WAS IST EIN SCHLAGANFALL? NUR DAS RECHTE … · Reha-Zentrum Roter Hügel, Bayreuth ... Die moderne...

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© MediClin, 8/2006 D ie Schauspieler Sharon Stone und Kirk Douglas sowie der Moderator Thomas Koschwitz – so unterschiedlich diese Prominenten auch sind, sie haben eines gemeinsam. Sie haben einen Schlaganfall erlitten. Für Stone und Koschwitz verlief die Erkrankung glimpflich. Beide haben keine Folgeschäden davonge- tragen. Kirk Douglas hingegen leidet trotz intensiven Trainings unter massiven Sprachstörungen und kann sich nur mühsam arti- kulieren. Ein Schicksal, das er mit Millionen von Menschen teilt. www.mediclin.de Dienstag, 9 Uhr: Günther S. verlässt das Kranken- haus. Sein Hausarzt verordnet ihm für zwei Wochen ambulante Physiotherapie zum Training seiner allerdings nur noch leicht geschwächten rechten Körperhälfte. Ihm wird dringend geraten, sein Übergewicht zu reduzieren und nicht mehr zu rauchen, um weitere Schlaganfälle zu vermeiden. Donnerstag, 9 Uhr: Ilse K. wird auf die Normalstation verlegt. Die Lähmungen sind kaum zurückgegangen, die physiotherapeutische und logopädische Betreuung wird fortgesetzt. Montag, 9 Uhr: Sozialarbeiter und Ärzte empfehlen dem Ehemann von Ilse K., an die Krankenhausbehand- lung einen stationären Rehabilitationsaufenthalt anzu- schließen, um die Dauerschäden des Schlaganfalls mög- lichst zu begrenzen. Die Patientin ist weiterhin gelähmt und macht nur langsame Fortschritte bei der Sprech- therapie. Vier Wochen später: Die Familie von Ilse K. berät noch, ob die gelähmte Frau nach ihrem Rehabilitationsaufent- halt nach Hause zurückkehren kann. Sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen und kann sich nur mühsam artiku- lieren. Wie das Gehirn sich erholt Das menschliche Gehirn verfügt über erstaunliche Möglichkeiten, sich zu regenerieren und entstandene Schädigungen entweder zu beheben oder ausgefallene Bereiche des Gehirns durch andere zu ersetzen. Schlaganfallpatienten, die kurz nach dem Apoplex gelähmt sind oder nicht sprechen können, erholen sich in vielen Fällen innerhalb von wenigen Tagen und gewinnen die verlorenen Fähig- keiten ganz oder teilweise zurück. Bei diesem Erholungsprozess unter- scheidet man physiologisch zwischen drei Phasen. In den ersten Tagen nach dem Schlaganfall sind die schnellsten Rückbildungen der Ausfallerscheinun- gen zu beobachten. Die Grundlage dieser Regeneration ist die spontane oder durch Medikamente beeinflusste Auflösung des verstopfenden Blut- gerinnsels. Danach werden die geschä- digten Hirnregionen wieder durchblu- tet. Das betroffene Gewebe kann sich erholen, soweit es noch nicht endgültig abgestorben ist. In der zweiten Regene- rationsphase sind langsamere Fort- schritte zu regis- trieren, die über- wiegend auf den Rückgang von so genannten Hirn- ödemen zurück- zuführen sind. Die- se Flüssigkeitsan- sammlungen, die sich häufig infolge des Schlaganfalls bilden, üben Druck auf Teile des Gehirns aus und beein- trächtigen dessen Funktion. Durch Rückgang des Drucks können sich die betroffenen Gehirnareale regenerieren. In der dritten Phase sind weitere stetige Erfolge zu erwarten. Diese basieren auf der so genannten Plastizität des Gehirns. Dabei werden ausgefallene Funktionen von anderen Regionen des Gehirns übernommen und ersetzt, häu- fig jedoch nicht vollständig. Diese Plastizität nutzt die moderne Rehabilitation. Gezielt werden die ver- loren gegangenen Funktionen beübt, wobei das Gehirn durch ständige Wiederholungen an die vorher vorhan- dene Funktion „erinnert“ wird. Jedoch müssen fünf wichtige Säulen der Rehabilitation zusammenwirken. In der Krankengymnastik (Physiotherapie) werden Bewegungsabläufe mit dem Ziel der selbstständigen Fortbewegung Wiederdurch- blutung Rückbildung Ödem Plastizität 2 – 3 Tage 2 – 3 Wochen bis zu mehreren Monaten Phasen der Erholung nach Schlaganfällen Fazit: Günther S. hatte Glück. Aufgrund der Umstände wurde sofort die Dramatik der Ereignisse erkannt und er wurde in die nächstgelegene Stroke Unit eingeliefert, wo man es schaffte, die Durchblutung des Gehirns wieder herzustellen, indem man das Blutgerinnsel auflösen konn- te. Deshalb ist bei ihm kein großer Schlaganfall einge- treten. Fazit: Ilse K. maß ihren Symptomen nicht die rechte Bedeutung bei und vertraute auf die heilende Kraft des Schlafes. Insofern war am nächsten Morgen die Zeit schon verstrichen, in der man versuchen konnte, ein Blutgerinnsel aufzulösen. Aufgrund der anhaltenden Durchblutungsstörung ist es bei Ilse K. zu einem „ausge- dehnten” Schlaganfall gekommen. Herzinfarkt als Risiko vielen Menschen bekannt ist, spielt der Schlaganfall im Bewusstsein vor allem jüngerer Men- schen kaum eine Rolle und wird unter „mögliche Spätfolgen“ verbucht und vergessen. Neben einer verbesserten Vorsorge ist es jedoch dringend not- wendig, dass möglichst viele Men- schen die Symptome eines Schlagan- falls richtig erkennen und wissen, dass das Wichtigste bei einem Schlaganfall die möglichst schnelle und kompetente medizinische Versorgung ist. Weiterführende Informationen Stiftung Schlaganfall Oberföhringer Str. 123 81925 München www.stiftung-schlaganfall.de Informationen über den Schlaganfall, Aufklärung, Informationen zu Selbsthilfegruppen Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe Carl-Bertelsmann-Str. 256 33311 Gütersloh www.schlaganfall-hilfe.de Kompetenznetz Schlaganfall www.kompetenznetz-schlaganfall.de Informationsportal für Patienten und Mediziner, bereitgestellt von der Charité in Berlin mit Unterstützung des Bundesgesundheitsministeriums Klinikum Plau am See (mit Stroke Unit) Robert Janker Klinik, Bonn (mit speziellem Check-up-Angebot) Zentrum für Rehabilitative Medizin, Soltau Hedon-Klinik, Lingen Reha-Zentrum Roter Hügel, Bayreuth Fachklinik Rhein/Ruhr, Essen Bosenberg Klinken, St. Wendel Reha-Zentrum Bad Düben Neuro-orthopädisches Reha-Zentrum Bad Orb/ Klinikum Offenbach Reha-Zentrum Reichshof, Reichshof-Eckenhagen Schlaganfall-Versorgungskompetenz in der MediClin Akutversorgung Aphasie-Station Neurologische Frührehabilitation Aphasie-Zentrum Anschlussheilbehandlung/klassische Rehabilitation Stroke Units: Allheilmittel gegen den Schlaganfall? Seit rund zehn Jahren wird, nach US-amerikanischem und skandinavi- schem Vorbild, in Deutschland ein dich- ter werdendes Netz so genannter „Stroke Units“ (Stroke: engl. für Schlaganfall) eingerichtet. Dabei han- delt es sich um kleine medizinische Einheiten, die meist einer Intensiv- station eines Krankenhauses angeglie- dert sind und sich auf die Behandlung von Schlaganfällen spezialisiert haben. Die Stroke Units verfügen über die notwendige diagnostische Aus- stattung und haben Personal, welches über die erforderliche Erfahrung und medizinische Expertise verfügt, um in der entscheidenden Frühphase schnell und kompetent die notwendigen Schritte durchzuführen. Darüber hinaus ist das Personal erfahren im Erkennen von Komplikationen. Die Vorteile der Schlaganfall- zentren liegen auf der Hand, und die medizinischen Erfolge, insbesondere die Möglichkeit, Behinderungen oder Pflegebedürftigkeit als Folge eines nicht schnell genug behandelten Schlag- anfalls zu vermeiden, rechtfertigen die dafür notwendigen Investitionen. Allerdings sind Stroke Units in dünn besiedelten Gebieten nur schwer zu realisieren und verlieren durch längere Anfahrtswege einen Teil ihrer Vorteile. Es ist besonders wichtig, Bevölkerung und zuweisende Ärzte über die Dring- lichkeit einer spezialisierten Schlag- anfallversorgung aufzuklären. Symptome richtig erkennen Zivilisationssünden wie Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel haben eine Fülle negativer Folgen. Doch während beispielsweise der eingeübt. Die Ergotherapie hilft dem Patienten dabei, dass er seinen Alltag wieder allein meistern, sich in erster Linie also wieder selbst versorgen kann (wie z.B. Waschen, Anziehen, Essen). Die Sprach- und Schlucktherapie (Logopädie) arbeitet an dem Ziel, ver- loren gegangene Funktionen der Sprache, des Sprechens oder des Schluckens wiederherzustellen. In der Neuropsychologie werden Beeinträch- tigungen des Denkens, der Konzentra- tion, der Aufmerksamkeit, des Sehens aber auch Beeinträchtigungen der Stimmung oder die fehlende Entspan- nungsfähigkeit beübt. Die fünfte Säule ist die „Gesundheitserziehung“, an der sämtliche Berufsgruppen der Rehabili- tation mitarbeiten und die dem betrof- fenen Menschen die Erfahrung zurück- geben soll, sein Leben und die Gesund- heit „selbstwirksam“ zu beeinflussen. Hierzu gehören manchmal auch das Aufgeben von Lebensgewohnheiten wie dem Rauchen oder mangelnde Bewegung. Die Unterstützung der körpereige- nen Heilungskräfte ist durch gezieltes Training notwendig. Die ersten Tage nach dem Schlaganfall sind dabei besonders „wertvoll“. In dieser Akut- phase können physiotherapeutische und logopädische Behandlungen die größte Wirkung entfalten. Grund- sätzlich gilt: Je schneller der Rück- bildungsprozess der Symptome des Schlaganfalls einsetzt, desto wahr- scheinlicher können dauerhafte Folge- schäden vermieden werden.

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Die Schauspieler Sharon Stone und Kirk Douglas sowie derModerator Thomas Koschwitz – so unterschiedlich diese

Prominenten auch sind, sie haben eines gemeinsam. Sie habeneinen Schlaganfall erlitten. Für Stone und Koschwitz verlief dieErkrankung glimpflich. Beide haben keine Folgeschäden davonge-tragen. Kirk Douglas hingegen leidet trotz intensiven Trainingsunter massiven Sprachstörungen und kann sich nur mühsam arti-kulieren. Ein Schicksal, das er mit Millionen von Menschen teilt.

www.mediclin.de

Dienstag, 9 Uhr: Günther S. verlässt das Kranken-haus. Sein Hausarzt verordnet ihm für zwei Wochenambulante Physiotherapie zum Training seiner allerdingsnur noch leicht geschwächten rechten Körperhälfte. Ihmwird dringend geraten, sein Übergewicht zu reduzierenund nicht mehr zu rauchen, um weitere Schlaganfälle zuvermeiden.

Donnerstag, 9 Uhr: Ilse K. wird auf die Normalstationverlegt. Die Lähmungen sind kaum zurückgegangen, diephysiotherapeutische und logopädische Betreuung wirdfortgesetzt.

Montag, 9 Uhr: Sozialarbeiter und Ärzte empfehlendem Ehemann von Ilse K., an die Krankenhausbehand-lung einen stationären Rehabilitationsaufenthalt anzu-schließen, um die Dauerschäden des Schlaganfalls mög-lichst zu begrenzen. Die Patientin ist weiterhin gelähmtund macht nur langsame Fortschritte bei der Sprech-therapie.

Vier Wochen später: Die Familie von Ilse K. berät noch,ob die gelähmte Frau nach ihrem Rehabilitationsaufent-halt nach Hause zurückkehren kann. Sie ist auf einenRollstuhl angewiesen und kann sich nur mühsam artiku-lieren.

Wie das Gehirn sich erholt

Das menschliche Gehirn verfügtüber erstaunliche Möglichkeiten, sichzu regenerieren und entstandeneSchädigungen entweder zu behebenoder ausgefallene Bereiche desGehirns durch andere zu ersetzen.Schlaganfallpatienten, die kurz nachdem Apoplex gelähmt sind oder nichtsprechen können, erholen sich in vielenFällen innerhalb von wenigen Tagenund gewinnen die verlorenen Fähig-keiten ganz oder teilweise zurück.

Bei diesem Erholungsprozess unter-scheidet man physiologisch zwischendrei Phasen. In den ersten Tagen nachdem Schlaganfall sind die schnellstenRückbildungen der Ausfallerscheinun-gen zu beobachten. Die Grundlagedieser Regeneration ist die spontaneoder durch Medikamente beeinflussteAuflösung des verstopfenden Blut-gerinnsels. Danach werden die geschä-digten Hirnregionen wieder durchblu-tet. Das betroffene Gewebe kann sicherholen, soweit es noch nicht endgültigabgestorben ist. In der zweiten Regene-

rationsphase sindlangsamere Fort-schritte zu regis-trieren, die über-wiegend auf denRückgang von sogenannten Hirn-ödemen zurück-zuführen sind. Die-se Flüssigkeitsan-

sammlungen, die sich häufig infolgedes Schlaganfalls bilden, üben Druckauf Teile des Gehirns aus und beein-trächtigen dessen Funktion. DurchRückgang des Drucks können sich diebetroffenen Gehirnareale regenerieren.In der dritten Phase sind weitere stetigeErfolge zu erwarten. Diese basieren aufder so genannten Plastizität desGehirns. Dabei werden ausgefalleneFunktionen von anderen Regionen desGehirns übernommen und ersetzt, häu-fig jedoch nicht vollständig.

Diese Plastizität nutzt die moderneRehabilitation. Gezielt werden die ver-loren gegangenen Funktionen beübt,wobei das Gehirn durch ständigeWiederholungen an die vorher vorhan-dene Funktion „erinnert“ wird. Jedochmüssen fünf wichtige Säulen derRehabilitation zusammenwirken. In derKrankengymnastik (Physiotherapie)werden Bewegungsabläufe mit demZiel der selbstständigen Fortbewegung

Wiederdurch-blutung

RückbildungÖdem Plastizität

2 – 3 Tage � 2 – 3 Wochen � bis zu mehrerenMonaten

Phasen der Erholung nach Schlaganfällen

Fazit: Günther S. hatte Glück. Aufgrund der Umständewurde sofort die Dramatik der Ereignisse erkannt und erwurde in die nächstgelegene Stroke Unit eingeliefert, woman es schaffte, die Durchblutung des Gehirns wiederherzustellen, indem man das Blutgerinnsel auflösen konn-te. Deshalb ist bei ihm kein großer Schlaganfall einge-treten.

Fazit: Ilse K. maß ihren Symptomen nicht die rechteBedeutung bei und vertraute auf die heilende Kraft desSchlafes. Insofern war am nächsten Morgen die Zeitschon verstrichen, in der man versuchen konnte, einBlutgerinnsel aufzulösen. Aufgrund der anhaltendenDurchblutungsstörung ist es bei Ilse K. zu einem „ausge-dehnten” Schlaganfall gekommen.

Herzinfarkt als Risiko vielen Menschenbekannt ist, spielt der Schlaganfall imBewusstsein vor allem jüngerer Men-schen kaum eine Rolle und wird unter„mögliche Spätfolgen“ verbucht undvergessen. Neben einer verbessertenVorsorge ist es jedoch dringend not-wendig, dass möglichst viele Men-schen die Symptome eines Schlagan-falls richtig erkennen und wissen, dassdas Wichtigste bei einem Schlaganfalldie möglichst schnelle und kompetentemedizinische Versorgung ist.

Weiterführende Informationen

Stiftung SchlaganfallOberföhringer Str. 123 81925 Münchenwww.stiftung-schlaganfall.deInformationen über den Schlaganfall,Aufklärung, Informationen zuSelbsthilfegruppen

Stiftung Deutsche SchlaganfallhilfeCarl-Bertelsmann-Str. 25633311 Güterslohwww.schlaganfall-hilfe.de

Kompetenznetz Schlaganfallwww.kompetenznetz-schlaganfall.deInformationsportal für Patienten undMediziner, bereitgestellt von derCharité in Berlin mit Unterstützung des Bundesgesundheitsministeriums

■ ■ ■ ■ Klinikum Plau am See (mit Stroke Unit)

■ Robert Janker Klinik, Bonn (mit speziellem Check-up-Angebot)

■ ■ ■ Zentrum für RehabilitativeMedizin, Soltau

■ ■ ■ Hedon-Klinik, Lingen

■ ■ ■ Reha-Zentrum Roter Hügel,Bayreuth

■ ■ Fachklinik Rhein/Ruhr, Essen

■ ■ ■ Bosenberg Klinken, St. Wendel

■ ■ Reha-Zentrum Bad Düben

■ ■ ■ Neuro-orthopädisches Reha-Zentrum Bad Orb/Klinikum Offenbach

■ ■ ■ Reha-Zentrum Reichshof,Reichshof-Eckenhagen

Schlaganfall-Versorgungskompetenz in der MediClin■ Akutversorgung ■ Aphasie-Station■ Neurologische Frührehabilitation ■ Aphasie-Zentrum■ Anschlussheilbehandlung/klassische RehabilitationStroke Units: Allheilmittel gegen den

Schlaganfall?

Seit rund zehn Jahren wird, nachUS-amerikanischem und skandinavi-schem Vorbild, in Deutschland ein dich-ter werdendes Netz so genannter„Stroke Units“ (Stroke: engl. fürSchlaganfall) eingerichtet. Dabei han-delt es sich um kleine medizinischeEinheiten, die meist einer Intensiv-station eines Krankenhauses angeglie-

dert sind und sich auf die Behandlungvon Schlaganfällen spezialisierthaben. Die Stroke Units verfügen überdie notwendige diagnostische Aus-stattung und haben Personal, welchesüber die erforderliche Erfahrung undmedizinische Expertise verfügt, um inder entscheidenden Frühphase schnellund kompetent die notwendigenSchritte durchzuführen. Darüber hinausist das Personal erfahren im Erkennenvon Komplikationen.

Die Vorteile der Schlaganfall-zentren liegen auf der Hand, und diemedizinischen Erfolge, insbesonderedie Möglichkeit, Behinderungen oderPflegebedürftigkeit als Folge eines nichtschnell genug behandelten Schlag-anfalls zu vermeiden, rechtfertigen diedafür notwendigen Investitionen.

Allerdings sind Stroke Units in dünnbesiedelten Gebieten nur schwer zurealisieren und verlieren durch längereAnfahrtswege einen Teil ihrer Vorteile.Es ist besonders wichtig, Bevölkerungund zuweisende Ärzte über die Dring-lichkeit einer spezialisierten Schlag-anfallversorgung aufzuklären.

Symptome richtig erkennen

Zivilisationssünden wie Rauchen,Übergewicht und Bewegungsmangelhaben eine Fülle negativer Folgen.Doch während beispielsweise der

eingeübt. Die Ergotherapie hilft demPatienten dabei, dass er seinen Alltagwieder allein meistern, sich in ersterLinie also wieder selbst versorgen kann(wie z.B. Waschen, Anziehen, Essen).Die Sprach- und Schlucktherapie(Logopädie) arbeitet an dem Ziel, ver-loren gegangene Funktionen derSprache, des Sprechens oder desSchluckens wiederherzustellen. In derNeuropsychologie werden Beeinträch-tigungen des Denkens, der Konzentra-tion, der Aufmerksamkeit, des Sehensaber auch Beeinträchtigungen derStimmung oder die fehlende Entspan-nungsfähigkeit beübt. Die fünfte Säuleist die „Gesundheitserziehung“, an dersämtliche Berufsgruppen der Rehabili-tation mitarbeiten und die dem betrof-fenen Menschen die Erfahrung zurück-geben soll, sein Leben und die Gesund-heit „selbstwirksam“ zu beeinflussen.Hierzu gehören manchmal auch dasAufgeben von Lebensgewohnheitenwie dem Rauchen oder mangelndeBewegung.

Die Unterstützung der körpereige-nen Heilungskräfte ist durch gezieltesTraining notwendig. Die ersten Tagenach dem Schlaganfall sind dabeibesonders „wertvoll“. In dieser Akut-phase können physiotherapeutischeund logopädische Behandlungen diegrößte Wirkung entfalten. Grund-sätzlich gilt: Je schneller der Rück-bildungsprozess der Symptome desSchlaganfalls einsetzt, desto wahr-scheinlicher können dauerhafte Folge-schäden vermieden werden.

W A S I S T E I N S C H L A G A N F A L L ?

Sterblichkeit zurückgegangen

Noch vor einigen Jahren war derVerlauf eines Schlaganfalls eine weit-gehend „schicksalhafte“ Angelegen-heit. Nach der Diagnose eines Schlag-anfalls musste abgewartet werden:Überlebt der Patient? Bleiben Beein-trächtigungen?

Die moderne Medizin betrachtetden Schlaganfall hingegen als medizi-nischen Notfall, bei dem eine schnelleDiagnostik und Therapie geboten sind,die über den Verlauf der Erkrankungsowie über mögliche Folgeschädenentscheiden. Die Letalität (Sterblichkeit)beim Schlaganfall ist zwar in den ver-gangenen Jahrzehnten durch eine ver-besserte Versorgung deutlich zurückge-gangen (um circa 45% seit 1970),beträgt aber immer noch 15 – 20%.Damit ist der Schlaganfall die dritthäu-figste Todesursache in Deutschland.Trotz verbesserter Akut- und Rehabili-tationsbehandlung ist der Schlaganfalldarüber hinaus eine der häufigsten Ur-sachen für Pflegebedürftigkeit im Alter.

Risikofaktoren für Schlaganfall

Bei den Risikofaktoren für Schlag-anfälle unterscheidet man zwischennichtveränderbaren und veränderbarenFaktoren. Die bedeutendsten veränder-baren Risikofaktoren sind anhaltenderhoher Blutdruck (und daraus resultieren-de Schädigung von Gefäßwänden),Rauchen, Fettstoffwechselstörungen unddie Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).Ein erhöhtes Risiko tragen Menschenmit koronarer Herzerkrankung (Ver-engung oder Verstopfung der Herzkran-zgefäße) sowie Patienten nach bereitsüberstandener Durchblutungsstörungdes Gehirns (Zweitereignis zwischen 8

Ein Schlaganfall, oder auch Apoplexgenannt, entsteht, wenn das Gehirn oderTeile des Gehirns plötzlich nicht mehr odernicht ausreichend durchblutet werden. DieFolge: Taubheitsgefühle, Lähmungen,Sprach- , Seh- oder Bewusstseinsstörungen,je nachdem, welcher Teil des Gehirnsbetroffen ist. Die häufigste Ursache ist eineMangeldurchblutung (Ischämie 80%) durchUnterbrechung der Blutzufuhr, wenn ein Blut-gerinnsel ein Gefäß im Gehirn verstopft. Seltenerkommt es zu einer Blutung in das Hirngewebe(Hämorrhagie 20%). Die häufige Form desHirninfarkts (Ischämie) ist in ihrer Entstehungvergleichbar mit einem Herzinfarkt undkann durch Störungen des Herz-Kreislauf-Systems, Gefäßverkalkung oder andereVorschädigungen der Gefäßwände ver-ursacht oder begünstigt werden.

Etwa jeder fünfte Schlaganfall wird durcheine Hämorrhagie verursacht. Durch Verän-

derungen der Gefäßwand oder durch jahrelan-gen Bluthochdruck geschwächt, platzt ein Gefäßim Gehirn, Blut dringt ins Hirngewebe ein. Inseltenen Fällen entsteht eine solche Hirnblutung

auch durch angeborene Missbildungen vonGefäßen. Beide Formen des Schlag-

anfalls – Mangeldurchblutungdurch Verstopfung und Gehirn-

blutung – können seltener auchdie Folge einer akuten Er-krankung, beispielsweise einesUnfalls sein. So erlitt der MagierRoy Horn, dem bei einemTigerangriff die Halsschlagaderverletzt wurde, durch ein dabeientstandenes Blutgerinnsel einenSchlaganfall.

und 15% im ersten Jahr). Das Risiko,einen Schlaganfall zu erleiden, ist auchfür Menschen mit Übergewicht und kör-perlicher Minderaktivität, Frauen, diedie Pille nehmen, und bei chronischemAlkoholgenuss deutlich erhöht. Nichtzuletzt ist der Schlaganfall eine typi-sche Zivilisationskrankheit.

Nichtveränderbare Risikofaktorensind insbesondere das Alter (Ver-dopplung alle zehn Jahre nach dem55. Lebensjahr), das Geschlecht (beiMännern um 24 bis 30 % höher), erb-liche Belastung ( 1,9 fach höher beiVerwandten ersten Grades) und dieethnische Zugehörigkeit (2,4 fachhöher bei Afro-Amerikanern).

NUR DAS RECHTEBE IN STRAMPELT:

SCHLAGANFÄLLE BE I K INDERN

Ständige Übelkeit und Krampf-anfälle, Lähmungserscheinun-

gen und Entwicklungsstörungen.Treten bei einem Neugeborenenoder Kleinkind solche Symptomeauf, denken die Eltern, aber auchviele Ärzte, nicht daran, dass einSchlaganfall die Ursache dafür seinkönnte. Der Schlaganfall gilt alsKrankheit alter Menschen, vielleichtnoch als moderne „Manager-krankheit“ – und doch erkranken inDeutschland jedes Jahr schätzungs-weise rund 300 Kinder an einemSchlaganfall, nicht selten schon imMutterleib.

Die Ursachen für diese Schlag-anfälle sind naturgemäß nicht die-selben wie bei Erwachsenen, derenAlkohol- oder Nikotinkonsum,Übergewicht oder Bluthochdruckerst nach Jahren zu Schädigungender Gefäße führen. Zwei von dreiSchlaganfällen bei Kindern sindauf angeborenes „dickes Blut“zurückzuführen. Zu viele Blutzellenoder zu wenig Blutplasma machendas Blut dickflüssig und erhöhendie Wahrscheinlichkeit von Blut-gerinnseln in arteriellen Gefäßen.Bei den übrigen Fällen sind ange-borene Herzfehler, Gefäßmiss-bildungen oder Infektionen dieUrsache von Schlaganfällen.

Erst seit rund zehn Jahren kanndurch neue technische Möglichkei-ten die Diagnose eines kindlichenApoplexes abgesichert werden. Soselten Schlaganfälle bei Kindernsind – für die Betroffenen könnensie lebenslange Folgen haben,wenn sie nicht erkannt werden.

Schnelle Behandlung erforderlich

„Time is brain“. Der entscheidendeFaktor bei der Behandlung eines Hirn-infarkts ist Zeit. Je schneller dieBehandlung beginnt, desto besser sinddie Überlebenschancen und die Reha-bilitationsaussichten.

Grundlage der Behandlung ist diegenaue Diagnostik. Mittels einerComputer- oder Magnetresonanztomo-grafie kann festgestellt werden, welcheUrsache der Schlaganfall hat und wel-che Hirnregionen betroffen sind.

Pflegerisiko Schlaganfall

Auch wenn immer wieder Men-schen mittleren Alters Schlaganfälleerleiden, sind es doch zumeist ältereMenschen, die „der Schlag trifft“.Denn sie leiden z.B. häufiger unter aus-geprägten Gefäßerkrankungen alsJüngere.

Neben der stärkeren Gefährdungälterer Menschen sind bei ihnen auchdie Folgen eines Schlaganfalls gravie-render. Ein allgemein schlechtererGesundheitszustand und die vermin-derte Regenerationsfähigkeit desGehirns sorgen dafür, dass besondersviele betagte Schlaganfallpatienten zuPflegefällen werden.

Dieses Problem wird im Zuge derdemografischen Entwicklung unsererGesellschaft weiter an Bedeutunggewinnen. Dazu tragen auch die ver-besserten Behandlungsmöglichkeitennach einem Apoplex bei. Gerade nachschweren Schlaganfällen, die Dankmoderner Medizin häufiger überlebtwerden, sind die dauerhaften Funk-tionseinschränkungen des Gehirns,wie z.B. Lähmungen oder Aphasie,besonders ausgeprägt.

Bei Hirnblutungen ist in den meis-ten Fällen eine Operation notwendig,um die Blutung zu stoppen oder irre-parabel geschädigtes Gewebe zu ent-fernen. Sind Hirnregionen durch einverstopftes Gefäß nicht mehr durchblu-tet, kann in einigen Fällen durch einegezielte Auflösung des Gerinnsels dieStörung beseitigt werden. Dieses Ver-fahren nennt man Thrombolyse. Es istspeziellen Zentren, so genanntenStroke Units, vorbehalten.

In den ersten Stunden steht dieintensivmedizinische Behandlung imVordergrund. Ein akuter Schlaganfallist immer lebensbedrohend. Für dieVermeidung oder Verminderung vonFolgeschäden ist die möglichst frühzei-tige rehabilitationsmedizinische Be-handlung notwendig. Je nach Zustanddes Patienten schon wenige Stundennach dem Schlaganfall.

Dienstag, 9.30 Uhr: Günther S., 64, erleidet einenSchlaganfall und bricht im Supermarkt bewusstlos

zusammen. Der Filialleiter alarmiert umgehend denNotarzt.

Dienstag, 9.50 Uhr: Günther S. wird in die nächsteStroke Unit eingeliefert. Neben Lähmungserscheinungenin der rechten Körperhälfte ist seine Sprache verwa-schen, er wirkt desorientiert und verwirrt.

Dienstag, 11 Uhr: Die MRT-Untersuchung zeigt, dassein Blutgerinnsel ein Hauptgefäß in der linken Gehirn-hälfte verstopft, mit daraus resultierender Mangel-durchblutung von Teilen des Hirngewebes. Die Ärzte derStroke Unit versuchen, medikamentös das Gerinnsel auf-zulösen (Thrombolyse), und überwachen den Verlauf derLähmungserscheinungen. Darüber hinaus werden Blut-druck und Blutzucker überwacht und optimal eingestellt.

Dienstag, 15 Uhr: Der Zustand von Günther S. hatsich stabilisiert. Seine Bewusstseinsstörungen haben sichweitgehend zurückgebildet. Eine Physiotherapeutinmacht vorsichtige Bewegungsübungen mit der gelähmtenKörperhälfte, der Logopäde überprüft mit einfachenSprachübungen das Ausmaß der Störung desSprachzentrums.

Mittwoch, 9 Uhr: Die Lähmungserscheinungen habensich in der Nacht teilweise zurückgebildet, die Sprach-störungen sind vollständig verschwunden. Eine erneuteMRT-Untersuchung zeigt, dass das Gerinnsel vollständigaufgelöst, die Hirndurchblutung wieder normal und nurwenig Hirngewebe abgestorben ist.

Donnerstag, 9 Uhr: Günther S. wird auf die Normal-station verlegt und darf sein Bett unter Aufsicht verlassen.Er leidet noch immer unter einer Schwäche der rechtenKörperhälfte.

Freitag, 9 Uhr: Günther S. hat sich weitgehend erholt,wird aber das Wochenende noch im Krankenhaus ver-bringen. Je nach Entwicklung der Schwäche in der rech-ten Körperhälfte soll nach seiner Entlassung Anfang derdarauf folgenden Woche eine ambulante Physiotherapiebegonnen werden.

Montag, 22 Uhr: Ilse K., 67, erleidet kurz nach demZubettgehen einen Schlaganfall. Sie bemerkt starkeSchwindelgefühle und Lähmungserscheinungen in derrechten Körperhälfte, möchte ihren Mann deshalb abernicht wecken und versucht, einzuschlafen.

Dienstag, 5 Uhr: Ilse K. verbringt eine unruhige Nachtund schläft kaum. In den frühen Morgenstunden verstär-ken sich ihre Schwindelgefühle und sie muss sich über-geben. Bei dem Versuch, ins Bad zu gelangen, stürzt sie;ihr Mann wacht auf.

Dienstag, 6 Uhr: Ilse K.s Ehemann erreicht den Haus-arzt. Dieser alarmiert sofort den Notarzt.

Dienstag, 6.30 Uhr: Ilse K. wird ins Krankenhaus ein-geliefert. Sie ist ansprechbar, kann jedoch ihre rechteKörperhälfte nicht bewegen und leidet unter einer aus-geprägten Aphasie.

Dienstag, 8 Uhr: Die CT-Untersuchung hat ein Blut-gerinnsel in der linken Hirnhälfte gezeigt, das die Durch-blutung u.a. des Sprachzentrums verhindert. Die Ärzteverordnen u.a. gerinnungshemmende Medikamente undüberwachen die Vitalzeichen der Patientin.

Dienstag, 15 Uhr: Ilse K. hat Fieber, die Ärzte habenMühe, den viel zu hohen Blutdruck unter Kontrolle zubringen. Die Lähmungserscheinungen sind unvermindert,die Patientin ist zwar orientiert, kann aber nur mit Hilfevon Bild- und Texttafeln, die der Logopäde mitgebrachthat, kommunizieren.

Mittwoch, 9 Uhr: Die rechte Körperhälfte von Ilse K.ist weiterhin gelähmt und wird von Physiotherapeutenvorsichtig durchbewegt. Sie kann wieder einige Wortesprechen, findet jedoch oft nicht den richtigen Begriff undmuss sich weiterhin mit Tafeln behelfen.

Mittwoch, 12 Uhr: Eine erneute CT-Untersuchungzeigt, dass sich das Blutgerinnsel aufgelöst hat, aberdass ein Hirninfarkt eingetreten ist. Der Blutdruck von IlseK. hat sich normalisiert, die Temperatur ebenfalls.

W I E E S L A U F E N K Ö N N T E –

Z W E I F I K T I V E F Ä L L E