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VORBILDER 12 Preisträger des Right Livelihood Award in einer Serie des Alnatura Magazins 2011 „Der Alternative Nobelpreis“ www.rightlivelihood.org

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VORBILDER12 Preisträger des Right Livelihood Awardin einer Serie des Alnatura Magazins 2011

„Der Alternative Nobelpreis“

www.rightlivelihood.org

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Im September 2010 entschied sich eine kleine Gruppe engagierter Studentinnen der Deutschen Journalistenschule im Rahmen ihrer Ausbildung für ein Projekt über Vorbilder: eine Serie im Alnatura Magazin über Träger des „Alternativen Nobelpreises“. 12 herausra-gende Persönlichkeiten, 12 Geschichten von Leben und Leistungen jenseits des Alltäglichen.Für die Studentinnen war das Projekt mehr als eine spannende journalistische Herausforde-rung: Wie können die Projekte der Preisträgerinnen und Preisträger so beschrieben werden, dass die globale Bedeutung des Einsatzes der Preisträger deutlich wird? Die einhellige Mei-nung der jungen Journalistinnen war, dass die Welt viel mehr über solche Menschen und deren Arbeit erfahren müsste, weil es Mut und Zuversicht geben würde.

Die Right Livelihood Award Stiftung bedankt sich herzlich bei den Schülerinnen der Deutschen Journalistenschule, München: Natalia Lucic, Veronika Streuer, Kristin Haug, Sonja Kaun und Christina Jungkurth. Ein großes Dankeschön geht auch an Frauke Liesen-borghs für die Organisation des Projekts, an Christian Bleher, Dozent an der Deutschen Journalistenschule, und natürlich an das Alnatura Magazin.

Alle Artikel erschienen im Alnatura Magazin 2010-2011.

Ein Weg aus der Ausbeutung der Welt: Bill Mollison

Baum für Baum: Wangari Maathai

Unermüdliche Kämpfer: Percy & Louise Schmeiser

Einkaufen für eine bessere Welt: Alice Tepper Marlin

Umweltschutz-Pioniere: Die Chipko-Bewegung

Gegen alle Widerstände: René Ngongo

Leidenschaft für die Natur: Michael Succow

Die indische Mutter Courage: Vandana Shiva

Vater der Fotovoltaik: Martin Green

Mit der Lebenskraft der Sonne: Sekem/Ibrahim Abouleish

Das blaue Gold: Maude Barlow & Tony Clarke

Licht ins Dunkel: Grameen Shakti

VORBILDER

ÜBER DIESES HEFT

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der „Alternative Nobelpreis“ bringt Menschen zusammen, deren Überzeugung und Streben einer lebenswerten Welt gilt. Mögen sie ganz unterschiedliche Hintergründe haben - Profes-soren, Politiker, Aktivisten, Hausfrauen, Künstler – und sich für unterschiedliche Inhalte en-gagieren – Menschenrechte, Umwelt, Spiritualität, Gesundheit, Landwirtschaft – so eint sie doch ihr Mut, ihr unbeugsamer Wille und ihr unermüdlicher Einsatz für Werte, die wir alle teilen: Menschenrechte, Gesundheit, Demokratie, Gerechtigkeit und eine bessere Zukunft für unsere Kinder.

Der o!zielle Name des „Alternativen Nobelpreises“ lautet Right Livelihood Award. Ein Be-gri", der auf das buddhistische Konzept „right livelihood“ zurückgeht. Er steht für die richtige Art zu leben, in Fairness und im Einklang mit der Natur, und für einen gerechten Umgang miteinander und den begrenzten Ressourcen unseres Planeten.

Die Träger des „Alternativen Nobelpreises“ sind so vielseitig wie die Probleme unserer Welt, aber, wichtiger noch, auch so vielseitig wie die Lösungen für diese globalen Herausforderun-gen. Es sind Menschen mit Visionen, deren Handeln ihren Worten folgt und deren prak-tische Erfolge anderen Regionen, Organisationen und Individuen als Vorbild und Inspiration für eigenes Wirken dienen können.

Wir wünschen Ihnen, dass Ihnen die vorliegenden Beispiele Mut machen, denn sie zeigen exemplarisch, wie jeder auf der Welt etwas zum Besseren ändern kann. Und vielleicht teilen Sie die Au"assung der jungen Journalisten, dass es eben gerade solche Projekte der Ho"nung sind, über die wir häu#ger lesen und lernen sollten.

Ole von Uexküllim Mai 2012

Ole von UexküllExecutive Director derRight Livelihood Award Stiftung

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BILL MOLLISON IST EIN KÄMPFER. Ein Mann mit einem weißen Rauschebart, einem runden Gesicht und einem breiten Lächeln. Der 82-Jährige ist jemand, der nicht aufgibt, den Mut nicht verliert. Der Australier kämpft für eine nachhaltige Landwirtschaft. Für sein Konzept der Permakultur erhielt Mollison 1981 den Right Livelihood Award, den »Alternati-ven Nobelpreis«.

Permakultur setzt sich aus den englischen Wörtern perma-nent und agriculture (deutsch: dauerhafte Landwirtschaft) zu-sammen. Der Begriff umschreibt die Idee der nachhaltigen Landwirtschaft und besagt, dass eine Kultur nur dann fort-dauernd bestehen kann, wenn der Mensch stabile, produktive und natür liche Ökosysteme schafft. Dabei sollen sich die Teil-systeme eines Systems ergänzen. Pflanzen etwa haben einen mehrfachen Nut zen und stehen in Wechselwirkung mit den Tieren. In permakulturell konzeptionierten Lebensräumen le-ben Menschen, Tiere und Pflanzen harmonisch miteinander.

Mollison wurde 1928 in dem kleinen australischen Fischer-dorf Stanley geboren. Mit 15 Jahren verließ er die Schule und half seinen Eltern in ihrer Bäckerei. Bis 1954 probierte der Aus tralier verschiedene Berufe aus. Er verdiente sein Geld mit Fisch fang, als Müller, Traktorfahrer und Glasbläser. Doch dann erwachte sein Interesse für die Umwelt. Neun Jahre lang erforschte Mol lison als Biologe die Natur. Für die staatliche Forschungseinrichtung »Wildlife Survey Section« reiste er an entfernte Orte Australiens und beobachtete Kaninchen, Heu-schrecken und Beuteltiere.

Seine akademische Karriere startete Mollison 1968 als Psy-chologie-Dozent an der Universität von Tasmanien. Anfang der 1970er-Jahre erforschte er die Abstammung der tasmanischen Aborigines. Mollison war begeistert von deren Fähigkeit, ihre Ressourcen stets wieder zu verwenden und nicht zu verbrau-chen. Doch bekannt wurde der Australier vor allem als Erfin-der des Permakultur-Prinzips.

ANFANG DER 1960ER-JAHRE wurde Mollison bewusst, dass sich die Welt auf einem Kollisionskurs befindet, dass industri-elle Monokulturen, die den Boden mit Pestiziden verschmutzen, die natürliche Vielfalt einschränken. »Ich glaube, ich kann ein System schaffen, das besser funktioniert als das, was ich mir gerade ansehe«, schrieb Mollison. Doch diese Aufgabe schien zunächst zu groß für den Australier. Mollison verfluchte die Wis senschaft, die bisher an den Universitäten gelehrt und in Forschungseinrichtungen praktiziert worden war.

1972 kaufte er sich ein Stück Land, baute darauf ein Haus, eine Scheune und legte einen Garten an. Mollison suchte nach einem Weg aus der Ausbeutung der Welt. Ihm wurde bewusst, dass er die Theorie in die Praxis umsetzen musste. Das Ziel sollte es daher sein, die Prinzipien der Umweltwissenschaft in klare, anwendbare Richtlinien umzusetzen. Das war die Ge-burtsstunde der Permakultur.

Mit seinem Schüler David Holmgren entwickelte Mollison 1974 das Konzept nachhaltiger Landwirtschaft und veröffent-lichte die ersten Bücher »Permakultur I« und »Permakultur II«. Beide Bände sind in acht Sprachen übersetzt worden und ha-ben sich über 100.000-mal verkauft. Doch um wirklich etwas zu verändern, reichte ein Konzept auf dem Papier nicht aus. Mollison schrieb Artikel, hielt Vorträge und verbreitete seine Ideen auf diese Weise allmählich in der ganzen Welt. Der Aus-tralier gründete 1979 das Permaculture Institute und begann, sein Konzept zu unterrichten.

Mittlerweile haben mehr als 40.000 Menschen die Kurse über nachhaltigen Boden, Wasser, Pflanzen und legale ökonomi-sche Systeme besucht. Viele von ihnen lehren bereits selbst Mol lisons Konzept. Zudem sind in den vergangenen Jahrzehn-ten weltweit zahlreiche Permakultur-Institute entstanden. In Deutschland gibt es seit 1984 eine solche Einrichtung.

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Ein Weg aus der Ausbeutung der WeltDer Biologe Bill Mollison und sein Konzept der Permakultur

Ziel war es, die Prinzipien der Umweltwissenschaft in klare, anwendbare Richt-linien umzusetzen. Das war die Geburtsstunde der Permakultur.

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Mollisons Lehre hat sich als Alternative zu chemischer Land-wirtschaft in vielen Ländern durchgesetzt und ihm viel Anerken-nung eingebracht. Er wurde unter anderem zum »Aus tralian of the Year 2010« ernannt und als erster Ausländer zum Mit-glied der Russischen Akademie der Landwirtschaftlichen Wis-senschaft erklärt.

Momentan lebt Bill Mollison in Sisters Beach im Süden Australiens in der Nähe des Rocky Cape National Parks. Auch mit 82 Jahren unterrichtet er noch Konzepte der Permakultur, setzt sich mit seinen Studenten zusammen und erzählt ihnen Geschichten aus seinem Leben. ››› Gastbeitrag Kristin Haug, Schülerin der Deutschen Journa-listenschule in München

Weitere Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journa-listenschule in München (DJS) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruktiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

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Die Biologin Wangari Maathai und ihr »Green Belt Movement«

WANGARI MAATHAI KÄMPFT GEGEN ARMUT UND UM-WELTZERSTÖRUNG. Ein Haus bauen, ein Kind zeugen, einen Baum pflanzen. Das soll ein Mann im Leben erreichen. Zwar ist Wangari Muta Maathai eine Frau, aber ein einziger Baum würde ihr sowieso nicht ausreichen. 1977 gründete sie das »Green Belt Movement« – die Grüngürtel-Bewegung – und erreichte damit, dass bis heute schon mehrere Millionen Bäu-me gepflanzt worden sind. Dafür wurde sie mit Preisen und Auszeichnungen verschiedenster Art bedacht.

Geboren wurde Wangari Maathai 1940 im Dorf Ihithe in Kenia. Sie besuchte eine Klosterschule und erhielt ein Stipen-dium für ein Biologie-Studium in den USA. 1971 wurde ihr als erster Frau Kenias ein Doktortitel an der University of Nairo-bi verliehen. Im gleichen Jahr wurde sie zur ersten Professorin für Veterinäre Anatomie ernannt.

Als Wangari Maathai am 10. Dezember 2004 in Oslo eine Rede hielt, war sie wiederum die Erste. Die erste Afrikanerin, die den Frie densnobelpreis entgegennehmen durfte. Sie war ganz in Orange gekleidet, ein farblich passendes Haartuch schmückte sie mit einer kunstvollen Schleife. Ihre Rede begann die da-mals 64-Jäh rige mit den Worten: »Ich stehe hier vor Ihnen und der Welt, überwältigt durch diese Beachtung und getra-gen durch die Ehre, die Preisträgerin des Friedensnobelpreises 2004 zu sein. Als die erste afrikanische Frau, die diesen Preis erhält, nehme ich ihn an – für die Menschen Kenias und Afri-kas und der ganzen Welt.«

Ausgezeichnet wurde die Kenianerin, die drei Kinder hat, für ihren Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung, Demokratie und Frieden. Weiter begründete die Jury: »Sie hat einen gesamt-heitlichen Zugang zur nachhaltigen Entwicklung gewählt, der Demokratie, Menschenrechte und insbesondere Frauenrechte umfasst.«

DIE IDEE, die Maathai weltweit zu solcher Berühmtheit brach-te, entstand, als sie darüber nachdachte, dass in ihrer Heimat Frauen und Kinder immer weiter von ihren Dörfern entfernt nach Feuerholz und Futter für ihre Tiere suchen mussten. Am 5. Juni 1977 pflanzte sie gemeinsam mit Anderen die ersten sie ben Bäume. Zwei dieser Bäume stehen immer noch und spenden Schatten, mitten in der Hauptstadt Nairobi.

Seitdem wurden mehrere Millionen Bäume in ganz Kenia gepflanzt, finanziert durch Spenden und den Verkauf der Bäu-me. Diese liefern Feuerholz und Futter für Tiere. Die Frauen haben durch die neugepflanzten Bäume kürzere Wege. Außer-dem beugt die Neubepflanzung der Bodenerosion vor: In der Regenzeit wird nicht mehr so viel Ackerboden abgetragen und die Erde bleibt fruchtbar.

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Baum für Baum

Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (djs) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

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A l n a t u r a M a g a z i n 2 .2 011 21

Wangari Maathai hat es geschafft, die Debatte über Ökologie in Kenia in eine Massenbewegung zur Wiederaufforstung zu verwandeln.

Bei der Gründung des Green Belt Movement ging es Wangari Maathai jedoch nicht nur um die Wiederaufforstung. Damit bis heute überhaupt so viele Bäume gepflanzt werden konnten, gründete die Organisation eigene Baumschulen. Die Mitarbei-ter, die die jungen Setzlinge betreuen, gehören zu den Ärms ten des Landes. Es sind hauptsächlich Frauen, viele von ihnen ha-ben die Schule abgebrochen oder haben eine Behinderung. Durch die Arbeit in den Baumschulen des Green Belt Move-ment haben sie die Möglichkeit, Geld zu verdienen, und müssen nicht betteln gehen. Auch Schulklassen und Jugendgruppen sind in das Projekt eingebunden. So wird das Wissen über die Bäume direkt an die nächste Generation weitergegeben.

Für diese Mischung aus Frauenförderung und Umwelt-schutz erhielt Wangari Maathai bereits 1984 den Right Liveli-hood Award, der häufig als »Alternativer Nobelpreis« bezeich-net wird. »Ihre herausragende Vision und die Arbeit für die Erde und die Menschen« waren Gründe, die die Right Liveli-hood Award Stiftung für ihre Wahl nannte. Vor allem habe

Wangari Maathai es geschafft, die Debatte über Ökologie in Kenia in eine Massenbewegung zur Wiederaufforstung zu ver-wandeln. Der sogenannte Alternative Nobelpreis wird seit 1980 an Persönlichkeiten vergeben, die sich für die Gestaltung einer besseren Welt einsetzen.

DER EINFLUSS DES GREEN BELT MOVEMENT IST JEDOCH NICHT NUR AUF KENIA BEGRENZT. Inzwischen ist die Idee in weitere afrikanische Staaten getragen worden und auch dort sind Projekte zur Aufforstung entstanden. Selbst in Deutsch-land gibt es mittlerweile eine groß angelegte Baumpflanz-aktion. Sie heißt »Plant-for-the-Planet« und wurde von drei Schülern gegründet.

Wangari Maathai versucht, auch politisch etwas zu bewe-gen. Von 2003 bis 2007 beispielsweise war sie als beratende Ministerin für Umwelt und natürliche Ressourcen Teil der Re-gierung Kenias. Auch in der Afrikanischen Union arbeitete sie im Bereich Umwelt mit.

Die Hauptanliegen von Wangari Maathai sind aber nach wie vor neben der Umwelt auch die Probleme der Frauen sowie eine standhafte Demokratie. Vor allem für die Natur und die Frau en hat sie in Kenia mit dem Green Belt Movement viel erreicht.››› Gastbeitrag Veronika Streuer, Schülerin der Deutschen Journalistenschule in München

Weitere Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

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20 A l n a t u r a M a g a z i n 3.2 011

Das Ehepaar Schmeiser und sein Kampf gegen genmanipuliertes Saatgut

PERCY UND LOUISE SCHMEISER STEHEN NEBENEINAN-DER UND LÄCHELN. Die beiden wirken auch nach fast 60 gemeinsamen Ehejahren noch sehr glücklich miteinander. Die kanadischen Landwirte haben viel durchgestanden. Auch einen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen den milliardenschweren Gentechnik-Konzern Monsanto. 2007 erhielten sie für ihr En-gagement gegen die Gentechnik den Right Livelihood Award, den »Alternativen Nobelpreis«.

Das Leben der Schmeisers verlief bis 1998 eigentlich ganz gewöhnlich. Sie waren eine Familie, die in der kanadischen Pro-vinz Saskatchewan von der Landwirtschaft lebte und haupt-sächlich Raps anbaute. Percy Schmeiser engagierte sich neben seiner Tätigkeit als Landwirt auch in der Lokal- und Kommu-nalpolitik.

In jenem Jahr jedoch machten die Schmeisers erstmals Be-kanntschaft mit dem amerikanischen Konzern Monsanto. Die-ser verklagte Percy Schmeiser, da auf seinen Feldern genmanipu-lierter Roundup-Ready Raps entdeckt wurde, eine von Mon-santo patentierte Raps-Sorte. Monsanto warf ihm vor, er hätte den genmanipulierten Rapssamen illegal für seinen Anbau be-nutzt. Tatsächlich aber hatte er das nicht. Der Wind hatte das Monsanto-Saatgut der benachbarten Felder auf Schmeisers Anbauflächen geweht.

Monsanto dominiert weltweit den Markt für Gen-Saatgut. Die Firma rückt sich gerne in ein positives, vor allem aber in ein ökologisch wertvolles Licht: Um Menschenrechte, Nach-haltigkeit und Zukunft gehe es dem Unternehmen. Mit gen-manipuliertem Saatgut könne man die große Hungersnot auf der Welt bekämpfen. Der bittere Beigeschmack ist aber, dass Monsanto kein Öko-Unternehmen, sondern ein milliarden-schwerer Konzern ist, dem es vor allem um eines geht: Profit.

2009 WUCHSEN AUF ACHT PROZENT DER WELTWEITEN ACKERFLÄCHE GENTECHNISCH VERÄNDERTE PFLANZEN. 90 Prozent davon kamen aus den Laboren von Monsanto. Das Problem, das viele Kritiker hier sehen, ist die Monopolstellung des Konzerns. Monsanto besitzt über 700 Patente, zum Bei-spiel für Mais, Baumwolle, Soja oder Raps wie den Roundup-Ready Raps. Diese gentechnisch veränderte Nutzpflanze voll-bringt gepaart mit dem Monsanto-Spritzmittel Roundup, das Unkräuter vernichtet, angeblich wahre Wunder: Die Ernten fallen bis zu dreimal so hoch aus. Auch wenn die Anschaffung dieser Kombination bis zu 70 Prozent teurer ist, der Gewinn, der sich damit erzielen lässt, scheint äußerst lukrativ.

Schmeiser aber wehrte sich. Nachdem Monsanto ihn 1998 ver klagt hatte, begann ein langer Rechtsstreit, der sich bis 2004 hinzog. Zwar musste Schmeiser kein Geld an den Kon-zern zahlen, aber der oberste kanadische Gerichtshof bestätigte

Monsanto die Eigentumsrechte am Roundup-Ready Raps. Die-se besagen, dass, sofern die Bauern den Roundup-Ready Raps nutzen, sie an Monsanto Lizenzgebühren zahlen müssen. Die Bauern durften ihr Saatgut nicht mehr einfach selbstständig vermehren. Sie durften nicht, wie bis dahin üblich, Samen aus der Ernte aufbewahren, um sie im nächs ten Jahr auszusäen. Sie müssen Monsanto vertraglich festgelegte Summen zahlen, wenn sie die Samen verwenden.

Percy Schmeiser kämpft für das Recht der Bauern, das Saat gut auf ihrem eigenen Land selbst zu vermehren, und gleich-zeitig gegen die Patentansprüche von Monsanto. Durch seine Standhaftigkeit in diesem langen Rechts streit gegen das Groß-unternehmen Monsanto wurde Schmeiser zum Sprachrohr und zur Leitfigur vieler Landwirte, die sich gegen genmanipu-liertes Saatgut stellen.

Als die Schmeisers im Jahr 2005 abermals genmanipulierte Mosanto-Pflanzen auf ihren Äckern fanden, forderten sie den Konzern auf, sie zu entfernen. Monsanto tat dies nicht. Deshalb verklagten die Schmeisers den Konzern auf Schadensersatz für das Ausreißen dieser Pflanzen. Drei Jahre später einigten sich Schmeiser und Monsanto außergerichtlich: Monsanto kam für den entstandenen Schaden auf, der durch die Entfernung des genmanipulierten Rapses entstanden war. Die Tatsache, dass Monsanto hier nachgab, war für die Schmeisers ein gro-ßer Erfolg und setzte ein Zeichen für viele Landwirte.

Über 50 Länder hat der heute 80-jährige Percy Schmeiser seit 1998 gemeinsam mit seiner Frau Louise bereist, um Vor-träge zu halten und auf die Auswirkungen von genmanipulierter Saat aufmerksam zu machen. Ihnen geht es vor allem darum, zu zeigen, dass genmanipulierte Pflanzen sich nicht auf einen Acker begrenzen lassen, sondern auch umliegende Felder und das Saatgut verunreinigen. Ein wichtiger Punkt, den Schmei-ser bei seinen Vorträgen immer wieder betont, ist, dass die Ausbreitung von genmanipulierten Nutzpflanzen sich nicht kontrollieren lasse. Ihm liegt daran, dass die Bauern und Ver-braucher eine bewusste Entscheidung für oder besser gegen gentechnisch veränderte Pflanzen treffen und sich nicht von den Agrarkonzernen überrumpeln lassen.

In den USA wurde im Jahr 2009 erstmals wild wachsen-der, gentechnisch veränderter Raps entdeckt, der resistent ge-gen das Roundup-Herbizid von Monsanto ist. Auch hier weh-te der Wind wohl den Rapspollen gentechnisch behandelter Pflanzen über weite Strecken fort. ››› Gastbeitrag Natalia Lucic, Schülerin der Deutschen Journalis-tenschule in München

Weitere Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

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Unermüdliche Kämpfer

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Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (djs) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

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20 A l n a t u r a M a g a z i n 4 .2 011

Die Ökonomin Alice Tepper Marlin und ihr Einsatz für ein humanes Wirt-schaftssystem

IHRE AUGEN SIND WACHSAM. Sie blitzen sogar ein biss-chen, wenn Alice Tepper Marlin über ihre Ideen spricht. Sie hat viel erreicht in ihrem Leben. Angefangen hat alles mit einem »Friedens-Portfolio« für Anleger, das sie 1968 erstellte: ein Port-folio für alle, die nicht in Firmen investieren wollten, die in Kriege eingebunden sind. Seitdem hat Tepper Marlin einiges be wegt. Nicht zuletzt mit dem Konzept SA8000, das heute weltweit Maßstäbe setzt.

Aufgewachsen ist die heute 66-Jährige an der amerikani-schen Ostküste, im Bundesstaat New Jersey. Quasi als Einzel-kind, wie sie selbst sagt. Ihre Schwester ist zehn Jahre älter als sie. Ein großer Hund und zeitweise sogar ein Affe gehörten zum Haushalt. Sie erinnert sich gern an ihre Kindheit.

Im Laufe ihrer Ausbildung am Wellesley College und an der Stern School of Business der New York University wurden so-ziale Themen immer wichtiger für Alice Tepper Marlin. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie als Wertpapier-Analystin in Bos-ton. Dort wurde sie damit beauftragt, ein Portfolio zu erstellen, das nur Firmen umfasste, die nicht in der Waffenindustrie tätig und nicht am Vietnam-Krieg beteiligt waren. Dieses »Friedens- Portfolio« wurde von zahlreichen Leuten angefragt.

Tepper Marlin dachte sich, dass es solche Informationen über Unternehmen auch für andere Bereiche geben sollte. Und so gründete sie das »Council on Economic Priorities« (CEP) – eine Organisation, die sich mit den Themen nationale Sicher-heit, Energie und Umwelt sowie Unternehmerverantwortung befasst. Großen Anklang fand das 1988 erstmals veröffent-lichte Buch »Shopping for a Better World« – auf Deutsch: Ein-kaufen für eine bessere Welt –, das mittlerweile in zahlreichen Auflagen erschienen und über eine Million Mal verkauft wor-den ist. In diesem Einkaufsratgeber findet man für die unter-schiedlichs ten Gebrauchsgegenstände, von der Zahnbürste über Toiletten papier bis zum Telefon, jeweils Hersteller, die beson-ders sozial oder umweltfreundlich arbeiten. Darüber hinaus gibt es auch Tipps für Anleger. Das Buch wurde in den USA zum Bestseller. Auch speziell für Studenten brachte das CEP einen solchen Ratgeber heraus.

ALICE TEPPER MARLIN ARBEITETE BIS 2002 FÜR DAS CEP, sie war insgesamt 33 Jahre als Präsidentin für das CEP tätig. Für ihr Engagement in diesem Bereich bekam sie 1990 den »Alternativen Nobelpreis«, den Right Livelihood Award, ver-liehen. Tepper Marlin habe die Richtung aufgezeigt, die die westliche Ökonomie einschlagen müsse, um das Wohlergehen der Mensch heit voranzutreiben, begründete die Jury.

Die Preisträgerin, die heute in Manhattan und East Hamp-ton im Bundesstaat New York lebt, ruhte sich auf diesen Erfol-gen nicht aus. 1997 gründete Alice Tepper Marlin die Organi-sation Social Accountability International (SAI), deren Präsiden-tin sie seither ist. Zudem ist sie seit 2004 an der Stern Business School der New York University tätig und arbeitet dort unter anderem als Dozentin. Ihr Ehemann, John Tepper Marlin, ist ebenfalls an der Stern Business School beschäftigt. Die beiden haben zwei bereits erwachsene Kinder.

Nachdem Alice Tepper Marlin mit dem Einkaufsratgeber des CEP in den USA viel bewegt hat, kann sie mit SAI auch weltweit Einfluss nehmen. Die gemeinnützige Organisation hat im Jahr 1997 einen internationalen Standard für Arbeits-bedingungen ausgearbeitet, mit dem sich Unternehmen zertifi-zieren lassen können. Dabei wird nicht nur auf die Bedingun-gen im Hauptunternehmen geachtet, sondern es werden auch die Zustände in den zuliefernden Firmen berücksichtigt.

Um ein SA8000-Zertifikat zu erhalten, darf es in den Unter-nehmen unter anderem weder Kinder- noch Zwangsarbeit ge-ben. Auch die Arbeitszeit und das Lohnniveau werden bei der Bewertung mitberücksichtigt. Vor allem in Italien, Indien und China gibt es Firmen, die bereits ein solches Zertifikat haben. Die Firmen melden sich freiwillig für die Zertifizierung an.

Wenn sich das SA8000-Zertifikat weiter durchsetzt, bei-spielsweise in Ländern wie Thailand, Taiwan oder Sri Lanka, und die Menschen sich darüber informieren und ihr Kaufver-halten entsprechend anpassen, dann hat Alice Tepper Marlin nicht nur eine Richtung vorgegeben, sondern einen tatsächli-chen Wandel, ein Umdenken möglich gemacht.››› Gastbeitrag Veronika Streuer, Schülerin der Deutschen Jour-nalistenschule in München

Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

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Einkaufen für eine bessere Welt

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Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (djs) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

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Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (djs) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

SUNDERLAL BAHUGUNA, einer der bekann-

testen Anführer der Chipko-Bewegung,

nahm im Jahre 1987 den »Alternativen Nobel-

preis« oder auch Right Livelihood Award für die

Bewegung entgegen.

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A l n a t u r a M a g a z i n 5.2 011 21

Die Chipko-Bewegung und ihr gewaltfreier Widerstand gegen die Abholzung der Himalaja-Wälder.

Die Anhänger der Chipko-Bewegung waren Pioniere – Pioniere des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit und das in einer Zeit, in der die Wenigsten etwas mit diesen Begriffen anzufan-gen wussten. Es war eine Zeit, in der es vielmehr darum ging, den Fortschritt voranzutreiben und auf dem Weltmarkt mitzu-halten. Auch in Indien: In den 1960er-Jahren wurden hier, vor allem im Himalaja-Gebiet, viele Wälder gerodet. Erdrutsche und Überschwemmungen waren die Folgen. Ernten und Häuser wurden zerstört. Vor allem die ländliche Bevölkerung, die ein-fachen Bauern, litten stark, denn die Waldgebiete waren existen-ziell für ihren Lebensunterhalt. Nach den Rodungen waren es vor allem die Frauen in den Bauernfamilien, die nun immer weitere Wege zurücklegen mussten, um Nahrung und Wasser zu beschaffen.

Aus dieser Situation heraus entwickelte sich Anfang der 1970er-Jahre die Chipko-Bewegung, deren Ausrichtung der Philosophie Gandhis folgt – einer Lehre, der zufolge versucht wird, mit gewalt freiem Widerstand die jeweiligen Ziele zu er-reichen. Der Widerstand der Chipko-Bewegung richtete sich gegen Menschen, die die na tür lichen Ressourcen in den Wäl-dern schädigten und so das ökolo gische Gleichgewicht störten. Sie entstand allerdings aus einer spontanen Aktion heraus. Chipko bedeutet auf Hindi »umarmen«, und das war es auch, was die Anhänger dieser Bewegung taten: Sie umarmten Bäu-me und schützten sie so davor, gefällt zu werden. Eine gewalt-freie Bewegung also, deren Ziel der Schutz und die Erhaltung der Bäume und Wälder war und ist.

SEINEN ANFANG NAHM DER WIDERSTAND IM JAHR 1973. Beauftragte Firmen waren in ein Dorf gekommen, um mehrere Hundert Bäume für einen Sporthersteller zu fällen, der daraus Tennisschläger fertigen wollte. Die Gegend war zuvor schon fast kahl gerodet worden. Schnell versammelten sich daher die Frauen des Dorfes, um zu verhindern, dass auch die letzten Bäume verschwanden. In ihrer Verzweiflung sahen sie keinen anderen Weg, als sich an den Bäumen festzuklammern. Die Holz fäller versuchten, sie mithilfe von Waffen einzu schüchtern, hatten aber keinen Erfolg. Die Frauen blieben stand haft und ließen nicht von den Bäumen ab, sodass die Holzfäller sich an diesem Tag geschlagen geben mussten. Sie zogen ab.

Ein Jahr später ereignete sich in einer anderen Region das gleiche. Und auch in den nächsten Jahren gelang es den Men-schen immer wieder, sich mittels der »Umarm-Methode« zu

wehren. Die Frau en erzählten einander von dem geglückten Widerstand. Sie sprachen darüber an den Wasserstellen, auf ihren Wanderwegen und auf den Märkten. Bis Ende der 1970er-Jahre wurden in ganz Indien immer wieder Bäume umarmt und auf diese Weise vor dem Fällen bewahrt.

In den 1980er-Jahren hatte sich schließlich die Idee der Chip ko-Bewegung in ganz Indien verbreitet. Die Frauen hatten fest gestellt, dass sie nicht machtlos waren, auch wenn es ihnen anfangs so erschienen war. Eine kleine, durch engagierte, muti-ge Frauen entstan dene Bewegung hatte es geschafft, zu einer nationalen Aktion zum Schutz der Bäume zu werden. Die Chip-ko-Bewegung erreichte es, die schnelle Waldrodung einzudäm-men und schuf nicht nur ein Bewusstsein für Umweltschutz, sondern rüttelte auch die Zivilgesellschaft in Indien auf. Und vor allem nahmen die ärmeren Bauern ihr Schicksal nicht mehr einfach so hin.

AUCH WENN DIE CHIPKO-BEWEGUNG VORWIEGEND VON FRAUEN REPRÄSENTIERT WURDE, gab es auch viele Männer, die sich ihr anschlossen und für die Rechte der Landbevölke-rung und für den Umweltschutz eintraten. Einer der bekann-tes ten Chipko-Anführer ist Sunderlal Bahuguna. Mit ihm hatte die Bewegung auch politisch Fahrt aufgenommen. Mit seiner Forderung »ecology is the permanent economy – Ökologie ist die dauerhafte Wirtschaft« wurde er zum politischen Sprach-rohr der Initiative. Er sprach 1980 bei der damaligen indi-schen Premierministerin vor und erreichte, dass im Himalaja-Gebiet das Fällen der Bäume verboten wurde. Von 1981 bis 1983 legte Ba huguna einen 5.000 Kilometer langen Fuß-marsch durch das Himalaja-Gebiet zurück und verbreitete die Chipko-Botschaft. Bahuguna erhielt stellvertretend für die ge-samte Chipko-Bewegung 1987 den Right Livelihood Award, den Alternativen Nobelpreis.

Der Chipko-Bewegung gelang es, größere Probleme der öko-logischen und wirtschaftlichen Ausbeutung der Region öffent-lich zu machen. Die Dorfbewohner forderten Verträge, die das Ausbeuten der Wälder verhinderten und den örtlichen Gemein-den die Kontrolle über ihre natürlichen Ressourcen zusicherten.

Über die letzten vier Jahrzehnte haben sich viele indische Umweltaktivisten immer wieder auf die Chipko-Bewegung be-rufen. Denn auch sie wissen: Fortschritt funktioniert nur, wenn die Umwelt im Gleichgewicht bleibt.››› Gastbeitrag Natalia Lucic, Schülerin der Deutschen Journa-listenschule in München

Weitere Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

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Umweltschutz-Pioniere

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Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (DJS) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

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A l n a t u r a M a g a z i n 6.2 011 21

René Ngongo Mateso und sein Engagement für den Erhalt des Regenwaldes

MEHR ALS VIERHUNDERT SÄUGETIER- UND TAUSEND VO GEL ARTEN, dazu eine unfassbare Vielfalt in der Pflanzen-welt und Lebensgrundlage für Millionen Menschen: Das bie-tet das zweitgrößte Regenwaldgebiet der Welt. Der tropische Urwald im Kongobecken, im Herzen Afrikas, ist nicht nur um seiner selbst willen erhaltenswert, sondern spielt auch eine wichtige Rolle für die Stabilität des Weltklimas. Doch die kah-len Flächen, die der Raubbau durch den Menschen in den Wald frisst, werden immer größer.

Als der Kongolese René Ngongo vor rund 20 Jahren ein Satellitenbild von dem gefährdeten Urwald seines Heimatlan-des sieht, ist er entsetzt. »Schlagartig wurde mir klar, wie weit die Abholzung des Urwaldes schon gediehen war. Sofort konnte ich mir ausmalen, was dies für die Bevölkerung bedeu-tet«, erklärt er seine Reaktion. Das ist der Moment, der den Grundstein legt für ein Projekt, das Ngongos Leben von nun an bestimmen wird.

Seit Anfang der 1990er-Jahre setzt René Ngongo sich für den Erhalt des Regenwaldes im Kongo ein. Er gründete die »Or-ganisation Concertée des Ecologistes et Amis de la Nature« (OCEAN) und eröffnete 2008 als Schirmherr das erste Green-peace-Büro in Kinshasa. Für sein Engagement wurde er 2009 mit dem Right Livelihood Award geehrt, der auch als der »Al-ternative Nobelpreis« bekannt ist.

René Ngongo Mateso wurde im Oktober 1961 in Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) gebo-ren. Er studierte Biologie an der Universität in Kisangani und forschte an mehreren Universitäten in seinem Heimatland. Der 49-Jährige lebt heute in Kinshasa, zusammen mit seiner Frau und seinen vier Kindern.

RENÉ NGONGO HAT VIEL FÜR DIE UMWELT IN SEINEM LAND GETAN. Der Regenwald leidet darunter, dass die Be-völkerung in ihrer Armut die alten Bäume fällt, um beispiels-weise Feuerholz zu gewinnen. Doch vor allem setzt dem Wald der kommerzielle Raubbau zu, der sich nicht nur für das Holz der Bäume, sondern auch die unter der Erde verborgenen Bo-denschätze wie beispielsweise Öl interessiert. Ngongos Arbeit begann im Kleinen: Er warb für Wege, die der Bevölkerung ermöglichen sollten, für Brennholz und Nahrung zu sorgen, ohne dabei den Urwald zu schädigen. Mit einem wöchentli-

chen Radiobeitrag zum Thema Umweltschutz, mit dem er acht Jahre lang auf Sendung war, sowie mit Fortbildungen für Bauern klärte Ngongo die Menschen in seinem Land auf. Sie sollten wissen, was es für sie bedeutet, wenn der Wald schwin-det, und was sie tun können, um das zu verhindern.

Um den, wie er sagt, »größten Obst- und Gemüseladen der Welt und die beste Apotheke« zu erhalten, sorgte er dafür, dass die am stärksten gefährdeten Baumarten in einer Baum-schule nachgezogen werden konnten – mit 20.000 Setzlingen. Wie auch die kenianische Umweltaktivistin Wangari Maathai setzte Ngongo dabei auf Kinder als Mitaktivisten und Multi-plikatoren seiner Ideen.

ALS 1996 DER SECHSJÄHRIGE BÜRGERKRIEG IM KONGO AUSBRACH, hielt das René Ngongo nicht davon ab, sich wei-ter zu engagieren. Er beobachtete den Abbau der Ressourcen im Kongo und machte OCEAN zu einer zuverlässigen Infor-mationsquelle bezüglich der illegalen Ausbeutung von Boden-schätzen und Holz in seinem Land. Damit kommt er oft denen zu nahe, die er als die Verantwortlichen identifiziert, und geht nicht selten persönliche Risiken ein. Beschimpfungen und Drohungen waren und sind keine Seltenheit.

Ngongo kritisierte die Regierung, die gefasste Beschlüsse zum Schutz der Wälder nicht ausreichend streng durchsetzte, und er kritisiert noch heute die großen Firmen, die in der DRK die Wälder ausbeuten. Diese zahlten »miserable Löh-ne«, und die Schulen und Gesundheitszentren, die sie zum Ausgleich für die Holzernte bauen wollten, seien bisher nicht entstanden, so Ngongos schlagende Argumentation.

Die Jury des Right Livelihood Awards ehrte Ngongo 2009 »für seinen Mut, sich jenen Kräften entgegenzustellen, die die Regenwälder des Kongo zerstören, und für seine Bemühun-gen, politische Unterstützung für deren Bewahrung und nach-haltige Nutzung zu schaffen«.

Auch wir können etwas für den Regenwald im Kongo tun. Politische Einflussnahme ist sinnvoll, doch es geht auch ganz einfach: »Sie können beim Kauf von Holzprodukten auf Zer-tifikate achten, die die Herkunft des Holzes dokumentieren«, empfiehlt Ngongo.››› Gastbeitrag Christina Jungkurth, Schülerin der Deutschen Journalistenschule in München

Weitere Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

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Gegen alle Widerstände

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Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (djs) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

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A l n a t u r a M a g a z i n 7.2 011 21

Der Ökologe Michael Succow und sein Kampf für Naturschutzgebiete

WIE DON QUICHOTTE SIEHT ER NICHT AUS, nur sein Bart erinnert ein wenig an den Ritter, der erfolglos gegen Wind-mühlen kämpfte. Michael Succow hingegen hat zahlreiche Er-folge vorzuweisen. Manchmal fühlt er sich trotzdem wie die Romanfigur. »Meine Anstrengung scheint hin und wieder nicht genug Ertrag zu bringen. Aber ich gebe nicht auf«, sagt der deutsche Ökologe und Moorforscher. Seit Jahrzehnten setzt er sich für Naturschutzgebiete in Europa und Asien ein. Dafür erhielt er 1997 den Right Livelihood Award, den Alternativen Nobelpreis – laut Jury »für seinen Einsatz, natürliche Ökosys-teme für zukünftige Generationen zu sichern«.

Der Preis sei eine große Überraschung und Ehre gewesen. »Die Auszeichnung hat mir Türen geöffnet, indem sie anderen Menschen Vertrauen in meine Arbeit schenkte«, erzählt Succow. Mit dem Preisgeld gründete er eine nach ihm benannte Stiftung, die Weltnaturerbe-Gebiete und Nationalparks einrichtet.

Der 70-Jährige arbeitete bereits in zahlreichen Regionen der ehemaligen Sowjetunion sowie in Zentral- und Ostasien. Dut-zende Naturschutzgebiete hat er in Ländern wie Kasachstan, dem Iran oder der Mongolei initiiert. Die Gebiete umfassen mehrere Millionen Hektar Steppen, Urwälder, Seen, Wüsten, Moore und Gebirge. Wie viele genau, weiß Succow nicht. Als einen seiner größten Erfolge bezeichnet er das Weltnaturerbe-Gebiet auf Kamtschatka, der Halbinsel im östlichen Russland. »Einige Industriestaaten wollten dort Öl pumpen, Wälder ro-den, Lachse fangen, aber wir haben das verhindert«, erzählt er über das Gebiet von der Größe der Schweiz.

Vor Kurzem war Succow in Usbekistan. Die dortige Regie-rung hatte seine Stiftung gebeten, sie beim Aufbau von Natio-nalparks zu unterstützen. Auf der Fahrt begleiteten ihn einige seiner Mitarbeiter sowie zwei Vertreter des Bundesumweltmi-nisteriums – eine von zahlreichen Institutionen, die seine Stif-tung finanziell unterstützen. Vor Ort sprachen Succow und sein Team mit Politikern, stellten Anträge und veranstalteten Konferenzen, bei denen Einheimische ihre Meinungen und Ideen mit einbringen konnten.

SEINE LEIDENSCHAFT FÜR DIE NATUR erklärt sich Succow aus seiner Kindheit. Er wuchs auf einem Bauernhof in der Mark Brandenburg auf. »Damals gab es bei uns keine Autos, nur das Getrappel der Pferdehufe. Ich habe Schafe gehütet und hatte dabei Zeit, Vögel zu beobachten, Tagebuch zu schreiben

und Zwiesprache mit der Natur zu halten«, erzählt Succow. Als junger Biologe hielt er in der damaligen DDR Vorträge

und warnte vor den Schäden der intensiven Landwirtschaft. So wurde die Stasi auf ihn aufmerksam. Succow sei schwer mundtot zu machen, stellte sie fest und drängte ihn, der SED beizutreten. Er wählte das vermeintlich geringere Übel und zog für die Blockpartei LDPD in den Agrarausschuss der Volks-kammer. 1990 vertrat Succow kurzzeitig den Umweltminister und erreichte, dass sieben Prozent der Fläche der DDR unter strengen Naturschutz gestellt wurden. Zwei Jahre nach der Wende ging er als Professor für Landschaftsökologie an die Universität Greifswald nach Mecklenburg-Vorpommern.

In seinem Reihenhaus am Rande von Greifswald arbeitet der mittlerweile im Ruhestand lebende Professor am liebsten in seinem Öko-Garten. »Er ist neben meiner Frau und meinen zwei Kindern meine große Liebe«, sagt er und erzählt von den Bohnen, Kartoffeln und Erdbeeren, die er dort anbaut, vom Mulch, der den kompletten Boden bedeckt, von der Streuobst-wiese und den vielen Regenwürmern in der Erde.

TROTZ SEINER HEIMATVERBUNDENHEIT IST SUCCOW FÜR DIE STIFTUNG NACH WIE VOR OFT UNTERWEGS. »Ich liebe das Reisen, aber gerade wenn wir in Deutschland Frühling haben und der Flieder blüht, fällt es schon etwas schwer, in die Wüste zu fahren«, gesteht er. Trotzdem schätze er die Erfahrungen in der Fremde. »Viele Menschen in Mittel-asien sind spirituell eng mit ihrem Land verbunden. Sie haben Ehrfurcht vor der Verletzlichkeit der Natur.«

Manchmal zweifle er deswegen an der westlichen Kultur, egal ob Sozialismus oder Kapitalismus. »Wir zerstören unsere Lebensgrundlage. Das macht mich traurig und wütend. Manch-mal empfinde ich eine Ohnmacht.« Trotzdem arbeitet er wei-ter. Vor allem seine Familie gibt ihm dabei Kraft. Seine Töchter und die vier Enkel setzen sich ebenfalls für den Naturschutz ein und unterstützen die Stiftung. »Deswegen denke ich, es war nicht umsonst, und es wird weitergehen. Das macht mich sehr froh«, erzählt er. Wohin die nächsten Projekte ihn brin-gen werden, weiß er noch nicht. Aber geben wird es sie auf jeden Fall.››› Gastbeitrag Sonja Kaun, Schülerin der Deutschen Journalis-tenschule in München

Weitere Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

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Leidenschaft für die Natur

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20 A l n a t u r a M a g a z i n 8 .2 011

Die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva und ihr Einsatz für eine nachhaltige Landwirtschaft

ALLES BEGANN AN EINEM FLUSS. Bevor die heute 58-jäh-rige Inderin Vandana Shiva für ihr Studium nach Kanada ging, wollte sie noch einmal den Fluss besuchen, an dessen Ufer sie sich als Kind immer gerne aufgehalten hatte. Doch als sie dort ankam, war der Fluss nicht mehr da, er war ausgetrocknet. In diesem Moment begriff die junge Inderin, dass die Welt sich verändert, dass natürliche Ressourcen und natürliches Wachs-tum begrenzt sind. Sie verstand, dass die Umwelt nicht unbe-schadet bestehen konnte, wenn die Menschen sich nicht für sie einsetzten. Zu diesem Zeitpunkt beschloss Vandana Shiva, sich selbst aktiv für die Umwelt einzusetzen.

Zunächst studierte Vandana Shiva Physik. Zurück in Indi-en etablierte sie sich als eine der führenden Physikerinnen des Landes, bis sie erkannte, dass ihr Weg ein anderer sein würde. »Die vorherrschende Wissenschaft und Technologie dient den Interessen der Mächtigen«, kritisiert sie. Doch sie selbst woll-te einen anderen Weg gehen und seit vielen Jahren kämpft Shiva für die Umwelt, eine nachhaltige Landwirtschaft und gegen genmanipulierte Nahrung. Vieles müsse sich ändern, findet Shiva. Es sei schlimm mitanzusehen, dass Konzerne wie Monsanto den Weltmarkt für Saatgut bestimmen. Zu genma-nipuliertem Saatgut sagt sie kurz und knapp: »Das ist kein Erzeugnis, das ist Verschmutzung. Anstatt die Konzerne mit einem Patent zu belohnen, sollten sie bestraft werden, weil sie unsere Nahrungskette verunreinigen.«

VANDANA SHIVA, die Frau mit dem Bindi auf der Stirn, ge-hüllt in einen seidenen Sari, spricht mit einer tiefen, kräftigen Stimme. Während sie spricht – über die Ungerechtigkeit, die den Bauern widerfährt, über Pestizide, die Tiere und Men-schen vergiften – lächelt sie aber immer wieder. Denn sie ist trotz allem optimistisch und glaubt daran, dass sich diese Zu-stände durch couragierten Einsatz auch wieder zum Guten wenden lassen.

Dieser Optimismus treibt sie schon lange an: Vor 20 Jahren rief sie die Organisation »Navdanya« – auf deutsch »Neun Saa-ten« – ins Leben. Es war ein Protest gegen den Versuch von Un-ternehmen, Saatgut, Nutzpflanzen und Lebensformen zu pa-tentieren. Vandana Shiva sagt, es sei eine Unart, Menschen so abhängig zu machen. Denn dieses Saatgut könne nur in Kom-bination mit teuren und speziell darauf abgestimmten Dünge-mitteln gedeihen. Und das Schlimmste: Die Bauern müssten jedes Jahr neues Saatgut kaufen, anstatt einen Teil der geernte-ten Samen aufzubewahren, um diese im nächsten Jahr auszu-

säen. Aus der Organisation Navdanya entwickelten sich in ganz Indien 46 sogenannte Saatbanken, die biologisch wirt-schaftende Landwirte unterstützen. Shiva hofft, dass die Bau-ern so nachhaltig Landwirtschaft betreiben können. Für die Inderin liegt der Schlüssel zur künftigen Landwirtschaft darin, sich wieder auf das Ursprüngliche zu konzentrieren. Das an-zubauen, was schon immer in der Region gewachsen ist. So will sie versuchen, die Auswirkungen der sogenannten »Grü-nen Revolution«, die in Indien auf Druck der Weltbank und US-Hilfsorganisationen durchgesetzt wurde, zu mildern. Grü-ne Revolution – das klingt eigentlich positiv, und so wurde auch dafür geworben. Mit Werbebildern beispielsweise, auf denen ein Saatkorn zu sehen war, um das sich grüne Blätter rankten. Tatsächlich entstanden im Zuge dieser »Revolution« aber Weizen- oder Reis-Monokulturen auf Feldern, die dafür nicht geeignet waren. Mehr Pflanzenkrankheiten waren die Konsequenz, ebenso wie eine schrumpfende Vielfalt. Auch für die indischen Bauern waren die Folgen gravierend: Sie gerieten in Abhängigkeit von den großen Unternehmen, viele hatten Missernten, konnten ihre Familien nicht mehr ernähren. Den traurigen Höhepunkt erreichte die Situation zu Beginn dieses Jahrtausends, als sich eine Reihe der betroffenen Bauern aus Verzweiflung über ihre Lage das Leben nahm. Vandana Shiva hofft, mit ihrer Arbeit den Bauern in Indien Mut zu machen und sie davon zu überzeugen, Pflanzen wieder auf natürliche Weise anzubauen.

SHIVA SETZT SICH AUCH STARK FÜR DIE RECHTE VON FRAUEN IN DER DRITTEN WELT EIN und gilt als eine der Mitbegründerinnen des sogenannten »Ökofeminismus«. Schon in den 1970er-Jahren hatte sie sich in der Chipko-Bewegung engagiert. Der ersten indischen Umweltbewegung, in der sich vor allem Frauen an Bäumen festketteten, um deren Abhol-zung zu verhindern. 1993 erhielt Vandana Shiva für ihr um-fassendes Engagement den Right Livelihood Award (»Alterna-tiver Nobelpreis«). Die Jury lobte ihren Einsatz, der Frauen und Ökologie ins Zentrum der modernen Entwicklungspolitik stellt. Gerade in Indien, wo Frauen oft als minderwertig ange-sehen und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, sei Shivas Arbeit wichtig.

Vandana Shiva glaubt an eine positive Zukunft. Aber sie sagt, dass dafür eine Abkehr vom Wachstumswahn nötig ist. Höher, schneller, weiter – in einer begrenzten Welt an unbe-grenztes Wachstum zu glauben, das sei fatal.››› Gastbeitrag Natalia Lucic, Schülerin der Deutschen Journa-listenschule in München

Weitere Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

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Die indische Mutter Courage

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Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (DJS) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

»Anstatt die Konzerne mit einem Patent für genmanipuliertes Saatgut zu belohnen, sollten sie bestraft werden, weil sie unsere Nahrungskette verunreinigen.« Vandana Shiva

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20 A l n a t u r a M a g a z i n 9 .2 011

»Ich finde, diese ganze Fotovoltaik-Technologie ist ein bisschen magisch, wissen Sie. Da fällt einfach Sonnen-licht auf dieses Material, und schon bekommt man Elektrizität.« Martin Green

Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (DJS) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

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A l n a t u r a M a g a z i n 9 .2 011 21

Der Solar-Forscher Martin Green und sein Beitrag zur »grünen« Energiegewinnung

OHNE IHN SÄHEN TAUSENDE DÄCHER IN DEUTSCHLAND ANDERS AUS. Dachziegel sähe man allerorten, wie eh und je. Die glänzenden Flächen, mit deren Hilfe aus Sonnenenergie Strom gewonnen wird, es gäbe sie wohl in weit geringerem Ausmaß, wenn überhaupt. Der australische Forscher Martin Green hat mit seiner Arbeit maßgeblich dazu beigetragen, dass selbst Privathaushalte heute Fotovoltaikanlagen zur Energie-gewinnung nutzen.

Man könnte fast meinen, sein Name und sein Tun stünden in einem Zusammenhang: Martin Green ist der »Vater der Fo-tovoltaik«, wie ihn viele nennen, und damit ein Pionier der »grünen« Energiegewinnung. Zusammen mit einem Forscher-kollegen hat er die effizientesten Solarzellen der Welt entwi-ckelt – seit Beginn der 1980er-Jahre führt sein Team regelmä-ßig die Energie-Effizienz-Hitlisten an.

IN EINER ZEIT, IN DER EINERSEITS DER DEUTSCHE ATOM-AUSSTIEG BESCHLOSSEN WIRD, ANDERERSEITS IMMER NOCH NEUE KOHLEKRAFTWERKE GEBAUT WERDEN, ge-winnen die erneuerbaren Energien immer mehr an Bedeutung. Sie sollen helfen, unseren wachsenden Energiebedarf zu stil-len, während fossile Brennstoffvorräte sich langsam dem Ende neigen. Zwar kann Solarenergie in Deutschland bisher gerade einmal drei Prozent des Energiebedarfs decken, weil hier meist nicht häufig genug die Sonne scheint, um die Zellen zu ihrer vollen Auslastung zu bringen. Auch die Speichermöglichkeiten für gewonnene Energie sind noch unzureichend entwickelt. Dass Solarenergie aber dennoch eine Technologie mit Zukunft ist, dürfte außer Frage stehen. Trotz der Relevanz, die die For-schung in diesem Gebiet hat, hat allerdings noch kein Solar-forscher den Physik-Nobelpreis bekommen. Stattdessen wurde Martin Green im Jahr 2002 für seine Entwicklungen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien mit dem Ehrenpreis des Right Livelihood Awards geehrt.

GREEN WURDE 1948 IM AUSTRALISCHEN BRISBANE GE-BOREN. Während des Studiums in seiner Heimatstadt begann er, sich für Mikroelektronik zu interessieren. Doch mit der Zeit, das erzählt er immer wieder, bekam er zunehmend das Gefühl, dass das Entwickeln von besseren Fernsehgeräten nicht das war, woran er sein ganzes Leben lang arbeiten woll-te. Er wolle seine Fähigkeiten für etwas »grundlegend Nützli-

ches« einsetzen, sagte er in seiner Dankesrede für den Right Livelihood Award. So kam Green schließlich während seiner Promotionszeit in Kanada zur Fotovoltaik.

Das fasziniert ihn. Wenn er von dem Wunder Fotovoltaik spricht, leuchten seine Augen. Er kennt die Wirkungsweise in- und auswendig. Er könnte all die technischen Details nüchtern betrachten, seine tägliche Arbeit seit Jahrzehnten. Trotzdem hört man von ihm Sätze wie diesen: »Ich finde, diese ganze Fotovoltaik-Technologie ist ein bisschen magisch, wissen Sie. Da fällt einfach Sonnenlicht auf dieses Material, und schon bekommt man Elektrizität.«

DIE MENGE AN LEISTUNG, DIE EINE SOLARZELLE BEI GLEICHBLEIBENDER SONNENEINSTRAHLUNG ERBRINGT, WÄCHST DABEI STETIG. In den Anfangszeiten der Solar-technologie konnten gerade einmal 15 Prozent der einfallenden Strahlung zu elektrischer Energie umgewandelt werden. 1983 stellte Greens Forscherteam an der australischen Universität von New South Wales Solarzellen mit 18 Prozent Effizienz her – damaliger Weltrekord. Nur zwei Jahre später erreichten die Forscher 20 Prozent und blieben auch 1994 (24 Prozent) und 2008 (25 Prozent) stets an der Spitze der Forschung weltweit.

Green sieht die Zeitspannen durchaus, mit denen die So-larforschung es zu tun hat. Er hatte sich schnellere Verbesse-rungen erhofft: »Die Entwicklung hat ein bisschen länger ge-dauert, als ich dachte, aber der Fortschritt in den vergangenen zehn Jahren war schon außergewöhnlich.«

Der Australier schaut nicht nur in die Vergangenheit, son-dern hat auch die Zukunft im Blick. Denn noch immer kön-nen die handelsüblichen Zellen keine 30 Prozent der einfallen-den Sonnenenergie umwandeln. Greens Forschungsfeld um-fasst denn auch beides: »Technologie, die schon auf dem Markt ist oder kurz davor ist, vermarktet zu werden, bis hin zu Technologie, die das Tageslicht erst in rund zwanzig Jahren erblicken wird.«

Green als Pionier dieser Zukunftstechnologie wird weiter forschen, und auch einige seiner Schüler haben bereits auf die-sem Feld sicher Fuß gefasst: Einer von ihnen, Zhengrong Shi, ist der Gründer und Inhaber des weltweit größten Produzen-ten von Solarmodulen.››› Gastbeitrag Christina Jungkurth, Schülerin der Deutschen Journalistenschule in München

Weitere Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

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Vater der Fotovoltaik

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20 A l n a t u r a M a g a z i n 1 0 .2 011

Der Ägypter Ibrahim Abouleish und sein Bio-Unternehmen »Sekem«

EIGENTLICH KAM ER WEGEN JOHANN WOLFGANG VON GOETHE NACH EUROPA. Ibrahim Abouleish hatte in Kairo eine Vorlesung über den deutschen Dichter besucht und war so beeindruckt, dass er die Heimat Goethes kennenlernen wollte. Da er nicht genug Geld hatte, heuerte er auf einem Frachter an – als Schiffsjunge. Monatelang fuhr er über die Meere, bis er schließlich Italien erreichte. Bei einem Zwischen-stopp in Graz verliebte er sich. Also blieb er, suchte sich eine Arbeitsstelle, lernte Deutsch und studierte schließlich Chemie, Medizin und Pharmakologie. Das war 1956, Ibrahim Abou-leish war noch nicht einmal 20.

Heute ist der Junge aus Kairo erfolgreicher Unternehmer und gleichzeitig Träger des »Alternativen Nobelpreises«. 2003 wurde Abouleish ausgezeichnet für sein Geschäftsmodell, das – laut Jury – wirtschaftlichen Erfolg mit der sozialen und kul-turellen Entwicklung der Gesellschaft kombiniert. Die Jury bezog sich damit auf Abouleishs Unternehmen »Sekem«. Se-kem, was auf Deutsch »Lebenskraft der Sonne« bedeutet, pro-duziert unter anderem Lebensmittel und Textilien aus biolo-gisch-dynamischem Anbau, das heißt kontrolliert biologisch und auf den anthroposophischen Gedanken Rudolf Steiners beruhend. »Einerseits war ich bemüht, die Erde zu heilen, und andererseits den Menschen zu helfen«, erzählt Abouleish.

ZUNÄCHST WAR SEKEM »NUR« EIN ÖKO-PROJEKT. Abouleish gründete es nach einem Besuch in der ägyptischen Heimat in den 1970er-Jahren. Umweltverschmutzung, man-gelnde Bildung und Gesundheitsversorgung in seinem Heimat-land erschütterten ihn. Der heute 74-Jährige beschloss zu helfen, gab seinen Managerposten bei einem Schweizer Pharmakon-zern auf und zog 1977 mit seiner Frau und seinen zwei Kin-dern nach Ägypten. Monatelang suchte er nach einem geeig-neten Stück Land. Schließlich fand er es rund 60 Kilometer nordöstlich von Kairo: 70 Hektar Ödland, eine Fläche dop-pelt so groß wie der Berliner Zoo. Zusammen mit europäi-schen und ägyptischen Freunden brachte er hier die Wüste mit unterirdischen Bewässerungssystemen zum Blühen.

Heute besteht Sekem aus sieben Unternehmen. Das Gelän-de umfasst 300 Hektar, in der Hochsaison werden hier bis zu 2 000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Anwesen erinnert an ein Dorf mit Wohnhäusern, Werkstätten und Cafeterien. Auf den

Feldern werden Kartoffeln, Sonnenblumen und Tee ange-pflanzt. Auf dem Firmengelände sind auch ein Kindergarten, Schulen und ein medizinisches Zentrum untergebracht. Regel-mäßig finden Fortbildungen statt, bei denen Mitarbeiter Lan-deskunde, Geschichte oder Sprachen lernen. »Es war mein Wunsch, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Nationen zusammen arbeiten und voneinander lernen können«, sagt Abouleish. Mit den 200.000 Euro Preisgeld des Alternativen Nobelpreises hat er die Privatuniversität »Heliopolis« gegründet. »Wir wollen zu-künftigen Generationen eine umfassende Bildung ermöglichen und sie mit Idealen in die Welt entlassen«, erklärt der beken-nende Moslem.

DIE MEISTEN SEKEM-PRODUKTE WERDEN GANZ TRADI-TIONELL AUF DEM EIGENEN GELÄNDE VERARBEITET: in den Getreide- und Ölmühlen, der Käserei und Bäckerei oder in den Textilfabriken. Auf künstliche Dünger oder Färbemittel verzichtet Sekem. Rund die Hälfte der Erzeugnisse wird nach Europa exportiert. Vor allem Gewürze, Naturkosmetik und ätherische Öle sind gefragt.

In den ersten Jahren nach der Gründung betrachteten die Ägypter das Projekt und spätere Unternehmen skeptisch – vor allem wegen des Anbaus neuer Baumwollsorten. Abouleish konnte seine Landsleute schließlich überzeugen.

Abouleish hat Sekem zu seiner Lebensaufgabe gemacht. »Ich wusste immer, dass es viel Geduld brauchen würde, wirk-lich etwas zu ändern«, sagt er. Die Geduld hat sich ausgezahlt: Heute produzieren etwa 800 Farmen in ganz Ägypten nach der biologisch-dynamischen Methode. Länder wie Indien, der Senegal oder Südafrika stehen in engem Kontakt mit dem Un-ternehmen. ››› Gastbeitrag Sonja Kaun, Schülerin der Deutschen Journalis-tenschule in München

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Mit der Lebenskraft der Sonne

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Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (DJS) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

»Es war mein Wunsch, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der Menschen aus allen Gesell-schaftsschichten und Nationen zusammen arbeiten und voneinander lernen können.« Ibrahim Abouleish

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20 A l n a t u r a M a g a z i n 11.2 011

»Der Welt geht das Wasser aus. Die Menschen werden alles geben, ihre gesamten Ersparnisse, ihre Häuser – für Wasser.« Maude Barlow

Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (DJS) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

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Die Bürgerrechtler Maude Barlow und Tony Clarke und ihr Kampf für sauberes Wasser

ES PLÄTSCHERT, TROPFT UND FLIESST – IN SCHEINBAR NIE VERSIEGENDEN MENGEN. Wasser bedeckt knapp drei Viertel der Erdoberfläche, fällt als Regen auf sie herab und kommt in vielen Regionen täglich aus dem Wasserhahn. Doch das ist weniger selbstverständlich, als es oft wirkt. Laut den Ver-einten Nationen steht mehr als 800 Millionen Menschen kein oder nicht genug sauberes Wasser zur Verfügung – und die Zahl wächst immer weiter.

Die beiden kanadischen Bürgerrechtler Maude Barlow und Tony Clarke setzen sich deswegen für den Zugang zu sau-berem Trinkwasser ein. 2005 erhielten sie dafür den Right Live-lihood Award, den »Alternativen Nobelpreis«. Die Jury wür-digte damit ihre vorbildliche, weltweite Arbeit für Handelsge-rechtigkeit und die Anerkennung eines Menschenrechts auf Wasser.

»Der Welt geht das Wasser aus. Die Menschen werden al-les geben, ihre gesamten Ersparnisse, ihre Häuser – für Was-ser«, prognostiziert die 64-jährige Maude Barlow. Die Kana-dierin unternimmt zahlreiche Reisen, um andere Menschen zu unterstützen. So hilft sie etwa einem Dorf in Indien, in dessen Nähe vor einigen Monaten ein globaler Softdrinkhersteller eine Fabrik eröffnet hat. Seitdem ist das Brunnenwasser trüb, die Menschen werden reihenweise krank. Die Fabrik verdreckt das Grundwasser mit Chemikalien, klagen die Bewohner. Sie müs-sen es trotzdem trinken, damit kochen und waschen. Der nächste saubere Brunnen oder Fluss ist viel zu weit entfernt. »Wir müssen härter arbeiten, um etwas dagegen zu tun«, for-dert Maude Barlow. »Coca-Cola, Pepsi und Nestlé sind Was-serjäger. Sie jagen das, was vom reinsten Grundwasser der Welt übrig geblieben ist, um daraus Softdrinks zu machen.«

DAS ZENTRALE ZIEL DER BEIDEN AKTIVISTEN IST, die Kontrolle über die Trinkwasserversorgung in öffentlicher Hand zu belassen oder dahin zurückzuführen. »Bei unserem momentanen Wirtschaftsmodell steht alles zum Verkauf. Din-ge, die früher Allgemeingut waren, werden privatisiert und kommerzialisiert. Das gilt jetzt schon für Wasser, menschliche Gene, Pflanzensamen«, mahnt Tony Clarke.

2002 veröffentlichten die Kanadier gemeinsam das Buch »Blaues Gold», das mittlerweile in rund 50 Ländern erschie-nen ist. Es gehört zum Basiskanon der Globalisierungskritik und setzt sich mit den Problemen der Wasserprivatisierung auseinander. Einige Kritiker und deutsche Medien warfen Bar-low und Clarke eine einseitige Argumentation vor, die wissen-schaftliche und politische Aspekte miteinander vermische.

Doch beide Aktivisten stehen fest hinter ihren Ansichten. »Das ist mein Standpunkt und ich werde mich nicht davon weg bewegen. Es ist eine Sicht auf die Welt, die unerschütter-lich ist«, erklärt Maude Barlow.

DIE BEIDEN AUTOREN zahlreicher Sachbücher setzen sich je-doch nicht nur für den Zugang zu sauberem Wasser ein. Barlow war unter anderem in den 1980er-Jahren die erste Beraterin für Frauenfragen des kanadischen Premierministers. Tony Clarke war mehrere Jahre Sozialreferent der kanadischen Bi-schofskonferenz. 1997 gründete er das Polaris Institut, um »die Macht der Großfirmen zu entlarven, die hinter den Regierun-gen steckt«. Das Institut beschäftigt sich international mit Themen des Umweltschutzes und der Handelspolitik.

Gemeinsam engagieren sich Barlow und Clarke seit den 1980er-Jahren für Natur und soziale Gerechtigkeit, setzen sich überall auf der Welt für ihre Ideale ein. Als Bolivien Ende der 1990er-Jahre begann, sein Wassersystem zu privatisieren, waren sie dort. Die Menschen hatten plötzlich nicht mehr ge-nug zu trinken. Sie sollten das Wasser aus den Hähnen kau-fen, hatten aber kein Geld dafür. Die Bevölkerung protestierte, lieferte sich Straßenschlachten mit der Polizei, wollte, dass der globale Konzern wieder verschwinde. 2007 beendete Bolivien schließlich den Vertrag mit der Firma und machte Wasser wie-der zum öffentlichen Gut. »Man kann langfristig kein gutes Wasser, Gesundheitsversorgung oder Bildung liefern, wenn man gleichzeitig Profit für die Investoren erwirtschaften muss. Das widerspricht sich«, sagt Maude Barlow heute.

Ihr Einsatz zeigt Wirkung: So erklärte die UN-Vollversamm-lung vergangenes Jahr auf Antrag Boliviens den Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung zum Men-schenrecht. Einige Länder wie Südafrika oder Ecuador haben das Recht auf Wasser mittlerweile in ihre Verfassung aufge-nommen. Das ändert die weltweite Situation zwar nicht von heute auf morgen, lässt aber darauf hoffen, dass bald mehr Menschen Zugang zum »blauen Gold« haben werden.››› Gastbeitrag Sonja Kaun, Schülerin der Deutschen Journalis-tenschule in München

Weitere Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

V O R B I L D E R

Das blaue Gold

»Bei unserem momentanen Wirt-schaftsmodell steht alles zum Verkauf. Dinge, die früher Allgemeingut waren, werden kommerzialisiert. Das gilt jetzt schon für Wasser, menschliche Gene, Pflanzensamen.« Tony Clarke

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Das Unternehmen Grameen Shakti und sein Beitrag zur Solarrevolution in Bangladesch

2 000 SONNENSTUNDEN IM JAHR – und trotzdem Dun kel-heit: Mit dieser Widersprüchlichkeit lebt mehr als die Hälfte der Menschen in Bangladesch. Vor allem auf dem Land, in Dör-fern, die nicht an das Stromnetz angeschlossen sind, ist es oft finster in den Hütten. Licht spenden dort nur rauchende Petro-leumlampen, Kerosinkocher dienen als Herd. Die Dämpfe, die dabei entstehen, schaden besonders Kindern und Frauen, die viel Zeit zu Hause verbringen. Doch seit einigen Jahren tut sich etwas, immer mehr Haushalte bekommen eigenen Strom. Und obwohl das »Entwicklungsland« Bangladesch den nied-rigsten Pro-Kopf-Energieverbrauch der Welt hat und damit aus westlicher Sicht eigentlich keinen Anreiz, sich ums Energie-sparen zu kümmern, ist es ganz vorne dabei, wenn es um rege-ne rative Energien geht. Das Non-Profit-Unternehmen Grameen Shakti spielt dabei eine wichtige Rolle.

»Grameen« ist bengalisch und bedeutet »Dorf«, »Shakti« steht für »Energie«. Das Unternehmen hat seit seiner Gründung 1996 erreicht, dass heute mehr als 700 000 Solarsysteme auf Hüt-tendächern in Bangladesch für Strom und damit für ein besseres Leben sorgen. Die Leistung der Solarzellen reicht dafür aus, elektrisches Licht zu erzeugen, ein Radio und sogar einen Fern-seher zu betreiben. Die Solarsysteme helfen nicht nur dabei, Brände zu vermeiden, die bei Kerzenbeleuchtung an der Tages-ordnung sind, sondern sorgen auch dafür, dass Geschäfte län-ger geöffnet sind und über Radio und Fernsehen Nachrichten aus dem ganzen Land selbst in abgelegene Dörfer gelangen können.

EINE SOLARANLAGE AUF DEM DACH – das klingt teuer. Dass auch arme Familien sich das leisten können, liegt am Konzept der Grameen-Familie, zu der das Unternehmen gehört. Wie die von Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus ge-gründete Grameen Bank, arbeitet auch Grameen Shakti mit Mikrokrediten: Eine Familie bekommt eine Solaranlage im Wert von 350 Euro, zahlt einen Bruchteil an und den Rest über

V O R B I L D E R

Licht ins Dunkel

Der »Alternative Nobelpreis«

Im letzten Jahr feierte der Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt, seinen 30. Geburtstag. Für einige Schülerinnen und Schüler der renom mierten Deutschen Journalisten-schule in München (DJS) ein würdiger Anlass, sich genauer mit einigen der Vordenker für eine nach haltige Entwicklung und deren konstruk-tiven Umsetzun gen zu beschäftigen.

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A l n a t u r a M a g a z i n 12.2 011 21

drei Jahre ab. Die Raten entsprechen dabei ungefähr dem Be-trag, den sie zuvor für Kerzen, Petroleum und Kerosin auf-wenden mussten. Nach den drei Jahren beziehen sie ihren So-larstrom zum Nulltarif.

Grameen Shakti erhielt für sein Solarenergie-Programm 2007 den Right Livelihood Award, weil es mit der nachhaltig gewonnenen Elektrizität nicht nur Licht, sondern auch Gesund-heit, Bildung und Produktivität in den Dörfern Bangladeschs fördert. Der damalige Leiter von Grameen Shakti, Dipal Barua, nahm den Preis in Empfang. In seiner Dankesrede betonte er besonders den positiven Effekt der Stromversorgung für die Frauen: »In Tausenden ländlicher Heime kochen jetzt Frauen in rauchfreien Küchen, genießen das helle Licht der Solarsysteme und können sich auch nach Einbruch der Dunkelheit mit Din-gen beschäftigen, die das Einkommen der Familie verbessern.«

BARUA ARBEITETE VON BEGINN AN ENG MIT MUHAM-MAD YUNUS ZUSAMMEN, der das Konzept der Mikrokredite für die Grameen Bank entwickelte und der Vorsitzende von Grameen Shakti ist. Der Wirtschaftswissenschaftler Yunus ge-langte im Laufe seiner Lehrtätigkeit an der Universität von Chittagong zu der Überzeugung, dass etwas falsch sein musste mit dem Kreditsystem, das er unterrichtete. Während einer Exkursion mit seinen Studenten begegnete er einer Frau, die Stühle aus Bambus herstellte. Sie erzählte ihm, dass sie sich das Geld für den Bambus bei privaten Geldverleihern borgen müsse. Nachdem sie Zinsen von bis zu zehn Prozent pro Wo-che zurückgezahlt habe, bleibe ihr meist nur ein winziger Ge-winn übrig. Da kam Yunus die Idee für ein soziales Kreditver-gabesystem, bei dem nicht die Gewinnmaximierung im Vor-dergrund steht, sondern die Lösung von gesellschaftlichen Problemen. Nach Yunus’ System werden kleine Kredite verge-

ben und im Gegensatz zu anderen Banken keine Sicherheiten verlangt. Es basiert auf dem Vertrauen darauf, dass die Kre-ditnehmer das Geld samt Zinsen wegen ihrer persönlichen Bindung zur Bank zurückzahlen. Yunus wurde damit zu einem Mitbegründer des Mikrofinanzgedankens. Viele Berater und auch andere Banken rieten ihm damals davon ab, doch die Grameen Bank hält sich bereits seit 27 Jahren und ist seit 2006 gemeinsam mit Yunus Träger des Friedensnobelpreises.

Grameen Shakti ist nur eines der Tochterunternehmen der Bank. Doch die Auswirkungen der Arbeit von Grameen Shakti können bereits Hunderttausende Familien jeden Abend in ih-rem Zuhause erleben: Verfügbarkeit von elektrischem Licht und Zugang zu elektronischen Medien ohne einen großen Schuldenberg – und nie wieder Petroleumlampen. ››› Gastbeitrag Christina Jungkurth, Schülerin der Deutschen Jour nalistenschule in München

Weitere Informationen zum Right Livelihood Award unter www.rightlivelihood.org

Mit Mikrokrediten ermög-licht es Grameen Shakti auch armen Familien, sich eine Solaranlage leisten zu können und somit Elektrizität zu beziehen – und das eigenständig.

MUHAM MAD YUNUS (links) und die Grameen Bank erhielten

2006 den Friedensnobelpreis für ihr Konzept der Mikrokredite,

mit deren Hilfe sich die Menschen in Bangladesch eine Solaranlage

zur Elektrizitätserzeugung leisten können (rechts).

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Ihr deutschsprachiger Ansprechpartner bei der Right Livelihood Award Foundation, Stockholm:Ole von Uexküll, Executive [email protected]: 0046 8 702 03 37

Ihre Ansprechpartnerin bei der Right Livelihood Award Foundation Switzerland:Gitti [email protected]: 0041 44 914 88 88Telefax: 0041 44 914 88 80Seestrasse 398700 Küsnacht-ZürichSchweiz

Für Neuigkeiten und Informationen über unsere Preisträger sowie Informationen über Kandidatenvorschläge besuchen Sie bitte unsere Website: www.rightlivelihood.org Artikel © Alnatura Magazin 2011Portrait Ole von Uexküll © Christoph Koller/YFP 2010 © Right Livelihood Award Foundation 2011-2012