Wallfahrtsorte und Pilgertourismus -...

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50 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Freizeit und Tourismus Wallfahrtsorte und Pilgertourismus Gisbert Rinschede Historische Entstehung und Entwicklung Christliche A Wallfahrtsstätten sind überwiegend aus dem Wunsch von Gläubigen entstanden, einer als heilig erachteten Person nahe zu sein, vor al- lem wenn Reliquien an diesem Ort vor- handen waren. Einige der heutigen Wallfahrtsorte wurden an vorchristlichen Kultstätten errichtet, obwohl die Kirche in Deutschland es ablehnte – ganz im Ge- gensatz zu Irland –, Naturheiligtümer der Kelten und Germanen als heilig zu achten. Trotzdem entstanden einige christliche Stätten in der Nähe von heiligen Quellen, Bäumen, Höhlen und Steinen/Felsen, die heidnische und christliche Ideale gleichermaßen bein- halten. Im Frühmittelalter standen A Wall- fahrten zu den Kathedralen der Bistü- mer im Vordergrund. Im Hochmittelal- ter entstanden zahlreiche Marienwall- fahrten, anknüpfend an Pilgerreisen ins Heilige Land. Bezüglich der Entstehungsperioden der heutigen Wallfahrtsstätten ergeben sich einige regionale Unterschiede zwi- schen Nord- und Süddeutschland: Die Schwerpunkte der Entstehung in Süd- deutschland liegen im 17. Jh. nach Be- endigung des 30-jährigen Krieges. Von Italien (Loreto-Kult) und Passau (Ma- ria-Hilf-Kult) gingen zur Zeit der Ge- genreformation viele Impulse aus, die zur Bildung von Wallfahrtsorten in Süd- deutschland führten. Das 16. Jh. stellt wegen der religiösen Konflikte einen Tiefpunkt in der Entwicklung der Pil- gerbewegung dar. rend die Pilgerstätten in den überwie- gend katholischen Ländern Europas (z.B. Frankreich, Italien, Spanien) rela- tiv gleichmäßig verteilt sind, ergeben sich in Deutschland, ebenso wie in der Schweiz und den Niederlanden, große regionale Unterschiede. Das Vertei- lungsmuster entspricht der Konzentrati- on von Katholiken und Protestanten 1. Die höchsten Katholikenanteile ha- ben die Bistümer Süddeutschlands, wie z.B. Passau (93%), Regensburg (84%), In Norddeutschland sind die Wall- fahrtsstätten aus der Zeit des Hochmit- telalters (14. Jh.) und der heutigen Zeit (2. Hälfte des 20. Jh.) überproportional stark vertreten, da in den ehemals über- wiegend protestantischen Stadtregionen Norddeutschlands Vertriebene und Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg die- se Stätten wiederbelebt oder neu gebil- det haben. Heutige Verbreitung In der Bundesrepublik Deutschland gibt es 861 katholische Wallfahrtsstätten 6, die alljährlich von einer unterschied- lich großen Anzahl vor allem religiös motivierter Menschen aufgesucht wer- den (eigene Erhebungen 1999). Wäh- Katholiken 1999 nach Bistümern ' Institut für Lnderkunde, Leipzig 2000 Mastab 1: 6000000 25 75 0 50 100 km Anzahl der Katholiken in 1000 1mm² = 25 000 Katholiken 2000 1000 500 250 50 2331 Anteil der Katholiken an der Bevlkerung in % Bistumsgrenze Lndergrenze Erzbistum Freiburg Erzbistum München u. Freising Passau Speyer Erzbistum Hamburg Bistum Trier Bistum Aachen Bistum Eichsttt Erzbistum Bamberg Bistum Würzburg Bistum Mainz Bistum Erfurt Bistum Dresden - Meien Bistum Grlitz Erzbistum Berlin Bistum Magdeburg Bistum Hildesheim Osnabrück Bistum Bistum Münster Erzbistum Bistum Fulda Bistum Limburg Paderborn Bistum Bistum Münster Erzbistum Kln Bistum Bistum Mainz Bistum Rottenburg - Stuttgart Bistum Essen Bistum Augsburg Bistum Regens- burg Autor: G. Rinschede 80 bis100 60 bis 80 40 bis 60 20 bis 40 <20 Eine Wallfahrt ist der Besuch einer au- ßerhalb des Heimatortes gelegenen heili- gen Stätte (Wallfahrtsort/-stätte) aus religiösen Motiven, meist zu bestimmten Feiertagen, Namenstagen von Heiligen usw. Religionstourismus bezeichnet eine Tourismusart, bei der die Teilnehmer auf ihrer Reise und während ihres Aufenthal- tes am Zielort ausschließlich oder stark religiös motiviert sind. Neben Wall- und Pilgerfahrten schließt er den Besuch reli- giöser Feste und Tagungen ein. Der Wallfahrts-/Pilgertourismus ist eine spezielle Form des Tourismus mit überwiegend religiöser Motivation. Er zählt zu den ältesten Formen des Touris- mus überhaupt. Ziele der Wall- und Pil- gerfahrten sind Wallfahrts-/Pilgerorte, die durch den religiös motivierten Besu- cherstrom entsprechend seiner Intensität geprägt werden. Eine Wallfahrt bzw. Pilgerfahrt /-reise bezeichnet das im Leben eines Gläubi- gen aus religiösen Motiven einmalige oder häufigere Aufsuchen eines größe- ren religiösen Zentrums (Pilgerort/-stät- te). Religiöse Zentren sind Orte, denen Reli- gionsgemeinschaften eine zentrale Be- deutung beimessen. Es gibt Pilgerzentren und religiöse Verwaltungszentren, die sich in Orte mit regionaler (Bischofs- stadt), nationaler (Sitz des Oberhauptes einer Nationalkirche) und internationaler (Rom) Bedeutung einteilen lassen. Altötting A

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50Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Freizeit und Tourismus

Wallfahrtsorte und PilgertourismusGisbert Rinschede

Historische Entstehung undEntwicklungChristliche A Wallfahrtsstätten sindüberwiegend aus dem Wunsch vonGläubigen entstanden, einer als heiligerachteten Person nahe zu sein, vor al-lem wenn Reliquien an diesem Ort vor-handen waren.

Einige der heutigen Wallfahrtsortewurden an vorchristlichen Kultstättenerrichtet, obwohl die Kirche inDeutschland es ablehnte – ganz im Ge-gensatz zu Irland –, Naturheiligtümerder Kelten und Germanen als heilig zuachten. Trotzdem entstanden einigechristliche Stätten in der Nähe vonheiligen Quellen, Bäumen, Höhlen undSteinen/Felsen, die heidnische undchristliche Ideale gleichermaßen bein-halten.

Im Frühmittelalter standen A Wall-fahrten zu den Kathedralen der Bistü-mer im Vordergrund. Im Hochmittelal-ter entstanden zahlreiche Marienwall-fahrten, anknüpfend an Pilgerreisen insHeilige Land.

Bezüglich der Entstehungsperiodender heutigen Wallfahrtsstätten ergebensich einige regionale Unterschiede zwi-schen Nord- und Süddeutschland: DieSchwerpunkte der Entstehung in Süd-deutschland liegen im 17. Jh. nach Be-endigung des 30-jährigen Krieges. VonItalien (Loreto-Kult) und Passau (Ma-ria-Hilf-Kult) gingen zur Zeit der Ge-genreformation viele Impulse aus, diezur Bildung von Wallfahrtsorten in Süd-deutschland führten. Das 16. Jh. stelltwegen der religiösen Konflikte einenTiefpunkt in der Entwicklung der Pil-gerbewegung dar.

rend die Pilgerstätten in den überwie-gend katholischen Ländern Europas(z.B. Frankreich, Italien, Spanien) rela-tiv gleichmäßig verteilt sind, ergebensich in Deutschland, ebenso wie in derSchweiz und den Niederlanden, großeregionale Unterschiede. Das Vertei-lungsmuster entspricht der Konzentrati-on von Katholiken und Protestanten1. Die höchsten Katholikenanteile ha-ben die Bistümer Süddeutschlands, wiez.B. Passau (93%), Regensburg (84%),

In Norddeutschland sind die Wall-fahrtsstätten aus der Zeit des Hochmit-telalters (14. Jh.) und der heutigen Zeit(2. Hälfte des 20. Jh.) überproportionalstark vertreten, da in den ehemals über-wiegend protestantischen Stadtregionen

Norddeutschlands Vertriebene undFlüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg die-se Stätten wiederbelebt oder neu gebil-det haben.

Heutige VerbreitungIn der Bundesrepublik Deutschland gibtes 861 katholische Wallfahrtsstätten 6,die alljährlich von einer unterschied-lich großen Anzahl vor allem religiösmotivierter Menschen aufgesucht wer-den (eigene Erhebungen 1999). Wäh-

Katholiken 1999nach Bistümern

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Maßstab 1: 6000000

25 750 50 100 km

Anzahl derKatholikenin 1000

1mm² = 25000Katholiken

20001000 500 250 50

2331

Anteil der Katholikenan der Bevölkerungin %

BistumsgrenzeLändergrenzeErzbistum

Freiburg

ErzbistumMünchen u.

Freising

Passau

Speyer

Erzbistum

Hamburg

BistumTrier

BistumAachen

Bistum Eichstätt

ErzbistumBamberg

Bistum Würzburg

BistumMainz

Bistum Erfurt

Bistum Dresden-Meißen

Bistum Görlitz

Erzbistum Berlin

Bistum Magdeburg

Bistum Hildesheim

OsnabrückBistum

BistumMünster

Erzbistum

Bistum Fulda

Bistum

Limburg

Paderborn

Bistum

BistumMünster

ErzbistumKöln

Bistum

BistumMainz

BistumRottenburg-

Stuttgart

BistumEssen

BistumAugsburg

BistumRegens-

burg

Autor: G.Rinschede

80 bis100

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Eine Wallfahrt ist der Besuch einer au-ßerhalb des Heimatortes gelegenen heili-gen Stätte (Wallfahrtsort/-stätte) ausreligiösen Motiven, meist zu bestimmtenFeiertagen, Namenstagen von Heiligenusw.

Religionstourismus bezeichnet eineTourismusart, bei der die Teilnehmer aufihrer Reise und während ihres Aufenthal-tes am Zielort ausschließlich oder starkreligiös motiviert sind. Neben Wall- undPilgerfahrten schließt er den Besuch reli-giöser Feste und Tagungen ein.

Der Wallfahrts-/Pilgertourismus isteine spezielle Form des Tourismus mitüberwiegend religiöser Motivation. Erzählt zu den ältesten Formen des Touris-mus überhaupt. Ziele der Wall- und Pil-gerfahrten sind Wallfahrts-/Pilgerorte,die durch den religiös motivierten Besu-cherstrom entsprechend seiner Intensitätgeprägt werden.

Eine Wallfahrt bzw. Pilgerfahrt /-reisebezeichnet das im Leben eines Gläubi-gen aus religiösen Motiven einmaligeoder häufigere Aufsuchen eines größe-ren religiösen Zentrums (Pilgerort/-stät-te).

Religiöse Zentren sind Orte, denen Reli-gionsgemeinschaften eine zentrale Be-deutung beimessen. Es gibt Pilgerzentrenund religiöse Verwaltungszentren, diesich in Orte mit regionaler (Bischofs-stadt), nationaler (Sitz des Oberhaupteseiner Nationalkirche) und internationaler(Rom) Bedeutung einteilen lassen.

Altötting

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51Wallfahrtsorte und Pilgertourismus

Augsburg (70%) und Würzburg (68%)und Westdeutschlands, wie z.B. Trier(70%). Die Bistümer in der östlichenMitte und im Norden Deutschlands,wie z.B. die Dresden-Meißen (4%),Görlitz (5%), Magdeburg (6%), Berlin(7%), Hamburg (7%) und Erfurt-Mei-ningen (7,5%) weisen dagegen die ge-ringsten Anteile von Katholiken an derGesamtbevölkerung auf, was in Ost-deutschland auch durch die kirchen-feindliche Politik der DDR-Führung zuerklären ist.

In den Kirchenprovinzen Süd- undWestdeutschlands liegen die Regionenmit den höchsten Anteilen an Wall-fahrtsstätten:• München und Freising mit den Bistü-

mern München und Freising, Regens-burg, Passau und Augsburg vereinen37% aller deutschen Wallfahrtsorteauf sich,

• Freiburg im Breisgau mit den Bistü-mern Freiburg im Breisgau, Rotten-burg-Stuttgart und Mainz (20%),

• Köln mit den Bistümern Köln, Trier,Aachen, Münster, Limburg und Essen(20%) und

• Bamberg mit den Bistümern Bam-berg, Würzburg, Eichstätt und Speyer(14%).

In den Kirchenprovinzen Nord- undOstdeutschlands befinden sich insge-samt nur 9% der 861 WallfahrtsstättenDeutschlands:• Paderborn mit den Bistümern Pader-

born, Fulda, Erfurt-Meiningen undMagdeburg (6,7%),

• Hamburg mit den Bistümern Ham-burg, Hildesheim und Osnabrück(1,5%),

• Berlin mit den Bistümern Berlin,Dresden-Meißen und Görlitz (0,8%).

Klassifikation der WallfahrtsorteNach Art der Verehrung 4Wie im gesamten Europa gelten diemeisten Wallfahrtsstätten in Deutsch-land der Marienverehrung (55%). Wei-tere 32% dienen der Verehrung ver-schiedener Heiliger, Seliger u.ä. Chri-stus- und Dreifaltigkeitsstätten stelleneine Minderheit dar (13%). Ähnlichwie in Europa ergibt sich auch inDeutschland ein Süd-Nord-Gefälle inder Marienverehrung: Die Anteile derMarienwallfahrtsorte liegen in Italien,Frankreich und Spanien über 75%, inIrland und Großbritannien unter 40%.In zahlreichen Bistümern Süddeutsch-lands betragen sie ebenfalls 50-70%, inden nördlicher gelegenen Bistümern

Kirche und Kapelle

Kloster und sonstige religiöse Einrichtung

Devotionalienladen

touristische Einrichtung(Museum, Information...)

Hotel, Gasthaus

Restaurant, Café, sonstigeVerpflegungseinrichtung

sonstiges Gebäude

Parkplatz und Tiefgarage

© Institut für Länderkunde, Leipzig 20000 50 100 m

ca. 1 : 5500

Sickenbac

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Kapellplatz

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Funktionale Gliederung des Wallfahrtsortes Altötting 1999

Wolga

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60°

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0° 20° 30°10°

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Odessa

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(Tschenstochau)(Annaberg)

Altötting

KevelaerScherpenheuvel

Maria Taferl

Nevers

Mont-Saint-Michel

MariazellSt. Wolfgang

La Salette

Lisieux

Walsingham

HolywellLough Derg

Aylesford

Knock

Croagh Patrick

Montserrat

Guadalupe

Braga

Santiagode Compostela Lourdes

PaduaLucca Loreto

Castelmonte

Sergijew Posad

(Pleskau Petscherski)

Wladimir-Susdal

Fátima

Assisi

Rom/Vatikan

Gargano

Palermo

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(Budweis)

MariaSchmollnMariaEinsiedeln

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BelgradB.L.Z.Lj.

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Paris

L.

D.

Brü.

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P.

Br.

Ko.

Stockholm

HelsinkiOslo

Reykjavik

Autor: G. Rinschede

Bedeutende Pilgerzentren in Europa 1999

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Maßstab 1 : 30 000 000

Bamberg, Köln und Limburg dagegenunter 40%. In den Bistümern mit gerin-gen Anteilen an Katholiken und anWallfahrtsstätten zeigt sich, dass dieMarienwallfahrtsstätten die einzigenvorhandenen Wallfahrtsziele darstellen.

Nach der MotivationDie Motive für eine Wallfahrt sind sehrunterschiedlich: Erfüllung eines Gelüb-des, Buße, Bittgesuche und Danksagungsowie Verehrung und Hoffnung auf reli-giöse Erleuchtung. Verbunden mit die-sen religiösen Anlässen ist vor allem aufGruppenwallfahrten das Motiv des Ge-meinschaftserlebnisses, gerade auch beiWallfahrten, die von einzelnen Volks-gruppen organisiert werden. Unter denBesuchern historisch und architekto-nisch herausragender Kirchen und Klö-ster befinden sich unterschiedliche An-teile von Kulturtouristen, die u.U. diegrößte Gruppe ausmachen (Besuch des

Kölner oder Trierer Doms). Eine ähnli-che Attraktion stellt der WallfahrtsortAndechs im Bistum Augsburg dar, des-sen Besucher z.T. religiös motiviertsind, zu einem beträchtlichen Teil aberauch aus kulturellen und freizeitlichenMotiven (Andechser Klosterbier) dieseStätte aufsuchen.

Nach der GrößeDer überwiegende Anteil (85%) derdeutschen Wallfahrtsorte (733 von ins-gesamt 861) wird alljährlich von weni-ger als 10 Tsd. Wallfahrern aufgesucht.98 Wallfahrtsorte (11%) empfangenzwischen 10 und 50 Tsd. Besucher undjeweils 14 Wallfahrtsorte (je 1,6%) zwi-schen 50 und 100 Tsd. bzw. 100 bis500 Tsd. Besucher. Nur in den drei Or-ten (0,4%) Altötting, Kevelaer undSteingaden (Wallfahrtskirche in derWies, Wieskirche) trifft mehr als einehalbe Mio. Besucher pro Jahr ein. RRRRR

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52Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Freizeit und Tourismus

Bistum

Erzbistum Berlin

Bistum

FuldaBistum Dresden-Meißen

Freiburg

Erz-bistum

Bistum Rottenburg- Stuttgart

BistumAugsburg

ErzbistumMünchen und Freising

BistumPassau

Bistum RegensburgBistum Eichstätt

ErzbistumBamberg

BistumWürzburg

BistumMainz

Bistum Erfurt

Bistum Görlitz

BistumMagdeburg

BistumHildesheim

OsnabrückBistum

BistumMünster

Erzbistum Hamburg

Bistum MünsterErzbistumPaderborn

Bistum

Bistum

Essen ErzbiszbiszbistumKöln

Bistum

Aachen

Trier

BistumSpeyer

Limburg

Wallfahrtsstätten 1999

Autor: G.Rinschede

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

nach Bistümern

Maßstab 1: 6000000

25 750 50 100 km

Bistumsgrenze

Ländergrenze

2 mm² = 1 Wallfahrtsstätte

Anzahl der Wallfahrtsstätten127 (Bistum Regensburg)

1 (Bistum Görlitz)

25

50

100

Typ der WallfahrtsstätteJesus- oder Dreifaltigkeits-wallfahrtsstätte

Marienwallfahrtsstätte

Heiligen-, Seligen-, sonst.Wallfahrtsstätte

Anzahl

0

200

300

400

500

600

100112

491

286

Jesus- undDreifaltigkeits-

Wallfahrtsstätten

Marien-Wallfahrtsstätten

Heiligen-,Seligen- und

sonstigeWallfahrtsstätten

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Anzahl der Wallfahrtsstättennach Art der Verehrung

Dementsprechend ist der Einzugsbe-reich der einzelnen Orte recht unter-schiedlich. Es haben sich lokale, regio-nale und überregionale Wallfahrtsstät-ten herausgebildet. Nationale und in-ternationale Stätten wie Fátima/Portu-gal und Lourdes/Frankreich, die vonmehreren Millionen Pilgern im Jahraufgesucht werden, fehlen in Deutsch-land. Als überregionale Stätten sindKevelaer und Altötting zu nennen, dieaufgrund ihrer Nähe zu den Niederlan-den und Belgien bzw. Tschechien undÖsterreich einen internationalen Cha-rakter haben.

Saisonalität und TransportmittelDer Wallfahrtstourismus ist in Deutsch-land an eine gewisse Saisonalität gebun-

den, auch wenn eine Stätte ganzjährigaufgesucht werden kann. Wichtige Ein-flussfaktoren sind hier zunächst die reli-giösen Fest- und Gedenktage, aber auchdie klimatische Situation des Ortes unddas Arbeits- und Freizeitverhalten derBevölkerung. Die Marienwallfahrtsortehaben ihre Höhepunkte zu Ostern, imMarienmonat Mai, im August (15. Au-gust: Mariä Himmelfahrt) und im Sep-tember (3 Marienfesttage). Einige Wall-fahrten, wie z.B. die Trierer Heilig-Rock-Wallfahrt, finden in unregelmäßi-gem Abstand statt.

Die Pilger erreichen die heiligenStätten zu Fuß, mit Regel- und Sonder-zügen (2-3%), mit Bussen (20-30%),mit Pkws (60-70%) oder mit dem Fahr-rad. Die Fußwallfahrten machen heutenur noch weniger als 10% aus, wie z.B.in Kevalaer und Altötting, obwohl hierin den letzten Jahrzehnten ihr Anteilwieder zugenommen hat.

Auswirkungen auf die Wall-fahrtsorteDer Pilgerstrom hat Einfluss auf die Be-völkerungsentwicklung der Wallfahrts-orte, vor allem aber auf die Siedlungs-und Wirtschaftsentwicklung 2. Es fin-det sich meist ein religiöses Zentrum(Kirche, Kapelle, Gedenkstätte etc.)mit einem freien Platz, wie in Altöt-ting, der zur Versammlung der Pilger-gruppen benötigt wird. Diesen innerenBezirk umgeben sekundäre religiöse Ein-richtungen, wie z.B. Klöster, Versor-gungseinrichtungen (Devotionalienlä-den, Gasthäuser und Beherbergungsstät-ten) und vielerlei Betriebe und Lädenmit Angeboten für den kirchlichen Be-darf.

Zukünftige EntwicklungWährend die lokalen und regionalenWallfahrtsstätten in Deutschland zu-nehmend an Bedeutung verlieren, steigtdie Anzahl der Wallfahrer in überregio-nalen Stätten seit den letzten Jahrzehn-ten weiter an. Gründe sind die größereMobilität aufgrund der modernen Ver-kehrsentwicklung, politische Verände-rungen im östlichen Mitteleuropa undPilgerreisen von bestimmten ethni-schen Gruppen (Sinti und Roma, Kroa-ten usw.), die bevorzugt größere Zentrenaufsuchen.

Pilgerzentren in Europa 3Während die überregionalen und inter-nationalen Pilgerzentren in Deutsch-land (Kevelaer und Altötting) bis zu ei-ner Millionen Besucher pro Jahr erhal-ten, übertrifft der Pilgerstrom der gro-ßen Zentren in europäischen Nachbar-ländern die Millionengrenze (Rom,Lourdes u. Fátima über 4 Mio.; Santiagode Compostela, Padua u.a. 1 - 4 Mio.).Vor allem die internationalen Zentrenhaben einen ständigen Zuwachs an Pil-

gern zu verzeichnen. In zahlreichen die-ser Städte (Rom, Assisi, Paris) über-wiegt jedoch der Anteil der nicht religi-ös, sondern eher kulturell motiviertenTouristen.

Andere A religiöse Zentren inDeutschlandAuch außerhalb der katholischen Wall-fahrtsorte gibt es in Deutschland religi-ös motivierten Tourismus. Er ist ge-kennzeichnet durch den Besuch religiö-ser Feste an einem festen Standort (Di-özesanfeste) und durch die Teilnahmean Tagungen mit wechselnden Standor-

ten (Deutsche Katholikentage, Evange-lische Kirchentage), bei denen bis zu100.000 Besucher zu verzeichnen sind.Unter den protestantischen Stätten istinsbesondere die Lutherstadt Witten-berg in Sachsen-Anhalt zu nennen.Zentrale religiöse Funktionen für dieMormonen (Latter-Days-Saints-Kirche)haben die Tempel in Friedrichsdorf/Tau-nus und Freiberg/Sachsen, zu denen imJahr über 10.000 Pilger kommen. DieWeltreligion der Baha’i, die in Deutsch-land allerdings nur etwas über 10.000Anhänger hat, verfügt über einen zen-tralen Tempel in Hofheim am Taunus.?

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Fátima, Portugal

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53Wallfahrtsorte und Pilgertourismus

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StarnbergerSee

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Plauer See

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Haltern

Kevelaer

Xanten

Werl/Franziskanerk.

Vierzehn- heiligen

Walldürn

Kreuzberg i. d. Rhön

Vallendar

Beilstein

Trier/Klausen

Aachen/Dom

Lebach-Steinbach

Weingarten

Ellwangen

Marienfried

MariaVesperbild

Violau

Friedberg/Hergottsruh Altötting

Maria EckSteingaden

Wigratzbad

Birnau

Beuron

MariaSteinbach

Maria Martental

Dom

Kiel

Schwerin

Hamburg

Bremen

Hannover

Magdeburg

Berlin

Potsdam

Dresden

Düsseldorf

Erfurt

Wiesbaden

Saarbrücken

Stuttgart

München

Mainz

Erzbistum

Bistum

Rottenburg-

Stuttgart

Bistum Augsburg

Erzbistum

München

BistumRegensburg

Eichstätt

Erzbistum

Bamberg

Bistum

Bistum Mainz

BistumMainz

Bistum

ErfurtBistum Dresden-Meißen

Bistum Görlitz

Erzbistum Berlin

Bistum

Magdeburg

Bistum

Hildesheim

OsnabrückBistum

Bistum

Münster

Erzbistum Hamburg

Bistum Münster

Erzbistum Paderborn

Bistum Fulda

Bistum Limburg

BistumEssen

Erzbistum Köln

Bistum

Aachen

Bistum

Trier

Bistum

Speyer

Freiburg i. Br.

Freisingund

Würzburg

Passau

BistumBistum

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Wallfahrtsstätten der Katholiken 1999

Autor: G.Rinschede

Maßstab 1: 2750000

0 50 100 km7525

Sitz des Erzbistums

Sitz des Bistums

Bistumsgrenze

Bistümer

Ländergrenze

Landeshauptstadt

Staatsgrenze

Art der Wallfahrtsstätte

Mischformen

Heiligen-, Seligen- odersonstige Wallfahrtsstätte

Marienwallfahrtsstätte

Jesus- oder Dreifaltigkeits-wallfahrtsstätte

mehrere Wallfahrtsstättenin einer politischen Gemeinde

Anzahl der Pilger pro Jahr

100000 bis 500000

über 500000

50000 bis 100000

10000 bis 50000

1000 bis 10000unter 1000

Wallfahrtsort mit mind. einerWallfahrtsstätte mit mehr als50000 Pilgern pro Jahr

Bethen

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