Was ist Turbulenz - lsw.uni-heidelberg.de · englischen Physiker Osborne Reynolds benannte,...

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Was ist Turbulenz ? Max Camenzind Senioren Uni Würzburg @WS2013

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Was ist Turbulenz ?

Max Camenzind

Senioren Uni

Würzburg @WS2013

Themen

• Einige Beispiele aus dem täglichen Leben.

• 1755 leitete Leonhard Euler die Euler-Gleichungen her für ideale Flüssigkeiten;

• Das mathematische Modell: die Navier-Stokes Gleichungen (1827, 1845) als Erhaltungs-gleichungen für Masse, Impuls und Energie.

• Instabilitäten erzeugen Wirbel: Rayleigh-Taylor, Kelvin-Helmholtz und Konvektion.

• Die Reynolds-Zahl Re als Kriterium für Turbulenz.

• Rätsel: Was treibt die Jupiter Atmosphäre an?

Experimente mit Flüssigkeiten

Unterschied zwischen laminar und turbulent

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Experimente mit Flüssigkeiten

5

Tinte im Weinglas – RT Instabil

7

Experimente mit Kaffeetasse

8

Turbulente Staubwolken

9

• Im Fall der Konvektion reicht eine Zentraltemperatur von 5500 K aus, um den an der Erdoberfläche beobachteten Wärmefluss zu erklären.

• Die Funktionsweise des Wärmetransports lässt sich am Beispiel der Bénard – Konvektion studieren.

• Auf Grund der hohen Viskosität von 1023 Pa s erfolgt die Umwälzung sehr langsam – maximal einige Zentimeter pro Jahr .

Konvektion treibt Kontinentaldrift

Mathematisches Modell für Flüssigkeiten (Navier & Stokes) • 1 cm³ Wasser enthält 1024 Atome N-Körper-Rechnung unmöglich.

• Die Beschreibung von Strömungen basiert also auf der Beschreibung der Fluide, genauer gesagt auf der Beschreibung der Wechselwirkung zwischen

• den einzelnen Fluidmolekülen untereinander (innere Reibung)

• Fluid und ruhendem Festkörper (z.B. Strömungen in Rohren)

• Die hierbei entstehenden Kräfte werden durch eine physikalische Eigenschaft der Fluide beschrieben, die sich Zähigkeit oder auch Viskosität h nennt.

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Die Viskosität einer Flüssigkeit ist ein Maß für die innere Reibung in

einer Strömung. Hierzu denkt man sich das Fluid aus mehreren

Schichten aufgebaut.

Wirkt nun eine Kraft aufgrund der Strömung auf die oberste Fluidschicht,

so wird aufgrund der Reibung zwischen den Schichten ein Teil dieser Kraft

auf die darunter liegende Schicht übertragen.

Diese überträgt wieder einen Teil

ihrer Kraft auf die darunter

liegende Schicht und so geht das

weiter, bis die Randschicht

erreicht wird.

Viskosität h

r a = h dv/dz

Stoffart Temperatur T / °C Viskosität h / (10-3 N‧s/m²)

Ammoniak 0 0,0093

Helium 0 0,0187

Luft 0 0,0172

Stickstoff 0 0,0165

Quecksilber 20 1,554

Olivenöl 20 80,8

Ethanol 20 1,20

Wasser 0 1,792

20 1,002

Glyzerin 0 12100

20 1480

Einige Zahlenwerte

• Verhalten einer Flüssigkeit wird in makroskopischen Größen beschrieben:

– Geschwindigkeitsfeld u oder v. – Druck P. – Dichte r. – Temperatur T. – Totale Energie E.

• Mittelpunkt des Volumens: (x,y,z,t). • Diese Größen sind Mittelwerte über

genügend viele Moleküle. • Ein solches Volumen ist groß genug,

um die Kontinuumsbeschreibung zu gewährleisten.

Flüssigkeiten

x y

z

dy

dx

dz

Flüssigkeitselement für Erhaltungssätze

Flächen sind mit Norden, Osten, Westen, Süden, Top

und Bottom bezeichnet

(x,y,z)

Geschwindigkeitsfeld Wirbel

Geschwindigkeitsfeld Stromlinien

Navier-Stokes Gleichungen

• Die Navier-Stokes-Gleichungen beschreiben die Strömung von newtonschen Flüssigkeiten und Gasen. Die Gleichungen sind somit eine Erweiterung der Euler-Gleichungen um die innere Reibung oder Viskosität.

• Nur 3 Erhaltungssätze (konservativ):

• 1. Massenerhaltung

• 2. Impulserhaltung

• 3. Erhaltung der totalen Energie.

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Das Transport-Theorem

Zeitliche Änderung

des Inhalts f (Dichte)

eines Volumens V =

Inhalt der zeitlichen

Änderung von f in V

+ Verluste und Gewinne

durch die Oberflächen

des Volumens.

Gauss

n

Das Transport-Theorem

Divergenz

eines

Vektor-

Feldes

Volumen-

Änderung

= 0 parallel

Massenerhaltung

0)(

urr

divtFormvekonservatiNicht

Dt

D

0Urr

Zeitliche Änderung

der Masse eines

Volumens V = Integral

zeitlichen Änderung

der Dichte

+ Verluste und Gewinne

durch die Oberflächen

des Volumens.

Impulserhaltung

Scherungstensor; h, l: Zähigkeit

Viskoser Spannungstensor

• Spannungen sind Kräfte pro Fläche (wie Druck). Einheit: N/m2 or Pa.

• Viskoser Spannungstensor t.

• Index Notation: tij Richtung.

• Tensor hat 9 Komponenten:

– txx, tyy, tzz sind senkrechte Spannungen (= Druck).

– Die anderen Komponenenten sind Scherspannungen: tzy ist Spannung in y-Richtung auf der z-Ebene.

Energieerhaltung

Dissipationsfunktion Arbeit durch

Gravitationskraft

Innere + kinetische Energie

h = 0 5 Euler Gleichungen Erhaltungsgleichungen für U = (r,rv,re)

Computational Fluid Dynamics

Supercomputer

Diskretisierung der Gleichungen Heute typisch: 1 Milliarde Zellen

Das Modell der Flüssigkeitsschichten ermöglicht es uns nun zwei Arten von

Strömungen zu unterscheiden:

Laminare Strömungen gehen bei Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit

in turbulente Strömungen über.

In Gasen muss zudem noch beachtet werden, dass die Strömungsge-

schwindigkeit klein gegenüber der Schallgeschwindigkeit in dem Gas ist,

weil sonst noch Kompressionsvorgänge zu berücksichtigen sind.

Bei turbulenten Strömungen vermischen sich hingegen die Luftschichten.

Für den Schichtübergang muss jedoch Energie aufgebracht werden. Diese

Energie kann nur in Form höherer Reibungsarbeit erbracht werden, was

sich in einer größeren Reibungskraft äußert.

In laminaren Strömungen gleiten die Flüssigkeitsschichten aneinander

vorbei, ohne dass die Schichten sich vermischen. Die auftretenden

Reibungskräfte sind vergleichsweise niedrig.

Laminare und turbulente Strömungen

Der Punkt, an den eine laminare Strömung in eine turbulente Strömung um-

schlägt, lässt sich berechnen. Die Kenngröße hierfür ist die nach dem

englischen Physiker Osborne Reynolds benannte, dimensionslose

Reynolds-Zahl Re :

h

r

vLRe

Hierbei ist v die Strömungsgeschwindigkeit, r die Dichte, h die

Viskosität und L eine „charakteristische Länge“ des umströmten

Körpers, beispielsweise der Durchmesser eines Rohres.

Typische Größenordnung für Rohre ist eine maximale Reynoldszahl von

Re = 2040. Durch spezielle Behandlung der Rohre etwa für Pipelines kann

sie bis auf etwa Re ≈ 20.000 gesteigert werden.

Solange diese Größen kleiner sind als die maximale Reynoldszahl des

umströmten Körpers, ist die Strömung laminar, anderenfalls wird sie

turbulent.

Die Reynolds-Zahl

31

Blut fliesst laminar im Körper – außer in der

Aorta, wo die Geschwindigkeit über 35 m/s

steigt und turbulent wird erzeugt Schall.

Anwendung in Medizin

Hindernisse erzeugen Turbulenz

Tragflügel erzeugt Turbulenz

Instabilitäten erzeugen Turbulenz

34

35

g

Leichte

Flüssigkeit

Schwere

Flüssigkeit Rayleigh-Taylor Instabilität

36

Rayleigh-Taylor Instabilität Selbst-Experiment

Zeit

38

De

r K

reb

s-N

eb

el

M1

Kelvin-Helmholtz Instabilität von Scherströmungen erzeugt

Kelvin-Helmholtz Instabilität

Konvektive Instabilität

Wärmezufuhr: heiß

aufsteigende Blasen

Abstrahlung: kühl

Benard- Konvektion 1900 Dissertat.

Die Granulen der Sonne, die durch Konvektion entstehen, sind heiße,

aufsteigende Säulen aus Plasma, die von dunklen Bahnen aus kühlerem,

absinkendem Plasma gesäumt sind. Der weiße Balken = 5.000 Kilometer.

Konvektive Instabilität

47 Rotationsperiode: 6 Tage

Konvektiver Stern

Kolmogorov Kaskade

49

Konvektiver Wärmetransport treibt Plattentektonik

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Jupiters Turbulente Atmosphäre

Bild: Cassini/NASA 2000

51 Bild: Cassini/NASA 2000

Bild: Cassini/NASA 2000

7000 km

Radius: 71.000 km

Magnetfeld

bremst die

Windgeschwin-

digkeiten

Korotation

Zonale Winde auf Jupiter

Heftige Winde sind mit Breitenzonen und sog. Bändern assoziiert,

mit Geschwindigkeiten bis zu 150 m/s = 540 km/h.

Wirbelgeschwindigkeiten sind kleiner.

Die Struktur hat sich in den letzten 25 Jahren kaum verändert.

Erde: Polarer Jet-Stream: 160 km/h Rossby-Wellen Mäanderung

Jet-

Streams

Erde

Das Bild zeigt farbcodierte

Windgeschwindigkeiten

in der Computersimulation

(rot = ostwärts,

blau = westwärts)

und demonstriert,

dass die Winde

die gesamte äußere

Gashülle durchziehen.

Weiter innen werden

die Winde durch das

Magnetfeld abgebremst.

Moritz Heimpel et al. 2005

Zo

na

le W

ind

Pro

file

Jupiter c=0.90

Model

Moritz Heimpel et al. 2005

Unterschied Jupiter - Saturn

• Differenziell rotierende Schalen (Aspekt c = ri/ro)

– Jupiter: c = 0,75 ~ 0,95; Saturn: c = 0,4 ~ 0,8 Moritz Heimpel et al. 2005

Ju

pit

er

im M

od

ell

Zusammenfassung

• Navier-Stokes Gleichungen sind ein sehr

erfolgreiches Modell für Strömungen.

• Sie werden heute auf Supercomputern

gelöst („Computational Fluid Dynamics“).

• Sie spielen eine sehr wichtige Rolle

Technik, Erdaufbau und Klima,

Medizin, Astrophysik, Universum.

• Turbulenz geht auf Instabilitäten zurück.

• Turbulenz durch Reynolds-Zahl geregelt.