Vycichl_Amesmir Und Azarif_Deux Mots d'Origine Punique

4
AMESMIR UND AZARIF Zwei berberlsche Wörter punischen Ursprungs In einem Artikel über « Punischon Spracheinflusa im Berberischen » {Journal of Near Eastern Studies, Chicago 1952, 198-204) war es vor allem mein Ziel sichere Entsprechungen als Grundlage für künftige Forschingen zusammenzustellen. Die Liste von 20 Etymologien er- lauben es die phonetische Entwicklung des Berberischen innerhab der letzten 2000 Jahre zumindest in den Grundzügen zu rekonstruieren. Hiemit lege ich zwei weitere Beispiele punischen Spraeheinflusses im Berberischen vor, die meine damaligen Ansätze über die phone- tique Entwicklung bestätigen und darüber hinaus noch ein gewisses kulturgeschichtliches Interesse bestzen, weil aus ihnen hervorgeht, dass die Einführung — oder besser gesagt die entscheidende Ver- wendung — des Nagels und des Alauns in der Berberei nicht den Ägyptern, Römern oder Arabern, sondern den Phöniziern oder Puniern zuzuschreiben ist. a) Amlsmir « N a g e l». In modernen Berbcrdialekton lassen sich die Bezeichnungen für den « Nagel » auf die Formen mlsmir und mit&mar zurückführen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Formen des Typs mlsniär ara- bischen Ursprungs sind und auf klassisch misniär, modern mlsmär zurückgehen. Die Formen des Typs mesinir entsprechen dagegen hebräischem masmlr, das nur naclibibiisch belegt ist, und dessen Pluralc tnasmerim und inasmeröt jedoch in der Bibel Vorkommen. Ich nehme an, dass masmer auch punisch Vorgelegen hat und von hier aus ins Berberische oingedrungen ist. An sich wäre es gewiss denkbar, das Wort aus dem Hebräischen abzuleiten. Wir wissen durch St. Augustinus und andere Autoren, dass Hebräisch im nachchrist- lichen Nordafrika tatsächlich gesprochen wurde. Wenn ich trotzdem an der punischen Herkunft von amismir festhalte, so geschieht dies vor allem deshalb, weil der punische Kultureinfluss zweifellos älter und nachhaltiger war als der der jüdischen Kolonien und weil es

description

Vycichl_Amesmir Und Azarif_Deux Mots

Transcript of Vycichl_Amesmir Und Azarif_Deux Mots d'Origine Punique

Page 1: Vycichl_Amesmir Und Azarif_Deux Mots d'Origine Punique

AMESMIR UND AZARIFZwei berberlsche W örter punischen U rsprungs

In einem Artikel über « Punischon Spracheinflusa im Berberischen » {Journal of Near Eastern Studies, Chicago 1952, 198-204) war es vor allem mein Ziel sichere Entsprechungen als Grundlage für künftige Forschingen zusammenzustellen. Die Liste von 20 Etymologien er­lauben es die phonetische Entwicklung des Berberischen innerhab der letzten 2000 Jahre zumindest in den Grundzügen zu rekonstruieren.

Hiemit lege ich zwei weitere Beispiele punischen Spraeheinflusses im Berberischen vor, die meine damaligen Ansätze über die phone- tique Entwicklung bestätigen und darüber hinaus noch ein gewisses kulturgeschichtliches Interesse bestzen, weil aus ihnen hervorgeht, dass die Einführung — oder besser gesagt die entscheidende Ver­wendung — des Nagels und des Alauns in der Berberei nicht den Ägyptern, Römern oder Arabern, sondern den Phöniziern oder Puniern zuzuschreiben ist.

a) Amlsmir « N agel».In modernen Berbcrdialekton lassen sich die Bezeichnungen für

den « Nagel » auf die Formen mlsmir und mit&mar zurückführen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Formen des Typs mlsniär a ra ­bischen Ursprungs sind und auf klassisch misniär, modern mlsmär zurückgehen. Die Formen des Typs mesinir entsprechen dagegen hebräischem masmlr, das nur naclibibiisch belegt ist, und dessen Pluralc tnasmerim und inasmeröt jedoch in der Bibel V o r k o m m e n .

Ich nehme an, dass masmer auch punisch Vorgelegen hat und von hier aus ins Berberische oingedrungen ist. An sich wäre es gewiss denkbar, das W ort aus dem Hebräischen abzuleiten. Wir wissen durch St. Augustinus und andere Autoren, dass Hebräisch im nachchrist­lichen Nordafrika tatsächlich gesprochen wurde. Wenn ich trotzdem an der punischen Herkunft von amismir festhalte, so geschieht dies vor allem deshalb, weil der punische Kultureinfluss zweifellos älter und nachhaltiger war als der der jüdischen Kolonien und weil es

Page 2: Vycichl_Amesmir Und Azarif_Deux Mots d'Origine Punique

148 W. VYCICHL

sich Hebräischen wohl oher um eine religiöse Tradition und nicht um eine wirkliche Umgangssprache gehandelt hat.

Die Form mlsmir findet sich in den folgenden D ialekten:— Solcna (östliches Libyen, Oase, erst vor kurzem ausgestorben):

amtemir (Dr. Tommaso S a r n e l l t , 11 dialeHo berbero di Solcna, Napoli, 1924 und 1025, p. 14);

— Djobcl Ncfuaa (Tripolitanien): amismir (Prof. F ran cesco Be- o u ln o t, 11 Berbero Nefüsi di Faäsdlo, Roma, 1942, p. 223);

— Tuareg (Ahaggar-Dialekt, Nord-Sahara): amesmir, pl. imeamarfai (Le P. C h a r l e s d e F o u c a u l d , Diclionnaire Touareg-Franqai-8, Paris, 19ß3, p. 1837) und das Verbum l&mlr « nageln » (ebendort );

— Ghadämes (Fezzän, Libyen): anlsmir, p]. inümiar (A. De C.* M o t y m n s k j , Le dialecte btrbhre de R'edames, Paris, 1904, p. 112);

—• Ghat (Oasenstadt, Zentral-Sahara): an&smir ( N e h l i l , Etüde aur le dialecte de Ohat, Paris, 1909, p. 143). Der Dialekt von Ghat ist im Wesentlichen ein Tuareg-Dialekt, wird aber von einer S tad t­bevölkerung gesprochen.

Die Formen des Typs anesmir sind durch Labialdissimilation aus amlsmir entstanden. Dieee Erscheinung ist sowohl bcrbcrisch wie auch semitisch bekannt. Akkadisch narkabtu * Wagen » entspricht arabisch marhab « Schiff * (Präfix m + r-k-b). Im Ägyptischen haben wir Formen wie n-j-S-m < Milz », n-n-m.t « B ett Ruhebett *, n-n-j-b « Styrax », n-p-r-j « Saatgut # was wohl auf*m-n-j-b, *m-p-r-j zurückzuführen ist. Man vergleiche hiezu arabisch näm, janäm « schlafen *, ägyptisch-arabisch manäma « Schlafplatz), koptisch At-nim « schlafen », dann äthiopisch fire. « F ru c h t», hebräisch piri.

Labialdissimilation liegt wohl im Namen des Stammes der Nasa- monen oder Meaamonen (Herodot II, 31 und IV, 172: Na&amon&a,

• Meaamones) vor. Im Schilhischcn haben wir unter anderem:anigmar * Jäger o von gummir «jagen » für anigmar, an&hab « Freund » verwandt mit arabisch sählb « Freund s, anlbdad « Säule, Pfosten > von b^L-d « stehen * für amibdad, inibgi «G ast» pl. inSbgiwin für im&bgi, etc.

Die arabische Form mismär, modern mlsmär findet sich in:— Siwa (Oase in Ägypten): mismar, pl. msämir als arabischer Plural

(E. L a o u s t , Siwa, Paris, 1932, p. 216);

PREV NEXT

Page 3: Vycichl_Amesmir Und Azarif_Deux Mots d'Origine Punique

a m k s m i r u n d a z a r i f 149PREV

— Kabyligch (Kabylei, Algerien): amismar (H uyghe, Dictionnaire Kabyle-Franqais, Paris, 1901, p. 44);

— SchiJhisch (Südwest-Marokko): amlsmar, pl. imismarln (E. De9- ta in q , Vocabulaire Fran^aix-Berbkre, Paris, 1630, p. 08);

— Bräber-Dialekte (Zemmur, Beni Mtir. Zayan etc. in Zentral­Marokko): amesmar, pl. ime.smare.n (E. L a o u s t , Cours de Berbere Marocain. Dialectes du Maroc Central, Paris, 1939, p. 292).

b) Azarif « Alaun ».Die hebräische Form ist särif. Auch für das Punischo wird man

die gleiche Vokalisierung ansetzen dürfen. Im modernen Berberiachen lassen sich die folgenden Formen belegen:— Ghadämea (Fezzan, Libyen): azarif « alun # (A. Db C.-Moty-

LIN9KI, p. 99);— Wargla (Südliche Gebiete Algeriens): zarif (R. B a s s e t , Etüde mir

la Z&naiia du Mzab, de Ouargla et de l’Oued Bigh, Paria, 1893, p. 38). Zu lesen ist sicherlich *zarif, denn R. B assb t begnügt sich im allgemeinen mit einer annähernden Lautbezeichnung;

— Ghat (Oaaenatadt, Zentral-Sahara): azarif (N e h lil, p. 126). Auch hier wird sicherlich *azarif vorliegen;

— Schilhiach: azarif (E. D esta tn o , Vocabvlaire Franqais-Berb&re, p. 14). Hier ausdrücklich mit z notiert.

Das Präfix a des Berberischen.Das Augment in amtwnir, azarif ist der alte bestimmte Artikel des

Bcrberischcn, der heute — von Sonderflvllcn abgesehen — mit dem Nomen zu einer Einheit verschmolzen ist.

Man vergleiche hiezu meinen Aufsatz L ’article defini du Berbire, im Memorial A n d r £ B a b s e t , Paris 1957. Dort aind auch die hier interessierenden phonetischen Fragen behandelt, wie der Umlaut (schilhiach ikiklr « Kirchererbse # für akiklr , von lat. cicer), die Ver­mälzung (schilhiach ureg « Gold » für *au>req, *ör&q, *ureg, vgl. gegen­über tafunast anderer Dialekte).

Die Lautentsprechungen.Das a in särif : azarif hat sich erhalten wie es die Regel ist z. B.

schilhisch azalim « Zwiebel » aus punisch *basälim, hebr. b&sälim, oder aganim « Rohr », hebr. pl. qänim.

NEXT

Page 4: Vycichl_Amesmir Und Azarif_Deux Mots d'Origine Punique

150 W. VYCICBL

Das hebräische e von masmir « Nagel » {in geschlossener Silbe) erscheint berberiaoh als i, wie bei schilhiach amadir «Jäthacke t hebr. ma'äder, agadir « befestigtes Getreide-Depot », hebr. gäder.

Auch die Entsprechung von hebräisch und puniach 9 : berberiach 2 ist wohlbekannt: schilhisch azalim «Zwiebel», hebr. blsälim, pl. von sg. bä#äl, tuareg azrif « S ilber» waa auch hausaa {in British Nigeria) als azurfa belegt ist (G. P. B a rg r ry , A Uausa-Engliah Dictionary, London, 1933, p. 48), vgl. altaüdarabisch f-r-j «Silber* {obwohl die Bedeutung dieses Ausdruckes neuerdings bestritten wird). Auch arabische W örter zeigen in einigen Fällen ? für s, 2. B. schilhisch lazallit « Gebet t {arab. salli « bete. »), tuareg azum « faaten t {arab. sam, jasum « fasten »).

Bei den übrigen Entsprechungen {/ : /, m : m, r : r) bestehen lautlich keine Schwierigkeiten.

PREV

Paris W . V y c i c h l