Wasserstadt - Ausgabe 14/2013 des strassenfeger

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BADEN IN DER SPREE »SPREE2011« & »Flussbad Berlin« (Seite 6) HANNS ZISCHLER Schauspieler, Schriftsteller, Fotograf und Sammler (Seite 16) BRENNPUNKT Interview: Pirat_innen zur Bundestagswahl (Seite 18) Straßenzeitung für Berlin & Brandenburg 1,50 EUR davon 90 CT für den_die Verkäufer_in No. 14, Juli 2013 WASSERSTADT

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BADEN IN DER SPREE»SPREE2011« & »Flussbad Berlin« (Seite 6)

HANNS ZISCHLERSchauspieler, Schriftsteller, Fotograf und Sammler (Seite 16)

BRENNPUNKTInterview: Pirat_innen zur Bundestagswahl (Seite 18)

Straßenzeitung für Berlin & Brandenburg

1,50 EURdavon 90 CT für

den_die Verkäufer_in

No. 14, Juli 2013

WASSERSTADT

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 20132 | INHALT

strassen|feger Die soziale Straßenzeitung strassenfeger wird vom Verein mob – obdach-lose machen mobil e.V. herausgegeben. Das Grundprinzip des strassenfeger ist: Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe!

Der strassenfeger wird produziert von einem Team ehrenamtlicher Autoren, die aus allen sozialen Schichten kommen. Der Verkauf des stras-senfeger bietet obdachlosen, wohnungslosen und armen Menschen die Möglichkeit zur selbstbestimmten Arbeit. Sie können selbst entschei-den, wo und wann sie den strassenfeger anbieten. Die Verkäufer erhalten einen Verkäuferausweis, der auf Verlangen vorzuzeigen ist.

Der Verein mob e.V. fi nanziert durch den Verkauf des strassenfeger soziale Projekte wie die Notübernachtung und den sozialen Treff punkt »Kaff ee Bankrott « in der Prenzlauer Allee 87. Der Verein erhält keine staatliche Unterstützung.

Liebe Leser_innen,

Berlin ist eine Wasserstadt. Mit fast sieben Prozent Wasseranteil, das entspricht rund 60 km², gehört Berlin zu den wasserreichsten Metropolen Europas. Angeblich hat Berlin mehr Brücken als Ve-nedig (nur 410 Brücken gibt es dort), das Statistische Landesamt zählte im Jahr 2000 genau 969. Und: 36 Inseln gibt es in Berlin, einige werden vom Menschen genutzt, viele andere sind unbe-wohnte Naturparadiese. Tausende Menschen verbringen ihre Arbeits- bzw. Freizeit an und auf den Berliner Gewässern. Sie schippern auf ihren Booten über die Spree und die vielen Seen, sie leben auf traumhaften Parzellen am Wasser. Nur mit dem Baden in der Spree ist das so eine Sache. Früher gab es zahlreiche Flussbäder, in denen sich die Berliner_innen in der Sommerhitze erfrischen konnten. Heute kann man davon nur träumen. Doch einige Visionäre kämpfen darum, dass Baden in der Spree bald wieder möglich ist (Seite 4 bis 8). Zu den Merkwürdigkeiten der Wasserstadt Berlin gehört, dass die Spree auch manchmal rückwärts fl ießt. Warum das so ist, können Sie in dieser Ausgabe nachlesen. Und auch kuriose Wassertiere gibt es hier. Da war z. B. der Monsterwels im Schlachtensee…

Ein schönes, aber auch schwieriges Kapitel ist das Leben auf ei-nem Hausboot. Die romantische Idylle einiger Individualisten ist bedroht. Denn Berlin will sie nicht wirklich (Seite 12 und13).

Passend zum Titelthema untersuchen wir im Brennpunkt zur Bundestagswahl 2013 die Positionen der Piratenpartei. Die Politische Geschäftsführerin der Partei, Katharina Nocun, und die Berliner Piratin Lena Rohrbach haben uns in der Re-daktion des strassenfeger besucht und sich unseren Fragen zu Parteiprogramm und zum Bundestagswahlkampf gestellt (Seite 18 bis21). Außerdem im Heft: Ein Bericht unserer eh-renamtlichen Mitarbeiter über die Arbeit in der Notübernach-tung des Vereins.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leser_innen, wieder viel Spaß beim Lesen!Andreas Düllick

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WASSERSTADTMerkwürdigkeiten der Spree

Historische Flussbäder in Berlin

»SPREE2011« und »Flussbad Berlin«

Berlin hat fast 50 Inseln

Ideale Fahrradroute an der Spree

Die Regatt astrecke Berlin-Grünau

Trügerische Hausboot-Idylle

Der Knütt elkrieg: Berlin-Cölln gegen Spandau

Tiere an der Spree

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TAUFRISCH & ANGESAGTa r t s t r a s s e n fe g e rSchauspieler, Schrift steller, Fotograf und Sammler eine Begegnung mit Hanns Zischler

B re n n p u n k t B u n d e s t a g s w a h l 2 0 1 3»Wir müssen die anderen vor uns hertreiben«Führende Pirat_innen im strassenfeger-Interview

K u l t u r t i p p sskurril, famos und preiswert!

S p o r tRadsport Comic »Tour de France«

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AUS DEM VEREINVe re i nEin Tag in der Notübernachtung von mob e.V.

s t r a s s e n fe g e r r a d i oPalast oder Schloss

H a r t z I V - R a t g e b e rWohnung & Heizen

K o l u m n eAus meiner Schnupft abakdose

Vo r l e t z t e S e i t eLeserbriefe, Vorschau, Impressum

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Ein Fluss mit drei Quellen, der auch mal rückwärts fließtMerkwürdigkeiten der SpreeB E R I C H T : J a n M a r k o w s k y

Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Kommunen um Berlin eingemeindet. Groß-Berlin. Die reichen Gemeinden Charlottenburg und Spandau sträub-

ten sich hartnäckig, dem armen Berlin unter die Arme greifen zu müssen, es half nichts. Seit 1920 umfasst das Stadtgebiet auch ein paar Kilometer Havel. Die Spree ist länger und führt aber an ih-rer Einmündung mehr Wasser als bis dahin die Havel. Außerdem liegt die Mitte Berlins an der Spree. Warum die Spree in Spandau in die Havel mündet und nicht umgekehrt, hat sich mir noch nicht erschlossen.

Die Spree beginnt am Rande des Oberlau-sitzer Gebirges im Gebiet der Nachbarkommu-nen Ebersbach-Neugersdorf und Eibau. Beim Besuch des Freibades Neugersdorf habe ich eine Quelle gesehen. Eingefasst mit einem Geländer aus Gusseisen war ich damals wenig beein-druckt. Ein Pfarrer, wurde mir später erzählt, hat die Hauptquelle der Spree in Ebersbach an der Grenze zu Neugersdorf ausgemacht. Und es soll noch eine Quelle in der Gemarkung von Eibau am Kottmar geben. Der Kottmar ist ein kleiner Berg aus Ergussgestein. Die Stadt Ebers-bach-Neugersdorf preist sich auf ihrer Website als Stadt der Spreequelle.

Berlin liegt am Unlauf des Flusses, der vom Oberlausitzer Bergland bis zur Einmündung in die Havel in Spandau etwa 400 km lang ist. Dabei fließt sie von Sachsen über Brandenburg nach Berlin. Durch die Stadt sind es etwa 40 km.

Die Eiszeit hat die Landschaft in und um Berlin geformt

In der Schule hat mich eine Karte beeindruckt, auf der in der Mitte ein breites Band zu sehen war: Berlin-Warschauer Urstromtal. Die Wirk-lichkeit ist komplizierter als die schematischen Darstellungen in polytechnischen Oberschulen. Das Eis hat beim Schmelzen gewaltige Schmelz-wasserrinnen hinterlassen und die gewaltigen Kies- und Sandschichten in diesen Tälern be-stätigen das auch. Die Strukturen sind kleintei-liger als auf der Karte angegeben. Das Eis ist nicht mit einem Mal abgetaut. Die Abflüsse von Schmelzwasser haben die Spree und das Leben der Menschen am Fluss nachhaltig geprägt. Der Flusslauf folgt zum großen Teil den Urstrom-tälern. Auch das geringe Gefälle in diesen Ur-stromtälern hat den Flusslauf geformt. Wech-sel des Flussbetts, Verzweigungen, vernässte

Areale mit Mooren. Der Spreewald war voller Moore. Die Einheimischen kannten sich aus und waren geschützt.

Wichtig waren passierbare Flussübergänge. An den Furten sammelten sich Kaufleute. Städte sind an Furten entstanden. Die Askanier Alb-recht der Bär, Otto III. und Johann I. gründeten zur Absicherung der Eroberung slawischer Ge-biete Städte auf dem Gebiet von Groß-Berlin. Die Doppelstadt Berlin und Cölln erhielt das Niederlassungs- und Stapelrecht, Spandau und Köpenick nicht. In einer Urkunde aus dem Jahr 1237 wird Cölln das erste Mal erwähnt. Da soll mit dem Bau der Nikolaikirche schon begonnen worden sein.

Vom Einfluss menschlicher Eingriffe

Musste sich im Mittelalter der Mensch an die Gegebenheiten der Natur anpassen, so passt der Mensch der Neuzeit die Natur seinen Wün-schen an. Schon in Mittelalter wurde mit dem Bau von Deichen begonnen, Flüsse aufgestaut und Schleusen gebaut. Friedrich II. (Alter Fritz) lies massiv Sümpfe trocken legen. Inzwischen ist vom Fluss wenig geblieben. Kanal mit Be-tonwänden, dazu viele Kanäle, die das Fließ-verhalten beeinflussen, mit einem natürlichen Fluss hat die Spree wenig gemein. In der Lausitz fließt sie in einem künstlichen Flussbett, weil der Flusslauf einem Kohletagebau im Wege war. Apropos Braunkohlentagebau: Die Wasserhal-tung der Tagebaue hat jahrelang das Grund-wasser um den Tagebau abgesenkt, gleichzeitig nicht unerheblich die Spree gefüllt. Als nun in Sachsen und Südbrandenburg die Tagebaue ge-flutet wurden, waren die Menschen im Spree-wald in Sorge, dass dieses einmalige Kleinod austrocknet. Inzwischen bedroht die Einleitung schwefelhaltiger Wässer das Ökosystem.

Eingriffe des Menschen ließen, so die Pres-semeldung des Leibnitz-Instituts für Gewässe-rökologie und Binnenfischerei vom 25. August 2003, die Spree 2003 rückwärts fließen. Ein warmer trockener Sommer sorgte für geringen Zufluss nach Berlin. Die Klärwerke für Berlin sorgen einen erheblichen Zufluss. Das Gefälle der Spree ist im Stadtgebiet extrem gering. So kam es, dass die Spree in Berlin rückwärts floss. Die Klärwerke reinigen das Abwasser gut. Doch angesichts der Mengen kann der Schad-stoffeintrag zum Problem für Trinkwasserge-winnung aus Uferfiltrat werden.

Spreequelle in Ebersbach/Sachsen Quelle: Wikipedia/ Mike Krüger

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Flussbäder BerlinB E R I C H T : J ö r g W e l k e & R a l f S t e e g

Baden in der Spree – im 21. Jahrhundert nicht min-der gefährlich als im ausgehenden 18. Jahrhundert. Heute sind es eher die Verschmutzungen im Haupt-stadtfluss, die Schwimmer abschrecken. Vor 200 Jahren waren es wohl die mangelnden Schwimm-

künste der Berliner, die das Berliner Polizeidirektorium ver-anlasste, wiederholt das Eintauchen in die Spreefluten zu un-tersagen. Daher galt: Schwimmen »... wird hiermit bey harter Ahndung untersagt und sollen die Übertreter dieses Verbots sofort arritirt werden«. Wer es sich leisten konnte, suchte Zu-flucht in den entfernten Badeorten.

Um auch dem Badebedürfnis des Durchschnittsberliners zu entgegen, initiierte 1803 Stadtphysikus Dr. Georg Adolph Welper den Bau eines schwimmenden Badehauses im klassi-schen Stil. Das Badeschiff war wie alle weiteren Badeanstal-ten in der Mitte nach unten offen und nicht als geschlossenes Bassin konstruiert, so dass sich Badende direkt im Spreewas-ser befanden. In der Mitte waren Badezellen installiert. Diese waren auf den Breit- und Schmalseiten des Schiffes durch ei-nen Umgang verbunden, den zum Wasser hin dorischionische Säulen schmückten. Die Baderäume waren in vier Klassen eingeteilt. Die erste Klasse bot den Luxus von Papiertapeten und gemalten Decken, Lampen aus Alabaster und bis zum Bo-den reichen- den Spiegeln. »Personen mit zweifelhaftem Ruf« wurde es untersagt, das Schiff zu betreten.

Der Preußische General und Politiker Ernst von Pfuel grün-dete vierzehn Jahre später in der Köpenicker Straße 12, nicht weit von der Oberbaumbrücke, seine Militärunterrichts- und Schwimmanstalt, die über hundert Jahre lang existierte. Von Pfuel gilt als offizieller Erfinder des Brustschwimmens. Wer sich bei ihm ein »Diplom der Schwimmkunst« verdienen wollte, musste einmal quer über die Spree und wieder zurück schwimmen, die an dieser Stelle über 100 Meter breit ist. Fast 70 000 Militärangehörige und Zivilisten lernten hier in den folgenden 50 Jahren das Schwimmen. Die Pfuelsche Badean-stalt wirkte typenbildend für Berliner Flussbadeanstalten. Sie war auf Pfählen gegründet und besaß ein von allen Seiten um-schlossenes Wasserbecken. Dies war der Moralauffassung der Zeit geschuldet, die Blicke von außen auf das »Badetreiben« nicht duldete. Von Pfuel hielt das Brustschwimmen für die ef-fektivste Methode der Fortbewegung im Wasser. »Der Frosch ist ein vortrefflicher Schwimmer, und unser Lehrmeister ist

gefunden, denn die Beschaffenheit seines Kör-pers ähnelt in den Teilen, welche hauptsächlich zum Schwimmen nothwendig sind, sehr der des Menschen.«

Auf Höhe des Schlosses Bellevue im Tiergarten wurde 1831 das erste Frauenbad, die Lutzesche Schwimm- und Badeanstalt, an der Moabiter Brücke errichtet. Die »Hallorin« Amalie Lutze leitete diese Anstalt. Die Halloren stammten ursprünglich aus Halle an der Saale und arbei-teten in den dortigen Salinen. Die sich durch das Sieden der Sole auf der Haut bildende Salz-kruste konnte nur mit Wasser beseitigt wer-den. Damit waren die Halloren zu Beginn der Aufklärung die einzigen Männer und Frauen in Deutschland, die sich mit Wasser wuschen und auch die Kunst des Schwimmens beherrschten. Nachdem nun die körperliche Reinigung mit Wasser wieder populär geworden war, fanden Halloren als Schwimmlehrer und Bademeister im ganzen Land Beschäftigung.

1826 unternahm ein Schulvorsteher den ersten – vergeblichen – Versuch, Gelder der Stadt für den Bau einer öffentlichen Badeanstalt zu er- halten. Erst 1850 stimmten die Stadtverordne-ten dem Bau der ersten städtischen Flussbade-anstalt und damit der Förderung des Badens als einer kommunalen Aufgabe zu. Diese Badeanstalt nahe der Waisenbrücke in Form eines aufgestellten Badeprahms, d. h. eines fla-chen, durch Feldsteine ausgleichend stabilisier-ten Schwimmkörpers, stand Männern zur kos-tenlosen Benutzung zur Verfügung.

In den Folgejahren setzte sich diese Entwick-lung mit neu eröffneten Badeanstalten in der Burgstraße, an der Stadtschleuse hinter den Wer-derschen Mühlen sowie am Nordhafen des Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals durch. Eine linksliberale Mehrheit in der Berliner Stadt-verordnetenversammlung ermöglichte ab 1862 eine programmatische, soziale Innenpolitik. So

01 Das neu erbaute Badehaus bei der Langen Brücke zu Berlin im Jahre 1802

02 Schwimmer in der Rummelsburger Bucht

03 Städtisches Flussbad Lichtenberg (Flieger-aufnahme)

Quellen: LURI.watersystems.

GmbH, www.luritec.com

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konnten 1863 und 1865 auch die ersten Badean-stalten für Frauen in Betrieb genommen werden.

Alle bis dahin von der Stadt errichteten Ein-richtungen waren als schwimmende Flussbade-anstalten auf Prahmen aufgebaut. Damit war eine Verlegung mit relativ geringem Aufwand möglich, wenn wirtschaftliche Interessen an Gewässer- und Ufernutzung dies erforderten. 1873 verordnete ein Magistratsbeschluss, dass die Ableitung des Regenwassers sowie der ge-samten häuslichen und gewerblichen Abwässer nach den Entwürfen des Baurates Hobrecht zu erfolgen habe. Danach wurden Fäkalien und Abwässer nur noch selten der Spree und den Kanälen zugeführt, sondern auf Rieselfelder der weiteren Umgebung gepumpt. Die Fertigstel-lung des Abwassersystems beeinflusste die Ba-demöglichkeiten in den Berliner Gewässern direkt. Hatte die Wasserverschmutzung bereits Schließungen von Badeanstalten zur Folge ge-habt, konnten besonders in der Unterspree wie-der Verbesserungen der Wasserbeschaffenheit erzielt werden.

1885 sah ein weiterer Magistratsbeschluss »die Vergrößerung der vorhandenen und die Errich-tung neuer Badeanstalten nunmehr planmäßig« vor, um der zunehmenden Bevölkerung und wachsenden Beliebtheit der Bäder Rechnung zu tragen. Die acht bis dahin vorhandenen reichten nicht mehr aus. 1905 unterhielt die Stadtver-waltung bereits 15 Flussbadeanstalten mit 18 Bassins, zehn für Männer, sieben für Frauen und eines abwechselnd für beide Geschlechter.

Eine Sensation hielt die Sachsesche Flussbadean-stalt an der Lohmühleninsel bereit. Hier konnten

mit Hilfe einer Dampfmaschine künstliche Wel-len erzeugt werden. 1849 durch den Kaufmann Maaß erbaut, wurde sie 1863 von einem weite-ren Kaufmann, Herrn Sachse, übernommen. Das Schwimmbassin war von allen Seiten durch ein Ba-degebäude um- rahmt, eine Holzkonstruktion mit Aussichtsturm und wehenden Fahnen. Im Inneren gab es Umkleidekabinen und Sitzgelegenheiten. Ein überdachter Laufgang, ähnlich einer Arkade, führte um das gesamte Schwimmbecken, so dass man von allen Seiten ins Wasser steigen konnte. Männer und Frauen konnten das Bad gemeinsam nutzen, um sich zu vergnügen und zu reinigen.

Das Bad hatte eine weitere Attraktion: das abend-liche »Lichttauchen«. Jeder Badende wurde auf Wunsch mit einer Lampe, dem Unterwasserlicht für Taucher, das in Berlin erfunden und erstmals im Sachseschen Schwimmbad getestet wurde, ausgestattet, um sich damit im und unter Wasser zu tummeln. Das »Sachsesche Wellenbad« blieb noch bis in die zwanziger Jahre des letzten Jahr-hunderts bestehen. Aufgrund des katastropha-len bakteriologischen Zustands des Spreewassers wurden sämtliche Flussbadeanstalten im Bereich Alt-Berlin nach einem Magistratsbeschluss vom 20. Mai 1925 geschlossen.

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»SPREE2011« und »Flussbad Berlin«Baden in der Spree – heute noch ein Märchen – morgen vielleicht WirklichkeitB E R I C H T : A n d r e a s D ü l l i c k | F O T O S : w w w . f l u s s b a d - b e r l i n . d e

Es war einmal eine Zeit, da konnten die Beriner_in-nen in der Spree baden. 1905 gab es bereits 15 Flussbadeanstalten mit 18 Bassins. Doch dann verdreckten böse Menschen den Fluss. Es gab viel zu viele Schiffe und es floss zu viel Dreckwasser in

den Fluss. Für lange, lange Zeit durfte man nicht mehr... Irgend-wann kamen die guten Zauberer und machten die Spree wie-der sauber. Fortan konnten die Berliner sich in ihrer wunder-bar blauen und sauberen Spree wieder tummeln. Ralf Steeg könnte einer dieser guten Zauberer sein. Er liebt die Spree und sagt: »Sie ist Teil meines Lebens.« Deshalb möchte er sie wieder sauberer machen – so sauber, dass man wieder in ihr schwimmen kann, wie vor hundert Jahren, als es allein im Stadtgebiet 30 Badestellen gab. Er ist Ingenieur (»Luri Water-systems«) und kämpft mit sehr viel Herzblut für das Projekt SPREE2011. Dahinter verbirgt sich eine kleine technische Meisterleistung.

» B e r l i n s o l l t e i m R e s s u o rc e n s c h u t z e i n e Vo r b i l d f u n k t i o n e r f ü l l e n ! «

»Der Beginn des Projekts liegt eigentlich weit zurück in den achtziger Jahren«, erzählt Ralf Steeg. Ich hatte privat und spä-ter beruflich sehr viel in der Schweiz zu tun. Dort habe ich das Schwimmen in den sauberen Flüssen des Landes entdeckt. 1995 begann die Beschäftigung mit der Spree. Es war klar, dass die Abwassereinleitungen in den Fluss gestoppt werden müssen und das es einen enormen Zugewinn an Lebensquali-tät für die Stadt bedeuten würde, wenn der Fluss eines Tages sauber wäre. Berlin ist Teil des internationalen Wasserkreis-laufs und als Hauptstadt im Bereich Ressuorcenschutz eine Vorbildfunktion erfüllen.«

P i l o t a n l a g e i m B e r l i n e r O s t h a fe n

Seit 14. September 2012 gibt es nun im Berliner Osthafen in der Stralauer Allee 5 eine Pilotanlage. Die Anlage funktioniert so: Wenn es so stark regnet, dass in der Kanalisation kein Platz mehr ist und das Abwasser direkt in die Spree läuft, soll eine rund 50 Meter lange Tankkonstruktion rund 500-Kubikme-ter Schmutzwasser aus der Kanalisation auffangen. »28 Mal pro Jahr ist das der Fall«, sagt der Erfinder. Das gespeicherte Wasser fließt erst dann wieder zurück in die Kanalisation, wenn Platz ist. Der Tank ist auf Stahlpfählen montiert, über Wasser sichtbar ist nur eine Art Metallinsel.

»Damit ist nicht nur ein Beitrag zur Reinigung der Spree geleistet sondern zugleich eine weltweit übertragbare neue Technologie erfolgreich umgesetzt worden«, so Steeg. »Die Tests laufen über zwei Jahre unter Leitung der TU und werden im Jahr 2015 abgeschlossen sein. Dabei geht es aber vor allem um die Feineinstellung der Anlage.« Zufrieden ist Steeg aber nicht, denn: Eigentlich wollte er zwischen Elsenbrücke und Mühlendammschleuse 14 seiner Tanks zwischen Elsenbrücke und Mühlendammschleuse in der Spree verankern. Daraus wurde einer. Sein System ist flexibel, denn es können mehrere Module verbunden werden. Aber auch die Abmessungen der Anlage, die auch direkt am Ufer angedockt werden kann, sind variabel. Außerdem könne eine Kläranlage integriert werden und das gereinigte Wasser dann direkt in die Spree fließen.

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01 Pilotanlage SPREE2011

02 Blick über den Osthafen mit »SPREE2011«-Anlage

03 Die Pilotanlage wird in die Spree gehievt

04 So sollte die Pilotanlage eigentlich begrünt werden

05 Der »Zauberer« Ralf Steeg

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V i e l e B e f ü r w o r t e r, a b e r a u c h v i e l e H i n d e r n i s s e

Finanziert wird das Projekt SPREE2011 über das Bundesministerium für Bildung und Forschung und private Gelder. Laut Steeg hat die Stadt Berlin kein Geld dazu gegeben, obwohl das Problem der überlaufenden Mischkanalisation nun seit über 140 Jahren besteht und entsprechend der europä-ischen Gesetzgebung drastisch reduziert werden muss. Die jährliche Menge des in Berlin eingeleite-ten Abwassers würde – in Tanklastwagen verfüllt – eine Reihe von Berlin bis Gibraltar ergeben.

Viele Menschen sind begeistert von Steegs Projekt SPREE2011: »Es gibt viele Befürworter. Eigentlich alle Berliner, mit denen wir reden, Stadtplaner und Architekten, die Jugend, Taxi-fahrer, viele Besucher, die wir aus dem Ausland haben, Baumschulen die spenden, Menschen die spontan ihre Hilfe anbieten, Freunde, die kos-tenlos für uns arbeiten. Manche Mitarbeiter der Berliner Wasser Betriebe, Wissenschaftler und Ingenieure. Eigentlich ohne Ende ...«

Berlin wäre aber nicht Berlin, wenn dem guten Zauberer nicht diverse Steine in den Weg gelegt worden wären. »Die größten Schwierig-keiten haben wir mit Geschichten, die wir nicht zu verantworten hatten. Wir sind hier in Berlin massiv behindert wurden. Den größten Stress gab es mit der landeseigenen Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (Behala). Die wollte das Projekt über Jahre verhindern und hat dies selbst Wochen vor der Eröffnung noch versucht.

Eine Bebauung mindere den Grundstückswert, behauptet Peter Stäblein, Geschäftsführer der Behala als Eigentümerin des Geländes. Er un-tersagte auch Café und Solarbootverleih auf der Insel. Danach komme der Bezirk Friedrichs-hain-Kreuzberg, der beharrlich den öffentlichen Zugang zur Anlage und die Begrünung der Ober-fläche verweigert, kritisiert Steeg.

B e r l i n e r Wa s s e r b e t r i e b u n d B e r l i n e r S e n a t m ü s s e n i n s B o o t !

Aber auch die Zusammenarbeit mit der Ber-liner Wirtschaft war sehr schwierig, so Steeg. »Äußerst zeit- und kostenintensiv war es zudem mit den Berliner Wasserbetrieben. Nach müh-seligsten Verhandlungen haben sich die Berli-ner Wasserbetriebe bereit erklärt, die Kosten für den Betrieb der Anlage in Höhe von max. 30.000 Euro zu übernehmen.« Leider hält sich auch der Berliner Senat derzeit noch vornehm zurück. Und das, so Steeg »obwohl die Stadt Berlin sich auf der Expo Shanghai mit uns als einzigem Vertreter geschmückt hat und wir viele Auszeichnungen bekommen haben, z. B. auf der Biennale Architekturbiennale Venedig, vom Rat für Nachhaltigkeit.« Dabei müsste gerade die Berliner Verwaltung ein sehr großes Interesse an sauberem Wasser für ihre Bürger haben.

Doch durch diese Hindernisse lässt sich Steeg nicht beirren. »Zurzeit nehmen wir Anlauf für die Projektierung der zweiten Anlage. Die Erfolgsaus-sichten, dass das Projekt verwirklicht wird, schätzt 05

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05 Die Architekten Tim und Jan Edler

06 Projekt FLUSSBAD BERLIN – so könnte es 2020 aussehen Quelle: www.flussbad-berlin.de

I N FO

SPREE 2011 › www.luritec.com › sally below cultural affair,

www.sbca.de

Flussbad Berlin e.V. – Verein zur Förderung des Schwimmens in der Spree - an der Museumsinsel Berlin

› www.flussbad-berlin.de

Warum ist die Spree schmutzig?Jährlich fließen ca. drei Millionen Kubikme-ter Mischwasser in die Berliner Gewässer. Der Grund: 20 bis 30 Mal im Jahr regnet es so stark, dass die Kanalisation überläuft. Sehr problematisch dabei: Schwermetalle, allein 45 Tonnen Zink gelangen jedes Jahr in den Fluss. Der Großteil ist nicht etwa Industrieabfall, sondern stammt direkt von der Straße: von Laternenmasten, Sitzbän-ken, Regenrinnen, auch die Fahrbahnbe-grenzungen auf der Stadtautobahn geben winzige Partikel ab, die über Umwege in die Spree gelangen. Das summiert sich. Übrigens: Wenn die Spree nicht so langsam fließen würde, wäre sie viel sauberer. Man glaubt es kaum: Im Osten der Stadt fließt sie gerade mal einen halben Zentimeter pro Sekunde, das sind 18 Meter pro Stunde. Und: Die Spree kann sogar rückwärts flie-ßen. Wenn in heißen Monaten im Müggel-see sehr viel Wasser verdunstet und Was-serwerke Grundwasser entziehen, kann der Pegel im See um Millimeter zurückgehen. Allein das genügt, dass sich die Fließrich-tung der Spree in Köpenick umkehrt.

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Steeg als sehr hoch. »Gerade kommt wieder kräftig Schwung in das Thema. Zu verdanken haben wir dies dem Umweltpolitischen Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus, Danny Freymark. Außer-dem freut mich ganz besonders, dass es mittler-weile weltweit Interesse an unserem System gibt«.

» F l u s s b a d B e r l i n « – S c h w i m m e n m i t B l i c k a u f d e n D o m

Neben Ralf Steeg gibt es noch zwei andere gute zauberer, die sich der Spree verschrieben haben.

Jan und Tim Edler, zwei Kreuzberger Archi-tekten vom Büro »realities:united« haben sich ein anderes spektakuläres Projekt zum Baden in der Spree ausgedacht. Sie wollen den Kupfergraben zwischen Bode-Museum und Schlossplatz – west-lich der Museumsinsel – in ein Schwimmbad ver-wandeln. Der Badeabschnitt soll 400 Meter lang werden, sagt Jan Edler. Dahinter soll der Fluss bis zur Ostspitze der Fischerinsel renaturiert werden. Über breite Ufertreppen könnten Badegäste am Lustgarten zur Abkühlung ins saubere und frische Nass des Flussbades steigen. Auf der Wiese da-hinter könnten Umkleidekabinen zur Verfügung stehen, so Architekt Jan Edler. Bis 2020 wollen die Brüder ihr Projekt umsetzen, sie rechnen da-bei mit 65 Millionen Euro Baukosten.

Doch bis es soweit sein wird, wird wohl noch sehr viel schmutziges Wasser die Spree hinun-ter fließen. Momentan würde wohl kaum jemand freiwillig in den Kupfergraben springen. Erste Voraussetzung für das Baden in der Spree ist auch hier eine hohe Wasserqualität. Dazu wollen die

smarten Brüder Edler am östlichen Ende des Gra-bens eine Bio-Kläranlage errichten. Dort soll das Spreewasser dann durch ein 780 Meter langes Pflanzenfilterbecken aus Schilf fließen und Ba-dewasserqualität erreichen.

S t a d t e n t w i c k l u n g s v e r w a l t u n g w i l l e i n G e w ä s s e re n t w i c k l u n g s ko n z e p t v o r s t e l l e n

»Die Idee ist spannend, doch es sind viele Hürden im Weg«, verlautet derzeit aus der Berliner Stadt-entwicklungsverwaltung. Eine Umsetzung sei nur mittel- oder langfristig möglich, da sich am Kup-fergraben diverse Liegenschaften des Landes und des Bundes, Biotope und auch Abwasserleitun-gen befinden. Die Verwaltung hat angekündigt, in diesem Jahr ein Gewässerentwicklungskonzept Spree vorzustellen. Auch Kulturstaatssekretär André Schmitz hält das Flussbad für einen »inter-essanten architektonischen Entwurf mit einer mo-dernen urbanen Nutzungsidee«. Ihn überzeuge das Projekt »Flussbad Berlin« auch ästhetisch, vor allem durch die klare Anlage der Treppenführung zur Spree.«

Die guten Spree-Zauberer Ralf Steeg und Jan und Tim Edler – und selbstredend auch die badefreudigen Berliner_innen – würden sich ganz bestimmt sehr freuen, wenn Schmitz & Co ihren warmherzigen Worten auch Taten folgen lassen würden. Denn Visionen allein machen keine sau-bere Spree. Gefragt sind logistisches und finan-zielles Engagement der Berliner Stadtväter, aber auch der Landesbetriebe und der Industrie.

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Insel Valentinswerder im Tegeler See Berlin. Südwestliche Spitze, Blick von der Kleinen Hallig an der Kleinen Malche Richtung Norden.

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Inseln wie in der SüdseeBerlin hat fast 50 InselnB E R I C H T : M a n f r e d W o l f fF O T O : W i k i p e d i a / L i e n h a r d S c h u l z

Der Berliner ist der geborene Insulaner. Wohin man in Berlin auch kommt – überall gibt es Inseln, bewohnte und unbewohnte Inseln, Inseln, die man

nicht betreten darf und Inseln, die ausdrücklich zum Besuch einladen. 36 Inseln kann man im Stadtplan finden, die einen Namen haben, dazu kommt noch mal ein Dutzend winziger Eilande, die namenlos sind. Berlin hat mehr Inseln als der Südseestaat Kiribati: dort bringen sie es nur auf 32. Mit Moabit ist ein ganzer Stadtteil eine Insel und West-Berlin war lange Zeit eine Insel im roten Meer.

D i e I n s u l a n e r

Die Insellage West-Berlins wurde durch die so-wjetische Blockade besonders deutlich, als die Stadt nur durch die Luftbrücke versorgt wer-den konnte. Aus dieser Zeit kommt der Begriff Insulaner für die West-Berliner. Eine Kabarett-sendung des RIAS hieß so. Wöchentlich mel-deten sich Günter Neumann und Tatjana Sais als die Insulaner mit ihrem Lied »Der Insulaner verliert die Ruhe nicht, der Insulaner liebt keen Jetue nich, der Insulaner hofft unbeirrt, dass seine Insel wieder ‘n schönes Festland wird.« Das ist nun der Fall, und wir können uns den Inseln in den Berliner Gewässern zuwenden.

Im äußersten Südosten schmücken sie-ben Inseln den Seddinsee. Seddinwall ist die größte von ihnen und schon seit 4000 Jahren bewohnt. Die kleineren Inseln Berg, Dommel-wall, Nixenwall, Kleiner Seddiner Wall, Weiden-wall und Werderchen sind Naturreservate und werden nur von Wasserwanderern besucht.

D i e I n s e l n i n d e r D a h m e

Wenn wir nun den Seddinsee über die Dahme verlassen, geht es vorbei an den Inseln Zeuthener Wall, Kleiner und Großer Rohrwall und der Rohr-wallinsel geradewegs zur Köpenicker Schloss-insel, die durch eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. In dem barocken Schloss fand 1730 das Kriegsgerichtsverfahren gegen Kron-prinz Friedrich und seinen Freund Katte statt.

Von dieser Insel, die in slawischer Zeit Copnic hieß, hat der Stadtteil Köpenick auch seinen Namen.

I n s e l n e n t l a n g d e r S p re e

Nun mündet die Dahme in die Spree, die schon auf ihrem Weg in den Müggelsee die kleinen Inseln Schilfwall, Dreibock, En-tenwall und Kelchsecken umflossen hatte. Die Köpenicker Baumgarteninsel beherbergt eine Laubenkolonie. Bullen-bruch, Kratzbruch und Liebesinsel sind unbewohnte Eilande. Dafür ist auf der Insel der Jugend umso mehr los. Man erreicht sie über die Abteibrücke, die älteste Stahlbrücke Deutsch-lands. Vorbei geht es an der Lohmühleninsel zur größten und wichtigsten Spreeinsel, deren südlicher Teil die Fischerinsel ist, während der nördliche Teil als Museumsinsel die Touris-tenströme an sich zieht. Die Museumsinsel ist Weltkulturerbe und so die berühmteste Insel Berlins. Nofretete, die am Nil lebte, fühlt sich an der Spree sicher wie Zuhause.

D i e H a v e l – e i n I n s e l p a r a d i e s

Mit der Mündung der Spree in die Havel erreichen wir ein weiteres Berliner Inselreich. In Spandau treffen wir auf den großen und kleinen Wall, die Pionierinsel und die bewohnte Insel Eiswerder. Auch die Spandauer Zitadelle ist eine Insel. Die Spandauer Altstadt wird von Havel und Mühlengaben umflossen und ist so auch eine Insellage. Vorbei an Lindwer-der und Schwanenwerder, das durch seine Bebauung mit luxuriösen Villen bekannt ist, geht es dann in den Wannsee mit der Pfaueninsel, die in keinem Berlinprogramm fehlen darf, und der bescheidenen kleinen Insel Imchen vor Kla-dow. Die Pfaueninsel mit ihrem weißen Schloss führte frü-her den weniger poetischen Namen Karnickelwerder. Das änderte sich alles, als hier der König Friedrich Wilhelm II. sein Verhältnis mit der damals 13jährigen Gastwirtstochter Wilhelmine Encke begann.

Auch den Tegeler See zieren einige Inseln: Hasselwer-der, Lindwerder, Reiswerder, Baumwerder, Maienwerder und die bewohnten Inseln Valentinswerder und Scharfen-berg, das sogar ein Gymnasium hat.

Fühlt man sich also in Berlin »reif für die Insel«, muss man nicht nach Sylt, Mallorca oder Teneriffa fliegen. Es gibt so viele davon mitten in der Stadt, und um sie zu erreichen, muss man auch nicht in jedem Fall ein Boot besitzen. Einige sind durch Brücken mit dem Festland verbunden, und wo so eine Anbindung fehlt, sorgen Fährverbindungen für einen bequemen und sicheren Zugang.

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An der Wuhle entlang radelt es sich ganz famos!

strassenfeger | Nr. 14 | Juli 201310 | WASSERSTADT

Vom Quell zur MündungAuf der Suche nach der idealen Fahrrad-route am Ufer der Spree entlangB E R I C H T & F O T O S : A n d r e a s P e t e r s

Es ist wieder soweit. Der Sommer hat begonnen und die Umgebung von Ber-lin, reich an schönen Seen, kleinen und großen Flüssen, Auen und Wäldern lädt ein zu ausgiebigen Fahrradexkur-

sionen. Durch vorwiegend flaches Land mit viel Wald und Wasser zu fahren, dabei auch noch in-teressante Orte zu kreuzen und unterwegs Gleich-gesinnte zu treffen, ist einfach eine tolle Abwechs-lung nicht nur für den gestressten Berliner.

Ich jedenfalls habe mich schon seit Wochen auf die erste ausgiebige Fahrradtour gefreut. Leider musste ich mich als Schönwetterfahrer aufgrund anhaltenden Regens seit längerem in Geduld üben. So hatte ich allerdings etwas mehr Zeit meine Planungen zu präzisieren, denn für dieses Jahr hatte ich mir erstmals eine Etappe des Spree-Radweges vorgenommen. Und zwar der etwa 75 km lange Abschnitt von Bautzen nach Sprem-berg, welcher durch die Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft führt. Doch wie das Leben so spielt, als das Wetter förmlich nach einem Fahr-radausflug rief, streckte mich eine Erkältung nieder und verhinderte meine Exkursion in die Naturreservate Sachsens. Stattdessen hatte ich mal wieder Zeit. Ich fing also an neue Pläne zu schmieden. Schließlich fließt die Spree ja auch einige Kilometer durch Berlin, dachte ich mir. Von rund 55 km Spreelauf ist da die Rede, be-ginnend in Erkner und mündend in die Havel in Spandau. Ich dachte mir jedenfalls, ein ideales Trainingsprogramm für die insgesamt vierhun-dert Kilometer Spreeradweg. Doch schon nach der dritten Spree-Tour war ich auf dem Berliner Tatsachenboden angelangt.

In Berlin mit dem Fahrrad unmittelbar an der Spree entlang zu fahren, ist fast unmöglich. Es gibt eigentlich keine geeigneten reinen Radwege mit Blick auf die Spree. Dort, wo ich Sichtkon-takt zum Hauptstadtfluss habe, befinde ich mich als Radfahrer gleichzeitig mit vielen Fußgängern, meist etwas unbedarften und in Trauben stehen-den Touristen, auf einen Weg, wie zum Beispiel auf der Strecke vom Schloss Charlottenburg bis zur Friedrichstraße, oder entlang des Treptower Parks. Fahre ich hingegen parallel, aber ohne jeglichen Sichtkontakt zur Spree, zum Beispiel in Friedrichshain, oder Lichtenberg, vergeht mir schnell der Sinn, zumal, wenn ich einen holp-rigen Weg, oder entlang einer Hauptverkehrs-straße fahre. Als Radfahrer in Berlin habe ich nicht viel von der Spree. Es sei denn, ich nehme es mit auf einen der vielen Rundfahrtschiffe. Wer als Radfahrer in Berlin am Wasser fahren möchte, der sollte sich eher mit der Havel an-freunden, oder mit kleineren Nebenflüssen der Spree, wie zum Beispiel die Wuhle.

Die Wuhle schlängelt sich auf einer Länge von rund 17 km durch den Osten von Berlin und kann unmittelbar von der Quelle bis zur Mündung in die Spree mit dem Rad erkundet werden. Gut ausgeschildert und mit unmittelbaren Sichtkon-takt. Der dazu eigens ausgebaute Radweg von Ahrensfelde bis Köpenick ist sehr gut befahrbar und abwechslungsreich. Die Sicht auf Wohn-hochhäusern wird entspannt von weiten Blicken über Felder und Wiesen. Unvermittelt tauchen im Schatten der Hochhäuser eine Windmühle und das mit Kirchturmspitze dörflich anmutende Idyll Alt-Mahrzahn auf. Am Fuße des Kienberges schließlich bietet sich die Möglichkeit, einen Ab-stecher in die Gärten der Welt zu machen. Wer dort auf den 102 m hohen Kienberg hinaufsteigt, wird mit einem einmaligen Panorama-Blick bis zum Fernsehturm belohnt.

Lässt man schließlich, wieder auf dem Zwei-rad fahrend, Mahrzahn hinter sich, ändert sich die Umgebung. Sie wirkt nun naturbelassener. War die Wuhle an der Quelle noch ein kleiner Bach umgrenzt von hohem Schilf, wird sie nun breiter und nimmt den Charakter eines schma-len Flusses an. An den Ufern finden sich hohe Bäume. Auch die Fische, die sich im recht kla-ren Wasser tummeln, sind nun größer. Bade-stellen gibt es zwar unmittelbar am Weg keine. Wer sich an einem heißen Tag zwischendurch abkühlen möchte, kann aber einen Abstecher zu den nahegelegenen Kaulsdorfer Seen ma-chen. In Köpenick schließlich, in Sichtweite zum modernisierten 1.FC Union-Stadion »An der Alten Försterei« mündet die Wuhle in die Spree. Eigentlich schade und etwas seltsam ist es auch, die Strömung dieses ehemals kleinen Baches zu beobachten.

Ich frage mich an dieser Stelle, ob mir das mit der Spree ähnlich gehen wird, wenn ich ihr vom Quell zur Mündung folge. Sicher bin ich mir nur, dass es demnächst etwas wird mit meiner Spreeradweg-Tour.

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01 Blick auf die Regattastrecke mit Ziellinie

02 Regattatribüne von 1936 heute

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 2013 WASSERSTADT | 11

Rund 150 Jahre Wassersport auf Berlins Flüssen und Seen Die Regattastrecke Berlin-Grünau B E R I C H T & F O T O S : C h r i s t o p h M .

Seit rund 150 Jahren frönen Berliner mittels Segel- oder Ruderboot auf Havel, Dahme und Spree der aktiven und passiven Erholung im nassen Element. Wasser-sport hat Tradition in Berlin – insbesondere in Grünau. Die Ansiedlung von Bootshäusern am Langen See, die

Gründung des »Berliner Regatta-Vereins (1881)« und der Bau einer Regatta-Anlage, auf der 1936 die Ruder- und Kanuwettbe-werbe der XI. Olympischen Spiele stattfanden, machte Grünau zu einem bedeutenden Wassersportrevier.

Die Anfänge des Regattasports in Grünau

Begonnen hat alles am 27. Juni 1880 mit einer Regatta der »Vereinigten Rudervereine Oberspree« auf dem Langen See auf der Höhe der heutigen Regattastrecke. Ein Jahr später, am 11. September 1881, kämpften bereits zwei Berliner Vereine mit Ruderern aus Dresden und Stettin um den Sieg. In Folge der großen Resonanz auf diesen städteübergreifenden Wett-kampf wurde kurze Zeit später der »Berliner Regatta-Verein« gegründet, der sich maßgeblich um die Förderung des Ruder- und Segelsports in Berlin und den Ausbau der Regattastrecke in Grünau verdient machte.

Der Ausbau der Regattaanlage

Die anfänglich für 1 250 Personen am sumpfigen Ufer unter schwierigen Bedingungen errichtete mobile offene Tribüne reichte aufgrund des Besucheransturms schnell nicht mehr aus und musste stetig erweitert werden. 1883 stiftete Kaiser Wilhelm I. einen Ehrenpokal als Wanderpreis, der dem Berli-ner Rudersport enormen Aufschwung bescherte. Der Regatta-Verein ließ die Anlage in Grünau weiter ausbauen und zudem eine erste Telefonleitung vom Anfang bis Ende der Strecke verlegen. Schnell zählten die sogenannten »Kaiserregatten« in Grünau zu den gesellschaftlichen Höhepunkten der Reichs-hauptstadt. Mehr als 50 000 Menschen, die mit Dampfern und Sonderzügen nach Grünau kamen, verfolgten entlang der Regattastrecke die Wettkämpfe und veranstalteten ein Volksfest. Auch Kaiser Wilhelm II. gab sich die Ehre. Zur Flaggenparade der Segler erschien in der Regel die kaiserli-che Jacht »Alexandria«.

In den darauf folgenden Jahren erfreute sich die Regatta-strecke Grünau als Veranstaltungsort für Ruder- und Segel-wettbewerbe immer größerer Beliebtheit. Mehrfach wurden die Deutschen Meisterschaften hier ausgetragen. Darüber hinaus war Grünau 1922 als Ersatz für die entgangene Teil-nahme bei den Olympischen Spielen in Antwerpen 1920

(Deutschland war damals ausgeschlossen) Gast-geber der ersten deutschen Kampfspiele. Eine internationale Meisterschaft aber fehlte der Grü-nauer Regattastrecke noch.

Olympia-Regattastrecke 1936

Im Zuge der Olympia-Bewerbung Berlins für die Spiele 1936 kamen 1930 Mitglieder des Interna-tionalen Olympischen Komitees nach Grünau, um sich ein Bild von der Regattastrecke als Wett-kampfstätte zu machen. Die Besichtigung der Sportanlage muss beim IOC einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, was nicht unwe-sentlich dazu beitrug, dass die Olympiade 1936 nach Berlin vergeben wurde. Die Vergabe der Spiele führte zu umfangreichen Baumaßnahmen auf dem Gelände der Regattastrecke. Eine neue Tribüne wurde gebaut und bei den Europameis-terschaften 1935 erstmals getestet. Außerdem ent-standen mehrere Gebäude mit repräsentativen Räumlichkeiten. Vom Regattahaus »West« ver-folgten während der Olympiade Ehrengäste und führende Nazigrößen die Ruder- und Kanuwett-bewerbe. Damit so viele Zuschauer wie möglich die Wettkämpfe, bei den Deutschland im Rudern mit fünf Goldmedaillen die mit Abstand stärkste Nation war, sehen konnten, wurde zusätzlich eine große Wassertribüne gegenüber der Haupttribüne errichtet. Von einem Kurzwellen-Sendeboot er-folgte ein Rennbericht über die ersten 800 Meter der zwei Kilometer langen Regattastrecke, dann informierten bei den 1 000- und 1 500-Metermar-ken Sprecher von eigens für diesen Zweck errich-teten Türmen, bis der Verlauf der Wettkämpfe mit bloßem Auge zu verfolgen war.

Die Situation nach 1945

Nach dem 2. Weltkrieg entwickelte sich die Regat-tastrecke zu einem Trainings- und Leistungszent-rum des Kanu- und Rudersports in der DDR. Meh-rere Weltmeister und Olympiasieger hatten hier ihr Heimatrevier. Auch heute finden auf Berlins ältes-ter Sportstätte (die noch genutzt wird) Veranstal-tungen im Wassersport statt und wird für nationale und internationale Meisterschaften trainiert.

Q U E L L E N

www.wassersportmuseum-grünau.dewww.koepenick.net/regattastrecke.htm

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 201312 | WASSERSTADT

»Sehnsüchtig schweift der Blick an einer Reihe weißer Boote entlang, die aneinander geschmiegt dort liegen. Sonnenblumen und Tomaten wachsen hier nur in Kü-beln, trotzdem ist alles grün. Eine schwimmende Schre-

bergartensiedlung. Jede Parzelle mit eigenem Grill.« So be-schrieb ein Journalist vor einigen Jahren die Hausboot-Idylle in Treptow. Rund 100 Hausboote hat es in Berlin vor ein paar Jah-ren gegeben. 13 Schiffe mit den schönen Namen »Frohsinn«, »Heiterkeit«, »Havelschwan«, »Alfred« und Torgau« lagen al-lein am Treptower Hafen an den Stegen der Schifffahrtsgesell-schaft Stern und Kreis. Mittlerweile ist davon gerade mal nur noch eine Handvoll übrig geblieben. Zum Vergleich: In Ams-terdam liegen in den Grachten und Kanälen rund 2.500 Haus-boote vor Anker. Dort gehören die schwimmenden Wohnun-gen zum Stadtbild. Ganz anders hier in Berlin. Verdrängung ist angesagt, abgesegnet von der Berliner Verwaltungsbürokratie und von der Schifffahrtsgesellschaft Stern und Kreis.

Ä rg e r m i t S e n a t s v e r w a l t u n g u n d S c h i f f fa h r t s g e s e l l s c h a f t S t e r n u n d K re i s

Der Wasserbehörde in der Senatsverwaltung für Umwelt macht das Wohnen auf Schiffen zu viel Ärger. Ärger, das bedeutet im Klartext: Auf den Berliner Gewässern gebe es laut Senatsver-waltung keine Liegeplätze für Hausboote mehr, und im Übrigen wäre es in der Innenstadt zu eng. Hinzu komme, dass es im Au-ßenbereich häufig Probleme mit den Landeigentümern gebe, die den Hausboot-Besitzern ein Wegerecht zum Betreten und

Verlassen der Schiffe einräumen müssten. Außer-dem müssten die Zufahrten für Krankenwagen und Feuerwehr abgesichert sein. Problematisch sei auch die Entsorgung von Fäkalien und Müll.

»Alles Quatsch«, sagen die Hausbootbesit-zer. Gerade in Treptow sei das überhaupt kein Problem gewesen. Hier ging es eher darum, dass die Reederei die Bootsmieter, die dort teilweise bereits rund zehn Jahre lebten, einfach loswerden wollte. »Eigenbedarf« war plötzlich angesagt für die Kündigung der Liegeplätze. Für die Hausboo-teigner ein echtes Drama. Um mit den Hausboo-ten einen Liegeplatz zu verlassen, müssen sich die Besitzer die Fahrt von der Wasserbehörde geneh-migen lassen. Diese Genehmigung gibt es aber nur, wenn die Eigner einen neuen Liegeplatz für die Boote haben. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Denn neue Liegeplätze zu finden, ist aus den o.g. Gründen in der Berliner Innen-stadt extrem schwer.

Am Treptower Hafen liegen jetzt nur noch wenige Hausboote. Viele der Bootsanlieger sind verwaist. Von Eigenbedarf der Schifffahrtsge-sellschaft Stern und Kreis kann keine Rede sein. Wohin die Hausboote verschwunden sind, ist unklar. Einige haben vielleicht ein Plätzchen im Plötzenseer Kolk an der Autobahnbrücke am Westhafen, nicht weit vom Saatwinkler Damm

Schwimmende Schrebergartensiedlungen für IndividualistenTrügerische Hausboot-Idylle in BerlinT E X T & F O T O S : A n d r e a s D ü l l i c k © V G B i l d - K u n s t

01 Manchmal auch trist

02 Das war einmal: Hausboot-Idylle in Treptow

03 Kleine Paradiese im Flutgraben am Charlottenburger Tor

04 Freisitz am Wasser

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 2013 WASSERSTADT | 13

I N FO

http://wohnschiffeberlin.wordpress.com/faq/

gefunden. Denn am der dritten möglichen Lie-geplatz, dem romantischen Flutgraben am Char-lottenburger Tor im Tiergarten ist kein Platz mehr. Einige Hausbootbesitzer werden ihren Le-benstraum vom individuellen Wohnen auf dem Wasser und dem kleinen Stückchen Freiheit in der Metropole Berlin aufgegeben haben. Auch, wenn sie sich eigentlich nie vorstellen konnten, wieder in einer Wohnung oder einem festen Haus zu leben.

H a u s b o o t - I d y l l e h a t i h re n P re i s

Genau deshalb hatten diese Individualisten zu-meist ausgediente Lastkähne günstig gekauft und selbst in liebevoller Handarbeit zu bewohn-baren Hausbooten ausgebaut. Neben dem hand-werklichen Geschick für die aufwendige Pflege der Schiffe bedurfte es auch jeder Menge Ver-handlungsgeschicks im Umgang mit den Verwal-tungsbehörden. Denn neben den Genehmigun-gen durch das Wasser- und Schifffahrtsamt und der Berliner Wasserbehörde für einen Liegeplatz braucht man auch die Zustimmung von Berliner Fischereiamt und Grünflächenamt des jeweili-gen Bezirkes.

Ganz billig ist das Wohnen auf dem Wasser auch nicht. Pro Liegeplatz zahlen Hausbootbesit-

zer in Berlin zwischen 200 bis 1.000 Euro Miete im Monat. Und auch mit der Romantik ist das auch so eine Sache. Im Sommer auf dem begrün-ten Schiffsdeck zu sitzen und die Seele baumeln zu lassen, ist unbeschreiblich schön. Doch im Winter, wenn es draußen stürmt und friert, kann es durchaus auch mal ungemütlich sein. Da frie-ren schon mal die Wasserleitungen zu, der Zugang über schwankende, vereiste Stege ist gefährlich, und den Wohnraum kuschlig warm zu bekommen ist auch nicht ganz einfach. Und: Es besteht im-mer das Risiko, das irgendwo Wasser reinläuft. Dann ist harte Arbeit angesagt: Alles muss rausge-rissen und wieder geschweißt werden. Außerdem müssen die Wohnschiffe alle vier bis zehn Jahre für die Überprüfung der Schwimmtauglichkeit ins Trockendock geschleppt werden. Dort wer-den wie beim TÜV die technische Ausstattung und der Stahl des Rumpfs überprüft. Trotzdem wollen fast alle Hausboot-Enthusiasten nie wieder anders wohnen. Doch wie gesagt: Leicht gemacht wird es ihnen in Berlin nun gerade nicht. Schade eigentlich.

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 201314 | WASSERSTADT

Viele Menschen kommen als Touristen in unsere Stadt, um sich diese samt ih-rer Geschichte anzusehen. Die meis-ten Besucher beschränken sich jedoch

auf das Stadtzentrum und angrenzende Bezirke, mit deren Sehenswürdigkeiten jüngerer Stadtge-schichte.

Fragt man die Touristen oder auch Bewohner, was sie noch so über die Berliner Stadtgeschichte wissen, beinhalten die meisten Antworten ge-schichtliche Ereignisse jüngeren Datums. Wenn man Glück hat, hört man als Antwort noch, dass Berlin im zwölften Jahrhundert (dreizehntes Jahrhundert wäre richtig) oder um 1237 gegrün-det wurde. Aber damit ist das Allgemeinwissen zu Berlins Historie bei vielen schon vorbei.

Es gab in den vergangenen Jahrhunderten viele deutsche Fürstengeschlechter, eines davon waren die Askanier. Aus ihrer Linie stammte auch Joa-chim II, auch genannt »Joachim der Wilde«. Der gründete an einer Furt durch die Spree, über die eine Fernhandelsstraße führte, die Doppelstadt Berlin-Cölln. Zu etwa derselben Zeit gründete der wilde Joachim eben an dieser Straße Spandau als Handelspunkt. Als Landesfürst wollte er natürlich wissen, wo seine wehrhaftesten Bürger wohnten. Deshalb befahl er den Berlin-Cöllner Bürgern mit Knüppeln bewaffnet nach Spandau zu kommen. Er selbst setzte sich nach deren Eintreffen in einen Fischerkahn auf die Havel und befahl seinenUn-tertanen, das sie die Spandauer mit den Knüppeln schlagen mussten und die Spandauer umgekehrt die Berliner.

Die Spandauer Bürger gewannen diesen erzwun-genen Kampf, der als »Knüttelkrieg« (Knüttel = früheres Wort für Knüppel oder Stock, Anmerk.

d. Autors) in die Spandauer Stadtgeschichte einging. Und: Sie vergaßen ihrem Landesfürsten für den Rest seines Lebens diese Aktion nicht. Natürlich waren die Spandauer Bürger stolz darauf, dass sie gewonnen hatten. Dieser Stolz äußerte sich dergestalt, dass sie sagten: Sie führen nach Berlin bei Spandau, wenn sie geschäftlich in Berlin zu tun hatten.

Die erwähnte Handelsstraße, an der auch Spandau lag und liegt, ist die heutige Heerstraße. Diese führte mittels zweier Holzbrücken auch über die Havel, eine davon war einst als als Zugbrücke konzipiert. Das war nötig, damit Lastkähne mit Segeln die Havel befahren konnten. Wenn es zu Ärger zwi-schen den Berlinern und Spandauern kam, sagten die Span-dauer immer: »Berliner passt auf, was ihr macht, sonst ziehen wir die Brücke hoch und lassen euch verhungern!« Diese Dro-hung zog allerdings nur, bis diese Straße ausgebaut und die Holzbrücken durch Steinbrücken ersetzt wurden.

Spandau war zu diesem Zeitpunkt durch die Fürsten und Könige, die Joachim als Landesfürst folgten, zu einem Gar-nisons- und Militärindustriestandort ausgebaut. Mein Groß-vater erzählte mir einmal als kleiner Junge vom Fort Hahne-berg. Dieses wurde zum Schutz des Militärindustriestandortes Spandau gebaut, bald jedoch war dessen Zweck durch verbes-serte Artillerie hinfällig. Es wurde dann auch schon zu Kaiser-zeiten als Depot für Militärgüter genutzt.

Durch die Industrialisierung um das 19. Jahrhundert wuchs der Platzbedarf der stetig wachsenden Stadt Berlin – alle umliegenden Kleinstädte, Dörfer und Siedlungen wurden so nach und nach nach Groß-Berlin eingemeindet. Als letzte Stadt betraf dies auch Spandau; die Spandauer stellten sich bis 1928 mit Erfolg dagegen. Aber dann konnten auch sie sich nicht mehr dagegen wehren. Was ihnen letztlich blieb, ist ihr Stadtstolz, der aus der Geschichte hervorging.

Mein kleiner, geschichtlicher Exkurs zeigt, dass es auch in Berlin einen Gebietsnationalstolz, ähnlich wie zwischen Bay-ern und Preußen oder Küste und Sachsen, gibt.

Der Knüttelkrieg der Berlin-Cöllner gegen SpandauerEin historischer Rückblick auf Berliner StadtgeschichteT E X T : C a D a ( v e r k a u f t d e n s t r a s s e n f e g e r )

Ansicht von Spandau um 1850 Quelle: Wikipedia/Joh. Poppel

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 2013 WASSERSTADT | 15

Karikatur: OL

Verrückte Enten, Monsterwelse und das Flusspferd KnautschkeKuriose Wassertiere in BerlinB E R I C H T : D e t l e f F l i s t e r | F O T O : A n d r e a s Tr e p t e w w w . p h o t o - n a t u r . d e

In der Wasserstadt Berlin gibt es an und in den Gewässern viele interessante Tiere. Im Internet fand ich folgende ungewöhnliche Geschichte über »verrückte« Enten: Ge-

wöhnlich brüten Enten in Bodenmulden. Die Entenweibchen legen dort, geschützt von Schilf, sieben bis elf Eier ab und brüten sie ungefähr einen Monat lang aus. Die Mitarbeiter der Wild-tierstation der NBU beobachten seit 1999 ein seltsames Phänomen: Stockenten brüten immer häufiger an Gebäuden oder sogar auf Flachdä-chern von Hochhäusern. Bis 2005 wurden derar-tige Ausbrütungen in ca. 590 Fällen beobachtet. Das führt für die Jungtiere zu besonderen Prob-lemen und Strapazen: Denn Wasser ist für das Aufwachsen der Küken absolut unverzichtbar. Nur hier können sie die eiweißreichen Larven und Wasserinsekten erbeuten, die zu ihrer Er-nährung benötigen. Über die Hälfte der Berliner Stockenten, die an oder auf Gebäuden brüten, haben mehr als 250 Meter bis zum Wasser zu-rückzulegen. Der Weg führt oft über verkehrsrei-che Straßen. Die Folge: Sie werden überfahren. Für gerade geschlüpfte Entenküken ist ein sol-cher Marsch eine extreme Belastung. Der Pro-jektleiter der NABU-Wildtierstationen André Hallau konstatiert: »Gerade Bodenbrüter wie die Stockente finden oft selbst in Naturschutzge-bieten, Parks und Grünanlagen kaum noch Nist-plätze, die nicht von freilaufenden Hunden oder querfeldein gehenden Menschen gestört werden. Hoch liegende Balkone sind somit ruhigere und sichere Brutplätze – zumindest aus Sicht der Stockenten.«

B i b e r f ü h r u n g e n a m Te g e l e r S e e u n d a n d e r Z i t a d e l l e S p a n d a u

Ähnlich verrückt: An der Zitadelle in Spandau gibt es – auch wenn man das kaum glaubt – Bi-ber, und das, obwohl dort täglich viele Menschen unterwegs sind. Die Biber haben sich am Ufer des Zitadellengrabens eingerichtet und hinter-lassen so manche nachweisbare Spur. Wenn man genauer hinsieht, kann man Nagespuren, einen Fressplatz und sogar einen Biberwechsel entde-cken. Auch am Tegeler See haben sich einige Bi-ber angesiedelt. Dort gibt es kundige Führungen zur Lebensweise der Nager.

D i e P ro b l e m e d e r S e e a d l e r i n B e r l i n

Eher ungewöhnlich ist auch, dass derzeit drei Seeadlerpaare über Berliner Gewässern kreisen.

Die gewaltigen Greifvögel haben eine Spannweite von ca. 2,40m und ernähren sich u. a. von Aalen, die sie in der Havel fangen. Einen eigenen Horst hat aber nur eines der Paare, und zwar in Köpe-nick. Die beiden anderen Paare fischen zwar im Großraum Berlin, haben aber ihre Horste in Bran-denburg.

G e s c h i c h t e n v o m M o n s t e r - We l s

Dass es große Fische in Berliner Gewässern gibt, ist sicher nichts Ungewöhnliches. Aber in ei-nem Artikel (»Berlin Kurier« 2011) las ich, dass im Schlachtensee ein »Monsterwels« gefangen wurde. Der Wels ist ein Raubfisch, der bis zu 2,60 m groß wird und über hunderte, fünf Mil-limeter große scharfe Zähne verfügt. So einen Wels fing Mario Kraft, der sich selbst als sehr durchtrainiert bezeichnet. Volle vierzig Minuten soll er mit dem riesigen Wels gekämpft haben. »30 Minuten lang schaffte der Wels es, unter Wasser meilenweit weg vom Boot zu bleiben«, berichtete Kraft. Dann zog und zerrte er ihn in die Nähe seines Bootes. Der Mitangler Dennis griff mit seiner bloßen Hand ins dreißig Zentime-ter große Welsmaul, um ihn festzuhalten. »Wir haben noch mal zehn Minuten von Angesicht zu Angesicht miteinander gerungen. Ich an der An-gelrute, Dennis am Maul. Mit seinem kräftigen Körper schwang der Wels hin und her, drohte uns immer wieder zu entgleiten!«

Über einen weiteren Welsfang las ich in der »BZ« vom 17. Juni 2013: Dem Fischer Wolfgang Richter aus Alt-Shadow (Dahme-Spreewald) ge-lang der Fang eines 67 kg schweren und 2,25 Me-ter langen Welses. Der hatte sich in einer seiner Reusen verfangen, die Richter am Spreezufluss zum Neuendorfer See ausgelegt hatte. Damit hält Richter den Berlin-Brandenburger Wels-Rekord, der bisher bei 165 Zentimeter und 30 Kilo lag.

E r i n n e r u n g a n e i n e np ro m i n e n t e n Zo o b e w o h n e r

Erinnern möchte ich auch an ein prominenten Bewohner unseres Zoos: Er war auch ein Was-sertier, wenn auch kein einheimisches. Ich meine das Flusspferd Knautschke, das im Mai 1943 in Berlin geboren und zum Publikumsliebling wurde. Knautschke war eines der wenigen Zo-otiere, das den Zweiten Weltkrieg überlebt hat. 1988 wurde Knautschke in einem Rivalenkampf mit seinem Sohn Nante so schwer verletzt, dass er eingeschläfert werden musste.

Q U E L L E N

› www.einestages-spiegel.de › www.bz-berlin.de › www.berliner-kurier.de › www.berlin-nabu.de

Page 16: Wasserstadt - Ausgabe 14/2013 des strassenfeger

strassenfeger | Nr. 14 | Juli 201316 | TAUFRISCH & ANGESAGT a r t s t r a s s e n fe g e r

Der letzte Sonntag im Juni. Früher Nachmittag. Der erste Sommermonat verabschiedet sich mit Herbstwetter. Der Himmel über Berlin ist grau. Es weht ein starker Wind. Die sonst bei Touris-ten und Kunstfans so beliebte Auguststraße ist

leer. Der Biergarten in Clärchens Ballhaus ist leer. Die Gegend wirkt wie ausgestorben. Umso mehr fallen die vielen Men-schen ins Auge, die sich vor dem Haus Nummer 75 am Ende der Straße versammelt haben. Drinnen, in dem größeren der beiden Räume, sind fast alle Stühle besetzt. Hundert Leute sind in die Alfred Ehrhardt Stiftung gekommen, um das Ende einer traumhaften Ausstellung zu feiern, und zwar ausschließ-lich mit geistiger Nahrung der höchsten Qualität.

Fü n f u n d z w a n z i g K l e i n o d i e n

Die serviert ihnen Hanns Zischler, der auf Einladung von Dr. Christiane Stahl, Leiterin der Ehrhardt Stiftung, seine traum-haften Fotografien in der »Nach der Natur (camera obscura)« betitelten Personale endlich der Öffentlichkeit gezeigt hat. Knappe fünf Wochen waren die 25 mit einer Lochbildkamera gemachten Kleinodien zu sehen: wunderbare Landschaften, Blumen und Bäume, manche wie von Wolken verschleiert, manche lichtdurchflutet, vom Wind zerzaust, dem Wind trot-zend, bunte oder fast schon monochrome Strophen einer Bal-lade vom Vergehen und Werden, zeitlos in der fließenden Zeit. Nun sitzt der Mann, den so viele sehen und hören wollen, weil sie ihn von Film, Funk und Fernsehen kennen, hinter einem Glastisch, auf dem sich 20 von ihm geschriebene oder mitver-fasste Bücher stapeln. Wie auf der Bühne, so auch im Leben, schlüpft Hanns Zischler offensichtlich mühelos in verschie-dene Rollen. Er ist ein gefragter Schauspieler und Regisseur, Übersetzer, Schriftsteller, Herausgeber, Verleger und Samm-ler. Er hat ein unglaubliches Gespür für Dinge und Begeben-heiten, die von anderen übersehen werden, weil sie zu unan-sehnlich, zu unbedeutend, zu gewöhnlich sind. Er verblüfft die Fachwelt mit akribisch recherchierten und verständlich geschriebenen Büchern über Franz Kafka als begeisterten Ki-nogänger und James Joyce als Zeitungsleser, über vergessene Naturwissenschaftler und überraschende Funde in Museen.

D i n g e s e n d e n I m p u l s e

»Sehen Sie sich selbst als Forscher oder ziehen Sie eine andere Bezeichnung vor?«, fragt Tho-mas Böhm, Programmleiter des Internationalen Literaturfestivals Berlin, der an diesem 30. Juni in der Ehrhardt Stiftung das Gespräch mit Hanns Zischler moderiert. Hinter ihnen seine Wildro-senbilder, die »Windsbräute«, vor ihnen 200 Au-gen, die jeder Bewegung des Künstlers folgen, und 200 Ohren, die jedem seiner Worte lauschen. Es herrscht ein konzentriertes, erwartungsvolles Schweigen. Die Vorstellung aus der Reihe »Lite-raturhaus der Fotografie« kann beginnen. Ja, er ist ein Forscher, antwortet der Gefragte, genauer: ein independent scholar. Als Autodidakt, der kein Studium abgeschlossen hat, ist er ein Dilettant, was ihm die Freiheit und Unabhängigkeit be-schert, ohne wissenschaftliches Korsett und Vo-kabular das zu erforschen, darzustellen und zu beschreiben, was seine Neugierde weckt. »Dinge müssen mich ansprechen«, sagt Hanns Zischler. Denn von den Dingen geht ein Appell aus, »der mich irritiert, der mich auch schockieren kann, der etwas in mir entzündet und eine Fragestel-lung auslöst.« Die seltsame Fähigkeit der Dinge ist es auch, Impulse auszusenden, »die zu Herzen gehen oder den Geist berühren. Und dann eben in einer bestimmten Form der Verwandlung nach außen dringen müssen. Forma heißt Schönheit auf Lateinisch und darum geht es. Das ist etwas, was mich beschäftigt.« Eine kürzere Definition der Inspiration und ihrer künstlerischen Umset-zung kann es wohl nicht geben.

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BuchtippsHanns Zischler »Nach der Natur. Camera Obscura«, Kehrer 2013, Preis 24,90 EUR

Hanns Zischler »Berlin ist zu groß für Berlin«, Galiani Berlin 2013, Preis 24,99 EUR

› www.hanns-zischler.de › www.alfred-ehrhardt-stiftung.de

Schauspieler, Schriftsteller, Fotograf und Sammler Eine Begegnung mit Hanns ZischlerB E R I C H T : U r s z u l a U s a k o w s k a - W o l f f | B I L D E R : H a n n s Z i s c h l e r

01 Hummelflug meerwärts

02 Selbstporträt vor rauher See

03 Comus im Winterfeuer

04 Hanns Zischler (Foto: Urszula

Usakowska-Wolff)

05 Cover »Berlin ist zu groß für Berlin«

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 2013 TAUFRISCH & ANGESAGT | 17 a r t s t r a s s e n fe g e r

D i e We l t v o r d e r H a u s t ü r

Kinematografie und Philosophie, Fotografie und Ornithologie, Musikologie und Geologie, So-phistik und Urbanistik – das sind nur einige Dis-ziplinen der Kultur und Natur, die Hanns Zisch-ler auf seine unverkennbare Weise erforscht und in Wort, Schrift und Bild verwandelt. Er ist einer, den man in früheren Zeiten, da die Menschheit, zumindest ihr gebildeter Teil, des Griechischen und Lateinischen mächtig war, Polyhistor oder genius universalis nannte. Doch das sind Be-zeichnungen, mit denen er sich vermutlich nicht anfreunden könnte. Er findet es ja sogar etwas ungeheuer, dass sich manche über seine zahlrei-chen Talente wundern und ihn dafür bewundern. Als neugieriger und interessierter Mensch lässt er sich gern auf scheinbar simple Dinge ein, de-ren Komplexität er nicht abschätzen kann. Die Kunst, wie Zischler sie versteht und betreibt, ist ein langwieriger und aufwendiger Forschungs-prozess, der aus vielen kleinen Schritten und manchmal auch aus Rückschritten besteht. Nichts für Ungeduldige, die vom schnellen Erfolg träu-men und um jeden Preis berühmt und reich wer-

den wollen. Den Objekten, die seine Fantasie befeuern und ihm zu Herzen gehen, nähert er sich langsam und vorsichtig, um ihr Vertrauen zu gewinnen, auch wenn das Pflanzen, Stra-ßen, Plätze, Häuser und ihre vergessenen Bewohnerinnen und Bewohner sind. Er ist ein Reisender durch die kleine Welt, die vor seiner Haustür beginnt. Der 1947 in Nürnberg Geborene ist seit seinem 20. Lebensjahr ein Berliner. Wenn er durch die Stadt seiner Wahl zu Fuß geht oder mit den öffentlichen Ver-kehrsmitteln fährt, ist er ein aufmerksamer Zuhörer, dem die Stadt ihre Geschichte und Geschichten erzählt. Geschichten von Zerstörungswut, Größenwahn, Vernichtung und Aufbau, von Anpassung, Auflehnung und Ausdehnung, wie sie jetzt im Buch »Berlin ist zu groß für Berlin« stehen.

S a m m l u n g s c h a f f t O rd n u n g

Hans Zischler wirkt beherrscht, aufgeräumt und hellwach: Ein Mann, der sich selbst und das, was er macht, bis ins kleinste Detail unter Kontrolle hat. Deshalb ist man ganz schön per-plex, wenn er bekennt: »Ich bin ein Sammler Ein Sammler ist in sich chaotisch und bekämpft dieses innere Chaos durch die Sammlung. Das könnte man als einen dialektischen Pro-zess bezeichnen.« Er sammelt Orangenpapiere, in die Zitrus-früchte eingewickelt werden, um sie vor Quetschungen zu schützten. Seine Sammlung besteht aus 1.200 Stücken, die, weil extrem dünn und luftig, nur wenig Platz in der Wohnung in Anspruch nehmen. »Die Orangenpapiere haben in sich eine Leuchtkraft und eine völlig zwecklose grafische Ausstrah-lung, sodass ich meine, es ist wert und auch nicht schwer, sie aufzuheben.« Sie sind das Werk anonymer Künstler aus Marokko, Sizilien, Spanien, Portugal; Argentinien, Ägypten und Israel. »Diese fantastischen Grafiker erfinden eine Welt, in der alles auf Orangenpapier erscheinen kann: Da kommen Bären, da kommt ein Dromedar vor, und gestern habe ich ei-nen Dinosaurier gefunden, der einen Felsen im Mund hält. Für mich sind Orangenpapiere so etwas wie die gotischen Fenster der Moderne.«

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 201318 | TAUFRISCH & ANGESAGT B u n d e s t a g s w a h l 2 0 1 3

»Wir müssen die anderen vor uns hertreiben«Führende Pirat_innen im strassenfeger-InterviewI N T E R V I E W : A n d r e a s D ü l l i c k

Katharina Nocun wurde 1986 in Polen geboren und kam im Alter von drei Jahren mit ihren El-tern nach Deutschland. Sie ist seit Mai 2013 politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland und die Themenbeauftragte für

Datenschutz. Zurzeit arbeitet sie als Redakteurin bei »netz-welt« und absolviert ein Teilzeitstudium in Wirtschaftsinfor-matik. Lena Rohrbach wurde 1985 in Niedersachsen gebo-ren. Sie ist in Hessen aufgewachsen und hat in Berlin studiert. Rohrbach ist M.A.-Philosophin mit Schwerpunkt Politischer Philosophie und Ethik. Von 2010 an hat sie Presse- und Öf-fentlichkeitsarbeit für die Piratenpartei gemacht. 2013 kan-didiert sie auf Platz 3 der Berliner Landesliste der Piraten-partei für die Bundestagswahl. Andreas Düllick sprach mit Katharina Nocun und Lena Rohrbach in der Redaktion des strassenfeger über das Pirat_innen-Sein, das Parteiprogramm und den Bundestagswahlkampf.

Andreas Düllick: Wie wird man Pirat_in?Katharina Nocun: Ganz einfach: Man schaut sich die Par-

tei an, befindet die Themen für gut und dann kann man auch schon Mitglied werden. Ich engagiere mich seit 2007 gegen die Überwachung von Internetkommunikation, was ja gerade wieder ein ganz heißes Thema ist. Und da habe ich sehr viele engagierte Piraten kennengelernt, die für ihre Sache brennen.

Wären auch Linke, SPD oder AfD denkbar gewesen?KN: Mich bewegen wirklich die Bürgerrechtsthemen. Ich

habe begonnen, mich zu engagieren, als die Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung vor der Tür stand. Ich habe mich immer für Politik interessiert, auch für soziale Themen. Aber ich hatte immer da Gefühl, dass irgendeine Partei, irgend-eine Gruppe solche Themen auf’m Schirm hat. Bei der ver-dachtsunabhängigen Überwachung von Standortdaten, von Verbindungsdaten – wer telefoniert mit wem, wann und wa-rum – aber, da hatte ich allerdings nicht das Gefühl, dass sich da irgendjemand dafür interessiert.

Viele Menschen haben auch nicht diese langfristige Entwick-lung gesehen. Ich bin mit Computern aufgewachsen und kann mir vorstellen, dass in fünf bis zehn Jahren die Technologie eine ganz andere ist und dass es sehr gefährlich ist, wenn eine Demokratie, ein Staat ein lückenloses Bewegungs- und Kommunikationsprofil seiner Bürger haben kann. Das was die Stasi in der DDR damals gemacht hat, das war mit einem riesigen Personalaufwand verbunden. Heute braucht man da-für zwei Rechner und ‘ne Software, die das vollautomatisch macht. Genau das ist die Gefahr, die ich sehe.

Sie sind seit kurzem Politische Geschäftsführerin der Pira-tenpartei. Haben Sie schon auf Angriffsmodus geschaltet, wie manchen Medien verkündet haben?

KN: (lacht) Ja, wir waren gestern (19. Juni) anlässlich des Obama-Besuchs in Berlin demonstrieren. Wir wollen, dass endlich aufgeklärt wird, was da mit diesem riesigen Über-wachungsprogramm »Prism« der amerikanischen Geheim-dienste eigentlich genau abgelaufen ist. Ich bin absolut über-zeugt davon, dass die Bundesregierung, und insbesondere das Innenministerium, Bescheid wusste, was da gelaufen ist. Und natürlich auch die deutschen Geheimdienste. Ich finde es absolut nicht akzeptabel, dass Bürger von ausländischen Geheimdiensten ausspioniert, intimste Daten aus den sozi-alen Netzwerken abgegriffen worden sind, ohne Gerichtsbe-schluss, ohne jedweden Rechtsschutz. Und die Bundeskanz-lerin steht da und winkt nur lächelnd in die Kameras. Das ist für mich untragbar. Und, klar, in solchen Situationen greife ich an!

In Umfragen dümpeln die Piraten aktuell bei gerade mal ma-geren drei Prozent. Warum schwächelt Ihre Partei so, ist die Anfangseuphorie im politischen Alltag untergegangen?

KN: Wir Piraten haben sicher unter dem starken Hype und dem schnellen Wachstum gelitten. Wenn ein Gruppe politisch engagierter Menschen sehr schnell wächst und sehr viele neue Leute dazustoßen, dann braucht es ein wenig Zeit, um sich selbst zu finden, um zueinander zu finden, um gemeinsame Regeln aufzustellen und diese auch einzuhalten. Ich habe aber auch beobachtet, dass wir schon vieles besser gemacht haben, was Strukturen und Umgangston angeht. Und jetzt greift die Piratenpartei auch wieder thematisch an.

»Bürgerrechte sind keine Verhandlungsmasse«

Was geben Sie denn als Wahlziel aus?KN: Deutlich über fünf Prozent! Dazu müssen wir ein-

fach unsere Haltung zu den wichtigen Themen überzeugend darstellen. Da ist noch so viel Luft nach oben. Und man sieht auch, dass die Themen, für die wir streiten, von den anderen Parteien überhaupt nicht ernsthaft aufgegriffen werden. Da gibt es nur Lippenbekenntnisse. Wir dagegen kümmern uns um die Bereiche Grundrechte und Überwachung. Das hat ja auch einen sozialen Aspekt, denn es trifft die sozial Schwa-chen immer zuerst. Denn Überwachung wird immer erst an den Schwachen ausprobiert. Nehmen wir beispielsweise die Hartz IV-Reform, die Agenda 2010, die Anti-Terror-Gesetze

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»Wir müssen die anderen vor uns hertreiben«Führende Pirat_innen im strassenfeger-InterviewI N T E R V I E W : A n d r e a s D ü l l i c k

– da hat sich Rot-Grün nicht gerade abgegrenzt von CDU/CSU und FDP und die Bürgerrechte nicht geschützt. Gerade deshalb braucht es eine Partei, die glaubwürdig ist. Die Piraten machen hier keine Kompromisse.

Wie wollen Sie denn die Wähler_innen für die Piratenpartei gewinnen?

KN: Viele Menschen wissen nicht genau, wofür die Piratenpartei steht. Das erleben wir oft an Infoständen. Da kommt man mit den Menschen ins Gespräch und viele sind dann sehr überrascht, dass wir schon ein sehr aus-gefeiltes Sozialprogramm haben, dass wir kon-krete Ideen zur Rentenpolitik haben. Oft wird gedacht, dass wir uns auf einzelne, ganz spezi-elle Themen fokussieren würden und zu ande-ren Bereichen nichts hätten. Aber das stimmt so nicht. Es braucht anscheinend Zeit, bis wir das nach außen nachvollziehbar kommunizieren können. Man darf nicht vergessen, wir sind keine Profis. Unsere Presseverantwortlichen machen in ihren Berufen meist etwas anderes: Sie sind Lehrer oder Sozialarbeiter. Die wenigsten sind Journalisten. Wir haben keine Spindoktoren im Hintergrund, die die große Strategie vorgeben. Wir haben Menschen, die Projekte machen wol-len. Und die setzen diese Projekte dann um und finden Leute, die sie dabei unterstützen. Das ist eher ein Von-unten-nach-oben und nicht das Oben-nach-unten-Prinzip.

Zuletzt sind die Piraten eher durch personelle Streitereien aufgefallen

Lena Rohrbach: Vielleicht hat es gerade den Anschein, als gäbe es besonders viele Graben-kämpfe in der Piratenpartei. Ich war in den ver-gangenen vier Jahren jeden Tag mehrere Stunden für die Partei aktiv und bin jetzt auf Platz 3 der

Berliner Landesliste. Ich kann über mich sagen, dass ich mich in der Partei vor etwa zwei Jah-ren das letzte Mal gestritten habe. Nur, darüber berichtet kein Journalist, weil das keine interes-sante Neuigkeit ist.

Dazu kommt: Die Medien und auch die Men-schen sind unsere Transparenz nicht gewohnt. Sie müssen sich erst daran gewöhnen, dass man bei den Piraten alles sieht und wahrnimmt, wäh-rend die anderen Parteien ihre Grabenkämpfe lieber hinter verschlossenen Türen austragen und versuchen, nach draußen eine perfekte Show abzuliefern. Wenn da ein Streit nach au-ßen dringt, ist es etwas ganz Dramatisches. Bei uns ist es dagegen nicht. Die Piraten sind nicht so zerstritten wie es manchmal scheint. Wenn je-mand mit Top-Down-Machtansprüchen auftritt, dann wehrt sich die Basis aber natürlich. Das ist dann auch richtig, wichtig und gesund.

KN: Bei uns führt der Vorstand nicht so viel. Es ist nicht gewollt, dass der Vorstand den Mit-gliedern diktiert, was zu tun oder was zu lassen ist. Wir werden eher von der Basis geführt. Und das ist ganz gut so. Wir setzen um, was auf unse-ren Parteitagen beschlossen wird. Es gibt sicher einen gewissen Spielraum für den Parteivorstand im Wahlkampf, aber eigentlich haben uns selbst da die Mitglieder klare Vorgaben gemacht. Es gab eine Umfrage, welche Themen im Wahl-kampf ganz oben stehen sollen. Das haben die Mitglieder dann entschieden, und wir setzen das jetzt um. Wenn wir sagen, wir treten mit einem neuen Politikansatz an, dann kann man es nicht wie die anderen Parteien machen, den Mitglie-dern z. B. von oben aufzudrücken, was der Spin-doktor im Wahlkampf richtig findet.

Schauen wir uns mal das Wahlprogramm der

01 Piraten mischen alte Parteienstruktur auf

02 Katharina Nocun Quelle: Piratenpartei

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Piraten an. Erst an fünfter Stelle kommt Arbeit und Soziales. Warum?

KN: Viele unserer Programmpunkte bedin-gen einander. Wenn wir z. B. auf Hartz IV und die diversen Gesetzesänderungen dazu in den ver-gangenen Jahren schauen, dann haben Grund-rechte und Datenschutz oft große Schnittmen-gen mit sozialen Fragen. Schaut man sich an, wie lückenlos Hartz IV-Empfänger ausgespäht wer-den dürfen, die Sozialbehörden seit einiger Zeit sogar die Kontodaten dieser Menschen abrufen dürfen, ohne dass derjenige davon erfährt, das sind alles Sachverhalte, wo es diese Berührungs-punkte gibt. Und nur, weil bei uns bei der Ge-wichtung dessen, was im Wahlkampf ganz oben steht, das Soziale nicht ganz vorn auftaucht, bedeutet das nicht, dass wir dieses Thema ver-nachlässigen.

Wir haben auf unserem letzten Parteitag ein sehr breites Sozialpaket verabschiedet. Wir fordern konkrete und kompromisslose Schritte zu einem bedingungslosen Grundeinkommen. Das ist echt mutig, weil keine andere Partei – nicht mal die »Linke« – sich dafür ausgesprochen hat, das zu probieren. Wir überlegen, wie sind die Struk-turen zurzeit, und wie können wir etwas ganz Neues strukturieren. Wir haben beim Grundein-kommen den Grundsatz: Die Würde des Men-schen ist unantastbar!

Und zu einem würdevollen Leben gehört zualler-erst einmal die ökonomische Existenzsicherung. Und wir müssen als Staat akzeptieren, dass wir in einer Wirtschaft leben, in der es, langfristig betrachtet, keine Vollbeschäftigung geben wird. Wir müssen prüfen, wie wir mit atypischen Be-schäftigungsverhältnissen umgehen, z. B. mit Zeitarbeit etc. Wir haben derzeit ein Sozial- und

Bildungssystem, das auf dem Berufs- und Famili-enbild der 50iger, 60iger Jahre aufbaut. Und das tut ganz oft ganz vielen Menschen weh. Oder, wenn man längere Zeit keine Arbeit hat oder eine Umschulung machen muss, dass man da schon fast in eine kriminelle Ecke gedrängt wird, dass man ausgeforscht wird. Es ist schwierig, wenn man eine Familie gründen möchte und daneben auch arbeiten will. Das komplette System hat an vielen Punkten Schwachstellen, weil immer nur daran herumgeschustert wurde. Wir wollen da-gegen ein ganz neues Sozial- und Bildungssystem etablieren.

Bei Hartz IV sollten die Sanktionen abgeschafft werden, weil sie hochgradig diskriminierend sind. Menschen haben ein Recht auf die Siche-rung ihrer Existenz, auch ökonomisch. Ich habe mir mal die datenschutzrelevanten Punkte von Hartz IV angeschaut und ich war schockiert, dass Denunziationen vorgenommen werden können, dass großflächig Daten ausspioniert werden kön-nen, dass sie schikaniert werden können. Das ist gegen die Menschenwürde.

LR: Deshalb wollen wir ja auch mittelfristig das bedingungslose Grundeinkommen einfüh-ren, dass den Menschen ihre Würde zurückgibt, deutlich über Hartz IV liegt und das auch gesell-schaftliche Teilhabe ermöglicht. Über die Ein-führung des Grundeinkommens sollte es Volks-entscheide geben, die Finanzierung sollte in einer Enquete-Kommission beraten werden.

Internet, Netzpolitik und Artverwandtes, Bil-dung und Forschung, Innen- und Rechtspoli-tik sind weitere Schwerpunkte der Piraten im Wahlprogramm. Wo liegt die größte Kompe-tenz Ihrer Partei, womit können Sie bei den Wähler_innen punkten?

KN: Der große Überbegriff bei den Piraten ist Freiheit. Die Freiheit, sein Leben so zu be-stimmen, wie man es selbst möchte. Wir haben als Menschen alle Ecken und Kanten, den Durch-schnittsmenschen gibt es nicht. Der Staat sollte sich möglichst wenig in das Leben der Menschen einmischen. Mit einer Ausnahme: Wenn die so-ziale Existenz nicht gesichert ist, dann muss der Staat eingreifen. Aber im Bereich Grundrechte, Internet, Familienmodelle sollte sich der Staat raushalten und die größtmögliche Freiheit für seine Bürger schaffen, damit jeder Mensch selbst entscheiden kann, wie er leben möchte.

LR: Die Piraten sind momentan die Partei, die sich am intensivsten nicht nur mit politischen Inhalten auseinandersetzt, sondern auch mit der Art und Weise, wie man heute Politik machen kann mit den neuen technischen Möglichkeiten. Wir betreten da an ganz vielen Stellen Neuland. Wir sind die erste Partei, deren Kommunikation man offen einsehen kann. Wir sind auch die erste Partei, die das Prinzip liquid democracy (Misch-form von repräsentativer und direkter Demokra-tie, Anm. der Red.) und liquid feedback (ange-meldete Benutzer können alle Inhalte sehen und an Abstimmungen teilnehmen, Anm. der Red.) ausprobiert. Wir machen Experimente, wir pro-bieren aus. Manchmal scheitern wir damit, oft stehen wir damit ganz gut da.

Welche Koalitionen sind für die Piratenpartei denkbar?

KN: Momentan ist es ja so, dass sich jeder Wähler für eine Partei entscheidet mit ganz be-stimmten Forderungen. Dann treffen sich die Parteien nach der Wahl hinter verschlossenen Türen und dabei kann es passieren, dass be-stimmte Forderungen in einem Kuhhandel gegen etwas ganz anderes eingetauscht werden. Der Wähler weiß das nicht, er bekommt auch nicht mit, inwiefern darum gestritten wurde. Deshalb stehen wir grundsätzlich dafür, dass Koalitions-verhandlungen öffentlich stattfinden. Das wäre etwas ganz Neues.

Ein anderer Punkt ist, dass andere Parteien ein Problem mit uns haben, weil wir den Fraktions-zwang ablehnen. Koalitionen gehen aber davon aus, dass dieser Zwang ausgeübt wird, dass Ab-geordnete in vielen Fällen eben nicht nach ihrem Gewissen abstimmen, sondern nach Parteiräson. Umfragen dazu besagen, dass die Mehrheit der Wähler_innen nichts von diesem Zwang halten, sondern es lieber hätte, wenn ihre Abgeordneten nach ihrem Gewissen abstimmten.

Wir wollen, dass Politik nicht mehr zwischen Par-teigräben stattfindet, sondern es um Sachthemen geht. Wenn ein Antrag gut ist, dann stimmen wir dem zu, egal, von welcher Partei er kommt. Da macht z. B. die Linke einen guten Vorschlag, der steht 1:1 im Programm der Grünen, trotzdem wird er von den Grünen abgelehnt. Nicht wegen des Inhalts, sondern wegen parteistrategischer

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Gedanken. Ganz viele Menschen finden in der Politik extrem ärgerlich, dass im Parlament nicht mehr miteinander geredet wird und versucht wird, gemeinsame Lösungen zu finden, sondern dass oft ganz viel kleinliche Parteipolitik gemacht wird, dass Machtspiele betrieben werden.

»Personenkult? Das ist eure Sache«

Wie positionieren sich die Piraten zu Obdachlosigkeit und Armut in Deutschland?

KN: Wir wollen ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen, unabhängig davon ob jemand zuvor arbeitssu-chend war, Hartz IV bekommen hat. Dieses Bürgergeld würde jeder bekommen. Damit könnten wir ganz viele Probleme lö-sen. Wir brauchen aber auch ganz klar eine Stärkung der so-zialen Arbeit. Viele Projekte sind hier unterfinanziert, es wird an der falschen Ecke gespart. Nehmen wir die Kriminalitäts-bekämpfung: Da wird lieber in Videoüberwachung investiert, als zu sagen, wir stecken mehr Geld in soziale Prävention oder in Bildung. Diese Tendenz wollen wir umkehren.

LR: Hier bei uns in Berlin kommt gerade die Problematik der steigenden Mieten hinzu. Es gibt immer mehr Menschen, die in schwierigen Wohnverhältnissen leben, die ihre Woh-nung verlassen müssen, die es nicht schaffen, eine neue Woh-nung zu finden. Deshalb fordern wir den Erhalt preiswerter Wohnungen.

KN: Der Staat darf sich auch nicht aus dem sozialen Wohnungsbau zurückziehen. Gerade in so großen Städten wie Berlin und Hamburg ist dieser Mietpreiswucher ein ganz massives Problem. Menschen mit normalem Einkommen fin-den oft keinen erschwinglichen Wohnraum mehr. Vertreibung aus den angestammten Lebensräumen ist nicht akzeptabel.

Sie beide kommen aus Niedersachsen und aus Berlin. Dort werden die sozialen Straßenzeitungen »Asphalt« und »stras-senfeger« verkauft. Kaufen und lesen Sie Straßenzeitungen?

KN: Ja, manchmal. Ich habe auch mal in Hamburg-Altona in einem Obdachlosenprojekt ausgeholfen. Ich finde solche Sachen klasse, weil diese Menschen damit ein eigenes Projekt haben, das cool ist, das zeigt: Hallo, ich habe auch das drauf!

LR: Ich kaufe den strassenfeger grundsätzlich immer! Das führt oft dazu, dass ich ihn mehrfach habe und dann ver-suche, ihn an andere Leute weitergebe.

Frau Nocun, die große Selbstinszenierung soll Ihnen fremd sein. Ihr Gesicht wollen sie im Wahlkampf nicht auf Plakat-wänden sehen? Wie soll das gehen? Wahlen gewinnt man leider nicht nur über Inhalte!

KN: Ich stehe nicht so gern in der Öffentlichkeit um der Öffentlichkeit selbst willen. Nicht alle Interviews machen mir Spaß. Doch das ist Teil des Jobs. Mein Privatleben halte ich aber völlig raus. Ich bin jemand, der am liebsten thematisch arbeitet. Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich einen Akten-berg vor mir habe und abarbeite. Ich stehe für Themen, die extrem wichtig sind für die Zukunft unserer Demokratie und dass wir uns jetzt damit auseinandersetzen müssen. Das ist der Grund, aus dem ich für diesen Posten kandidiert habe. Ich befürchte, dass wir In Deutschland momentan politisch vollkommen auf dem Holzweg sind, insbesondere in den Be-reichen Soziales und Grundrechte.

LR: Ich finde, wenn die Menschen wissen wollen, wer ist dieser Politiker eigentlich, den wir da wählen sollen, dann

ist das berechtigt. Einen Spitzenkandidaten wollen sie ken-nenlernen. Sie wollen wissen: Ist er immun gegen Korruption und wird er sich an seine Versprechen halten? Insofern finde ich es für mich in Ordnung, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Schwierig wird es, wenn die Inhalte völlig in den Hintergrund treten und es wie bei der CDU nur noch um die eine Person geht und das Programm gar nicht mehr relevant ist.

Sie kritisieren die »schöne Scheinheiligkeit« im Wahlkampf, die »Inszenierung und Personalisierung von Politik«. Was wollen Sie anders machen?

KN: Ein gutes Beispiel sind Parteitage. Es gab Trends zur Amerikanisierung des Wahlkampfs, der mit Gerhard Schröder (SPD) und dem Wechsel zu Rot-Grün begonnen hat. Schrö-der hat sich z. B. sogenannte Spindoktoren geholt. Das führte dazu, dass Parteitage immer mehr für die Außenwirkung da sind. Es wird auf alles geachtet, angefangen von der farblichen Abstimmung. Es muss ein Gesamtkonzept dahinter stehen.

Unsere Parteitage sind anders. Bei uns geht es darum, dass die Mitglieder zusammenkommen und gemeinsam Entscheidun-gen treffen. Für uns ist Demokratie lebendig und hat wenig mit aalglatter Oberfläche zu tun. Demokratie gibt es manch-mal auch Streit um eine Sache, manchmal werden Argumente kontrovers ausgetauscht. Das ist aber auch das Spannende daran. Das Wesen der Demokratie besteht ganz sicher nicht darin, immer nur aalglatte, schön geschliffene Reden zu hal-ten. Genau das nervt viele Menschen: Sie sehen oft nur noch Politiker im Fernsehen, die die ihnen gestellten Fragen über-haupt nicht beantworten, sondern einfach etwas ganz anderes erzählen. Das prägt das Bild des Politikers und führt zur Po-litikerverdrossenheit. Politik ist eben kein durchoptimiertes Produkt aus der Wirtschaft oder der Wahlwerbung. Diese Fassade in der Politik müssen wir abkratzen und zeigen, wo-rum es wirklich geht. Wir müssen die Parteien und Parlamente stärker öffnen, damit man hinter die Kulissen gucken kann. Dafür stehen wir Piraten!

03 Piraten auf Wahl-kampftour Quelle: Piratenpartei

04 Katharina Nocun und Lena Rohrbach zu Gast beim stras-senfeger Foto: Andreas Düllick

©VG Bild-Kunst

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 201322 | TAUFRISCH & ANGESAGT K u l t u r t i p p s

04 AUSSTELLUNG

SICHTZONE Ausstellung der Kunsthochschule Berlin-Weißensee im HO | Berlin – Abschlussarbei-ten Visuelle Kommunikation

Das Fachgebiet Visuelle Kommu-nikation an der Kunsthochschule Berlin Weißensee erlebt seit Jahren einen starken Zulauf. Jedes Jahr bewerben sich Hunderte junger Leute um einen der 15 Studien-plätze. In diesem Jahr stellen die Studierenden im Rahmen des Rundgangs erstmals ihre Bachelor-, Diplom- und Meisterschülerarbei-ten außerhalb der Kunsthochschule aus. Mit der Extra-Ausstellung im Rahmen des Rundgangs – Tage der offenen Tür soll die Qualität der Abschlussarbeiten besonders ge-würdigt werden. Der Ausstellungs-titel spielt auf die frühere Nutzung des Ortes an, auf die Warenan-ordnung in den Regalen in Bück-zone, Streckzone und Sichtzone. Ausgestellt werden Zeichnungen, Fotografien, Plakate, Bücher, Schriften, Filme und Animationen.

12. – 16. Juli 2013, täglich 12 – 20 UhrEröffnung: 11. Juli 2013, 18 Uhr

HO | Berlin, Holzmarktstraße 66, 10179 Berlin, U und S Jannowitzbrücke

Bild: © Lars Hübner, »Down Under«

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01 FESTIVAL

Kunst am SpreeknieKunst am Spreeknie – das bedeutet Künstler und Krea-tive aus aller Welt in einem pulsierenden Netzwerk: Das Schöneweide Art Festival startet in diesem Jahr in die sechste Runde mit zehn Tagen vollem Programm. Design und Kultur gibt es vor allem am 12. und am 13. Juli in der Werkschau der Hochschule für Technik und Wirtschaft oder kurz HTW Berlin. Insbesondere am 20. und am 21. Juli öffnen Künstler in Schöneweide ihre Ateliers für Besucher. Und am 21. Juli, dem letzten Tag des »Kunst am Spreeknie« Schöneweide Art Festival findet die so genannte JazzGalerie statt – natürlich zugänglich für Jazzliebhaber.

Vom 12. Juli bis zum 21. Juli, Eintritt frei!www.kunst-am-spreeknie.de www.facebook.com/KunstAmSpreeknie

Bild: © www.kunst-am-spreeknie.de

03 LESEBÜHNE

Lesetresen Café CralleDas Konzept des Lesetresens vom »Café Cralle« lässt sich schnell erklären. Jeder ist willkommen, ob als Gast oder Vortragender. Zu jeder vollen Stunde darf eine Viertelstunde vorgetragen werden. Länger allerdings nicht, aber kürzer schon! Doppellesungen, sprich zwei Termine an einem Abend, sind nicht Teil des Konzep-tes, genauso wie Fortsetzungen über mehrere Abende. Gelesen werden darf alles. Egal ob Selbst- oder Fremdverfasstes: Lyrik, Prosa, Essay, Roman, Drama, Komödie, Kochbücher, Tagebücher, Telefonbücher, Zeitung, Stadtplan und alles, was einem noch so einfällt, kann vorgelesen werden. Inzwischen haben sich allerdings auch schon Liedermacher, Perfor-mer, Tubisten oder Violinisten vorgestellt. Ein Termin zum Vortragen sucht sich jeder selbst aus. Es stehen fünf am Abend zur Auswahl. Wer selbst etwas vortragen möchte im »Café Cralle«, sollte einfach vorbeigehen und in das dortige Terminbuch reinschauen und sich verbindlich eintragen. Zwischen den Lesungen läuft im Café der normale Betrieb mit Bestellungen usw.

Montags, ab 21 Uhr | Eintritt frei!Café Cralle | Hochstädter Str. 10a |13347 BerlinKontakt: [email protected]: www.lesetresen.de

Bild: © www.heinermonroe.files.wordpress.com

02 F INISSAGE

50 5026 Künstler – ein Format kreiert eine Plattform für Künstler und Kunstinteressierte, um einen Austausch rund um die Kunst zu schaffen. Zum einjährigen Geburtstag der Galerie wurde eine Sonderausstellung aller Künstler der Galerie eröffnet. Hierbei blieb der jeweilige Künstler anonym, sodass der Besucher sich einzig und allein auf das Kunst-werk konzentrieren kann. Alle Künstler der Galerie haben einen Keilrahmen der gleichen Größe (50 x 50 cm) bear-beitet. Das Resultat ist eine Vielfalt verschiedenster Stile, Techniken und Motiven. Die Sonderausstellung mit dem Titel »50 50« ist bis zum 13. Juli zu sehen und an demsel-ben Tag findet auch die Finissage in der Galerie statt.

Finissage am 13. Juli um 17 Uhr | Eintritt frei!Dienstag bis Samstag, 14 – 19 Uhr | Galerie Kunst-Projekt Forma:t | Bülowstr. 52 | 10783 Berlin

Info und Bild: © www.kpf2012.com

skurril, famos und preiswert!Kulturtipps aus unserer RedaktionZ U S A M M E N S T E L L U N G : L a u r a

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 2013 TAUFRISCH & ANGESAGT | 23 K u l t u r t i p p s

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VORSCHLAGENSie haben da einen Tipp? Dann senden Sie ihn uns an: [email protected]

Je skurriler, famoser und preiswerter, desto besser!

07 THEATER

Theater ohne Probe im Sinne von BrechtEs gibt große Autoren, die das Theater maß-geblich beeinflusst und verändert haben. Bertolt Brecht mit seinem Epischen Theater, Gotthold Ephraim Lessing mit seiner Ham-burger Dramaturgie und Aristoteles mit seinen Gedanken zur Tragödie in der Poetik. Das »Theater ohne Probe« hat sich in die Theo-rie vergraben und zeigt nun monatlich in der Brotfabrik Berlin improvisierte Stücke »Im Sinne von…« Denn was könnte spannender sein, als aktuelle Themen in der Form von Brecht, Lessing oder der griechischen Tragödie zu sehen? Diese Herangehensweise bereichert nicht nur die Improvisation, auch die Ansprü-che an Inhalt und Form verändern die Sicht auf die Dinge. »Theater ohne Probe« verspricht einen aufregenden Abend mit purem Theater, dessen Entstehen man miterleben kann.

Am 18. Juli, um 20 Uhr | Eintritt: 10 EUR, 7 EUR ermäßigtKartenreservierung unter 030 – 471 400 102 oder [email protected]

Brotfabrik | Caligariplatz | 13086 Berlin Info: www.brotfabrik-berlin.de

Bild: © elbansichten

05 AUSSTELLUNG

Ars ElectronicaDie vierte Ausstellung der Linzer Medienkunstplattform Ars Electronica und des Volkswagen Automobil Forum in Berlin verknüpft vom künstlerischen Ausdruck mit intelligen-ter Technologie in einer spannungsvollen Erlebniswelt von Natur und Wissenschaft. Inwieweit können wir natürliche Vorgänge so perfekt nachahmen, dass wir von einer zwei-ten, technologiegesteuerten Natur reden können? Und wer kann noch ganz genau unterscheiden, was in unserem Leben künstlich oder natürlich ist? Bei der Ausstellung dreht sich alles um die Frage, was historisch, gegenwärtig und zukünf-tig jene bestimmenden Faktoren sind und sein werden, die Natürliches und Künstliches im alltäglichen Leben er-kennbar und erlebbar machen. 14 internationale Künstler bieten verschiedene und oftmals unkonventionelle Zugänge und Assoziationen zum Thema »Natur versus Technik« an.

Noch bis zum 28. Juli, Mo bis So, 10 – 20 Uhr | Eintritt frei!

Automobil Forum Unter den LindenUnter den Linden 21 | 10117 Berlin

Info und Bild: © www.volkswagenag.com

08 KABARETT

Wie geschmiertDas »Kabarett Distel« treibt es wieder mal auf die Spitze: Beraten und Gekauft! Es ist ein offenes Geheimnis – Lobbys sind die fünfte Gewalt im Staat. Früher betrieben sie noch leise Schattenpolitik in der Grauzone, heute geben sie lautstark den Ton an. Die Politiker tanzen nach ihrer Pfeife. Die Wirt-schaft hält sie beim Tango Korrupti fest umschlungen. Volksvertreter oder Volksverräter? Die Banken-rettung gilt als »alternativlos«, Staatsbesuche unserer Spitzen-politiker mutieren hie und da zu Geschäftsreisen deutscher Waf-fenfirmen und das Gesundheitsmi-nisterium ist inzwischen eher eine Abteilung der Pharmaindustrie. Die Drehtür läuft wie geschmiert! Schröder sah seine Kanzlerschaft als Praktikum für Gazprom. Ein Landeschef zappelte schon in seiner Amtszeit als »EnBw«-Marionette in seiner eigenen Mappus-Show. Und Frau Merkel? Landet sie im Berliner Flughafen-Vorstand? Abgehobene Politik mit garan-tierter Bruchlandung – das kann sie jetzt schon. Wir werden regiert wie geschmiert! Für Lügen und Lobbyismus – immer bereit! Satire der besten Art!

15. bis 17. Juli, jeweils um 20 UhrEintritt: 14 – 28 EUR

Kartenbestellung unter 030 – 2044704 oder www.distel-berlin.de

Kabarett-Theater DistelFriedrichstraße 101 | 10117 Berlinwww.distel-berlin.de

Bild: © Marcus Lieberenz

06 F ILM

Freiluft-FilmDas Team vom »Rosengarten« zeigt im Sommer jeden Dienstag, im Juli jeweils ab 21 Uhr, bei eindeutig gutem Wetter einen Freiluft-Film in einem bezaubernden Ambi-ente - und mit verfügbaren Decken, die aber schnell weg sind. Besucher und Besucherinnen sollten daher schon frühzeitig erscheinen, um noch Decken abgreifen zu kön-nen. Der Eintritt zum Freiluft-Film ist frei, aber Spenden sind erwünscht. Das Projekt bittet außerdem auch durch Getränkekauf an der dortigen Bar zu unterstützen, damit weiterhin Filme am Dienstag gezeigt werden können. Der »Rosengarten« liegt am Weinbergsweg mitten im Park. Der Verein »Rosengarten e.V.« zeigt aber nicht nur Filme: Er lädt regelmäßig in den Sommermonaten von Mai bis Sep-tember zu vielen verschiedenen Kulturveranstaltungen ein.

Dienstags, ab 21 Uhr bei gutem WetterEintritt frei (Spende erwünscht)

Rosengarten | Im Volkspark am WeinbergswegWeinbergsweg 13 | 10119 Berlin

Info und Bild: © www.rosengarten-berlin.de

Page 24: Wasserstadt - Ausgabe 14/2013 des strassenfeger

01 Schlafraum für sieben Frauen

02 Büro der ehrenamtlichen Mitarbeiter

03 Viel Platz für Körperpflege

04 Hoffen auf eine eigene Wohnung

05 In unserer Notübernachtung hat jeder Gast einen eigenen Schrank

strassenfeger | Nr. 14 | Juli 201324 | AUS DEM VEREIN Ve re i n

Ein Tag in der NotunterkunftZwei Mitarbeiter_innen der Notüber-nachtung berichten über ihre ArbeitB E R I C H T : S o p h i e L . & To m H . | F O T O S : A r c h i v s t r a s s e n f e g e r

Haben Sie sich heute bereits die Frage gestellt, wo Sie die kommende Nacht schlafen werden? Für die meisten von uns scheint die Antwort klar:

im eigenen Bett natürlich! Doch nicht für alle Menschen in Berlin ist das so klar. Nicht jeder hat ein eigenes Dach über dem Kopf, hat eigene vier Wände. Diese Menschen müssen sich Tag für Tag um eine neue Schlafmöglichkeit küm-mern. Eine Möglichkeit für sie, und ganz sicher nicht die schlechteste in Berlin, ist die Notüber-nachtung (NÜ) des Vereins mob – obdachlose machen mobil e.V. in der Prenzlauer Allee 87

V i e l z u w e n i g e B e t t e n , v i e l z u v i e l e H i l f s b e d ü r f t i g e

17 Uhr an einem ganz beliebigen Wochentag. Immer, wenn wir zu unserer sechsstündigen Schicht in die NÜ kommen, warten schon einige Menschen vor dem Eingang. Oft sehen wir dann dieselben, fragenden Gesichter. Und noch öfter müssen wir diesen Menschen sagen: »Momentan haben wir leider kein Bett frei.«

Während der Sommersaison stehen obdach-losen Menschen in Berlin lediglich drei Notun-terkünfte mit insgesamt 100–120 Betten zur Ver-fügung. Die Anzahl derer, die hilfebedürftig sind, ist jedoch viel größer. Ein Indiz dafür sind unsere Zahlen: Im vergangen Jahr haben 5.589 Über-nachtungen bei uns gezählt. Das entspricht ei-ner Auslastung unserer sieben Frauen- und zehn Männerbetten von 89,83 Prozent. Bettenanfra-gen, die wir ablehnen müssen, werden bei uns in einer Strichliste vermerkt. Im Schnitt kommen pro Tag drei Striche dazu, in Spitzenzeiten sogar bis zu 20.

Hier bei mob e.V. versuchen wir zuallererst zu helfen, indem wir obdachlosen Menschen für eine Nacht einen Schlafplatz zur Verfügung stel-len. Zudem haben unsere Gäste die Möglichkeit sich einfach mal unter die Dusche zu stellen, sich die Haare zu waschen, sich zu rasieren. Anders als in den anderen Berliner Notüber-nachtungen dürfen unsere Gäste einen Monat lang bleiben. Für viele von ihnen ist das ein ganz

besonderes, weil lange nicht mehr empfundenes Gefühl: Hier bei uns finden sie ein wenig Ruhe vom harten Alltag auf der Straße. Für uns, das ehrenamtliche Team der NÜ bleibt so auch ein wenig Zeit, unsere Bewohner_innen intensiver kennenzulernen. So können wir dann unseren Gästen, wenn sie es wünschen, konkrete Hilfe – z. B. Unterstützung bei der Wohnungssuche oder Begleitung bei Ämtergängen – anbieten.

S p r a c h l i c h e s Po t p o u r r i

Unsere Gäste in der Prenzlauer Allee 87 kommen mittlerweile aus aller Herren Länder. Früher war das anders, da haben vor allem Menschen aus Deutschland einen Schlafplatz für die Nacht bei uns gesucht. Heute nutzen unser Hilfsangebot zwar immer noch überwiegend deutsche Ob-dachlose (54 Prozent im Jahr 2012). Doch gerade durch die EU-Ost-Erweiterung und die damit verbundene Armutsmigration kommen jetzt Hil-fesuchende aus Polen, Rumänien, Bulgarien und den baltischen Republiken. Aber sogar Menschen aus den USA oder aus Spanien haben schon bei uns übernachten können. Unsere Notübernach-tung ist sozusagen multikulturell: Es halten sich stets Menschen vieler Nationen hier auf – und das ohne größere Zwischenfälle. Bei Verständigungs-schwierigkeiten vermitteln oft andere Gäste. Oder es kommen Hände und Füße zum Einsatz. Das Problem der Armutsflüchtlinge aus Rumänien und Bulgarien wurde zuletzt viel in den Medien diskutiert, kritisiert und skandalisiert. Für unsere Notübernachtung lässt sich sagen, dass bei weitem nicht so viele Rumänen und Bulgaren unsere An-gebote annehmen, wie man vermuten könnte.

Wa r u m w i r u n s i n d e r N Ü e n g a g i e re n

Sophie: Dass ich hier in der Notübernachtung gelandet bin, hat sich eher zufällig ergeben. Eine Zeit lang konnte ich mir meinen Alltag frei eintei-len und habe nach einer neuen Aufgabe gesucht. Ich wollte in eine mir fremde Lebenswelt eintau-chen: in die wohnungsloser Menschen. Per Inter-netrecherche bin ich bei mob e.V. gelandet. Die

01

TRÖDELPOINTMöbel, Haushaltsgeräte, Küchen, Hausrat, Wohndeko, Geschirr, Fern-seh-/ Videogeräte, CDs, Schallplat-ten, Bücher, allerlei zum Stöbern, Nostalgisches und Kurioses

Montag bis Freitag 8.00 – 18.00 UhrPrenzlauer Allee 87, 10405 Berlin

Telefon: 030 - 246 279 [email protected]

Die Bedürftigkeit muss unaufgefordert nachgewiesen werden!

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 2013 AUS DEM VEREIN | 25 Ve re i n

Arbeit mit den hilfesuchenden Menschen hier hat mir trotz aller immer wieder auftretenden Probleme gefallen – und so bin ich geblieben.

Tom: Ausschlaggebend für mein Engagement hier bei mob e.V. war ein Erlebnis an einem Winterabend vor zwei Jahren. Bei ziemlich harten Minustemperaturen musste ich mehr als 30 Minuten lang auf die nächste S-Bahn warten. In meinen Gedanken freute ich mich schon auf mein warmes Bett zu Hause. Dann fragte mich ein Hilfebedürftiger nach etwas Kleingeld. Da habe ich beschlossen, mehr zu tun.

Hier in der NÜ sind wir zurzeit rund 20 Mitarbeiter_in-nen. Alle arbeiten durchweg ehrenamtlich, zumeist nur einmal pro Woche. Dies macht eine konstante Arbeit etwas schwierig: Die Bewohner_innen haben keine feste Ansprechperson, und wir kennen nicht immer alle Gäste, weil sich seit dem letzten Dienst vieles getan haben kann. Dennoch gelingt es uns oft-mals, diese Anonymität aufzubrechen. Wer ein offenes Ohr benötigt, bekommt es. Schon so manche Geschichte haben wir erfahren – Lebensgeschichten, die kurios, erschreckend, span-nend, traurig und manchmal auch lustig sind.

D i e H o f f n u n g s t i r b t z u l e t z t

Bevor unsere Schicht um 23 Uhr endet, klingelt noch einmal das Telefon. Alle Betten sind belegt, und wir müssen den Wunsch nach einer Schlafmöglichkeit leider wieder einmal ablehnen. Wir machen einen Vermerk in der Liste für Bettenanfragen. Es ist der vierte Strich für heute. Jeder Einzelne steht für einen Menschen in Not, den wir wieder weg schicken mussten. In solchen Mo-menten wird uns bewusst, dass auch unser Idealismus ein Stück weit der Erkenntnis weichen muss, dass wir nicht allen helfen können. Allerdings müssen wir auch immer wieder erfahren, dass nicht jeder unsere Hilfe auch annehmen möchte.

Dann ist Feierabend. Wir gehen mit der Hoffnung nach Hause, etwas bewirkt zu haben, geholfen zu haben. Und wenn uns das gelungen ist, dann gibt es manchmal auch ein kleines Lächeln unserer Gäste für uns. Das aber kommt von ganzen Herzen!

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 201326 | TAUFRISCH & ANGESAGT S p o r t

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 2013 TAUFRISCH & ANGESAGT | 27 S p o r t

Seit vergangenem Samstag rollt zum 100. Mal die Tour durch Frankreich. Anlass für einen – trotz anhaltender Dopingdis-kussionen - gewaltigen medialen Wirbel

um das legendärste und schwerste Radrennen der Welt. Wer jenseits mehrere hundert Seiten dicker Fakten– und Statistiksammlungen nach fesselnden Geschichten aus 110 Jahren Tour sucht, der ist mit einem kürzlich erschienenen Buch - genauer gesagt Graphic Novel - aus dem Hause »Covadonga« bestens bedient.

Im 144 Seiten langen Comic-Buch »Un-möglich ist kein französisches Wort« zeichnet der niederländische Cartoonist und Illustrator Jan Cleijne in zehn chronologisch angeordneten Kapiteln in eindrucksvoller Bildsprache eine wunderbare Hommage an das geschichtsträch-tige Radrennen. Kaum ein anderes sportliches Großereignis hat mehr strahlende oder tragische Helden, Renndramen, Mythen und Skandale hervorgebracht als die »Grande Boucle (Große Schleife)«. Auch Cleijne widmet sich in seiner Graphic Novel den Legenden der Vergangenheit und interessanten, zum Teil witzigen, Anekdo-ten, die den besonderen Charakter der Rundfahrt – insbesondere der Anfangsjahre - beschreiben.

G a b e l b r u c h v o n E u g é n e C h r i s t o p h e & H e ro i s c h e r K a m p f v o n G i n o B a r t a l i

Etwa die Geschichte von Eugéne Christophe, der 1913 nach Gabelbruch auf einer Abfahrt und stundenlangem Fußmarsch eigenhändig in einer Schmiede sein Fahrrad reparieren musste. Oder die heroische Episode mit dem italienischen Rad-

rennfahrer Gino Bartali, der 1948 aus aussichtsloser Position das Ruder mit drei hintereinander folgenden Etappensiegen in den Alpen noch herumreißen konnte und so das Vaterland vor einem Bürgerkrieg bewahrte.

Aber auch die Giganten der Tour, die fünfmaligen Ge-winner Jacques Anquetil, Eddy Mercks, Bernard Hinault und Miguel Indurain werden von Cleijne auf fesselnde Art und Weise graphisch in Szene gesetzt. Sei es nun in den Bergen mit fast zehnprozentigen Steigungen, auf brutal schnellen Abfahrten oder allein im Kampf gegen die Uhr: immer ist der Leser beziehungsweise Betrachter der mit feinem Strich ge-zeichneten Panels hautnah bei den Helden der Landstraße.

D i e To u r u n d d a s D o p i n g

Natürlich kommt auch Jan Cleijnes Graphic Novel nicht um-hin die Dopingfälle der Tour - insbesondere die der letzten 15 Jahre - zu thematisieren. Das bei einer Hochleistungsrund-fahrt, wie es die »Tour de France« ist, immer auch schon leis-tungssteigernde Mittel im Spiel waren, zeigt schon die vom Journalisten Albert Londres 1924 aufgezeichnete Doping-beichte der Brüder Henri und Francis Pélissier. Die bevorzug-ten Dopingmittel der Peladeure damals: Chloroform, Koffein, Kokain, Alkohohl.

Heute, in Zeiten von Blutdoping und Epo, sind solche Mittel nicht mehr vonnöten. Ob die aktuellen Fahrer der »Tour de France« die klassischen Anstiege auf den Mont Ven-toux und nach l’Alpe d’Huez – in diesem Jahr zum ersten Mal an einem Tag zweimal zu fahren – ohne unerlaubter Hilfsmit-tel bewältigen, steht in den Sternen. Amateurradrennfahrer Jan Cleijne glaubt jedenfalls an eine Selbstreinigung der Tour.

Ein grandios gezeichnetes Comic-Book über die »Tour de France«, die immer wieder ins Gerede kommt, aber of-fenbar nie ihre Faszination auf Fahrer, Sponsoren und das Publikum verliert.

I N FO

Jan Cleijne: »Unmöglich ist kein französisches Wort. Die Geschichte(n) der Tour de France« Covadonga Verlag 2013, Preis 19,80 Euro.

Faszination »Tour de France«Jan Cleijnes packendes Comic-Buch »Unmöglich ist kein französisches Wort« über die Geschichte des wich-tigsten Straßenradrennens der WeltR E Z E N S I O N : C h r i s t o p h M e w s A B B I L D U N G E N : © J a n C l e i j n e / C o v a d o n g a V e r l a g

Page 28: Wasserstadt - Ausgabe 14/2013 des strassenfeger

500 Millionen Euro aus Bundesmitteln

34 Millionen Euro vom Land Berlin

80 Millionen Euro durch den Förderverein Berliner Stadtschloss e.V.Stadtschloss Grafik: Guido Fahrendholz

strassenfeger | Nr. 14 | Juli 201328 | AUS DEM VEREIN s t r a s s e n fe g e r r a d i o

Palast oder SchlossJoachim Gauck besiegelt mit der Grundsteinlegung den Bau des Berliner StadtschlossesT E X T : G u i d o F a h r e n d h o l z

Nur wenige Themen wurden in der Stadt mit der altbekannten Berliner Schnauze so vehement und vielschichtig diskutiert, wie die Errichtung des Neuen ‚alten‘ Berliner Stadtschlosses an his-torischem Ort in Berlins Mitte. Als Bundesprä-

sident Joachim Gauck am 12. Juni 2013 mit dem traditionel-len Hammerschlag der Grundsteinlegung des Hauses einen hochoffiziellen Rahmen verlieh, schienen die argumentativen Querelen für ein paar Momente vergessen. Tatsächlich sind die Diskussionen über die Baufinanzierung und die zukünftigen Nutzungsrechte gerade auch unter den Anhängern des Baus höchst umstritten. Das wollten wir genauer wissen und fragten live im strassenfeger radio nach.

E i n e W i e s e i s t ke i n Sy m b o l

Ernst Wolf Abée ist Mitinitiator von www.schloss-freiheit.de und sah die Zukunft und Nutzung des Schlossplatzes in der ja schon angelegten, nun aber weichenden Wiese. »Tatsächlich hat man die Idee, das Stadtschloss wieder zu errichten, nur da-für gebraucht, um den Palast der Republik abreißen zu dürfen. Es gibt schon ausreichend Schlösser in Berlin, die meist nur schwer zu bewirtschaften sind. An dieser Stelle hätte es Berlin gut getan, wenn man auf der Wiese, die die Berliner in den ver-gangenen Jahren erleben durften und reichlich frequentiert haben, einfach noch ein paar Bäume gepflanzt hätte.« Dem halten die Befürworter des Projektes gern entgegen, dass die Errichtung des Schlosses ein Symbol für die wachsende Ein-heit Deutschlands wäre und auch der historischen Wert dieses Neubaus, in seinem Standort begründet liegt.

E i n S c h l o s s o h n e K u p p e l ?

Ein hehres Anliegen, aber durchgesetzt um jeden Preis? Da wird mit Zahlen jongliert, bis es dem gemeinen Steuerzahler schwindlig wird. Dazu noch einmal Ernst Wolf Abée: »Be-kannt ist ein geplantes Budget von 590 Millionen Euro, darin ist aber die Kuppel des Schlosses noch nicht mitfinanziert.

Knapp 500 Millionen davon trägt der Bund. 80 Millionen will der Förderverein Berliner Stadtschloss e.V. für die Fassade aufbringen, hat bisher aber nur etwa zehn davon in die Kasse gespült. Etwa 34 Millionen Euro kommen auf das Land Berlin für den Gesamtbau zu. Wobei der Bund bereits signalisierte auch noch die 80 Millionen für die Fassade des Projekts mit zu übernehmen.« Da macht ja schon die Addition der Einzelbe-träge nicht wirklich Sinn. Klingt für mich so als habe man aus dem Desaster von »BER« und »Stuttgart 21« wenig gelernt.

E i n D e n k m a l p e r G e b u r t

Bleiben da die Verhältnismäßigkeiten eigentlich noch ge-wahrt? Ein Beispiel: Gebäude der öffentlichen Hand werden nach dem Preis für einen Quadratmeter Nutzfläche kalkuliert. Das teuerste öffentlich finanzierbare Gebäude ist demnach ein Theater mit maximal 5 000 €/m². Museen kosten dagegen durchschnittlich etwa nur die Hälfte davon. Beim Berliner Stadtschloss kalkuliert man mit 15 000 €/m². Rollende Augen und nur ein paar Informationen hinter vorgehaltener Hand erntete ich bei meinen Nachfragen unter Denkmalschützern. Die meisten Bauteile sind industriell gefertigt, tatsächlich alte Relikte werden nur im Innern öffentlich ausgestellt. Es wird etwas zum Denkmal dekretiert, von dem man annimmt, dass es einmal alt sein wird. Einer der Kollegen formulierte es so: »Ein Denkmal per Geburt! Das ist so pervers wie ein Klon!«

B e r l i n m i t h i s t o r i s c h e r M i t t e

Ganz anders sieht es Lür Waldmann von der »Initiative Stadt-schloss-Berlin«. »Architektonisch braucht Berlin das Schloss, um die historischen Sichtachsen wieder herzustellen.« Und genau das wollte seine Initiative ohne die Bezuschussung aus Mitteln von Bund und Ländern umsetzen. Faktisch vollkom-men privat finanziert und zusätzlich zu den drei Außenfassa-den, mit dem zusätzlich wieder aufgebauten Apothekerflügel an der Spreeseite. Dazu noch einmal Herr Waldmann: »Auch ein Humboldt-Forum hätte es gegeben, allerding nur auf der Hälfte der jetzigen Fläche, denn der überwiegende Teil des Schlosses sollte nach unseren Vorstellungen gewerblich ge-nutzt werden, um den Bau gegen zu finanzieren. Jetzt wird an gleicher Stelle ein modernes Museumsgebäude errichtet mit drei historisierenden Fassaden. Das kann man kein Schloss nennen!« Tatsächlich wurde die Initiative Berliner Stadt-schloss nach der Ablehnung ihres Entwurfs, bei den folgen-den Entwicklungen nicht mehr mit beteiligt.

Der »Förderverein Berliner Stadtschloss e.V.«, dessen Bauförderung in Höhe der geplanten 80 Millionen Euro inzwischen ebenfalls fraglich ist, scheint allenthalben der große Gewinner zu sein. Er war für uns dann aber doch zu keiner Stellungnahme bereit.

I N FO

strassenfeger RadioMittwochs 17 – 18 Uhr auf »88vier - kreatives Radio für Berlin«

UKW-Frequenzen 88,4 MHz (Berlin),90,7 MHz (Potsdam & Teile Brandenburgs)

Page 29: Wasserstadt - Ausgabe 14/2013 des strassenfeger

strassenfeger | Nr. 14 | Juli 2013 AUS DEM VEREIN | 29 R a t g e b e r

I N FO

Mehr zu ALG II und SozialhilfeDer neue Leitfaden ALG II/Sozialhilfe von A–Z (Stand Juni 2011)

› erhältlich für 11 EUR im Büro des mob e.V., Prenzlauer Allee 87, oder zu bestellen bei: DVS, Schumanstr. 51, 60325 Frankfurt am Main,

› Fax 069 - 740 169

› www.tacheles-sozialhilfe.de › www.erwerbslosenforum.de

ALLGEMEINE RECHTSBERATUNG

Rechtsanwältin Simone KrauskopfJeden Montag von 11.00 – 15.00 Uhr

im Kaffee Bankrott bei mob e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlin

Bei Bedürftigkeit wird von der Rechtsanwältin ein Beratungsschein beantragt. Bitte die entsprechenden Nachweise mitbringen. (z.B. ALG II-Bescheid)

Die Pressemitteilung zum Urteil (L 36 AS 2095/12 NK) vom 25.5.2013 des Landessozialgerichts Berlin-Branden-burg zur Normenkontrollklage zur

Prüfung der WAV (für Kosten der Unterkunft und Heizung) des Berliner Senats wurde im Ratgeber schon bewertet. Ich habe auch angekündigt, dass bei wesentlichen Neuigkeiten im Vergleich zur Presseerklärung, das Urteil noch einmal themati-siert wird.

Die Presseerklärung hob nur hervor, dass das Ge-richt die WAV wegen zu hoch angesetzter Heiz-kosten und falscher Ausnahmeregelungen für ungültig erklärt hat. Jedoch enthält das 50-seitige Urteil einige, für betroffene Mieter, positive Be-wertungen.

Noch einmal zur Erklärung: Die angemessene Miete setzt sich aus der Nettokaltmiete, den Betriebskosten und den Heizkosten zusammen. Jeder der drei Mietteile muss in der WAV einzeln ermittelt werden. Dafür gibt das Gesetz Vorga-ben, die eingehalten werden müssen. Der Berli-ner Senat hat sich für eine Gesamtmiete, die alle drei Teile beinhaltet, entschieden. Das Gericht bewertete die Heizkostenwerte als zu hoch, weil in der WAV eine Missbrauchsgrenze herangezo-gen wurde, die nicht dazu geeignet ist, einen an-gemessenen Heizbedarf darzustellen. Die daraus folgende Verzerrung ist so gravierend, dass die in der WAV ausgewiesene und als angemessen erachtete Gesamtmiete, keinen Bestand hat. Das Gericht erklärt, dass es nicht verpflichtet sei, da-rüber hinaus zu prüfen, ob weitere Fehler vor-lägen.

Darüber hinaus gibt das Gericht aber verschie-den Hinweise u.a. dass es auch möglich gewe-sen wäre, verschieden Vergleichsräume zu be-stimmen. Das wäre in Berlin mit seinem starken Mietpreisgefälle zwischen Innen-und Außenbe-zirken auch sinnvoll gewesen. Durch den Miet-einheitsbrei begünstigt es die Gettobildung in verschiedenen Randbezirken. Man erfährt in der Urteilsbegründung auch, dass der Normgeber der WAV erst die mittlere Wohnlage, anstatt der jetzigen einfachen, bevorzugt hatte. Erst mit der Einbeziehung der überhöhten Heizkosten wurde dann anstatt der mittleren die einfache Wohn-lage bevorzugt.

Neues zum Urteil des LSG Berlin-BrandenburgR A T G E B E R : J e t t e S t o c k f i s c h

Ebenfalls weist das Gericht darauf hin, dass sich der Normgeber erhöhten Aktualisierungspflich-ten aussetzt, wenn er auf einen relativ begrenzten Wohnungsbestand zurückgreift. Was der Senat ja gemacht hat, mit einfachem Standard in ein-facher Wohnlage. Das Gericht formuliert es so: »... liegt es nicht fern, ... den Rückgriff allein auf die Mietspiegelrohdaten (ortsübliche Vergleichs-miete zum Stichtag 1.9.2010) ohne nachgehen-den Abgleich mit anderen Quellen – für unzurei-chend zu halten.«

Das gleiche Problem sieht das Gericht bei den Be-triebskosten. Die greifen in der WAV auf die Daten der Betriebsko stenabrechnungen von 2009 zu-rück. Sie waren, schon als die WAV gültig wurde, drei Jahre alt. Sie sind bis heute (nach vier Jahren) nicht angepasst worden.

Das Gericht bemängelt: »Bei der Verschiebung zwischen Bruttokaltmiete und Heizkostenbedar-fen, die nach den Grenzwerten des Heizspiegels bestimmt sind, handelt es sich nicht um eine im Hinblick auf die betroffene Fallzahl nur randstän-dige Erscheinung. Dies zeigt die hohe Zahl der Bedarfsgemeinschaften für die Bedarfe für Un-terkunft und Heizung über der Richtwertgrenze anfallen; es handelt sich um 63 658 Fälle...«

Hier konnte natürlich nur ein kleiner Teil des Ur-teils zusammen abgebildet werden.

Ich kann an dieser Stelle nur wieder dazu ermun-tern, gegen die recht willkürliche Begrenzung der Mieten vorzugehen. Auch, wenn der Senat meint, die WAV solle weiter angewandt werden. Wer Teile seiner Miete selbst bezahlen muss, hat gute Chancen vor Gericht, dass seine Miete kom-plett vom Jobcenter übernommen werden muss. Selbst bei teuren Wohnungen ist zumindest in der Regel die Minderung der Selbstzahlung drin.

Wer gegen seine »angemessene« Miete vorgehen will, sollte sich zusätzlich zu diesem Urteil auch auf das Urteil (S 37 AS 30006/12) vom 22.2.2013 des Sozialgerichts Berlin berufen. In der Begrün-dung kommt es zu denselben Schlüssen wie das LSG, nur sehr detaillierter und auch für den Laien verständlicher. Dieses Urteil wurde im Teil 5 des Ratgebers zum Thema »Mietenprobleme« aus-führlich erläutert.

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 201330 | TAUFRISCH & ANGESAGT K o l u m n e

Karikatur: Andreas Prüstel

Ein richtiger Journalist hat es gut. Er sieht sich die Welt an, und wenn ihm etwas auffällt, beschreibt er es möglichst wahrheitsgetreu. Vielleicht macht er sich noch die Mühe herauszufinden, wie es dazu gekommen ist, und wenn er mutig ist, macht er

sich vielleicht auch noch einen Gedanken, wie die Sache wei-tergeht. Erleichternd kommt für ihn hinzu, dass er immer ei-nem Ressort zugeordnet ist. Er muss nicht über alles Bescheid wissen, er hat sein säuberlich abgegrenztes Fachgebiet, und der Rest der Welt kann ihm egal sein. Wer über die Börse be-richtet, muss nichts von Fußball verstehen, der Feuilletonre-dakteur kann mit Polizeiberichten nichts anfangen, und den Lokalredakteur geht es nichts an, wenn in Brasilien die Men-schen demonstrieren.

Wenn man so wie ich jetzt eine Kolumne schreibt, wird das eine heikle Sache. Der Leser erwartet, dass ihm eine Lek-türe angeboten wird, die sich deutlich vom Tatsachengeschäft der sonstigen Zeitung abhebt. Manche ziehen sich da aus der Affäre und schreiben einfach ihre eigene unmaßgebliche Mei-nung auf das Papier. Das ist teils langweilig, manchmal aber auch amüsant, wenn da ans Tageslicht kommt, was sich im Dom der Hirnschale des Schreibers abspielt.

Da ist es schon eine unterhaltsamere Alternative, sich etwas einfallen zu lassen, das der Wirklichkeit sehr nahe kommt, aber diese doch auf den Kopf stellt oder gegen den Strich bürstet. Statt immer wieder die Mängel beim Flugha-fen BER zu bespötteln oder mit Häme die Gedankenflüge von Herrn Mehdorn zu sezieren, könnte man zum Beispiel den Vorschlag unterbreiten, die Eröffnung von BER den Berliner Modellfliegern zu übertragen. Das hätte einen ho-hen Grad an Wahrscheinlichkeit, denn Fliegen ist nun mal Fliegen, und wenn man dann auch noch zur Eröffnungsfeier die Politiker maßstabsgerecht schrumpfte, hätte man ein re-alistisches Bild.

Technische oder menschliche Unzulänglichkeiten sind ein überschaubares Feld, auf dem man seine Fantasie ihre Kobolze schießen lassen kann. Wirklich kompliziert wird es, wenn man sich der Politik zuwendet und da mit satirischer Übertreibung

einen wahren Kern herausschälen will. Vor drei Jahren hatte ich mich während eines Kuraufenthalts über die Kurtaxe ge-ärgert und einen humorigen Text geschrieben, der darin gip-felte, auch in Berlin von den Touristen so eine Art Kurtaxe einzutreiben. Als ich nach Berlin zurückkam, musste ich in der Zeitung lesen, dass der damalige Senator Wolf genau das gefordert hatte. Der Mann hatte mir meine Pointe geklaut. Damit einem so etwas nicht wieder passiert, muss man eben maßlos übertreiben, aber auch das schützt nicht vor einem Fehlschlag, wie ich dieser Tage erfahren durfte.

Es ist ein beliebtes Thema, bissige Bemerkungen zu dem Sachverhalt zu machen, dass es oft erhebliche Unterschiede zwischen Partei- und Wahlkampfprogrammen und dem an-schließenden Regieren gibt. Hier sei nur daran erinnert, wie 2005 die CDU die Mehrwertsteuer um zwei Prozent anhe-ben wollte, die SPD gegen jede Steuererhöhung war und an-schließend der Finanzminister Steinbrück (SPD) die Mehr-wertsteuer um drei Prozent anhob. Wer nun glaubt, dass das nicht zu überbieten ist, wurde dieser Tage von der CDU eines Besseren belehrt.

Im Mai hatte die Regierungskoalition ein Mietrechtsände-rungsgesetz verabschiedet, das keine Mietpreisdeckelung zu-lässt. Als Frau Merkel spitz kriegte, dass das nicht sehr populär ist und der SPD, die solches fordert, Stimmen bringen könnte, ließ sie flugs im Juni die Mietpreisdeckelung in das Wahlpro-gramm der CDU einfügen. Die SPD nahm das zum Anlass, in der letzten Sitzungswoche des Bundestags die Mietpreisdecke-lung in einer Gesetzesvorlage zur Abstimmung zu stellen. Und die CDU stimmte geschlossen mit der FDP dagegen.

Auf so etwas muss man erst mal kommen. Das ist kein Wendehals, das ist ein Korkenzieherhals. Da frage ich mich, wie man das Wahlprogramm noch satirisch behandeln soll, wenn Frau Merkel das so viel besser kann. Aber dafür wird sie doch nicht bezahlt. Und nebenbei bemerkt: der Vorschlag der SPD, die Mietpreisdeckelung aus Rücksicht auf die In-vestoren bei zehn Prozent festzuschreiben, zeugt angesichts sinkender Real–löhne auch von einer gehörigen Portion schwarzen Humors.

Aus meiner SchnupftabakdoseK O L U M N E : K p t n G r a u b ä r

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Vorschau

LeserbriefeDer strassenfeger freut sich über Leserbriefe. Wir behalten uns den Abdruck und die Kürzung von Briefen vor. Die abgedruckten Leserbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der strassenfeger-Redaktion wieder. Schreiben Sie uns an: [email protected]

»Arbeit, Arbeit, Arbeit«// strassenfeger 09/2013 S. 15Der Autor beschreibt mit dem Satz: »Wenn keiner den Bus fährt, den ich morgens zur Arbeit nehme, dann kann ich nicht zur Arbeit fahren.«, zwar unfreiwillig aber treff end, den Selbstzweck der Arbeit in unserer durchgeknallten Arbeitsgesellschaft . Viele Andere arbeiten wie verrück für ein Auto, mit dem sie dann zur Arbeit fahren können. Ich behaupte, dass mindestens 50 Prozent unserer Arbeit und der hergestellten Produkte gesellschaft lich bestenfalls völlig sinnlos wenn nicht sogar schädlich sind. Schädlich für die Menschen und für die Umwelt.

Würden alle weniger arbeiten, dann müssten weniger Fahrzeuge und Verkehr produziert werden, wir bräuchten weniger Ärzte und Psychiater, weniger Verwaltung, Finanzämter und keine Arbeitsämter.

Schon in den 1950er Jahren wurde schritt weise die 40-Stunden-Woche eingeführt. Die haben wir heute immer noch. Was für ein Fortschritt .Bei dem ewigen würdelosen Gewinsel nach Arbeit geht es eigentlich nicht um Arbeit, sondern um Geld. (Arbeit ohne Lohn könnte man schließlich überall fi nden) Arbeit ist im Kapitalismus weniger Selbstverwirklichung als der verzweifelte Versuch, von dem Geld, das sich die Reichen angeeignet haben, wenigstens ein bisschen zurück zu bekommen. Zu diesem Thema empfehle ich die Bro-schüre »Manifest gegen die Arbeit«(auch kostenlos im Internet zu haben).

Klaus Büchner (www.klausfi lm.de)

s t r a s s e n fe g e r N r. 1 5

TRENDYe r s c h e i n t a m 2 2 . J u l i 2 0 1 3

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strassenfeger | Nr. 14 | Juli 2013 PFLASTER | 31

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ImpressumH E R AU S G E B E R mob – obdachlose machen mobil e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTelefon: 030 - 467 946 11 | Fax.: 030 - 467 946 13

V O R S I TZ E N D E Dr. Dan-Christian Ghatt as, Lothar Markwardt, Andreas Düllick (V.i.S.d.P.)

C H E F R E DA K T E U R Andreas Düllick

R E DA K T I O N E L L E M I TA R B E I TRedaktionelle Mitarbeit: CaDa, Andreas Düllick, Laura F.,Guido Fahrendholz, Detlef Flister, rwf, Jutt a H., Jan Markowsky, Christoph Mews, OL, Andreas P., Thekla Priebst, Andreas Prüstel, Sophie, Ralf Steeg, Tom, Urzsula-Usakowska-Wolff , Manfred Wolff

T I T E L B I L D Berliner Strandleben, 1901, Aquarell von Heinrich Zille

K A R I K AT U R E N Andreas Prüstel, OL

A RT D I R E K T I O N & D E S I G N Thekla Priebst

S ATZ U N D L AYO U T Ins Kromminga

S C H R I F T E N Karmina Sans (mit freundlicher Genehmigung von typetogether), Life

B E L I C H T U N G & D RU C K Union Druckerei Berlin

R E DA K T I O N S S C H LU SS 3. Juli 2013R E DA K T I O N Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTelefon: 030 - 419 345 91 | [email protected]

A B O - KO O R D I N AT I O N & A N Z E I G E Nmob – obdachlose machen mobil e.V.Telefon: 030 - 419 345 91

AdressenT R E F F P U N K T K A F F E E B A N K ROT TPrenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTelefon: 030 - 447 366 91 Öff nungszeiten: Mo bis So 8.00 – 20.00 UhrZeitungsverkauf: bis 20.00 UhrKüchenschluss: 19.00 Uhr

N OT Ü B E R N A C H T U N GPrenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTelefon: 030 - 419 345 93Öff nungszeiten: 17.00 – 8.00 UhrAnmeldung: 17.00 – 23.00 Uhr

T RÖ D E L P O I N T B E I M O B E .V.Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinMontag bis Freitag 8.00 – 18.00 UhrTelefon: 030 - 246 279 [email protected]

W W W. ST R A S S E N F EG E R .O RG

Namentlich genannte Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Es war nicht möglich, bei al-len Bildern die Urheber festzustellen. Betroff ene melden sich bitt e bei uns. Für unverlangt eingesandte Fotos, Manuskripte oder Illustrationen übernehmen wir keine Haft ung.Der strassenfeger ist off en für weitere Partner. Interessierte Projekte melden sich bitt e bei den Herausgebern.

Vo r l e t z t e S e i t e

Page 32: Wasserstadt - Ausgabe 14/2013 des strassenfeger

ein dach über demkopf

Die Aktion »Ein Dach über dem Kopf« wurde vom Verein mob – obdachlose machen mobil e.V. gestartet, um Menschen, die in tiefer Not und ohne eigene Bleibe sind, wirksam helfen zu können. Damit wir diese Menschen dauerhaft unterstützen können, benötigen wir Ihre Hilfe.

EINMALIG Ja, ich möchte für eine Woche einem Menschen

Ein Dach über dem Kopf ermöglichen und zahle 14 EUR

Ja, ich möchte für zwei Wochen einem Menschen Ein Dach über dem Kopf ermöglichen und zahle 28 EUR

Ja, ich möchte für einen Monat einem Menschen Ein Dach über dem Kopf ermöglichen und zahle 60 EUR

PARTNERSCHAFT Ja, ich möchte einem Menschen dauerhaft

Ein Dach über dem Kopf ermöglichen und zahle monatlich 60 EUR

Ja, ich möchte die Aktion Ein Dach über dem Kopf regelmäßig unterstützen und zahle monatlich EUR (mindestens 3 EUR)

Bitt e schicken Sie mir eine Spendenbestätigung zu.

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Bank BLZ

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Bitt e senden Sie den Coupon an : »Ein Dach über dem Kopf« c/o mob e.V.,Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlin

Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft BLZ 100 205 00 | Konto 328 38 - 01Kennwort: »Ein Dach über dem Kopf«

Foto

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Mario verkauft den strassenfeger und benötigt auch Ihre Hilfe!