W enn der Doktor zum Schnüffeln bittet · 1 0 Fokus ABZ 23Nr. 17. November 2018 V on Bérengère...

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10 Fokus ABZ Nr. 23 17. November 2018 Von Bérengère Thumm D urch leichten, gleichmä- ßigen Druck der Hände entströmt dem Beutel ein wunderbar intensiver Duft. Erst ist er kräftig würzig, dann geht er sanft über einen Hauch von Zitrus hinweg und hinterlässt letztlich eine säuerliche Note. „Was riechen sie?“ fragt der Ex- perte die Teilnehmer. „Beeren?“, kommt zögerlich zurück. „Ge- nau, das ist Blaubeere.“ Kaffee schnuppern beim Workshop in Mannheim Aber nicht nur diese Frucht erschnuppern die Teilnehmer während des Tages in den ver- schiedenen Kaffeesorten – je- dem Beutel entströmt eine neue Aromenwelt: von Kräutern über fruchtige Nuancen bis hin zu waldigen, „dunklen“ Röstnoten. Im Coffee Consulate in Mannheim führt Kaffee-Experte Dr. Steffen Schwarz die diesjäh- rigen Gewinner des BakerMa- ker-Awards sowie zwei Sieger des ABZ-Gewinnspiels in die Welt des Röstens ein. Bereits zu Beginn des eintägigen Work- shops wird schnell klar: Dieser Tag hinterlässt seine Spuren – nicht nur in der geschmackli- chen Wahrnehmung von Kaffee. Röstprozess ist entscheidend für den Geschmack Nach einem kurzen Abriss über die Ernte und den Einfluss kleinster Beschädigungen der Kaffeebohnen auf die Qualität des Endproduktes erfolgt die de- taillierte Beschreibung der Ver- arbeitung – von der Bohne bis hin zum Kaffee. Dr. Schwarz erklärt, weshalb der Röstprozess für das Ge- schmackserlebnis entscheidend ist und flicht spannende Fakten, interessante Anekdoten mit manch ausufernder Abschwei- fung in den Vortrag ein. Dass die Kaffeesorte Cane- phora landläufig fälschlicher- weise meist als Robusta bezeich- net wird; dass Kaffeekirschen mit heißem Wasser aufgegossen zu einem zuckersüßen, nach Ho- nig schmeckenden Getränk wer- den und dass sogar die Blätter der Kaffeepflanze einen hervor- ragenden Tee abgeben, sind nur wenige Beispiele rund um Wis- senswertes rund um den Kaffee. Obstsalat oder Bananenbrot? Soll der Kaffee fruchtiger sein, milder ausfallen, mehr Säure enthalten, vielleicht nach Obstsalat oder doch nach Bana- nenbrot schmecken? Den Wunsch nach einem bestimmten Geschmacksprofil beeinflusst gezielt der Röstvorgang. Aber von vorne: Rösten ist die trockene Erhitzung eines Stoffes hier des Rohkaffees. Der Rohkaffee wird zur gleichmäßigeren Erhitzung im Trommelröster zunächst in glei- che Größen eingeteilt: kleine Bohnen zu kleinen, große zu großen. Dann werden die Boh- nen homogenisiert. Es beginnen die vier Phasen der Röstung: Der Röster ist auf 200 °C vor- geheizt. Sobald die Bohnen ein- gefüllt werden, fällt die Hitze durch das Öffnen der Klappe auf unter 80 °C. Nun nehmen die Bohnen stetig Temperatur auf. Ab einer Bohnentemperatur von 100°C beginnt die zweite Phase, die Trocknung. In ihr kann die Säure kontrolliert wer- den, die Bohnen geben ihren Wasseranteil komplett ab. Je steiler die Temperaturkuve auf dem Röstprotokoll zwi- schen 100-150 °C an- steigt, desto mehr Säure verbleibt in der Bohne. Für bekömmlichen Kaf- fee sollte diese Phase daher länger ausfallen. Mehr Bekömmlichkeit durch längeres Rösten In der dritten Pha- se, der Maillard-Re- aktion ab 150 °C,ver- färben sich die Boh- nen. Diese Phase dient der Aromen- bildung: Je flacher die Kurve im Protokoll, desto komplexer die Aromen und umso weniger Zu- cker verbleibt in den Bohnen – und umgekehrt. Der eigentliche Röstprozess erfolgt ab 180 °C. Den wortwörtlichen Fein- schliff erhalten die Bohnen ab 200 °C mit der Ausröstung. Die raue Oberfläche der Kaffeeboh- ne glättet und verschließt sich. Die Dauer der Phasen beein- flusst nicht nur die Bekömmlich- keit, sondern auch den Ge- schmack des Kaffees. [email protected] Wenn der Doktor zum Schnüffeln bittet Dr. Steffen Schwarz lässt die Work- shop-Teilnehmer durch das Beutel- ventil den Duft des Kaffees er- schnuppern (Foto links). Tolle Truppe: Timo Sattler (v.l.), die BakerMaker Matthias Saur, Hein- rich und Margarethe Poeth und ABZ-Gewinnerin Michaela Kohlen. Rechts die Batterie an Trommelrös- tern. Fotos: Thumm Im Coffee Consulate in Mannheim erlangen die BakerMaker 2018 und ABZ-Gewinnspieler Grundlagenwissen zum Rösten von Kaffee

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Page 1: W enn der Doktor zum Schnüffeln bittet · 1 0 Fokus ABZ 23Nr. 17. November 2018 V on Bérengère Thumm D urch leichten, gleichmä-ßigen Druck der Hände entströmt dem Beutel ein

10 Fokus ABZ Nr. 23 17. November 2018

Von Bérengère Thumm

Durch leichten, gleichmä-ßigen Druck der Händeentströmt dem Beutel ein

wunderbar intensiver Duft. Erstist er kräftig würzig, dann gehter sanft über einen Hauch vonZitrus hinweg und hinterlässtletztlich eine säuerliche Note.„Was riechen sie?“ fragt der Ex-perte die Teilnehmer. „Beeren?“,kommt zögerlich zurück. „Ge-nau, das ist Blaubeere.“

Kaffee schnuppern beim Workshop in Mannheim

Aber nicht nur diese Fruchterschnuppern die Teilnehmerwährend des Tages in den ver-schiedenen Kaffeesorten – je-dem Beutel entströmt eine neueAromenwelt: von Kräutern überfruchtige Nuancen bis hin zuwaldigen, „dunklen“ Röstnoten.

Im Coffee Consulate inMannheim führt Kaffee-ExperteDr. Steffen Schwarz die diesjäh-rigen Gewinner des BakerMa-ker-Awards sowie zwei Siegerdes ABZ-Gewinnspiels in dieWelt des Röstens ein. Bereits zuBeginn des eintägigen Work-shops wird schnell klar: DieserTag hinterlässt seine Spuren –nicht nur in der geschmackli-chen Wahrnehmung von Kaffee.

Röstprozess ist entscheidend für den Geschmack

Nach einem kurzen Abrissüber die Ernte und den Einflusskleinster Beschädigungen derKaffeebohnen auf die Qualitätdes Endproduktes erfolgt die de-taillierte Beschreibung der Ver-arbeitung – von der Bohne bishin zum Kaffee.

Dr. Schwarz erklärt, weshalb

der Röstprozess für das Ge-schmackserlebnis entscheidendist und flicht spannende Fakten,interessante Anekdoten mitmanch ausufernder Abschwei-fung in den Vortrag ein.

Dass die Kaffeesorte Cane-phora landläufig fälschlicher-weise meist als Robusta bezeich-net wird; dass Kaffeekirschenmit heißem Wasser aufgegossenzu einem zuckersüßen, nach Ho-nig schmeckenden Getränk wer-den und dass sogar die Blätterder Kaffeepflanze einen hervor-ragenden Tee abgeben, sind nurwenige Beispiele rund um Wis-

senswertesrund um denKaffee.

Obstsalat oder Bananenbrot?

Soll der Kaffee fruchtigersein, milder ausfallen, mehrSäure enthalten, vielleicht nachObstsalat oder doch nach Bana-nenbrot schmecken? DenWunsch nach einem bestimmtenGeschmacksprofil beeinflusstgezielt der Röstvorgang.

Aber von vorne: Rösten istdie trockene Erhitzung eines

Stoffes –hier des Rohkaffees.

Der Rohkaffee wird zurgleichmäßigeren Erhitzung imTrommelröster zunächst in glei-che Größen eingeteilt: kleineBohnen zu kleinen, große zugroßen. Dann werden die Boh-nen homogenisiert. Es beginnendie vier Phasen der Röstung:� Der Röster ist auf 200 °C vor-geheizt. Sobald die Bohnen ein-gefüllt werden, fällt die Hitzedurch das Öffnen der Klappe aufunter 80 °C. Nun nehmen dieBohnen stetig Temperatur auf. � Ab einer Bohnentemperatur

von 100°C beginnt die zweitePhase, die Trocknung. In ihrkann die Säure kontrolliert wer-den, die Bohnen geben ihrenWasseranteil komplett ab. Jesteiler die Temperaturkuve auf

dem Röstprotokoll zwi-schen 100-150 °C an-steigt, desto mehr Säureverbleibt in der Bohne.Für bekömmlichen Kaf-fee sollte diese Phasedaher länger ausfallen.

Mehr Bekömmlichkeitdurch längeres Rösten

� In der dritten Pha-se, der Maillard-Re-aktion ab 150 °C,ver-färben sich die Boh-nen. Diese Phasedient der Aromen-

bildung: Je flacher die Kurve imProtokoll, desto komplexer dieAromen und umso weniger Zu-cker verbleibt in den Bohnen –und umgekehrt. Der eigentlicheRöstprozess erfolgt ab 180 °C. � Den wortwörtlichen Fein-schliff erhalten die Bohnen ab200 °C mit der Ausröstung. Dieraue Oberfläche der Kaffeeboh-ne glättet und verschließt sich.

Die Dauer der Phasen beein-flusst nicht nur die Bekömmlich-keit, sondern auch den Ge-schmack des Kaffees.

[email protected]

Wenn der Doktor zum Schnüffeln bittet

Dr. Steffen Schwarz lässt die Work-shop-Teilnehmer durch das Beutel-ventil den Duft des Kaffees er-schnuppern (Foto links). Tolle Truppe: Timo Sattler (v. l.), dieBakerMaker Matthias Saur, Hein-rich und Margarethe Poeth undABZ-Gewinnerin Michaela Kohlen.Rechts die Batterie an Trommelrös-tern. Fotos: Thumm

Im Coffee Consulate in Mannheim erlangen die BakerMaker 2018 und ABZ-Gewinnspieler Grundlagenwissen zum Rösten von Kaffee