Vorlesung Industrie¨okonomik I - uni-hohenheim.de · Cournot (1838), Bertrand (1883) sowie die...

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Vorlesung Industrie¨ okonomik I Prof. Dr. Ulrich Schwalbe Wintersemester 2007 / 2008 Ich danke meinem Mitarbeiter, Herrn PD Dr. J¨ org Naeve f¨ ur zahlreiche Verbesserungsvor- schl¨ age und Korrekturen.

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Vorlesung Industrieokonomik I

Prof. Dr. Ulrich Schwalbe∗

Wintersemester 2007 / 2008

∗Ich danke meinem Mitarbeiter, Herrn PD Dr. Jorg Naeve fur zahlreiche Verbesserungsvor-schlage und Korrekturen.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

1.1 Gegenstand und Methoden der Industrieokonomik . . . . . . . . . . . . . 11.2 Die verschiedenen Ansatze der Industrieokonomik . . . . . . . . . . . . . 1

2 Grundlagen 5

2.1 Die Theorie der Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2 Kosten und Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3 Markte, Marktabgrenzung und Konzentrationsmaße . . . . . . . . . . . . 162.4 Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . 20

3 Theorie des Monopols 23

3.1 Vollstandiger Wettbewerb als Referenzpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . 233.2 Das Einprodukt–Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283.3 Preisdiskriminierung und nichtlineare Preise . . . . . . . . . . . . . . . . 313.4 Dauerhafte Guter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

3.4.1 Vermietendes versus verkaufendes Monopol . . . . . . . . . . . . . 493.5 Werbung und Qualitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553.6 Das Mehrprodukt–Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663.7 Tie–ins und Bundling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673.8 Differenzierte Guter und monopolistischer Wettbewerb . . . . . . . . . . 68

4 Oligopole und strategisches Verhalten 75

4.1 Mengenwettbewerb bei homogenen Gutern . . . . . . . . . . . . . . . . . 774.2 Cournot und von Stackelberg–Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824.3 Mengenwettbewerb bei differenzierten Produkten . . . . . . . . . . . . . 864.4 Preiswettbewerb — Das Modell von Bertrand . . . . . . . . . . . . . . . 894.5 Cournot vs. Bertrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984.6 Preiswettbewerb bei differenzierten Gutern . . . . . . . . . . . . . . . . . 1004.7 Vergleich zwischen Cournot und Bertrand bei differenzierten Produkten . 1024.8 Sequentielle Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1034.9 Differenzierte Produkte als verschiedene ‘Standorte’ von Unternehmen . . 105

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Abbildungsverzeichnis

1.1 abnehmende, konstante und zunehmende Skalenertrage . . . . . . . . . . 72.2 Durchschnitts– und Grenzkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.3 Produktionsfunktion fur γ = 1

2, γ = 1, γ = 2 . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.4 konvexe, lineare und konkave Kostenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . 122.5 zunehmende, konstante und fallende Durchschnittskosten . . . . . . . . . 132.6 Preis-Absatz-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142.7 Elastizitatsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.1 Nachfragefunktion und Stuckkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241.2 Grenz– und Durchschnittskosten: zunehmende Skalenertrage . . . . . . . 261.3 Konsumentenrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271.4 Maximale Konsumentenrente bei p = c. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282.5 Monopolgleichgewichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.6 Wohlfahrt im Monopol– und im Wettbewerbsgleichgewicht . . . . . . . . 303.7 Nachfrage auf zwei getrennten Markten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323.8 Preisdiskriminierung 3. Grades (1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323.9 Preisdiskriminierung 3. Grades (2) — grafisch . . . . . . . . . . . . . . . 333.10 Preisdiskriminierung 3. Grades (3) — Gewinnvergleich . . . . . . . . . . 333.11 Vollkommene Preisdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353.12 Eurodisney ohne Preisdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.13 Eurodisney ohne Preisdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373.14 Optimaler Two–part tariff fur Eurodisney . . . . . . . . . . . . . . . . . 383.15 Konsumentenrente der verschiedenen Nachfragergruppen . . . . . . . . . 394.16 Inverse Nachfrage nach einperiodiger Nutzung eines dauerhaften Gutes . 504.17 Inverse Nachfrage bei Verkauf ausschließlich in Periode 1 . . . . . . . . . 514.18 Vermietung eines dauerhaften Gutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514.19 Nachfrage in Periode 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524.20 Verkauf eines dauerhaften Gutes: Gewinnoptimum . . . . . . . . . . . . . 544.21 Verkauf eines dauerhaften Gutes: myopisches Verhalten . . . . . . . . . . 545.22 Konsumentenrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595.23 Verschiedene Produktqualitaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608.24 Indifferenzkurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698.25 Durchschnitts- und Grenzkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 708.26 Gleichgewicht bei monopolistischer Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . 71

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Abbildungsverzeichnis

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1 Einleitung

1.1 Gegenstand und Methoden der Industrieokonomik

Gegenstand der Vorlesung Industrieokonomik I ist die Untersuchung der Struktur vonFirmen und Markten und ihrer Interaktion. Dabei ist ein Markt beschrieben durch dieKonsumenten und ihr Nachfrageverhalten sowie durch die Unternehmen und ihre Kos-tenstruktur. Das Schwergewicht der Analyse wird dabei auf Fragen gelegt, die in derherkommlichen mikrookonomischen Theorie nur am Rande behandelt werden. Hierzugehoren insbesondere die Probleme aufgrund unvollstandigen Wettbewerbs, wie sieauf monopolistischen bzw. oligopolistischen Markten, d. h. Markten mit nur einem oderwenigen Unternehmen auftreten. Andere Themen aus dem Bereich der Industrieokono-mik sind z. B. Unternehmenszusammenschlusse, die Produktwahl eines Unternehmens,Forschungs– und Entwicklungsinvestitionen, Martkeintritts– und Marktaustrittsentschei-dungen.

Es handelt sich bei der uberwiegenden Mehrzahl der Modelle um sogenannte partial-analytische Ansatze, d. h. man betrachtet nur einen oder wenige Markte und lasst dieInterdependenzen zwischen verschiedenen Markten außer Betracht. Darin unterscheidensich die industrieokonomischen Modelle von denen der Theorie des allgemeinen Gleich-gewichts, in der samtliche Interdependenzen zwischen allen Markten in einer Volkswirt-schaft betrachtet werden.

Was die Methoden der Industrieokonomik betrifft, so haben diese sich im Zeitablauferweitert und wurden durch neuere analytische Ansatze erganzt. Wahrend die tradi-tionelle Industrieokonomik (vgl. Abschnitt 1.2) uberwiegend empirisch ausgerichtet warund die Untersuchungen sich auf Fallstudien stutzten, hat sich in den letzten 25 Jahrender Schwerpunkt auf Fragen des strategischen Verhaltens der Marktteilnehmer verla-gert. Daher werden in vielen neueren industrieokonomischen Modellen Methoden aus derSpieltheorie verwendet. Diese Methoden werden im Detail in der Vorlesung

”Spieltheo-

rie“ diskutiert, die grundlegenden Konzepte werden jedoch auch in dieser Veranstaltungeingefuhrt.

1.2 Die verschiedenen Ansatze der Industrieokonomik

Die Industrieokonomik hat sich als uberwiegend empirisch ausgerichtete Disziplin derMikrookonomik in den 50er Jahren entwickelt. Die Analysen basierten zumeist auf Fall-studien und man ging davon aus, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Markt-struktur (structure), d. h. der Anzahl und der Große der in einem Markt befindlichen

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1 Einleitung

Unternehmen, ihrer Technologien und auch der Elastizitat der Nachfrage, dem Markt-verhalten (conduct), d. h. den Investitionen, der Preissetzung etc. und dem Mark-tergebnis (performance), also den Gewinnspannen der Unternehmen, der resultie-rende Allokation und ihren Eigenschaften, der Rate der technischen Entwicklung usw.besteht. Man spricht daher vom Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigma (SVE-Paradigma, engl. structure-conduct-performance).

Dieser Zusammenhang wurde zumeist so gesehen, dass die Marktstruktur das Verhaltenund dieses wiederum das Marktergebnis determiniert. Das Verhalten war also nur eineZwischenstufe und wurde in vielen Untersuchungen nur sehr kursorisch abgehandelt,d. h. das theoretische Fundament des Ansatzes war nur rudimentar entwickelt und eswurden haufig ad hoc Annahmen hinsichtlich des Verhaltens getroffen, die nicht durcheine Verhaltenstheorie gestutzt werden konnten.

Dieser Mangel an einer theoretischen Basis fuhrte zu einer zunehmenden Unzufrieden-heit mit dem SVE-Paradigma. Im Ruckgriff auf die theoretischen Untersuchungen vonCournot (1838), Bertrand (1883) sowie die Modelle von Robinson (1933) und Chamber-lin (1933)1 hat sich in den letzten Jahrzehnten ein neues, starker theoretisch orientiertesKonzept entwickelt, das den bestehenden Ansatz erganzte und zum Teil in den Hin-tergrund drangte. Dieser neue Ansatz in der Industrieokonomik berucksichtigt die ins-besondere bei unvollstandigem Wettbewerb vorhandene strategische Interdependenz derAkteure und greift daher auf Methoden aus der Spieltheorie zuruck, mit deren Hilfe manrationales Verhalten in strategischen Entscheidungssituationen analysieren kann. Grund-legendes Werk fur die Spieltheorie ist von Neumann und Morgenstern (1944) (neuesteAuflage von Neumann und Morgenstern (1953), deutsch von Neumann und Morgenstern(1961)). Sie wurde entscheidend vorangebracht durch die bahnbrechenden Arbeiten vonNash (1950b,a), Selten (1965, 1975) und Harsanyi (1967, 1968a,b).2

Durch die neueren Analysen wurde zum einen der traditionelle empirische Ansatz theo-retisch erganzt, aber auch die postulierte Wirkungskette wurde in Frage gestellt. Theo-retisch ist auch die Marktstruktur endogen bestimmt und nicht unabhangig vom Ver-halten und vom Marktergebnis. Die Zahl der Anbieter und die gleichgewichtigen Mengenund Preise werden selbst in einfachen Modellen des unvollstandigen Wettbewerbs simul-tan bestimmt.

Allerdings hat die spieltheoretische Modellierung industrieokonomischer Sachverhalteauch eine Schattenseite: Zum einen mussen fur jede Industrie andere Modelle konstruiertwerden, da sich verschiedene Branchen hinsichtlich mehrerer Faktoren unterscheiden.Dies hat zu einer kaum noch uberschaubaren Vielzahl von Modellen gefuhrt, die eineeinheitliche theoretische Grundlage vermissen lassen.

Zum anderen hangen die Ergebnisse von der exakten Modellierung des jeweiligen Pro-blems ab, so dass zwischen robusten und weniger robusten Modellen unterschieden wer-den muss. Zum Beispiel wird sich zeigen, dass der Ansatz der sogenannten

’bestreitbaren

Markte‘ (contestable markets) ein wenig robustes Konzept ist.

1Die neuesten Auflagen dieser beiden Werke sind Robinson (1969) und Chamberlin (1962).2Fur diese Leistung erhielten die drei genannten Autoren 1994 den Nobelpreis fur Wirtschaftswissen-

schaften.

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Literaturverzeichnis

Aus diesen Grunden hat sich in den letzten Jahren wieder eine starkere Berucksichtigungempirischer Sachverhalte ergeben, so dass man die heutige Industrieokonomik als eineKombination der alteren, empirisch orientierten und der neuen, theoretisch fundiertenIndustrieokonomik auffassen kann. Dies wird auch in unserer Vertiefung reflektiert, diemit der Veranstaltung

”Marktanalysen und Fallstudien“ eine Veranstaltung umfasst, die

eine starke empirische Ausrichtung hat.

Literaturhinweis: Eine gute Darstellung der Geschichte der Industrieokonomik findetsich in Hay und Morris (1986).

Literaturverzeichnis

Bertrand, J. (1883): “Theorie Mathematique de la Richesse Sociale,” Journal desSavant, 67, 499–508, [English translation by J. Magnan de Bornier (1992): “The‘Cournot–Bertrand Debate’: A Historical Perspective,” History of Political Economy,24(3), 623–654.].

Chamberlin, E. H. (1933): Theory of Monopolistic Competition. Harvard UniversityPress, Cambridge, Massachusetts.

(1962): Theory of Monopolistic Competition. Harvard University Press, Cam-bridge, Massachusetts, 8 Aufl.

Cournot, A. A. (1838): Recherches sur les Principes Mathematique de la Theorie deRichesses. Hachette, Paris, [English translation by N. T. Bacon, 1897: Researches intothe Mathematical Principles of the Theory of Wealth, McMillan, New York (1927),reprint Augustus M. Kelley, New York (1971). Deutsche Ubersetzung von W. G. Waf-fenschmidt: Untersuchungen uber die mathematischen Grundlagen der Theorie desReichtums, Fischer, Jena (1924)].

Harsanyi, J. C. (1967): “Games with Incomplete Information Played by ‘Bayesian’Players, I–III: Part I. The Basic Model,” Management Science, 14(3), 159–182.

(1968a): “Games with Incomplete Information Played by ‘Bayesian’ Players,I–III: Part II. Bayesian Equilibrium Points,” Management Science, 14(5), 320–334.

(1968b): “Games with Incomplete Information Played by ‘Bayesian’ Players, I–III: Part III. The Basic Probability Distribution of the Game,” Management Science,14(7), 486–502.

Hay, D. A., und D. J. Morris (1986): Industrial Economics: Theory and Evidence.Oxford University Press, New York.

Nash, J. F. (1950a): “Equilibrium Points in n-Person Games,” Proceedings of the Na-tional Academy of Sciences, 36, 48–49.

(1950b): “Non-Cooperative Games,” Ph.D. thesis, Princeton University.

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Literaturverzeichnis

Robinson, J. (1933): The Economics of Imperfect Competition. Macmillan, London.

(1969): The Economics of Imperfect Competition. Macmillan, London, 2 Aufl.

Selten, R. (1965): “Spieltheoretische Behandlung eines Oligopolmodells mit Nachfrage-tragheit, Teile I und II,” Zeitschrift fur die gesamte Staatswissenschaft, 121, 301–324,667–689.

(1975): “Reexamination of the Perfectness Concept for Equilibrium Points inExtensive Games,” International Journal of Games Theory, 4(1), 25–55.

von Neumann, J., und O. Morgenstern (1944): Theory of Games and EconomicBehavior. Princeton University Press, Princeton.

(1953): Theory of Games and Economic Behavior. Princeton University Press,Princeton, 3 Aufl.

(1961): Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten. Physika Verlag, Wurzburg,Ubersetzung nach der 3. Aufl. durch M. Leppig, hrsg. von F. Sommer unter Mitw. vonF. Docquier.

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2 Grundlagen

Bevor wir mit der Untersuchung des Verhaltens von Unternehmen in unterschiedlichenMarktformen beginnen, geben wir einen kurzen Uberblick bzw. eine kurze Wiederho-lung der Theorie der Firma, die in der Grundstudiumsvorlesung Mikrookonomik IIbehandelt wurde, denn Grundkenntnisse aus diesem Bereich sind fur das Verstandnis dermeisten industrieokonomischen Fragestellungen unabdingbar. Hierzu gehoren in ersterLinie die zentralen Konzepte aus der Produktions- bzw. Kostentheorie, also die Produk-tionsfunktion und die Kostenfunktion sowie deren Eigenschaften.Aber auch einige wesentliche Aspekte der Nachfrageseite sollen kurz diskutiert werden,wie etwa Nachfrage- und Preis-Absatz-Funktion sowie Erlos- und Grenzerlosfunktion.Daruberhinaus werden im Verlauf der Vorlesung auch Fragen des strategischen Verhal-tens angesprochen, die vertiefend in der Vorlesung

”Spieltheorie“ behandelt werden, auf

deren Grundlage wir uns mit einigen dieser Themen und verwandten Fragestellungen inder Vorlesung Industrieokonomik II naher befassen werden.

2.1 Die Theorie der Firma

Ein Unternehmen in der mikrookonomischen Theorie ist im allgemeinen vollstandig cha-rakterisiert durch seine technischen Moglichkeiten, Inputs in Outputs bzw. Produktions-faktoren in Produkte zu verwandeln. Diese technischen Moglichkeiten werden meistensdurch eine Produktionsfunktion beschrieben´. Die grundlegende Annahme bezuglichdes Verhaltens eines Unternehmens ist die der Gewinmaximierung.Betrachten wir im folgenden die einfache Situation, in der in einer Firma nur ein Guthergestellt wird, zu dessen Produktion die beiden Produktionsfaktoren Kapital (k) undArbeit (l) eingesetzt werden.Eine Produktionsfunktion besagt nun, wie viele Einheiten des Produktes mit Hilfe derbeiden Produktionsfaktoren hergestellt werden kann. Dieser Zusammenhang wird formaldurch die Produktionsfunktion

y = f (l, k)

beschrieben.Wir werden im weiteren unterstellen, dass diese Produktionsfunktion mindestens zwei-mal stetig differenzierbar ist, d. h. dass die ersten und zweiten partiellen Ableitungender Produktionsfunktion gebildet werden konnen.Die erste partielle Ableitung der Produktionsfunktion z. B. nach dem Faktor Arbeit gibtan, um welchen Betrag sich der Output der Firma verandert, wenn wir den Produkti-onsfaktor Arbeit marginal erhohen. Analog kann man das auch fur den Faktor Kapital

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2 Grundlagen

durchfuhren. Diese beiden partiellen Ableitungen

GPl(l, k) =∂f(l, k)

∂lund GPk(l, k) =

∂f(l, k)

∂k

werden als die Grenzprodukte der Faktoren Arbeit und Kapital bezeichnet.Wir werden im allgemeinen davon ausgehen, dass die Grenzprodukte aller Produktions-faktoren positiv sind, d. h.

∂f(l, k)

∂l> 0 und

∂f(l, k)

∂k> 0.

Beispiel: Eine bekannte Produktionsfunktion ist die Cobb–Douglas–Produktionsfunktion, die wie folgt definiert ist

y = f(l, k) = lαkβ, α, β > 0.

Die Grenzprodukte sind hier gegeben durch

GPl(l, k) = αlα−1kβ und GPk(l, k) = βlαkβ−1

Im weiteren unterscheiden wir zwei verschiedene Arten der Beziehung zwischen denProduktionsfaktoren.

Definition 1

1. Zwei Produktionsfaktoren sind komplementar in einem gegebenen Produk-tionsprozess, wenn eine erhohte Einsatzmenge des einen Faktors zu einemerhohten Grenzprodukt des anderen Faktors fuhrt, d. h.

∂GPl(l, k)

∂k> 0 und

∂GPk(l, k)

∂l> 0.

2. Zwei Produktionsfaktoren sind substitutiv in einem bestimten Produktions-prozess, wenn eine erhohte Einsatzmenge des einen Faktors zu einem geringe-ren Grenzprodukt des anderen Faktors fuhrt, d. h.

∂GPl(l, k)

∂k< 0 und

∂GPk(l, k)

∂l< 0.

Im Beispiel der Cobb–Douglas–Produktionsfunktion sind die beiden Produktionfaktorenkomplementar, da

∂(

αlα−1kβ)

∂k=

∂(

βlαkβ−1)

∂l= αβlα−1kβ−1 > 0.

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2.1 Die Theorie der Firma

Ein weiteres zentrales Konzept, das im Verlauf der Vorlesung noch haufig verwendetwerden wird, ist das der Skalenertrage.

Definition 2

1. Eine Produktionsfunktion weist zunehmende Skalenertrage auf, wenn gilt

f(λl, λk) > λf(l, k), ∀λ > 1,

d. h. eine Erhohung aller Produktionsfaktoren um den gleichen Faktor fuhrtdazu, dass sich der Output um mehr als diesen Faktor erhoht.

2. Eine Produktionsfunktion weist abnehmende Skalenertrage auf, wenn gilt

f(λl, λk) < λf(l, k), ∀λ > 1,

d. h. eine Erhohung aller Produktionsfaktoren um den gleichen Faktor fuhrtdazu, dass sich der Output um weniger als diesen Faktor erhoht.

3. Eine Produktionsfunktion weist konstante Skalenertrage auf, wenn gilt

f(λl, λk) = λf(l, k), ∀λ > 1,

d. h. eine Erhohung aller Produktionsfaktoren um den gleichen Faktor fuhrtdazu, dass sich der Output um den gleichen Faktor erhoht.

Grafisch kann man sich die drei Arten von Skalenertragen wie in Abbildung 1.1 gezeigtveranschaulichen. Dabei ist jeweils eine Produktionsfunktion mit einem Input, der aufder Abszisse abgetragen wird, und einem Output, der auf der Ordinate abgetragen wird,dargestellt.

1 2l

1

2f l

, 1 2l

1

2f l

, 1 2l

1

2f l

Abbildung 1.1: abnehmende, konstante und zunehmende Skalenertrage

In unserem Beispiel der Cobb–Douglas–Produktionsfunktion hangt es von den Parame-tern α und β ab, ob abnehmende, konstante oder zunehmende Skalenertrage vorliegen.Es gilt

f(λl, λk) = (λl)α(λk)β = λα+βlαkβ = λα+βf(l, k).

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2 Grundlagen

Fur λ > 1 ist

λα+β

> λ fur α + β > 1,

= λ fur α + β = 1,

< λ fur α + β < 1.

Daher besitzt eine Cobb–Douglas–Produktionsfunktion

• zunehmende Skalenertrage, falls α + β > 1,

• konstante Skalenertrage, falls α + β = 1 und

• abnehmende Skalenertrage, falls α + β < 1.

2.2 Kosten und Nachfrage

Die Kostenfunktion eines Unternehmens wird ermittelt, in dem man fur ein gegebenesOutputniveau, z. B. y, feststellt, wie dieser Output mit den geringstmoglichen Kostenhergestellt werden kann. Mit anderen Worten, die Kostenfunktion ergibt sich durch dieLosung eines Minimierungsproblems.Im Beispiel der Cobb–Douglas–Produktionsfunktion kann die Kostenfunktion wie folgtbestimmt werden. Zunachst mussen wir Preise fur die beiden Produktionsfaktoren ein-fuhren. In Anlehnung an den Lohn (wage) fur den Produktionsfaktor Arbeit, verwendenwir fur Inputpreise haufig die Notation w. Hier ist wl der Preis fur Arbeit und wk derPreis fur Kapital. Wenn ein Unternehmen mit der Cobb–Douglas–Produktionsfunktiondie Menge y zu geringstmoglichen Kosten herstellen mochte, muss es folgendes Minimie-rungsproblem losen.

(2.1)minl,k

wll + wkk

u.d.N. lαkβ = y.

Die Zielfunktion sind die Kosten, d. h. die mit den jeweiligen Inputpreisen bewertetenMengen von Arbeit bzw. Kapitel, die das Unternehmen einsetzt. Die Nebenbedingungist, dass mit diesen Inputs gerade die gewunschte Menge y produziert wird.Die Lagrangefunktion fur dieses Problem ist

L (l, k, λ) = wll + wkk + λ(

y − lαkβ)

.

Die Bedingungen erster Ordnung lauten

∂L (l, k, λ)

∂l= wl − λαlα−1kβ = 0(2.2)

∂L (l, k, λ)

∂k= wk − λβlαkβ−1 = 0(2.3)

∂L (l, k, λ)

∂λ= y − lαkβ = 0.(2.4)

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2.2 Kosten und Nachfrage

Daraus erhalt man durch Division von Gleichung 2.2 durch Gleichung 2.3

wl

wk

=λαlα−1kβ

λβlαkβ−1=

α

βlα−1l−αkβkβ−1 =

α

β

k

l.

Auflosen nach l ergibt

(2.5) l =α

β

wk

wl

k.

Dies setzen wir in die Nebenbedingung (2.4 ein und erhalten

y =

(

α

β

wk

wl

k

kβ =

(

α

β

wk

wl

kα+β

Auflosen nach k ergibt

k = y1

α+β

(

α

β

wk

wl

)− αα+β

.

Dies gibt an, welche Menge des Produktionsfaktors Kapital das Unternehmen einsetzenwird, um bei gegebenen Faktorpreisen wl und wk die Menge y mit geringstmoglichenKosten zu herzustellen. Diese Menge muss das Unternehmen am Markt kaufen, weshalbwir sie als bedingte (auf den vorgegebenen Output y) Faktornachfrage bezeichnen. Diebedingte Faktornachfragefunktion gibt fur alle Faktorpreise und Outputniveaus dieentsprechende bedingte Faktornachfrage an. Fur Kapital lautet sie also

k (wl, wk, y) = y1

α+β

(

α

β

wk

wl

)− αα+β

.

Wenn wir dies in Gleichung (2.5) einsetzen und vereinfachen erhalten wir auch die be-dingte Faktornachfragefunktion fur Arbeit

l (wl, wk, y) = y1

α+β

(

α

β

wk

wl

α+β

.

Schließlich setzen wir diese beiden bedingten Faktornachfragefunktionen in die Zielfunk-tion unseres Minimierungsproblem ein, um die Kostenfunktion zu erhalten

C (wl, wk, y) = wll (wl, wk, y) + wkk (wl, wk, y) .

Diese Funktion gibt fur alle Faktorpreise wl und wk die minimalen Kosten an, die auf-gewendet werden mussen, um ein vorgegebenes Outputniveau zu erzeugen.In unserem Fall ist die Kostenfunktion gegeben durch

C (wl, wk, y) =

[

(

α

β

α+β

+

(

α

β

)− αα+β

]

α+β

l wβ

α+β

k y1

α+β

9

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2 Grundlagen

Die Kosten, die pro hergestellter Einheit Output anfallen, sind durch die Durchschnitts-kostenfunktion bestimmt. Wenn also y Einheiten produziert werden, dann betragendie Durchschnittskosten

AC (wl, wk, y) =(wl, wk, y)

y.

Die Anderung in den Kosten, die durch eine marginale Erhohung des Outputs entstehen,werden durch die Grenzkostenfunktion beschrieben

MC (wl, wk, y) =∂C (wl, wk, y)

∂y.

Um den Zusammenhang zwischen den Kosten, Durchschnitts- und Grenzkosten zu ver-deutlichen, betrachten wir die Kostenfunktion

C(y) = F + cy2, F, c > 0.

Hierbei sind durch F die outputunabhangigen Fixkosten bezeichnet, also die Kostendie aufgewendet werden mussen, um uberhaupt etwas produzieren zu konnen. Die Kos-tenfunktion hat hier nur ein Argument, namlich die Outputmenge. Das heißt, dass wirimplizit unterstellen, dass die Faktorpreise auf einem bestimmten Niveau konstant blei-ben.Offensichtlich sind die Durchschnittskosten gegeben durch

AC(y) =F

y+ cy

und die Grenzkosten durch

MC(y) = 2cy.

Beide Kostenfunktionen sind in Abbildung grafisch dargestellt.

5 10 15 20y

5

10

15

20AC

Abbildung 2.2: Durchschnitts– und Grenzkosten

10

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2.2 Kosten und Nachfrage

Die Grenzkostenfunktion ist linear mit der Steigung 2c und die Durchschnittskosten-funktion fallt fur Outputniveaus y <

F/c und steigt fur Outputniveaus y >√

F/c.

Im Punkt y =√

F/c erreichen die Durchschnittskosten ihr Minimum.Man sieht, dass die Durchschnittskosten gerade dort ihr Minimum erreichen, wo sie dieGrenzkosten schneiden. Dies gilt auch allgemein, wie man sich leicht uberlegt, wenn mandie Bedingungen erster Ordnung fur die Minimierung der Durchschnittskosten betrach-tet.

dAC(y)

dy= 0

⇐⇒dC(y)

y

dy= 0

⇐⇒ MC(y)

y− C(y)

y2= 0

⇐⇒ MC(y) =C(y)

y= AC(y).

Damit kann man leicht das Outputniveau bestimmen, das die Durchschnittskosten mi-nimiert. ymin ist gegeben durch

MC(ymin) = AC(ymin).

Man muss also nur Grenz– und Durchschnittskosten gleichsetzen und nach y auflosen.In unserem Beispiel ergibt sich dieses Outputniveau aus der Gleichung

MC(ymin) = 2cymin =F

ymin+ cymin = AC(ymin).

Daraus folgt

ymin =

F

c

und damit

MC(ymin) = AC(ymin) = 2√

cF .

Der Zusammenhang zwischen Produktions- und Kostenfunktion:

Dualitat

Da wir die Kostenfunktion aus dem Minimierungsproblem (wie im Beispiel 2.1) hergelei-tet haben, in dessen Nebenbedingung die Produktionsfunktion einging, besteht ein engerZusammenhang zwischen Kosten- und Produktionsfunktion. Diese Beziehung wird alsDualitat bezeichnet. Der Zusammenhang kann dazu herangezogen werden, um Infor-mationen uber die Produktionsfunktion zu erhalten, wenn die Kostenfunktion bekanntist und umgekehrt.

11

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2 Grundlagen

Betrachten wir als Beispiel einen Produktionsprozess, bei dem nur ein Produktionsfaktor(Arbeit) eingesetzt wird. Die Produktionsfunktion ist gegeben durch

y = f(l) = lγ , γ > 0.

Fur unterschiedliche Werte von γ (γ < 1, γ = 1 und γ > 1), sieht die Produktionsfunk-tion aus wie in Abbildung 2.3 gezeigt.

1 2l

1

2f l

, 1 2l

1

2f l

, 1 2l

1

2f l

Abbildung 2.3: Produktionsfunktion fur γ = 12, γ = 1, γ = 2

Um daraus Informationen uber die Kostenfunktion zu erhalten, invertieren wir die Pro-duktionsfunktion.

l = y1/γ

Wenn der Lohnsatz w betragt, ergeben sich die Kosten zur Herstellung von y als

C(y) = wl = wy1/γ .

Diese Kostenfunktion ist in Abbildung 2.4 ebenfalls fur die drei Parameterwerte darge-stellt.

1 2y

1

2C y

, 1 2y

1

2C y

, 1 2y

1

2C y

Abbildung 2.4: konvexe, lineare und konkave Kostenfunktionen

Der Verlauf der Kosten- und Produktionsfunktion macht deutlich, dass zunehmendeSkalenertrage, d. h. eine konvexe Produktionsfunktion mit einer konkaven Kostenfunk-tion, konstante Skalenertrage, d. h. eine lineare Produktionsfunktion mit einer linearenKostenfunktion und abnehmende Skalenertrage, d. h. eine konkave Produktionsfunktionmit einer konvexen Kostenfunktion verbunden sind.

12

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2.2 Kosten und Nachfrage

1 2y

1

2AC

, 1 2y

1

2AC

, 1 2y

1

2AC

Abbildung 2.5: zunehmende, konstante und fallende Durchschnittskosten

Dies kann auch aus dem Verlauf der Durchschnittskosten entnommen werden, die inAbbildung 2.5 dargestellt sind.Im ersten Fall — steigende Skalenertrage — nehmen die Kosten pro Stuck mit zuneh-mender Outputmenge ab, bei konstanten Skalenertragen, d. h. linearer Kostenfunktionbleiben sie konstant und bei abnehmenden Skalenertragen nehmen sie zu.

Ubung: Uberprufen Sie anhand der Cobb–Douglas–Produktionsfunktion und derdazugehorigen Kostenfunktion den dargestellten Zusammenhang. Beachten Siedabei, dass die Summe der Parameter α und β Auskunft uber die Skalenertrage derProduktionsfunktion gibt.

Nachfrage– und Grenzerlosfunktion

Um das Verhalten von Firmen am Markt zu studieren, mussen wir auch die Nachfrage-seite modellieren. Dies wird im allgemeinen durch eine Nachfragefunktion y(p) getan.Eine Nachfragefunktion gibt zu jedem vorgegebenen Preis die nachgefragte Menge an.Betrachten wir zum Beispiel die lineare Nachfragefunktion

y(p) =a

b− 1

bp,

wobei a und p positive Konstanten sind. Hier wird unterstellt, dass die Nachfrage nachdem Produkt y nur vom Preis dieses Produktes abhangt; dies ist typisch fur den parti-alanalytischen Ansatz vieler industrieokonomischer Modelle.In der Industrieokonomik wird jedoch haufig nicht mit der Nachfrage, sondern mit derinversen Nachfragefunktion gearbeitet. Diese Funktion gibt an, welchen Preis manfur eine gegebene Menge am Markt erzielen kann. Die inverse Nachfragefunktion — auchals Preis-Absatz-Funktion bezeichnet — ist in unserem Fall

p(y) = a − by.

Eine grafische Darstellung ist in Abbildung 2.6 gegeben.Eine wichtige Eigenschaft der Nachfragefunktion ist ihre Elastizitat. Die Preiselasti-zitat gibt an, um wieviel sich — prozentual — die Nachfrage andert, wenn der Preis

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2 Grundlagen

2 4 6 8 10 12x

2

4

6

8

10

12p x

Abbildung 2.6: Preis-Absatz-Funktion

eine marginale prozentuale Erhohung erfahrt. Sie ist definiert als

ηp(y) =dy(p)

dp

p

y.

Definition 3 Fur eine gegebene Menge y heißt die Nachfrage

1. elastisch, wenn ηp(y) < −1 (|ηp(y)| > 1);

2. unelastisch, wenn −1 < ηp(y) < 0 (|ηp(y)| < 1);

3. einheitselastisch, wenn ηp(y) = −1 (|ηp(y)| = 1).

Die Elastizitat der linearen Nachfragefunktion ist gegeben durch

ηp(y) =dy(p)

dp

p

y= −1

b

a − by

y= 1 − a

by.

Die Funktion ist daher elastisch fur y < a/(2b), unelastisch fur y > a/(2b) und ein-heitselastisch fur y = a/(2b). Diese Elastizitatsbereiche sind in Abbildung 2.7 in diePreis-Absatz-Funktion eingezeichnet.

Erlos– und Grenzerlosfunktion

Die Erlosfunktion RE(y) gibt an, welchen Erlos ein Unternehmen bei der Menge yerzielen kann, wenn der dazugehorige Preis uber die Preis-Absatz-Funktion bestimmtwird. Dieser Erlos ergibt sich im Beispiel der linearen Nachfragefunktion als

p(y)y = ay − by2.

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2.2 Kosten und Nachfrage

y

p

|ηp(y)| = 1

elastisch

unelastisch

a2b

Abbildung 2.7: Elastizitatsbereiche

Man kann nun die Frage stellen, wie der Erlos eines Unternehmens sich andert, wenndie am Markt abgesetzte Menge etwas erhoht wird. Die Antwort darauf gibt die Gren-zerlosfunktion MR(y). Sie ist definiert als die Ableitung der Erlosfunktion

MR(y) =dRE(y)

y.

Fur den Fall einer linearen Nachfrage- bzw. Preis-Absatz-Funktion gilt der folgendeZusammenhang.

Theorem 1 Ist die inverse Nachfragefunktion linear, dann ist auch die Gren-zerlosfunktion linear und hat den selben Achsenabschnitt aber die doppelte (negative)Steigung, d. h. MR(y) = a − 2by.

Dies ergibt sich unmittelbar aus der Ableitung der Erlosfunktion.Man sieht auch, dass es einen Zusammenhang zwischen der Elastizitat der Nachfrage-funktion und der Grenzerlosfunktion gibt. Diesen Zusammenhang kann man wie folgtherleiten.

MR(y) =dRE(y)

dy=

dp(y)y

dy= p + y

dp(y)

dy

= p

[

1 +y

p

1dy(p)

dp

]

= p

[

1 +1

ηp(y)

]

.(2.6)

Der Grenzerlos ist also positiv im elastischen Bereich der Nachfragefunktion, gleich Nullan der Stelle, an der die Elastizitat gleich 1 ist und negativ im unelastischen Bereich.

15

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2 Grundlagen

2.3 Markte, Marktabgrenzung und Konzentrationsmaße

In den Grundstudiumsvorlesungen zur Mikrookonomik wird das Konzept des vollkom-menen Wettbewerbes behandelt. Dieser wird in der Literatur zumeist durch die fol-genden Eigenschaften gekennzeichnet.

• eine große Zahl von Anbietern und Nachfragern auf einem Markt;

• ein homogenes Produkt, das auf dem Markt gehandelt wird;

• vollkommene Information uber alle relevanten okonomischen Variablen;

• keine Transaktionskosten;

• freier Marktzutritt und Marktaustritt.

Diese Bedingungen fuhren dazu, dass man Anbieter und Nachfrager als Preisnehmeroder Mengenanpasser betrachten kann.In der neueren Literatur (z. B. Shy (1995)) wird darauf hingewiesen, dass die Zahl der An-bieter oder Nachfrager keine Rolle fur die Annahme eines Preisnehmerverhaltens spielt.Entscheidend ist vielmehr, dass eine Firma annimmt, sie konne den Preis nicht beeinflus-sen. Wir werden spater Beispiele betrachten, in denen wir vollkommenen Wettbewerbbetrachten obwohl es im Markt nur eine Firma gibt.Die andere Marktform, die im Grundstudium betrachtet wird, ist das andere Extremdes Monopols. Hier gibt es am Markt nur ein Unternehmen, d. h. die Industrie und dasUnternehmen sind identisch. Der Monopolist sieht sich der gesamten Marktnachfragegegenuber und hat die Moglichkeit, den Preis fur sein Produkt (oder die abzusetzendeMenge) frei zu wahlen. Der Monopolist ist also ein Preissetzer.

Markte und Marktabgrenzung

In der Diskussion dieser beiden extremen Marktformen ist implizit immer der Begriff desMarktes eingeflossen. Es stellt sich allerdings in einem ersten Schritt die Frage, was imweiteren unter einem Markt verstanden werden soll und wie man verschiedene Marktevoneinander abgrenzen kann. Wir werden dieses Thema hier nur kurz anreißen konnen.Dass es von entscheidender Bedeutung ist, wird schon an einem einfachen Beispiel klar.Stellen wir uns zwei Obstbauern vor, von denen einer Apfel und der andere Birnenanbaut. Wenn wir jeweils den Markt fur Apfel und den fur Birnen als getrennte Markteansehen, haben wir es mit zwei Monopolisten zu tun. Stellen wir uns hingegen auf denStandpunkt, der relevante Markt sei der fur Obst, stehen die beiden Obstbauernzueinander in Konkurrenz, sind also Duopolisten.Neben der eben diskutierten Frage, welches der sachlich relevante Markt sei, gibt esauch noch die beiden Dimensionen des raumlich relevanten Marktes und des zeit-lich relevanten Marktes. Um bei unseren Obstbauern zu bleiben, macht es sicherlicheinen Unterschied, ob beide ihren Betrieb in Linsenhofen (schwabische Alb) betreiben,oder ob die Apfel im Alten Land (bei Hamburg) und nur die Birnen in Linsenhofen

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2.3 Markte, Marktabgrenzung und Konzentrationsmaße

wachsen, so dass beide Bauern verschiedene Wochenmarkte beschicken. Genauso ist eswichtig, ob Apfel und Birnen gleichzeitig reif sind, so dass die schwabischen Hausfrau-en beide nebeneinanderliegend auf dem Markt finden, oder ob die beiden Obstsortenzu verschiedenen Zeiten angeboten werden; es ist ja eher unwahrscheinlich, dass eineKonsumentin z. B. im August vom Kauf von Apfeln absieht, weil sie weiß, dass es imOktober Apfel billiger geben wird.

Worum es in den Fallen geht, in denen etwa beim Bundeskartellamt, der Monopolkom-mission oder der EU-Kommission der Begriff des Marktes eine fundamentale Rolle spielt,ist ja, herauszufinden, ob Unternehmen zueinander im Wettbewerb stehen oder nicht.Ein sinnvoll abgegrenzter relevanter Markt sollte alle Firmen umfassen, die tatsachlichmiteinander im Wettbewerb stehen, sollte aber alle Nicht–Wettbewerber ausschließen.

Um nun aber festzustellen, ob gegebene Firmen Wettbewerber sind oder nicht, spieltdie Substituierbarkeit der betrachteten Guter sowohl auf der Konsumenten- als auch aufder Produzentenseite eine wichtige Rolle. Werden zwei Produkte von den Konsumentenfur ahnliche Zwecke verwendet, dann sollten Firmen, die diese Produkte herstellen, alsWettbewerber betrachtet werden. Auch wenn zwei Produkte unter Verwendung ahnli-cher Produktionsprozesse hergestellt werden, sind ihre Hersteller als Wettbewerber auf-zufassen. Hat man zu wenige Firmen erfasst, dann wird die Marktmacht einer Firmauberschatzt — sind zu viele Firmen unter einem Markt subsummiert, dann wird derEinfluss einer einzelnen Unternehmung unterschatzt.

In Deutschland ist das grundlegende System, nachdem die Erzeugnisse der verschiedenenIndustrien klassifiziert werden, die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Klassi-fikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003).1 Diese Klassifikation kann anfolgendem Beispiel verdeutlicht werden: Z.B. wird unter Kategorie D das Verarbeiten-de Gewerbe aufgefuhrt, unter DM der Fahrzeugbau, unter DM 34 die Herstellungvon Kraftwagen und Kraftwagenteilen usw. Insgesamt erstreckt sich die Klassifikationauf sechs Ebenen. In den USA gibt es ein ahnliches System, das North American In-dustry Classification Scheme (NAICS), das 1997 den Vorganger, die Standard IndustrialClassification (SCI) abloste. Die aktuelle Version ist NAICS2002, mit ebenfalls sechsHierarchieebenen, allerdings gibt es bereits Plane fur eine revision NAICS2007.2

Ein Gefuhl fur die Bedeutung der Marktabgrenzung aber auch fur die damit verbundenenSchwierigkeiten werden auch die Anwendungen in der Vorlesung

”Marktanalysen und

Fallstudien“ geben.

Konzentrationsmaße

Nachdem wir etwas uber die Klassifizierung der verschiedenen Markte gelernt haben,soll nun in einem weiteren Schritt untersucht werden, wie es um den Wettbewerb bzw.den Grad des Wettbewerbs in den verschiedenen Industrien bzw. Markten bestellt ist.Bisher haben wir nur die beiden Extreme des vollkommenen Wettbewerbs bzw. des

1Sie ist unter folgenden URL zu finden http://www.destatis.de/download/d/klassif/wz03.pdf.2Nahere Informationen finden sich auf der NAICS Homepage des U.S. Census Bureau mit folgender

URL http://www.census.gov/epcd/www/naics.html.

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2 Grundlagen

Monopols angesprochen. Im allgemeinen finden wir aber in keiner Industrie eines dieserbeiden Extreme vor, sondern haben es mit Fallen zu tun, in der es zwar nicht nur einUnternehmen gibt, das auf einem Markt ohne Konkurrenten agieren kann, in denen aberauch die Annahme vollkommener Konkurrenz keine gute Beschreibung der Realitat ist.Man kann daher die Frage stellen, wie man in Industrien, die weder der vollkommenenKonkurrenz noch dem Monopol entsprechen, die Konzentration der Industrie messenkann. Es kann aus zwei Grunden von Interesse sein, uber ein derartiges Maß fur dieKonzentration zu verfugen.Erstens eroffnet ein solches Konzentrationsmaß die Moglichkeit, verschiedene Industrienhinsichtlich des Grades der Konzentration zu vergleichen und zweitens kann es fur eineRegulierungsbehorde ein wichtiges Hilfsmittel sein, um festzulegen, ab wann sie in einerIndustrie tatig werden mochte, um den Grad der Konzentration zu senken bzw. eineweitere Konzentration zu verhindern.Beginnen wir mit der Frage, was denn eine Industrie mit hohem Konzentrationsgradware. Offensichtlich ist ein Monopol die am hochsten konzentrierte Industrie, da 100%des Outputs von einer Unternehmung verkauft werden.Gibt es jedoch in einer Industrie mehr als ein Unternehmen, dann gibt es zwei Fakto-ren, die die Konzentration beeinflussen: Zum einen die Zahl der Unternehmen in derIndustrie und zum anderen die Verteilung des Outputs zwischen diesen Unternehmen.Ein vernunftiges Konzentrationsmaß sollte daher von beiden Faktoren abhangen.Im folgenden werden wir einige Konzentrationsmaße betrachten, die fur zahlreicheempirische Untersuchungen aber auch fur Entscheidungen des Kartellamts oder der EU-Kommission sowie die Berichte der Monopolkommission von zentraler Bedeutung sind.Wir beginnen damit, uns auf Notation zu verstandigen. Sei n die Zahl der Unternehmenin einer Industrie und sei Y der aggregierte Output in der Industrie. Der Output desUnternehmens i sei bezeichnet mit yi, i = 1, . . . , n. Es gilt also

Y =n∑

i=1

yi.

Allerdings konnte im Fall nicht vollig homogener Produkte das Problem auftreten, dasshier

’Apfel und Birnen‘addiert werden. Im weiteren werden wir jedoch — wie das auch

in fast allen empirischen Untersuchungen der Fall ist — von diesem Problem absehen.Wir konnen nun den prozentualen Anteil des Outputs eines Unternehmens am Gesam-toutput der Industrie schreiben als

si =yi

Y.

Im weiteren bezeichnen wir si als den Marktanteil des Unternehmens i.3

Offensichtlich gilt:n∑

i=1

si =

∑ni=1 yi

Y= 1.

3Der Marktanteil eines Unternehmens ist eine reelle Zahl si ∈ [0, 1]. In der Literatur wird der Markt-anteil haufig in Prozent angegeben, also etwa statt si = 0.5 geschrieben si = 50%. Dies kann zurVerwirrung beitragen.

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2.3 Markte, Marktabgrenzung und Konzentrationsmaße

Konzentrationsraten Bei den Konzentrationsraten handelt es sich um Maßzahlen, diedie absolute Konzentration beschreiben. Die absolute Konzentration ist auf die Un-gleichverteilung der Große einer bestimmten Anzahl der Unternehmen bezogen. Es wer-den zumeist Konzentrationsraten bezogen auf die 3, 6, 10, 25, 50 und 100 großten Un-ternehmen auf einem Markt betrachtet.Um eine Konzentrationsrate bezogen auf die j großten Unternehmen (CRj) zu ermitteln,werden die Marktanteile dieser Firmen addiert, d. h.

CRj =

j∑

i=1

sj.

Der Wertebereich der Konzentrationsraten betragt:

j

n≤ CRj ≤ 1.

Zum Beispiel bedeutet CR3 = 30% (dies heißt in unserer Notation CR3 = 0.3), dassdie drei großten Unternehmen in einer Industrie zusammen einen Marktanteil von 30%haben. Es handelt sich bei einer Konzentrationsrate um ein unvollstandiges Konzen-trationsmaß, da nur die j großten Unternehmen berucksichtigt werden.Betrachten wir als Beispiel einmal die folgenden imaginaren Industrien:

% Anteil s1 s2 s3 s4, s5 s6 . . . s8 s9, s10 CR4 H

Industrie 1 60 10 5 5 5 0 80 3850Industrie 2 20 20 20 20 0 0 80 2000Industrie 3 100

31003

1003

0 0 0 100 3333Industrie 4 49 49 0.25 0.25 0.25 0.25 98.5 4802

Hier ist als Konzentrationsrate CR4 ausgewiesen. Allerdings gibt es bei dieser Kennzahleinige Probleme: In der Industrie 1 hat Unternehmen 1 einen Marktanteil von 60%. In derIndustrie 2 mit funf Unternehmen haben alle Unternehmen den gleichen Marktanteil von20%. Aber das Konzentrationsmaß CR4 ergibt 80% fur beide Industrien. Da dieses vier-Firmen-Maß linear ist, gehen Unterschiede in der Unternehmensgroße der vier großten4 Firmen nicht in das Maß ein.Zwischen den Industrien 3 und 4 ergibt sich ein ahnliches Problem: Eine Industrie, in dersich die Marktanteile auf drei Unternehmen in gleicher Weise verteilen, wird als hoherkonzentriert ausgewiesen als eine Industrie, die von zwei großen Firmen dominiert wird.

Herfindahl–Index

Der Herfindahl–Index ist eine konvexe Funktion der Marktanteile der Unternehmen.Aus diesem Grunde hangt dieser Index auch von Unterschieden in den Marktanteilenab. Es handelt sich um ein absolutes summarisches Konzentrationsmaß, da alleUnternehmen in der Industrie berucksichtigt werden.

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2 Grundlagen

Formal ist der Herfindahl–Index definiert als:

H =n∑

i=1

(100si)2,

d. h. die summierten Quadrate der Marktanteile aller Unternehmen (in Prozentzahlen,daher die Multiplikation mit 100) in einer Industrie.In unserem obigen Beispiel ist der Herfindahl–Index fur die Industrie 1 fast zweimal sogroß wie fur Industrie 2. Der Grund dafur liegt darin, dass das Quadrieren der Marktan-teile sich bei den großen Unternehmen starker auswirkt, was dazu fuhrt, dass der Indexgroß wird fur Industrien, in denen die Marktanteile der Unternehmen unterschiedlichgroß sind.Fur die Industrien 3 und 4 gibt zwar CR4 eine hohere Konzentration fur Industrie 3 an,aber der Herfindahl–Index fur die Industrie 4 ist hoher als fur Industrie 3. Aus diesemGrund wird der Herfindahl–Index haufig fur Regulierungsfragen herangezogen.Neben diesen beiden absoluten Konzentrationsmaßen werden auch sogenannte relati-ve Konzentrationsmaße betrachtet, die die Ungleichverteilung der Anteile an allenUnternehmen erfassen.Zum einen handelt es sich um Disparitatsraten. Ein Disparitatsrate ist der Anteil, mitdem der Wert einer Konzentrationsrate auf der Ungleichverteilung der Unternehmens-großen bzw. der Marktanteile der Unternehmen beruht. Formal ist eine Disparitatsratedefiniert als

DRj =CRj − 1/n

CRj

= 1 − j

n · CRj

.

Angenommen, die Konzentrationsrate der drei großten von insgesamt 100 Unternehmenbetrage 10%. Waren alle Anbieter gleich groß, betruge die Konzentrationsrate CR3 3%.Der Wert der Konzentrationsrate resultiert daher zu 70% — der Disparitatsrate DR3

— aus der ungleichen Großenverteilung.Auch fur summarische absolute Konzentrationsmaße wie den Herfindahl–Index gibt eszugeordnete relative Konzentrationsmaße. So wird fur den Herfindahl–Index haufig derVariationskoeffizient verwendet. Hierbei handelt es sich um das Verhaltnis der Stan-dardabweichung der Marktanteile zu ihrem arithmetischen Mittelwert. Formal ist derVariationskoeffizient definiert als

V 2 = nn∑

i=1

(

si −1

n

)2

.

Ein großer Variationskoeffizient deutet auf starke Ungleichheiten in den Marktanteilenhin. Hatten z. B. alle Unternehmen den gleichen Marktanteil, dann ware der Variations-koeffizient gleich 0.

2.4 Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik

Im folgenden soll an einem Beispiel die Unternehmenskonzentration in der Bundesre-publik dargestellt werden. Hierzu verwenden wir Statistiken aus dem letzten Haupt-

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Literaturverzeichnis

gutachten der Monopolkommission aus dem Jahre 1996/1997 (Monopolkomission, 1998,Tabelle I.2, S. 92–95) uber die Konzentration der Unternehmen bzw. der Anbieter. Beider Konzentration der Unternehmen wird eine Firma dem Bereich zugeordnet, in demdas Unternehmen seinen Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tatigkeit hat. Bei der Kon-zentration der Anbieter nach Guterarten werden nur diejenigen Teile der Produktionzusammengefasst, die bestimmten Gutern entsprechen.Wir betrachten die Konzentration im Bereich des produzierenden Gewerbes. Es zeigtsich, dass der absolute hochste Konzentrationsgrad (gemessen mit dem Herfindahl-Index)in den folgenden Bereichen herrscht.

11 Erdol und Erdgas 710 Punkte

10 Kohle und Torf 480 Punkte

16 Tabakerzeugnisse 213 Punkte

Ein mittlerer Konzentrationsgrad liegt in den folgenden Industrien vor.

35 Fahrzeuge (ohne Kraftwagen und –teile) 46 Punkte

37 Sekundarrohstoffe 30 Punkte

24 Chemische Erzeugnisse 25 Punkte

Die geringste Konzentration herrscht in den folgenden Industrien.

36 Mobel, Schmuck, Musikinstrumente, Sportgerate, Spielwaren und sonstige Erzeug-nisse 2,5 Punkte

25 Gummi– und Kunststoffwaren 2,5 Punkte

29 Maschinen 2 Punkte

28 Metallerzeugnisse 1 Punkt.

Literaturverzeichnis

Monopolkomission (1998): Hauptgutachten 1996/97: Marktoffnung umfassend ver-wirklichen, Nr. XII in Hauptgutachten der Monopolkomission. Nomos, Baden-Baden.

Shy, O. (1995): Industrial Organization: Theory and Applications. MIT Press, Cam-bridge, Massachusetts.

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Literaturverzeichnis

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3 Theorie des Monopols

Man sieht empirisch, dass die tatsachlichen Markt- bzw. Industriestrukturen, die inDeutschland vorherrschen, im großen und ganzen weder zur vollkommenen Konkurrenznoch zum Monopol gehoren, sondern in einem Zwischenbereich liegen, in dem es eineuberschaubare Anzahl von Unternehmen bzw. Anbietern gibt. Bevor wir jedoch diesenZwischenbereich des Oligopols naher betrachten, sollen zuerst die beiden Marktformender vollkommenen Konkurrenz und des Monopols noch einmal rekapituliert und naherbetrachtet werden.

3.1 Vollstandiger Wettbewerb als Referenzpunkt

Im folgenden soll unter einem Wettbewerbsmarkt ein solcher Markt verstanden wer-den, in dem sich alle Anbieter und Nachfrager als Preisnehmer verhalten, d. h. jederAkteur soll davon ausgehen, dass er durch sein Verhalten keinen Einfluss auf den Markt-preis nehmen kann. Hierbei ist zu beachten, dass — wie bereits oben erwahnt — keineAnnahme uber die Zahl der Akteure sondern lediglich eine uber ihr Verhalten getroffenwird.Auf dem betrachteten Markt wird ein homogenes Produkt gehandelt. Der Preis des Pro-duktes sei mit p und die Gesamtmenge des Produktes mit Y bezeichnet. Die aggregiertePreis-Absatz-Funktion (bzw. inverse Nachfragefunktion) ist linear und gegeben durch

p(Y ) = a − bY, mit a, b > 0.

Angenommen, es gibt auf diesem Markt zwei Unternehmen, die Unternehmen 1 und2, die dieses homogene Produkt herstellen. Die von Unternehmen i hergestellte Mengewird mit yi bezeichnet und die Kostenfunktion des Unternehmens i ist Ci(yi). Im erstenSchritt werden wir annehmen, dass die Technologie der Unternehmen durch konstanteSkalenertrage gekennzeichnet ist. In diesem Fall konnen die Kostenfunktionen geschrie-ben werden als

Ci(yi) = ciyi , i = 1, 2 mit c2 ≥ c1 ≥ 0.

In diesem Fall sind fur beide Unternehmen die Grenzkosten und die Durchschnittskostengleich ci, d. h.

MCi(yi) = ACi(yi) = ci, fur alle yi.

Die Nachfrage und die Stuckkosten fur beide Unternehmen konnen dargestellt werdenwie in Abbildung 1.1 gezeigt.

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3 Theorie des Monopols

y

c1

c2

c1,c2,p

Abbildung 1.1: Nachfragefunktion und Stuckkosten

Ein Wettbewerbsgleichgewicht auf diesem Markt ist definiert durch eine Output-menge y∗

i fur jede Firma i und einen Preis p∗ derart, dass

1. jede Firma den bei diesem Preis gewinnmaximalen Output wahlt;

2. bei diesem Preis die angebotene Menge gleich der nachgefragten Menge ist.

Definition 4 Der Vektor (p∗, y∗1, y

∗2), mit p∗, y∗

1, y∗2 ≥ 0 heißt Wettbewerbsgleichge-

wicht, wenn

1. fur gegebenes p∗ die Menge y∗i das Optimierungsproblem

maxyi

π(yi) = p∗yi − Ci(yi), i = 1, 2

lost und

2. p∗ = a − b (y∗1 + y∗

2) gilt.

Betrachten wir nun das Gleichgewicht fur den Fall konstanter Skalenertrage.Zuerst mussen die Angebotsfunktionen der beiden Firmen ermittelt werden.

Lemma 1 Die Angebotsfunktionen sind gegeben durch:

y∗i =

0 falls p < ci

[0,∞) falls p = ci

∞ falls p > ci

Der Beweis ist offensichtlich: Liegt der Preis unterhalb der Stuckkosten, ist es fur dasUnternehmen am besten, die Produktion einzustellen. Ist der Preis pro Stuck großer alsdie Stuckkosten, dann sollte das Unternehmen eine unendlich große Menge herstellen.

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3.1 Vollstandiger Wettbewerb als Referenzpunkt

Bei Preis gleich Stuckkosten ist die angebotene Menge unbestimmt — egal, wie vielhergestellt wird, der Gewinn ist immer der gleiche, namlich 0.

Offensichtlich sind Preise mit p > c2 bzw. mit p < c1 nicht mit einem Gleichgewichtvereinbar. Im ersten Fall ware das Angebot unendlich groß, aber die Nachfrage immerendlich, im zweiten Fall ware das Angebot gleich 0, aber die Nachfrage positiv. Aberauch fur Preise p > c1 ist das Angebot (des Unternehmens 1) unendlich, die Nachfragejedoch endlich. Der einzige Preis, mit dem ein Gleichgewicht vereinbar ware, ist p∗ = c1.

Theorem 2 Ist a > c2 ≥ c1 dann ist der einzige Gleichgewichtspreis p∗ = c1 und

1. falls c2 > c1, y∗2 = 0 und y∗

1 = (a − c1)/b;

2. falls c1 = c2, Y ∗ = y∗1 + y∗

2 = (a − c1)/b.

Ist a < c1, so ist jeder Preis p, fur den gilt a ≤ p ≤ c1 ein Gleichgewichtspreis, bei demsowohl Angebot als auch Nachfrage null sind. Dies ist allerdings ein degenerierter Falleines Gleichgewichts.

Bei Preisen niedriger als a ware das Angebot null aber die Nachfrage positiv, wahrendbei preisen oberhalb von c1 das Angebot ∞ einer nachfrage von null gegenuber stande;in beiden Fallen lage also kein Gleichgewicht vor.

Zunehmende Skalenertrage Betrachten wir nun die Situation, in der die Unternehmendurch Technologien mit zunehmenden Skalenertragen gekennzeichnet sind. Zur Vereinfa-chung nehmen wir an, dass es nur ein Unternehmen gibt, dessen Kostenfunktion gegebenist durch

C(y) =

{

F + cy falls y > 00 falls y = 0

.

Die Grenzkosten MC(y) = c und die Durchschnittskosten AC(y) = F/y + c sind inAbbildung 1.2 grafisch dargestellt.

Theorem 3 Wenn die Technologien der Unternehmen durch zunehmende Skalener-trage gekennzeichnet sind, dann existiert kein Wettbewerbsgleichgewicht.

Beweis: Angenommen, es existiert ein Wettbewerbsgleichgewicht. Fur den Gleichge-wichtspreis pe muss gelten pe ≤ c oder pe > c.

Angenommen, der erste Fall liegt vor. Dann gilt auch pe < F/y + c = AC(y) fur alley > 0. In diesem Fall wurde das Unternehmen nichts produzieren, da es sonst Verlustemachen wurde. Dies konnte aber keine Gleichgewichtsmenge sein, denn fur diese Preiseist die Nachfrage positiv.

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3 Theorie des Monopols

yp1e

p2e

p

Abbildung 1.2: Grenz– und Durchschnittskosten: zunehmende Skalenertrage

Angenommen, wir befinden uns im zweiten Fall. In diesem Fall gilt pe > F/y+c = AC(y)fur Werte von y, die ein bestimmtes Niveau uberschreiten. Der Gewinn pro Outputeinheitwachst mit y. Dies impliziert, dass das Unternehmen den Output ye = ∞ wahlen wird.Dies kann aber kein Gleichgewicht sein, da die nachgefragte Menge immer endlich ist.

Grenzkostenpreise und Wohlfahrt Im folgenden soll kurz auf die Wohlfahrtseigen-schaften eines Wettbewerbsgleichgewichts eingegangen werden. Hierzu wird das Konzeptder Konsumentenrente eingefuhrt.

Das Konzept der Konsumentenrente kann man wie folgt erlautern: Die Nachfragefunk-tion misst ja die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten: Fur die erste Einheit gibt eseinen Konsumenten, der bereit ist einen recht hohen Preis zu zahlen. Bei einem ge-gebenen Marktpreis muss dieser Konsument (und auch die anderen, die eine hohereZahlungsbereitschaft als den Marktpreis haben) jedoch nur den Marktpreis zahlen. DieDifferenz zwischen seiner Zahlungsbereitschaft und dem Preis der tatsachlich gezahltwerden muss, ist seine Konsumentenrente. Die gesamte Konsumentenrente ergibt sichdann, indem man die der einzelnen Konsumenten addiert.

Grafisch ergibt sich die Konsumentenrente als die Flache unter der Preis-Absatz-Funktionund oberhalb des Preises. Sie ist in Abbildung 1.3 fur zwei Preise als blau bzw. rot schraf-fierte Flache illustriert.

Offensichtlich nimmt die Konsumentenrente zu, wenn der Preis sinkt; wir konnen alsoschreiben CS(p) (CS fur consumer surplus).

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3.1 Vollstandiger Wettbewerb als Referenzpunkt

p

y

p1

p2

Abbildung 1.3: Konsumentenrente

Definition 5 Sei p der Marktpreis und sei die Zahl der Unternehmen auf dembetrachteten Markt durch N ≥ 1 gegeben. Die Wohlfahrt ist definiert durch

W (p) = CS(p) +N∑

i=1

πi(p),

wobei πi(p) der Gewinn des Unternehmens i beim Preis p ist.

In die Wohlfahrt gehen also sowohl die Konsumentenrente als auch die Gewinne derUnternehmen ein.Im folgenden soll gezeigt werden, dass die hergestellte und konsumierte Menge des Gutesdie Wohlfahrt maximiert, wenn der Marktpreis gleich den Grenzkosten der Unternehmenist, die das Gut produzieren.Betrachten wir hierzu noch einmal die inverse Nachfragefunktion und einen Marktpreisp0. In diesem Fall ist die Konsumentenrente gleich dem in Abbildung 1.4 eingezeichnetenDreieck α.Die Produzentenrente ist hier durch die Flache zwischen dem Marktpreis und den Stuck-kosten fur die Menge y0 gegeben, bezeichnet durch die Flache β. Die Wohlfahrt ist hieralso gegeben durch α + β.Man beachte, dass die Flache γ nicht in die Wohlfahrt eingeht. Dies ist der sogenannteWohlfahrtsverlust oder deadweight loss, der mit Preisen oberhalb der Grenzkostenverbunden ist.Man sieht, dass bei einem Preis p = c die gesamte Wohlfahrt maximiert wird. Zwar isthier die Produzentenrente gleich 0, aber die Zunahme an Konsumentenrente ist großerals die Einbuße an der Produzentenrente.

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3 Theorie des Monopols

p

y

p0

c

α

β γ

y0

Abbildung 1.4: Maximale Konsumentenrente bei p = c.

Bei Preisen unterhalb der Grenzkosten wurde eine Erhohung des Preises zu einer Ver-großerung der Produzentenrente fuhren, die die Verringerung an Konsumentenrenteuberkompensiert.

3.2 Das Einprodukt–Monopol

Im folgenden soll kurz die Theorie des Monopols rekapituliert und in einige Richtungenerweitert werden. Bei einem Monopol handelt es sich um einen Anbieter, der sich dergesamten Marktnachfrage gegenubersieht. Der Monopolist kann also beliebige Punkteauf der Nachfragefunktion bzw. der Preis-Absatz-Funktion realisieren. Das Monopol wirddiejenige Menge anbieten, die seinen Gewinn maximiert.Wir hatten gesehen, dass die Technologie, die dem Monopol zur Verfugung steht, auchdurch die Kostenfunktion C(y) ausgedruckt werden kann. Die Preis-Absatz-Funktion istdurch p(y) bezeichnet. Der Erlos eines Monopols ist dann gegeben durch R(y) = p(y)y.Das Gewinnmaximierungsproblem des Monopols ist

maxy

π(y) = R(y) − C(y).

Die notwendige Bedingung fur ein Gewinnmaximum ist

dπ(y)

dy=

dR(y)

dy− dC(y)

dy= 0.

Bezeichnet man die Ableitung des Erloses mit MR(y) und die Grenzkosten mit MC(y),dann ist die Bedingung erster Ordnung fur ein Gewinnmaximum also

(3.1) MR(y) = MC(y),

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3.2 Das Einprodukt–Monopol

wobei gilt

MR(y) =d (p(y)y)

dy=

dp(y)

dyy + p(y).

Aus Bedingung (3.1 konnen wir den gewinnmaximalen Output ym berechnen. Den re-sultierenden Preis findet man, indem man diese Menge in die Preis-Absatz-Funktioneinsetzt. Analog erhalt man die Kosten, indem man ym in die Kostenfunktion einsetzt.Schließlich sind noch diese ermittelten Großen in die Gewinngleichung einzusetzen. Istder Gewinn positiv, dann ist die Menge ym die Losung des Gewinnmaximierungspro-blems. Ist der Gewinn kleiner als 0, dann sollte das Unternehmen die Produktion ein-stellen.Diese beiden Situationen sind in Abbildung 2.5 grafisch dargestellt.

ymy

pm

p

y

p

Abbildung 2.5: Monopolgleichgewichte

Im linken Diagram produziert das Monopol die Menge ym, wahrend im rechten Dia-gramm die Nachfrage so gering bzw. die Kosten so hoch sind, dass keine Produktionstattfindet, d. h. ym = 0. Entscheidend ist die rot eingezeichnete Kurve, auf der dieje-nigen Preis-Mengen-Kombinationen liegen, fur die das unternehmen einen Gewinn vonnull macht.Fur die Preis-Absatz-Funktion p(y) = a − by und die Kostenfunktion C(y) = F + cy2

konnen wir das Problem des Monopolisten explizit losen.

maxy

(a − by)y − F − cy2.

Die Bedingung erster Ordnung lautet

a − 2by = 2cy.

Aufgelost nach y ergibt sich

ym =a

2(b + c).

Der Gleichgewichtspreis pm ist

pm = a − bym =a(b + 2c)

2(b + c).

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3 Theorie des Monopols

Der Gewinn des Monopolisten ist also:

π(ym) =a2(b + 2c)

4(b + c)2− F − c

(

a

2(b + c)

)2

=a2

4(b + c)− F.

Zusammenfassend konnen wir also feststellen:

ym =

{

a2(b+c)

falls F ≤ a2

4(b+c)

0 sonst.

Monopol und Wohlfahrt Monopole werden im allgemeinen als eine Marktform be-trachtet, die dazu geeignet ist, die Wohlfahrt in einer Okonomie bzw. in einem Marktim Vergleich zu anderen Marktformen zu verringern. Aus diesem Grund werden haufigstaatliche Maßnahmen ergriffen, um Monopole zu verhindern oder zu regulieren.Betrachten wir hierzu das ubliche Argument, das gegen Monopole ins Feld gefuhrt wird.Dies kann man sich anhand der Grafik in Abbildung 2.6 verdeutlichen.

ymy

pm

p

ymy

pm

p

, ycy

pc

p

ycy

pc

p

Abbildung 2.6: Wohlfahrt im Monopol– und im Wettbewerbsgleichgewicht

In der linken Grafik sehen wir das Monopolgleichgewicht zusammen mit der Konsu-mentenrente und der Produzentenrente. Hier gibt es einen Wohlfahrtsverlust bzw. einendeadweight loss in Hohe der Flache des weißen Dreiecks.Die rechte Grafik zeigt den Fall der vollkommenen Konkurrenz mit einem Preis gleichden Grenzkosten. Hier tritt kein Wohlfahrtsverlust auf.Zusatzlich wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass die sozialen Kosten, die miteinem Monopol verbunden sind, bedeutend hoher sein konnen als der deadweight loss.Es wurde darauf hingewiesen, dass das Bestreben, einen Monopolgewinn zu erhaltenselbst eine okonomische Aktivitat ist, die Ressourcen verbraucht. Unternehmen, die eineMonopolstellung erlangen oder erhalten mochten, werden Ressourcen hierzu aufwenden.Hierzu gehoren u.a. die folgenden Aktivitaten:

1. Werbung, die nur dem Zweck dient, andere Marken schlecht zu machen.

2. Ressourcen, die verwendet werden, um potentielle Konkurrenten vom Marktein-tritt abzuschrecken. Hierzu gehort auch eine Uberinvestition in Kapital, um denMarkteintritt fur potentielle Konkurrenten unprofitabel zu machen.

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3.3 Preisdiskriminierung und nichtlineare Preise

3. Lobbykosten, die aufgewendet werden um den Gesetzgeber davon zu uberzeugen,dass ein bestimmtes Monopol nicht wohlfahrtsmindernd ist.

4. Exzessive Ausgaben fur Forschung und Entwicklung aufgrund eines Patentrennens.

Nicht zu solchen Aufwendungen gehoren aber die folgenden:

1. Ausgaben fur Forschung und Entwicklung, die zu einem Patent fuhren, da hier-durch verbesserte Technologien und neue Produkte resultieren.

2. Bestechungsgelder an Politiker und Beamte, um exklusive Rechte zu erlangen – eshandelt sich hier nur um einen Transfer von Vermogen.

3.3 Preisdiskriminierung und nichtlineare Preise

Bisher wurde davon ausgegangen, dass der Monopolist von jedem Konsumenten den glei-chen Preis verlangt. Es ist jedoch haufig so, dass durch Preisdiskriminierung der Gewinndes Monopols erhoht werden kann. Preisdiskriminierung bedeutet, dass ein Unterneh-men in der Lage ist, von verschiedenen Konsumenten verschiedene Preise fur das gleichProdukt zu verlangen. Konsumenten unterscheiden sich ja u.a. nach Alter, Einkommen,Geschmack, Wohnort etc. Um aber unterschiedliche Preise verlangen zu konnen, mussdas Monopol in der Lage sein, Arbitragegeschafte auszuschließen. Bei einem Arbitra-gegeschaft wurde ein Konsument das Produkt zu einem gunstigen Preis einkaufen undes zu einem hoheren Preis an einen anderen Konsumenten wieder verkaufen, der direktvom Monopolisten nur zu einem hohen Preis kaufen konnte.Beispiele fur preisdiskriminierendes Verhalten bei dem solche Arbitragegeschafte relativleicht auszuschließen sind, sind u.a. die folgenden.

• Unternehmen verlangen unterschiedliche Preise an unterschiedlichen Orten; dieseOrte mussen durch die Geographie, hohe Steuern (Zolle) oder Transportkostengetrennt sein.

• Dienstleistungsanbieter verlangen unterschiedliche Preise fur verschiedene Alters-gruppen (z. B. Seniorenkarte, Schulermonatskarte, die man nur unter Vorlage desentsprechenden Ausweises erhalt).

• Preisvergunstigungen fur verschiedene soziale Gruppen (Studententarife).

• Preise fur z. B. Zeitschriften sind fur Bibliotheken hoher als fur Individuen.

Im weiteren wird davon ausgegangen, dass ein Monopol in der Lage ist, Arbitrage-geschafte auszuschließen. Wir untersuchen den Fall, in dem ein Monopol ein Produktauf zwei getrennten Markten verkauft.In den beiden Grafiken in Abbildung 3.7 sind die Nachfragesituationen auf den bei-den Markten dargestellt. Welche Mengen sollte der Monopolist auf den beiden Marktenanbieten?

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3 Theorie des Monopols

y1

p1

p1 (y1)

MR1 (y1)

(a) Markt 1y2

p2

p2 (y2)

MR

2 (y2 )

(b) Markt 2

Abbildung 3.7: Nachfrage auf zwei getrennten Markten

Formal lautet das Problem des Monopolisten

maxy1,y2

π(y1, y2) = R1(y1) + R2(y2) − C(y1 + y2).

Die Bedingungen erster Ordnung sind

∂π(y1, y2)

∂yi

= MRi(yi) − MC(y1 + y2), i = 1, 2.

Der preisdiskriminierende Monopolist setzt also MR1(ym1 ) = MR2(y

m2 ) = MC(ym

1 +ym2 ),

d. h. auf beiden Markten wird der Grenzerlos gleich den Grenzkosten gesetzt. Grafischist diese Situation in Abbildung 3.8 dargestellt.

y1

p1

c

ym1

pm1

(a) Markt 1y2

p2

c

ym2

pm2

(b) Markt 2

Abbildung 3.8: Preisdiskriminierung 3. Grades (1)

Die okonomische Intuition ist die folgende: Waren die Mengen y1 und y2 so gewahlt, dassMR1(y1) > MR2(y2) gilt, dann konnte der Monopolist eine Einheit seines Outputs vomMarkt 2 zu Markt 1 transferieren und dadurch seinen Erlos steigern. Dadurch wurdenaturlich auch sein Gewinn steigen, da die gesamte produzierte Menge gleich bleibt.Ware andererseits MR1(y1) = MR2(y2) aber MR1(y1) 6= MC(y1 + y2), dann konnteder Gewinn gesteigert werden, indem eine zusatzliche Einheit hergestellt und verkauft

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3.3 Preisdiskriminierung und nichtlineare Preise

wird, namlich dann, wenn die Grenzkosten geringer sind als der Grenzerlos, bzw. imFalle, dass die Grenzkosten hoher als der Grenzerlos sind, indem eine Einheit wenigerhergestellt und verkauft wird.Um die gewinnmaximalen Outputniveaus zu ermitteln, sind zwei Gleichungen mit zweiUnbekannten zu losen. Allerdings kann man das Problem wie in Abbildung 3.9 dargestelltauch grafisch losen: Man betrachte den Schnittpunkt der Grenzkostenfunktion mit derGrenzerlosfunktion auf dem Gesamtmarkt. Hierdurch kann man den gesamten Outputym = ym

1 + ym2 ermitteln. Nun betrachtet man eine Horizontale und die entsprechenden

Schnittpunkte mit den Grenzerlosfunktionen MR1 und MR2. Hieraus ergeben sich dieOutputniveaus fur die beiden Einzelmarkte.

y1

p1

c

ym1

pm1

(a) Markt 1y2

p2

c

ym2

pm2

(b) Markt 2y

p

c

ym1 + ym

2

(c) Gesamtmarkt

Abbildung 3.9: Preisdiskriminierung 3. Grades (2) — grafisch

Um nun noch die Preise auf den beiden Markten zu bestimmen, muss man nur nochjeweils den Wert der Preis-Absatz-Funktion fur die Mengen ym

1 und ym2 ablesen und

erhalt so die Preise pm1 und pm

2 .Schließlich kann man noch die Summe der Gewinne, die das Unternehmen auf den beidengetrennten Markten macht, mit dem Gewinn vergleichen, der sich ergabe, wenn es denuniformen Monopolpreis pm auf dem Gesamtmarkt setzen wurde, der sich aus der Mengeym = ym

1 + ym2 uber die Preis-Absatz-Funktion des Gesamtmarkts ergibt. Grafisch sind

diese Gewinne in Abbildung 3.10 als grau unterlegte Flachen dargestellt.

y1

p1

c

ym1

pm1

(a) Markt 1y2

p2

c

ym2

pm2

(b) Markt 2y

p

c

ym1 + ym

2

p

(c) Gesamtmarkt

Abbildung 3.10: Preisdiskriminierung 3. Grades (3) — Gewinnvergleich

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3 Theorie des Monopols

Zwar ist mit bloßem Auge nicht klar, dass die Summe der Flachen auf den beidenEinzelmarkten großer ist als die Flache auf dem Gesamtmarkt, dies ist aber der Fall.Ubungsaufgabe:Den Grafiken liegen als Preis-Absatz-Funktionen fur die beiden Markte

p1(y1) = 10 − y1 und p2(y2) = 6 − y2

sowie die Kostenfunktion

C(y) = C (y1 + y2) = 2 y

zugrunde. Dafur lasst sich nachrechnen, dass der Gewinn bei Preisdiskriminierung π1 +π2 = 16 + 4 = 20 betragt und der Monopolgewinn auf dem Gesamtmarkt nur π = 18.(Zwischenergebnisse: ym

1 = 4, ym2 = 2, pm

1 = 6, pm2 = 4, pm = 5.)

Wie hangen nun die Preise auf den beiden Markten mit den Preiselastizitaten zusammen?Wir hatten gesehen, dass der Grenzerlos geschrieben werden kann als:

MR(y) = p

[

1 +1

ηp(y)

]

.

Fur die Gleichgewichtspreise gilt also nun:

pm1

[

1 +1

η1

]

= pm2

[

1 +1

η2

]

.

Daraus folgt pm2 > pm

1 wenn η2 > η1 bzw. |η2| < |η1|.Dies kann man in folgendem Theorem zusammenfassen.

Theorem 4 Ein preisdiskriminierender Monopolist wird auf dem Markt mit gerin-gerer Elastizitat einen hoheren Preis verlangen.

Dies lasst sich auch intuitiv nachvollziehen, geht doch bei niedrigerer Preiselastizitatder Nachfrage die Menge, die das Unternehmen bei einem hoheren Preis absetzen kann,weniger stark zuruck. Daher wird sich auf diesem Markt eine Preisanhebung noch lohnen,wenn auf dem Markt mit der hoheren Elastizitat der fur das Unternehmen positive Effekthoherer Erlose pro Stuck bereits durch den fur das Unternehmen negativen Effekt desNachfrageruckgangs uberkompensiert wird.

Andere Arten der Preisdiskriminierung Diese Art der Preisdiskriminierung (zwischenzwei getrennten Markten) wird in der Literatur haufig als Preisdiskriminierung drit-ten Grades bezeichnet. Daneben gibt es aber auch noch andere Formen der Preisdis-kriminierung: die Preisdiskriminierung ersten und die zweiten Grades.Von Preisdiskriminierung ersten Grades oder von vollkommener Preisdiskri-minierung spricht man, wenn dem Monopolisten von jedem Konsumenten ein Preis

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3.3 Preisdiskriminierung und nichtlineare Preise

entsprechend seiner maximalen Zahlungsbereitschaft gezahlt wird. In diesem Fall kannder Monopolist sich die gesamte volkswirtschaftliche Rente aneignen und wird dieselbeMenge absetzen wie bei vollkommener Konkurrenz auf diesem Markt. Dies ist dargestelltin Abbildung 3.11.

ymy

pm

p

ymy

pm

p

Abbildung 3.11: Vollkommene Preisdiskriminierung

Allerdings stellt diese Art der Preisdiskriminierung eine eher theoretische Moglichkeitdar. Der Monopolist scheint unuberwindlichen Schwierigkeiten gegenuberzustehen: Ermusste eine Fulle von Informationen haben und Arbitragegeschafte ausschließen konnen.Wenn das Gut nicht weiterverkauft werden kann und der Monopolist die Nachfragefunk-tion jedes Konsumenten kennt, zeigt sich jedoch, dass es sehr einfache Preissetzungsme-chanismen gibt, mit denen eine Preisdiskriminierung ersten Grades erreicht bzw. imple-mentiert werden kann. Ein effektiver Mechanismus ist ein nichtlineares Preisschemabzw. ein sogenannter Two–part tariff.Ein solches Schema besteht aus:

1. einer festen Gebuhr, z. B. einer Eintrittsgebuhr, die es einem Konsumenten ermog-licht, das Gut zu kaufen;

2. einem Preis, den der Konsument pro Einheit des konsumierten Gutes zu zahlenhat.

Solche Preismechanismen beobachtet man haufig in Vergnugungsparks, wie z. B. Disney-land. Im folgenden wollen wir kurz ein Modell eines solchen Two–part tariffs betrachten(vgl. Oi (1971)).Wir nehmen an, dass sich die potentiellen Besucher von Eurodisney in ihrer Nachfragenach den angebotenen Leistungen nicht unterscheiden. Die inverse Nachfragefunktionnach den Leistungen ist gegeben durch

p(y) = a − y.

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3 Theorie des Monopols

Hier bezeichnet y die Zahl der Nutzungen von z. B. den Fahrgeschaften und a die ma-ximale Zahlungsbereitschaft eines Konsumenten fur eine Fahrt. Die Kostenfunktion vonEurodisney ist

C(y) = F + cy.

Wurde Eurodisney sich wie ein normales Monopol verhalten, dann wurde Eurodisneyeinen Output wahlen, der die Bedingung

a − 2y = c

erfullt, d. h.,

ym =a − c

2.

Der Monopolpreis in diesem Fall ist

pm =a + c

2

und der Bruttogewinn pro Besucher ist

πb(ym) =

(a − c)2

4.

Grafisch kann man diese Situation wie in Abbildung 3.12 darstellen.

p

y

a

aa2

c

a−c2

a+c2

Abbildung 3.12: Eurodisney ohne Preisdiskriminierung

Gibt es pro Tag n Besucher in Eurodisney, dann ist der Gewinn des Monopols

π(ym) = nπb(ym) − F = n

(a − c)2

4− F.

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3.3 Preisdiskriminierung und nichtlineare Preise

p

y

a

aa2

c

a−c2

a+c2

Abbildung 3.13: Eurodisney ohne Preisdiskriminierung

Um zu untersuchen, wie Eurodisney seinen Gewinn erhohen konnte, betrachten wir dieverbleibende Konsumentenrente, die in Abbildung 3.13 durch das hellblau markierteGebiet gekennzeichnet ist.Diese Flache kann man berechnen als:

CS =1

2·(

a − a + c

2

)

· a − c

2=

(a − c)2

8.

Diese Konsumentenrente hat sich Eurodisney nicht aneignen konnen. Wir betrachtendaher ein anderes Preissetzungsschema, einen Two–part tariff. Eurodisney verlangt von

jedem Konsumenten ein Eintrittspreis in Hohe von (a−c)2

8und einen Preis pro Fahrt von

a+c2

. Die Konsumenten werden weiterhin Eurodisney besuchen, da ihre Konsumenten-rente nicht negativ ist. Da der Eintrittspreis unabhangig von der konsumierten Menge anFahrten ist, wird jeder Konsument weiterhin dieselbe Anzahl von Fahrten konsumieren.Dies fuhrt dazu, dass Eurodisney sich die gesamte Konsumentenrente aneignen kann.

Der Gewinn des Monopols steigt also um (a−c)2

8pro Konsument.

Allerdings kann der Monopolist einen noch großeren Gewinn machen, indem er denPreis pro Fahrt reduziert. Dadurch erhoht sich zunachst die Konsumentenrente. Indemer den Eintrittspreis entsprechend erhoht, kann er sich aber erneut die gesamte Kon-sumentenrente aneignen und dadurch insgesamt seinen Gewinn erhohen. Der optimaleTwo–part tariff ist derjenige, der zunachst die Gesamtrente maximiert und dann uberden Eintrittspreis dafur sorgt, dass der Monopolist sich die komplette Rente aneignet.Da wir bereits gesehen hatten, dass die Gesamtrente maximiert wird, wenn der Preis denGrenzkosten des Unternehmens entspricht, ist damit klar, wie der optimale Two–parttariff gestaltet werden muss. Dieser ist in Abbildung 3.14 grafisch illustriert.

1. Der Preis pro Fahrt wird gleich den Grenzkosten c gesetzt;

2. Bei diesem Preis ist die Konsumentenrente durch die hellblau eingefarbte Flache

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3 Theorie des Monopols

p

y

a

aa2

c

a − c

p =

Abbildung 3.14: Optimaler Two–part tariff fur Eurodisney

gegeben; sie betragt

CS =1

2(a − c)(a − c) =

(a − c)2

2.

Unter diesem Preisschema ist der Gewinn pro Fahrt gleich 0, da der Preis gleich den

(konstanten) Grenzkosten ist. Der Bruttogewinn ist gleich n (a−c)2

2; der Gewinn ist also

π∗ = n(a − c)2

2− F.

Man beachte, dass jeder Konsument die gleiche Menge an Fahrten kauft wie bei voll-kommenem Wettbewerb. Hieran sieht man, dass ein vollstandig preisdiskriminierenderMonopolist die Wettbewerbsmenge anbietet.Eine andere Eigenschaft des two–part tariffs ist die folgende: Die Gesamtausgaben einesKonsumenten setzen sich aus dem Eintrittspreis und den Ausgaben fur die Fahrtenzusammen, d. h.,

(a − c)2

2+ c(a − c) =

(a − c)

2(a − c + 2c) =

(a − c)

2(a + c).

Die Gesamtmenge an Fahrten, die von einem Konsumenten gekauft werden, ist a−c. Derdurchschnittliche Preis pro Fahrt ist also (a + c)/2. Dies entspricht dem Monopolpreisp(ym).Betrachtet man als ein numerisches Beispiel etwa a = 10 und c = 2, dann ergebensich als optimale Menge und als optimaler Preis bei einem normalen Monopol 4 und 6.Eurodisney macht dann einen Gewinn von (6 − 2)4 = 16 pro Besucher.Wurde das Monopol jedoch den optimalen Two–part tariff wahlen, dann ergabe sicheine Eintrittsgebuhr von 32 und ein Verkaufspreis von 2 pro Fahrt. Jeder Konsument

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3.3 Preisdiskriminierung und nichtlineare Preise

macht 8 Fahrten und bezahlt insgesamt 48, d. h. 6 im Durchschnitt. In diesem Fall machtEurodisney einen Gewinn von 32 pro Besucher.Man kann sich nun leicht uberlegen, dass Two–part tariffs auch dann angewendet wer-den kann, wenn sich die Konsumenten unterscheiden. Voraussetzung ist hier naturlichauch, dass Arbitragegeschafte zwischen unterschiedlichen Gruppen von Konsumentenausgeschlossen werden, z. B. durch Alter (Seniorenpreis), soziale Gruppe (Studenten-preis) oder z. B. Geschlecht (unterschiedliche Eintrittspreise fur Manner und Frauen ineiner Diskothek).Angenommen, der Monopolist weiß, dass eine Gruppe der Konsumenten (die alten) diePreis-Absatz-Funktion hat

pa(ya) = 16 − ya,

wahrend die andere (die jungen) die Preis-Absatz-Funktion von

pj(yj) = 12 − yj

hat. Die Grenzkosten des Monopols, z. B. die Kosten pro Getrank in einer Diskotheksind 4.Bei einem Preis von 4 werden die alteren Konsumenten 12 Getranke konsumieren undeine Konsumentenrente von 72 bekommen. Dies kann man an der folgenden Grafik sehen.

12 16y

4

16

p

72

, 8 12y

4

12

p

32

Abbildung 3.15: Konsumentenrente der verschiedenen Nachfragergruppen

Die Jungen werden 8 Getranke konsumieren und eine Konsumentenrente in Hohe von32 erhalten.Der Eigentumer kann sich diese Konsumentenrenten aneignen, indem er entsprechendeEintrittspreise verlangt und einen Preis pro Getrank in Hohe der Grenzkosten ansetzt.Dies kann er durchsetzen, indem er z. B. am Eingang einen Altersnachweis verlangt.Ein Problem besteht jedoch dann, wenn das relevante Kriterium, nach dem sich dieKonsumenten unterscheiden, fur den Monopolisten nicht beobachtbar ist.An diesem Punkt setzt die Preisdiskriminierung zweiten Grades an.Angenommen, das relevante Kriterium, nach dem sich zwei Gruppen von Konsumen-ten unterscheiden, ist nicht Alter oder Geschlecht, sondern Einkommen. In diesem Fallkonnte der Monopolist keine Preisdiskriminierung ersten Grades durchfuhren. Wurde

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3 Theorie des Monopols

er von den Konsumenten Eintrittspreise von 72 bzw. 32 verlangen, dann wurde diesnicht funktionieren: Jeder Konsument wurde behaupten, nur ein niedriges Einkommenzu haben und daher nur den geringen Eintrittspreis zahlen wollen.Der Monopolist konnte naturlich nur einen Eintrittspreis von 72 fordern und damit ef-fektiv alle Bezieher niedriger Einkommen ausschließen. Angenommen, es gibt Nh Konsu-menten mit hohem Einkommen und Nn Konsumenten mit niedrigem Einkommen, dannware der Gewinn bei einem hohen Eintrittspreis Nh72. Bei einem niedrigen Eintrittspreisware er (Nh + Nn)32. Die letztere Strategie ware profitabel, wenn 32Nn > 40Nh ist.Anders ausgedruckt: Wenn das Verhaltnis zwischen Konsumenten mit niedrigem undhohem Einkommen großer ist als 1, 25 : 1, dann fuhrt die restriktive Politik eines hohenEintrittspreises zu einem niedrigeren Gewinn fur den Monopolisten.Es gibt jedoch eine Alternative zu einem einheitlichen Preis, die als Preisdiskriminierungzweiten Grades bekannt ist. Die Idee ist die folgende: Der Monopolist weiß, dass es zweiGruppen von Konsumenten gibt, die er nicht unterscheiden kann. Er konstruiert daherein Preisschema, das dazu fuhrt, dass die Konsumenten durch ihre Entscheidung ihrenTyp enthullen.Das typische Beispiel fur Preisdiskriminierung zweiten Grades ist ein Mengenrabatt furbestimmte Gruppen von Konsumenten. Betrachten wir wieder unser numerisches Bei-spiel: Die Konsumenten mit hohem Einkommen haben die Preis-Absatz-Funktion

ph(yh) = 16 − yh,

die anderen, mit niedrigem Einkommen die Preis-Absatz-Funktion

pn(yn) = 12 − yn.

Man konnte sich vorstellen, dass der Besitzer der Diskothek eine Preisdiskriminierungersten Grades in der folgenden Weise versucht: Er vergibt Getrankemarken, die einemKonsumenten erlauben, Getranke zu kaufen; wer den niedrigen Eintrittspreis (32) zahlt,erhalt acht, wer den hohen Eintrittspreis (72) zahlt, erhalt zwolf Getrankebons.Dieser Mechanismus wird jedoch nicht funktionieren: Jemand mit hohem Einkommenwird den niedrigen Eintrittspreis von 32 zahlen und acht Getranke a 4 kaufen, d. h.,insgesamt 64 zahlen. Seine Zahlungsbereitschaft fur acht Getranke ist jedoch 96. Ausdiesem Verhalten resultiert also eine Konsumentenrente von 32.Wurden er hingegen den hohen Eintrittspreis zahlen und 12 Getranke kaufen, dann waredie Gesamtzahlung 120 und die Konsumentenrente ware 0. Die Konsumenten mit hohemEinkommen waren also besser dran, den niedrigen Eintrittspreis zu zahlen und nur achtGetranke zu konsumieren.Ein besserer Mechanismus besteht darin, ein Paket aus dem Eintrittspreis und einerAnzahl von Getranken in der folgenden Weise zu schnuren. Beginnen wir mit den Kon-sumenten mit niedrigem Einkommen. Der Besitzer weiß, dass diese Konsumenten insge-samt bereit sind, 64 fur den Eintritt und acht Getranke zu zahlen. Er verlangt also furein Paket, bestehend aus dem Eintrittspreis und acht Getranken den Preis von 64. Aberauch Konsumenten mit hohem Einkommen waren bereit, dieses Paket zu kaufen, dennihre Zahlungsbereitschaft fur den Eintritt und acht Getranke liegt bei 96.

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3.3 Preisdiskriminierung und nichtlineare Preise

Außerdem wurden sie so noch eine Konsumentenrente von 32 erhalten. Der Gewinn desBesitzers betragt 32 pro verkauftem Paket.Der Besitzer weiß, dass die Konsumenten mit hohem Einkommen bereit sind, 120 furden Eintritt und zwolf Getranke zu zahlen. Wenn er jedoch versuchen wurde, ein Paket(120, zwolf Getranke) zu verkaufen, wurden diese Konsumenten lieber das Paket (64,acht Getranke) nehmen. Er muss daher ein zweites Paket konstruieren, das anreizkom-patibel ist, d. h. derart, dass es fur die Konsumenten mit hohem Einkommen keinenAnreiz gibt, statt dieses Pakets das fur die Konsumenten mit niedrigem Einkommenvorgesehene Paket zu kaufen.Der Besitzer musste daher ein Angebot machen, das dem Konsumenten mit hohemEinkommen ebenfalls eine Konsumentenrente von 32 garantiert. Er konnte das folgendePaket anbieten. Eintritt und zwolf Getranke zum Preis von 120 - 32 = 88. Das wurdevon den Konsumenten mit hohem Einkommen gekauft werden, aber nicht von denenmit geringem Einkommen, denn deren Zahlungsbereitschaft betragt ja nur 72. Diesebeiden Pakete fuhren dazu, dass sich die beiden Gruppen durch ihre Entscheidung selbstsortieren. Man spricht hier von einer Selbstselektion.Der Gewinn, den der Besitzer macht betragt 32 fur jedes Paket (64, acht Getranke) und40 fur jedes Paket (88, zwolf Getranke). Er konnte sich also die gesamte Konsumenten-rente der Konsumenten mit niedrigem Einkommen und – bis auf 32 – die Konsumen-tenrente derjenigen mit hohem Einkommen aneignen. Diese 32 sind gewissermaßen der‘’Preis‘ den der Monopolist zahlen muss, um die Anreizkompatibilitat sicher zu stellen.

Ein weiteres Merkmal dieses Two–part tariffs ist das folgende: die Konsumenten mit nied-rigem Einkommen zahlen im Schnitt 8 pro Getrank, wahrend die mit hohem Einkommen7.33 pro Getrank zahlen. Die letzteren erhalten also einen Mengenrabatt. Hieran siehtman, dass Mengenrabatte nicht nur auf zunehmende Skalenertrage zuruckgefuhrt werdenkonnen. Bei F = 0 hat unsere Diskothek keine zunehmenden Skalenertrage — trotzdemist ein Mengenrabatt fur die Konsumenten mit hohem Einkommen vorteilhaft fur denBesitzer.Eine andere Eigenschaft der Preisdiskriminierung zweiten Grades kann wie folgt illus-triert werden. Angenommen, der Besitzer bietet ein Paket fur die Konsumenten mitniedrigem Einkommen an, das nur noch den Konsum von sieben Getranken erlaubt. Diemaximale Zahlungsbereitschaft dieser Konsumenten ware 59.50. In diesem Fall ware derGewinn pro Paket (59.50, sieben Getranke) 31.50. Aber betrachten wir nun die Konsu-menten mit hohem Einkommen. Ihre maximale Zahlungsbereitschaft fur sieben Getrankeist 87.50. Wurden sie dieses Paket kaufen, dann erhielten sie eine Konsumentenrentevon 28. Daher kann der Besitzer den Preis fur das Paket (Eintritt, zwolf Getranke) auf120 − 28 = 92 erhohen. Er bekommt dann einen Gewinn von 44 pro Paket.Man sieht hier die Bedeutung der Anreizkompatibilitatsbeschrankung: Ein Paket, dasfur Konsumenten mit niedrigem Einkommen attraktiv ist, beschrankt die Moglichkeiten,sich Konsumentenrente von den Konsumenten mit hohem Einkommen anzueignen. Dasliegt daran, dass diese Konsumenten nicht gehindert werden konnen, das andere Paketzu kaufen und etwas an Konsumentenrente zu realisieren.Es kann sogar der Fall eintreten, dass der Besitzer sich entschließt, die Konsumenten mitniedrigem Einkommen uberhaupt nicht zu bedienen. Angenommen, es gibt Nh Konsu-

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3 Theorie des Monopols

menten mit hohem und Nn Konsumenten mit niedrigem Einkommen und der Besitzerbietet zwei Pakete an: (59.50, sieben Getranke) und (92, zwolf Getranke). Aus dem ers-ten Paket macht er einen Gewinn von Nn 31.50. Wurde er nur die Konsumenten mithohem Einkommen attrahieren wollen, wurde er ein Paket mit (120, zwolf Getranke)anbieten. Will er jedoch beide Gruppen bedienen, dann muss er den Preis des letzterenPaketes um 28 senken. Die Kosten, beide Gruppen zu versorgen betragen also Nh · 28.Es lohnt sich also nur, beide Gruppen zu versorgen, wenn 31.50 · Nn > 28 · Nh, d. h.Nh/Nn > 1.125.Dieses Beispiel deutet auf eine Anzahl grundlegender Prinzipien hin, die bei der Preis-diskriminierung zweiten Grades zum Tragen kommen.

1. Die gesamte Konsumentenrente der Konsumenten mit der geringen Nachfrage wirdabgeschopft, aber die Konsumenten mit hoher Nachfrage erhalten einen Teil ihrerKonsumentenrente;

2. alle Konsumenten bis auf die mit der hochsten Nachfrage erhalten eine geringereMenge als die effiziente;

3. die Pakete enthalten einen Mengenrabatt fur die Konsumenten mit der hochstenNachfrage.

3.4 Dauerhafte Guter

Ein Monopolist, der ein dauerhaftes Gut herstellt, wird sich im allgemeinen anders ver-halten, als ein Monopolist, der ein Gut produziert, das nur fur eine Periode genutztwerden kann. Auf diese Tatsache hat Ronald Coase im Jahre 1972 aufmerksam gemacht(Coase, 1972). Er betrachtet den Extremfall, in dem jemand das gesamte Land in derWelt besitzt und es fur den großten abdiskontierten Gewinn verkaufen mochte.Ware Land ein Gut wie die, die wir bislang untersucht haben, dann wurde das Monopolnicht das gesamte Land verkaufen, sondern, da die Grenzkosten der Produktion gleich 0sind, genau die Halfte des vorhandenen Landes. Da Land jedoch ein dauerhaftes Gut ist,besitzt der Monopolist wenn er die Halfte des Landes verkauft in der nachsten Periodeimmer noch die andere Halfte des Landes.Es gibt keinen Grund, warum der Monopolist nun diese verbleibende Halfte des Landesnicht in der nachsten Periode verkaufen sollte. Da jedoch die Nachfrage in der nachstenPeriode geringer sein wird als heute, wird auch der Monopolpreis in der nachsten Periodeniedriger sein, als der Monopolpreis heute.Wenn das aber der Fall ist, dann wurden diejenigen Konsumenten, die die Zukunft nichtallzu stark diskontieren, eine Periode warten, um das Land in der nachsten Periodezu einem gunstigeren Preis erwerben zu konnen. Daher ist die Nachfrage, der sich derMonopolist heute gegenubersieht geringer, als die Nachfrage eines Monopolisten, der einnicht dauerhaftes Gut herstellt.Coase hat in seinem Artikel auch noch den Fall positiver Produktionskosten betrachtetund kam auch fur diesen Fall zu dem Ergebnis, dass der Monopolist, der ein dauerhaf-

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3.4 Dauerhafte Guter

tes Gut verkauft, sich genauso verhalten wird wie ein Unternehmen bei vollkommenerKonkurrenz.Diese Uberlegungen konnen wir mit Hilfe eines einfachen Modells formalisieren.Betrachten wir ein Monopol, das mit konstanten Grenzkosten in Hohe von 0 < c < 1ein dauerhaftes Gut produziert, das eine unendliche Lebensdauer hat. Wir betrachtenallerdings nur zwei Perioden, 1 (heute) und 2 (morgen) in denen der Monopolist das Gutzu Preisen p1 und p2 verkaufen kann.Betrachten wir ein Kontinuum von Konsumenten, mit der Gesamtmasse 1, die verschie-dene Zahlungsbereitschaften fur die Leistungen eines dauerhaften Konsumgutes haben.Die Zahlungsbereitschaft sei mit v bezeichnet und wir nehmen an, dass v auf dem Inter-vall [0, 1] gleichverteilt ist. Diese Zahlungsbereitschaft gibt die Wertschatzung des Gutesuber die gesamte Nutzungsdauer an, d. h. fur die Nutzung vom Moment des Kaufs an,bis in alle Ewigkeit. Damit unterscheiden sich die Zahlungsbereitschaft in der Periode 1und die in der Periode 2 nicht voneinander.Allerdings gehen wir davon aus, dass sowohl der Monopolist als auch die Konsumentenzukunftige Ertrage mit dem gleichen Diskontfaktor 0 < δ < 1 diskontieren. Damit istder Wert, den es heute fur einen Konsumenten mit Zahlungsbereitschaft v hat, das Gutab morgen zu besitzen gerade δv.Die Nachfrage eines Konsumenten kann nun wie folgt hergeleitet werden. Er kann dasGut entweder in Periode 1 (heute) zum Preis p1 erwerben, oder in Periode 2 (morgen)zum Preis p2. Offensichtlich hangt also die Entscheidung eines Konsumenten, das Gutheute zu kaufen auch von der Erwartung uber den morgigen Preis ab. Diesen erwartetenPreis bezeichnen wir mit pe

2. Es ist klar, dass es sich niemals lohnt, mit dem Kauf bismorgen zu warten, wenn gilt pe

2 > p1. Es wird daher unterstellt, dass pe2 ≤ p1 ist.

Hat ein Konsument eine Zahlungsbereitschaft in Hohe von v > pe2 dann wird er das Gut

bereits heute kaufen, wenn gilt v − p1 ≥ δ(v − pe2) bzw.

v ≥ p1 − δpe2

1 − δ.

Den Quotienten kann man auch als Funktion

v(p1, pe2) =

p1 − δpe2

1 − δ

auffassen.In der ersten Periode werden nur die Konsumenten das Gut kaufen, deren Zahlungsbe-reitschaft den Wert v(p1, p

e2) ubersteigt. Diese haben eine hohe Gegenwartspraferenz.

Aus den Annahmen uber die Verteilung der Zahlungsbereitschaften folgt, dass die Nach-frage in der ersten Periode geschrieben werden kann als

D1(p1, pe2) = 1 − v(p1, p

e2) =

1 − δ − p1 + δpe2

1 − δ,

dies ist gerade die Masse der Konsumenten, deren Zahlungsbereitschaft die Schwelle vonv(p1, p

e2) ubersteigt.

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3 Theorie des Monopols

Die anderen Konsumenten, d. h., diejenigen mit einer Zahlungsbereitschaft in Hohe vonv < v(p1, p

e2) sind die potentiellen Nachfrager in der zweiten Periode (der Rest hat das

Gut ja bereits erworben). Wenn der Monopolist das Gut in Periode 2 zu einem Preisp2 < v(p1, p

e2) anbietet, dann werden diejenigen Konsumenten das Gut kaufen, deren

Zahlungsbereitschaft v im Intervall [p2, v(p1, pe2)) liegt. Diejenigen mit hoherer Zahlungs-

bereitschaft haben schon in Periode 1 gekauft und die mit niedriger Zahlungsbereitschaftwerden gar nicht kaufen, weil ihnen das Gut zu teuer erscheint. Die Nachfrage in derzweiten Periode ist also

D2(p2|p1, pe2) = v(p1, p

e2) − p2 =

p1 − δpe2 − (1 − δ)p2

1 − δ.

Dies ergibt sich wieder daraus, dass wir angenommen haben, die Zahlungsbereitschaftenseien gleichverteilt auf [0, 1].Nachdem wir nun die Nachfrage der Konsumenten in den beiden Perioden abgeleitethaben, soll nun untersucht werden, wie der Monopolist seine Preise in den beiden Peri-oden setzen wird. Dabei sind zwei verschiedene Situationen zu unterscheiden: Zum einenkonnte der Monopolist in der Lage sein, schon heute seine Preise fur beide Perioden fest-zulegen, zum anderen konnte der Monopolist seinen Preis fur die zweite Periode erst zuBeginn dieser Periode festlegen.Angenommen, der Monopolist legt schon heute die beiden Preise p1 und p2 verbindlichfest. In diesem Fall wissen die Konsumenten, dass sie in der zweiten Periode den Preisp2 zu zahlen haben, d. h., pe

2 = p2.Der Gewinn des Monopolisten in diesem Fall ist

π (p1, p2) = (p1 − c) D1 (p1, p2) + δ (p2 − c) D2 (p2|p1, p2)

= (p1 − c)1 − δ − p1 + δp2

1 − δ+ δ (p2 − c)

p1 − p2

1 − δ

= p1 − δp1 − p21 + 2δp1p2 − c − δc + cp1 − δp2

2 − δcp1.

Die Bedingungen erster Ordnung fur ein Gewinnmaximum lauten

∂π (p1, p2)

∂p1

= 1 − δ − 2p1 + 2δp2 + c − δc = 0(3.2)

∂π (p1, p2)

∂p2

= 2δp1 − 2δp2 = 0(3.3)

Aus der zweiten Gleichung (3.3) folgt p1 = p2, also dass der Monopolist in beidenPerioden den selben Preis setzt.1 Einsetzen in Gleichung (3.2) ergibt

1 − δ − 2p1 + 2δp1 + c − δc = (1 − δ) [1 + c − 2p1] = 0

⇔ p1 =1 + c

2.

1Im Grenzfall δ = 0 trafe diese Schlussfolgerung nicht zu. Dieser Fall wurde bedeuten, dass sowohldas Unternehmen als auch die Konsumenten in ihrer heutigen Entscheidung die Zukunft uberhauptnicht mit einbeziehen. Das Unternehmen wurde also heute seinen Monopolpreis setzen und morgenerneut den Monopolpreis, der sich aus der Restnachfrage ergibt.

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3.4 Dauerhafte Guter

Die gewinnmaximierenden Preise sind also

p1 = p2 =1 + c

2.

Einsetzen in den Gewinn ergibt dann

π(p1, p2) =(1 − c)2

4

Als Nachfrage in der zweiten Periode erhalten wir

D2(p2|p1, p2) = 0.

Dies ist auch intuitiv einleuchtend: Wenn der Preis in der zweiten Periode genauso hochist wie in der ersten, dann lohnt es sich fur die Konsumenten nicht, mit dem Kauf bismorgen zu warten.Wir angenommen, dass der Monopolist in der zweiten Periode an den Preis p2 gebundenist. Wenn dies nicht der Fall ware, konnte er sich in der zweiten Periode verbessern:In der Periode 2 haben alle Konsumenten mit v < p2 das Gut noch nicht erworben.Da jedoch die Grenzkosten c kleiner sind als der Preis p2, kann der Monopolist in derzweiten Periode noch einen Gewinn machen. Senkt er namlich den Preis auf ein Niveaup2 ∈ (c, p2), dann konnte er das Produkt an einige Konsumenten verkaufen, die es bishernoch nicht haben, und dabei noch einen Gewinn machen.Wenn der Monopolist also nicht in der Lage ist, sich glaubwurdig auf Preise in denbeiden Perioden festzulegen, dann werden die Konsumenten dies antizipieren und damitrechnen, dass der Monopolist in der zweiten Periode einen geringeren Preis verlangenwird.Betrachten wir im folgenden nun den realistischeren Fall, in dem der Monopolist denPreis fur die zweite Periode erst zu Beginn dieser Periode festlegt. In diesem Fall ist seinGewinn in der zweiten Periode

π(p2) = (p2 − c)D2(p2|p1, pe2) = (p2 − c)

p1 − δpe2 − (1 − δ)p2

1 − δ

Die Bedingung erster Ordnung fur ein Gewinnmaximum lautet

dπ(p2)

p2

=p1 − δpe

2 − (1 − δ)p2

1 − δ+ (p2 − c)

−(1 − δ)

(1 − δ)= 0

⇐⇒ 1

(1 − δ)[p1 − δpe

2 − (1 − δ)p2 − (1 − δ)(p2 − c)] = 0

⇐⇒ p1 − δpe2 + (1 − δ)c = 2(1 − δ)p2

⇐⇒ p2 =p1 − δpe

2 + (1 − δ)c

2(1 − δ).(3.4)

Der Preis der zweiten Periode hangt also ab vom Preis der ersten Periode p1 sowie denErwartungen der Konsumenten uber den Preis in der Periode 2. Wenn die Konsumenten

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3 Theorie des Monopols

uber die gleichen Informationen verfugen wie der Monopolist, — was wir im folgendenunterstellen — dann konnen sie das Preissetzungsverhalten des Monopolisten in derPeriode 2 antizipieren.

Haben die Konsumenten rationale Erwartungen, dann werden die Preiserwartungendurch den tatsachlichen Preis bestatigt, d. h. pe

2 = p2. Setzen wir dies in Gleichung 3.4ein erhalten wir

p2 =p1 − δp2 + (1 − δ)c

2(1 − δ)

⇐⇒ p2 +δ

2(1 − δ)p2 =

p1 + (1 − δ)c

2(1 − δ)

⇐⇒ 2(1 − δ)p2 + δp2 = (2 − δ)p2 = p1 + (1 − δ)c

⇐⇒ p2 =p1 + (1 − δ)c

2 − δ(3.5)

Der optimale Preis in Periode 2 wird also durch den Preis in Periode 1 bestimmt: Jehoher der Preis in Periode 1 ist, desto großer wird die Restnachfrage in Periode 2 sein.Also kann auch der Preis in Periode 2 umso hoher sein, je hoher der Preis in Periode1 ist. Bei der Wahl des Preises in der Periode 1 wird der Monopolist naturlich diesenZusammenhang berucksichtigen.

Er maximiert seinen Gewinn uber die beiden Perioden,

π (p1, p2, pe2) = (p1 − c) D1 (p1, p

e2) + (p2 − c) D2(p2|p1, p

e2)

= (p1 − c)1 − δ − p1 + δpe

2

1 − δ+ (p2 − c)

p1 − δpe2 − (1 − δ)p2

1 − δ,

wobei er fur p2 und fur pe2 das Ergebnis einsetzt, das wir in Gleichung (3.5) erhalten

haben. Damit ergibt sich

π (p1, p2(p1), p2(p1)) = (p1 − c)1 − δ − p1 + δ p1+(1−δ)c

2−δ

1 − δ

+ (p1 + (1 − δ)c

2 − δ− c)

p1 − δ p1+(1−δ)c2−δ

− (1 − δ)p1+(1−δ)c2−δ

1 − δ

= (p1 − c)

[−(2−δ)+δ]p1

2−δ+ (1−δ)[(2−δ)+δc]

2−δ

1 − δ

+p1 + [(1 − δ) − (2 − δ)]c

2 − δ

[(2−δ)−δ−(1−δ)]p1

2−δ+ [−δ(1−δ)−(1−δ)2]c

2−δ

1 − δ

= (p1 − c)

[

2δ − 2 + 1−δ2−δ

]

p1 + (1 − δ)(2 − δ) +[

(1 − δ)δ − 1−δ2−δ

]

c

(2 − δ)(1 − δ)

= (p1 − c)(2 − δ)2 + (2δ − δ2 − 1)c + (2δ − 3)p1

(2 − δ)2

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3.4 Dauerhafte Guter

Als Bedingung erster Ordnung erhalten wir (Ableiten unter Anwendung der Produktre-gel und gleich null setzen)

(2 − δ)2 + (2δ − δ2 − 1)c + (2δ − 3)p1

(2 − δ)2+ (p1 − c)

2δ − 3

(2 − δ)2= 0

⇐⇒ (2 − δ)2 + (2δ − δ2 − 1 − 2δ + 3)c

(2 − δ)2=

6 − 4δ

(2 − δ)2p1

⇐⇒ p1 =(2 − δ)2 + (2 − δ2)c

(2 − δ)2

(2 − δ)2

6 − 4δ

⇐⇒ p1 =(2 − δ)2 + (2 − δ2)c

6 − 4δ.

Der optimale Preis des Monopolisten in Periode 1 ist also

(3.6) pm1 =

(2 − δ)2 + (2 − δ2)c

6 − 4δ.

Wenn wir diesen Preis in die Gleichung (3.5) einsetzen erhalten wir

pm2 = p2 (pm

1 ) =

(2−δ)2+(2−δ2)c6−4δ

+ (1 − δ)c

2 − δ

=(2 − δ) + 2−δ2+(6−4δ)(1−δ)

2−δc

6 − 4δ

=(2 − δ) + 2−δ2+6−4δ−6δ+4δ2

2−δc

6 − 4δ

=(2 − δ) + 8−10δ+3δ2

2−δc

6 − 4δ

=(2 − δ) + (4 − 3δ)c

6 − 4δ.

Der optimale Preis in der zweiten Periode ist also

(3.7) pm2 =

(2 − δ) + (4 − 3δ)c

6 − 4δ

Wenn wir die Differenz der Preise bilden, sehen wir, dass der Preis in der ersten Periodestets großer ist als der in der zweiten.

pm1 − pm

2 =(2 − δ)2 + (2 − δ2)c − (2 − δ) − (4 − 3δ)c

6 − 4δ

=4 − 2δ + δ2 − 2 − δ + (2 − δ2 − 4 + 3δ)c

6 − 4δ

=4 − 3δ + δ2 − (4 − 3δ + δ2)c

6 − 4δ> 0,

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3 Theorie des Monopols

fur alle δ ∈ (0, 1) (da c < 1).Der Monopolist betreibt eine intertemporale Preisdiskriminierung: Erst verkauft erdas Gut an Konsumenten mit hoher Zahlungsbereitschaft; in der zweiten Periode senkter den Preis, um die Konsumenten mit geringerer Zahlungsbereitschaft zu erreichen.Allerdings hangt das Ausmaß der Preisdiskriminierung vom Diskontfaktor δ ab: Je hoherδ, desto geringer ist das Ausmaß der Preisdiskriminierung – die Ungeduld derjenigen mithoherer Zahlungsbereitschaft nimmt ab und sie sind eher bereit, das Gut auch in derzweiten Periode zu erwerben.Wenn δ gegen eins geht, nahert sich die Preisdifferenz null an, d. h. die Preise in beidenPerioden werden gleich. Dies liegt daran, dass die Konsumenten in diesem Fall keinerleiGegenwartspraferenz haben, so dass niemand in der ersten Periode nachfragen wurde,wenn er wusste, dass er das Gut in der Folgeperiode billiger bekame. In diesem Fall gilt

pm1 = pm

2 =1 + c

2= p1 = p2,

d. h., die Preise sind genau die selben wie in der Situation, in der der Monopolist sich aneinen Preis fur die zweite Periode binden konnte. Damit ist naturlich auch der Gewinndes Monopolisten der selbe.Fur δ < 1 gilt aber p1 > pm

1 (> pm2 ). Dies erkennt man durch Ableiten des Ausdrucks fur

pm1 nach δ.

∂ (2−δ)2+(2−δ2)c6−4δ

∂δ=

[−2(2 − δ) − 2δc] (6 − 4δ) − 4 [(2 − δ)2 + (2 − δ2)c]

(6 − 4δ)2

=−24 + 12δ − 12δc + 16δ − 8δ2 + 8δ2c − 16 + 8δ − 4δ2 − 8 + 4δ2c

(6 − 4δ)2

=−48 + 36δ − 12δc − 12δ2 + 12δ2c − 4δ2

(6 − 4δ)2

<−12 − 12δc − 4δ2

(6 − 4δ)2

< 0.

Die Ableitung ist negativ. Da fur δ = 1 die beiden Preise p1 und pm1 gleich sind, und

p1 = 1+c2

nicht von δ abhangt, folgt also, dass fur alle δ ∈ (0, 1) gilt p1 > pm1 .

Da p1 den Gesamtgewinn des Monopolisten maximiert, folgt, dass offensichtlich derGewinn bei einer Selbstbindung, also bei p1 = p2 hoher ist als wenn der Monopolist sichnicht an einen bestimmten Preis in der zweiten Periode binden kann. Dies reflektiert dieTatsache, dass der Monopolist im zweiten Fall nicht ausschließen kann, dass er in derzweiten Periode einen niedrigeren Preis verlangen wird.Die Tatsache, dass die Preise pm

1 und pm2 geringer sind als p liegt daran, dass bei se-

quentieller Festlegung der Preise der Monopolist mit sich selbst konkurriert: Wenn erdie Restnachfrage in der zweiten Periode ausnutzen will, schafft er sich in der erstenPeriode selbst eine Konkurrenz, da er mit einem kunftigen niedrigeren Preis Konsumen-ten dazu bewegt, ihren Konsum in die zweite Periode zu verlagern. Es ware fur den

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3.4 Dauerhafte Guter

Monopolisten besser, wenn er sein Gut nur in der ersten Periode verkaufen wurde. Diessetzt aber voraus, dass er sich daran binden kann.

Wenn nun nicht nur zwei, sondern mehr Perioden gegeben sind, dann besteht bei einemPreis pm

2 > c auch in der dritten Periode noch eine Restnachfrage, die der Monopolist indieser Periode ausnutzen konnte. Allgemein: Wenn der Monopolist in einer Periode dasGut zu einem Preis großer als die Grenzkosten verkauft hat, dann besteht in der Fol-geperiode noch eine Restnachfrage, die er ausnutzen kann. Dies wird bei unbegrenztemZeithorizont solange gehen, bis der Preis gegen c konvergiert. Wenn die Konsumentendies antizipieren, dann werden sie — wenn der Diskontfaktor nahe bei 1 liegt — auch inder ersten Periode nur bereit sein, einen Preis zu bezahlen, der in der Nahe von c liegt.Im Grenzfall, d. h. bei δ = 1 wird der Preis in jeder Periode gleich c sein. In diesem Fallgilt also die Coase–conjecture und der Monopolist macht einen Gewinn von null.

3.4.1 Vermietendes versus verkaufendes Monopol

Im folgenden soll nun anhand eines einfachen Beispiels untersucht werden, wie ein Mo-nopolist, der sich nicht selbst an einen Preis in der zweiten Periode binden kann, durchdie Vermietung des Gutes den gleich Gewinn erzielen kann, wie ein Monopolist, der uberdiese Selbstbindungsmoglichkeit verfugt (vgl. Shy (1995, Abschnitt 5.5.1, S. 81–85)).

Achtung: Wir andern fur diese Betrachtung unser Modell grundlegend, indem wir nuntatsachlich nur noch zwei Perioden betrachten, d. h., das Unternehmen, die Konsumentenund das Gut existieren heute und morgen und danach geht die Welt unseres Modellsunter. Vorher hatten wir zwar nur Entscheidungen in zwei Perioden betrachtet, dabeiaber implizit angenommen, dass das Gut unendlich lange existiert und die Konsumentenes ebenso lange konsumieren konnen. Zusatzlich betrachten wir in diesem Modell keineDiskontierung bzw. setzen δ = 1.

Angenommen, die Konsumenten leben fur zwei Perioden, t = 1, 2 und der Monopolistverkauft ein Gut, das zwei Perioden halt. Zur Vereinfachung nehmen wir an, die Pro-duktion des Gutes erfolge kostenlos. Wenn der Konsument das Gut in Periode 1 erwirbt,dann kann er dieses Gut fur sein gesamtes Leben nutzen.

Die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Konsumenten fur das Gut werden be-schrieben durch die aggregierte inverse Nachfragefunktion fur die Nutzung des Gutes ineiner Periode gegeben durch p(y) = 100−y. Diese inverse Nachfragefunktion ist grafischin Abbildung 4.16 dargestellt.

Wir nehmen an, dass die Verteilung der Zahlungsbereitschaften fur die Nutzung uber diebeiden Perioden unverandert bleibt, d. h. Konsumenten, die in der ersten Periode einehohe Zahlungsbereitschaft haben, haben diese auch in der zweiten und ebenso fur Kon-sumenten mit niedriger Zahlungsbereitschaft. Daraus ergibt sich die inverse Nachfragefalls das Gut nur in der ersten Periode gekauft werden konnte wie in Abbildung 4.17gezeigt. Dabei muss man daran denken, dass eine Kauf in der ersten Periode bedeutet,das Nutzungsrecht an dem dauerhaften Gut fur zwei Perioden zu erwerben.

Zusatzlich haben wir die sich ergebende Monopolmenge y1 und den zugehorigen Mono-polpreis p1 sowie den sich ergebenden Gewinn grafisch angegeben.

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3 Theorie des Monopols

p

y

p(y)

100

100

Abbildung 4.16: Inverse Nachfrage nach einperiodiger Nutzung eines dauerhaften Gutes

Im folgenden werden wir zwei alternative Arten von Transaktion betrachten, die derMonopolist durchfuhren konnte. Er konnte das Produkt verkaufen oder er konnte esvermieten.

Definition 6 1. Durch den Verkauf eines Gutes an einen Konsumenten zumPreis pS transferiert das Unternehmen das Eigentum und damit alle Rechtean der Nutzung des Gutes vom Zeitpunkt des Kaufs an den Konsumenten furdie gesamte Zukunft.

2. Durch die Vermietung eines Gutes an einen Konsumenten zum Preis pR

behalt das Unternehmen das Eigentum an dem Gut, aber transferiert das Rechtder Nutzung des Gutes fur einen bestimmten Zeitraum an den Konsumenten.

Ein vermietendes Monopol Angenommen, der Monopolist vermietet das dauerhafteGut in jeder Periode fur die Dauer einer Periode. (Man denke z. B. an das Leasing einesAutos.) Gegeben die Preis-Absatz-Funktion in jeder Periode p(y) = 100 − y ist dieBedingung fur ein Gewinnmaximum fur jede Periode t

MR(yt) = 100 − 2yt = 0 = MC(yt).

Daraus ergibt sich eine Menge pro Periode von yRt = 50, wobei das Superskript R fur

Vermieten (‘rent’) steht. Der Monopolmietpreis ist pRt = 50, der Gewinn pro Periode ist

πt(yRt ) = 2500. Fur beide Perioden betragt der Gewinn also πR = 5000. Diese Situation

ist grafisch in Abbildung 4.18 dargestellt.

Ein Vergleich mit Abbildung 4.17 zeigt, dass das Ergebnis das selbe ist wie in dem Fall,dass der Monopolist nur in der ersten Periode verkauft. Dies entspricht auch der imvorigen Abschnitt analysierten Situation, in der er sich in Periode 1 auf einen Preis furbeide Perioden festlegen kann.

50

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3.4 Dauerhafte Guter

p1

y1

p(y)

200

100

MR(y)

y1

p1

Abbildung 4.17: Inverse Nachfrage bei Verkauf ausschließlich in Periode 1

Ein verkaufendes Monopol Ein Monopolist, der das Gut in Periode 1 verkauft, weiß,dass die Konsumenten, die das Produkt in Periode 1 gekauft haben, es in der nachstenPeriode nicht mehr kaufen werden. Die Nachfrage in Periode 2 wird also um diesen Be-trag niedriger ausfallen. Daher wird der Monopolist in Periode 2 aufgrund der geringerenNachfrage zu einem geringeren Preis verkaufen. Die Abhangigkeit der Nachfrage in Peri-ode 2 von der in Periode 1 verkauften Menge sowie die optimale Wahl des Monopolistensind in Abbildung 4.19 angedeutet. Dabei verwenden wir fur die optimale Menge undden optimalen Preis das Superskript S fur verkaufen (‘sell’).

Allerdings mussen wir auch berucksichtigen, dass der Preis in der zweiten Periode (oder

p1

y1

p1(y1)

100

100

MR(y)

yR1

pR1

(a) Periode 1

p2

y2

p2(y2)

100

100

MR(y)

yR2

pR2

(b) Periode 2

Abbildung 4.18: Vermietung eines dauerhaften Gutes

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3 Theorie des Monopols

p2

y2

p2(y2, y1)

100 − y1

100 − y1yS2

pS2

Abbildung 4.19: Nachfrage in Periode 2

genauer gesagt die Erwartungen der Konsumenten uber diesen Preis) Auswirkungen aufdie inverse Nachfrage in der ersten Periode hat.Wir mussen also ein zwei Perioden Problem (bzw. zwei Perioden Spiel) untersuchen, daswie folgt beschrieben ist: Die Auszahlung des Unternehmens ist der Gesamtgewinn ausden beiden Perioden. Der Monopolist wahlt in Periode 1 den preis p1 und in Periode2, den Preis p2; zu diesem Zeitpunkt kennt er die in Periode 1 verkaufte Menge y1 unddamit die verbleibende Restnachfrage in Periode 2 (vgl. Abbildung 4.19) Die Konsu-menten entscheiden sich in Abhangigkeit von den vom Monopolisten gewahlten Preisen,in Periode 1 bzw. in Periode 2 entweder zu kaufen oder nicht zu kaufen; dabei neh-men wir rationale Erwartungen an, d. h. in Periode 1 konnen die Konsumenten korrektvorhersagen, welchen Preis der Monopolist in der zweiten Periode wahlen wird.Dieses Problem wird mittels Ruckwartsinduktion (backward induction) gelost.2 Manuntersucht zuerst, wie sich der Monopolist in der zweiten Periode fur jede mogliche inder ersten Periode verkaufte Menge y1 (also fur die daraus resultierende Nachfrage inPeriode 2) verhalt, und fragt sich dann, welchen Preis er in der ersten Periode verlangensollte, um seinen Gewinn uber beide Perioden so groß wie moglich zu machen, wenn erdabei seine eigene Reaktion in Periode 2 berucksichtigt.Wir beginnen unsere Untersuchung also mit der zweiten Periode.Grafisch haben wir dies ja schon in Abbildung 4.19 analysiert. Hier wollen wir es noch-mals rechnerisch nachvollziehen. Die Restnachfrage nach dem Produkt des Monopolis-ten, der y1 in der ersten Periode verkauft hat ist gegeben durch p2 = 100− y1 − y2. DerMonopolist wird also einen Menge anbieten, die durch

MR2(y2) = 100 − y1 − 2y2 = 0

charakterisiert ist. daraus erhalten wir

(3.8) y2 (y1) = 50 − y1

2.

Der Preis in der zweiten Periode ist

(3.9) p2 (y1) = 100 − y1 −(

50 − y1

2

)

= 50 − y1

2

2Anders gesagt, wir suchen teilspielperfekte Gleichgewichte (subgame-perfect equilibria) des be-trachteten Spiels. Mehr dazu in der Vorlesung Spieltheorie.

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3.4 Dauerhafte Guter

und der Gewinn

π2 (y1) = p2 (y1) y2 (y1) =(

50 − y1

2

)2

.

Betrachten wir nun die erste Periode.Angenommen, der Monopolist verkauft in der ersten Periode y1 an die Konsumentenmit der hochsten Zahlungsbereitschaft. Das heißt, der

’marginale Kaufer‘, dessen Zah-

lungsbereitschaft fur die Nutzung des Gutes pro Periode 100 − y1 betragt, ist indiffe-rent zwischen dem Kauf in der ersten und dem Kauf in der zweiten Periode. Im ers-ten Fall erhalt er einen Nutzen von 2 (100 − y1) − p1, im zweiten einen Nutzen von(100 − y1) − p2 = (100 − y1) −

(

50 − y1

2

)

. Also muss gelten

2 (100 − y1) − p1 = (100 − y1) −(

50 − y1

2

)

.

Auflosen nach p1 ergibt

(3.10) p1 = 150 − 3y1

2.

Dies ist die relevante Preis-Absatz-Funktion der sich das Unternehmen in der erstenPeriode gegenuber sieht. Im Vergleich zu der in Abbildung 4.17 dargestellten fiktivenPreis-Absatz-Funktion, die gelten wurde, falls es keine Verkaufe in Periode 2 gabe, istder Preis den die Konsumenten zu zahlen bereit sind fur jede Menge niedriger, da sieden zu erwartenden niedrigeren Preis in der zweiten Periode mit in ihre Uberlegungeneinbeziehen.In einem (teilspielperfekten) Gleichgewicht wahlt der Monopolist ein Outputniveau y1,das das folgende Maximierungsproblem lost.

maxy1

π1 + π2 =

(

150 − 3y1

2

)

y1 +(

50 − y1

2

)2

Die Bedingung erster Ordnung lautet

d (π1 + π2)

dy1

=

(

150 − 3y1

2

)

− 3

2y1 −

1

22(

50 − y1

2

)

= 100 − 5

2y1 = 0.

Auflosen nach y1 ergibt yS1 = 40. Eingesetzt in Gleichung (3.10) ergibt den Preis pS

1 =150 − 3

240 = 90. Fur die zweite Periode erhalten wir die Menge aus Gleichung (3.8) als

yS2 = 50− 40

2= 30 und den Preis aus Gleichung (3.9) als pS

2 = 100−40−(

50 − 402

)

= 30.Der sich ergebende Gewinn ist

πS = pS1 yS

1 + pS2 yS

2 = 90 · 40 + 30 · 30 = 3600 + 900 = 4500 < 5000 = πR.

Die Situation ist grafisch in Abbildung 4.20 dargestellt.Es fallt auf, dass der Monopolist in der ersten Periode nicht die Monopolmenge gegebendie relevante inverse Nachfrage wahlt (dies wird deutlich durch die gepunktet eingezeich-nete Grenzerlosfunktion). Dies liegt daran, dass er nicht nur den Gewinn in Periode 1

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3 Theorie des Monopols

p1

y1

150

100yS1

pS1

(a) Periode 1

p2

y2

60

60yS2

pS2

(b) Periode 2

Abbildung 4.20: Verkauf eines dauerhaften Gutes: Gewinnoptimum

maximieren will, was durch diese Menge geschehen wurde, sondern auch den negativenEinfluss einer großeren in Periode 1 verkauften Menge auf seinen Gewinn in der zweitenPeriode berucksichtigt.Abbildung 4.21 zeigt die Situation die sich ergabe, wenn sich der Monopolist in Periode1 myopisch verhielte, d. h., seinen Periodengewinn durch die Wahl der Monopolmengein dieser Periode maximieren wurde, ohne die Auswirkungen auf Periode 2 zu beachten.Die sich ergebenden Mengen, Preise und Gewinne waren y1 = 50, p1 = 75, y2 = 25,p2 = 25, π1 = 50 · 75 = 3750 > 3600 = πS

1 , π2 = 252 = 625 < 900 = πS2 und

π = π1 + π2 = 3750 + 625 = 4375 < 4500 = πS.

p1

y1

150

100(a) Periode 1

p2

y2

50

50(b) Periode 2

Abbildung 4.21: Verkauf eines dauerhaften Gutes: myopisches Verhalten

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3.5 Werbung und Qualitat

Wir haben also an unserem Beispiel gesehen, dass das Unternehmen durch das Vermietendes dauerhaften Gutes einen hoheren Gewinn erzielen kann, als durch seinen Verkauf.Dies gilt auch allgemeiner, was uns zu folgender Aussage fuhrt.

Theorem 5 Bei einer stetigen Preis-Absatz-Funktion erzielt ein Monopolist, derein dauerhaftes Gut verkauft, einen geringeren Gewinn als ein Monopolist, der eindauerhaftes Gut vermietet.

Die Voraussetzung einer stetigen inversen Nachfrage ist wichtig, wie Bagnoli, Salant, undSwierzbinski (1989) demonstrieren. Sie konstruieren ein Modell mit diskreter Nachfrage(also endlich vielen Konsumenten statt eines Kontinuums), in dem es fur einen Mono-polisten, der ein dauerhaftes Gut produziert profitabler ist, dieses Gut zu verkaufen alses zu vermieten. In diesem Modell gilt also gerade das Gegenteil dessen, was wir obengezeigt haben (vgl. auch Shy (1995, Abschnitt 5.5.2, S. 85–89)).

3.5 Werbung und Qualitat

Wenn Unternehmen mit differenzierten Produkten, d. h. Produkten die nicht wie im Fallhomogener Guter vollig identisch sind, sondern die sich voneinander unterscheiden, auchwenn sie grundsatzlich ahnlich sind, miteinander im Wettbewerb stehen, dann mussendie Unternehmen naturlich versuchen, den Konsumenten deutlich zu machen, dass sichihr Produkt tatsachlich von dem ahnlichen Produkt eines Konkurrenten unterscheidet.Ein, wenn nicht das wichtigste Instrument hierzu ist die Werbung.Wir wollen verstehen, wie Unternehmen uber ihre Werbeausgaben entscheiden und unteranderem die Frage beantworten, inwieweit diese Werbeausgaben soziale Kosten verur-sachen. Dazu unterscheiden wir zwischen zwei verschiedenen Arten der Werbung. Hiergibt es zum einen die informative Werbung wie z. B. Informationen uber Preise undbestimmte Eigenschaften des Produktes wie etwa technische Daten bei Haushaltsgeratenoder Kraftfahrzeugen. Daneben gibt es aber noch — und diese Art von Werbung machtden großeren Teil der Fernsehwerbung aus — sogenannte suggestive Werbung (persua-sive advertising). Hierbei handelt es sich um Werbung fur Produkte wie z. B. Getranke,Parfums, Waschmittel etc.In einem engen Zusammenhang mit diesen beiden Arten der Werbung stehen zwei Grup-pen von Konsumgutern: Es handelt sich dabei zum einen um sogenannte Suchguter,d. h. um solche Guter, deren Qualitat und Eigenschaften vor dem Kauf festgestellt wer-den konnen, wie z. B. bei frischem Obst oder Gemuse, das man vor dem Kauf probierenkann, Schuhen, die man anprobieren kann, Geschirr etc.Zum anderen handelt es sich um Erfahrungsguter, deren Qualitat und Eigenschaftenerst nach dem Kauf festgestellt werden konnen. Hierzu gehoren Bier, Zahnpasta, Seifeaber auch Haushaltsgerate wie Kuhlschranke und Waschmaschinen.Betrachten wir als Beispiel zwei verschiedene Sorten von Zahnpasta, beide erfolgreichklinisch getestet. Die qualitativ hochwertige schmeckt hervorragend, die qualitativ min-

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3 Theorie des Monopols

derwertige ubel. Konsumenten kennen den Geschmack (DIE Qualitat) vor dem Kaufnicht.

Welches der beiden Unternehmen hat einen großeren Anreiz, Werbung zu betreiben?Werbung fur die ubel schmeckende Zahnpasta kann die Konsumenten dazu bringen, dasProdukt einmal zu kaufen, aber nur wenige werden dies ein zweites Mal tun. Die gutschmeckende Zahnpasta wird aber wiederholt gekauft werden. Der Hersteller des qua-litativ hochwertigen Produktes hat demnach einen großeren Anreiz zu werben, da hiermit wiederholten Kaufen zu rechnen ist. Der des minderwertigen Produktes hat nureinen geringen Anreiz zu werben, da mit anfanglichen Kaufen, aber nicht mit Wieder-holungskaufen zu rechnen ist.

Ein großer Werbeaufwand kann also fur den Konsumenten ein Signal sein, dass es sichum ein hochwertiges Produkt handelt, denn nur Hersteller solcher Produkte wurdenverstarkt Werbung betreiben. Der andere Produzent wurde nicht soviel in Werbunginvestieren, da er die Konsumenten nur zu einem einmaligen Kauf veranlassen kann.

Solche Art der Werbung kann also dazu fuhren, dass die Vorliebe der Konsumenten furein bestimmtes Produkt verstarkt wird, d. h. sie erhoht die Nachfrage nach dem Gut.

Als Beispiel kann die Werbung fur New Coke im Unterschied zu Coca Cola Classicherangezogen werden. Viele Konsumenten hielten New Coke fur qualitativ schlechterals Coca Cola Classic. Daraufhin stoppte Coca Cola sofort die Werbeausgaben fur NewCoke und erhohte die Werbung fur Coca Cola Classic dramatisch. Diese Werbestrategiemachte den Konsumenten deutlich, dass Coca Cola von der hohen Qualitat von CocaCola Classic uberzeugt war, aber der Qualitat von New Coke nicht so recht traute. Esist daher kein Wunder, dass sich nur Coca Cola Classic auf dem amerikanischen Markthalten konnte.

Werbung und Marktstruktur Betrachten wir im folgenden das fruhe Modell von Dorf-man und Steiner (1954). Sie untersuchen einen Monopolisten, der sich der folgendenNachfragefunktion y(p, a) gegenubersieht. Dabei bezeichnet y die Menge, p den Preisund a die Ausgaben fur Werbung.

Der Monopolist mochte seinen Gewinn maximieren.

maxp,a

py(p, a) − c(

y(p, a))

− a.

Es wird angenommen, dass die Werbeausgaben nur einen Einfluss auf die Menge y, nichtaber auf den Preis p haben. Da der Monopolist zwei Variablen, Preis und Werbeausgabensetzen kann, ergeben sich zwei Bedingungen erster Ordnung.

Der Monopolist wird seine Menge so wahlen, dass sein Grenzerlos seinen Grenzkostenentspricht, also MR = MC (vgl. Gleichung (3.1), diese Bedingung erhalten wir, indemwir partiell nach p ableiten und diese Ableitung gleich null setzen. Dies kann — wie inGleichung (2.6) gezeigt wurde — geschrieben werden als

p

[

1 − 1

|ηp(y)|

]

= MC

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3.5 Werbung und Qualitat

bzw.

(3.11)p − MC

p=

1

|ηp(y)| ,

wobei MC = dcdy

.

Diese Gleichung gibt an, wie bei einem Monopol der Preis (prozentual) von den Grenz-kosten abweicht. Dies ist umso starker der Fall, je geringer die Preiselastizitat der Nach-frage ist. Der Term 1

|ηp(y)|wird daher als Lernerscher Monopolgrad oder Lerner

Index bezeichnet.Die zweite Bedingung fur ein Gewinnmaximum, die wir durch partielles Ableiten nacha und null setzen erhalten, ist

(3.12) MR(a) = p∂y

∂a= MC(a) =

dc

dy

∂y

∂a+ 1 ⇐⇒ 1 = p

∂y

∂a− dc

dy

∂y

∂a.

Nun erhalten wir

ηa(y)

|ηp(y)| =

(

p − dcdy

p

)

ηa(y) (vgl. Gleichung (3.11))

=

(

p − dcdy

p

)

∂y

∂a

a

y(p, a)(Definition von ηa(y))

=

(

p − dc

dy

)

∂y

∂a

a

p y(p, a)=

(

p∂y

∂a− dc

dy

∂y

∂a

)

a

p y(p, a)

=a

p y(p, a)(wegen Gleichung (3.12)).

Insgesamt erhalten wir also

a

p y(p, a)=

ηa(y)

|ηp(y)| .

Hieraus kann man das folgende Theorem ableiten.

Theorem 6 Die profitmaximierenden Werbeausgaben und der profitmaximierendePreis eines Monopolisten werden so gewahlt, dass das Verhaltnis von Werbeausgabenzum Umsatz gleich dem Verhaltnis von Werbeausgaben–Elastizitat der Nachfrage zuPreiselastizitat der Nachfrage ist.

Der Monopolist wird also das Verhaltnis von Werbeausgaben zu Umsatz erhohen, wenndie Nachfrage bezuglich der Werbeausgaben elastischer wird und wenn die Preiselasti-zitat der Nachfrage sinkt.Daruberhinaus stellt dieses Modell einen Zusammenhang zwischen Marktmacht undWerbeausgaben dar: Je großer die Marktmacht, d. h. der Lerner Index, desto großerdas Verhaltnis von Werbeausgaben zu Umsatz.

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3 Theorie des Monopols

Es ist in diesem Zusammenhang von Interesse, zu ermitteln, ob ein Monopolist — ge-messen am Optimum — zu viel oder zu wenig persuasive advertising betreibt.Da solche Werbung das Gut fur Konsumenten attraktiv macht, hat sie das Potential,die Wohlfahrt zu erhohen. Dies bedeutet nicht, dass diese Art der Werbung ‘wahr’ ware.Was durch diese Werbung erreicht wird, ist, dass die Konsumenten mit dem Gut einbestimmtes Image verbinden, und das Gut kaufen, um sich mit der Botschaft bzw. demWerbetrager zu identifizieren.Eine einfache Methode, um die Wohlfahrtseffekte solcher Werbung abzuschatzen, wurdevon Dixit und Norman (1978) vorgeschlagen.Betrachten wir die Nachfragefunktion

y(p, a) = 64a1/2p−2

Die Preis-Absatz-Funktion ist daher

p(y, a) =8a1/4

y1/2

Die Elastizitaten sind ηa(y) = 1/2 und |ηp(y)| = 2.Der Monopolist produziert mit konstanten Grenzkosten in Hohe von c = 1.Der Monopolist maximiert

py − cy − a = 64a1/2p−1 − 64a1/2p−2 − a.

Die Bedingungen erster Ordnung in bezug auf den Preis ist

−64a1/2

p2+

128a1/2

p3= 0.

Daraus folgt pm = 2 und ym = 16a1/2.Da die Nachfragefunktion eine konstante Elastizitat aufweist, ist der Monopolpreis un-abhangig von der Hohe der Werbeausgaben.Die Bedingung mit Bezug auf die Werbeausgaben ist

64

2a1/2p− 64

2a1/2p2= 1.

Daraus ergibt sich am = 64 und ym = 16 · 641/2 = 128.Um nun feststellen zu konnen, ob die Werbeausgaben eines Monopols sozial optimal sind,mussen wir zuerst die Konsumentenrente fur alle moglichen Werbeausgaben ermitteln.Grafisch konnen wir uns die Konsumentenrente beim Monopolpreis pm = 2 wie folgtverdeutlichen, wobei wir von einem gegebenen Niveau der Werbeausgaben ausgehen:Formal ergibt sich die Konsumentenrente zu

CS(a) =

∫ 16a1/2

0

8a1/4

y1/2dy − 2 × 16a1/2

= 2 × 8a1/4[

y1/2]16a1/2

0− 32a1/2 = 32a1/2

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3.5 Werbung und Qualitat

ymy

pm

pm

ymy

pm

pm

Abbildung 5.22: Konsumentenrente

Geht man von einem Monopolpreis von pm = 2 aus, dann ergibt sich der Gewinn desMonopolisten als Funktion der Werbeausgaben durch

π(a, 2) = 2y(a) − y(a) − a = 32a1/2 − 16a1/2 − a

= 16a1/2 − a.

Sucht man nun die wohlfahrtsmaximierenden Werbeausgaben, dann ist beim Monopol-preis pm = 2 die Wohlfahrt zu maximieren, d. h.

maxa

W (a) = CS(a) + π(a, 2) = 48a1/2 − a.

Die Bedingung erster Ordnung fur ein Maximum ist

dW (a)

da=

24

a1/2− 1 = 0.

Daraus ergibt sich das sozial optimale Niveau der Werbeausgaben als a∗ = 242 > 64 =am. Man muss hierbei naturlich beachten, dass dieses soziale Optimum nicht das ‘firstbest’ Optimum ist, da der Preis nicht gleich den Grenzkosten ist.Es kann daher das folgende Theorem abgeleitet werden.

Theorem 7 Bei einer monopolistischen Marktstruktur sind die gleichgewichtigenWerbeausgaben geringer als die gesellschaftlich optimalen Werbeausgaben.

Man muss naturlich berucksichtigen, dass hier nur eine Methode vorgestellt wurde, wieman im Prinzip die Wohlfahrtseffekte von persuasive advertising bewerten kann. Aller-dings gibt es dabei mehrere Probleme, die die Gultigkeit des Theorems in Frage stellen:

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3 Theorie des Monopols

• Kann die Konsumentenrente als Maß fur die Wohlfahrt herangezogen werden, wenndie Nachfrage (bzw. der Nutzen) vom Niveau der Werbung abhangt?

• Auch wenn dieses Maß korrekt ware, wird durch diesen Ansatz nicht die gesamteWohlfahrtsveranderung erfasst, da es sich nur um ein Partialmarktmodell handelt.Steigt die Nachfrage nach dem Produkt aufgrund der Erhohung der Werbeausga-ben, dann wird die Nachfrage nach anderen Gutern (Substituten) abnehmen. Esist nicht klar, wie der Gesamteffekt aussieht.

Die Wahl der Produktqualitat

Im weiteren wir angenommen, dass der Monopolist auch die Wahl der Produktqualitatbestimmen kann. Diese wird, neben dem Preis, die Nachfrage nach dem Produkt bestim-men. Im weiteren soll q die Qualitat des Gutes bezeichnen und es wird angenommen,dass die Produktion hoherer Qualitat auch hohere Kosten verursacht, d. h. c′(q) > 0.

Betrachten wir in Abbildung 5.23 einmal das Entscheidungsproblem des Monopolistengrafisch unter der Annahme, dass er entweder eine niedrige ql oder eine hohe Qualitatqh produzieren kann.

pl

xl

pl(xl)

c(ql)

xml

pml

Al

Bl

Cl

(a) niedrige Qualitat

ph

xh

ph(xh)

c(qh)

xmh

pmh

Ah

Bh

Ch

(b) hohe Qualitat

Abbildung 5.23: Verschiedene Produktqualitaten

Im ersten Fall sind die Grenzkosten gleich c(ql) und die Preis-Absatz-Funktion ist p(ql, x).Aus der Grafik wird deutlich, dass es fur das Unternehmen optimal ist, die die Mengexm

l mit der Qualitat ql zum Preis pml anzubieten. Der Gewinn des Unternehmens ist

durch die Flache Al gekennzeichnet, die Konsumentenrente durch die Flache Bl und derWohlfahrtsverlust durch die Flache Cl.

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3.5 Werbung und Qualitat

Im zweiten Fall sind die Grenzkosten des Unternehmens c(qh), einem hoheren Wert, dadie Qualitat gestiegen ist. Bei gleicher Menge sind die Konsumenten naturlich bereit,einen hoheren Preis zu zahlen als bei niedrigerer Qualitat, d. h. p(qh, x) > p(ql, x). Ausder folgenden Grafik wird deutlich, dass der Gewinn des Unternehmens zugenommenhat, denn er ist jetzt durch die Flache Ah gekennzeichnet. Der Monopolist sollte also diehohere Qualitat wahlen.

In dem dargestellten Fall ist die Entscheidung des Monopolisten auch sozial effizient.Auch ein sozialer Planer wurde die hohe Qualitat wahlen. Die potentielle volkswirt-schaftliche Rente (Ah + Bh + Ch) ist in diesem Fall großer als bei niedrigerer Qualitat(Al + Bl + Cl) und die im Monopol erreichte Wohlfahrt (Ah + Bh) ist in diesem Fallebenfalls großer als (Al + Bl).

Allerdings ist im Modell zum einen ein spezielles Nachfrageverhalten unterstellt worden,zum anderen wurden lineare Kosten angenommen. Man kann also nicht davon ausgehen,dass das Monopol immer die sozial effiziente Qualitat anbieten wird. Das Ergebnis wirddavon abhangen, wie die Qualitatswahl die Nachfrage und die Kosten beeinflusst.

Analysieren wir daher das Nachfrageverhalten etwas genauer. Jeder Konsument mochteeine Einheit des Gutes kaufen. Dabei unterscheiden sich die Konsumenten hinsichtlichihrer Zahlungsbereitschaft θ. Die Zahlungsbereitschaft eines Konsumenten vom Typ θfur ein Gut der Qualitat q ist gegeben durch v(q, θ). Dabei wird angenommen, dassdiese Zahlungsbereitschaft mit der Qualitat steigt. Außerdem seien die Konsumentenentsprechend der Hohe ihrer Zahlungsbereitschaft geordnet. Es wird angenommen, dassdie Typen der Konsumenten auf dem Intervall

[

θ, θ]

gemaß der VerteilungsfunktionF (θ) verteilt sind. Dabei bezeichnet F (θ) also fur die Qualitat q den Anteil der Kon-sumenten, deren Zahlungsbereitschaft nicht großer ist als v(q, θ). Die Gesamtmasse derKonsumenten wird auf 1 normiert.

Die Kostenfunktion des Unternehmens linear, die Grenzkosten (und damit auch dieStuckkosten) fur ein gut der Qualitat q betragen c(q). Wenn das Unternehmen bei einerQualitat q den Preis p festsetzt, dann werden alle Konsumenten mit v(q, θ) ≤ p dasProdukt nicht kaufen. Der Konsument θ, der gerade indifferent ist zwischen kaufen undnicht kaufen, ist bestimmt durch

(3.13) v(q, θ) = p.

Alle Konsumenten mit θ > θ werden das Gut zum Preis p kaufen. Die Nachfrage nachdem Gut beim Preis p ist also: 1 − F (θ). Der Gewinn des Unternehmens ist dann

Π (p, q) =(

p − c(q)) (

1 − F (θ))

.

Dies kann wegen Gleichung (3.13) auch geschrieben werden als

Π (p, q) =(

v(q, θ) − c(q)) (

1 − F (θ))

.

61

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3 Theorie des Monopols

Die Bedingungen fur ein Gewinnmaximum des Monopolisten sind dann

∂Π (qm, pm)

∂q= 0

⇐⇒ ∂v(qm, θm)

∂q= c′(qm)

und

∂Π (pm, qm)

∂p= 0

⇐⇒ ∂v(qm, θm)

∂θ=

F ′(qm, θm)

1 − F (qm, θm)(v(qm, θm) − c(qm))

Die Qualitat wird also gemaß der ersten Bedingung so gewahlt, dass die margina-le Erhohung der Zahlungsbereitschaft des

’marginalen Konsumenten‘ der marginalen

Erhohung der Kosten pro Stuck entspricht. Der Monopolist kann den Preis genau umden Betrag erhohen, den der

’marginale Konsument‘ fur eine Erhohung der Qualitat zu

zahlen bereit ist.

Die zweite Bedingung besagt, dass der Monopolpreis hoher ist als die Grenzkosten derProduktion; dies spiegelt die bekannte Ineffizienz des Monopols wider. Dabei haben wirdiese Bedingung hier so geschrieben, als wahle der Monopolist den marginalen Konsu-menten, also θm. Dies tut er ja vermoge der Gleichung (3.13) auch indirekt, indem erden Preis pm wahlt.

Wie ist nun das Monopolergebnis im Vergleich zur wohlfahrtsoptimalen Losung zu be-werten?

Wenn alle Konsumenten im Intervall [θ, θ] das Gut erhalten, ist die Wohlfahrt gegebendurch die Differenz zwischen der gesamten Zahlungsbereitschaft und den Produktions-kosten, d. h.

W =

∫ θ

θ

(

v(q, θ) − c(q))

dF (θ).

Die erste Bedingung erster Ordnung fur ein Wohlfahrtsmaximum ist gegeben durch

∂W

∂q= 0.

⇐⇒∫ θ

θ

∂v(q∗, θ)/∂q

1 − F (θ∗)dF (θ) = c′(q∗).

Auf der linken Seite steht, um wie viel eine marginale Qualitatserhohung die Zah-lungsbereitschaft all derjenigen Konsumenten erhoht, die das Gut kaufen. Im Optimumentspricht dieser Betrag den zusatzlichen Produktionskosten einer solchen Qualitats-erhohung.

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3.5 Werbung und Qualitat

Die zweite Bedingung erster Ordnung fur ein Wohlfahrtsmaximum ist

∂W

∂θhat= 0.

⇐⇒ v(q∗, θ∗) = c(q∗).

Diese zweite Bedingung besagt, dass der marginale Konsument gerade bereit ist, dieStuckkosten des Gutes zu zahlen.

Offensichtlich wird auch in diesem Fall der Monopolist eine geringere Menge anbieten,als dem sozialen Optimum entsprache. Daruberhinaus stimmt aber auch die Qualitats-wahl des Monopolisten nicht mit dem sozialen Optimum uberein. Fur das Monopolist es entscheidend, wie viel der

’marginale Konsument‘ fur eine marginale Qualitats-

erhohung zu zahlen bereit ist. Im Unterschied dazu ist das Wohlfahrtsoptimum durchdie durchschnittliche Erhohung der Zahlungsbereitschaft fur eine marginale Erhohungder Qualitat bestimmt.

Im allgemeinen kann man nicht sagen, ob die monopolistische Entscheidung zu einerzu hohen oder zu geringen Qualitat fuhrt. Einerseits hangt der Unterschied zwischender marginalen und der durchschnittlichen Zahlungsbereitschaft von der Funktion v ab,zum anderen ist im allgemeinen θm verschieden von θ∗, so dass man die beiden Bedin-gungen (Monopol und Wohlfahrtsoptimum) nicht miteinander vergleichen kann. Mankann lediglich die Schlussfolgerung ziehen, dass die Qualitatswahl des Monopols auchbei vorgegebenem marginalem Konsumenten ineffizient ist. Es hangt von der Nachfrage-struktur und den Produktionskosten ab, ob das monopolistische Qualitatsangebot hoheroder niedriger als das soziale Optimum ausfallt. Ist jedoch ∂v(q, θ)/∂q unabhangig von θ,d. h. ist die marginale Zahlungsbereitschaft fur hohere Qualitat bei allen Konsumentengleich, dann stimmen qm und q∗ uberein.

Beispiel:Es sei v(q, θ) = q θ, wobei θ auf dem Intervall [0, 1] gemaß der VerteilungsfunktionF (θ) = θ2 verteilt ist. Der Monopolist wahlt q ∈ [0, 1]; seine Stuckkosten betragenc(q) = q2. Dann folgt aus den Bedingungen erster Ordnung, dass θm = 2qm und qm =2θm(qmθm − qm2)/(1 − θm2). Dies ergibt die Monopollosung

qm =

√2

4, θm =

√2

2.

Die beiden Gleichungen aus dem Wohlfahrtsmaximum sind aquivalent zu [2(1 + θ∗ +θ∗2)]/[3(1 + θ∗)]. Im Wohlfahrtsoptimum gilt daher

q∗ =

√3 − 1

2, θ∗ =

√3 − 1

2.

Da q∗ > qm und θ∗ < θm ist sowohl die Angebotsmenge als auch die Qualitat im Monopolgeringer als im sozialen Optimum.

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3 Theorie des Monopols

Monopol als Hersteller einer Vorleistung

Im folgenden soll nun der Fall untersucht werden, dass ein Monopolist nicht an einenEndverbraucher verkauft, sondern an ein anderes, moglicherweise ebenfalls monopolisti-sches Unternehmen. Ein Beispiel ware der Verkauf eines Produktes durch ein Monopol(A) an einen monopolistischen Einzelhandler (B). Ersterer bietet sein Produkt zum PreispA an, der dann das Gut zum Preis pB an den Endverbraucher weiterverkauft. Eine solcheSituation wird haufig mit dem Begriff vertikale Struktur bezeichnet. Wenn wir unsdie Konsumenten ganz unten vorstellen, liegen die verschiedenen Ebenen der Produktionin Lagen daruber: ganz oben die Gewinnung von Rohstoffen und die Herstellung ersterVorprodukte, darunter moglicherweise mehrere Ebenen der Weiterverarbeitung, danndie Endproduktion der Konsumguter (und darunter gegebenenfalls noch Groß- und Ein-zelhandel). Man spricht auch haufig von Upstream-Unternehmen (hier UnternehmenA) und Downstream-Unternehmen (hier Unternehmen B).Die Kosten von A seien durch C(x) = cx gegeben, B hat Kosten von 0. Die Nachfrageder Konsumenten nach dem Gut sei x = D(p).Wenn der Einzelhandler den Preis pB wahlt, dann muss er D(pB) Einheiten vom Her-steller kaufen. Der Gewinn des Produzenten ist daher

ΠA (pA, pB) = (pA − c) D (pB) .

Der Gewinn des Einzelhandlers betragt

ΠB (pA, pB) = (pB − pA) D (pB) .

Der Einzelhandler maximiert also seinen Gewinn, indem er den Preis pB so wahlt, dass

(pmB − pA) D′ (pm

B ) + D (pmB ) = 0

ist. Der Einzelhandelspreis hangt also implizit vom Einkaufspreis ab. Diese Abhangigkeitkonnen wir durch eine Funktion pB(pA) beschreiben und die Losung der Bedingungerster Ordnung durch pm

B = pB(pA). Je hoher die Stuckkosten des Einzelhandlers (pA),desto hoher der Endverkaufspreis pB. Dies sieht man wie folgt: Fur zwei unterschiedlicheEinkaufspreise p′A und p′′A impliziert die Gewinnmaximierung des Einzelhandlers

(

pB(p′A) − p′A)

D(

pB(p′A))

>(

pB(p′′A) − p′A)

D(

pB(p′′A))

sowie

(

pB(p′′A) − p′′A)

D(

pB(p′′A))

>(

pB(p′A) − p′′A)

D(

pB(p′A))

.

Die Addition beider Ungleichungen ergibt

(

p′′A − p′A)

[

(

pB(p′A))

− D(

pB(p′′A))

]

> 0.

Fur p′′A > p′A ist also D(

pB(p′A))

> D(

pB(p′′A))

. Wenn die Nachfrage fallend verlauft istalso pB(p′A) < pB(p′′A).

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3.5 Werbung und Qualitat

Der Hersteller berucksichtigt bei seiner Entscheidung naturlich, dass der Einzelhandlerden Preis auf pB(pA) festsetzen wird. Der optimale Preis des Herstellers folgt also ausder Bedingung

(

pmA − c

)

D′ (pmB )

∂pB

∂pA

+ D (pmB ) = 0.

Es gilt also pmB > pm

A > c. Durch die vertikale Struktur erfolgt also eine doppelte Mono-polpreisbildung, d. h. ein zweifacher Preisaufschlag, den man auch als doppelte Mar-ginalisierung bezeichnet.

Der Endverbrauchspreis ist hoher, als bei einem Direktverkauf des Gutes an den Konsu-menten durch den Monopolistischen Produzenten. In diesem Fall ist der Monopolpreispm = pB(c). Da aber pm

A > c ist pmB > pm Die doppelte Marginalisierung bedeutet also

eine Verschlechterung fur die Konsumenten.

Erstaunlicherweise wird der Gesamtgewinn bei der doppelten Marginalisierung nichtmaximiert — der Monopolgewinn bei Direktverkauf ist hoher als die Summe der Einzel-gewinne

ΠA (pA, pB) + ΠB (pA, pB) = (pB − c) D (pB) .

Diese Summe wurde durch den Preis pm = pB(c) maximiert werden. Da jedoch der mo-nopolistische Hersteller pm

A > c verlangt, wahlt auch der monopolistische Einzelhandlerden hoheren Preis pB (pm

A ). Die Produzentenrente ist geringer als bei einem integriertenMonopol.

Fur die Unternehmen gibt es die folgenden Moglichkeiten, dieses Problem zu losen:

• vertikale Integration: Beide Unternehmen schließen sich zusammen. Dies fuhrtzu einer Erhohung der Produzentenrente und auch der Konsumentenrente.

• Franchise–Vertrag: Der Produzent verkauft das Gut zum Preis pA = c an denEinzelhandler, der ihm eine von der Menge unabhangige Franchise–Gebuhr in Hohevon p zahlt. Der Endverkaufspreis wird pm = pB(c) betragen. Wird der Preis p sogewahlt, dass gilt: ΠA (pm

A , pmB ) < p < Π(pm) − ΠB (pm

A , pmB ) stellen sich sowohl

Hersteller als auch Einzelhandler besser.

• Preisbindung der zweiten Hand: Der Hersteller macht die Auflage, dass derEinzelhandler das Gut zum Preis pm weiterverkaufen muss. Dies ist haufig gesetz-lich untersagt, da dadurch der Wettbewerb unter den Einzelhandlern beschranktwerden konnte.

• Konkurrenz unter Einzelhandlern: In diesem Fall wird der Einzelhandelspreisbei pB = pA liegen. Der Hersteller muss nur pA = pm setzen, um den Gesamtgewinnzu maximieren.

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3 Theorie des Monopols

3.6 Das Mehrprodukt–Monopol

Bisher hatten wir unsere Analyse des Monopols immer auf den Fall beschrankt, in demder Monopolist nur ein Gut herstellt. Allerdings ist ein solcher Fall in der Realitat rechtselten zu beobachten (am ehesten bei Monopolen auf bestimmte Rohstoffe). Viel haufigertrifft man auf den Fall, in dem ein Monopol mehrere Guter herstellt. Dabei muss nichtnotwendigerweise gelten, dass das Unternehmen auf alle produzierten Guter ein Monopolhat. Oftmals reicht es aus, wenn das Unternehmen auf einem Markt, d. h. fur ein Gutein Monopol besitzt, um seine Monopolmacht auch auf andere Markte ausdehnen zukonnen.Um die wesentlichen Effekte, die bei einem Mehrprodukt–Monopol auftreten konnen zuanalysieren, gehen wir zuerst von dem einfachen Fall aus, in dem der Monopolist ubernur zwei (monopolisierte) Guter verfugt.Die Nachfragen nach den beiden Gutern seien gegeben durch

x1 = D1 (p1, p2) und x2 = D2 (p1, p2) .

Es wird angenommen, dass ∂Di (p1, p2) /∂pi < 0 fur i = 1, 2 gilt, d. h., dass die Nachfrageim eigenen Preis abnimmt. Die Kreuzpreiseffekte ∂Di (p1, p2) /∂pj (i = 1, 2) sind beiSubstituten positiv, bei komplementaren Gutern negativ. Die Kosten der Produktionsind gegeben durch C (x1, x2). Der Gewinn des Monopolisten Π (p1, p2) ergibt sich dannals

Π (p1, p2) = p1 D1 (p1, p2) + p2 D2 (p1, p2) − C(

D1 (p1, p2) , D2 (p1, p2))

.

Die Bedingungen erster Ordnung fur ein Gewinnmaximum sind

∂Π (p1, p2)

∂p1

=

(

pm1 − ∂C

∂x1

)

∂D1

∂p1

+ D1 +

(

pm2 − ∂C

∂x2

)

∂D2

∂p1

= 0

und

∂Π (p1, p2)

∂p1

=

(

pm2 − ∂C

∂x2

)

∂D2

∂p2

+ D2 +

(

pm1 − ∂C

∂x1

)

∂D1

∂p2

= 0.

Im Unterschied zum Einprodukt–Monopol wird die Abweichung von Preisen und Grenz-kosten auch von den Kreuzpreiseffekten mitbestimmt: Wenn z. B. Gut 1 ein Substitutfur Gut 2 ist, dann schafft sich der Monopolist selbst eine Konkurrenz im Markt furGut 2, wenn er eine großere Menge von Gut 1 zu einem niedrigeren Preis anbietet. Diesberucksichtigt er, indem er von Gut 1 noch weniger anbietet als im normalen Mono-polfall. Bei komplementaren Gutern fuhrt eine Erhohung von p1 zu einer Senkung derNachfrage nach Gut 2. Er kann die Nachfrage nach Gut 2 dadurch erhohen, dass er Gut1 in großerer Menge zu einem geringeren Preis anbietet. Dieser Effekt konnte sogar sostark sein, dass er einen Preis verlangt, der unterhalb der Grenzkosten liegt.Beispiel:Die Kostenfunktion des Monopolisten sei C(x1, x2) = c1x1 + c2x2. Die Nachfragefunk-tionen seien gegeben durch

D1 (p1, p2) =b (a − p1) − g (a − p2)

b2 − g2

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3.7 Tie–ins und Bundling

und

D2 (p1, p2) =b (a − p2) − g (a − p1)

b2 − g2.

Aus den Bedingungen erster Ordnung ergibt sich dann die Losung

pm1 = 0.5 (a + c1) und pm

2 = 0.5 (a + c2) .

Waren z. B. die Grenzkosten gegeben durch c1 = 3/2, c2 = 0 und die Parameter durcha = 1, b = 2, und g = −3/2, dann sind D1 = 1/7, D2 = 5/14 und pm

1 = 5/4 < c1. Dadie beiden Guter Komplemente sind, nimmt der Monopolist Verluste bei Gut 1 in Kauf,um den Absatz von Gut 2 zu erhohen.

3.7 Tie–ins und Bundling

Ein Mehrprodukt–Monopolist kann unter Umstanden seinen Gewinn erhohen, indem erdie betreffenden Guter nicht einzeln, sondern nur zusammen, in einem Paket anbietet.Man spricht hier von sogenannten Tie–in sales oder von Bundling. Dabei wird haufigunterschieden, ob es zwei oder mehr Guter nur noch gebundelt gibt, was als Tyingbezeichnet wird, oder ob ein Paket als eine zusatzliche Option angeboten wird, die Guteraber weiterhin auch einzeln erhaltlich sind, was mit dem Begriff Bundling bezeichnetwird. Die deutschen Begriffe waren etwa Kopplungsklauseln oder Paketangebote.Beispiele hierfur waren etwa Menus in Gaststatten, Pauschalreisen (

’all inclusive‘), das

’Office Paket‘ von Microsoft etc.Betrachten wir das folgende einfache Beispiel, in dem der Monopolist zwei Guter anbietetund die Konsumenten unterschiedliche Praferenzen uber diese beiden Guter haben. DieProduktionskosten betragen 0. Jeder Konsument kauft maximal eine Einheit von jedemGut. Seine Zahlungsbereitschaft fur das Gut i, vi(θ), hangt von seinem Charakteristikumθ ab.Der Parameter θ sei auf dem Intervall [0, 1] gleichverteilt und die Gesamtmasse derKonsumenten sei auf 1 normiert. Es wird angenommen, dass fur die Konsumenten diebeiden Guter unabhangig sind. Die Zahlungsbereitschaft fur den Erwerb beider Guterist fur einen Konsumenten des Typs θ also v1(θ) + v2(θ). Im Beispiel sei

v1(θ) = rθ und v2(θ) = r(1 − θ).

Das bedeutet, dass diejenigen Konsumenten, die eine hohe Zahlungsbereitschaft fur Gut1 haben, eine niedrige Zahlungsbereitschaft fur Gut 2 aufweisen und umgekehrt. DieZahlungsbereitschaften fur die beiden Guter sind bei jedem Konsumenten negativ kor-reliert.Wenn der Monopolist die beiden Guter separat zu Preisen p1 und p2 anbietet, dann kauftder Konsument θ das Gut 1, wenn gilt θ > p1/r, und Gut 2, wenn gilt θ < 1 − p2/r.Aufgrund der Gleichverteilung von θ betragt die Nachfrage nach Gut i also Di (p1, p2) =

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3 Theorie des Monopols

1 − pi/r. Der Monopolist maximiert seinen Gewinn p1D1 + p2D2, wenn er die Preisegleich

pm1 = pm

2 =r

2

setzt. Die Nachfragen sind dann

D1 (r/2) = D2 (r/2) = 1 − r/2

r=

1

2.

Der sich ergebende Gewinn ist damit

π =r

2

1

2+

r

2

1

2=

r

2.

Hier kauft kein Konsument beide Guter. Ein Konsument mit θ ≤ 1/2 kauft nur Gut 2,die ubrigen Konsumenten kaufen nur Gut 1.Wenn der Monopolist jedoch ein Paketangebot macht, dann kann er einen hoheren Ge-winn erzielen, wie die folgende Uberlegung deutlich macht: Er bietet beide Guter nurzusammen zu einem Preis p an.Da die Zahlungsbereitschaft jedes Konsumenten fur dieses Bundel v1(θ) + v2(θ) = rbetragt, ist der Monopolpreis offensichtlch

pm = r.

Zu diesem Preis erwerben alle Konsumenten das Bundel und der Monopolist macht einenGewinn von r. Diese Strategie ist also bedeutend profitabler, da er dadurch die Konsu-mentenrente besser abschopfen kann. Man kann zeigen, dass ein solches Paketangeboteine implizite Form der Preisdiskriminierung darstellt.Der Monopolist schrankt durch solche Paketangebote die Wahlfreiheit der Konsumentenein. Eine allgemeine Form stellen die Kopplungsklauseln dar, die einen Konsumentenzwingen bei der Anmietung bzw. dem Kauf eines Gutes gleichzeitig noch ein anderes Gutmitzuerwerben bzw. anzumieten. Durch solche Maßnahmen kann der Monopolist nebeneiner besseren Abschopfung der Konsumentenrente auch versuchen, seine Marktmachtauf andere Markte auszudehnen.

3.8 Differenzierte Guter und monopolistischer

Wettbewerb

In diesem Abschnitt diskutieren wir einen Modellrahmen, der in der Literatur als mono-polistische Konkurrenz bekannt ist. In diesem Modell ist die Zahl der differenziertenProdukte endogen bestimmt. Es werden die folgenden Annahmen getroffen:

1. Die Konsumenten sind homogen bzw. es gibt einen reprasentativen Konsumenten;

2. es gibt eine potentiell unendliche Anzahl verschiedener Marken;

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3.8 Differenzierte Guter und monopolistischer Wettbewerb

3. es gibt freien Marktzutritt.

Betrachten wir eine Industrie, in der i = 1, 2, 3, . . . , N verschieden Marken eines Pro-duktes hergestellt werden. Dabei wird N endogen bestimmt.

Konsumenten Der Nutzen des reprasentativen Konsumenten ist gegeben durch dieNutzenfunktion

u (y1, y2, . . .) =∞∑

i=1

√yi.

Bei einer solchen Nutzenfunktion sehen die Indifferenzkurven so aus wie in Abbildung8.24 dargestellt.

20 40 60 80 100

20

40

60

80

Abbildung 8.24: Indifferenzkurve

Man beachte, dass die Indifferenzkurven die Achsen beruhren, d. h. ein Konsument kannauch dann Nutzen erzielen, wenn manche Marken nicht produziert werden.Das Einkommen des Konsumenten (I) besteht aus den Lohnzahlungen der Firmen Wund den Gewinnen Π =

∑Ni=1 πi. Es handelt sich also bei diesem Modell um ein Mo-

dell des allgemeinen Gleichgewichts, in dem die Unternehmen den Konsumentengehoren. Der Lohnsatz ist auf 1 normiert.Die Konsumenten maximieren ihren Nutzen unter der Budgetbeschrankung

N∑

i=1

piyi = I = W + Π.

Bilden der Lagrangefunktion (L) und deren partieller Ableitungen, die dann gleich nullgesetzt werden ergeben die Bedingungen erster Ordnung

∂L∂yi

=1

2√

yi

− λpi = 0,

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3 Theorie des Monopols

fur alle i = 1, 2, . . . , N und

∂L∂λ

= I −N∑

i=1

piyi = 0.

Wir erhalten fur die nachgefragten Mengen in Abhangigkeit von den Preisen bzw. furdie Preis-Absatz-Funktionen

yi (pi) =1

4λ2p2i

bzw. pi (yi) =1

2λ√

yi

.

Die Preiselastizitat der Nachfrage ist:

ηp(y) =dyi (pi)

dpi

pi

yi

= −2.

Achtung: Wir haben die letzte Bedingung erster Ordnung nicht benutzt. Stattdessenwurde λ in der Rechnung als Konstante behandelt; λ hangt aber in diesem Modelleigentlich auch von N ab — die Annahme, es sei konstant ware nur dann vollig korrekt,wenn es ein Kontinuum von Marken geben wurde. Aber als Approximation ist dieseAnnahme akzeptabel.

Firmen Jede Marke wird von einem Unternehmen produziert. Alle Unternehmen habendie gleiche Kostenfunktion gegeben durch

Ci (yi) =

{

F + cyi falls yi > 00 falls yi = 0

.

Grafisch kann man die Kostenfunktion (mit Durchschnitts– und Grenzkosten) darstellenwie in Abbildung 8.25 gezeigt.

y

AC,MC

Abbildung 8.25: Durchschnitts- und Grenzkosten

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3.8 Differenzierte Guter und monopolistischer Wettbewerb

Gleichgewicht auf einem Markt mit monopolistischer Konkurrenz Gleichgewichtebei monopolistischer Konkurrenz konnen nun wie folgt definiert werden.

Definition 7 Das Tripel

{

Nmk,(

pmki , ymk

i

)

i=1,...,Nmk

}

heißt Gleichgewicht bei monopolistischer Konkurrenz wenn die folgendenBedingungen erfullt sind

1. Unternehmen: Jedes Unternehmen verhalt sich als Monopolist bezuglich sei-ner Marke, d. h. gegeben die Nachfrage nach Marke i wahlt das Unternehmendie Menge ymk

i die ihren Gewinn πi = pi (yi) yi − Ci (yi) maximiert.

2. Konsumenten: Jeder Konsument betrachtet Einkommen und Preise als ge-geben und maximiert seinen Nutzen unter Berucksichtigung der Budgetbe-schrankung.

3. Freier Marktzutritt: Freier Marktzutritt fuhrt dazu, dass jedes Unterneh-men einen Gewinn von 0 macht, d. h. πi

(

ymki

)

= 0.

4. Ressourcenbeschrankung: Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage sindgleich, d. h.

∑Ni=1 (F + cyi) = L.

Das Gleichgewicht ist in Abbildung 8.26 grafisch illustriert.

ymcy

pmc

p

Abbildung 8.26: Gleichgewicht bei monopolistischer Konkurrenz

Die Nachfrage nach dem Produkt eines existierenden Unternehmens hangt u. a. vonder Zahl der Marken N ab. Mit zunehmender Zahl von Produkten verringert sich dieNachfrage fur jedes produzierende Unternehmen, d. h. die Nachfragefunktion verschiebtsich nach unten, da die Konsumenten eine geringere Menge von jeder Marke, aber einegroßere Anzahl verschiedener Marken konsumieren. Daher fuhrt freier Marktzutritt zu

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3 Theorie des Monopols

einer Zunahme an differenzierten Produkten bis die Nachfragefunktion tangential ander Durchschnittskostenfunktion anliegt. In diesem Punkt macht jedes produzierendeUnternehmen einen Gewinn von 0 und der Marktzutritt hort auf. Dieses Gleichgewichtwird auch als Chamberlains Tangentiallosung bezeichnet.

Die Berechnung eines Gleichgewichts mit monopolistischer Konkurrenz Das Pro-blem eines Unternehmens i ist identisch mit dem Problem, das wir im Abschnitt 3.2uber das Monopol diskutiert haben. Wir haben dort gesehen, dass in diesem Fall gilt

MRi (yi) = pi

(

1 +1

η

)

=pi

2= c = MC (yi) .

Der Gleichgewichtspreis fur jede Marke ist daher gegeben durch pmci = 2c. Die Null-

Gewinn-Bedingung impliziert nun, dass

0 = πi (ymci ) = (pmc

i − c) ymci − F = cymc

i − F.

Daraus folgt

ymci =

F

c.

Schließlich ist noch zu ermitteln, wie viele differenzierte Produkte angeboten werden.Dies ergibt sich aus der Ressourcen–Beschrankung

N[

F + c (F/c)]

= L.

Einsetzen ergibt

N =L

2F.

Die Ergebnisse konnen im folgenden Theorem zusammengefasst werden.

Theorem 8 1. In einem Gleichgewicht mit monopolistischer Konkurrenz beistrikt positiven Fix- und Grenzkosten wird nur eine endliche Anzahl von dif-ferenzierten Produkten hergestellt. Das Gleichgewicht ist gegeben durch

pmci = 2c; ymc

i = F/c; Nmc = L/2F.

2. Wenn die Fixkosten hoch sind, gibt es nur eine geringe Anzahl verschiedenerMarken und jede Marke wird in einer großem Menge hergestellt und konsu-miert. Sind die Fixkosten gering, dann gibt es eine große Anzahl differenzierterProdukte, die in geringen Mengen produziert und konsumiert werden.

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Literaturverzeichnis

Literaturverzeichnis

Bagnoli, M., S. Salant, und J. Swierzbinski (1989): “Durable-Goods Monopolywith Discrete Demand,” Journal of Political Economy, 97, 1459–1478.

Coase, R. H. (1972): “Durability and Monopoly,” Journal of Law and Economics,15(1), 143–149.

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Literaturverzeichnis

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4 Oligopole und strategisches

Verhalten

Nachdem wir nun die Marktformen der vollkommenen Konkurrenz, bei der manim allgemeinen eine große Anzahl von Anbietern unterstellt, und des Monopols, beidem es nur einen Anbieter gibt, untersucht haben, wollen wir uns in diesem Abschnittmit dem interessantesten Fall befassen, dem Oligopol. Dieser Fall ist deshalb am inter-essantesten, da es hier eine kleine Anzahl von Anbietern gibt. In einer solchen Situationmuss jeder Anbieter bei seiner Entscheidung das Verhalten seiner Konkurrenten mit-berucksichtigen, d. h., es handelt sich hierbei um eine Situation, in der sich die Anbieterstrategisch verhalten. Strategisches Verhalten wird in der Veranstaltung

”Spieltheo-

rie“ genauer untersucht. In dieser Veranstaltung werden wir auf einige der zentralenErgebnisse der Spieltheorie zuruckgreifen.In der Oligopoltheorie werden von der Literatur verschiedene Modelle untersucht.Eine grundlegende Unterscheidung betrifft die Guter, die von den Marktteilnehmernangeboten werden. Dabei kann es sich um

1. Markte fur homogene Guter oder

2. Markte fur differenzierte Produkte

handeln.Eine andere Unterscheidung verschiedener Oligopolmodelle bezieht sich auf die von denUnternehmen gewahlten Variablen, d. h. der Menge (Mengenwettbewerb) oder demPreis (Preiswettbewerb).Eine weitere Unterscheidung betrifft den zeitlichen Ablauf, der Entscheidungen derOligopolisten. Diese konnen entweder simultan oder sequentiell erfolgen.Wir beginnen mit der Unterteilung in Markte fur homogene bzw. differenzierte Produk-te und werden dann in jeder dieser Kategorien die angesprochenen Unterscheidungengenauer untersuchen.Zunachst fuhren wir kurz die wichtigsten spieltheoretischen Konzepte ein, die wir inder Analyse der verschiedenen Modelle anwenden werden. In den genannten Modellenkann die Wahl eines Preises oder einer Menge durch ein Unternehmen als die Wahl einerStrategie aufgefasst werden.

Allgemein ist unter einer Strategie eine Handlungsanweisung zu verstehen, diedem Unternehmen (oder allgemein: einem Spieler) fur jede im Spiel moglicheSituation angibt,, was der Spieler tun soll. Insbesondere gehen in die moglichenSituationen die Verhaltensweisen der jeweils anderen Spieler ein.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

In einem Spiel determinieren die Strategien aller Spieler (wir nennen dies auch eineStrategienkombination) die Auszahlungen, die die einzelnen Spieler erhalten; etwaden Gewinn eines Unternehmens.

Ein Gleichgewicht in einer solchen strategischen Entscheidungssituation ist eineStrategienkombination derart, dass das Verhalten jedes Unternehmens einebeste Antwort auf das Verhalten der anderen Unternehmen ist.

In einer solchen Situation wurde keiner der Spieler seine Entscheidung bereuen. Furjeden Spieler gilt: Gegeben das, was der andere getan hat, war mein Verhalten daraufeine beste Antwort.Dieses Gleichgewichtskonzept stammt aus der Spieltheorie und wird nach seinen ‘Erfin-der’ John F. Nash als Nash–Gleichgewicht bezeichnet.

Beispiele fur strategische Entscheidungssituationen: Das Gefangenendilemma(die Zahlen bedeuten ‘Jahre im Gefangnis’, die Strategien sind d, gestehen (deviate)und c, schweigen (cooperate)):

d cd 5, 5 0, 20c 20, 0 1, 1

Wir gehen davon aus, dass jeder Gefangene moglichst kurz im Gefangnis sitzen will. Bes-ser ist es, das Gefangenendilemma durch eine Auszahlungsmatrix zu beschreiben, wobeiAuszahlungen etwas positives sind, jeder Spieler also danach strebt, eine moglichst hoheAuszahlung zu erreichen. Eine derartige Auszahlungsmatrix konnte etwa so aussehen.

d cd 1, 1 4, 0c 0, 4 3, 3

Die Strategie d ist fur jeden Spieler eine dominante Strategie; d. h. unabhangig davon,was der andere tut, ergibt die Strategie d fur jeden Spieler die beste Auszahlung. Da-her ist das Nash–Gleichgewicht dieses Spiels die Strategienkombination (d, d) mit einerAuszahlung von 1 (entspricht ‘5 Jahren Gefangnis’) fur jeden Spieler.Battle of the Sexes

links rechtsoben 2, 1 0, 0unten 0, 0 1, 2

Wie ist das Nash–Gleichgewicht in diesem Spiel zu finden?Es gibt keine dominanten Strategien, die beste Antwort hangt von der Strategie desanderen Spielers ab.

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4.1 Mengenwettbewerb bei homogenen Gutern

Wir wissen, dass im Nash–Gleichgewicht jede Strategie eine beste Antwort auf die Stra-tegie des Gegners sein muss. Die Strategienkombination (oben, rechts) ware kein Nash–Gleichgewicht.Gegeben dass Spieler 1 die Strategie ‘oben’ wahlt, konnte Spieler 2 sich verbessern, wenner ‘links’ statt ‘rechts’ spielt und eine Auszahlung in Hohe von 1 (statt 0) Geldeinheitenbekommt.Analoges gilt bei der Kombination (unten, links). Bei den beiden Strategienkombinatio-nen (oben, links) bzw. (unten, rechts) kann keiner der beiden Spieler — bei gegebenerStrategie des anderen — profitabel abweichen. In diesem Spiel gibt es also zwei Nash–Gleichgewichte (in reinen Strategien).Matching Pennies

Kopf ZahlKopf 1,−1 −1, 1Zahl −1, 1 1,−1

In diesem Spiel gibt es weder dominante Strategien noch ein Nash–Gleichgewicht inreinen Strategien. Bei jeder Strategienkombination gibt es fur einen Spieler einenAnreiz, von seiner Strategie abzuweichen.Es kann jedoch gezeigt werden, dass es in vielen Situationen, in denen kein Nash–Gleichgewicht in reinen Strategien existiert, es dennoch ein solches Gleichgewicht ingemischten Strategien gibt. Eine gemischte Strategie bedeutet, dass ein Spieler ei-ne reine Strategie nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit spielt. Im obigen Spielbesteht das Nash–Gleichgewicht etwa darin, dass jeder Spieler seine beiden reinen Stra-

tegien jeweils mit der Wahrscheinlichkeit1

2spielt.

4.1 Mengenwettbewerb bei homogenen Gutern

Das Cournot–Modell

Das erste Modell, das wir im weiteren untersuchen werden, stammt von dem franzosi-schen Okonomen Augustin Cournot aus dem Jahr 1838.Hier wird die folgende Situation untersucht: Es gibt zwei Unternehmen, deren Kosten-funktionen wie folgt spezifiziert sind.

Ci (yi) = ci yi i = 1, 2 mit c1, c2 ≥ 0.

Die Preis-Absatz-Funktion fur das homogene Produkt ist gegeben durch

p(Y ) = a − b Y, a, b > 0,

wobei Y = y1 + y2 ist.Der Marktpreis ist also von der Gesamtmenge abhangig. Aufgrund dieser Tatsache be-steht zwischen den beiden Unternehmen eine Interdependenz. Optimales Verhalten

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

in solchen interdependenten oder strategischen Entscheidungssituationen wird mitHilfe der Spieltheorie untersucht.Im Cournot–Modell wird davon ausgegangen, dass die Aktionen oder die strategi-schen Variablen der Unternehmen die am Markt angebotenen Mengen yi sind. DieUnternehmen wahlen ihre Aktionen oder Strategien simultan, d. h. in Unkenntnis desVerhaltens des Konkurrenten. Jedes Unternehmen wahlt also ein yi ∈ Si, wobei Si dieMenge der moglichen Strategien fur Unternehmen i bezeichnet. Bei dieser Menge handeltes sich in unserem Fall um das Intervall [0,∞).Der Gewinn eines Unternehmens ist gegeben durch

πi (y1, y2) = p (y1 + y2) yi − Ci(yi).

Durch die Angabe

• der Spielermenge {1, 2},

• der Strategienmengen Si, fur alle i ∈ I,

• und der Auszahlungsfunktionen πi(y1, y2), fur alle i ∈ I

wird ein Spiel in Normalform definiert.Ein Gleichgewicht in diesem Spiel kann nun wie folgt charakterisiert werden:

Definition 8 Ein Cournot–Nash Gleichgewicht besteht aus Mengen y∗1 und y∗

2

sowie einem Preis p∗, so dass

1. die Menge y∗1 das Maximierungsproblem

maxy1

π(y1, y∗2)

lost

2. die Menge y∗2 das Maximierungsproblem

maxy2

π(y∗1, y2)

lost sowie

3. p∗ = a − b (y∗1 + y∗

2) gilt.

In Worten: Ein Cournot–Nash Gleichgewicht besteht aus Outputmengen derart, so dass— gegeben das Outputniveau des Konkurrenten — kein Unternehmen in der Lage ist,seinen Profit durch Wahl einer anderen Menge zu erhohen. Die gewahlten Mengen sindalso wechselseitig beste Antworten. Zudem ergibt sich der Marktpreis als Wert der Preis–Absatz–Funktion bei der aggregierten angebotenen Menge.

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4.1 Mengenwettbewerb bei homogenen Gutern

Im folgenden wollen wir das Cournot–Nash Gleichgewicht fur unser Modell berechnen.Die Gewinnmaximierungsprobleme der beiden Unternehmen fuhren zu den Bedingungenerster Ordnung

(4.1)∂π1 (y1, y

∗2)

∂y1

= a − 2 b y1 − b y2 − c1 = 0

und

(4.2)∂π2 (y∗

1, y2)

∂y2

= a − b y1 − 2 b y2 − c2 = 0.

Lost man die erste Gleichung nach y1 als Funktion von y2 auf, ergibt die die sogenannteReaktionsfunktion

y1 = R1 (y2) =a − c1

2 b− 1

2y2.

Diese Funktion gibt fur jede Menge y2 des Spielers 2 die beste Antwort, d. h. diegewinnmaximierende Menge y1 des Spielers 1 an.Analog kann man die Reaktionsfunktion fur Spieler 2 ermitteln:

y2 = R2 (y1) =a − c2

2 b− 1

2y1.

Diese beiden Reaktionsfunktionen kann man in das folgende Diagramm einzeichnen.

y1

y2

R1(y2)

R2(y1)

y∗1

y∗2

An der Stelle, an der die beiden Reaktionsfunktionen sich schneiden sind also die gewahl-ten Mengen wechselseitig beste Antworten.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

Keiner der Spieler hat ein Interesse, bei der gegebenen Strategie des anderen, von seinergewahlten Menge abzuweichen. Dies ist aber genau die Eigenschaft eines Cournot–NashGleichgewichts.Die Reaktionsfunktionen haben eine negative Steigung: Wenn die ein Unternehmen sei-nen Output erhoht, dann fuhrt das zu einer Verringerung des Preises. Es ist also fur dasandere Unternehmen sinnvoll, die Menge zu senken, um den Preis zu stutzen.Algebraisch kann man die wechselseitig besten Antworten berechnen, indem man dasGleichungssystem lost.Dabei ergeben sich als die gleichgewichtigen Mengen

y∗1 =

a − 2 c1 + c2

3 bund y∗

2 =a − 2 c2 + c1

3 b.

Die Gesamtmenge ist also

Y ∗ = y∗1 + y∗

2 =2 a − c1 − c2

3 b

und der Gleichgewichtspreis ist

p∗ = a − b Y ∗ =a + c1 + c2

3.

Der Gewinn des Cournot–Duopolisten i ist

p∗ y∗i − ci y

∗i =

(

a + ci + cj

3− ci

) (

a − 2 ci + cj

3 b

)

=(a − 2 ci + cj)

2

9 b= b y∗

i2.

Man sieht, dass bei einer Senkung der Kosten von c1 auf c′1, einer sogenannten Prozes-sinnovation, die Menge y∗

1 wachst, wahrend y∗2 geringer wird.

Außerdem wird der Gleichgewichtspreis p∗ fallen, und der Gewinn fur Unternehmen 1wird steigen, wahrend der Gewinn fur Unternehmen 2 abnehmen wird.

Das Cournot–Modell mit N Unternehmen

Betrachten wir nun ein Oligopol mit N Unternehmen. Zur Vereinfachung nehmen wiran, dass alle Unternehmen die gleiche Kostenfunktion haben. d. h. ci = c fur alle i =1, . . . , N .In diesem Fall konnen wir den Output eines reprasentativen Unternehmens als Funktionder Outputmengen aller anderen Unternehmen bestimmen.Wir ermitteln daher die Reaktionsfunktion des Unternehmens 1.

maxy1

π1 = p(Y ) y1 − c y1 =

(

a − bN∑

i=1

yi

)

y1 − c y1.

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4.1 Mengenwettbewerb bei homogenen Gutern

Die Bedingung erster Ordnung lautet

∂π1

∂y1

= a − 2 b y1 − b

N∑

i=2

yi − c = 0.

Daraus ergibt sich

y1 = R1 (y2, y3, . . . , yN) =a − c

2 b− 1

2

N∑

i=2

yi.

Wenn wir von einer symmetrischen Losung ausgehen, konnen wir in der Reaktionsfunk-tion yi = y fur alle i = 1, . . . , N setzen und erhalten

y∗ =a − c

(N + 1) bsowie Y ∗ = N y∗ =

(

a − c

b

)(

N

N + 1

)

.

Gleichgewichtspreis und Gewinn fur jedes Unternehmen sind

p∗ = a − b Y ∗ =a + N c

N + 1

und

π∗i =

(a − c)2

(N + 1)2 b= b (y∗)2.

Im Rahmen dieses Modells kann man die Frage stellen, was mit den Gleichgewichts-mengen, dem Gleichgewichtspreis und den Gewinnen passiert, wenn man die Zahl derUnternehmen variiert.Angenommen, die Zahl der Unternehmen wird immer großer. Dann gilt

limN→∞

y∗ = 0

sowie

limN→∞

Y ∗ = limN→∞

(

a − c

b

)(

N

N + 1

)

=

(

a − c

b

)

.

Wenn die Zahl der Unternehmen uber alle Grenzen wachst, dann wird der Output jedeseinzelnen Unternehmens immer geringer und der Gesamtoutput erreicht das Niveau wiebei vollkommenem Wettbewerb.Fur den Gleichgewichtspreis gilt

limN→∞

p∗ = limN→∞

(

a

N + 1+

N c

N + 1

)

= c,

d. h., wenn im Cournot–Modell die Zahl der Unternehmen immer großer wird, dannkonvergiert das Marktergebnis gegen das Marktergebnis bei vollkommener Konkurrenz.Hierin liegt einer der Grunde, weshalb man bei vollkommener Konkurrenz immer voneiner großen Zahl von Unternehmen ausgeht.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

4.2 Cournot und von Stackelberg–Modell

Bisher sind wir davon ausgegangen, dass in einem Oligopol bzw. Duopolmodell die beidenUnternehmen ihre Outputniveaus simultan wahlen. Es gibt jedoch Situationen, dieman besser durch sequentielle Entscheidungen beschreiben kann. Hier legt also einUnternehmen sein Outputniveau fest, bevor der Konkurrent eine Produktionsmengewahlt.In einer solchen sequentiellen Entscheidungssituation wahlt zuerst ein Unternehmen sei-ne Produktionsmenge. Das andere Unternehmen beobachtet diesen Output und trifftseinerseits seine Mengenentscheidung. Dann bildet sich der Marktpreis und der Outputwird verkauft.Eine solche sequentielle Entscheidungsstruktur liegt z. B. dann vor, wenn sich bereitsein Unternehmen im Markt befindet und eine andere erst noch in den Markt eintretenmochte.Wie wir bereits beim Monopol auf ein dauerhaftes Gut gesehen haben, werden wir einsolches sequentielles Problem mit Hilfe der Ruckwartsinduktion losen und werden dabeihauptsachlich die folgenden Fragen untersuchen:

1. Ist es fur ein Unternehmen besser, Stackelberg–Fuhrer zu sein, d. h. zuerst dieMenge festzulegen, oder Stackelberg–Folger, als zweiter sein Outputniveau festzu-legen?

2. Welches Marktergebnis im Vergleich zu Cournot–Wettbewerb wird sich herausbil-den?

Ein derartiges sequentielles Entscheidungsproblem entspricht einem Spiel in Extensiv-form. Eine Strategie fur das zweite Unternehmen legt in diesem Fall fur jede Menge y1

des ersten Unternehmens fest, welche Menge das zweite anbietet, wenn es y1 beobachtet.Fur derartige Spiele existiert eine Verfeinerung des Nash–Gleichgewichts, das von Rein-hard Selten eingefuhrte teilspielperfekte Nash–Gleichgewicht.Um ein teilspielperfektes Nash–Gleichgewicht zu ermitteln, verwenden wir die Ruck-wartsinduktion.Wir beginnen unsere Analyse also mit der zweiten Periode. Hier hat der Stackelberg–Fuhrer (Unternehmen 1) bereits eine Produktionsmenge y1 gewahlt. Der Stackelberg–Folger (Unternehmen 2) wird nun seinen Output y2 so festlegen, dass er seinen Gewinn— gegeben y1 — maximiert.Dieses Problem ist identisch zu dem Problem von Unternehmen 2 im Cournot–Modell.Gewinnmaximierung fuhrt zur Reaktionsfunktion

R2 (y1) =a − c2

2 b− 1

2y1.

Unternehmen 2 wahlt also seinen Output gemaß seiner Reaktionsfunktion.Dies weiß Unternehmen 1, wenn es in der ersten Periode seine Mengenentscheidung trifft.Dieses Wissen wird Unternehmen 1 bei der Wahl seiner Produktionsmenge berucksich-tigen.

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4.2 Cournot und von Stackelberg–Modell

Es hat also das folgende Optimierungsproblem

maxy1

π1 = p(

y1 + R2 (y1))

y1 − c y1

=

[

a − b

(

y1 +a − c

2 b− y1

2

)]

y1 − c y1.

Die Bedingung 1. Ordnung lautet

dπ1

dy1

= a − 2by1 +a − c

2+ by1 − c = 0

=⇒ a − c − a − c

2− by1 = 0.

Hieraus ergibt sich

ys1 =

a − c

2b=

3

2y∗

1 > y∗1.

Im Vergleich zum Cournot–Modell wird Unternehmen 1 im einer sequentiellen Entschei-dungsstruktur einen hoheren Output wahlen.Einsetzen dieses Wertes in die Reaktionsfunktion von Unternehmen 2 ergibt

ys2 =

a − c

4b=

3

4y∗

2 < y∗2.

Die Produktionsmenge von Unternehmen 2 ist geringer als im Cournot–Fall.Wie kann man sich dieses Situation grafisch klarmachen?Wir wissen, dass Unternehmen 2 sich immer auf seiner Reaktionsfunktion befinden wird.Unternehmen 1 kann nun aber, da es seinen Output zuerst festlegen kann, einen Punktauf der Reaktionsfunktion der Unternehmen 2 wahlen. Es maximiert seinen Gewinn alsoauf der Reaktionsfunktion der Unternehmen 2.Welcher Punkt auf der Reaktionsfunktion maximiert aber den Gewinn?Um diesen Punkt zu ermitteln, fuhren wir das Konzept der Isoprofitlinien ein, die wirschon in die Grafik zum Cournot–Nash–Gleichgewicht eingezeichnet hatten.Eine Isoprofitlinie gibt alle Mengenkombinationen der beiden Unternehmen an, die zumgleichen Gewinn fur ein Unternehmen fuhren.Fur Unternehmen 1 besteht sie aus allen (y1, y2)–Kombinationen, die die Gleichung

π1 = a y1 − b y1 y2 − b y21 − c y1

erfullen und fur Unternehmen 2 aus allen fur die gilt

π2 c = ay2 − by1y2 − by22 − cy2.

Eine Isoprofitlinie fur Unternehmen 1 sieht so aus.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

y1

y2

R1(y2)

Hohere Gewinne fur Unternehmen 1 liegen unterhalb der Isoprofitlinie, daruber liegenniedrigere Gewinne.Die folgt daraus, dass fur jeden Output von Unternehmen 1 eine Senkung des Outputsdurch Unternehmen 2 uber die Preis–Absatz–Funktion der Preis steigt, so dass Unter-nehmen 1 seinen Gewinn erhoht.Erhoht hingegen Unternehmen 2 seinen Output sinkt der Preis und damit der Gewinnfur Unternehmen 1.Man sieht, dass die Isoprofitlinie ihr Maximum auf der Reaktionsfunktion des Unterneh-mens 1 annimmt, denn auf dieser Kurve liegt ja die beste Antwort auf jede Menge vonUnternehmen 2. Daher muss der Gewinn zuruckgehen, wenn sich die Menge y1 von derReaktionsfunktion entfernt.Fur Unternehmen 2 sieht eine Isoprofitlinie so aus.

y1

y2

R2(y1)

Die von Stackelberg–Losung sieht grafisch so aus.

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4.2 Cournot und von Stackelberg–Modell

y1

y2

R2(y1)

yS1

yS2

Die niedrigste erreichbare Indifferenzkurve fur Unternehmen 1 ist diejenige, die die Re-aktionsfunktion des Unternehmens 2 gerade tangiert.Hohere Isoprofitlinien sind nicht gewinnmaximierend und niedrigere sind nicht erreich-bar.Das von Stackelberg–Gleichgewicht ist grafisch der Tangentialpunkt.Man erkennt, dass sich der Stackelberg–Fuhrer gegenuber dem Cournot–Nash–Gleichgewichtverbessert, wahrend der Stackelberg–Folger einen niedrigeren Gewinn macht.Der gleichgewichtige Marktpreis im Stackelberg–Modell ergibt sich als

ps = a − b

(

a − c

2b+

a − c

4b

)

= a − b

(

3(a − c)

4b

)

=a + 3c

4<

a + 2c

3= p∗.

Fur die Gleichgewichtsmenge ergibt sich:

Y s =3(a − c)

4b>

2(a − c)

3b= Y ∗.

Wir konnen diese Ergebnisse im folgenden Theorem zusammenfassen.

Theorem 9 In einer Situation mit sequentieller Mengenwahl ergibt sich ein hohereraggregierter Output und ein geringerer Marktpreis als im statischen Cournot–Modell.

Außerdem kann man sich leicht uberlegen, dass der Gewinn des Stackelberg–Fuhrershoher sein muss als im Cournot–Modell: Er konnte ja die gleiche Menge anbieten wie imCournot–Modell. Darauf wurde das andere Unternehmen gemaß ihrer Reaktionsfunkti-on ebenfalls mit der Cournot–Menge reagieren. Beide Unternehmen erhielten in einersolchen Situation den gleichen Gewinn wie im Cournot–Modell.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

Im Stackelberg–Modell wahlt Unternehmen 1 aber eine andere Menge. Dies tut sie des-halb, weil sie sich auf diese Weise einen hoheren Gewinn garantieren kann.Dies sieht man auch unmittelbar, wenn man die Gewinne ausrechnet:

πs1 =

(a − c)2

8b> π∗

1 und πs2 =

(a − c)2

16b< π∗

2.

Der Gewinn des Stackelberg–Fuhrers ist also hoher als im Cournot–Fall, wahrend derGewinn des Stackelberg–Folgers geringer ist.Man spricht in diesem Fall von einem first mover advantage.Man kann in diesem Zusammenhang naturlich die Frage stellen, warum ein Unternehmennicht auch im Cournot–Modell damit drohen wurde, die Stackelberg–Menge anzubieten.Man kann sich leicht uberlegen, dass eine solche Drohung nicht ernst genommen wer-den wurde: Angenommen, Unternehmen 1 wurde einen solchen Output ankundigen unduberlegen, dass Unternehmen 2 dann einen Punkt auf seiner Reaktionsfunktion wahlenwurde.In diesem Fall aber ware die Stackelberg–Menge keine beste Antwort, d. h., diese Out-putkombination ware bei simultaner Entscheidung kein Cournot–Nash–Gleichgewicht.Dies kann man sich anhand der folgenden Zeichnung verdeutlichen.

y1

y2

R2(y1)

yS1

yS2

4.3 Mengenwettbewerb bei differenzierten Produkten

Bisher sind wir in den Oligopolmodellen immer davon ausgegangen, dass die Unterneh-men homogene Guter herstellen. Allerdings ist diese Annahme aus mehreren Grundenrecht restriktiv.

1. Viele Industrien produzieren eine große Menge von ahnlichen, aber nicht identi-schen Gutern.

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4.3 Mengenwettbewerb bei differenzierten Produkten

2. Nur eine kleine Zahl aller moglichen Varianten differenzierter Guter wird tatsachlichhergestellt.

3. Die meisten Industrien, in denen differenzierte Guter hergestellt werden, sind kon-zentriert, d. h., es gibt dort zwischen 2 und 5 Unternehmen.

4. Die Konsumenten kaufen nur eine kleine Teilmenge der angebotenen Varianten.

Die Modelle oligopolistischen Wettbewerbs mit differenzierten Gutern werden in zweigroße Kategorien eingeteilt: solche mit einer endogenen Anzahl von Produktvariantenund solche mit einer fest gegebenen Zahl von differenzierten Gutern. Die letzteren konnendann wieder — wie bekannt — in solche mit Mengen- bzw. Preiswettbewerb sowie si-multane oder sequentielle Strategiewahl unterteilt werden.Wir betrachten zuerst ein einfaches Modell mit fixer Zahl von Produktvarianten undsimultaner Mengenwahl, d. h., es handelt sich um das Cournot–Modell mit differenziertenGutern.Gegeben seien 2 Unternehmen, deren Produktion kostenlos ist (diese Annahme dientnur der Vereinfachung).Die Preis-Absatz-Funktionen lauten

p1(y1, y2) = α − βy1 − γy2

und p2(y1, y2) = α − βy2 − γy1.

Dabei gilt β > 0 und β2 > γ2 (oder |β| > |γ|).Es gibt also zwei verschiedene Marken des Produkts.Die Annahme dass β2 > γ2 ist wichtig, denn sie besagt, dass der Einfluss von y1 auf p1

großer ist als der Einfluss von y2. Anders ausgedruckt: Der Eigenpreiseffekt dominiertden Kreuzpreiseffekt.Man uberlegt sich leicht, dass die Guter sehr stark differenziert sind, wenn der Parameterγ sehr klein ist. Sind jedoch β und γ ungefahr gleich groß, dann sind die beiden Gutereher homogen.Um das Cournot–Nash–Gleichgewicht fur Markte mit differenzierten Gutern zu ermit-teln, gehen wir genauso vor wie im normalen Cournot–Modell:Wir maximieren den Gewinn des Unternehmens i fur gegebene Strategie yj des anderenUnternehmens j = 3 − i und ermitteln so die Reaktionsfunktion.

maxyi

πi (y1, y2) = (α − βyi − γyj) yi.

Die Bedingung 1. Ordnung ist

∂πi

∂yi

= α − 2βyi − γyj = 0.

Die Reaktionsfunktion ist also

yi = Ri(yj) =α − γyj

2β.

Diese Reaktionsfunktionen sehen ahnlich aus wie im normalen Cournot-Modell.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

y1

y2

R1(y2)

R2(y1)

Man beachte, dass die Reaktionsfunktionen umso steiler verlaufen, je homogener dieProdukte sind. Die Reaktionen eines Unternehmens auf Outputerhohungen des Konkur-renten werden dann starker.

Je differenzierter die Produkte (γ → 0), desto flacher verlaufen die Reaktionsfunktionen,da die beiden Unternehmen nicht mehr stark konkurrieren.

Die gleichgewichtigen Mengen, Preise und Gewinne ergeben sich als

y∗1 = y∗

2 =α

2β + γ

p∗1 = p∗2 =αβ

2β + γ

π∗1 = π∗

2 =α2β

(2β + γ)2.

Wenn γ steigt (die Differenzierung also abnimmt), dann fallen die Mengen, Preise undGewinne.

Daraus ergibt sich das folgende Theorem.

Theorem 10 In einem Cournot–Oligopol mit differenzierten Gutern steigen dieGewinne, wenn die Differenzierung zwischen den Gutern zunimmt.

Dies ist ein Grund, warum bei differenzierten Gutern große Summen in Werbung etc.investiert werden: Die Unternehmen mochten, dass ihre Produkte sich von denen derKonkurrenten stark unterscheiden bzw. als sehr unterschiedlich von den Konsumentenempfunden werden, da dadurch ihre Gewinne steigen.

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4.4 Preiswettbewerb — Das Modell von Bertrand

4.4 Preiswettbewerb — Das Modell von Bertrand

Bisher haben wir Modelle unvollstandigen Wettbewerbs betrachtet, in denen die Un-ternehmen die angebotenen Mengen als strategische Variable einsetzen. Im Modell vonBertrand wird davon ausgegangen, dass die Unternehmen durch die von ihnen gesetztenPreise miteinander konkurrieren, nicht aber durch die Outputmengen. Dies ist eine furmanche Markte sinnvolle Annahme, denn haufig ist es fur ein Unternehmen einfacher,Preise anzupassen als Mengen. Letzteres erfordert u.U. eine Anderung in der Produk-tionskapazitat. Kurzfristig konnen Mengenanderungen daher nicht moglich oder sehrteuer sein. Preisanderungen konnen jedoch recht einfach durchgefuhrt werden, denn esmussen nur die Preisschilder geandert werden.Das Modell von Bertrand stammt aus dem Jahre 1883 und ist in einer Rezension desBuches von Cournot (1838) enthalten. Heute sind sich die meisten Okonomen einig,dass beide Ansatze notwendig sind, um verschiedene Arten von Markten zu verstehen.Fur einige Markte erklart das Cournot–Modell mit Mengensetzung die beobachtetenErgebnisse — fur andere Markte liefert das Bertrand Modell eine bessere Erklarung desMarktergebnisses. Die Aufgabe des Okonomen ist es nun festzustellen, welcher Modelltypbesser geeignet ist, die beobachteten Mengen und Preise zu erklaren.Wir betrachten ein Modell mit zwei Unternehmen, deren Kostenfunktionen wie imCournot–Modell spezifiziert sind.

Ci(yi) = ci yi, fur i = 1, 2, mit c1, c2 ≥ 0.

Die Preis-Absatz-Funktion fur das homogene Produkt ist gegeben durch

(4.3) p(Y ) = a − b Y, mit a, b > 0 und Y = y1 + y2.

Hier untersuchen wir ein Nash–Gleichgewicht, in dem die Strategien der Unternehmendie von ihnen verlangten Preise sind. Bisher war angenommen worden, dass sich eineinheitlicher Preis einstellt, der durch die Preis–Absatz–Funktion determiniert ist. ImBertrand–Modell verlangt jedoch jedes Unternehmen seinen eigenen Preis fur sein Pro-dukt.Es werden dabei zwei Annahmen uber das Verhalten der Konsumenten fur alle moglichenPreiskombinationen getroffen.

1. Die Konsumenten kaufen immer beim billigsten Anbieter.

2. Wenn beide Unternehmen den gleichen Preis verlangen, kauft die eine Halfte derKonsumenten bei Unternehmen 1, die andere Halfte bei Unternehmen 2.

Die insgesamt nachgefragte Menge ergibt sich aus der Nachfragefunktion, die wir durchInvertieren der Preis–Absatz–Funktion (4.3) erhalten

(4.4) Y (p) =a − p

b,

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

wobei p der niedrigste Angebotspreis ist.Damit lautet die Nachfrage fur Unternehmen i

(4.5) yi (pi, p3−i) =

0 falls pi ≥ a

0 falls pi > p3−i

a−p2 b

falls pi = p3−i = p < aa−pi

bfalls pi < min{a, p3−i}.

Diese Art der Nachfragefunktion enthalt eine sogenannte Rationierungsregel, die be-sagt, wie bei gleichen Preisen die Nachfrage auf die beiden Unternehmen aufgeteilt wird(hier halftig).Das Bertrand–Nash–Gleichgewicht ist wie folgt definiert.

Definition 9 Ein Bertrand–Nash–Gleichgewicht besteht aus Mengen yb1 und

yb2 sowie Preisen pb

1 und pb2 derart, dass gilt

1. der Preis pb1 lost das Maximierungsproblem

maxp1

π(

p1, pb2

)

,

2. der Preis pb2 lost das Maximierungsproblem

maxp2

π(

pb1, p2

)

3. und y1 und y2 sind durch die Nachfragefunktion bestimmt.

Bei gegebener Strategie des anderen Unternehmens kann also kein Unternehmen profi-tabel von der Gleichgewichtsstrategie abweichen.Wir untersuchen nun zwei Varianten des Modells. dabei wird zunachst angenommen,dass jedes der beiden Unternehmen beliebige Mengen des Gutes herstellen kann. ImAnschluss betrachten wir ein Modell mit Kapazitatsbeschrankungen.

Das Bertrand–Modell ohne Kapazitatsschranken

Ein wichtiger Punkt im Bertrand–Modell ist die Unstetigkeit des Gewinns bzw. derAuszahlungsfunktionen. Sobald die von beiden Unternehmen gesetzten Preise gleich sind,andert sich die Auszahlung unstetig: Bei einem auch nur etwas hoheren Preis einesUnternehmens ist dessen Marktanteil gleich 0. Eine geringe Senkung des Preises fuhrtdazu, dass es einen Marktanteil von 50% erhalt. Wir werden im weiteren unterstellen,dass die Unternehmen ihre Preise kontinuierlich andern konnen, d. h., dass es keinekleinste Geldeinheit gibt.Fur symmetrische Unternehmen ist das Bertrand–Nash–Gleichgewicht wie folgt charak-terisiert.

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4.4 Preiswettbewerb — Das Modell von Bertrand

Theorem 11 Wenn die Unternehmen die gleiche Kostenstruktur aufweisen (c1 =c2 = c) und a > c gilt, dann ist das eindeutige Bertrand–Nash–Gleichgewicht durch

pb1 = pb

2 = c und yb1 = yb

2 =a − c

2 b

gegeben.

Beweis:

Wir beginnen mit zwei Voruberlegungen.

Da jedes Unternehmen sich Nullgewinne sichern kann (etwa durch uberbieten des Kon-kurrenten) konnen die Gewinne im Gleichgewicht nicht negativ sein. Daher muss furi = 1, 2 gelten, dass pi ≥ ci ist.

Der niedrige der beiden Preise im Gleichgewicht wird niemals uber dem Monopolpreisliegen, da das Unternehmen mit diesem Preis ja die gesamte Nachfrage erhalt und unterdiesen Umstanden der Monopolpreis gewinnmaximierend ist.

Als nachstes wird gezeigt, dass im Bertrand–Nash–Gleichgewicht beide Unternehmenden gleichen Preis setzen werden. Angenommen, dies sei nicht der Fall, d. h. o. B. d. A.,dass pb

1 > pb2.

Falls pb2 > c ist, konnte Unternehmen 1 seinen Preis auf p1 mit pb

2 > p1 > c setzen, dengesamten Markt bekommen und einen positiven Gewinn (statt Nullgewinn) machen, sichalso verbessern.

Falls pb2 = c ist, konnte Unternehmen 2 seinen Preis etwas erhohen und dennoch unter

dem Preis von Unternehmen 1 bleiben. Damit wurde es einen positiven Gewinn (stattNullgewinn) machen, sich also verbessern.

Wir wissen nun, dass gelten muss pb1 = pb

2.

Angenommen, es ware pb1 = pb

2 > c. Dies kann kein Gleichgewicht sein, denn in diesemFall kann ein Unternehmen seinen Preis etwas senken, um dadurch die gesamte Nachfrage(statt der Halfte) zu erhalten und so seinen Gewinn zu erhohen. Q.E.D.

Wenn also die beiden Unternehmen die gleiche Kostenstruktur haben, dann ergebensich im Bertrand–Nash–Gleichgewicht — genau wie bei vollstandiger Konkurrenz — furbeide Unternehmen Preise gleich den Grenzkosten und die angebotene Menge ist diegleiche wie bei vollkommenem Wettbewerb.

Die okonomische Erklarung ist die folgende: Wenn beide Unternehmen Preise oberhalbder Grenzkosten setzen, dann konnte ein Unternehmen den gesamten Markt erhalten,wenn es den Preis nur um einen infinitesimalen Betrag unterbieten wurde. Der Erlos proStuck wurde sich daher nicht (bzw. fast nicht) verandern, aber die abgesetzte Mengewurde sprunghaft ansteigen.

Das andere Unternehmen wurde dann seinerseits den Preis des Konkurrenten unterbie-ten. Dieses gegenseitige Unterbieten fuhrt dazu, dass die Preise sich immer mehr denGrenzkosten annahern. Erreichen die Preise die Grenzkosten, lohnt sich ein weiteresUnterbieten nicht mehr, da es zu Verlusten fuhren wurde.

Dieses Ergebnis des Bertrand–Modells ist sehr bemerkenswert und steht in krassem

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

Gegensatz zu unseren Erkenntnissen aus der Analyse des Mengenwettbewerbs.

Dort hatten wir gesehen, dass wir mit zunehmender Zahl der Unternehmen eine schritt-weise Entwicklung mit sinkendem Preis und steigender Menge vom Monopol uber dasDuopol und Oligopol bis hin zum vollkommenen Wettbewerb hatten, den wir als Grenz-fall eines Oligopols mit unendlich vielen Unternehmen erhalten.

Wahrend es beim Monopol keinen Unterschied macht, ob wir es als preis- oder men-gensetzendes Unternehmen modellieren, ergibt sich ein vollig anderes Bild, sobald wirmehrere Unternehmen betrachten: Schon im Duopol fuhrt Bertrand–Wettbewerb zumgleichen Ergebnis wie vollkommener Wettbewerb.

Wenn wir die Symmetrieannahme aufgeben, d. h. zwei Unternehmen mit unterschiedli-chen Grenzkosten betrachten, handeln wir uns technische Probleme ein.

Wir nehmen im Folgenden an, dass c2 > c1 ist.

Intuitiv scheint klar zu sein, was das Ergebnis des Bertrand–Wettbewerbs sein wird: Daseffiziente Unternehmen 1 kann Unternehmen 2 unterbieten, indem es seinen Preis knappunter dessen Grenzkosten setzt. Dadurch erhalt es einen positiven Gewinn, der um sohoher ausfallt, je großer die Kostendifferenz c2 − c1 ausfallt.

Es stellt sich aber heraus, dass diese Intuition im Modell nicht so leicht zu fassen ist.Wenn wir an der Annahme kontinuierlich veranderbarer Preise und der Rationierungsre-gel festhalten, gibt es kein Gleichgewicht. Das Problem ist, dass es keine beste Antwortvon Unternehmen 1 gibt, da die Idee eines Preises

”knapp unter c2“ nicht wohldefiniert

ist.

Nehmen wir an, Unternehmen 2 wahlt p2 = c2. Dann kann Unternehmen 1 eine Preis p1 =c2−ε wahlen, mit sehr kleinem positiven ε. So lange c2 aber unterhalb des Monopolpreisesvon Unternehmen 1 liegt, konnte Unternehmen 1 sich noch weiter verbessern, indem esden Preis leicht auf p′1 = c2 − ε

2erhoht. Aus analogen Grunden ist aber auch p′1 keine

beste Antwort.

Es gibt zwei mogliche Auswege, aus dieser Situation:

1. Wir konnen die Rationierungsregel andern.

2. Wir konnen eine kleinste Geldeinheit einfuhren, d. h. statt kontinuierlicher nurnoch diskrete Preisanderungen zulassen. Dadurch ware klar, was ein Preis

”knapp

unter c2“ bedeutet, namlich ein Preis exakt eine kleinste Geldeinheit darunter.

Wir beginnen mit der Anderung der Rationierungsregel. Bisher hatten wir angenommen,dass, falls p1 = p2 = p gilt, beide Unternehmen exakt die Halfte der Gesamtnachfrage

Y (p) =a − p

b

erhalten.

Nun unterstellen wir stattdessen, dass bei Preisgleichheit alle Konsumenten bei Unter-

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4.4 Preiswettbewerb — Das Modell von Bertrand

nehmen 1 kaufen. Die Nachfragefunktionen der beiden Unternehmen sind also

(4.6) y1 (p1, p2) =

0 falls p1 ≥ a

0 falls p1 > p2

a−pb

falls p1 = p2 = p < aa−p1

bfalls p1 < min{a, p2}.

und

(4.7) y2 (p1, p2) =

0 falls p2 ≥ a

0 falls p2 > p1

0 falls p2 = p1 = p < aa−p2

bfalls p2 < min{a, p1}.

Mit dieser Rationierungsregel erhalten wir wieder ein Bertrand–Nash–Gleichgewicht.

Theorem 12

Wenn a+c12

≥ c2 > c1 gilt und die Rationierungsregel zu den Nachfragefunktionengemaß den Gleichungen (4.6) und (4.7) fuhrt, ist ein Bertrand–Nash–Gleichgewichtgegeben durch

pb1 = pb

2 = c2 sowie yb1 =

a − c2

bund yb

2 = 0.

Beweis:

Wir mussen lediglich zeigen, dass sich keines der beiden Unternehmen durch Abweichenverbessern kann.

Unternehmen 1 macht positiven Gewinn. Wurde es seinen Preis erhohen, verlore esdie gesamte Nachfrage an Unternehmen 2 und sein Gewinn ware null. Da es bei dengegebenen Preisen bereits die gesamte Marktnachfrage erhalt und der Preis unterhalb desMonopolpreises a−c1

2liegt, kann es sich auch durch eine Preissenkung nicht verbessern.

Unternehmen 2 macht einen Gewinn von null. Durch eine Preiserhohung wurde es wei-terhin nichts verkaufen und der Gewinn ware immer noch null. Eine Preissenkung wurdehingegen zwar dazu fuhren, dass Unternehmen 2 die gesamte Marktnachfrage erhalt, dader Preis dann aber unter den Grenzkosten, die gleichzeitig die Durchschnittskosten sind,lage, wurde es einen Verlust erleiden. Q.E.D.

Leider verlieren wir aber auch mit der neuen Rationierungsregel die Eindeutigkeit desBertrand–Nash–Gleichgewichts. Es existiert namlich noch ein Kontinuum von (allerdingsunplausiblen) Gleichgewichten, namlich alle Preiskombinationen p1 = p2 = p mit c2 >p ≥ c1.

1

1Wir verzichten auf den Beweis, dass weitere Gleichgewichte nicht existieren.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

In diesen Gleichgewichten macht Unternehmen 2 jeweils einen Nullgewinn. Jedes Abwei-chen nach unten fuhrt zu Verlusten, wahrend ein Abweichen nach oben ebenfalls einenNullgewinn ergibt.

Unternehmen 1 macht (außer fur p = c1) einen positiven Gewinn, der durch Abweichennach unten sinkt. Durch Abweichen nach oben wurde auch Unternehmen 1 einen Gewinnvon null machen.2

Wenn wir wollten, konnten wir allerdings das unerwunschte unplausible Gleichgewichtdurch eine erneute Anderung der Rationierungsregel eliminieren, indem wir fur gleichePreise unterhalb c2 annehmen, dass wieder beide Unternehmen je die Halfte der Nach-frage erhalten.Auf den ersten Blick mag es seltsam erscheinen, dass wir je nach Bedarf verschiedeneRationierungsregeln aus dem Hut zaubern. Wir mussen uns aber klar machen, dassjede solche Regel im Grunde willkurlich ist. Wenn die beiden Unternehmen das selbehomogene Produkt zu gleichen Preisen anbieten, gibt es fur die Konsumenten keinenGrund, lieber bei dem einen oder dem anderen zu kaufen. Entweder stellen wir uns alsoeigentlich differenzierte Guter vor, oder jede Aufteilung der Gesamtnachfrage auf diebeiden Unternehmen ist so plausibel wie jede andere.Diese Uberlegung motiviert uns zu einer alternativen Interpretation der Definition desBertrand–Nash–Gleichgewichts.Die Definition lautete wie folgt.

Definition 1 Ein Bertrand–Nash–Gleichgewicht besteht aus Mengen yb1 und

yb2 sowie Preisen pb

1 und pb2 derart, dass gilt

1. der Preis pb1 lost das Maximierungsproblem

maxp1

π(

p1, pb2

)

,

2. der Preis pb2 lost das Maximierungsproblem

maxp2

π(

pb1, p2

)

3. und y1 und y2 sind durch die Nachfragefunktion bestimmt.

Bislang hatten wir den dritten Punkt so interpretiert, dass die Mengen beider Unter-nehmen sich aus ihrer jeweiligen Nachfragefunktion ergeben muss, in der eine Ratio-nierungsregel eingebaut ist. Im Grunde war ein Bertrand–Gleichgewicht also durch dieStrategien, also pb

1 und pb2 gegeben, die Menge ergaben sich daraus. Dies entspricht der

spieltheoretischen Denkweise, etwa der Definition des Nash–Gleichgewichts, die ja auch

2Weicht Unternehmen 1 nach oben ab, macht Unternehmen 2 Verluste, daher ist das Gleichgewichtunplausibel, es ist z. B. nicht

’trembling hand‘ perfekt (vgl. Selten (1975)).

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4.4 Preiswettbewerb — Das Modell von Bertrand

nur eine Strategiekombination festlegt, aus der dann die Ergebnisse und Auszahlungenfolgen.Die Art, wie die Definition formuliert ist, erinnert aber eher an die Definition einesWalras–Gleichgewichts in der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts. Ein Gleichgewichtbesteht demnach aus Mengen und Preisen, die konsistent mit der Annahme an dasindividuelle Optmierungsverhalten sind.In diesem Sinne interpretieren wir den dritten Punkt nun als

yb1 + yb

2 = Y(

min{

pb1, p

b2

})

,

d. h., wir fordern nur noch, dass die Gesamtmenge der gesamten Nachfrage entspricht, diesich ihrerseits aus dem niedrigsten Preis ergibt. Dadurch taucht die Rationierungsregelnur noch implizit durch die Angabe der Mengen yb

1 und yb2 auf.

Unsere obigen Analysen laufen dann auf die folgenden Aussagen hinaus.

1. Die Kombination yb1 = a−c2

b, yb

2 = 0, pb1 = pb

2 = c2 ist ein Bertrand–Nash–Gleichgewicht.

2. Jede Kombination yb1 = a−p

b, yb

2 = 0, pb1 = pb

2 = p, mit p ∈ [c1, c2), ist ein Bertrand–Nash–Gleichgewicht (aber kein perfektes).

3. Die Kombination yb1 = a−c2

2 b, yb

2 = a−c22 b

, pb1 = pb

2 = c2 ist kein Bertrand–Nash–Gleichgewicht.

4. Keine Kombination yb1 =

a−pb1

2 b, yb

2 = 0, pb1 < pb

2 = c2 ist ein Bertrand–Nash–Gleichgewicht.

Unser zweite Ausweg aus dem Dilemma, dass fur unterschiedliche Grenzkosten keinBertrand–Nash–Gleichgewicht existiert, eine kleinste Geldeinheit einzufuhren, liefertzwar das gewunschte Ergebnis, aber wieder tauchen zugleich eine Reihe zusatzlicherGleichgewichte auf, von denen die meisten unplausibel erscheinen.Wir machen uns dies an einem Beispiel klar. Sei c1 = 3, c2 = 4 und die kleinste Geld-einheit 0.01.Dann konnen wir uns uberlegen, dass p1 = 3.99 und p2 = 4 ein Bertrand–Nash–Gleichgewicht ist. Um dies zu tun, mussen wir fur beide Unternehmen uberprufen, obes eine Moglichkeit gibt, profitabel abzuweichen.Unternehmen 1 erhalt die gesamte Nachfrage, verkauft zu einem Preis oberhalb sei-ner Stuckkosten und macht daher einen positiven Gewinn. Erhoht es seinen Preis um0.01, erhalt es nur noch die Halfte der Nachfrage, die zudem durch die Preiserhohungzuruckgeht, dadurch sinkt sein Gewinn. Weitere Preiserhohungen resultieren in einemNullgewinn, da dann die Nachfrage fur Unternehmen 1 verschwindet.Bezuglich einer Preissenkung ist der Effekt auf Unternehmen 1 wie der auf einen Mo-nopolisten: Der Preis sinkt, die Menge steigt und der Effekt auf den Gewinn hangt vonder Elastizitat der Nachfrage ab. Da wir angenommen haben, dass der Monopolpreis furUnternehmen 1 oberhalb von c2 liegt, folgt aber, dass im relevanten Bereich der Gewinnvon Unternehmen 1 bei einer Preissenkung zuruckgeht.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

Unternehmen 2 verkauft nichts, macht also eine Gewinn von null. Erhoht es seinen Preis,andert sich an dieser Situation nichts. Eine Preissenkung durch Unternehmen 2 verschafftihm zwar Nachfrage, da der Preis dann unterhalb der Stuckkosten lage, wurde dies aberzu Verlusten fuhren.Wir haben also ein Bertrand–Nash–Gleichgewicht gefunden.Mit den selben Argumenten ergibt sich aber, dass auch p1 = 4 und p2 = 4.01 einBertrand–Nash–Gleichgewicht ist.Bei hoheren Preisen wurde sich stets ein Unternehmen durch Unterbieten des Konkur-renten um 0.01 verbessern konnen.Allerdings gibt es noch viele weitere Gleichgewichte, in denen Unternehmen 2 Preisep2 < c2, also unterhalb seiner Grenzkosten setzt. So lange der Preis aber oberhalb desPreises p1 des Konkurrenten liegt, verkauft Unternehmen 2 nichts und macht dahererneut einen Gewinn von null.Dass die folgenden Kombinationen (p1, p2) Gleichgewichte sind, sieht man mit den selbenArgumenten wie oben. Sie sind samtlich nicht

’trembling hand‘ perfekt: Wurde Unter-

nehmen 1 nach oben abweichen, ware die Strategie von Unternehmen 2 keine besteAntwort mehr.Hier haben wir alle zusatzlichen Gleichgewichte aufgelistet. (3.98, 3.99), (3.97, 3.98), (3.96, 3.97),

(3.95, 3.96), (3.94, 3.95), (3.93, 3.94), (3.92, 3.93), (3.91, 3.92), (3.90, 3.91), (3.89, 3.90), (3.88, 3.89),

(3.87, 3.88), (3.86, 3.87), (3.85, 3.86), (3.84, 3.85), (3.83, 3.84), (3.82, 3.83), (3.81, 3.82), (3.80, 3.81),

(3.79, 3.80), (3.78, 3.79), (3.77, 3.78), (3.76, 3.77), (3.75, 3.76), (3.74, 3.75), (3.73, 3.74), (3.72, 3.73),

(3.71, 3.72), (3.70, 3.71), (3.69, 3.70), (3.68, 3.69), (3.67, 3.68), (3.66, 3.67), (3.65, 3.66), (3.64, 3.65),

(3.63, 3.64), (3.62, 3.63), (3.61, 3.62), (3.60, 3.61), (3.59, 3.60), (3.58, 3.59), (3.57, 3.58), (3.56, 3.57),

(3.55, 3.56), (3.54, 3.55), (3.53, 3.54), (3.52, 3.53), (3.51, 3.52), (3.50, 3.51), (3.49, 3.50), (3.48, 3.49),

(3.47, 3.48), (3.46, 3.47), (3.45, 3.46), (3.44, 3.45), (3.43, 3.44), (3.42, 3.43), (3.41, 3.42), (3.40, 3.41),

(3.39, 3.40), (3.38, 3.39), (3.37, 3.38), (3.36, 3.37), (3.35, 3.36), (3.34, 3.35), (3.33, 3.34), (3.32, 3.33),

(3.31, 3.32), (3.30, 3.31), (3.29, 3.30), (3.28, 3.29), (3.27, 3.28), (3.26, 3.27), (3.25, 3.26), (3.24, 3.25),

(3.23, 3.24), (3.22, 3.23), (3.21, 3.22), (3.20, 3.21), (3.19, 3.20), (3.18, 3.19), (3.17, 3.18), (3.16, 3.17),

(3.15, 3.16), (3.14, 3.15), (3.13, 3.14), (3.12, 3.13), (3.11, 3.12), (3.10, 3.11), (3.09, 3.10), (3.08, 3.09),

(3.07, 3.08), (3.06, 3.07), (3.05, 3.06), (3.04, 3.05), (3.03, 3.04), (3.02, 3.03), (3.01, 3.02).

Das Bertrand–Modell mit Kapazitatsschranken

(Oz Shy, S. 110 ff.)Wir hatten bereits diskutiert, dass das Ergebnis des Bertrand–Modells, dass Preiswett-bewerb schon im Duopol zu dem selben Ergebnis fuhrt, wie vollstandiger Wettbewerbbemerkenswert ist. Es heißt namlich, dass die Zahl der Unternehmen fur das Markt-ergebnis keine Bedeutung hat. Unabhangig von der Anzahl der Unternehmen realisiertsich immer das gleiche Ergebnis wie bei vollkommener Konkurrenz.Dies hatte die Konsequenz, dass falls Preiswettbewerb herrscht selbst in hochkonzen-trierten Markten keine Notwendigkeit zu staatlichen Eingriffen bestehen wurde.Dies erschien vielen Okonomen nicht zufriedenstellend. Sie kritisierten insbesondere dieunrealistische Annahme, dass jedes Unternehmen jede beliebige Menge zu gleichen Stuck-kosten anbieten kann.

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4.4 Preiswettbewerb — Das Modell von Bertrand

Es erscheint sicherlich realistischer, davon auszugehen, dass die Unternehmen bei große-ren Outputmengen nur mit steigenden Grenzkosten produzieren konnen. Im Extremfallkonnen Kapazitatsschranken dazu fuhren, dass ein Unternehmen maximal die seiner Ka-pazitat entsprechende Menge produzieren kann. Dies lasst sich auch so auffassen, dassdie die Grenzkosten einer Produktion, die uber der Kapazitat der Unternehmen liegen,unendlich groß sind.Betrachten wir das folgende Beispiel mit 4 Konsumenten, von denen der erste maximaleinen Preis von 3, der zweite von 2 und der dritte und der vierte von 0 fur eine Einheitdes Gutes zu zahlen bereit ist.Grafisch stellt sich die Nachfrage wie folgt dar.

Y

p

1

2

3

1 2 3 4Angenommen, es gibt zwei Unternehmen, die mit konstanten Grenzkosten c1 = c2 = c =0 produzieren.Ohne Kapazitatsschranken ware das Bertrand–Nash–Gleichgewicht durch Preise pb

1 =pb

2 = 0 charakterisiert.Wenn die Unternehmen eine Kapazitatsschranke von einer Einheit haben, dann sindPreise p1 = p2 = 0 kein Gleichgewicht mehr. Unternehmen 1 konnte seinen Gewinnerhohen, wenn es den Preis von 0 auf 3 erhohen wurde und eine Einheit des Gutes anden Konsumenten mit dem hochsten Reservationspreis verkaufen wurde. Unternehmen2 verkauft seine Produktion an einen der anderen Konsumenten zum Preis von 0.Allerdings ware dies auch kein Gleichgewicht. Denn bei p1 = 3 und p2 = 0 wurdeUnternehmen 2 einen Preis von p1−ε verlangen. In diesem Fall verkauft Unternehmen 1nichts und Unternehmen 2 verkauft eine Einheit an den Konsumenten mit der hochstenZahlungsbereitschaft.Diese Form des gegenseitigen Unterbietens wurde weitergehen, bis p1 = p2 = 2 gilt.Dann wurden beide Unternehmen eine Einheit verkaufen. Nun lohnt es sich aber wiederauf p1 = 3 abzuweichen und eine Einheit an Konsument 1 zu verkaufen. Es existiert imRahmen dieses Modells kein Gleichgewicht.Ein derartiges zyklische Verhalten der Preise wurde bereits von dem englischen Okono-men Francis Edgeworth beobachtet. Das Resultat wird daher als Edgeworth–Zyklus(Edgeworth cycle) bezeichnet.Allerdings sind Kapazitatsschranken nicht die einzige Moglichkeit, bei Preiswettbewerbhohere als Grenzkostenpreise zu erklaren.Alternativen dazu sind differenzierte Produkte oder wiederholte Interaktionen.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

4.5 Cournot vs. Bertrand

(Oz Shy, S. 110 ff.)Wenn man das Cournot–Modell und das Bertrand–Modell vergleicht, ist es irritierend,dass eine einfache Anderung in den strategischen Variablen (von Mengen- zu Preisset-zung) zu derart dramatischen Anderungen in den Marktergebnissen fuhrt.Kreps und Scheinkman (1983) haben daher versucht, zwischen den beiden Modelleneinen Zusammenhang herzustellen. In ihrem Modell wird das folgende zwei-Perioden-Spiel konstruiert.In der ersten Periode wahlen die Unternehmen ihre produzierte Menge, d. h., sie bauenLagerbestande auf. In der zweiten Periode konnen nur noch die Preise gewahlt werden,die Mengen sind die in der ersten Periode festgelegten Lagerbestande. Es zeigt sich, dassin diesem Spiel die Ergebnisse die gleichen sind, wie im Cournot–Modell, in dem dieUnternehmen nur die Mengen wahlen.Das Modell soll hier nur an einem einfachen Beispiel illustriert werden.Die Preis–Absatz–Funktion ist gegeben durch

p(Y ) = 10 − Y.

Beide Unternehmen habe die selbe Kostenfunktionen, namlich

ci(yi) = yi.

Wie immer wird zur Analyse eines zwei-Perioden-Spiels die Methode der Ruckwartsin-duktion herangezogen. Zuerst wird untersucht, welche Preise die Unternehmen in derzweiten Periode fur unterschiedliche produzierte Mengen verlangen. Danach wird danndie optimale Menge bestimmt, die sie in der ersten Periode produzieren.

Die zweite Periode Angenommen, die Unternehmen haben in der ersten Runde dieKapazitaten (Mengen) yc

1 = yc2 = 3 gewahlt. Der Gesamtoutput ist dann Y = 6.

Im Nash–Gleichgewicht in der zweiten Periode wahlen die beiden Unternehmen Preise,die fur die gewahlten Mengen den Markt raumen. Jedes Unternehmen setzt also pi =4 = p∗.Dieses Ergebnis kann man grafisch wie folgt darstellen.

Y

p

4

10

6 10

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4.5 Cournot vs. Bertrand

Zwar konnen die Unternehmen beliebige Preise verlangen, aber andere Preise als p1 =p2 = p∗ = 4 konnen kein Gleichgewicht sein.Angenommen, Unternehmen 2 senkt seinen Preis auf p2 < 4 — gegeben den Preis p1 = 4.In diesem Fall fuhrt die Preissenkung nicht zu einer Erhohung der Verkaufsmenge, denndie Kapazitat war ja in der ersten Periode auf 3 festgelegt worden.Eine Preiserhohung auf p2 > 4 fuhrt zu einer geringeren Verkaufsmenge y2 < 3 underhoht ebenfalls nicht den Gewinn.Wenn Unternehmen 2 den Preis erhoht, dann bekommt es nur noch die Restnachfrage,die nach der von Unternehmen 1 verkauften Menge ubrig bleibt. Da y∗

1 = 3 ist, bleibtals Restnachfrage fur Unternehmen 2

y2 (p2) = Y (p2) − 3 = 7 − p2.

Die entsprechende Preis–Absatz–Funktion ist p2 = 7 − y2.Grafisch kann man sich diese Restnachfrage wie folgt verdeutlichen.

Y

p

7

10

3 10 y2

p2

4

7

10

33.5 7 10

Restnachfrage

Grenzerlos

Entscheidend ist, dass die Grenzerloskurve fur diese Restnachfrage positiv ist fur alleOutputmengen, die kleiner sind als 3,5. In diesem Bereich ist die Restnachfrage alsoelastisch. Eine Preiserhohung fuhrt daher zu einer Senkung des Erloses fur Unternehmen2.Wir konnen diesen Sachverhalt im folgenden Lemma festhalten.

Lemma 2 Wenn fur die in Periode 1 gewahlten Outputniveaus gilt y1 + y2 ≤ 6,dann werden im Nash–Gleichgewicht in der zweiten Periode die Unternehmen diePreise so wahlen, dass der Markt geraumt wird.

Die erste Periode Wenn die Preise, die in der zweiten Periode gewahlt werden, diemarktraumenden Preise sind, ist die Wahl der Kapazitat, d. h. der Menge in der erstenPeriode genau die gleiche, wie im ublichen Cournot–Modell. Das bedeutet, dass dieUnternehmen in der ersten Periode die Cournot–Mengen y1 = y2 = 3 wahlen.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

Die okonomische Erklarung ist die folgende: In der ersten Periode wissen die Unter-nehmen, dass die Preise in der zweiten Periode so gewahlt werden, dass der Markt —gegeben die in der ersten Periode produzierten Mengen — geraumt wird. Aufgrund dieserTatsache ist das Problem in der ersten Periode identisch zum ublichen Cournot–Problem.Das obige Lemma ist jedoch kein Beweis fur diese Behauptung, denn es gilt nur fur denFall y1 +y2 ≤ 6. Fur den Fall y1 +y2 > 6 wurde keine Aussage getroffen. Auch fur diesenFall lasst sich eine entsprechende Aussage zeigen. Der Beweis ist jedoch aufwandigerund setzt die Verwendung gemischter Strategien voraus. Daher werden wir ihn hiernicht durchfuhren.

4.6 Preiswettbewerb bei differenzierten Gutern

(Oz Shy, S. 139 ff.)In diesem Abschnitt untersuchen wir nun, was bei Preiswettbewerb passiert, wenn wirstatt homogener Guter differenzierte Guter betrachten.Ausgangspunkt unserer Analyse des Mengenwettbewerbs mit differenzierten Gutern wa-ren die beiden folgenden Preis–Absatz–Funktionen

p1 (y1, y2) = p1 = α − βy1 − γy2

und p2 (y1, y2) = p2 = α − βy2 − γy1;

wobei wir angenommen hatten, dass β > 0 und β2 > γ2 (oder |β| > |γ|) ist.Wenn der Preis die strategische Variable ist, ist es sinnvoll, aus den gegebenen Preis–Absatz–Funktionen zunachst die Nachfragefunktionen herzuleiten.Dazu betrachten wir die beiden obigen Preis–Absatz–Funktionen als lineares Gleichungs-system in den Variablen y1 und y2, das mittels der Cramer–Regel nach y1 und y2 alsFunktion der Preise p1 und p2 aufgelost werden kann. (Oz Shy, S. 136 und S. 162 ff.)Die Losungen lauten:

y1 (p1, p2) = a − b p1 + c p2

und y2 (p1, p2) = a − b p2 + c p1.

Dabei ist

a =α(β − γ)

β2 − γ2, b =

β

β2 − γ2, und c =

γ

β2 − γ2.

Das Maximierungsproblem des Duopolisten i ist dann

maxpi

π(p1, p2) = (a − b pi + c pj) pi i, j = 1, 2; i 6= j.

Die Bedingung 1. Ordnung ist

∂πi

∂pi

= a − 2 b pi + c pj.

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4.6 Preiswettbewerb bei differenzierten Gutern

Daraus ergibt sich die Reaktionsfunktion

pi (pj) = Ri (pj) =a + c pj

2 b.

Grafisch kann man sich die Reaktionsfunktionen wie folgt vorstellen.

p1

p2

a2 b

a2 b

R1(p2)

R2(p1)

pb2

pb1

Genau wie im Modell mit Mengenwettbewerb ergibt sich das Gleichgewicht als Schnitt-punkt der beiden Reaktionsfunktionen.Rechnerisch konnen wir es ermitteln, indem wir die Reaktionsfunktionen ineinander ein-setzen. Wir erhalten fur das Bertrand–Nash–Gleichgewicht die folgenden Preise, Mengenund Gewinne.

pbi =

a

2 b − c=

α (β − γ)

2 β − γ,

ybi =

a b

2 b − c=

α β (β − γ)

(2 β − γ) (β2 − γ2)

und πbi =

a2b

(2b − c)2=

α2 β (β − γ)

(2 β − γ)2 (β + γ)

Auch hier sieht man, dass die Gewinne fallen, wenn γ wachst, d. h., wenn die Differenzie-rung geringer wird. Im Grenzfall γ = β ist der Gewinn — wie im Bertrand–Gleichgewichtbei homogenen Produkten — null, denn die Produkte sind dann homogen.

Theorem 13 In einem Bertrand–Modell mit differenzierten Produkten nehmen dieGewinne der Unternehmen mit steigender Produktdifferenzierung zu.

Dies liegt daran, dass mit zunehmender Produktdifferenzierung die Monopolmacht einesUnternehmens zunimmt.Wenn wir differenzierte Produkte betrachten, weisen Cournot– und Bertrand–Modellalso starkere Ahnlichkeiten auf, als bei homogenen Produkten.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

Der entscheidende Unterschied liegt in der Gestalt Reaktionsfunktionen: Im Cournot–Modell verlaufen sie fallend, im Bertrand–Modell hingegen steigend. Das bedeutet, dassim Cournot–Modell die strategischen Variablen zueinander entgegengesetzt verlaufen:Wenn ein Unternehmen seine Menge senkt (bzw. erhoht), wird das andere seine Mengeerhohen (bzw. senken) und vice versa, wahrend sie im Bertrand–Modell in die selbeRichtung weisen: Wenn ein Unternehmen seinen Preis senkt (bzw. erhoht), wird auchdas andere Unternehmen seinen Preis senken (bzw. erhohen).Diesen Unterschied fassen wir in folgende Definition.

Definition 2 1. Die Strategien der beiden Spieler sind strategische Substitu-

te, wenn die Reaktionsfunktionen eine negative Steigung haben;

2. sie sind strategische Komplemente, wenn die Reaktionsfunktionen einepositive Steigung haben.

4.7 Vergleich zwischen Cournot und Bertrand bei

differenzierten Produkten

(Oz Shy, S. 140 f.)Wir hatten gesehen, dass im Falle differenzierter Produkte, der Unterschied zwischendem Modell mit Mengen- und dem mit Preiswettbewerb nicht mehr so augenfallig sind,wie bei homogenen Produkten. Es stellt sich die Frage, wie sich Mengen, Preise undGewinne in den beiden Modellen im Vergleich verhalten.Vergleicht man die Preise in den beiden Marktstrukturen, ergibt sich

p∗i − pbi =

α β

2 β + γ− α (β − γ)

2 β − γ=

α4 β2

γ2 − 1,

d. h., die Gleichgewichtspreise bei Mengenwettbewerb sind hoher als die bei Preiswett-bewerb.Damit verhalten sich die Mengen umgekehrt, d. h., sie sind bei Mengenwettbewerb ge-ringer als bei Preiswettbewerb. Dies konnen wir auch berechnen.

y∗i − yb

i =α

2 β + γ− α β

(2 β − γ) (β + γ)= − α

(

4 β2

γ2 − 1)

(β + γ).

Schließlich sind die Gewinne bei Mengenwettbewerb hoher als die bei Preiswettbewerb.

π∗i − πb

i =α2 β

(2 β + γ)2 − α2 β (β − γ)

(2 β − γ)2 (β + γ)=

2 α2 β3 γ

(2 β + γ)2 (2 β − γ) (β + γ)

Aus diesen Uberlegungen konnen wir folgendes Ergebnis ableiten.

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4.8 Sequentielle Preissetzung

Theorem 14 In einer Industrie mit differenzierten Gutern gilt:

1. Die Preise bei Mengenwettbewerb sind hoher als bei Preiswettbewerb, die Men-gen bei Mengenwettbewerb sind niedriger als bei Preiswettbewerb und die Ge-winne bei Mengenwettbewerb sind hoher als bei Preiswettbewerb.

2. Je starker die Guter differenziert sind, desto kleiner sind die Differenzen zwi-schen den Preisen, Mengen und Gewinnen in beiden Marktstrukturen.

3. Wenn die Produkte unabhangig werden (γ → 0), dann verschwinden die Un-terschiede.

Was ist die okonomische Intuition hinter diesem Theorem?Fur den letzten Punkt ist sie klar: Der Extremfall differenzierter Produkte entsprichtzwei vollig unabhangigen Markten, auf denen jeweils ein Unternehmen Monopolist ist. ImMonopol wissen wir aber, dass Preissetzung und Mengensetzung auf das selbe Ergebnisfuhren.Im Lichte dieser Beobachtung und eingedenk des prononcierten Unterschieds zwischenCournot– und Bertrand–Modell fur homogene Produkte, erscheint dann auch der zweitePunkt einsichtig.Wenn wir schließlich eine Intuition fur den ersten Teil des Theorems entwickeln wol-len, stellen wir uns in beiden Modellen vor, ein Unternehmen erwage, seine Menge zuerhohen. Im Cournot–Modell geht das Unternehmen bei seiner Entscheidung implizit da-von aus, dass das andere seinen Output konstant halt. Daher wurde eine Erhohung deseigenen Outputniveaus zu einem Fallen des Marktpreises fuhren, was fur das Unterneh-men schlecht ist. Im Unterschied dazu nimmt im Bertrand–Modell jedes Unternehmenimplizit an, dass der Konkurrent den Preis konstant halt. In diesem Fall wurde eineOutputerhohung also nicht zu einem fallenden Preis fuhren. Daher erscheint eine Out-puterhohung im Bertrand–Modell stets attraktiver als im Cournot–Modell, was dazufuhrt, dass bei Preiswettbewerb ein hoherer Output produziert wird als bei Mengen-wettbewerb.

4.8 Sequentielle Preissetzung

(Oz Shy, S. 140 f.)Betrachten wir nun ein

’Stackelberg–Modell‘, in dem die Strategien nicht die Mengen

sondern die Preise sind.Dass wir dies fur Preiswettbewerb erst im Kontext differenzierter Produkte tun, liegtdaran, dass sequentielle Preissetzung fur homogene Produkte zu ahnlichen Problemenfuhrt, wie die, mit denen wir uns bei asymmetrischen Unternehmen und simultanerPreissetzung herumgeschlagen haben.Dies kann man sich leicht uberlegen: Das Unternehmen, dass als zweites seinen Preissetzt, wird einen Preis wahlen wollen, der

’knapp unterhalb‘ des Preises liegt, den das

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

zuerst ziehende Unternehmens gesetzt hat. . . Auf der anderen Seite ist das Ergebnis desModells mit simultaner Preissetzung auch bei sequentieller Preissetzung ein Gleichge-wicht: Wenn beide Unternehmen ihren Preis gleich den Grenzkosten setzen, kann sichkeines von beiden durch Abweichen verbessern.Das Modell sequentieller Preissetzung bei differenzierten Produkten illustrieren wir an-hand des folgenden numerischen Beispiels.Die Nachfragefunktionen sind gegeben durch:

y1 (p1, p2) = 168 − 2 p1 + p2

und y2 (p1, p2) = 168 + p1 − 2 p2.

Bei simultaner Preissetzung ergeben sich die Gleichgewichtspreise pb1 = pb

2 = 56, dieMengen yb

1 = yb2 = 112 sowie die Gewinne πb

1 = πb2 = 6272.

Betrachten wird nun die Situation, in der Unternehmen 1 seinen Preis vor Unternehmen2 setzt.Unternehmen 1 bezieht dabei die Reaktionsfunktion von Unternehmen 2 in seine Ent-scheidung mit ein und wahlt daher einen Preis p1, der das folgende Maximierungsproblemlost

maxp1

π1

(

p1, R (p1))

=

(

168 − 2 p1 +168 + p1

4

)

p1.

Die Bedingung 1. Ordnung lautet

∂π1

∂p1

= 210 − 7

2p1 = 0.

Daraus folgt ps1 = 60 und daher ps

2 = 57. Die resultierenden Mengen sind ys1 = 105 und

ys2 = 114. Die Gewinne sind dann πs

1 = 60 · 105 = 6300 > πb1 und πs

2 = 57 · 114 = 6498 >πb

2.Dieses uberraschende Ergebnis wird in dem folgenden Theorem allgemeiner ausgedruckt.

Theorem 15 Ein einer Situation mit sequentieller Preissetzung gilt:

1. Beide Unternehmen erhalten einen großeren Gewinn als im simultanenBertrand–Wettbewerb, d. h. πs

i > πbi , fur i = 1, 2.

2. Das Unternehmen, das seinen Preis zuerst setzt, macht einen geringeren Ge-winn als das Unternehmen, das seinen Preis als zweites setzt.

3. Im Vergleich zu den Gewinnen bei simultanem Bertrand–Wettbewerb ist dieZunahme im Gewinn fur den Preisfuhrer geringer als fur den Preisfolger, d. h.πs

1 − πb1 < πs

2 − πb2.

Die okonomische Intuition hinter diesem Ergebnis ist die folgende: Wenn das Unterneh-men 1 in der ersten Periode den Preis berechnet, den es setzen soll, berucksichtigt es

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4.9 Differenzierte Produkte als verschiedene ‘Standorte’ von Unternehmen

dabei, dass Unternehmen 2 diesen Preis leicht unterbieten wird, um sich einen große-ren Marktanteil als Unternehmen 1 zu sichern. Dies bringt Unternehmen 1 dazu, einenrelativ hohen Preis zu setzen, da der Anreiz, den Preis zu senken, weniger stark ausge-pragt ist als im simultanen Preiswettbewerb, in dem Unternehmen 1 implizit annimmt,Unternehmen 2 lasse den Preis konstant.Daher werden beide Unternehmen Preise oberhalb der simultanen Bertrand–Preise ver-langen. Unternehmen 1 macht allerdings einen etwas geringeren Gewinn, da Unterneh-men 2 seinen Preis leicht unterbieten wird und damit hohere Marktanteile erhalt.

4.9 Differenzierte Produkte als verschiedene ‘Standorte’

von Unternehmen

Es gibt eine Reihe von Modellen, in denen (horizontal) differenzierte Guter als raum-lich differenziert aufgefasst werden. Diese Modelle gehen samtlich auf eine Arbeit vonHotelling (1929) zuruck, in dem er eine ‘Straße’ betrachtet, in der die Konsumentenleben. Es gibt zwei Unternehmen, die sich in dieser Straße angesiedelt haben. Die vonden Unternehmen hergestellten, physisch gleichen Produkte stellen fur die Konsumentendifferenzierte Guter dar, weil sie — je nach Hausnummer — unterschiedliche Entfernun-gen zu den Unternehmen zurucklegen mussen und daher verschiedene Transportkostenhaben.Formal stellt sich das Modell wie folgt dar.

• Auf dem Intervall [0, L] ⊂ R+ L lebt ein Kontinuum identischer Konsumenten, dieauf dem Intervall gleichverteilt sind und deren Gesamtmasse L ist.

• Es gibt zwei Unternehmen, A und B, die sich an den Stellen a und L− b befinden.O. B. d. A. nehmen wir an, dass a ≤ 1

2und b ≤ 1

2, d. h., Unternehmen B liegt nicht

links von Unternehmen A.

• Die Produktion erfolgt kostenlos.

• Um eine Einheit des einzigen Gutes im Modell zu kaufen, muss ein Konsumentx ∈ [0, L] zusatzlich zu dem Preis, den er an das verkaufende Unternehmen bezahlt,Transportkosten aufwenden, die das τ -fache der Entfernung zwischen ihm und demUnternehmen betragen, bei dem er kauft.

• Jeder Konsument kauft genau eine Einheit des Gutes und wird diese stets beieinem Unternehmen nachfragen, fur das die Summe aus Verkaufspreis und Trans-portkosten minimal ist.

Wir konnen das beschriebene Verhalten der Konsumenten auch beschreiben, indem wirannehmen, der Nutzen des Konsumenten x ∈ [0, L] betrage

Ux =

{

−pA − τ |x − a| , wenn er bei A kauft

−pB − τ |x − (L − b)| wenn er bei B kauft.

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4 Oligopole und strategisches Verhalten

Betrachten wir den Konsumenten x, der indifferent ist, ob er bei A oder B kauft. Dabeigehen wir davon aus, dass a ≤ x ≤ L − b ist.3

Indem wir den Nutzen gleichsetzen, der jeweils aus dem Kauf bei Unternehmen A undUnternehmen B resultiert, ergibt sich

−pA − τ (x − a) = −pB − τ(

(L − b) − x)

.

Dies konnen wir nach x auflosen und erhalten

x =pB − pA

2 τ+

L − b + a

2.

Dies entspricht der Nachfrage, der sich Unternehmen A gegenubersieht, da alle Kon-sumenten links von x relativ naher bei Unternehmen A wohnen un daher dort kaufenwerden. Wegen der Gleichverteilung ist die Masse dieser Konsumenten gerade x.Die Nachfrage fur Unternehmen B ist aus analogen Uberlegungen

L − x =pA − pB

2 τ+

L + b − a

2.

Wir betrachten nun das Bertrand–Nash–Gleichgewicht in diesem Modell, wenn wir obigeNachfragen unterstellen.Unternehmen A maximiert uber die Wahl seines Preises pA seinen Gewinn, lost also

maxpA

πA =pA pB − p2

A

2 τ+

pA (L − b + a)

2

Die Bedingung erster Ordnung ist

∂πA

∂pA

=pB − 2 pA

2 τ+

L − b + a

2= 0.

Unternehmen B lost

maxpB

πB =pA pB − p2

B

2 τ+

pB (L + b − a)

2

Die Bedingung erster Ordnung ist

∂πB

∂pB

=pA − 2 pB

2 τ+

L + b − a

2= 0.

Im Gleichgewicht betragen die Preise also

p∗A =τ (3 L − b + a)

3und p∗B =

τ (3 L + b − a)

3.

3Dies wird sicher der Fall sein, wenn beide Unternehmen den selben Preis setzen: Dann kaufen alleKonsumenten links von Unternehmen A dort und alle rechts von Unternehmen B kaufen bei diesemUnternehmen.

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Literaturverzeichnis

Die gleichgewichtigen Mengen sind

x∗A = x∗ =

3 L − b + a

6und x∗

B = L − x∗ =3 L + b − a

6.

Wenn sich also beide Unternehmen in der Mitte der Straße ansiedeln (a = b = 12), dann

wird der Markt zwischen den beiden Unternehmen zu gleichen Teilen aufgeteilt. Dieselbe Aufteilung ergibt sich fur alle symmetrischen Standorte (a = b).Die Gewinne im Gleichgewicht betragen

π∗A = p∗a x∗

A =τ (3 L − b + a)2

18und π∗

B = p∗B x∗B =

τ (3 L + b − a)2

18.

Dies zeigt, dass der Gewinn fur jedes Unternehmen mit zunehmendem Abstand zwischenihnen ansteigt. Dies ist nicht sonderlich uberraschend, da wir bereits gesehen haben, dassder Gewinn mit wachsender Differenzierung zunimmt.Die obigen Berechnungen basierten auf der Annahme, dass ein Gleichgewicht existiertund im Gleichgewicht beide Unternehmen positive Preise verlangen.Eine Charakterisierung der Gleichgewichte und Bedingungen fur ihre Existenz werdenim folgenden Theorem gegeben:

Theorem 16 1. Wenn sich beide Unternehmen am gleichen Ort befinden (a =b = 1

2), ist pA = pB = 0 das einzige Gleichgewicht.

2. Ein eindeutiges Gleichgewicht existiert und ist durch die oben angegebenenGleichgewichtspreise und -mengen charakterisiert genau dann, wenn die beidenUnternehmen nicht

’zu dicht‘ nebeneinander liegen; formal: genau dann, wenn

(

L +a − b

3

)2

>4L(a + 2b)

3

und

(

L +b − a

3

)2

>4L(b + 2a)

3.

Wenn die beiden Unternehmen zu dicht nebeneinander liegen, dann werden sie anfangen,den von dem jeweils anderen Unternehmen gesetzten Preis zu unterbieten. Dies fuhrt zueinem Prozess, der — ahnlich wie beim Edgeworth–Zyklus, den wir bei Preiswettbewerbmit Kapazitatsschranken diskutiert hatten — nicht zu einem Gleichgewicht konvergiert.In diesem Fall entsteht also das Problem der Nichtexistenz eines Gleichgewichts.

Literaturverzeichnis

Bertrand, J. (1883): “Theorie Mathematique de la Richesse Sociale,” Journal desSavant, 67, 499–508, [English translation by J. Magnan de Bornier (1992): “The

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Literaturverzeichnis

‘Cournot–Bertrand Debate’: A Historical Perspective,” History of Political Economy,24(3), 623–654.].

Cournot, A. A. (1838): Recherches sur les Principes Mathematique de la Theorie deRichesses. Hachette, Paris, [English translation by N. T. Bacon, 1897: Researches intothe Mathematical Principles of the Theory of Wealth, McMillan, New York (1927),reprint Augustus M. Kelley, New York (1971). Deutsche Ubersetzung von W. G. Waf-fenschmidt: Untersuchungen uber die mathematischen Grundlagen der Theorie desReichtums, Fischer, Jena (1924)].

Hotelling, H. (1929): “Stability in Competition,” Economic Journal, 39, 41–57.

Kreps, D., und J. Scheinkman (1983): “Quantity Precommitment and BertrandCompetition Yield Cournot Outcomes,” Bell Journal of Economics, 14, 326–337.

Selten, R. (1975): “Reexamination of the Perfectness Concept for Equilibrium Pointsin Extensive Games,” International Journal of Games Theory, 4(1), 25–55.

Shy, O. (1995): Industrial Organization: Theory and Applications. MIT Press, Cam-bridge, Massachusetts.

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