekse und
einen Globus in den Rucksack und begleitet ihn. Genau das tun Joscha und Marie.
So weit wird Afrika nicht sein, denken sie und erleben eine Reise, die alles über-
trifft, was sie sich vorgestellt haben.
Erscheint im Februar 2017 · Ab 6
Oliver Scherz
Wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach Afrika (Buch mit Musik-CD)
Illustrationen: Barbara Scholz112 Seiten · Format: 17,0 x 24,0 cm Gebunden mit farbigen IllustrationenEUR-D 12,99 · EUR-A 13,40ISBN 978-3-522-18463-2
© A
ngel
a M
eyer
„Eine traumschöne Abenteuer- und Freundschaftsgeschichte, in deren
Verlauf man sich so manches Mal fragt, ob sie nicht doch nur im Zimmer und in den Herzen
der Kinder stattfindet. Wunderschön als Vorlese-buch, aber auch zum Selbstlesen total
spannend […].“Gießener Allgemeine
„Los geht’s in ein unvergess- liches (Lese)Abenteuer!“
Eltern Family
© Il
lust
ratio
nen
von
Barb
ara
Scho
lz ·
F/20
17 in
der
Thi
enem
ann-
Essl
inge
r Ver
lag
Gm
bH
Barbara Scholz, 1969 in Herford geboren, machte zunächst eine Ausbil-dung zur Druckvorlagenherstellerin. Anschließend studierte sie in Münster Grafik Design mit dem Schwerpunkt Illustration. Seit 1999 arbeitet sie als freie Illustratorin für verschiedene Verlage.
Oliver Scherz, geboren 1974 in Essen, ist Schauspieler und Kinderbuch-autor. Er möchte Kinder und Erwachsene gleichermaßen mit seinen Ge-schichten berühren. Das Vorlesen ist ein wichtiges Ereignis für die ganze Familie, findet er. Und ein gutes Kinderbuch kennt kein Höchstlesealter.
www.oliverscherz-autor.de
Von dem
BESTSELLER-Autor
Leseprobe
76
EMMA MAG PAUL
Wuschel hört fast immer gut
Es ist Punkt drei, da klingelt es an der Tür. Emma springt los. Auch
Linus und Leo stürzen aus ihrem Zimmer und reißen die Tür schon
auf. »Da bist du ja!«, rufen sie und tun so, als wäre Paul ihr Freund
und nicht Emmas. »Na!« Ganz lieb gucken sie ihn beide an. »Wir
wollen jedenfalls mit. Egal, wohin ihr geht.«
»Wie?«, wundert sich Paul. »Was?« Er guckt von Linus zu Leo und
schließlich zu Emma.
Die schüttelt entschieden den Kopf. »Was fällt euch ein?«, sagt sie
schnell. »Zum Mitgehen seid ihr noch zu klein.« Sie schnappt sich die
Leine und zieht an Pauls Arm. »Komm!« Wuschel muss sie gar nicht
erst rufen. Der weiß sowieso längst, dass er gleich ausgeführt wird.
Mit lautem Gebell springt er an Paul hoch und leckt ihn ab.
»Ist ja gut«, beruhigt Emma ihn kichernd.
Auch Paul kichert und gluckst.
»Ihr seid blöd«, maulen Linus und Leo. »Außerdem wollen wir gar
nicht mehr wissen, wohin ihr überhaupt geht.«
»Das verraten wir euch auch nicht«, erklärt Emma.
»Nicht für eine Million.« Sie stößt Paul an.
Der nickt und sagt: »Tut uns echt leid.«
Emma geht am liebsten rückwärts. Aber nur mit Paul. Er passt auf und ruft „Stopp“,
wenn ein Hindernis auftaucht. Paul ist Emmas bester Freund. Sie gehen immer
zusammen in die Schule. Und nachmittags führen sie gemeinsam Wuschel aus. Wu-
schel ist Emmas Hund. Auch der von Papa und Mama natürlich. Und von Amelie.
Und der von ihren kleinen Brüdern. Und ein bisschen sogar von Luna, obwohl Luna
eine Katze ist und Hunde eigentlich nicht mag. Paul hätte auch gerne einen Hund.
Nur leider bekommt er keinen. Dafür darf er Wuschels Leine manch-
mal halten. Doch dann interessiert sich Paul plötzlich nur noch
für Fußball und hat keine Zeit mehr für Emma und Wuschel …
Eine warmherzige Freundschaftsgeschichte aus dem Kinderall-
tag – mit kurzen Kapiteln und vielen bunten Bildern bestens zum
Vor- und Selberlesen geeignet!
98
Dann machen sie sich mit Wuschel auf den Weg. Sie ziehen die
Tür hinter sich zu. Aber sie können noch hören, wie Linus und Leo
schimpfen: »Bestimmt regnet es gleich! Dazu blitzt es und donnert.
Vielleicht gibt es auch eine Überschwemmung, dann kommt ihr nie
mehr zurück. Ihr werdet schon sehen!«
»Von wegen«, murmelt Emma. Heute hat sie so viel Glück, da pas-
siert so was nicht. Heute erlebt sie nur schöne Sachen. Zusammen
mit Paul und Wuschel, mit denen sie jetzt die Straße hinunterläuft.
Um die Ecke herum. Und noch ein Stück weiter. Bis Wuschel ein Bein
heben muss und die halbe Laterne nass macht.
Emma und Paul schimpfen natürlich nicht. Schließlich ist Wuschel
ein Hund und ein Klo gibt es für ihn nicht. Für Wuschel gibt es
nur den Bürgersteig und den Weg und den Wald. Deswegen gehen
Emma und Paul manchmal mit ihm. Wo Paul sich ja auch einen Hund
wünscht. Nur leider bekommt er keinen. Dafür hält er jetzt die Leine,
die Emma ihm in die Hand gedrückt hat.
»Später werde ich vielleicht Hundeerzieher«, sagt Paul. Er zieht
Wuschel hinter sich her, weil der an einem Busch schnuppern muss
und gerade nicht so gut hört. »Dann trete ich im Zirkus auf und führe
Kunststücke mit ihnen vor.«
»Echt?«, fragt Emma. »Und was ist mit mir?«
»Du kannst dich um die Löwen kümmern«, sagt Paul. »Oder du
wirst Seiltänzerin. Such dir was aus.«
Emma bleibt einen Augenblick stehen. Weil es schön ist, was Paul
gerade gesagt hat. Emma mag Löwen. Und über ein Seil balancieren
und sich darauf drehen mag Emma auch. »Willst du mal was sehen?«,
fragt sie und klettert auf eine Mauer. Den Hund auf der anderen
Straßenseite sieht Emma auch. Und sie denkt kurz an Wuschel und
11
an die Leine, die Paul immer noch hält. Und dass Paul guckt, wie sie
balanciert. Schon geht es los. Vorwärts. Und rückwärts. Dazu nimmt
sie die Arme hoch wie eine Ballerina und dreht sich um sich selbst.
»Mmmh«, murmelt Paul. »Schon mal ganz gut.«
Emma streckt sich und steht plötzlich auf einem Bein. Das andere
hebt sie so hoch, wie sie kann. Eines Tages werden sie vielleicht beide
berühmt. Emma und Paul. Dann treten sie in der ganzen Welt auf
und sind sogar im Fernsehen zu sehen …
»Von mir aus kannst du Wuschel jetzt auch mal was beibringen«,
sagt sie. Da passiert s. Vor lauter Zugucken und Staunen und Hö-
ren, was Emma sagt, vergisst Paul die Leine in seiner Hand. Und
schwupp – ist sie mit dem ganzen Wuschel daran auch schon weg.
»Stopp!«, ruft Paul, weil Wuschel bereits am Straßenrand ange-
langt ist.
Ein Auto bremst mit quietschenden
Reifen. Wuschel bleibt stehen.
»Stoooopp!«, ruft Paul jetzt noch mal.
Emma starrt auf Wuschel. Dann auf
das Auto. Und sie vergisst, dass sie im-
mer noch auf einem Bein balanciert.
Sie kann sich nicht mehr halten.
Schon rutscht sie ab und merkt, wie
es in ihrem Bein plötzlich brennt.
Der Fahrer des Autos hupt laut. Dann
fährt er wieder los. Wuschel steht immer noch
am Straßenrand. Kein bisschen ist er zum Hund auf der anderen
Straßenseite gerannt. Klar, Wuschel hört eben gut. Und er weiß, dass
er nicht auf die Straße darf.
Paul ist jetzt bei ihm. Er wickelt die Leine fest um sein Handgelenk,
damit Wuschel ihm nicht noch mal entwischt. »Brav, Wuschel«, sagt
er und streichelt sein Zottelfell. Dann sieht er Emma, die nicht mehr
auf der Mauer steht. Emma liegt auf dem Boden und hält sich jam-
mernd das Bein.
»Hast du dir wehgetan?«, fragt Paul und schaut sich ihr blutendes
Knie an.
»Was denkst du denn?«, schluchzt Emma.
Tröstend streicht Paul ihr übers Haar und murmelt: »Bald ist es
bestimmt wieder gut.«
Emma nickt. »Dabei hatten wir ja noch Glück«, seufzt sie. »Aber
halt die Leine demnächst besser fest.«
»Wird gemacht«, murmelt Paul. Er hilft Emma hoch. »Kannst du
gehen?«, fragt er sie.
Emma macht einen Schritt und bleibt wieder stehen. Paul könnte
sie tragen, überlegt sie. Oder gleich einen Krankenwagen für sie be-
stellen. Emma ist noch nie mit einem Krankenwagen gefahren und
sie hätte doch auch so gern mal einen Gips.
Aber Humpeln und Auf-einem-Bein-
Hüpfen und Nicht-mehr-rennen-können ist irgendwie blöd. Deswe-
gen geht Emma doch lieber wieder neben Paul her.
»Hauptsache, Wuschel ist nichts passiert«, sagt sie.
»Dafür aber dir«, murmelt Paul.
»Ist ja wieder gut«, tröstet sie ihn und stößt ihn an.
Paul nickt. Dann laufen sie eine Weile still nebeneinander her.
Emma überlegt schon, wie sie ihren Freund wieder aufmuntern kann.
Vielleicht könnte sie etwas singen.
Da kommen sie an einer Eisdiele vorbei und Paul fragt: »Willst du
ein Eis?«
»Was?« Emma ist überrascht. Paul hat manchmal Geld dabei.
13
Wahrscheinlich ist er ja reich. Ame-
lie, Emmas große Schwester, hat mal
so was gesagt. Manchmal fährt er sogar
nach Ibiza. Wo Ibiza genau ist, weiß Emma
nicht. Aber sie fragt lieber auch nicht. Sie will
nämlich nicht, dass Paul über sie lacht.
»Ja, ja, ja, ja«, sagt sie, bevor Paul seine Frage wieder vergisst. Wu-
schel springt und bellt. Der denkt vielleicht, auch für ihn gäbe es was.
Dabei ist Eis für Hunde zu kalt. Und so viel Geld hat Paul vielleicht
auch wieder nicht. »Sitz!«, sagt Emma streng.
Wuschel bellt noch mal und jault. Dann sitzt er da und guckt Emma
mit lieben Augen an. »Braaaav!« Sie streicheln ihn beide und überle-
gen, welche Sorten sie nehmen.
Emma kann sich gar nicht entscheiden. Paul hat seine drei Kugeln
längst ausgesucht, da weiß sie es immer noch nicht. Ob sie statt Ap-
rikose vielleicht doch lieber Stracciatella will? Oder eine Kugel Kau-
gummi-Eis? Oder Pfefferminz? Oder …
Paul wartet geduldig. Und im letzten Moment zeigt Emma dann
doch auf das Joghurt-Eis, das bestimmt am allerleckersten ist.
»Was macht das?«, fragt Paul und bezahlt für sie beide. Emma ist
stolz. Weil Paul ihr fast schon wie Papa vorkommt. Nur nicht so groß.
Und natürlich auch nicht so alt. Sie setzen sich auf eine Mauer. Lecken
an ihrem Eis. Ein bisschen tropft auch auf ihre Knie. Aber dafür ist
Wuschel ja da. Der leckt alles wieder blitzblank. Dann legt er seinen
Kopf zwischen Emma und Paul und guckt sie an.
Emma ist froh. Ihr Knie tut ja auch fast nicht mehr weh. Und Paul ist
mindestens so nett wie Papa. Auch wegen dem Eis. »Vielleicht«, sagt er
plötzlich, »heirate ich dich später.« Er beißt seine Eiswaffel ringsherum ab.
1514
GESCHICHTEN AUS DEM ALLTAG EINER LIEBENSWERTEN FIGUR
© Il
lust
ratio
nen
von
SaBi
ne B
üchn
er ·
F/20
17 in
der
Thi
enem
ann-
Essl
inge
r Ver
lag
Gm
bH
Auch Emma knabbert an ihrer Waffel und muss aufpassen, dass sie
sich nicht verschluckt.
»Echt?«, sagt sie. »Ich glaube, ich heirate dich später auch.« Paul ist
doch ihr Freund. Dann muss sie sich wenigstens keinen Mann mehr
suchen, den sie noch nicht kennt. Und sie muss auch nicht wieder
erklären, wie man Wuschels Leine am besten hält.
Der Rest vom Eis schmeckt Emma jedenfalls noch mal so gut. Wo
Paul Emma zum Glück auch nicht küsst. Das macht nur der Verliebte
von Amelie, wenn er sie abholen kommt. Emma, Linus und Leo kichern
dann immer. Und sie stellen sich vor, wie eklig es ist. Emma ist jeden-
falls froh, dass Paul das lässt und auch nicht seinen Arm um sie legt.
Als sie ihr Eis gegessen haben, gehen sie noch ein Stück. Wuschel
läuft vor ihnen her. Sich Küssen und Arm-in-Arm-Gehen ist sowieso
Quatsch. Wo Emma nicht mal genau weiß, ob Paul überhaupt ihr
Verliebter ist. Hauptsache, er heiratet sie später. Und sie ihn. Und sie
bekommen ungefähr sieben Kinder. Aber das ist geheim. Nicht mal
Paul weiß davon. Das weiß nur sie.
SaBine Büchner arbeitete einige Jahre als Sozialpädagogin im Kin-derheim und studierte später Kommunikationsdesign in Wuppertal und Animation an der HFF in Babelsberg.2006 erhielt sie das Troisdorfer Bilderbuchstipendium und ist seit-dem für verschiedene Verlage tätig.
Erscheint im Februar 2017 · Ab 6
Sigrid Zeevaert
Emma ist eben doch ein Glückskind
Illustrationen: SaBine Büchner 112 Seiten · Format: 17,0 x 24,0 cm Gebunden mit farbigen Illustrationen und SpotlackEUR-D 12,99 · EUR-A 13,40ISBN 978-3-522-18431-1
Sigrid Zeevaert, 1960 in Aachen geboren, begann schon wäh-rend des Lehramtsstudiums mit dem Schreiben, dem sie sich sehr bald ganz widmete. Neben Kurzgeschichten und Hör-funkbeiträgen, entstanden dabei vor allem zahlreiche Kinder- und Jugendbücher, die vielfach übersetzt und ausgezeichnet wurden. Eins ihrer Bücher wurde für das ZDF verfilmt. Sigrid Zeevaert lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Aachen.
www.sigridzeevaert.de
© S
usan
ne S
taet
s
1716
Leseprobe
Am nächsten Tag hatten es alle eilig, nach Hause zu kommen. Sie woll-
ten aufräumen. Als Jule und Niels die Tür aufstießen, gleichzeitig und
mit solcher Wucht, dass sie gegen die Wand donnerte, waren ihre Eltern
schon da. Jule warf ihren Ranzen in den Flur und ließ im Gehen ihre Jacke
fallen. Niels eilte hinterher. Er versuchte, Ranzen und Anorak gleichzeitig
auszuziehen, aber der Reißverschluss klemmte. Der klemmte doch immer,
wenn Niels es eilig hatte! Und schon wieder war Jule schneller.
Eddi stand im Flur, fast an derselben Stelle wie gestern.
„Guten Tag, Eddi“, sagte Jule und griff seine Hand.
Niels zog mit beiden Händen am Reißverschluss. Er war mit einem Mal sehr
wütend und stampfte mit dem Fuß auf. „Der ist kaputt!“, schrie er, „dieser
Scheiß-Reiß…“ Tränen stiegen ihm in die Augen. Mama half ihm, Ranzen und
Anorak über den Kopf auszuziehen. „Sag’ doch erst mal guten Tag“, sagte sie.
„Guten-Tag-liebe-Leute“, kam es plötzlich aus Eddis Richtung. „Ka-putt-
dieser-Scheiß-Reiß?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, griff Eddi nach
Niels Anorak, machte einen kleinen Schwenk und ließ die Jacke in den
Regenschirmständer fallen.
Niels blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Nicht nur, weil Eddi „Gu-
ten Tag“ gesagt hatte. Niels staunte, weil Eddi tat, was er selbst auch gern
machte. Der Regenschirmständer war einem Papierkorb ähnlich. Auch Niels
ließ gern mal Dinge im Regenschirmständer verschwinden, Apfelgriebse
oder abgerissene Schnürsenkel.
"EDDI KANN DAS!"
Niels und seine Schwester Jule sind es gewöhnt, dass ihr Vater von seinen Floh-
marktstreifzügen die verrücktesten Dinge anschleppt. Aber diesmal hat er sich
wirklich selbst übertroffen, denn wer hat schon einen Aufräumroboter? Eddi Error
soll er heißen! Eddi ist zwar noch nicht ganz ausgereift, zumindest was das Aufräu-
men angeht, aber dafür lernt er alles andere in Nullkommanix. Schon bald will ihn
niemand aus der Familie mehr hergeben, denn Eddi kommt als neuer Spielkame-
rad zum Höhlenbauen, Knallerbsenpüree anrühren und zu so manchem anderen
Abenteuer wie gerufen! Doch dann soll Eddi eines Tages verschrottet werden, weil
er sich nicht nach dem Willen seines Entwicklers programmieren lässt. Das können
die Kinder natürlich auf keinen Fall zulassen!
Eddi legt los"EDDI KANN DAS!"
18 19
Mama sagte: „Hey, was machst du?“ Sie sah aber nicht Eddi an, sondern
drehte sich zu Papa um, der in der offenen Küchentür stand.
„Wieso ich?“, antwortete Papa. „Ich kann gar nichts machen.“
Erst da entdeckte Niels, dass Papa eine Fernbedienung in der Hand hielt,
auf der er etwas ratlos herumtippte.
„Gib mal her“, rief Niels.
Aber Papa wollte die Fernbedienung nicht hergeben. „Wart’ mal“, sagte
er nur und drehte sich weg, „ich hab’s gleich!“
Niels reckte bettelnd die Arme nach oben. Papa richtete die Fernbedie-
nung mit dem ausgestreckten Arm auf Eddi, als wolle er ihn erschießen.
Nichts passierte. Niels sprang um Papa herum. „Gib mal her!“ rief er ent-
schieden. „Ich will aufräumen!“
Und da hörte er das vertraute Schnurren. Eddi hatte sich in Bewegung
gesetzt. „Was-gibt’s-zu-tun?“ Er steuerte auf Jules Ranzen zu, der mitten
im Flur lag, prallte dagegen und fiel nach hinten um.
„Räum’ das aus dem Weg, Mann“, rief Niels.
„Ich bin kein Mann“, gab Jule pampig zurück, aber sie schnappte ihren
Ranzen und hob Eddi auf.
Eddi lief den Flur hinunter. Anders als am Tag zuvor, machte er vor der
Wand halt, drehte sich um und lief zurück.
Als er auf ein Springseil zusteuerte, schrie Jule: „Achtung, er verheddert
sich! Nimm das weg, du Heini!“
„Ich bin kein Heini“, stellte Niels klar, aber er zog das Seil
schnell aus dem Weg.
Gemeinsam verhinderten sie, dass Eddi gegen
eine geöffnete Kommodenschublade rempelte.
Mama griff ein, als er anfing, den Beutel mit
Blumenerde genauer zu untersuchen und Jule und Niels trugen den Wä-
schekorb aus dem Weg. Sie hatten alle Hände voll zu tun, auch Papa: Er war
die ganze Zeit damit beschäftigt, die Fernbedienung zu schütteln. „Die hat
wohl einen Wackelkontakt“, rief er immer wieder.
Sehr bald stellte sich heraus, dass Eddi Teppichkanten nicht mochte. Als
er den Abtreter vor der Eingangstür passierte, strauchelte er und ihm ent-
fuhr ein zischendes Geräusch, das sich anhörte wie Fluchen. Einen kleinen,
bunten Vorleger schob er vor sich her und als sich ein dicker Stoffwulst ge-
bildet hatte, stolperte er darüber und fiel. Aber jedes Mal, wenn ihn jemand
wieder aufgerichtet hatte, fragte er: „Was-kann-Eddi-als-Nächstes-tun?“
„Hier entlang“, schrie Jule und öffnete die Kinderzimmertür.
Aber Mama sagte: „Nein. Das Wohnzimmer zuerst.“
Im Wohnzimmer konnte ein Aufräumroboter gute Dienste leis-
ten. In der Ecke, wo das Sofa stand, türmte sich ein Berg aus Stüh-
len, Sesseln, Decken und Kissen. Oben ragte die Spitze der
Stehleiter heraus. In ihr klemmte ein Besenstiel, an dem
ein Geschirrtuch hing. Das war Jules und Niels Burg.
Sie stand da schon eine Weile.
„Los geht’s, Eddi“, rief Niels.
„Los-geht’s“, sagte Eddi und trat ein. Niels klatschte in die Hän-
de. Eilig steuerte Eddi auf den Sofa-Stehleiter-Burgberg zu. Aber da
erkannten alle das Problem: Das Arrangement aus Decken und Kissen
stand auf einem Teppich. Es war kein einfacher Teppich.
Mama hatte ihn früher einmal Flokati genannt. In-
zwischen hieß er Beppo, wie der Hund von der
Nachbarin obendrüber, denn er hatte dieselbe
gelblich-weiße Farbe wie Beppos Fell und
21
fühlte sich ebenso weich und dick an. Wer Beppo streichelte, konnte seine
Hand kaum noch sehen. Beim Wohnzimmer-Beppo war das ähnlich, denn
er hatte lange, fusselige Fransen.
„Achtung!“, schrie Papa und fuchtelte hektisch mit der Fernbedienung
herum. Niels war nicht klar, ob er Eddi vor dem Teppich oder den Teppich
vor Eddi warnte.
Doch da war es schon passiert. Eddi war nur kurz an der Teppichkante
entlanggeschnurrt, da hatten sich die Fransen im Förderband verheddert.
Es blockierte. Das sanfte Roboter-Schnurren ging in einen schrillen Ton
über. Eddi stürzte. Mit dem Gesicht nach unten landete er im Teppich. Doch
da verwickelten sich die Fransen auch mit dem rechten Fuß und zu allem
Unglück mit der Hummerschere und der Greifhand.
Immer wieder heulte Eddi schrill auf. Je mehr sich seine Füße und Hände
im Teppich verfingen, umso schneller zappelte er mit Armen und Beinen.
Er sah richtig verzweifelt aus.
„Mach ihn aus, Till“, rief Mama.
„Das versuche ich ja“, schrie Papa zurück.
Sie stürzten zum Teppich. „Er hat sich vor Beppo erschrocken!“
Anders konnte sich Niels kaum erklären, was passiert war.
„Hülfe-Eddi-braucht-Hülfe“, hörten sie Eddi in den Tep-
pich keuchen. Dann hörte er plötzlich auf zu zappeln.
Und mit einem Mal war es sehr still.
„Eddi! Armer Eddi“, sagte Niels. Er war den Tränen
nahe. Eddi lag da wie tot.
„Beppo! Dieses Miststück!“, schimpfte Jule.
Papa warf die Fernbedienung zur Seite und beugte sich über Eddi wie ein
Arzt. Die ganze Familie versammelte sich um Eddi und alle versuchten,
ihn zu befreien, indem sie an den Fransen zogen. Aber das war unmöglich.
Nichts bewegte sich. Fast schien es, als habe sich Eddi entschlossen, die
Fransen nie wieder herzugeben. Niels hätte sich nicht gewundert, wenn er
plötzlich: „Lass-das! Sie-ge-hör-en-mir!“ gesagt hätte.
Aber Eddi schwieg und schließlich holte Mama eine Schere. Sie atmete
tief ein und schnitt die Teppichfransen ab. Gemeinsam drehten sie Eddi auf
den Rücken. Reglos lag er da, in jeder Hand ein Büschel Teppichfransen.
Der grüne Knopf blinkte, auf dem Display stand „ERROR“, aber er lächelte.
Papa atmete laut aus und sagte: „Puh, geschafft.“
Sie warteten eine Weile, um sich von dem Schreck zu erholen, dann
drückte Niels Eddi fest an sich. Die Förderbänder surrten plötzlich los.
Teppichflusen schwebten nach unten. „Was-gibt’s-zu-tun?“, sagte Eddi und
es klang überhaupt nicht erschöpft.
An diesem Tag räumten sie auf, bis es dunkel wurde. Am Ende hatten
sie Schals und Jacken an Haken gehängt, Ranzen und Taschen ins Regal
gestellt. Sie hatten Decken gefaltet, Kissen durch die Wohnung geschleppt,
Stühle, Sessel und Tische gerückt und Schlafanzüge in Betten gebracht. Und
natürlich hatten sie Vorleger, Abtreter und Matten aus dem Weg geräumt,
damit Eddi durch konnte.
Hundertmal hatten sie sich gegenseitig gefragt: „Wohin damit?“, und
hundertmal wollte Eddi wissen: „Was-gibt’s-zu-tun?“
Zuletzt hatte Niels sogar im Regenschirmständer für Ordnung gesorgt.
Er war dort auf eine Bananenschale gestoßen, die so alt war, dass sie an
den Fingern kleben blieb und Niels sich die Hand am Hosenbein abwischen
musste. Niels brachte sie zum Müll.
2322
Als Zeit fürs Abendessen war, versammelten sich alle in der Küche.
Jule sah sich um und sagte: „Es sieht so leer aus.“
Da passierte etwas ganz Erstaunliches: Auf dem Kachelboden in der Küche
entdeckten sie ein einziges, letztes Bonbonpapier. Es fiel auf. Eddi schnurrte
auf das Papierchen zu, griff danach und fragte: „Wohin-da-mit?“
Niels stürzte los und schleppte den großen Abfalleimer aus Metall heran.
Er öffnete den schweren Deckel und streckte Eddi den Eimer entgegen.
Eddi schüttelte die Hand darüber aus und das Papier segelte direkt hinein.
Niels konnte sein Glück kaum fassen, aber, hatte er richtig gesehen? Oder
war es ihm nur so vorgekommen, als habe sich Eddi kurz die klebrige Hand
am Bein abgewischt?
An diesem Abend hatte Niels großen Appetit. Er aß viel und schnell und
als er fertig war, rülpste er. Von seinen Eltern fing er einen missbilligenden
Blick, doch der konnte seiner guten Laune nichts anhaben. Die Aussicht,
dass Eddi sich um die Bonbonpapiere kümmern würde, machte Niels froh.
Mama drohte oft damit, dass sie keine Süßigkeiten mehr bekämen, wenn
sie die Papiere überall liegen ließen. Aber sie fielen einem immer aus der
Hosentasche, wenn man etwas anderes daraus hervorholte.
Mama sagte: „Das mit dem Bonbonpapier hat mir gut gefallen.“ Sie biss
in ein Stück Brot: „Aber ist es nicht ganz schön umständlich, dass wir
immer die Vorleger aus dem Weg räumen müssen?“
„Wir sollten alle Teppiche rausschmeißen“, sagte Papa. „Eddi kann nun
mal die Beine nicht heben. Er hat ja keine Knie.“
Sie betrachteten Eddi, der mit ausgestreckten Beinen und einem Glas
Olivenöl in der Hand auf der Geschirrspülmaschine saß und lächelte.
„Aber er hat doch Knie!“, rief Niels und sprang auf. „Er benutzt sie nur
nicht.“ Tatsächlich konnte jeder, der richtig hinsah, bei Eddi Gelenke ent-
decken und zwar genau dort, wo ein Mensch seine Beine knicken kann.
Voller Eifer drückte Niels verschiedene Knöpfe. Eddi sagte: „Gu-
ten-Abend-liebe-Leute. Neun-zehn-Uhr-sieben-und-vierzig, Zeit-fürs-Bett“.
„Habt ihr gehört? Er hat ‚Guten Abend‘ gesagt!“, rief Jule begeistert und
sprang ebenfalls auf. Alle drückten sie nun auf Eddi herum. Niels war be-
sessen von der Idee, dass Eddi nicht umsonst Gelenke hatte. „Eddi muss die
Knie bewegen“, murmelte er und kaum hatte er es ausgesprochen, da fielen
Eddis Unterschenkel nach unten. Mit donnerndem Krach stießen sie gegen
die Tür der Geschirrspülmaschine. Eddi zischte. Es war wieder dieses leise
Fauchen, das an Fluchen erinnerte. „Mann-du-Heini“, sagte er.
Für einen Moment hielten alle die Luft an. „Mama“, rief Niels voller
Begeisterung, „er hat ‚du‘ gesagt!“
„Aber wen meint er?“, fragte Jule.
23
Susanne Göhlich, geboren 1972 in Jena, studierte Kunstgeschichte in Leipzig. Neben dem Studium gestal-tete sie Plakate und zeichnete. Seit 2004 arbeitet sie als freie Grafikerin und Illustratorin in Leipzig.
Anne Böhme ist Journalistin und arbeitet freiberuflich für Print- und Onlinemedien sowie den ARD-Hör-funk. 2013 erhielt sie den Kinder- und Jugendliteraturpreis Eberhard. „Eddi Error – Unser Roboter krem-pelt alles um“ ist ihr erstes Buch bei Thienemann.
Erscheint im Februar 2017 · Ab 6
Anne Böhme
Eddi Error Unser Roboter krempelt alles um
Illustrationen: Susanne Göhlich 176 Seiten · Format: 17,0 x 24,0 cm
Gebunden mit farbigen Illustrationen und Spotlack
EUR-D 14,99 · EUR-A 15,50ISBN 978-3-522-18456-4
© L
ukas
Fel
ix
DER BEST E FAMILIENROBOT ER DER W ELT
DER BEST E FAMILIENROBOT ER DER W ELT
2524
© Il
lust
ratio
nen
von
Susa
nne
Göh
lich
· F/2
017
in d
er T
hien
eman
n-Es
slin
ger V
erla
g G
mbH
„Und wie redet der mit uns?“, Mama schüttelte den Kopf.
Eddi saß in einer bequemen Sitzhaltung auf dem Geschirrspüler und
lächelte.
„Bestimmt meint er die Spülmaschine“, sagte Niels, „sie war im Weg.“
Doch Mama hörte nicht auf, sich zu wundern: „Woher kennt er solche
Wörter?“
Papa fuhr sich mit der Hand übers Kinn, als wolle er prüfen, wann er sich
zuletzt rasiert hatte. „Von uns“, sagte er schließlich.
Mama drehte eine Haarsträhne um den Finger, zog sie glatt und drehte
sie wieder ein: „Wie, von uns?“
„Na, kein Mensch lernt was, ohne dass man es ihm beibringt“, antwortete
Papa.
„Das ist kein Mensch“, sagte Niels. „Das ist ein Roboter.“
Papa räusperte sich. „Mensch oder Roboter. Ich bin mir sicher, dass es nur
so funktionieren kann: Er lernt die Wörter von uns.“
„Von UNS?“, rief Mama wieder, als sei sie schwer von Begriff.
„Na, wie willst du verstehen, was er sagt, wenn er NICHT unsere Wörter
benutzt?“, beharrte Papa auf seiner Idee. „Es ist doch gut, wenn er abends
um halb acht nicht ‚Guten Morgen‘ sagt.“
Da war etwas dran und als Mama es begriffen hatte, steckte sie die Haar-
strähne hinters Ohr und sagte: „Wenn das so ist, dürfen wir nicht mehr
Scheiße sagen.“
„Schade“, sagte Jule und seufzte.
Es war kurz still, weil alle nachdachten und in diese kleine Stille hin-
ein kam von der Spülmaschine ein kaum hörbares und kaum noch rostiges
Bäuerchen. Eddis Glas war leer. Eddi drehte das Glas in seiner Hand und
betrachtete es von allen Seiten: „Scha-de“, sagte er dann. „Aber-wir-dürfen-
nicht-mehr-Scheiße-sagen.“
26
Die Kugel oder was war das?
„Hey, Flocke, schau mal, sieht das nicht oberfilzig entspannt aus?“
„Schon, aber jetzt bist du viel zu langsam.“
„Ph, da muss ich nur noch mal Schwung holen, hepp, und schon
läuft es wieder.“
„Aber das sieht total seltsam aus!“
Flocke steht vor seiner Filzwand und entwickelt einen seiner Pläne,
die niemand versteht. Ein Pfeil nach rechts, seltsame Zeichen, dann
wieder zurück in einen Kreis und einen langen, langen Pfeil ganz an
den Anfang.
Er kratzt sich in den Flusen. „Du müsstest deinen Schwerpunkt
verlagern.“
Franse setzt sich in seiner geliebten Filzmatte auf. „Hä? Meinen was?“
„Kannst du dich mal umdrehen? Po nach oben?“
Franse versteht gar nichts, aber immerhin möchte
er den „Wer schaukelt am längsten in seiner Filz-
matte“-Wettbewerb gewinnen. Also macht
er, was Flocke sagt. Der kennt sich aus.
Wie alle Wollingers.
Leseprobe
Wie still es auf dem Dachboden ist! Plötzlich hört Lisa ein Geräusch. Da, in der Ecke,
wo der alte Perserteppich liegt! Als Lisa sich hinunterbeugt, reißt ihr Armband. Eine
Perle hüpft davon und verschwindet im Teppich. Lisa kann sie nicht mehr finden
und ist verzweifelt.
Im Teppichland Filz sind Fussel und Flocke wie vom Blitz getroffen. Eine riesige Kugel
ist in ihr Land hineingedonnert. Filz droht großes Unheil! Da kann nur einer helfen:
die schwarze Namenlose, eine gefährliche, aber weise Spinne. Fussel und Flocke
müssen sie unbedingt finden. Doch der Weg dorthin ist gefährlich. Er führt an bösen
Silberfischen, rülpsenden Holzwürmern und fiesen Abstaubern vorbei …
Wird es Fussel und Flocke gelingen, ihr Land vor großem Unglück zu bewahren?
Und wird Lisa ihre Perle wiederbekommen?
Warmherzig, spannend und umwerfend komisch
28
Er streckt seinen Po nach oben und vergräbt das Gesicht in der
Matte. „Abu dunn krug uch küne Luft.“
Flocke betrachtet nachdenklich das Hinterteil seines besten Freundes
und streicht einen Pfeil auf seinem Plan durch. „Was hast du gesagt?“
Franse taucht wieder auf und schüttelt seine lange Wolle. „So krieg
ich keine Luft, das ist noch unentspannter!“
Flocke flitzt um ihn herum, betrachtet die Matte von allen Seiten,
denkt, grübelt, überlegt. „Also, wenn wir es so machen, vielleicht ist
das … ja, oder so … Franse, stell dich mal in die Matte.“
Der stöhnt. Nicht umsonst ist er ein echter Fadenschein, die be-
kanntlich die größten Rumfilzer überhaupt sind. Das ist ihm alles
viel zu anstrengend. Aber wenn Flocke es sagt.
Franse stellt sich hin, wackelt, wankt. „Wuuuuah!“
„Jetzt noch das eine Bein in die Luft.“
„Waaas?“
„Das Bein in die Luft und die Arme so hinter den Körper, ja, sehr
gut und dann mit dem Oberkörper nach vorn …!“
In diesem Moment verliert Franse das Gleichgewicht, die Matte
überschlägt sich und er landet ziemlich unentspannt auf seinem fa-
denscheinigen Po.
„Autsch!“
„Das war es dann wohl doch nicht“, überlegt Flocke und malt einen
Pfeilkreis. „Man könnte vielleicht …“
Franse steht auf und reibt sich den Hintern. „Weißt du was, Flocke?
Jetzt ist Schluss! Ich möchte einfach nur entspannt vor mich hin
schaukeln. Davon versteht ihr Wollingers nichts.“
„Aber Franse, es geht doch um …“
„Um eine Doppelfilzmatte für uns beide. Die werde ich gewinnen
und zwar im Liegen.“ Franse haut sich in seine Matte und stöhnt
erleichtert auf. „So ist es gut!“
Die Filzer feiern jedes Jahr ein großes Fest. Da zeigen die sehr un-
terschiedlichen Familien, was sie können, ein fusseliges Hallihallo
und wildes Durcheinander.
„Der Chor der Wollinger übt ja schon fleißig“, tönt Franse aus der
Matte, „aber was machst du eigentlich, Flocke?“
„Also, ich hab mir sehr viel vorgenommen. Einmal die Filzwatte-
maschine, das ist nicht zu unterschätzen so ein Ding, bei der Dreh-
bewegung bin ich noch nicht richtig weitergekommen, genauso wie
beim Karussell für die Filz-Kinder, da muss man ja gut aufpassen. Als
ich den Pfeil endlich richtig berechnet hatte, ist mir der Angelpunkt
flöten gegangen, also …“
„… wie immer“, meint Franse und lächelt ihn an. „Aber macht ja
nichts, aufgefusselt ist nicht aufgeknusselt, nächstes Jahr ist ja auch
wieder ein Fest!“
Flocke strahlt ihn an. „Genau. Aber noch mal zurück zu deinem
Schaukelschwerpunkt.“
In diesem Moment springt Weberhard wie aus dem Nichts auf sei-
nem Silberfisch über die beiden, so haarscharf, dass ihnen die Flusen
zu Berge stehen.
„Ein sehr gutes Hindernis seid ihr zwei. Der Faulfilz und das Flöck-
chen!“
Vor Schreck fällt Franse ein zweites Mal aus seiner Matte.
„Hey, du Angeber, mach das nicht noch mal!“, brüllt er Weberhard
hinterher.
„Und ich heiße Flocke“, beschwert sich Flocke. „F-l-o-c-k-e!“ Nichts
hasst er mehr, als wenn man ihn „Flöckchen“ nennt. Nur weil er ein
bisschen klein ist.
Weberhard reitet lachend weiter. Jedes Jahr führt er eine Dressur
auf seinem Silberfisch vor und hält sich für den größten Filzer aller
Zeiten. Die Webheimers sind eben so.
Franse rappelt sich wieder auf. „Jetzt reicht es aber wirklich. Wie soll
man sich denn da entspannen?“
„Also, wegen des Schwerpunkts …!“, will Flocke schon wieder an-
fangen, aber das ist absolut nicht der richtige Zeitpunkt. Erstens hat
Franse genug vom Aus-der-Matte-Fallen und zweitens naht da schon
das nächste Unheil.
„Achtung, Flocke, Fusselalarm!“
Fussel, die kleine Filzmeierin, marschiert an ihnen vorbei.
„Willst du etwa singen?“, ruft Flocke ihr zu.
„Was dagegen, Flöckchen?“
„Ich heiße …“
„Flöckchen, weil du so aussiehst.“ Grinsend klettert Fussel auf den
Hochflorhügel.
Hier geht sie immer hin, um ihren ganz speziellen Vortrag zu üben.
Sie wird auf dem Fest etwas vorführen, was noch nie jemand aus der
Familie der Filzmeier vorgeführt hat. Sie wird ihnen allen zeigen,
dass eine Filzmeierin mehr kann, als nur bauen und Sachen herstel-
len. Ha! Sie, Fussel Filzmeier, kann auch eine Künstlerin sein wie die
Wollingers, sie wird ihnen die alte filzische Volksweise vorsingen und
dann werden sie alle Tränen in den Augen haben.
Oben angekommen, fängt sie sofort an. „Oooooh, Filz, du schönes
Fransenland, so bunt, so weich, so friedliiiiich …!“
Franse vergräbt sich in Windeseile – auf jeden Fall viel zu schnell
für einen Fadenschein – in den Filzgrund und Flocke hält sich die
Ohren zu. Er kann nicht mehr denken, weder an Schwerpunkte noch
an sonst irgendwas. Schnell folgt er Franse, wühlt sich mit ihm, so
tief es geht, in die Borsten hinein und hofft, dass die schrägen Töne,
die aus Fussels Mund kommen, nicht bis dorthin vordringen.
„Kann ihr nicht mal jemand sagen, dass sie nicht sin-
gen kann?“, jammert Flocke.
„Was?“ Franse versteht kein Wort,
weil er sich die Ohren zuhält.
„Kann ihr nicht mal je-
mand …!“, schreit Flocke,
so laut er kann, aber
dann passiert plötzlich
etwas ganz anderes.
30
3332
Etwas, das alles, was vorher war, unwichtig erscheinen lässt.
Erst wird es oben dunkel, dunkler als sonst. Und dann ist da so ein
Geräusch, merkwürdig, fremd. Ein seltsames Geräusch, das sogar
Fussels Gesang übertönt und sie dazu bringt aufzuhören.
„So friiiiiiiedlich …“, singt sie gerade noch, dann unterbricht sie
ein Surren, das immer lauter wird und nach großer Gefahr klingt.
Die drei schauen in den dunklen Schatten, der sich plötzlich über
das schöne Teppichland gelegt hat, und dann?
Dann landet eine riesige Kugel mit donnerndem Wumms mitten in
Filz. Erst kann man gar nichts sehen, so viel Staub hat sie aufgewirbelt,
und es dauert eine Zeit, bis er sich im Licht glitzernd wieder gelegt hat.
Es ist ganz still. Alle halten die Luft an. Erst nach einer Weile traut
sich der erste Filzer hinter einer Franse hervor. Langsam tauchen auch
die Köpfe der anderen bunten Wesen aus dichten Flechten, stacheligen
Borsten, hinter flauschigen Häusern auf. Vorsichtig schauen sie und
wundern sich. Was war das?
Als Erster traut sich Weberhard Webheimer näher an die Kugel
heran. Natürlich der schon wieder. Die Webheimers sind stark und
laufen immer breitbeinig herum. Sie haben vor nichts Angst und we-
nig Mitgefühl mit den anderen Filzern. Weberhard Webheimer bildet
da keine Ausnahme. Und dann hat er ja auch noch seinen Silberfisch,
der den anderen Respekt einflößt. Mit ausgestrecktem Finger geht er
auf die Kugel zu.
„Vorsicht!“, „In Deckung!“, „Und wenn sie platzt?“, rufen die Filzer.
Sie sind ängstlich. So ein riesiges, glitzerndes Ding haben sie noch
nie gesehen. Man kann ja auch nicht wissen, wo es hergekommen ist.
Und vor allem, warum!
Auch Flocke, Franse und Fussel wagen sich jetzt näher.
Fussel schreitet mutig vornweg. „Was ist das?“
„Bleib stehen!“, ruft Fussella. „Vielleicht ist dieses Ding gefähr-
lich!“ Sie ist die große Bestimmerin der Filzmeiers und wenn sie
etwas sagt, hält sogar Fussel den Mund.
In diesem Moment berührt Weberhard mit einem Finger die Kugel.
Es macht „pling“.
Weberhard dreht sich stolz grinsend zu den anderen Filzern um.
„Pling, sonst nichts, meine lieben Feigfilzer.“
Erleichtert kommen sie aus ihren Verstecken. Jetzt wollen sie alle
mal fühlen. Und gucken. Und sich in der riesigen Kugel spiegeln. Das
versammelte Filzervolk strebt zu dem Glitzerding, das mitten auf dem
Marktplatz gelandet ist und dort liegt wie bestellt und nicht abgeholt.
35
© Il
lust
ratio
nen
von
Vere
na K
örtin
g · F
/201
7 in
der
Thi
enem
ann-
Essl
inge
r Ver
lag
Gm
bH
Flocke schaut lieber erst noch aus der Ferne, denn soweit er weiß,
hat dieses Ding niemand bestellt. Woher kommt es also? Was ist es?
„Fransinierend!“, murmelt er und denkt nach.
In seinem Kopf passiert oft mehr als in denen der anderen. Er über-
legt, was alles hinter diesem Ding stecken könnte oder davor. Flocke
weiß immer, wie gefährlich etwas sein kann.
„Wollen wir auch mal gucken?“, flüstert er Franse zu.
Der kratzt sich ein bisschen ratlos die Flusen. Er versteht die ganze
Aufregung nicht so recht. Ein Fadenschein wägt genau ab, ob sich
eine Anstrengung lohnt oder nicht. Und Franse wägt am genauesten.
„Ich weiß nicht, ist doch nur eine … na ja, eine Kugel.“
Flocke kann es kaum glauben. „Aber Franse, das ist doch nicht NUR
eine Kugel. Das ist etwas, das vorher nicht da war. Es ist plötzlich
aufgetaucht, wumms! Verstehst du, was ich meine? Das hat ganz
bestimmt was zu bedeuten!“
„Hm, manchmal aber auch nicht!“
Flocke schüttelt ungläubig den Kopf. Fragt sich denn hier wirklich
niemand, woher diese Kugel plötzlich gekommen ist?
Verena Körting ist in Köln geboren und aufgewachsen. Sie stu-dierte Visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Düsseldorf, zog danach für einige Jahre nach Hamburg und arbeitete dort als Grafikdesignerin. Doch da sie viel lieber zeichnet und Geschichten erzählt, begann sie 2010 Kinderbücher zu illustrieren. Sie lebt und arbeitet in Köln.
Anja Kömmerling wurde 1965 in München geboren. Nach dem Abi machte sie eine Friseurlehre. Das war aber nicht das Richtige, des-halb begann sie ein Studium in Frankfurt und machte dort ihre erste Bekanntschaft mit dem Kinderfernsehen.Thomas Brinx (geboren 1963) ist in Ringenberg am Niederrhein groß geworden. Nach der Schule ging er nach Landshut, um Keramiker zu werden. 1988 lernten sich Anja Kömmerling und Thomas Brinx im Urlaub kennen; seitdem schreiben sie zusammen Geschichten.
© S
ven
Heub
es©
Chr
istin
e St
einh
art
Große Abenteuer in einer verfilzt- verfusselten
Teppichwelt
Erscheint im Februar 2017 · Ab 6
Brinx / Kömmerling Fussel und Flocke Die Retter von Filz
Illustrationen: Verena Körting 112 Seiten · Format: 17,0 x 24,0 cm
Gebunden mit farbigen Illustrationen und Spotlack
EUR-D 12,99 · EUR-A 13,40ISBN 978-3-522-18459-5
© F
/201
7 in
der
Thi
enem
ann-
Essl
inge
r Ver
lag
Gm
bH
www.thienemann.de