Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

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1,50 Euro, davon 90 Cent für den Verkäufer www.strassenfeger.org strassen| feger Kampf um die East Side Gallery Interview zum „Mietenbündnis“ Jon Bon Jovi: Einsatz gegen Obdachlosigkeit Leidenschaft Leidenschaft Soziale Straßenzeitung Ausgabe 08 April 2013 Mit Hartz-IV-Ratgeber!

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1,50 Euro, davon 90 Cent für den Verkäufer

www.strassenfeger.org

strassen|feger

Kampf um die East Side Gallery

Interview zum „Mietenbündnis“

Jon Bon Jovi: Einsatz gegen Obdachlosigkeit

LeidenschaftLeidenschaft

Soziale Straßenzeitung

Ausgabe 08 April 2013

feger

Mit Hartz-IV-Ratgeber!

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strassen|feger 08/2013

Mitglied im Partner im

2 Edito

TitelDer mexikanische Rapper Luardo 3

Jon Bon Jovi über Musik, Politik & Obdachlosigkeit 4/5

Kampf um die East Side Gallery 6/7

Geliebte Zeitung 8/9

Radio ist meine große Leidenschaft 10/11

Kinder – Die Geschichte eines „Helfersyndroms“ 12

Freiheit der Wissenschaft ade! 13

Philosophie und die kalte Welt des Arbeitsmarktes 14

Künstler sind meist seltsame Menschen 15

KulturippsAus unser Redaktion 22/23

Sein Ruhm kam erst posthum 16/17Zum 60. Geburtstag von Martin Kippenberger zeigt der Hamburger Bahnhof eine umfangreiche Retrospektive

RatgeberProbleme mit der Miete (4) 29

Berliner Volksbegehren zur Versorgungssicherheit 21

VerkäuferBrigitte – die Dame im Wohnwagen 28

BrennpunktEphraim Gothe, Staatssekretär für Bauen 18/19/20und Wohnen, im strassenfeger-Interview

AktuellKlaus-Michael Bogdal, Autor des Buches „Europa 24/25erfi ndet die Zigeuner“ im strassenfeger-Interview

SportHertha BSC im Freudentaumel 26/27

MittendrinVon KptnGraubär 30

strassen|fegerDie soziale Straßenzeitung strassenfeger wird vom Verein mob – obdachlose machen mobil e.V. herausgegeben. Das Grundprinzip des strassenfeger ist: Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe! Der strassenfeger wird produziert von einem Team ehrenamtlicher Autoren, die aus allen sozialen Schichten kommen. Der Verkauf des strassenfeger bietet obdachlosen, wohnungslosen und armen Menschen die Möglichkeit zur selbstbestimmten Arbeit. Sie können selbst entscheiden, wo und wann sie den strassenfeger anbieten. Die Verkäufer erhalten einen Verkäu-ferausweis, der auf Verlangen vorzuzeigen ist. Der Verein mob e.V. fi nanziert durch den Verkauf des strassenfeger soziale Projekte wie die Notübernachtung und den sozialen Treffpunkt „Kaffee Bankrott“ in der Prenzlauer Allee 87. Der Verein erhält keine staatliche Unterstützung. Der Verein beauftragt niemanden, Spenden für das Projekt an der Haustür zu sammeln!

Spenden für die Aktion „Ein Dach über dem Kopf“ bitte an:mob e.V., Bank für Sozialwirtschaft, BLZ: 100 205 00, Kto.: 32838 01

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Leidenschaftliche Braunschweiger Fans zünden Bengalos

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Leserbriefe, Impressum, Vorschau 31

Vorletzte Seite

Liebe Leser_innen,

Leidenschaft ist eine ganz besondere Eigenschaft, die uns Menschen auszeichnet. Das Internetlexikon Wikipedia listet dafür sowohl positive als auch negative Emotionen wie Liebe und Hass, Passion, Begierde, Besessenheit und Enthusiasmus auf. Heute ist dieser Begriff eher positiv besetzt. Wir Menschen spielen oder hören leidenschaftlich gern Musik, wir gehen auf in unseren künstlerischen oder körperlichen Vorlieben auf. Wir empfi nden als Sammler manchmal ein großes Glücksgefühl, wenn wir ein seltenes, kostbares Exemplar aufspüren und unserer Kollektion hinzufügen konnten. Wir feuern die Spieler unserer Lieblingssportmannschaften enthusiastisch an und schießen dabei manchmal auch über das Ziel hinaus. Viele Bürger unseres Landes engagieren sich ganz leidenschaftlich an sozialen Brennpunkten oder kämpfen aufopferungsvoll für Gerechtigkeit und Demokratie. Genau aus diesen vielen Gründen haben unsere Autoren dieses aufregende Thema ausgewählt, um diese Ausgabe des strassenfeger mit interessanten und aufregenden Artikeln und Interviews zu füllen.

Wir stellen Ihnen u.a. den mexikanische Rapper Luardo vor, berichten über das große Engage-ment des Musikers Jon Bon Jovi. Auch der Kampf um die Erhaltung der East Side Gallery ist ein Thema dieser Ausgabe. Außerdem erzählen unsere Autoren über ihre Leidenschaft am Radio hören und machen, am Zeitung lesen und an Wissenschaft und Philosophie. Ein ganz leidenschaftlicher Künstler war der Maler Martin Kippenberger. Zum 60. Geburtstag des 1997 verstorbenen Künstlers zeigt der Hamburger Bahnhof seine erste umfangreiche Retrospektive in Berlin. In der Rubrik art strassenfeger versucht unsere Autorin Urszula Usakowska-Wolff einen kleinen Ausschnitt aus dem bewegten Leben dieses schillernden Mannes zu zeigen.

Das Thema ‚Wohnen‘ nimmt viel Platz in dieser Ausgabe ein. In einem langen Interview sagt der Staatssekretär für Bauen und Wohnen, Ephraim Gote, was sich in Berlin ändern muss und wie er sich die neuen Stadtquartiere vorstellt. Last but not least: Hertha BSC steht kurz vor dem Wiederaufstieg in die 1. Fußballbundesliga. Ein Mann steht in Berlin für schöne Tore: der Brasilianer Ronny. Er bleibt vier weitere Jahre in Berlin.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leser_innen, viel Spaß beim Lesen!Andreas Düllick

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08/2013 strassen|feger

3Titel

8 www.facebook.com/luardorap

„Ich rappe so lange ich etwas zu erzählen habe“

Sprechgesang auf Spanisch: Der

mexikanische Rapper Luardo veröffentlicht

sein drittes Album

Unser Treffpunkt ist ein gemüt-liches Moabiter Café. Luardo entspannt sich zu einem Wälzer des Fantasyautors George R. R. Martin in der

spanischen Übersetzung. Spanisch ist auch seine erste Wahl der Waffen für jeden Battle. So nennt man es, wenn Rapper gegeneinander antreten. Wer die fieseren und raffinierteren Reime aus dem Stehgreif auf den anderen niederprasseln lässt, gewinnt. So kennt man es spätestens seit dem Film „8 Mile“, der angeblich Eminems Geschichte und Aufstieg in den schwarzen Olymp des amerikanischen Raps erzählt.

Der Film inspirierte Luardo. „Als Jugendliche hörten wir in Mexiko Rap und Hip-Hop aus den USA. Rap auf Spanisch gab es fast nicht.“ Das war vor etwas über zehn Jahren. „Mir gefiel, wie und was Eminem in seinen Songs über sein Leben sagt, also schrieb ich anfangs schlechte Texte auf Englisch.“ Auch für Luardo war ein Battle die Aufnahmeprüfung. Nach einem Auftritt in seiner Highschool kam ein Typ auf die Bühne und forderte ihn heraus. „Es war wie im Film“, erinnert er sich. „Mein Gegner schlug mich zwar, lud mich danach aber ein, seiner Gruppe von mexikanischen Rappern beizutreten. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass es noch andere in der Gegend gab.“ Sie nannten sich „Em Família“ und gaben kleine Konzerte und traten auf Volksfesten oder in Bars auf. Nach einem Demotape verlief sich die Sache zwar, aber Luardo wusste nun, dass Rap auf Spanisch möglich war. Die Musik für elf der 16 Stücke seiner ersten Platte „Caballero del Reino“ („Ritter des Königreichs“) produzierte er selbst auf einem ausgeliehenen Keyboard, den Rest kaufte er von Produzenten. „Ich höre zuerst den Beat und schreibe dann dazu meine Lyrics.“

Prima Leben im deutschen „Ghetto“Die sind politisch, sozialkritisch, nachdenklich. „Conscious Rap“ nennt man das in der Szene. Luardo hält wenig vom Gangsterrap. Das klingt anfangs vielleicht cool, ist aber doch eher lächerlich. Und überhaupt, was sollte er als Kind der Mittelklasse, in die sich seine Eltern hochgearbeitet haben, schon vom Ghetto erzählen. Er schätzt den deutschen Rap und Hip-Hop, kann aber über so manches Gehabe nur schmunzeln: „Kein Rapper von hier kann behaupten,

er käme aus dem Ghetto. Das sogenannte Getto hier ist der Himmel auf Erden für mexikanische und amerikanische Rapper. Als ich in Berlin das Ghetto sehen wollte und nach Neukölln fuhr, dachte ich mir, hier lässt es sich prima leben.“

Das erste Album gab es mit allem Drum und Dran: Booklet, Fotos, gepresster CD, Hologramm auf der Plastikhülle. Theoretisch für den Verkauf im Laden, aber das ist nur symbolisch. „Dank der ausgedehnten Piraterie in Mexiko kauft niemand CDs. Nur nach Konzerten wird man ein paar los.“ Das geht anderen Bands ebenso. Zwar hat sich die spanische Rapszene in zehn Jahren verändert. Früher gab es in Luardos Heimatstadt Morelia, vier Stunden westlich von Mexiko-Stadt, nur zwei Handvoll Rapper und heute an jeder Ecke einen. Aber die Unterstützung insbe-sondere für Newcomer ist längst nicht so groß wie in den USA oder Europa. „Die Musikindustrie in Mexiko ist ein Scheiß“, schimpft Luardo. „Die fördern vor allem Volksmusik. Rap bringt nicht genug Geld.“

Tercer MundoAn seinem dritten Album „Tercer Mundo“ („Dritte Welt“) hat Luardo ein gutes halbes Jahr gearbeitet. Worum es geht? „Mein Leben hat sich in Berlin verän-dert“, stellt er fest. „Und obwohl ich legal hier lebe, fühle ich mich doch immer als Ausländer und es wird mir bewusst, dass ich aus der Dritten Welt komme. Das Album ist ein Vergleich dieser Welten und wie ich den Kulturschock wahrnehme.“ Zeitgemäß kommt das Album als Download raus. Kostenlos. „Mir ist es wichtiger, Empfehlungen und Likes auf Facebook zu bekommen und meine Fans zu erreichen.“

Geld? Das verdient sich Luardo als studierter Informatiker in Berlin im Computergeschäft. Ruhm? Viel wichtiger. Reich und berühmt sterben? Am besten unter 30. Dafür hat er noch drei Jahre Zeit.

„Zu spät, ich weiß“, grinst Luardo. Aber das macht nichts. Rap ist seine Leidenschaft und seine Art, sich auszudrücken. „Ich mache Rap, so lange ich was zu erzählen habe.“ Und vielleicht ergibt sich mit dem dritten Album das erste Konzert in Berlin. Und ein Battle. Unblutig.

n Boris „D. M. C.“ Nowack

Info:

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Der mexikanische Rapper Luardo

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strassen|feger 08/2013

4 Titel

„Jeder von uns kann Veränderungen bewirken. Man muss dafür kein Rockstar sein.“

Der Rockstar Jon Bon Jovi über Musik,

Politik und sein Engagement für

Obdachlose

Am 8. März hat die Rockband „Bon Jovi“ ihr neues Album „What About Now“ präsen-tiert. Im Sommer gehen die Superstars auf Stadiontour. Mit weltweit mehr als 140 Millionen verkauften Alben ist Jon

Bon Jovi ein äußerst erfolgreicher und beliebter Künstler. Weniger bekannt ist, dass sich der Rockstar leidenschaftlich im Kampf gegen Obdachlosigkeit engagiert. Dafür hat er 2006 die „Jon Bon Jovi Soul Foundation“ gegründet. Diese Stiftung soll helfen, durch die Finanzierung von Projekten und Unternehmungen den Teufelskreis von Armut und Obdachlosigkeit zu durchbrechen. Mittlerweile ist Bon Jovi in Philadelphia und auch überregional in den USA als selbstloser und engagierter Fürsprecher von Obdachlosen bekannt, der weder Zeit, Geld noch Energie scheut, um dieses Problem nachhaltig zu bekämpfen. Katja Schwemmers sprach mit dem Rockstar über Musik, Politik und sein Engagement für Obdachlose.

Katja Schwemmers: Wann haben Sie sich das letzte Mal mit Obdachlosen unterhalten?Jon Bon Jovi: Machen Sie Witze? Das tue ich jeden Tag, sobald ich aus meiner Haustür komme! Da ist ein Typ namens Chris, der lebt auf den Stufen vor meinem Haus in New York City.

K. S.: In so einer armen Gegend von New York wohnen Sie?Bon Jovi: Ich wohne in Soho. Es ist wirklich so, er lebt dort schon seit 20 Jahren. Sie nennen ihn den Bürger-meister der Mercer Street. Er weigert sich, in einer Notunterkunft zu wohnen, weil er meint, die wären unsicher. Ich spreche jeden Tag mit ihm.

K. S.: Weiß er, wer Sie sind?B. J.: Zur Hölle ja, er war schon bei einigen meiner Shows. Er trägt mehr von meiner Kleidung an seinem Körper als ich selber! Und er ist ein besserer Emp-fangsportier als der, der dafür bezahlt wird. Er ist nicht der typische Obdachlose mit dem Alkoholproblem: Ich habe ihn noch nie betrunken oder high erlebt. Er liest jeden Tag Zeitung, ich habe ihn auch schon mit Buch da sitzen sehen. Und es leistete ihm auch schon mal ein Violinist auf den Stufen Gesellschaft. Ich habe wirklich ständig mit solchen Menschen zu tun. Es ist ein wichtiger Ausgleich zum Rockstardasein.

K. S.: Hat es auch etwas mit Schuldgefühlen zu tun, als Rockstar ein Leben im Luxus zu führen?B. J.: Nein, nicht wirklich. Ich habe kein Problem damit, nachts in meinen Privatjet zu steigen und bequem nach Hause transportiert zu werden. Ich liebe mein Flugzeug. Ich arbeite hart dafür. Ich habe keine Schuldgefühle, aber ich fühle eine Verantwor-tung. Denn ich will nicht in einer Welt leben, in der es um uns da oben und sie da unten geht, um die Reichen und die Armen. Ich will eine Welt des wir.

K. S.: Die neue Platte „What About Now“ klingt sehr ermutigend!B. J.: Das hoffe ich doch! Die Leute brauchen Optimis-mus in diesen Zeiten, nicht wahr? Und dabei kommt

„ Es wird eine Menge Arbeit sein, aber es gibt

bestimmte Leute hier, die glauben, dass wir in

der Tat, Obdachlosigkeit beseitigen könnten.

Man braucht kein Geld. Man muss nur nett sein.

Man braucht Entschlossenheit. Man braucht

Willen. Man muss sein eigenes Mikrofon und

eigene Fernsehkamera sein. Es fängt klein an,

und es beginnt genau hier und jetzt.“Fo

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08/2013 strassen|feger

5Titel

CD: Bon Jovi „What About Now“ (Universal, 8.3.)

Tourdaten:18.5. München, Olympiastadion18.6. Berlin, Olympiastadion21.6. Stuttgart, Cannstatter Wasen22.6. Köln, Rhein-Energie-Stadion

Quelle: Kevin Roberts One Step Away - USA

8 www.street-papers.org

es nicht darauf an, ob du in Deutschland oder New Jersey wohnst. Wenn ich mich mit einfachen Leuten unterhalte und sie frage, wie es ihnen gerade geht, dann sagen sie, dass sie dies oder jenes planen zu tun. Aber was ist mit dem Hier und Jetzt? Die Frage stelle ich mir in „What About Now“. Das Album widmet sich aber auch jenen Leuten, die nicht kapieren, warum sie selbst was tun müssen, um ihre Situation zu ver-bessern. „Because We Can“ ist darauf meine Antwort.

K. S.: Wollen „Bon Jovi“ die Stimme des Volkes sein?B. J.: Warum nicht? Wenn die Politik das nicht mehr schafft. Ich bin gern der Posterboy des Optimismus. Wenn es das ist, was Bon Jovi der Welt geben kann, ist das mehr als andere Bands tun. Mir erzählen Leute, die in der früheren Sowjetunion oder in Kuwait während des Golfkrieges aufgewachsen sind, dass unsere Songs sie als Teenager gerettet haben. Sie waren Zufluchtsort. Das ist, was den ermutigenden Aspekt von Musik ausmacht. Sie überwindet jede Sprachbarriere oder religiöse Glaubenseinstellung. Sie richtet sich nicht nach Flaggen.

K. S.: Die Platte soll auch ein Spiegel der ersten Amtsperiode von US-Präsident Barack Obama sein. Sie waren nicht immer begeistert von seiner Politik.B. J.: Nicht immer. Trotzdem habe ich ihn auch im Wahlkampf 2012 unterstützt! Aber ich kann natürlich nicht wegschauen, wenn Firmen ihre Belegschaft reduzieren, weil sie sehen, dass sie genauso viel Geld mit weniger Personal scheffeln können und dadurch Hunderte Leute auf der Straße sitzen.

K. S.: Obama hat Sie 2010 höchstpersönlich in ein Gremium ins Weiße Haus berufen. Sind Sie nun selbst so was wie ein Politiker?B. J.: Nein, ich bin eher ein Vermittler. Meine Auf-gabe ist es, für entrechtete Teenager, die ihren Job verloren und keinen College-Abschluss haben, eine Lanze zu brechen und ihnen die Wiedereingliederung zu ermöglichen. Das sind Teenager, die vielleicht Cannabis geraucht haben, festgenommen wurden und deshalb keine Arbeit mehr bekommen.

K. S.: Wie sieht das in der Praxis aus?B. J.: An meinen freien Tagen bin ich von Küste zu Küste gereist, habe Notunterkünfte besucht, ging zu Fortbildungseinrichtungen, sprach mit den Kids, die mir sagten, woran es mangelt: an Vorbildern, Mentoren und an ordentlichen Papieren! Wenn du keine Versicherungskarte und kein polizeiliches Führungszeugnis hast, wie sollst du dann eine Arbeitserlaubnis und einen Job bekommen? Ich habe mich bemüht, Firmen davon zu überzeugen, diesen Kids eine zweite Chance zu geben. Und ich habe bei den Politikern in Washington Report abgelegt, wie es wirklich da draußen zugeht – denn die wissen alles nur aus Büchern. In dem Moment war ich in der Tat die Stimme des Volkes!

K. S.: Aber es hat glamouröse Momente zwischen Ihnen beiden gegeben! Sie sollen in der Air Force One mit ihm geflogen sein!B. J.: Das stimmt. Und ich bin auch schon mal mit dem Helicopter vorm Weißen Haus gelandet. Das Beste war aber, als ich von Obama und Bill Clinton in die mit Panzerglas ausgestattete Limousine eingeladen wurde. Sie nennen sie The Beast! Ich hatte gerade einen Auftritt absolviert, um Spenden für Obamas Wahlkampagne zu generieren – da haben sie mich gefragt, ob ich bei ihnen mitfahren will. Das war

wirklich cool, ich hätte so gerne ein Foto mit dem Handy gemacht, aber habe mich nicht getraut. Schön war, dass sich daraus ergeben hat, dass Bill Clinton kurze Zeit später mein Restaurant „Soul Kitchen“ in New Jersey besuchte.

K. S.: Passiert das also wirklich, dass in Ihrem Gemeinde-Restaurant reiche Leute neben Armen sitzen?B. J.: Definitiv. Unser Restaurant ist ein wunderschöner Ort. Du weißt nie, neben wem du sitzt. Wir fragen Leute nicht, wie viel Geld sie verdienen. Auf der Speisekarte stehen keine Preise. Gäste können für ihr Essen zehn Dollar spenden oder in der Küche mitarbeiten. Es arbeiten Leute umsonst, die Geld haben, und Leute, die es nicht haben. Die Wahrheit ist: Man kann den Unter-schied heutzutage kaum mehr erkennen. 15 Prozent

der Amerikaner gehen jeden Abend hungrig zu Bett. Und das sind nicht nur welche von der Straße, die ein Alkoholproblem haben. Es sind immer öfter hart arbeitende Leute, die aufgrund der Wirtschaftslage trotzdem keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. So sieht das Gesicht des Hungers in Amerika heute aus.

K. S.: Kommen auch befreundete Rockstars zum Essen vorbei?B. J.: Manchmal. Der Sänger von „The Gaslight Anthem“ war da. Aber ich lade nicht eigens Promis ein. Es ist kein Hard Rock Cafe! Es kommen natürlich

„ Dies war der Ort, an dem unsere Vorfahren

diese große Nation gründeten. Ich glaube nicht,

dass sie Leute auf der Straße sehen wollten. Ich

denke, sie wollten, dass Menschen nach Leben,

Freiheit, Glück, dem Grundbedürfnis, ein Dach

über dem Kopf zu haben und der Möglichkeit,

Essen in ihrem Bauch zu haben, strebten. Dies

gibt ihnen die Möglichkeit hinauszugehen und

diese Welt zu einem besseren Ort machen.“

auch Touristen und Fans. Aber das wollen wir gar nicht unbedingt. Wenn sie etwas für die Armen tun wollen, können sie das am besten in ihrer Heimatgemeinde machen. Wir versuchen uns um die zu kümmern, die es wirklich brauchen und wollen eine Nachbarschaft herbeiführen, in der man sich gegenseitig hilft. Es sollte also niemand dorthin kommen und erwarten, dass ich für Fotos posiere. Denn das hat da keinen Platz. Die Menschen kommen zu uns, um zu arbeiten und zu essen.

K. S.: Sie haben Millionen investiert in Häusersied-lungen in Philadelphia, die zu bezahlbaren Preisen an Familien übergeben werden. Würden Sie es gut finden, wenn die Siedlung Ihren Namen trägt?B. J.: Nun, eine Straße mit meinem Namen gibt es schon, allerdings in New Orleans, wo wir auch geholfen haben. Das finde ich ziemlich cool. Es war eine nette Geste dies zu tun. Aber das ist nicht meine eigentliche Ambition. Ich will keine Gegenleistung. Wenn man selbstlos Geld gibt, passieren die guten Dinge doch ganz automatisch. n

Infos:

Bon Jovi und Mitarbeiter von „JBJ Soul Homes“

Bon Jovi mit Mitarbeiter von „Project HOME und Menschen für Menschen, Inc.“ bei der Grundsteinlegung für „JBJ Soul Homes“

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Page 6: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

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6 Titel

„Wowereit, das Denkmal bleibt!“Der Kampf um die East Side Gallery

Es ist der 28. Februar 2013. An der Mühlen-straße in Berlin-Friedrichshain beginnen im Morgengrauen und ohne Ankündigung Abrissarbeiten an der Berliner East Side Gallery. Natürlich geschieht das Ganze

mit Kalkül: Der Investor Maik Uwe Hinke („Living Bauhaus“), der auf dem Streifen hinter der ehema-ligen Berliner Mauer ein Luxusappartmenthaus mit Spreeblick errichten möchte, weiß, dass er starken Protest zu erwarten hat. Deshalb wird die Aktion auch klammheimlich und unter dem Schutz eines starken Polizeiaufgebots gestartet. Hinkels Coup ist ein Skandal! Die überraschte Öffentlichkeit ist empört, und auch die Politik, insbesondere der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, reibt sich verwundert die Augen. Aktivisten organisieren in Windeseile Widerstand, die Landes- und Bezirks-Politik nimmt ziemlich widerwillig Verhandlungen mit Hinkel auf.

Der Investor provoziert weiterAm Morgen des 27. März überrascht Hinkel Öffent-lichkeit, Aktivisten und Politik erneut: Trotz einer zugesagten Baupause währen der Verhandlungen mit dem Senat und dem Bezirk setzt er die Abrissarbeiten fort. Nun lässt er eine weitere, rund fünf Meter breite Lücke in das Kunstwerk und Denkmal schlagen. Vier Mauerteile stehen jetzt ungeschützt auf dem Rasen hinter der Mauer. Die bis sechs Meter breite Öffnung wird durch einen Bauzahn geschlossen. Erneut schützen rund 250 Polizisten diese freche Provoka-tion. Wowereit & Co sind empört, ihr Protest kommt allerdings eher spröde rüber.

Wie konnte das passieren?An der Spree wurde vor ein paar Jahren ein neuer Stadtteil geplant und dafür Grundstücke an der East Side Gallery verkauft, u.a. an den Investor Maik Uwe Hinkel. Der möchte auf dem früheren Todesstreifen ein Appartmenthaus zwischen der früheren Hinterlandmauer und der Spree errichten. Zur Erschließung des Baugrundstücks braucht Hinkel

einen Mauerdurchbruch. Ganz illegal ist das nicht, was der Investor macht. Er hat Baurecht für einen mehr als 20 Meter breiten Zugang durch die East Side Gallery. Ein israelischer Investor, er besitzt Hin-kels Nachbargrundstück, hat ebenfalls Baurecht, hält sich aber derzeit sehr zurück. Warum, das weiß niemand so genau. Außerdem will der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg direkt daneben eine Fußgänger- und Fahrrad–brücke errichten. Soweit, so schlecht. Was genau das bedeutet, dessen waren sich Bezirk und Land anscheinend überhaupt nicht bewusst. Wieder einmal haben unsere Politiker ganz tief geschlafen.

Im Jahr 2000 hat dann der Berliner Senat den Bezirk angewiesen, die geplante Bebauung voranzutreiben.

„Damit war das Baurecht in der Welt“, so Bezirks-bürgermeister Franz Schulz. Zwar habe sein Bezirk einige Grundstücke an der Spree ankaufen können, um einen öffentlichen Park mit Uferweg anzulegen, doch bei zwei Grundstücken sei dies nicht gelungen. Schulz sagt, er habe verhindern wollen, dass das Spreeufer mit Hochhäusern verunstaltet wird. Völlig unterschätzt habe er, dass die Grundstückseigentü-mer sich durch einen derartigen Mauerdurchbruch einen eigenen Zugang zur Mühlenstraße verschaffen würden.

Das Desaster hätte verhindert werden könnenAllerdings hätte die Politik das Desaster bis Herbst 2012 noch verhindern können. Denn: Hinkels Firma

war noch nicht im Grundbuch als Eigentümerin ein-getragen. Erst im Oktober wird das Gelände für fünf Millionen Euro verkauft. Bezirk oder Land hätten das Gelände laut einem Bericht der rbb-Abendschau noch bis Dezember selbst kaufen können. Erst seit Anfang Dezember gehört das Uferland laut Grundbucheintrag der Firma „cic property & development GmbH“ von Maik Uwe Hinkel. Der wiederum kaufte es der Firma „IVG“ ab. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte zwar ein Vorkaufsrecht, nutzte es aber nicht. Laut Bürgermeister Schulz hätten die baurechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufs-rechts nicht bestanden. Außerdem habe der Bezirk überhaupt nicht die finanziellen Mittel dafür gehabt. Eine notwendige Landeshilfe habe Finanzsenator Ulrich Nußbaum mit dem Hinweis abgelehnt, der East Side Gallery fehle die gesamtstädtische Bedeutung. Eine fatale Fehleinschätzung, die das mangelnde Verständnis der Landespolitiker für Kunst, Kultur und Denkmalpflege in der Stadt wieder einmal nachhaltig beweist.

Der Abriß beginnt unter starkem Protest Die vier aus der Mauer getrennten Segmente

Die East Side Gallery ist ein Denkmal! Fotos: Andreas Düllick ©VG Bild-Kunst

Page 7: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

08/2013 strassen|feger

7TitelNeuer Plan der PolitikMittlerweile gibt es einen Plan, der bei einem Gespräch zwischen Investoren, Bezirk und Klaus Wowereit vereinbart wurde. Danach soll die rund fünf Meter breite Lücke um sechs Meter zum früheren „Oststrand“ an der Spree erweitert werden. Der ursprünglich genehmigte, 22 Meter breite zusätzliche Durchbruch soll wegfallen. Hinkel will sich diesen Zugang mit dem israelischen Investor teilen, der ebenfalls auf dem Todesstreifen bauen darf. Weder die Investoren, noch die Landespolitiker ziehen einen Grundstückstausch oder gar einen Verzicht auf das Baurecht überhaupt in Betracht. Hinkels klare Position dazu: Ein Umzug auf ein anderes Grundstück koste Zeit und Geld, es gebe auch gar kein Alternativgrundstück. Und: Der Senat habe ja auch gar nichts angeboten. 20 der 36 seiner Appartments seien verkauft. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass ein anderer Standort da überall auf Verständnis stößt.

Starker Protest regt sichBei den Gegnern des Luxusbaus lösten die Aktion von Hinkel und die Reaktion der verantwortlichen Politiker starke Proteste aus. Das Bündnis „East Side Gallery retten“ organisierte eine Demonstration an dem Mauerdurchbruch und einen Protestmarsch zum Roten Rathaus. Dort prangerten sie vor unzähligen TV-Kameras aus dem In- und Ausland das man-gelnde Krisenmanagement des Berliner Senats an und unterstrichenen ihre Forderung, die East Side Gallery vollständig zu erhalten. Klares Signal der Demonstranten: „Wowereit, das Denkmal bleibt!“. Der East-Side-Gallery-Künstler Kani Alavi kündigte an, sein Bundesverdienstkreuz aus Protest gegen den Abriss der Mauerteile zurückgeben. Alavi, Vorsitzen-der der Künstlerinitiative East Side Gallery erhielt das Bundesverdienstkreuz 2011 für sein Engagement zum Erhalt des Denkmals.

Der „East Side Gallery retten“-Sprecher, Lutz Leich-senring, hat weitere Protestaktionen angekündigt.

Dadurch soll der Druck auf den Berliner Senat erhöht werden: „Wir planen, in einer Nacht- und Nebelaktion die Mauer wieder aufzubauen.“ Außerdem sollen prominente Künstler und Musiker wie Campino von den „Toten Hosen“ und Udo Lindenberg gebeten werden, sich für den Erhalt der Gallery zu engagie-ren. Sascha Disselkamp vom Bündnis „East Side Gallery retten!“ kritisierte die jahrzehntelange Ausrichtung der Berliner Stadtentwicklungspolitik auf „Planung von oben“ als längst nicht mehr hinreichend legitimiert, weil sie der Aufwertung städtischer Räume und der Vertreibung aus diesen Vorschub leiste. Und: Die Aktivisten der Initiative „Mediaspree versenken“, die sich generell gegen eine Luxusbebauung des Spreeufers einsetzt, kündigten an, dass sie jetzt ihre Aktivitäten wieder aufnehmen würden.

Mehr als 86.000 Berliner haben übrigens schon die Petition an den Regierenden Bürgermeister

„Nationales Denkmal East Side Gallery retten! Keine Luxuswohnbebauung auf dem ehemaligen Todesstrei-fen“ unterzeichnet. Einer Forsa-Umfrage zufolge sind drei Viertel der Berliner gegen eine Bebauung des einstigen Todesstreifens.

Auch Denkmalpfleger und Maueropfer schlagen Alarm

„Eine denkmalpflegerische Katastrophe“ nannte der Mauer-Experte Leo Schmidt in einem Interview mit der Berliner Zeitung den Abriss von Mauerteilen und die Unfähigkeit der Politik, dies zuzulassen. Die East Side Gallery müsse als einzigartiges bauliches Dokument der Teilung erhalten werden. Er forderte den Berliner Senat auf, einen Aufnahmeantrag für die Unesco-Weltkulturerbe-Liste zu stellen. Schmidt ist Professor für Denkmalpflege an der Branden-burgischen Technischen Universität Cottbus (BTU)

und von 2001 bis 2003 maßgeblich verantwortlich für die Erfassung, Beschreibung und Kartierung der Mauerreste in Berlin. Auf seinem Gutachten basiert das 2006 vom Senat verabschiedete Berliner Mauerkonzept.

Ronald Lässig, Vorsitzender des Vereins „DDR-Opfer-Hilfe“, kritisierte den Abriss der Mauersegmente auf dem ehemaligen Todesstreifen als „geschichtsverges-sen“. An diesem Abschnitt der Berliner Mauer seien bei Fluchtversuchen mehrere Menschen ums Leben gekommen. Dass ausgerechnet hier Luxuswohnungen entstehen sollen, sei ihm völlig unverständlich.

Der „Investor“ Maik Uwe Hinkel soll ein Stasispitzel gewesen seinEinem Bericht des Nachrichtenmagazins SPIEGEL zufolge soll der Bauherr des Luxuswohnhauses an der East Side Gallery in den achtziger Jahren als Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit Freunde und Kollegen ausgespäht haben. Demnach bezichtigen eine ehemalige Kollegin in der Zwickauer Stadtver-waltung sowie ein früherer Kommilitone Maik Uwe Hinkel, er habe sie als inoffizieller Mitarbeiter (IM) „Jens Peter“ für die Stasi bespitzelt. Auf Anfrage des SPIEGELS bestritt der Anwalt von Hinkel, dass dieser für die Stasi gearbeitet habe. Doch die Beweislast ist erdrückend. Der SPD-Politiker Harald Schmutzler will ihn jetzt als IM „Jens Peter“ identifiziert haben. Dem SPIEGEL liegen mittlerweile drei unterschiedliche Operative Vorgänge („OV“) der Zwickauer Kreisdienst-stelle des Ministeriums für Staatssicherheit vor, an denen IM „Jens Peter“ beteiligt war. Es ging um die Operationen „Konzept“, „Sakrament“ und „Verleum-der“. In allen drei Fällen legen sich die Bespitzelten heute fest, dass wichtige Informationen, die ihrer Unterdrückung dienten, nur von Hinkel stammen konnten.

Sicher werden investigative Journalisten dazu im Sta-siunterlagenarchiv gründlich recherchieren. Ange-sichts dieser mutmaßlichen früheren Stasi-Tätigkeit erneuerten die Gegner der Bebauung ihre Kritik:

„Sollte sich dieser Verdacht erhärten, muss die Politik im Interesse der Familien der Maueropfer umgehend das Bauprojekt stoppen und weiteren Schaden durch unsensiblen Umgang mit der deutschen Geschichte abwenden“, sagte Sascha Disselkamp vom Bündnis

„East Side Gallery retten!“ n Andreas Düllick

8 www.change.org/de/Organisationen/east_side_gallery_retten8 www.megaspree.de/

Hier endet der öffentliche Uferweg an der Spree

Maueropfer fordern: Keine Luxusbebauung des Todesstreifens!

Fotos: Andreas Düllick ©VG Bild-Kunst

Page 8: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

strassen|feger 08/2013

8 Titel

Geliebte ZeitungDer passionierte (Papier-)Zeitungsleser pflegt im Umgang mit der Zeitung spezielle Gewohnheiten

Samstagmorgens in meinem Lieblingscafé verstehe ich nicht, warum es eine „Krise der Printmedien“ gibt. Menschen in großer Anzahl füllen frühmorgens diesen Ort, um sich mehrere Stunden lang ausgiebig der

Zeitungslektüre widmen. Geöffnet wir um acht Uhr, Musik aus den Lautsprechern gibt es keine, wer einen Latte macchiato bestellt, tut dies leise. Die meisten Zeitungen - samstags ja besonders umfangreich - liegen in mehrfacher Ausgabe aus, einige sind in einen hölzernen Zwicker gepresst. Begierig versenken sich die Lesenden in das gedruckte Weltgeschehen, tauchen ein in die Sätze, Gedanken, Formulierungen der anonymen Schreiber.

Ende 2012 hat das Handelsblatt die Ergebnisse einer von ihm in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage veröffentlicht: Mehr als zwei Drittel der Deutschen, nämlich 64 Prozent, legen auch künftig Wert auf eine gedruckte Tageszeitung. Wer hätte das gedacht. Keineswegs vor dem Untergang sehen auch viele Medienwissenschaftler die Tageszeitung aus Papier. Sie sagen, viele Zeitungsmacher beklagten notorisch die Lage der Zeitungen und beschwörten damit den eigenen Untergang, anstatt an sich zu glauben. In der Tat sollten die Zeitungen sich auf ihre Qualitäten besinnen, meint Bernard Pörksen, Medienwissenschaftler aus Tübingen. „Zeitungen sind gerade in Zeiten hektischer Dauerkommunika-tion Medien des zweiten Gedankens.“

Einordnung in einen größeren ZusammenhangDer passionierte Zeitungsleser, und um den soll es hier gehen, ist nicht auf die schnelle Nachricht aus. Die Zeiten, in der man die aktuellsten Meldungen aus der Zeitung erfahren hat, sind eh lange vorbei. Dem passionierten Zeitungsleser geht es um eben diesen zweiten Gedanken. Er möchte die Geschehnisse der Welt in einen größeren Zusammenhang eingeordnet bekommen, möchte Anstöße erhalten, sich ein Urteil bilden können. Und manchmal ist ein Artikel besonders gut, wenn ein Urteil nicht möglich ist, weil Widersprüche bleiben, weil die Wahrheit nicht schwarz oder weiß ist. Der passionierte Zeitungsleser

schätzt auch eine gute Wortwahl, schätzt Formulie-rungen, die Sachverhalte verdichten, auf den Punkt bringen. So ist er manchmal dankbar dafür, dass da jemand Worte für etwas findet, das für ihn selber nur ein diffuses Gefühl war.

Solche Texte findet man auch im Internet? Klar. Aber wie könnte der leidenschaftliche Zeitungsleser sie dort lesen wollen? Über ein statisches, technisches Gerät, das einen Abstand schafft zwischen Buchstaben und Lesendem? Vielleicht ist diese Einstellung kon-servativ, vielleicht ein gesundes Gefühl dafür, dass „Medienkonsum im Wandel“ nicht immer Fortschritt sein muss. Papierzeitungslektüre kann der Wert intimer Versenkung in das Gedruckte sein, der Wert zeitweiliger Entschleunigung, des Gedankenverarbeitens und -spinnens. Ohne blinkende Links im Augenwinkel.

Lektüre nach persönlicher VorgehensweiseDie gedruckte Zeitung ist begrenzt. Auf etwa 40 Seiten fügt sie die Welt zusammen. Da haben andere für mich eine Auswahl getroffen. Der Leseumfang der Zeitung ist schon groß genug. Da möchte ich bitte nicht noch Hinweise auf 100 weitere Links zusätzlich erhalten. Ich komme schon selber auf die Idee, wo ich bei starkem Interesse mir weitere Informationen beschaffen kann. Ich möchte auch an keinem Gewinn-spiel teilnehmen.

Der passionierte Zeitungsleser hat in der Regel eine Lieblingszeitung, die er nach ganz persönlicher Vorgehensweise liest. Der eine fängt sofort in dem Teil an zu lesen, der ihn am meisten interessiert. Der andere guckt erst die Teile durch, die ihn nur mäßig interessieren, um sich dann dem Kernteil seines

Anfang 14. Jh. um 1450 1605 1650 um 1700 Ende 19. Jh. 1919 ff. 1977 1989 1991 1995 Ab 2000

Das Wort „zidunge“ (Zeitzunge) taucht im Raum Köln auf. Zu dieser Zeit ist die Bedeutung noch ‚mündliche Mitteilung‘.

Herausgabe der Wochenzeitung „Relation“ in Straßburg. Sie gilt als erste Zeitung der Welt.

Mit über 60 konkurrierenden Zeitungen ist das deutsche Sprachgebiet Muster-land des europäischen Zeitungswesens.

Die erste Tageszeitung erscheint in Leipzig mit sechs Ausgaben pro Woche. Sie heißt „Einkommende Zeitungen“ und umfasst eine Auflage von etwa 200. Zu dieser Zeit können etwa 20 Prozent der deutschen Erwachsenen lesen und schreiben.

Zeitungen werden zum Massenmedium. Gründe: Es gibt Fortschritte in der Drucktechnologie, durch Anzeigenverkäufe werden die Zeitungen günstiger, immer mehr Menschen können lesen.

Johannes Gutenberg erfindet den Druck mit beweglichen Lettern aus Blei. Dadurch ist es erstmals möglich, von einem Text meh-rere indentische Exemplare herzustellen.

Meilensteine der Zeitungsgeschichte

Der wahre Zeitungsleser tut es fast überall: Zeitungslektüre im Café…

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Interesses zu widmen. Dann sind da noch diejenigen, die die chronologische Variante praktizieren. Und auch Von-hinten-nach-vorne-Leser gibt es, Angela Merkel soll zu ihnen gehören.

Bisweilen kommt es zu der paradoxen Begebenheit, dass der passionierte Zeitungsleser dankbar ist, an einem Tag nicht allzu viel in seiner Zeitung zu finden, was er dringend lesen möchte. Denn wer hat schon Zeit, soviel zu lesen? Und morgen kommt ja schon die nächste Zeitung.

Wegschmeißen geht nichtAn dieser Stelle kommen wir zu einer wirklichen Herausforderung. Der passionierte Zeitungsleser kann sich nämlich nicht trennen von seinem Papier. Wohin also mit all den Zeitungsstapeln? Vorbildlich diejenigen, die nach der Methode Anstreichen-Aus-schneiden-Archivieren verfahren: Die angemarkerten Zeitungsausschnitte, die aufgehoben werden sollen, heftet man in Aktenordner oder versenkt sie in Hängeordner. Aber was ist mit den ganzen Stapeln noch zu lesender Zeitungsteile?

Als ich vor kurzem umgezogen bin, habe ich meine Stapel jeweils mit einem Paketband zusammenge-zurrt, des leichteren Transports wegen. Sie wurden natürlich für Altpapier gehalten. Wie könnte ich mich aber je von meinen Zeitungen trennen? All die Welten, in die ich mich mal begeben habe. Eine große Reportage über den Hafen Rotterdam zum Beispiel steckt in einem der Stapel. Vor Jahren habe ich diesen Text aufgesogen, habe den Ölgeruch gerochen, die Geschäftigkeit des Hafens erahnt. Wie könnte ich den wegschmeißen?!

Es soll hier nicht bestritten werden, dass einem nicht hin und wieder der Gedanke in den Kopf fährt, dass all die Texte, an denen einem das Herz hängt und von denen man sich nicht trennen mag, heutzutage im Internet zu finden sind. Theoretisch könnte ich also den „Hafen Rotterdam“-Artikel ausdrucken. Unter google finde ich sicher noch andere Artikel zum Thema, die könnte ich dann alle zu einem kleinen Archiv abheften. Ich könnte auch ein elektronisches Archiv anlegen. Wenn ich „Häfen“ google, werde ich sicher tausendfach fündig. Aber wieso brauche ich ein Archiv über Häfen? Ich brauche keins. Ich bleibe bei meiner Zeitung, die mir die Welt auf 40 Seiten bietet. Und morgen wieder.

n Jutta H.

Anfang 14. Jh. um 1450 1605 1650 um 1700 Ende 19. Jh. 1919 ff. 1977 1989 1991 1995 Ab 2000

Die Jahre der Weimarer Republik bringen die größte Zeitungsvielfalt der deutschen Presse-geschichte. Es existieren weit über 4.000 Blätter.

Das WWW (World Wide Web) wird weltweit verfügbar. In Deutsch-land beginnt das Web-Zeitalter auf der Funkausstellung 1995.

Die Verlage beginnen, das Layout der Zeitungen nicht mehr manuell, sondern am Bildschirm zu gestalten.

Als erste deutsche Tages-zeitung geht die Schweriner Volkszeitung online.

In New York wird die erste Straßenzeitung („Streetnews“) gegründet. Zwei Jahre später kommt „The Big Issue“ in London heraus. Der Vorläufer des strassenfeger erscheint 1994 erstmals als „mob magazin“.

Es kommt zur wirtschaftlichen Krise vieler Printmedien, da viele Anzeigenkunden ins Internet abwandern. Immer mehr Zeitungen beginnen, ihre Inhalte online zu veröffentlichen. Eigenständige Online-Redaktionen entstehen.

Die ersten Personal Computer kommen auf den Markt.

…oder unter freiem Himmel

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Meine Ohren sehen besser als

meine Augen Radio zu hören und zu machen ist meine große Leidenschaft

Ein wenig verdutzt haben die Eltern schon drein geschaut. Es ist wenige Minuten vor acht Uhr abends. Ihr zehnjähriger Sohn steht widerspruchslos, dafür gewaschen und bereit für die Nacht, vor ihnen. Er ist

wie ausgewechselt. An manchen Tagen geht er nun auch pünktlich in die Kiste. Genau genommen immer montags und freitags. Noch einen Gute-Nacht-Kuss, dann schleicht er sich ins Kinderzimmer, vorbei am bereits schlafenden jüngeren Bruder, und legt sich ins Bett. Jetzt wird der Rekorder aufs Kissen gelegt und die teure 90-Minuten-Kassette aus dem Intershop in den Schacht gedrückt. Nun noch leicht aufgeregt die Decke über den Kopf gezogen, denn es ist die Zeit für „Lord Knud“ und dessen „Schlager der Woche“. Die Idee, dem Burschen zum Geburtstag seinen ersten Radiorecorder „RFT-Anett“ zu schenken, hat sich ausgezahlt.

Dieser Junge war ich, das Radio wurde mein Ohr zur Welt. Über den nur wenige hundert Meter entfernten „antifaschistischen Schutzwall“ hinwegzuhören, das war damals ein großes Privileg meiner Kindheit. Wenn ich an damals denke, an die Zeit, in der meine Leiden-schaft für das Radio geweckt wurde, fällt mir immer ein Ausspruch von „Lord Knud“ ein: „Ist die Musik zu heiß, macht die Ultramedüse. Fenster öffnen und tief durchatmen!“ Und, Sie werden es kaum glauben: Das Lüften meiner Wohnung nenne ich gelegentlich immer noch die „Ultramedüse“!

„Die teilweise schlechte Qualität unterstreicht den dokumentarischen Charakter.“ Barry GravesIn meiner ganz persönlichen Radiolandschaft fanden die Sender der DDR nicht statt. Womit hätten sie auch gegen die von Helmut Lehnert, Burghard Rausch, Rik DeLisle und Barry Graves präsentierte Musik- und

Wortbeiträge anstinken sollen. Überhaupt, immer wieder Barry Graves. Mein erstes mühsam ertauschtes West-Geld ging für das von ihm und Siegfried Schmidt-Joos verfasste, erste deutschsprachige Rocklexikon drauf. Sein „Rock over RIAS“ und „Studio 89“ sind wohl die bekanntesten radiophonen Visitenkarten für Generationen von Hörern auf beiden Seiten der Mauer. War er zwischenzeitlich ein paar Monate in New York, hing ich ihm nach seiner Rückkehr in „Graves bei Nacht“ und später „Graves: Space“ regelrecht an den Lippen. Fast unvorstellbar seine Geschichten, unfass-bar neu die Musik, die er da über den großen Teich mit zurück ins Studio brachte. Seine Präsentationen oft genug akustische, fast unnahbare Kunstwerke. Aber das Schwanken zwischen moderater Goldgräberstim-mung und unnachgiebiger Allwissenheit waren mir nicht selten Fluch und Segen gleichermaßen. Blieb ich dann auch manchmal fragend zurück, so stand

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Barry Graves Am Mikrofon durch die Zeit - John Peel

Guido Fahrendholz im Studio Foto: Andreas Düllick ©VG Bild-Kunst

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11Titelder nächste Grave’sche Sendetermin innerlich doch nie zur Disposition.

“Somebody was trying to tell me that CDs are better than vinyl because they don‘t have any surface noise. I said: Listen mate, life has surface noise.“ John PeelRussisch ist für mich ein Geräusch. Das meine ich nicht einmal wirklich böse. Tatsächlich bin ich nur wenig sprachbegabt. Die dafür vorhandenen Ressourcen belegte seit meiner Kindheit „John Peel’s Music on BFBS Radio 1“ in englischer Sprache. Hätte ich damals nur einen Wunsch bei einer guten Fee freigehabt, dann hätte ich im England der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gelebt. Ich würde die Piratensender „Wonderfull Radio London“ genannt „Big L“, „Radio Caroline“ oder „Swinging Radio England“ gehört haben, die allesamt von Schiffen gesendet haben, mit eben jenem John Peel, mit Tony Blackburn und Kenny Everett am Mikrophon.

Auch mit dem „Marine Offences Act“ der britischen Regierung konnte man den sich außerhalb der Drei-Meilen-Zone und damit in internationalen Gewässern operierenden Sendeschiffen nicht beikommen. Aber jede Unterstützung der Piratensender, ob mit Technik, Proviant oder auch Werbung wurde in Großbritannien unter Strafe gestellt. Auf den Tag genau nur ein Jahr nach meiner Geburt, am 14. August 1967, musste John Peel „Big L“, der „Galaxy“ (früher „USS Density“), dem Boot des Piratensenders, und seinen Hörern im Königreich mit der „Final Perfumed Garden“-Show „Good by“ sagen. Nach dem Schlußpunkt dieser modernen Radiokultur setzte John Peel sein Wirken auf dem Soldatensender „BFBS“, später auch für mich zu hören, fort.

„Ich habe nichts gegen Frauenbewegungen – Hauptsache, sie sind rhythmisch.“ Lord KnudDer Legende nach hörte der damalige Bundesprä-sident Richard von Weizsäcker bei seinen Berlin-Aufenthalten manchmal auch „RIAS“. Der Bundes-präsident, wenig amüsiert über den oben genannten Ausspruch von Lord Knud, beschwerte sich damals eindringlich bei den Verantwortlichen des Senders

und besiegelte damit das Ende einer Ära. Mit seinem unabdingbaren „Oki Doki.“ beendete Knud Friedrich Martin Kuntze, genannt „Lord Knud“, am 27. Sep-tember 1985 nach insgesamt 1.916 Ausstrahlungen, die letzte Sendung „Schlager der Woche“ und bald darauf auch seine Tätigkeit beim „RIAS“. Wolfgang Hellbich, der den „Lord“ mehrfach bei Urlaub und/oder Krankheit am Mikrofon vertrat, verwendete den o.g. Ausspruch von „Lord Knud“ bereits im Februar desselben Jahres, allerdings ohne Konsequenzen.

Übrigens: Mitte der neunziger Jahre wurde ich von meinen, inzwischen leider verstorbenen Freund Manfred, an seinen Arbeitsplatz, ein Rundfunkstudio, geschleppt. Die damals eher aus Spaß produzierten gemeinsamen Aufnahmen reichte er ohne mein Wissen an die richtigen Leute weiter und legte damit

den Grundstein für meine eigene kleine Radiokarriere. Nur wenig später sprach ich erste Trailer, danach Wer-bespots und letztendlich auch vollständige Beiträge ein. Es sollten noch ein paar Jahre vergehen, bis ich meine eigenen Livesendungen moderieren durfte. Manfred war es auch, der mich zum strassenfeger brachte. Inzwischen wurde aus der Berufung ein Beruf, und meine Sendungen strassenfeger radio, dominotalk und strassenfeger unplugged mein ganz persönliches Anliegen. Meine Ohren sehen noch immer besser als meine Augen.

n Guido Fahrendholz

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Lord Knud

Page 12: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

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12 Titel

Kinder sind meine

Leidenschaft

Schon als Kind, wenn ich mich in meinen Fantasien und Tagträumen mit Inhalten und Gestaltungsmöglichkeiten meines künftigen Lebens beschäftigte, waren das Beistehen und Eintreten für schutzlose

Kinder und ihre hilfsbedürftigen Mütter das zentrale Thema; besonders wenn kein Vater oder eine andere männliche Schutzperson vorhanden war. Dem lag vermutlich die archaische Kenntnis zugrunde, dass Neugeborene in den ersten Tagen und Monaten ihres Lebens, gleichviel ob Mensch oder Tier, vollständig von den Erwachsenen abhängig sind, vor allem von den Müttern. Bei mir kommt hinzu, dass die Ur-ur-oma meiner Mutter, eine Hugenottin aus der Uckermark, ein Waisenkind war, also ein Fall von besonderer Hilfsbedürftigkeit. Die von dieser Ahnin ausgehenden geistig-seelischen Schwingungen meine ich, noch heute bei mir zu spüren. Das dies-bezügliche Einfühlungsvermögen war bei mir auch deshalb gut ausgeprägt, weil ich als kleinwüchsiger und körperlich nicht besonders starker Mensch die Schwäche und Verletzbarkeit im Falle eines Angriffs intensiver empfinde als ein großer und starker. Jedenfalls zieht sich die Fürsorge für Kinder wie ein roter Faden durch mein Leben; wurde unmerklich zur Leidenschaft:

In den Jahren der Bombenangriffe auf Berlin 1942 bis 1945 konnte ich diesen Urtrieb in die Tat umsetzen, wenn ich allabendlich meinen kleinen Bruder Hucke-pack von der Schönhauser Allee zur Prenzlauer Allee zu meinen Großeltern getragen habe.

Bei einer Nebentätigkeit (Job) 1961 in einem jüdischen Anwaltsbüro bekam ich bei einem Rechtsstreit eine Magenschleimhautentzündung (Gastritis). Ich musste mich bezüglich eines Kindes über ein haarsträubend falsches Urteil des obersten deutschen Zivilgerichtes BGH in einem Fall ärgern, den ich zu bearbeiten hatte. Den betroffenen Kläger kannte ich nicht einmal persönlich. Er hatte als Leibesfrucht einer jüdischen Frau infolge von deren körperlicher Misshandlung durch Naziorgane einen bleibenden Gehirnschaden erlitten. Der ihm an sich nach deutschem Entschädigungsrecht zustehende

Ersatzanspruch wurde von jenen Richtern mit der formaljuristischen Begründung abgelehnt, der Kläger könne gar keinen Schaden erlitten haben, weil er zur Zeit der Schadensentstehung noch gar nicht existierte habe. Denn gemäß § 1 BGB beginne die Rechtsfähigkeit eines Menschen und damit die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, erst „mit der Vollendung der Geburt“. Er war nur Leibesfrucht und noch nicht geboren. - Einen solchen Schwachsinn und eine solche Ungerechtigkeit kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Einige Zeit später hat das Bundessozialgericht, das für vergleich-bare Schäden bei deutschen schwangeren Frauen im Zuge der Vertreibung aus den früheren deutschen Ostgebieten nach dem Lastenausgleichsgesetz zuständig war, diese Rechtsprechung geändert. Der BGH hat seine frühere Ansicht aufgegeben.

Als ich im Jahr 1966 im Zuge einer zusätzlichen Ausbildung in Sachen Entwicklungshilfe eine junge Inderin mit ihrem fünf Jahre alten Neffen, einem indisch-afrikanischen Waisenkind, kennenlernte, schloss mich der Junge fest in sein Herz, klammerte sich geradezu an mich als eine Art Ersatzvater. Diese Rolle habe ich 21 Jahre lang wahrgenommen. Es hatte sich herausgestellt, dass der Junge und ich astrologisch gesehen optimal zueinander passten und ich in meinem Geburtshoroskop den Jupiter im Familienhaus habe. Das heißt, der Sinn für Ehe und Familie ist bei mir stark ausgeprägt. Kinder spüren das, was ich bis zum heutigen Tag feststellen kann.

– Mit dem Hintergedanken, für meinen „Pflegesohn“ einen Quasi-Bruder zu finden, übernahm ich die Patenschaft für ein afrikanisches Kind in einem nigerianischen SOS-Kinderdorf in Lagos. Ich habe den Jungen dort auch besucht. Er ging aber kurz danach zu seiner leiblichen Mutter nach England.

Über meine Tätigkeit in der deutschen Entwicklungs-hilfe geriet ich 1979 an drei südvietnamesische Waisenkinder im Alter von damals 14, zwölf und zehn Jahren, sogenannte Bootsflüchtlinge, für die ich jahrelang als Patenonkel fungierte. Die Beziehung zu dem Ältesten und seiner Familie ist bis heute sehr eng.

Als 1987 mein indisch-afrikanischer Pflegesohn in die USA ging, um an der Universität von Berkeley seine Studien fortzusetzen und zu promovieren, gründete ich eine eigene Familie. Meine Frau schenkte mir drei prächtige und gesunde Jungen, alle bei Hausgeburten zur Welt gekommen, fühlte sich dann aber überlastet bzw. intellektuell nicht genügend ausgefüllt und flüchtete sich mit den drei Jungen in eine alternative Wohngemeinschaft in Österreich mit einem anderen Lebenspartner.

Da meine drei Jungen mich nur noch sporadisch besuchten und, wie das bei kleinen Kindern normal ist, sich auf die Seite der Mutter schlugen, heiratete ich 2002 eine alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, alle im gleichen Alter wie meine Jungen, und hatte wieder eine schöne Familien- und Erziehungsaufgabe, auf die ich viel Zeit verwenden konnte, weil ich kurz danach wegen Erreichens der Altersgrenze meine berufliche Tätigkeit beendet habe.

Wenn man Leidenschaft definiert als eine das Gemüt völlig ergreifende Empfindung und Bereitschaft, für diese Empfindung auch zu leiden, so kann man, meine ich, mein Verhältnis zu Kindern durchaus als Leidenschaft bezeichnen. Denn es dürfte offenkundig sein, dass die vorstehend skizzierten wechselhaften Beziehungen zu insgesamt zwölf Kindern – acht Jungen und vier Mädchen – nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen mit sich brachten, sondern eben auch Probleme, Kosten, Stress usw. Unter dem Strich bin ich überzeugt, richtig gehandelt zu haben; nämlich gemäß meiner Neigung sowie den Naturprinzipien, wonach jeder, der dazu in der Lage ist, im Interesse des Fortbestands des Lebens Schwachen und Hilfsbe-dürftigen nach besten Kräften beistehen soll. „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“ (Goethe). Bei mir waren dies in erster Linie Kinder. Meine Leidenschaft für Gerechtigkeit wäre ein weiteres Kapitel.

Außerdem sind Kinder mit einer naturgemäßen Wissbegierde ausgestattet und in ihren Ansichten noch lenk- und formbar. Da kann man segensreich wirken. Anders bei den, in ihren Grundhaltungen oftmals hoffnungslos erstarrten, Erwachsenen.

n Bernhardt

Die Geschichte eines „Helfersyndroms“

Vietnamesische Flüchtlinge im Lager, Phnom Penh 1972

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Page 13: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

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Wissenschaft ohne LeidenschaftFreiheit der Wissenschaft ade!

Wer wissenschaftlich oder kreativ arbei-ten will, muss vor allem eines haben: Leidenschaft für das von ihm gewählte Fach, für die Aufgabe, die er sich stellt. Darüber vergisst er alles andere.

Gerade diese Leidenschaft wird jedoch im heutigen Universitätsbetrieb allen Beteiligten gründlich ausgetrieben. Wo einmal die Philosophen die Tore zur Welt des Geistes aufstießen, wachen heute die Betriebswirte über den mehr oder weniger effektiven wirtschaftlichen Nutzen der universitären Ausbildung.

Das EinjährigeDiese Ökonomisierung der Bildung hat eine lange Tradition. In Preußen wurden alle jungen Männer vom dreijährigen Militärdienst befreit, die den Sekunda-Abschluss, also die 10. Klasse absolviert hatten. Sie konnten stattdessen einen einjährigen freiwilligen Militärdienst ableisten, der sie zu Offiziersanwärtern machte. Im Volksmund hieß dieser Schulabschluss, der früher Mittlere Reife und heute Sek 1 genannt wird, das „Einjährige“. Das war auch die Eintrittskarte für die Beamtenlaufbahn des gehobenen Dienstes, Ziel und Belohnung zehnjährigen Paukens. Den entsprechenden Beamten erlebte man dann auch in den Ämtern. Später wurde die Hürde zu diesem Lebensentwurf angehoben: man brauchte das Abitur, das nicht nur für ein Universitätsstudium, sondern auch für einen Inspektorenanwärter Voraussetzung war. Weil ein Universitätsstudium noch attraktivere Laufbahnen versprach, wurden die Hochschulen zu Vorbereitungsanstalten für gut bezahlte Berufe. Die Wissenschaft nahm man dabei in Kauf. Die Universitäten kümmerten sich ihrerseits nicht um die

beruflichen Qualifizierungen der Studenten, wenn man von den juristischen und medizinischen Fakultäten absieht.

Die freie UniversitätWenn man früher die Universität bezog, konnte man zwei wichtige Dinge erleben: die Freiheit und die Leidenschaft. Der Student stand nun auf eigenen Füßen, konnte sein Leben selbst gestalten, ohne in das Regelwerk der Familie eingebunden zu sein. Der Tagesablauf mit Vorlesungen, Seminaren und Lektüren wurde von ihm selbst festgelegt. Der Gegenstand seiner Studien war nicht von Lehrplänen vorher-bestimmt, sondern ergab sich aus seinen eigenen Entscheidungen, für die die Universität reichlich Möglichkeiten und Freiheiten bot. Das schloss auch die Möglichkeit des Scheiterns ein, doch auch das war ein Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung. Nahm ihn eine wissenschaftliche Fragestellung gefangen, konnte der Student sich darauf mit Leidenschaft konzentrieren, andere Pflichten vorübergehend vernachlässigen. Es ging ihm dabei nicht um das Aneignen, sondern um das Verstehen.

Dabei standen ihm Professoren zur Seite, die zu Recht Gelehrte genannt wurden. Der Gelehrte kannte sein Fachgebiet vollständig, studierte mit Leidenschaft sein Leben lang, nahm auf, was andere Gelehrte als Wahrheit erkannt hatten und gab seine Erkenntnisse bereitwillig an andere weiter. Er las Bücher und schrieb Bücher. Weil sein Bemühen dahin ging zu erkennen, was die Welt zusammenhält, galt er denen als weltfremd, die auf alles die schnelle Antwort der widerstreitenden Erfahrung hatten.

Die ökonomische UniversitätDieses Reich der Freiheit und Leidenschaft gibt es unter der Regie des Bologna-Prozesses nicht mehr. Der Student ist in ein enges zeitliches und inhaltliches Korsett gezwängt, muss in drei Jahren 180 Leistungs-punkte ansammeln, um sich dann mehr oder weniger stolz Bachelor nennen zu dürfen. Viel anders als das Gymnasium ist das nicht. Ob das eine berufliche Qualifikation ist, muss die Zukunft beweisen. Eine Universität zeichnet sich nicht so sehr durch die Ansammlung von gelehrten Persönlichkeiten aus, vielmehr schneiden die am besten ab und dürfen sich Exzellenzen nennen, die besonders bedeutsam klingende Projekte und Anträge formulieren können, die dann nach ihrer ökonomischen Verwertbarkeit beurteilt werden, nicht von der Wissenschaft, sondern von der Politik. Freiheit der Wissenschaft ade!

Bereits 1789 setzte sich Friedrich Schiller in seiner Antrittsvorlesung an der Universität Jena mit der Brotgelehrsamkeit auseinander:„Der philosophische Geist findet in seinem Gegenstand, in seinem Fleiße selbst Reiz und Belohnung. Das Kleine gewinnt Größe unter seiner schöpferischen Hand, da er dabei immer das Große im Auge hat, dem es dient, wenn der Brot-gelehrte in dem Großen selbst nur das Kleine sieht. Nicht was er treibt, sondern wie er das, was er treibt, behandelt, unterscheidet den philosophischen Geist.“ Dem ist nach fast 225 Jahren nichts hinzuzufügen.

n Manfred Wolff

Berlin, Universität zwischen 1890 und 1900 Foto: Wikipedia/Photoglob AG, Zürich, Switzerland or Detroit Publishing Company, Detroit, Michigan

Page 14: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

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14 Titel

Die Leidenschaft, die Leiden schafftMeine größte Angst als passionierter Philosoph? Die kalte Welt des Arbeitsmarktes.

Ich gebe es zu. Meine größte Leidenschaft ist auch mein Problem. Es war vielleicht nicht die cleverste Entscheidung in meinem Leben. Aber ein Philosophiestudium aufzunehmen, zu Ende zu bringen und danach auf dem Arbeits-

markt bestehen zu wollen, das verlangt schon Mut! Von den immer gleichen Fragen durchlöchert, wie: „Was willst du denn dann einmal werden?“ über „Wer braucht schon so etwas?“ und „Wie willst du jemals Geld verdienen?“, bleibe ich standhaft und entgegne den Leuten: „DEUTSCHLAND BRAUCHT EBEN EIER!!“.

Wahrheitsfindung im ObstkarrenMeine irrationale Entscheidung, in einer von Leistung und (Waffen-)Exportweltmeistern bestimmten Welt, die von sozialen Ungerechtigkeiten gezeichnet ist, von Finanzkreisen, Klimakatastrophen und den Auftritten Justin Biebers, ausgerechnet ein derartig weltfremdes Fach wie die Philosophie zu studieren, lässt sich vielleicht am besten mit der Bedeutung des Wortes „Leidenschaft“ selbst klären.

„L e i d e n s c h a f t “, das ist ein sehr intensives Gefühl. Es kann das gesamte Verhalten eines Men-schen bestimmen und ist vom Verstand nur schwer zu steuern. Etymologische Wörterbücher sprechen von „emotionalen Reaktionen“, die mit einer „heftigen Zuneigung zu einer Person“, oder einem „ausge-prägten Hang zu bestimmten Tätigkeiten oder Dingen“ einhergehen*. Jeder kennt das. Man hat bestimmte Dinge im Leben, die einen am meisten ausfüllen. Für den einen ist es die Familie, für den anderen Ruhm, Geld, Modellbaueisenbahnen, Romanzen oder die Anhäufung von Wissen. Bei mir ist es eben die Liebe zur Weisheit „Philo-sophia“. Ich habe mich dagegen entschlossen, meinem Sinn im Leben höchstens an vier Stunden an den Sonntagnachmittagen still und leise im Hobbykeller nachzugehen, auch wenn ich damit natürlich Gefahr laufe, das Bruttosozialprodukt des Landes nicht auf direktem Wege zu steigern. Zur Not schlafe ich wie der alte Dionysos in einem Obstkarren auf dem Markt beim Türken um die Ecke. Eine Tüte Idealismus als Kopfkissen.

2013Meine größte Angst als passionierter Philosoph? Die kalte Welt des Arbeitsmarktes. Dem Markt, auf dem man seine Tatkraft, seine Kreativität, seine Teamfähigkeit und seine Synergiefähigkeiten, seine Kernkompetenzen und IT-Kenntnisse zum Verkauf anbieten muss, wie eine Wurst beim Fleischer. Ich bin eben nur eine Wurst unter vielen, vielleicht schmecke ich anders als andere, aber verkauft werden wollen wir alle, denn wir sind erzogen worden mit dem Glauben (nicht Wissen), dass das unser Weg ist. Bloß nicht zu sehr vom Durchschnittsgeschmack abweichen, sonst bleibt man zurück wie der alte Köter mit grauem Star, den niemand vor dem Hundeschafott retten möchte.

Erschreckend - die Vision von mir selbst, verstoßen aus dem schützenden Schoß der Universität, vor der Berufsberaterin sitzend, die meine Personalien und Lebenseckpunkte überfliegt, wie eine emsige Arbeits-

biene, die eine leere Wüste nach brauchbarem Honig durchstreift und mich danach vorwurfsvoll anschaut. Es folgen Bewerbungen, Absagen, Maßnahmen, Wei-terbildungen, Kürzungen und eine Ausbildung zum überqualifizierten, in dem Angebot der Gesprächs-themen für seine Kunden jedoch überaus vielseitigen Taxifahrer.

2025City Cab 890D. Die Sonne knallt. Der linke (tief gebräunte) Arm, stützt meinen gedankenschweren Kopf, während ich einmal mehr im Verkehr der immer noch 0,9 Millionen-Menschen-Hauptstadt stehe. Während ich die glänzenden Blechlawinen mustere, wie ein alter Fischer das glitzernde Meer vor seinem Kutter, schwirren Stimmen aus der Ver-gangenheit durch mein Hirn mit seinem auf die vierfache Größe des Durchschnitts angewachsenen Hippocampus. „Haben wir es dir nicht gesagt?“ „Philosophie, was ist das?“ „Wer bin ich und wenn ja, warum braucht mich keiner?“.

Ich fühle mich ein bisschen in Charles Bukowskis Post Office (aus seinem gleichnamigen Roman der achtziger Jahre) versetzt. Klein gehalten, nur ein ersetzbares Rädchen im System. Nur eine weitere Institution, in der Indi-vidualisten nicht erwünscht und Demütigungen eine alltägliche

Routine sind. Entweder mitschwimmen und verges-sen, wie es ist, für sich selbst zu denken oder ein Leben voller Selbstbestimmtheit und nicht enden wollender Bemühungen sich für seine Individualität zu rechtfertigen.

n Marcel Nakoinz

* Bulita, E. und H, Wörterbuch der Synonyme und Antonyme, Fischer Frankfurt a. Main, 1999

Collage: Marcel Nakoinz

Page 15: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

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Künstler sind meist seltsame Menschen,

die nicht immer leicht zu verstehen sind Wie Leidenschaft den Künstler treibt

An Kunst interessierte Menschen fragen sich oft, wie ein Künstler es schafft, für sein Kunstwerk so viele Opfer zu bringen. Er muss häufi g viel Zeit, Geld und vor allem Energie aufwenden, um seine Kunst zu

betreiben. Die Zeit, die der Künstler aufwenden muss, um seine künstlerische Arbeit zu machen, führt auch dazu, dass er sehr häufi g zu einer Art Einzelgänger wird, weil aufgrund seiner Passion kaum oder keine Zeit für intensive Kontakte bleibt, wenn er seine Kunst intensiv betreibt.

Oft wird nicht ganz unberechtigt darauf hingewiesen, dass Künstler meist seltsame Menschen sind, die nicht immer leicht zu verstehen sind.

Was treibt also den Künstler an, was bringt ihn dazu, die genannten Opfer und Entbehrungen auf sich zu nehmen, um kreativ etwas zu schaffen? Warum sperren sich Künstler oft monatelang in ihr Atelier ein, um zu malen? Warum setzt sich ein Autor zum Schreiben tagaus, tagein monatelang an seinen Computer, um einen Roman zu schreiben?

Kunst betrieben um jeden Preis und zu unmöglichen ZeitenIch werde nachts um 2 Uhr wach und habe eine Idee. Aufgeregt gehe ich zu meinen Computer und fahre ihn hoch, beginne einen Text zu schreiben. Und das mitten in der Nacht! Der Wille kreativ zu werden, macht das Schlafen plötzlich völlig unbedeutend und zweitrangig. Das Schreiben gewinnt eine scheinbar irrationale, übersteigerte Bedeutung, die alles andere im Leben beiseite schiebt und als unbedeutend erscheinen lässt. Obwohl ich total müde bin, fl utscht es mit der Schreiberei total. Schon um Punkt 9 Uhr habe ich einen Termin, sitze aber bis 5 Uhr 30 Uhr am Computer und schreibe meinen Text. Hier sitze ich und kann nicht anders. Der Druck in mir wächst und wächst. Ich komme einfach nicht zur Ruhe und will unbedingt und um jeden Preis ein bestimmtes Pensum schaffen. Warum tue ich mir das an und gebe diesem wahnsinnigen und irrationalen Druck nach, mache die Nacht zum Tage und warte nicht bis Morgen?

Vom Drang künstlerisch zu arbeitenWas geht in oben geschilderten Situati-onen in mir und anderen Künstlern vor? Warum handelt ein Mensch so absolut irrational? Es ist ein innerer Drang, der den Künstler antreibt, der sich zu einem positiven Zwang entwi-ckelt und ihn zur Kreativität antreibt – ein Feuer das im tiefsten Inneren lauert. Er wird erst befriedigt sein und zur Ruhe kommen, wenn das Kunstwerk zu seiner Zufriedenheit fertiggestellt ist, ihm wirklich gefällt. Der Betroffene macht sich richtig Druck und ist bereit für seine Idee alles, aber auch alles, zu opfern, koste es, was es wolle. Es ist aber ein positiver Druck. Die Idee muss raus – und zwar jetzt, sofort und um jeden Preis. Dem Drang nicht nachzugeben ist dem Künstler einfach nicht möglich. Der Zwang, kreativ tätig zu sein, siegt über die Vernunft und oft auch über Verpfl ichtungen, die der Betroffene eingegangen ist, die dadurch einfach beiseite geschoben und vergessen werden. Durch den künstlerischen Drang im Gehirn wird alles andere überlagert.

Kunst und LeidenschaftDie Frage, die jetzt noch geklärt werden muss, ist, worum es sich bei diesem „inneren Feuer“ handelt? Was ist es, das den Künstler ruhelos macht? Es ist der Wille, kreativ zu sein, etwas zu schaffen. Der Künstler hat in der Regel ein Talent, das er einfach ausleben will, ausleben muss. Sein Talent nicht auszuleben, das ist ihm einfach nicht möglich. Wenn ich als Künstler eine Idee nicht umsetzen kann oder auf-grund bestimmter Alltags-zwänge die Zeit dafür nicht fi nde, beherrscht und quält

die Idee meinen Verstand solange, bis sie letztlich zur Ausführung kommt. Es geht auch darum, sich selber zu beweisen und eine Bestätigung zu bekommen, dass man das, was man tut, auch beherrscht. Der unbedingte Wille sitzt tief in der Seele und kann vom Betroffenen nicht ignoriert oder verdrängt werden. Man kann ihn auch Leidenschaft nennen. Ein Mensch kann seine Leidenschaft in der Regel nicht besiegen oder verdrängen, wenn er die dadurch entstehende Unruhe nicht riskieren will. Die Produktion von Kunst kann dadurch regelrecht zur Sucht werden.

n Detlef Flister

Foto: Andreas Düllick ©VG Bild-Kunst

Der Cartoonist OL arbeitet ganz leidenschaftlich an einem Werk zur Ausstellung „60 Jahre OL“

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Page 16: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

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Sein Ruhm kam erst posthum Zum 60. Geburtstag des 1997 verstorbenen Künstlers Martin Kippenberger zeigt der Hamburger Bahnhof seine erste umfangreiche Retrospektive in Berlin.

Hätte es ihn nicht gegeben, müsste er erfunden werden: Martin Kippenbergers Leben bietet genügend Stoff für Legenden. Der am 25. Februar 1953 in Dortmund geborene Sohn einer gutbürgerlichen

Familie war ein begnadeter Bürgerschreck. Er verkörperte und verinnerlichte – wie kein anderer westdeutscher Künstler in den 1980ern und den 1990ern – den Typ des postmodernen poète maudit. Er war rastlos und maßlos, exzessiv, narzisstisch, von der institutionellen Kunstwelt gefürchtet und lange Zeit gemieden: ein verkanntes und verzogenes Genie mit einem unstillbaren Hunger nach Anerkennung. Er störte sich nicht daran, Autodidakt bezeichnet zu werden, obwohl er sein Studium an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg 1976 nach vier Jahren und unmittelbar vor dem Abschluss abgebrochen hat. Er war meistens autothematisch: Objekt und Subjekt seiner Kunst. Er nannte sich „Exhibitionist“ und „Angeber“, war ein Draufgänger, ein Provokateur und ein Ekelpaket, das charmant, ironisch und autoi-ronisch sein konnte. Er malte und ließ andere gegen Entgelt für sich malen. Er war Performer, Bildhauer, Musiker, Manager, Schriftsteller und noch viel mehr. Bescheidenheit und Zeichensetzung waren ihm fremd, denn er behauptete: „Was Gott im Herrschen bin ich im Können.“ Er schrieb leidenschaftlich gern Briefe, Gedichte, Aphorismen und Songtexte, wobei er weder Peinlichkeiten noch Geschmacklosigkeiten noch Schreibfehler scheute. „Das beste am ficken ist

wichsen“ und „Französische Frauen waschen sich nicht. Sie tragen schwarze Unterwäsche“, so zwei seiner Weisheiten aus dem 1987 bei Schirmer/Mosel erschienen Bändchen „67 verbesserte Papiertiger ohne Angst vor Wiederholung“. Er veröffentlichte hunderte Kunstbücher, Zeitschriften, Kataloge und Einladungskarten. Er erfand flotte Sprüche, die zu geflügelten Worten wurden. Zum Beispiel: „Ich gehe kaputt, kommste mit?“ oder „Besser ein lebendes Komma als ein toter Punkt.“ Er war hyperaktiv und unglaublich produktiv, denn seine Kunst sollte die Menschheit auch im Nachhinein beglücken, das heißt: gute Laune verbreiten. Er arbeitete daran, dass die Leute zwanzig Jahre nach der Entstehung seiner Werke sagen können: „Kippenberger war gute Laune!“

Kippi ist Kult War er das? Ist „gute Laune“ ein Grund für die kultische Verehrung, die erst posthum einsetzte? Regt sie Sammler und Spekulanten zunehmend an, für seine Bilder astronomische Summen zu bezahlen? Vor einem halben Jahr ist eines seiner 1992 gemalten Selbstporträts bei Christie´s in London für fast vier Millionen Euro ersteigert worden. Während seines Lebens, das am 7. März 1997 in einem Wiener Kran-kenhaus an den Folgen einer Lebererkrankung zu Ende ging, hatte Kippi oder Kippy, wie er von Freun-den genannt wurde, fast nichts verkauft, obwohl er für seine Bilder schlappe 300 DM pro Stück verlangte. Warum wollte sie so lange niemand haben? Weil der Maler sich bekanntlich am liebsten in Naturalien oder Sachleistungen bezahlen ließ? War das erzwungen oder beabsichtigt? Warum ist der Künstler, der über 20 Jahre konsequent und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln an seiner Legende des genialen Außenseiters und artistischen Alleskönners fleißig strickte, erst nach seinem Tod zum international gefeierten Megastar und zu einer vom Boulevard und Feuilleton gleichermaßen gefeierten Ikone geworden? Auch wenn er chaotisch, anarchisch und spontan wirken wollte, war die Eigenvermarktung seiner Karriere genau geplant. Er wusste immer, dass man am richtigen Ort sein musste, um in der Kunst-rangliste aufzusteigen. Er besuchte Szenenlokale in Hamburg, Köln, Berlin, Stuttgart, Paris, Wien und überall dort, wo Reiche, Einflussreiche, Sammler, Museumsdirektoren und andere Multiplikatoren

verkehrten, freundete sich mit ihnen an in der Hoff-nung, dass sie ihn fördern werden. Was er eigentlich finanziell nicht so nötig hatte, denn er war kein Hungerkünstler, zu dem er stilisiert wird, sondern stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus im Ruhrgebiet. Sein Vater war Bergbauingenieur und Direktor einer Zeche; von seiner 1976 an den Folgen eines Verkehrsunfalls verstorbenen Mutter erbte er mehrere hunderttausend DM. Doch er gab sich damit nicht zufrieden, denn er wollte mit seiner Kunst nicht nur glänzen, sondern richtig Geld verdienen.

Das zweite Sein Ende der 1980er schien die Kunstwelt auf seine künstlerischen Leistungen und Werke, und nicht nur auf sein skandalumwittertes Image aufmerk-sam zu werden. Kippenberger, der selbstironisch anmerkte, dass „er nach oben wollte, aber nur bis zur Mitte kam“, nahm 1988 an der Biennale von Venedig teil. 1990 begann er eine Gastprofessur an der Städelschule in Frankfurt, hielt Vorlesungen in Kassel, Nizza, Amsterdam sowie an der Yale University in New Haven (Connecticut). 1996 heiratete er die österreichische Star- und Werbefotografin Elfie Semotan, Jahrgang 1941, und zog zu ihr nach Wien

Blick in die Ausstellung „Martin Kippenberger: Sehr Gut | Very Good“

Martin Kippenberger: „Martin, ab in die Ecke und schäm dich“, 1989

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Martin Kippenberger „Sehr Gut | Very Good“ Noch bis zum 18. August im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart Berlin Invalidenstraße 50-5110557 BerlinÖffnungszeiten: Di, Mi, Fr 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Sa, So 11-18 Uhr Eintrittspreise: Sonderausstellungen + Ham-burger Bahnhof 14 / 7 Euro

8 www.hamburgerbahnhof.de

Sein Ruhm kam erst posthum Zum 60. Geburtstag des 1997 verstorbenen Künstlers Martin Kippenberger zeigt der Hamburger Bahnhof seine erste umfangreiche Retrospektive in Berlin.

und ins Burgenland. In demselben Jahr wurde er mit dem Käthe-Kollwitz-Preis ausgezeichnet, 1997 zur Teilnahme an der documenta X in Kassel und an den parallel dazu stattfindenden Skulptur Projekten Münster eingeladen. 1987, also zehn Jahre vor seinem Tod, der ihn kurz nach seinem 44. Geburtstag ereilte, sang er zu Adriano Celentanos Ohrwurm „Yuppi du“ unter anderem diese selbstgetextete Zeile: „Es wäre gescheiter, das Leben ginge weiter.“ Doch die Kunstwelt ließ ihn nicht sterben: Zu seinem 50. Geburtstag im Februar 2003 richtete ihm das Museum für Neue Kunst | ZKM in Karlsruhe die erste große Werkschau in Deutschland aus. Sie hieß „Das 2. Sein“ und wartete mit über 500 Exponaten auf. 2006 wurde in der Tate Modern in London und der K21 in Düsseldorf ein repräsentativer Querschnitt durch das Schaffen „eines der einflussreichsten Künstler seiner Generation“ gezeigt. Es war das Beste, was er seit 1981 selbst produzierte oder nach seinen Vorlagen produzieren ließ.

Jeder Raum ist ein Kapitel Von 1979 bis 1981 lebte der heute so Gefeierte und Hochgeschätzte in West-Berlin, wo er zusammen mit seiner späteren Galeristin und Nachlassverwalterin Gisela Capitain das „Kippenberger Büro“ als Prototyp einer Künstler- und Eventagentur gründete und betrieb. Parallel dazu war er ein knappes Jahr lang Miteigentümer des legendären Clubs SO36 in Kreuz-berg. Doch er schnitt beim Publikum nicht gut ab, weil er durch seine Kleidung mit Hut, Anzug und Krawatte auf die Punks wie ein Biedermann und Spießer wirkte. Da er seine Kundschaft, vor allem die weibliche, häufig beleidigte, wurde er blutig zusammenge-schlagen. Sein massakriertes und bandagiertes Gesicht ließ er auf dem Bild „Dialog mit der Jugend“ (1981/1982) aus der Serie „Lieber Maler, male mir“ verewigen. Doch nicht alles, was er in West-Berlin erlebte, war so schmerzhaft. Zum Beispiel tauschte er seine Bilder gegen die Möglichkeit, in der Paris Bar, dem Promi- und Schickimicki-Treff an der Kantstraße 152, lebenslang umsonst zu essen und zu trinken. Es ist ferner kein Geheimnis, dass schon seit einiger Zeit der Hamburger Bahnhof in Berlin-Mitte über eine der größten Kippenberger-Sammlung weltweit verfügt. Nun gibt es also, aus Anlass seines 60. Geburtstags, eine langersehnte Kippenberger-Schau im Museum für Gegenwart, nur einige Schritte vom Hauptbahnhof entfernt. Sie nennt sich „Martin Kippenberger: Sehr Gut | Very Good“ und ist nach einer späten Serie seiner weißen Bilder und dem von ihm 1978 heraus-gegebenen Kunstmagazin benannt. Es gibt viel zu sehen und fast einen Kilometer zu gehen, denn die Kippi-Kunst setzt sich aus 300 Objekten zusammen, die, auf einer Fläche von 3000 Quadratmetern verteilt, fast die gesamten Rieckhallen sowie zwei Räume über dem Haupteingang zum Hamburger Bahnhof einnehmen. Die Ausstellung ist so konzipiert, dass man sich weitgehend der ungestörten Kunstbetrach-tung widmen kann. Es gibt keinen Katalog und nur wenige Texte, die erklären, was der Künstler sagen oder zeigen will. So entsteht an vielen Stellen der Eindruck, die Schau sei zugleich ein überlebensgroßer

und begehbarer Katalog. Jeder Raum scheint ein mit einem Kippenberger Zitat betiteltes Kapitel zu sein. Die dort ausgestellten Kunstwerke muten wie Illustrationen an.

Simple Persiflagen Wenn man sich auf Kippenbergers Kunst ganz einlässt, kann man Interessantes entdecken: Kippenbergers Kunst kommt von der Kunst Alter Meister, an denen er sich misst, reibt und die er häufig auf eine denkbar einfache Art persifliert. Er tut es so simpel und nachvollziehbar, dass seine Absichten auch einem kunstfremden Publikum verständlich sind, welches lange Wartezeiten in Kauf nimmt, um das Werk des „exzessiven Selbstinszenierers“ zum ersten Mal per-sönlich zu erleben. „Jeder Künstler ist ein Mensch“, steht da an der Wand geschrieben – und der lesende Mensch freut sich, denn er hat verstanden: Das ist der umgekehrte Beuys! Von dem stammt ja das geflügelte Wort: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Dann ist da noch das bekannte Foto von Pablo Picasso, wie er nur mit einer weißen Feinrippunterhose bekleidet, einen langfelligen afghanischen Windhund ausführt. Das inspirierte den Menschen Martin, eine Reihe von Selbstporträts zu malen, auf denen er sich als Träger einer ähnlichen, etwas größeren Unterhose darstellt. Weil die Unterhose eine derart wichtige Chose auf seinen Bildern, wahrlich ein legendäres Kleidungsstück ist, nimmt es Wunder, dass man sie unter den Kippenberger-Devotionalien im Museums-shop vergeblich sucht. „Neee, wir ham so wat nich“, stutzt die Verkäuferin und guckt mich verdutzt an.

n Urszula Usakowska-Wolff

Info:

Einer von Kippenbergers gekreuzigten Fröschen mit dem Titel: „Zuerst die Füße“, 1990

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„Wir brauchen in Berlin eine Leitbilddiskussion für die neuen Stadtquartiere.“

Der strassenfeger beschäftigte sich in den vergangenen Jahren selbstredend immer wieder mit dem

Wohnungsmarkt in Berlin. Aus der Obdachlosigkeit heraus wieder in ein Leben mit eignen vier Wänden zu kommen, das wird in der Haupt-stadt immer schwerer. Die Mieten steigen rasant, Wohnungsnot droht. Von der Senatsverwal-tung für Stadtentwicklung und Umweltschutz wurden im letzten Jahr erste Versuche unternom-men, die Mietpreissteigerung zu dämpfen. Ein Ansatz ist das Mietbündnis mit den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Ephraim Gothe, Staatssekretär für Bauen und Wohnen, ist ein profunder Kenner der Materie. Nach dem Studium in München kam er nach Berlin und war lange Zeit in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz tätig. Er begann als Referendar und wurde schließlich Sekretär des Senatsbaudirektors. Nach 2011 arbeitete er als Baustadtrat in Mitte. Jan Markowsky sprach für den strassenfeger mit Ephraim Gothe über Wohnen, Mieten, Wohnungs-not und Perspektiven in Berlin.

strassenfeger: Ich kenne Sie als Baustadtrat und habe da den Eindruck gewonnen, dass die Bauplanung Ihr großes Steckenpferd ist. Ihr Aufga-bengebiet als Staatssekretär umfasst ja weit mehr. Können Sie Ihr Aufgabengebiet umreißen?Ephraim Gothe: Es gibt mehrere Einzelprojekte wie die Nachnutzung des Flughafens in Tegel,

die Weiterentwicklung von Adlershof-Johannistal, die Weiterentwicklung von Buch. Daneben bin ich generell für das Thema Wohnen zuständig, einschließlich der Zusammen-arbeit mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Zunehmend beschäftigt mich die Frage, wie bekommen wir neue Wohnungen gebaut, was ist zu tun, dass es dafür Bau-genehmigungen gibt und es ein Klima in der Stadt erzeugt wird, das es leichter macht, Bauprojekte für Wohnungsbau zu starten.

sf: In Lichtenberg existiert, von der HOWOGE Woh-nungsbaugesellschaft mbH angeregt, seit einiger Zeit ein bezirkliches Bündnis? E. G.: Darüber habe ich mich gefreut. Wir haben ja anders als in anderen großen Städten in Berlin eine zweistufige Verwaltung mit den Bezirken, die politisch eine gewisse Selbstständigkeit haben. Wir können als Hauptverwaltung die Bezirke nicht zwingen, dafür zu sorgen, dass Wohnungen gebaut werden können. Das können wir nur im guten Einvernehmen aushandeln. Wir sind in den letzten zwölf Monaten verstärkt mit den Bezirken in Kontakt, wie sieht es bei euch aus, was kann man bauen? Und der Bezirk Lichtenberg ist hier die Avantgarde, die von sich aus einen bezirk-lichen Neubauentwicklungsplan entwickelt haben. Neben der HOWOGE sind auch große Wohnungsbau-genossenschaften und private Gesellschaften im Boot und man hat sich im Bezirk geeinigt, dass die soziale Mischung erhalten werden soll, indem beim

Ephraim Gothe, Staatssekretär für Bauen und Wohnen

Brunnenviertel

Ephraim Gothe

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Wohnungsneubau ein bestimmter Anteil Menschen mit geringem Einkommen zur Verfügung gestellt wird, ein Segment mit preiswerteren Wohnraum schafft.

sf: Die HOWOGE hat ein gewisses Eigeninteresse – das habe ich bei einer Veranstaltung der Partei Die LINKE erfahren, bei der das bezirkliche Bündnis vorgestellt wurde – Altmieter zu halten.E. G.: Ich glaube, die HOWOGE ist eine sehr gut aufgestellte Wohnungsbaugesellschaft. Sie hat einen weitestgehend modernisierten Bestand, hat viel für die Schuldentilgung getan und steigt aktiv in den Wohnungsneubau ein. Sie baut in Karlshorst ein Objekt für 270 Neubauwohnungen, was wir natürlich sehr begrüßen.

sf: Es gibt in unserer Stadt einige Potenziale für Wohnungsneubau, beispielsweise am Hauptbahn-hof. Da gibt es einen Namen: Klaus Groth. Der Investor, so habe ich aus der Presse erfahren, baut ja auch am Mauerpark, dem Weddinger Teil?E. G.: Ja, das ist richtig. Herr Groth hat in der Stadt einige große Baugebiete, die er mit der Stadt und den Bezirken beplant und will viele Wohnungen bauen. Dagegen ist auch gar nichts zu sagen. Die Frage ist, was dabei entsteht. Ich habe in Gesprächen mit der Wohnungswirtschaft, der Fachwelt und der Politik gespürt, wir brauchen in Berlin eine Leitbilddiskus-sion für die neuen Stadtquartiere. Wie sollen die Quartiere sein, wenn sie fertig gestellt sind? Darüber hinaus sollen höchstens ein Drittel Eigentumswoh-nungen, ein Drittel Sozialmietwohnungen und ein Drittel normale Mietwohnungen sein. Idealerweise spiegelt sich in diesen Quartieren, wenn sie neu bezo-

gen sind, die Vielfalt einer Großtadtgesellschaft wie wir sie in Berlin haben, wieder. Eigentlich müssten alle Gruppen, die wir in der Stadt heben, dort ver-treten sein. Die spannende Frage ist, wie bekommen wir das hin.

sf: Wir haben in Berlin eine Verknappung an Woh-nungen. Dazu kommt, dass der Druck von den Job-centern gestiegen ist. Die Anzahl an Aufforderungen, die Wohnkosten zu senken, hat stark zugenommen. Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt ist aber konträr. Es gibt einfach nicht die Wohnungen. Die Werte der WAV stammen aus dem Jahr 2009, Miet-spiegel 2010. Wenn die Mieten so rasant steigen, wie

können die Menschen, die auf Unterstützung durch Jobcenter angewiesen sind, geschützt werden, ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten zu können? Das sozialökonomische Minimum sollte, so das Bundesverfassungsgericht, garantiert werden!E. G.: Es ist eine wichtige Diskussion, was für die Menschen, die nicht in der Lage sind, das eigene Geld zu verdienen und damit ihre Wohnung

„Zunehmend beschäftigt mich die Frage, wie bekommen wir

neue Wohnungen gebaut?“

„Das ist ein richtig großer Brocken für den klammen Haushalt unserer Stadt.“

Brache am Mauerpark in Prenzlauer Berg

Hier am Gleisdreieck baut der stadtbekannte Investor Klaus Groth

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zu bezahlen, angemessen ist. Es kann diskutiert werden, ob 317 Euro Miete für einen Einper-sonenhaushalt viel oder wenig sind. Man muss aber wissen, dass wir für die Miete der Transferleistungsbe-zieher 1,4 Mrd. Euro zahlen. Das ist ein richtig großer Brocken für den klammen Haushalt unserer Stadt. Insofern kann gesagt werden, die Stadt stellt einen großen Brocken Geld zur Verfügung, um überhaupt hier zu helfen.

sf: Es wird versucht, die Mietpreissteigerung zu dämpfen. Der Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz Michael Müller hat im vorigen Jahr ein Bündnis geschmiedet. Es hat einen kompli-zierten Namen!?E. G.: Das „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“. Wir sagen einfach ‚Mietenbünd-nis‘ dazu. Allerdings nur mit den sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften.

sf: In der Presse waren die Wohnungsbaugenossen-schaften mit von der Partie!E. G.: Das wäre eine Idee. Ob wir die beteiligen können, müssten wir einmal ausloten. Zunächst mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften, weil die Stadt deren Eigentümer ist und wir deshalb in der Lage sind, das zu verhandeln. Es war ein wichtiger und guter Schritt, dass wir das getan haben.

sf: Das Bündnis beinhaltet ja zweierlei. Zunächst ist die gesetzliche Steigerung der Miete 20 Prozent in drei Jahren gedeckelt worden?E. G.: Ja, auf 15 Prozent in vier Jahren.

sf: Vereinbart wurde, dass ein Teil der freien Wohnungen Menschen mit WBS-Berechtigung zugu-tekommen soll und ohne Vorlage des Wohnberechti-gungsscheins. Das gilt, wenn ich richtig unterrichtet worden bin, für jede zweite Wohnung, die frei oder neu gebaut wird, im Innenstadtring und außerhalb des S-Bahnringes jede dritte Wohnung.E. G.: Genau. Jede zweite Wohnung im Innenstadt-ring, die frei wird, soll an Menschen vermietet werden, die berechtigt sind, den Wohnberechtigungsschein zu erhalten. Das nicht zu einer neuen höheren Miete, sondern zu der ortsüblichen Vergleichsmiete, die dort vorherrscht. Und das halten wir auch für sehr sinnvoll, um ein preiswerteres Segment bei Neu- und Wieder-vermietung zu schaffen. Um die Bezirksämter zu entlasten, verpflichten wir die Wohnungsbaugesell-schaften, zu prüfen, ob der Antragsteller berechtigt ist, einen WBS zu erhalten. Die Antragsteller müssen nicht mehr zum Bezirk wegen des Antrags laufen. Und ich glaube, es ist gut, die Bezirke, die Schwierigkeiten mit ihrer Personaldecke haben, ein Stück zu entlasten.

sf: Anspruch auf WBS haben viele Menschen in Berlin. Berlin ist die Stadt der prekären Beschäfti-gung. Ein Sozialarbeiter, der mich unterstützt hat, hatte aufstockend ALG II erhalten. Auf preiswerte Wohnungen sind nicht nur Langzeitarbeitslose wie

„Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften

haben die soziale Verpflichtung, Menschen

mit Migrationshintergrund zu helfen, Wohnraum zu

bekommen.“

ich, sondern auch Menschen in Arbeit angewiesen. Die Caritas hat den Bedarf in Berlin auf 500.000 Menschen geschätzt.E. G.: WBS-berechtigt sind aber noch viel mehr. 60 Prozent der Bevölkerung, glaube ich, haben Anspruch auf einen WBS. Es gibt beim WBS noch die Stufe mit dem besonders dringlichen Bedarf. Dafür gibt es Kriterien. Die werden dann vorgezogen auf der Liste.

sf: Es gibt Berichte, dass die städtischen Wohnungs-baugesellschaften in der Innenstadt Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Suchtpro-blemen, Langzeitarbeitslose nicht haben wollen. Das hat die Segregation, die in Berlin-Wedding zugelassen wurde, aufgelockert. Hier sind in letz-ter Zeit Menschen mit Einkommen und Studenten zugezogen. Sie zählen nicht zur Armutsbevölkerung. Auch hier sind sicherlich viele WBS-berechtigt, zumal im letzten Jahr die Einkommensgrenze angehoben worden ist.E. G.: So ist es ja nicht. Die städtischen Wohnungs-baugesellschaften sagen ja nicht, dass sie Menschen mit Migrationshintergrund nicht haben wollen. Sie wollen sie nicht ausschließlich haben. Man möchte in größeren Quartieren gemischte Bestände haben. Sie haben schon die soziale Verpflichtung, grade den Bedürftigen zu helfen, Wohnraum zu bekommen. Es ist sozialpolitisch wichtig, dass beispielsweise die degewo im Brunnenviertel eine gemischte Mieter-schaft hat. Das ist zum Vorteil von uns allen.

sf: Mich macht stutzig, dass die Bezirke die Ein-haltung der Verpflichtungen nicht kontrollieren können. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaf-ten wie degewo AG oder GESOBAU AG haben ihren Wohnungsbestand im Innenstadtring ja nicht nur in einem Bezirk. Die Kontrolle des WBS war bisher immer am Bezirk gebunden.E. G.: Die Kontrolle, ob die Wohnungsbaugesellschaf-ten ihre Verpflichtungen aus dem Bündnis einhalten, können nicht die Bezirke leisten, sondern wir als

Senatsverwaltung, das Abgeordnetenhaus, das auch immer das Recht hat, so etwas abzufragen und die Aufsichtsräte der Wohnungsbaugesellschaften. Auch die haben die Pflicht, darauf zu achten, ob ihre Gesellschaften sich so verhalten, wie sie sich vertrag-lich vereinbart haben. Da das Bündnis noch jung ist, kann keine statische Auswertung gemacht werden. Aber es wird hier ein Berichtswesen geben, indem die städtischen Wohnungsbaugesellschaften darlegen, wie sie ihren Verpflichtungen aus dem Bündnis nachkommen. Das kann öffentlich eingesehen oder auch im Parlament diskutiert werden. Deswegen gehe ich davon aus, dass sich die städtischen Wohnungs-baugesellschaften an dieses Bündnis halten. n

„Wir brauchen in Berlin eine Leitbilddiskussion für die

neuen Stadtquartiere.“

Haus der „degewo“

Findet man immer seltener!

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Stimmen wir zur Bundestagswahl 2013 auch über die energetische Zukunft Berlins ab?Berliner Volksbegehren zur Versorgungssicherheit aus öffentlicher Hand

Beim letzten Besuch in meinem Einwohner-meldeamt sprang mir ein riesiges Plakat ins Auge. Darauf war in Großbuchstaben zu lesen: „Re-Kommunalisierung der Energie-versorger“. Dann gab es jede Menge Klein-

text und den Hinweis auf den ersten Wartebereich des Amtes, wo es alle Unterlagen für ein Bürgerbegehren zu diesem Thema gab. Vorher hatte ich von diesem Volksbegehren noch nichts gehört. Grund genug für mich, jemanden danach zu fragen, der sich mit diesem Thema bestens auskennt. Dr. Stefan Taschner ist der Sprecher des Berliner Energietischs und war bei mir im Studio von strassenfeger radio zu Gast.

Guido Fahrendholz: Die Energieversorgung zurück in kommunale Hand, Stadtwerke statt Monopolver-sorger. Das klingt richtig gut. In einigen ländlichen Regionen Hessens oder auch Baden-Württembergs sind die Weichen dazu bereits gestellt. Wie realis-tisch ist es, in einem Ballungsraum wie Berlin einem Energiekonzern wie „Vattenfall“ aus dem Rennen zu werfen? Dr. Stefan Taschner: Wir wollen uns in unserem Volks-begehren das Stromnetz von „Vattenfall“ zurückho-len. Und ja, das können wir, weil der sogenannte Konzessionsvertrag im kommenden Jahr ausläuft. Damit erhält die Kommune Berlin die Möglichkeit, das Netz wieder selbst zu betreiben, so wie in den Jahren vor der Privatisierung auch. Andererseits wollen wir hier Stadtwerke gründen, die konsequent auf erneuerbare Energien setzen. Das ist ein Prozess, der natürlich Schritt für Schritt erfolgen muss. Von heute auf morgen werden wir „Vattenfall“ nicht aus dem Energiemarkt drängen können. Aber den ersten Schritt müssen wir jetzt gehen. Und ja, ich bin mir sicher, perspektivisch schaffen wir beides.

G. F.: Machen die Erfolge des „Berliner Wassertisch“ Ihnen da Mut?S. T.: Wir orientieren uns ja auch deshalb schon im Namen am „Berliner Wassertisch“, sehen dort durchaus auch Gemeinsamkeiten. In beiden Fällen geht es um eine ganz wichtige Sache, nämlich um die Daseinsvorsorge. Um etwas was wir ständig brauchen, Wasser und Energie. Wir sind überzeugt, dass das eben nicht in private Hände gehört, eben nicht ein Mittel zur Gewinnmaximierung darstellen darf. Hier ist die Kommune ganz stark gefragt, bezahlbare Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Insofern machen uns die Erfolge des „Berliner Wassertischs“ viel Mut.

G. F.: Das bedeutet, für unsere Wasser- und Ener-gieversorgung sollten wir Bürger kostendeckende Preise zahlen?S. T.: Genau, ‚Gemeinwohlorientierung‘ ist hier das Stichwort! Dafür ist die öffentliche Hand eigentlich der perfekte Handlungspartner, weil es darum geht, die Infrastruktur der Stromnetze bereitzustellen, über Stadtwerke die Zukunft von erneuerbaren Energien zu befördern und sich in diesem Zusammenhang als Partner der Bürger zu verstehen. Wir können so die Energiewende nach Berlin holen, wir können sie aber auch sozial gestalten, die Energiearmut bekämpfen und damit Akzente für eine andere Energiepolitik setzen.

G. F.: Was kann ich als Berliner Bürger tun, um mich an diesem Volksbegehren zu beteiligen?

S. T.: Für ein solches Begehren sind 200.000 Unterschriften in vier Monaten zwingend not-wendig. Man kann sich dafür in den Bezirks- und Bürgerämtern direkt in die Listen eintragen. Man kann sich aber auch auf unserer Internetseite unter www.berliner-energietisch.net die Unterschriftsliste abrufen, dann ausdrucken und selbst unterschreiben. Wir haben vierzig Materialstationen in Berlin verteilt, die auf einer Karte auf unserer Internet-seite verzeichnet sind. Dort kann man sich Informationen und Unterschriftenlisten holen, selber unterschreiben und eventuell Freunde, Bekannte und Familie motivieren, auch zu unterschreiben. ‚Netzwerken‘ ist ein weiteres Stichwort. Wenn sich ganz viele für dieses Anliegen interessieren, unterschreiben und wir die 200.000 gültigen Unterschriften zusammenbekommen, dann können wir Berliner zur Bundestagswahl 2013 hier in Berlin darüber abstimmen, wie es mit unserer Energieversorgung weiter geht.

G. F.: Was muss beachtet werden?S. T.: Stichtag für das Volksbegehren ist der 10. Juni

2013. Bis Null Uhr dürfen wir die letzten Unterschrif-ten bei der Innenbehörde abgeben. Derzeit wurden rund 43.000 Unterschriften gesammelt. Damit liegen wir nach knapp zwei Monaten etwa auf demselben Niveau wie der „Berliner Wassertisch“ im gleichen Zeitraum. Wir haben also noch knapp zwei Monate Zeit, auf einem langen und harten Weg die notwen-digen Unterschriften zusammen zu bekommen. Aber wenn alle mithelfen schaffen wir es! n

8 www.berliner-energietisch.net

Pressesprecher Dr. Stefan Taschner Quelle: Berliner Energietisch

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22 Kulturtipps

Komödie„Eine ganz normale Familie“

In „Eine ganz normale Familie“ porträtiert Neil Simon die jüdische Familie Kurnitz, in deren Zentrum die autoritäre Großmutter steht. Sie ist aus Deutschland in die USA eingewandert, bestreitet den Lebensunterhalt der Familie mit einem Süßwarenladen und führt ein strenges Regiment. Darunter leiden nicht nur ihre Enkel Arty und Jay, die zu ihr ziehen müssen, weil ihre Mutter kürzlich gestorben ist.Neil Simon stammt selbst aus einer jüdischen Familie und beschreibt in seinen Memoiren wie er auf die Idee zu „Eine ganz normale Familie“ kam: Der Mann seiner Tante hatte als Buchhalter für eine Firma gearbeitet, die Verbindungen zur Mafia hatte, und verschwand spurlos. Die Familie war sich sicher, dass der Onkel umgebracht wurde, weil er zu viel wusste…

Noch bis zum 28. April, täglich um 20 Uhr. Sonntags wird das Stück um 16 Uhr aufgeführt.

von Montag bis Samstag von 11 Uhr bis 18 Uhr

Eintritt: zwischen 16 Euro und 47 Euro/Ermäßigungen für Schüler/Soziallei-stunsbezieher: www.komoedie-berlin.de/sitzplan+und+preise Tickethotline: Bestellungen per Telefon 030 - 88591188

Theater und Komödie am Kurfür-stendammKurfürstendamm 206/20910719 Berlin

Info: www.komoedie-berlin.de

Bildnachweis: www.komoedie-berlin.de Johannes Zacher

Kinder„Gregs Tagebuch: Ich war‘s nicht“

Das Union-Kino in Friedrichshagen zeigt im April den Film „Gregs Tage-buch: Ich war‘s nicht“: Der Sommer steht vor der Tür, das letzte Schuljahr ist so gut wie vergessen und Greg Heffley ist voller Vorfreude und Pläne für die freien Monate. Sein Vater hat jedoch andere Vorstellungen von gut genutzten Ferien und so kommt es, dass sich Greg gegen seinen Willen auf einem Campingausflug mit seiner alten Pfadfindertruppe wiederfindet. Doch ein glücklicher Zwischenfall sorgt dafür, dass der Ausflug ein jähes Ende findet und Greg endlich mit seinem Freund Rupert rumhängen und die freie Zeit am Pool des schicken Country-Clubs verbringen kann. Als dort auch noch Holly Hills auftaucht, in die Greg schon lange heimlich verknallt ist, scheint sein Leben perfekt. Doch immer, wenn alles zu schön scheint, ist es das wohl auch: Gregs älterer Bruder Rodrick schummelt sich in den Club, dann ver-schwindet auch noch Gregs Badehose - und damit fängt der Schlamassel erst richtig an....

Am 20., 21. und 28. April um 13 Uhr, am 27. April um 13 Uhr

Eintritt: 6,50 Euro/ für Schüler: fünf EuroKinder bis zwölf: 3,50 Euro

Kartenbestellung: per Telefon unter 030 - 650 13 14

Kino UNIONBölschestraße 6912587 Berlin

Info: www.kino-union.de

Bildnachweis: www.gregstagebuch-ichwarsnicht.de

Varieté„dUMMY”

Eine neue Generation von Varieté-künstlern ist angetreten, um in einer rasanten, sinnlichen und technisch höchst innovativen Inszenierung Menschen und Puppen zu einer faszi-nierenden Einheit zu verschmelzen: „dUMMY“ ist Varieté 2.0! Nach den Ideen des erst 22-jährigen Regisseurs und Ausnahmeartisten Eike von Stu-ckenbrok entstand in Zusammenarbeit mit Bühnenvisionär Markus Pabst, der schon „SOAP – The Show“ initiiert hat, eine ganz eigene Welt. Untermalt wird das Stück von einem eigens kompo-nierten Soundtrack von Elektro bis Klassik. Auf einer kippbaren Bühne tritt grandiose Körperkunst in einen beein-druckenden Dialog mit interaktiven Videoprojektionen von Lichtmagier Frieder Weiss, dessen futuristische visuelle Installationen weltweit für Staunen sorgen und bereits Videos von Kylie Minogue ausschmückten.

Noch bis zum 21. Juli,

von Dienstag bis Freitag um 19 UhrSamstag und Sonntag um 20 Uhr und um 22.15 Uhr

Eintritt: Dienstags bis donnerstags zwischen 36 Euro und 46 Euro/Ermäßigt: 28 Euro/ 31 Euro und 35 Euro

Freitag bis Sonntag 39 Euro/ 45 Euro und 49 EuroErmäßigt: 28 Euro/ 31 Euro und 35 Euro

Tickethotline: 030 - 4000590

In den Hackeschen HöfenRosenthaler Straße 40/4110178 Berlin-Mitte

Info und Bildnachweis: www.chamaeleonberlin.de

Ausstellung„bartnig konkret“

In der eigens für die „Galerie Parterre“ in der Danziger Straße 101 konzi-pierten Ausstellung thematisiert Horst Bartnig – als erster der hier ausstel-lenden Künstler – die den Hauptraum

beherrschende Säulensituation. Diese entstand 1984 während des Umbaus der ehemaligen Direktorenvilla, einem denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen IV. Städtischen Gasanstalt im Ortsteil Prenzlauer Berg, in ein Kulturzentrum. Die authentischen, schlanken, gusseisernen Säulen des Industriegebäudes wurden mit einer historisierenden und überdimensi-onierten Gipsfassade umbaut. Das war schon zum damaligen Zeitpunkt verstörend rückwärts gewandt. Doch bis heute bestimmt diese Umbauung die Ausstrahlung der Räume. Bartnigs künstlerische Intervention wird den Raum vollständig verwandeln. Zu sehen sind außerdem Bilder und Gra-fikfolgen aus den Jahren 1998 - 2013. Während der Ausstellung wird die zwanzigminütige Videodokumentation „Horst Bartnig. Atelier 2007 Entste-hung eines Bildes“ gezeigt.

Noch bis zum 28. April,

Mittwoch bis Sonntag von 13 Uhr bis 21 UhrDonnerstag 10 Uhr bis 22 Uhr

Eintritt frei!

Galerie Parterre undKommunale KunstsammlungDanziger Straße 101Haus 10310405 Berlin

Info: www.galerieparterre.de

Bildnachweis: www.galerieparterre.de Horst Bartnig

Page 23: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

08/2013 strassen|feger

23Kulturtipps

Zusammengestellt von Laura & Andreas

ComicMOSAIK-Kinderkunstnacht

Am Samstag, dem 20. April 2013, laden die Abrafaxe Abrax, Brabax und Califax des Kultcomics „MOSAIK“ zu einem großen Abenteuer in die „Arena Berlin“ ein: In der MOSAIK-Kinderkunstnacht mitten in der Ausstellung „Tutan-chamun - Sein Grab und die Schätze“ wird das Alte Ägypten lebendig. Die kleinen und großen Besucher lernen, wie ein Comic entsteht, können sich mumifizieren lassen, schauen echten MOSAIK-Zeichnern über die Schulter und denken sich selbst Comicge-schichten aus dem Pharaonenland aus. Bei der „Tut-Rallye“ gilt es unter anderem Califax altägyptische Gewürz-geheimnisse zu lüften. Bei diesen und weiteren spaßigen Aktionen können nicht nur die Schätze des Tutanchamun, sondern sicher auch das eine oder andere künstlerische Talent entdeckt werden. MOSAIK ist der älteste und auflagenstärkste in Deutschland produzierte Comic, und wird in über 20 Sprachen produziert. Die Aben-teuer der Abrafaxe werden von einem Künstlerteam in Berlin in Handarbeit gezeichnet. Historische Kulissen, Kostüme und kulturgeschichtliche Hintergründe finden sich nach auf-wendigen Recherchen detailgenau und liebevoll umgesetzt im Heft wieder.

Am 20. April 2013 von 17 – 22 Uhr

Arena BerlinEichenstraße 412435 Berlin-Treptow

Info: www.tut-ausstellung.com

Bildnachweis: www.semmel.d/MOSAIK – Die Abrafaxe

Frühling„Storchenschmiede Linum“

Der Winter sorgt nicht nur für eine verspätete Ankunft der Weißstörche und der Kraniche. Auch das Ende der Bauarbeiten an der Storchenschmiede hat sich verzögert. Die Storchen-schmiede in Linum bei Kremmen ist durch die Umbauarbeiten im Rahmen der „96 Stunden“-Aktion des rbb zwar schon längst aus dem Winterschlaf erwacht. Doch für Besucher verschiebt sich die traditionelle Eröffnung wegen der Bauarbeiten und der schlechten Witterung auf das Wochenende vom

13./14. April. Dann stehen die frisch renovierten Räume den Besuchern wieder zur Verfügung.

Am Sonntag, 21.04.2013, gibt es ab 9 Uhr die Exkursion „Auf der Suche nach dem Eisvogel“.

Öffnungszeiten bis zum Ende der Kranichrast im November: Montag und Dienstag geschlossenMittwoch bis Freitag von 10 bis 16 Uhr; Samstag, Sonn- & Feiertage von 10 bis 18 Uhr... und jederzeit nach Vereinbarung

Storchenschmiede LinumNauener Str. 5416833 Linum

Info: http://berlin.nabu.de/projekte/linum/

Foto: Andreas Düllick ©VG Bild-Kunst

Preisverleihung„Theo- Schreibwettbewerb“

Kurz vor dem „Welttag des Buches“ werden die fünf Gewinner des „Theo-Schreibwettbewerbs“ im Rahmen einer öffentlichen Preisverleihung bekannt gegeben. Der „Theo-Schreibwettbe-werb“, benannt nach dem Schriftsteller

Theodor Fontane, wird vom „Schreibende Schüler e.V.“ und dem Börsenverein des Deutschen Buchhan-dels Landesverband Berlin-Brandenburg e.V. ausgerichtet. Er soll die Begeisterung für die Literatur, das Schreiben und die Kreativität bei Kindern und Jugend-lichen fördern. Der Preis wird in drei Alterska-tegorien vergeben;

zusätzlich werden ein „Theo“ in der Kategorie Lyrik und ein Junior-Theo an einen Teilnehmer unter zehn Jahren verliehen. Die fünf Preisträger erhalten eine Medaille, Büchergutscheine und die Einladung, kostenfrei an der Lite-raturwoche von „Schreibende Schüler e.V.“ im Sommer 2013 teilzunehmen. Die Nominierten in den Alterskatego-rien zehn bis zwölf Jahre, 13 bis 15 Jahre und 16 bis 18 Jahre und in der Kategorie ‚Lyrik‘ werden ihre Texte zum Thema ‚Verwurzelt‘ vortragen.

Am 21. April, um 11 Uhr

Eintritt frei!

Rotes Rathaus Rathausstraße 1510178 Berlin

Info: www.berlinerbuchhandel.de

Bildnachweis: © Schreibende Schüler e.V.

Fotografie„Rudolf Holtappel”

Mit einer Werkschau feiert der Freun-deskreis „Willy-Brandt-Haus“ den 90. Geburtstag Rudolf Holtappels. Er wurde 1923 in Münster geboren, wuchs in Duisburg auf und lebt seit 1960 in Oberhausen. Auch wenn er als freier

Fotograf weltweit in den verschie-densten Aufgabengebieten tätig war, blieb er dem Ruhrgebiet immer in besonderer Weise verbunden, als foto-grafierend teilnehmender Beobachter und liebevoll-kritischer Chronist. Das Land und die Leute, untrennbar aufei-nander bezogen und stets in Bewegung, davon handeln die meisten seiner Fotografien. Dabei gelingen ihm mei-sterliche Bilder des Alltagslebens, die in ihrer formalen Gestaltung weit über den Charakter einer Momentaufnahme hinausreichen. Ob im Stahlwerk oder im Supermarkt, auf dem Sportplatz oder im Straßenverkehr, bei der Arbeit oder in der Kneipe, auf der Demo oder im Schrebergarten, stets stehen die Menschen im Mittelpunkt seiner Bilder.

Noch bis zum 24. April,

Von Dienstag bis Sonntag 12 Uhr bis 18 Uhr

Eintritt frei! Aber das Mitbringen eines Ausweises ist erforderlich.

Willy-Brandt-Haus Stresemannstr. 28 10963 Berlin

Info: www.willy-brandt-haus.de

Bildnachweis: © Rudolf Holtappel

Schicken Sie uns Ihre schrägen, skurrilen, famosen und preis-werten Veranstaltungstipps an: [email protected]

Page 24: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

strassen|feger 08/2013

24 Aktuell

Die AllerunterstenWarum halten sich jahrhundertealte Klischees und Vorurteile derart hartnäckig? Fragen an Klaus-Michael Bogdal, der sich 20 Jahre lang mit dem europäischen Blick auf die ‚Zigeuner‘ beschäftigt hat

Ausgangspunkt für seine Beschäfti-gung mit den Romvölkern Europas und dessen bis heute anhaltende Abwertung war für Klaus-Michael Bogdal die Äußerung einer jungen

Frau, die 1992 in Rostock-Lichtenhagen an dem Pogrom gegen Asylbewerber beteiligt war. In einem Interview äußerte die 16Jährige: „Wären Zigeuner verbrannt, hätte es mich nicht gestört. Vietnamesen schon, aber Sinti und Roma - egal.“ In seinem Buch analysiert Bogdal umfassend die Darstellung der ‚Zigeuner‘ in Literatur und Kunst vom Spätmittelalter bis heute im europäischen Vergleich. „Bogdal zeigt, wie Europa den Grad der eigenen Kultiviertheit an der Abwertung der Roma im Spannungsfeld zwischen Hass, Abwehr und romantisierender Zigeuner-Folklore fest-macht“, heißt es in der Begründung der Leipziger Buchpreis-Jury. Das Interview mit Klaus-Michael Bogdal führte Jutta H.

strassenfeger: Was meinen Sie damit, Europa habe die Zigeuner „erfunden“?Klaus-Michael Bogdal: Die ersten Gruppen der Rom-völker kamen vor ungefähr sechshundert Jahren nach Europa. Seit ihrer Ankunft wurden Vorstellungen von ihnen verbreitet und Geschichten über sie erzählt, die mit ihrer realen Lebenswelt kaum etwas zu tun haben. Nicht die Realität war für ihre Wahrnehmung maßgeblich, sondern diese Bilder und Geschichten, die ‚Erfindungen‘, bestimmten das Handeln der Mehrheitsbevölkerung. Den Gipfel dieses Umgangs mit den fremden Einwanderern stellt die Bezeichnung ‚Zigeuner‘ selbst dar: ein Wort, das in ihrer eigenen Sprache, dem Romanes, nicht vorkommt.

sf: Bei verzerrten Bildern ist es ja nicht geblieben. Die Romvölker wurden in Europa ausgegrenzt, ver-folgt, es gab sogar den Versuch ihrer Vernichtung. Was unterscheidet die Romvölker von anderen Min-derheiten, dass über Jahrhunderte ihre Abwertung und Verfolgung derart legitim erschien?K.-M. B.: Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung von Minderheiten, die aus ethnischen, religiösen, geschlechtlichen oder sozialen Gründen erfolgen, eint das Absprechen der Menschenwürde durch die Mehrheit. Bei keiner anderen Gruppe geschah dies so radikal und kontinuierlich wie bei den Romvölkern. Dass sie „keine Menschen wie wir“ seien, wie es in einem von mir untersuchten Text heißt, bedeutet,

dass ihnen keinerlei Rechte zugestanden wurden – sehr lange eben auch nicht das Recht, in Europa auf Dauer zu leben. Den Europäern gelten sie als zur Zivilisation unfähige ‚Wilde‘ mit einem angeborenen Wandertrieb, als Parasiten, die nicht einmal zur Zwangsarbeit taugen.

sf: An einer Stelle haben Sie geschrieben: „Sie kommen unerwünscht, aber doch wie gerufen.“ Welche Funktion hatten die Angehörigen der Romvölker für die Abwertenden? K.-M. B.: Das hat vor allem mit dem Zeitpunkt ihrer Ankunft zu tun. Europa befindet sich im 15. und 16. Jahrhundert in einer gewaltigen Umbruchphase. Die Modernisierung entfernt diesen Kontinent von allen anderen und ermöglicht seine globale Vormachtstellung. An den ‚zurückgebliebenen‘ Rom-

völkern kann man auch zuhause in allen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen den eigenen Fortschritt messen: Sie sind Analphabeten, und wir bauen ein Bildungssystem auf und führen Literatur und Wis-senschaft zu nie geahnten Höhepunkten; wir bauen Städte mit Verkehrs- und Kommunikationssystem und sind stolz auf die Hygiene, die damit in unser Leben einzieht, während die ‚Zigeuner‘ angeblich weiterhin lieber im Schmutz ihrer Zelte und Hütten leben, Aas essen usw. usf.

sf: Auch heute, Anfang des 21.Jahrhunderts, ist die Verfolgungs- und Leidensgeschichte der Roma in Europa nicht zu Ende. Dabei versteht sich die Europäische Union als Wertegemeinschaft und ist zudem Trägerin des Friedensnobelpreises. Wieso existieren diese Widersprüche?

„Die alten Bilder von Verachtung, Hass und Ekel liegen wie eine Schmutzschicht auf dem Grund unseres kulturellen Gedächtnisses.“

Eine rumänische Roma musiziert in Berlin vor dem Denkmal der im National-sozialismus ermordeten Sinti und Roma. Im Hintergrund der Reichstag

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Page 25: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

08/2013 strassen|feger

25Aktuell

K.-M. B.: Das ist nicht so einfach zu beantworten, schon gar nicht pauschal, weil sich die Lebens-situation der verschiedenen Romgruppen in den europäischen Ländern unterschiedlich entwickelt hat. Deutsche Sinti oder französische Manusch haben sich als Staatsbürger ihrer jeweiligen Länder schon vor 1900 schrittweise integriert. Sie wurden im I. Weltkrieg als Soldaten eingezogen. Der nationalsozi-alistische Völkermord an ihnen hat diese Entwicklung unterbrochen bzw. zurückgeworfen. Sie geht aber bis heute, wenn auch mühsam, weiter. Anders steht es um die großen Gruppen ost- und südosteuropäischer Roma in Ungarn, der Slowakei, Rumänien und Bul-garien. Wir reden hier von Millionen Menschen. Mit dem Beitritt zur EU sind Verachtung und Ausgrenzung nicht verschwunden. Im Gegenteil wächst der offene Rassismus stetig an. Vor allem ist aber ihre soziale Lage in diesen Ländern unerträglich und widerspricht den europäischen Ansprüchen an ein menschenwür-diges Leben eines jeden Bürgers. Löst die Europäische Gemeinschaft dieses Problem nicht, hat sie für mich als Wertegemeinschaft endgültig versagt.

sf: Sie sprechen vom „bösen Gedächtnis“. Speisen sich auch heute noch unsere Bilder, die wir von den aktuell als sogenannte Armutszuwanderer zu uns kommenden Roma haben, aus diesem ‚alten‘ Gedächtnis?K.-M. B.: Ja, die alten Bilder von Verachtung, Hass und Ekel liegen wie eine Schmutzschicht auf dem Grund unseres kulturellen Gedächtnisses. Und sie können jederzeit wieder aufgewirbelt werden. Die ‚böseste‘ und älteste Vorstellung ist die: Schon ihre bloße Existenz bedeutet eine Bedrohung. Ein Zusammenleben mit ihnen ist auf Dauer unmöglich. Ihr parasitäres Verhalten zerstört jede fleißige und nach Gemeinwohl strebende Gesellschaft.

sf: Der Bundesinnenminister hat in verschiedenen Interviews geäußert, „Sozialbetrüger“ wolle man in Deutschland nicht haben, die Armutszuwanderung aus Südosteuropa müsse begrenzt werden. Wie

beurteilen Sie diese Aussagen?K.-M. B.: Ich würde es von der sachlichen Seite her betrachten wollen. Die wohlhabenden europäischen Länder haben – u.a. um die Lohnspirale nach unten drehen zu können – auf große Arbeitsmobilität gesetzt. Diese Möglichkeit wird nun auch zunehmend von den Ärmsten der Armen, den Roma, genutzt. Man muss aber auch zugestehen, dass nur sehr wenige von ihnen eine Chance haben, sich zum Beispiel in Deutschland eine Existenz aufzubauen. Entscheidender und wirkungsvoller ist es, ihnen in ihren Heimatländern auf elementarer Ebene ein menschenwürdiges Leben zu garantieren. Dazu gehören akzeptable Wohnverhältnisse, der Zugang zum Gesundheitswesen und Bildungschancen für die Kinder. Man kann sich dafür einsetzen, dass ein Romamädchen in Deutschland einen Ausbildungs-platz erhält, nicht aber, dass sie auf dem Straßen-strich landet, nur um nicht mehr in Rumänien leben zu müssen.

sf: Sehen Sie angesichts einer prekären wirt-schaftlichen Lage in mehreren Ländern der Euro-päischen Union die Gefahr, dass Roma-Feindlichkeit zunimmt?K.-M. B.: Ja, denn es gibt für populistische Politiker und Medien nichts Erfolgversprechenderes als auf die tief verankerten Vorurteile gegenüber ‚Zigeunern‘ zurückzugreifen. Schauen Sie nur, was zum Beispiel hochrangige Politiker in Ungarn von sich geben. Erfreulich ist es, dass die Kommunen in Deutsch-land, die mit dem Problem der Arbeitsmobilität auf unterstem Lohnniveau am stärksten konfrontiert sind, bisher zurückhaltend reagieren. Bliebe es so, wäre das ein zivilgesellschaftlicher Fortschritt.

sf: Sie haben enorm viele Texte für Ihr Buch gelesen. Was war für Sie – bezogen auf die Zeit nach 1945 – am bestürzendsten? K.-M. B.: Die Gleichgültigkeit, mit der man der Lei-densgeschichte der Sinti und Roma begegnet. Und der schäbige Versuch, die Wiedergutmachungsansprüche

„An den ‚zurückgebliebenen‘ Romvölkern kann man in allen

wichtigen gesellschaftlichen Bereichen den eigenen Fortschritt

messen.“

zu unterlaufen, indem man behauptete, sie seien nicht aus rassistischen Gründen verfolgt worden. Die Ablehnung erlebten viele als zweites Trauma.

sf:Neben dem jüdischen Volk haben auch Sinti und Roma einen Holocaust erfahren. Das Mahnmal, das an ihren Vernichtungsversuch erinnert, ist erst im letzten Jahr eingeweiht worden, Antiziganismus wird in Deutschland nicht entschieden zurückge-wiesen. Sind Sinti und Roma Opfer zweiter Klasse?K.-M. B.: Nein, das kann man inzwischen nicht mehr sagen. Es ist für die Bundesrepublik kein Ruhmesblatt, dass die Verbände der Sinti und Roma so lange für die Anerkennung als Opfergruppe kämpfen mussten. Die Einweihung des beeindruckenden Mahnmals stellt aber einen Wendepunkt dar. Symbolische Gesten, die Respekt zum Ausdruck bringen wie zum Beispiel ein Empfang beim baden-württembergischen Minister-präsidenten zu Beginn dieses Jahres, nehmen zu.

sf: Ihre Prognose bezüglich des zukünftigen Umgangs der europäischen Gesellschaften mit den Romvölkern fällt eher skeptisch aus. Sehen Sie auch positive Anzeichen?K.-M. B.: Die wünschte ich mir sehr. Die positivsten Zeichen würden in der wachsenden Selbstorganisa-tion der Betroffenen in den einzelnen Ländern und ihrer europäischen Vernetzung bestehen. Leider sind entsprechende Bemühungen bisher nicht von Erfol-gen gekrönt. Solange über die Köpfe der Romvölker hinweg Politik gemacht wird, habe ich wenig Grund, optimistisch zu sein. n

Klaus-Michael Bogdal, Jahrgang 1948, ist Professor für Literaturwissenschaft an der Universität Bielefeld. Im März hat er für sein Buch „Europa erfindet die Zigeuner“ den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung erhalten.

Klaus-Michael Bogdal: „Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung“, Suhrkamp Verlag, 24,90 Euro.

Sinti und Roma im Rheinland, 1935

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Page 26: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

Manager Micheal Preetz, Ronny, Trainer Jos Luhukay

strassen|feger 08/2013

26 Sport

Hertha BSC im FreudentaumelRonnys brasilianische Samba in Berlin geht weiter Aufstieg in die 1. Bundesliga fast perfekt

Es war ein perfekter Tag für den Fußballverein Hertha BSC. Erst konnte man den mehr als 50.000 Fans beim Spitzenspiel der 2. Bundesliga gegen Eintracht Braunschweig vor dem Anpfiff auf der Anzeigetafel des

Berliner Olympiastadions den Verbleib des brasi-lianischen Topscorers Ronny Heberson Furtado de Araújo vermelden. Er bleibt bis 2017 bei Hertha BSC! Wenige Stunden vor dem Spitzenspiel gegen Eintracht Braunschweig unterzeichnete der 26-jährige Brasi-lianer einen neuen Vier-Jahres-Vertrag. Im Vorfeld hatte es in den Medien heftige Spekulationen über einen Vereinswechsel von Ronny gegeben. Und auch Ronnys Manager Lamberti hatte den Vertragspoker noch mal kräftig angeheizt.

Doch Preetz ließ sich davon nicht aus der Ruhe brin-gen: „Wir haben die Vertragsverlängerung heute im Laufe des Tages perfekt gemacht. Im Stadion direkt vor dem Spiel wurde das dann in den entsprechenden Vereinsgremien noch mal besprochen. Natürlich fanden die Reporter von Sport 1 und Sky es nicht so schön, dass wir das dann nicht zuerst im TV verkündet haben. Das ist uns aber egal, denn wir fanden, dass unsere großartigen Fans – heute wieder mal eine großartige Kulisse nach dem Derby gegen Union

Berlin mit über 50.000 – es als erste erfahren sollten, dass Ronny verlängert und bei Hertha BSC bleibt.“

Geld oder Liebe?Zwar ging es am Ende vor allem um Geld. Aber anscheinend war es für Ronny dann doch eine Sache des Herzens, so Preetz: „Jeder weiß, dass wir nur einen bestimmten finanziellen Rahmen haben, in dem wir uns bewegen können. Natürlich hatten wir Verständnis dafür, dass Ronny nach einer großartigen Saison und vor dem Hintergrund, dass er ablösefrei ist, auch andere Möglichkeiten hat. Wir haben sehr dafür geworben, dass er sich dafür entscheidet, was er hier in Berlin hat: Ein intaktes Umfeld und eine Mannschaft, die ja auch ein wenig für ihn spielt

und arbeitet. Und vor allem, das war immer unser bestes Argument, einen Trainer, der der Schlüssel dafür ist, dass Ronny eine solche Saison spielt. Ich habe es ein wenig platt formuliert: Geld oder Liebe! Ich kann aber auch jedem versichern, dass wir nicht mit Erdnüssen bezahlen. Er wird auch in Berlin gut verdienen, aber ohne Frage hätte er anderswo sicher mehr Geld bekommen. Er hat sich unserer Argumen-tation angeschlossen, dass er mit uns in die erste Bundesliga geht und da zeigen kann, dass er ein großartiger Spieler ist.

Ronny macht den UnterschiedDass Ronny tatsächlich den gewissen Unterschied macht, das bewies er dann auch auf dem Spielfeld.

Kollektiver Freudentaumel nach dem 2:0 durch Adrian Ramos

Fotos: Andreas Düllick ©VG Bild-Kunst

Page 27: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

Erst Trainer Luhukay hat aus Ronny einen Star gemacht

08/2013 strassen|feger

27Sport

Denn am souveränen 3:0 über den ernsthaftesten Konkurrenten um den Wiederaufstieg in das Oberhaus des deutschen Fußballs hatte er maßgeblichen Anteil. Der wie entfesselt aufspielende Ronny erzielte zwei Tore, wieder einmal mit perfekt ausgeführten Freistößen. Derzeit liegt er mit 16 Toren in der Torschützenliste gerade mal einen Treffer hinter dem Braunschweiger Kumbela! Im Stadiontunnel ließ Ronny nach dem wichtigen Sieg dann seinen Gefühlen freien Lauf: „Ich habe zwei Tore gemacht, das ist sehr schön. Viel wichtiger aber war, das Hertha heute dieses Spiel gewonnen hat. Es war ein hektischer Tag, aber ich bin sehr froh, dass es heute die Entscheidung für meinen Verbleib bei Hertha BSC gab. Hertha hatte immer die höchste Priorität und ist eine Herzensangelegenheit für mich. Ich bin sehr glücklich. Die Spekulationen, die es um einen Wechsel gab, sind normal, die gehören einfach zum Fußball-Geschäft dazu. Jetzt ist Ruhe, was das Thema Vereinswechsel angeht. Jetzt arbeite ich weiter an meiner sportlichen Entwicklung.“ Michael Preetz dazu: „Schön ist, dass ihn das Nervenspiel um die Vertragsverhandlungen nicht so sehr belastet hat, dass er nicht in der Lage war, konzentriert Fußball zu spielen. Im Gegenteil: Er hat seine überragende Saison noch einmal getoppt und uns vor über 50.000 Zuschauern ein tolles Geschenk gemacht.“

Sein kongenialer Sturmpartner Adrian Ramos liess sich übrigens auch nicht lumpen und erzielte nach Zuspiel von Ronny und einem Traumsolo technisch perfekt und abgezockt sein 10. Saisontor. Eintracht Braunschweig hatte dem ganze zwei Chancen im gesamten Spiel entgegenzusetzen. Zu wenig, um ein gefestigtes Team wie Hertha BSC ernsthaft zu gefährden. Der gut gelaunte Manager Michael Preetz konnte denn auch stolz konstatieren: „Es war ein toller Abend für Berlin, ein toller Tag für Hertha BSC. Wir haben ein tolles Spiel gemacht, wahrscheinlich unser bestes Heimspiel und den vermutlichen Mitauf-steiger über 90 Minuten dominiert und auch in dieser Höhe vollkommen verdient gewonnen.“

Der Trainer richtet den Blick nach vornUnd auch Herthas Trainer Jos Luhukay war mehr als zufrieden: „Es war nicht einfach, denn wir wissen, dass Eintracht Braunschweig immer sehr gut organi-siert ist. Sie haben nicht umsonst mit die wenigsten

Gegentore der Liga. Aber, in den entscheidenden Momenten haben wir die Qualität. Natürlich ist ein Ronny mit seinen Standards eine Extraqualität. Unser zweites Tor war zum Genießen: Wie Andrian Ramos da loslegt und nicht aufzuhalten ist und dann das Tor ganz fantastisch macht! Man muss aber auch wissen, dass die Mannschaft insgesamt sehr gut funktioniert und Sicherheit ausstrahlt.“ Angesichts von nunmehr 14 Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz bei nur sechs ausstehenden Spielen dürfte der Hertha der Wiederaufstieg nicht mehr zu nehmen sein. Vorzeitige Gratulationen dazu lehnte der Trainer aber wie immer vehement ab: „Wir müssen uns weiter voll konzentrieren. Das Schöne ist, dass wir überhaupt nicht von den Ergebnissen anderer Mannschaften abhängig sind. Wir haben heute die Ausgangsposition noch mal verbessert.“ Das kann man wohl laut sagen, denn die Vertragsverlängerung von Ronny ist ein echtes Plus für die 1. Liga.

Auch der Hauptsponsor bleibt der Hertha treuDie zweite wichtige Weichenstellung, die Manager Preetz stolz verkündete, war zwar eher unspektakulär, aber fast noch wichtiger als die Vertragsverlängerung von Ronny: Der Haupt- und Trikotsponsor, die Deut-schen Bahn AG, der schon über viele Jahre treu und verlässlich an der Seite von Hertha BSC steht und der wichtigste Partner des Vereins ist, bleibt zwei weitere Jahre im Boot. Schließlich drücken den Verein Verbindlichkeiten in zweistelliger Millionenhöhe und lassen wenig Spielraum. Allerdings hätte man sich vielleicht ein wenig mehr als die kolportierten 4,5 Millionen Euro pro Saison von der Bahn gewünscht. Zum Vergleich: Satte 20 Millionen Euro soll die Tele-kom dem FC Bayern München pro Saison hinblättern.

ErstligatauglichkeitDie wichtigsten Fragen für Manager und Trainer sind jetzt: Welcher der Spieler ist tatsächlich erstligataug-lich? Wo gibt es Handlungsbedarf? Angeblich ist der Verein noch auf der Suche nach Verstärkungen auf drei weiteren Positionen: der linken Abwehrseite, der rechte Angriffseite und im zentralen Mittelfeld. Die erste Neuverpflichtung war Innenverteidiger Sebastian Langkamp vom FC Augsburg. Und: Weitere Vertragsverlängerungen stehen an: Da ist einerseits das Hertha-Eigengewächs Nico Schulz. Der spielt auf der linken Außenbahn gerade eine herausragende

Saison, die Verlängerung mit ihm sollte deshalb kein Problem sein. Und auch der neue Abwehrchef Fabian Lustenberger ist angesichts seines Leistungssprungs unter Trainer Luhukay unverzichtbar. Das Problem Ronny hat sich ja schon geklärt. Ein paar Spieler werden die Hertha wohl auch verlassen müssen, sei es mangels spielerischer Klasse, sei es wegen des fortgeschrittenen Alters, sei es aus Unzufriedenheit.

Eines sollte man aber bei Hertha BSC unbedingt beibehalten: Die konsequente und in der Liga absolut vorbildliche Heranführung junger Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in die erste Mannschaft. Das spart Geld und freut die Fans!

n Andreas Düllick

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Ronny legt sich den Ball zurecht – dann steht es 3:0

Page 28: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

strassen|feger 08/2013

28 Verkäufer

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Die Bedürftigkeit muß unaufgefordert nachgewiesen werden!

Die Dame im WohnwagenBrigitte Heinrich kümmert sich am Ostbahnhof um den Vertrieb des strassenfeger

„Die Leute sind immer nett zu mir“, sagt Brigitte Heinrich und sortiert Kleingeld in eine Zählkassette. Sie sitzt in einem Wohnwagen in der Koppenstraße am Ostbahnhof. Einsam, am Straßenrand, unter einem kahlen Baum. Brigitte Heinrich ist eine von den ehrenamtlichen Helfern, die sich um den Vertrieb des strassenfeger kümmern. Wer einen Verkäufer-Ausweis besitzt, bekommt hier für 60 Cent die aktuelle Ausgabe. In der Regel werde respektvoll angeklopft, bevor die Türe aufschwingt. Und was ihr besonders wichtig ist: Die Raucher lassen ihre Glimmstängel draußen. Sonst hätte sie ein ungutes Gefühl, wegen des Gasofens. Der steht direkt neben dem Eingang und sorgt dafür, dass es drinnen einigermaßen warm ist. Gefüttert wird er mit Propangas-Flaschen. Und da wisse man ja nie, was passieren kann.

Ängste und NotBei offenem Feuer kennt Brigitte Heinrich kein Pardon. Da habe sie sich die Leute schon ein bisschen erziehen müssen. Ansonsten hat sie ein offenes Ohr.

„Man ist hier auch immer Seelsorger.“ Sie hört den Leuten zu, die von gescheiterten Entzugsversuchen erzählen; von der lebensbedrohlichen Kälte. Oder davon, wie schwierig es ist, die eigenen Kinder nicht sehen zu dürfen. Neben ihr auf der Eckbank liegen zwei Stapel strassenfeger. Vor ihr auf dem Tisch steht ein Kofferradio. Es läuft Antenne Brandenburg.

„Wegen der schönen Musik.“ Durch die Vorhänge fällt wenig Licht. Im zwei Minuten Rhythmus hört man die S-Bahn rattern. Die blaue Flamme im Gasofen gibt ein kaum wahrnehmbares Geräusch von sich.

ArbeitsalltagVor zwei Jahren hat die Rentnerin angefangen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Bis zu vier Mal die Woche hat sie Dienst. Dann geht sie um Viertel nach Sechs aus dem Haus, um pünktlich zum Ver-kaufsbeginn vor Ort zu sein. Die ersten Stunden am Morgen würden manchmal nur sehr langsam vorbei gehen. Wenn Brigitte Heinrich aufschließt, ist es im Wohnwagen genauso kalt, wie draußen. Und der Gasofen braucht seine Zeit, um eine erträgliche

Atmosphäre zu schaffen. Anders an den Tagen nach Erscheinen der neuen Ausgabe. Da habe sie immer so viel zu tun, dass die Zeit wie im Nu vergeht. Dann gibt es nur ein Problem: „Wenn ich hier stundenlang sitze, muss ich auch irgendwann aufs Klo.“ Und das geht nur im Kaufhof gegenüber. Sie versuche schon immer, von sieben bis zwölf durchzuhalten, dann ist Mittagspause. Aber wenn sie doch mal früher muss, kommt es vor, dass Leute vor dem Wohnwagen stehen und sich beschweren. Brigitte Heinrich nimmt das

gelassen. Sie hat sich daran gewöhnt. Genauso, wie an das Geratter der S-Bahn und die Autos, die direkt neben dem Wohnwagen vorbeirauschen.

BegegnungenEs klopft an der Tür. Ein Männer-kopf erscheint im Eingang. Dann der einer Frau. „Hallo, alles Gute“, sagt der Mann. Das junge Paar tritt nach drinnen. Sie bringen einen kühlen Luftzug von draußen mit; ein Lächeln und eine Hand voll Kleingeld. Die Türe ziehen sie schnell hinter sich zu, es ist kalt draußen. Sie lächeln immer noch, als würden sie nach langer Zeit alte Freunde treffen. Brigitte Heinrich lächelt zurück. Sie kennt die Uni-versalsprache der Mimik. Nachdem der Ausweis vorgezeigt wurde, zählt sie das Geld: zwei Euro. Sie schiebt ein zwanzig Cent Stück zurück, nimmt drei Ausgaben vom Stapel und gibt sie der Frau. Ihr Partner steht einen Schritt weiter

hinten und hält sich einen Pullover an die Brust. Auf der Küchenzeile des Wohnwagens liegen gespendete Kleidungsstücke, die sich Bedürftige mitnehmen können. Brigitte Heinrich notiert die Ausweisnummer und Anzahl der verkauften Exemplare. Der Mann murmelt etwas auf Rumänisch, legt den Pullover zurück und folgt seiner Frau nach draußen. „Tschüssi, alles Gute“, ruft er nach drinnen, bevor er die Tür schließt. Brigitte Heinrich lacht. „Hat der Frau wohl nicht gefallen, der Pullover.“ Schließlich zählt sie das Kleingeld, Münzen, die einen langen Weg hinter sich haben in der Zählkassette. Für viele Bedürftige sind diese Münzen mehr als überschüssiges Kleingeld. Sie haben es sich verdient, nicht erbettelt. Durch den Verkauf dieser Zeitung. In zwanzig Minuten schließt der Wohnwagen. Dann macht sie sich auf den Weg zur Prenzlauer Allee.

EngagementWenn Sie, liebe Leser_innen, das hier lesen, leisten Sie einen Beitrag dafür, dass Menschen die Möglich-keit gegeben wird, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen. Einer Beschäftigung, die sie nicht selten davor bewahrt, vollständig den Halt zu ver-lieren. Es ist ein kleiner Beitrag, gemessen an dem Engagement von Brigitte Heinrich, die Woche für Woche viele Stunden im Wohnwagen am Ostbahnhof ausharrt. Aber er ist genauso wichtig. Versuchen Sie auch in Zukunft, lieber einen strassenfeger zu kaufen, als den Leuten nur Geld in die Hand zu drücken. Dadurch zeigen Sie Wertschätzung dafür, was diese Menschen leisten. Und Sie erwerben eine spannende Zeitung, die viel mehr ist als Mittel zum Zweck.

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Brigitte engagiert sich ehrenamtlich

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Page 29: Leidenschaft Ausgabe 08 2013 des strassenfeger

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� Für die Richtigkeit der Aussagen kann keine Garantie übernommen werden.

ACHTUNG!

Mehr zu Alg II und Sozialhilfe›› Der NEUE Leitfaden Alg II/Sozialhilfe von A-Z ›› •StandJuni2011

Im Büro von mob e.V., Prenzlauer Allee 87 für 11,– Euro erhältlich oder zu bestellen bei: DVS, Schumanstr. 51, 60325 Frankfurt/M, Fax 069/74 01 69 www.dvs-buch.de, [email protected]

›› www.tacheles-sozialhilfe.de›› www.erwerbslosenforum.de

Mietenprobleme 4. Teil

Hier einige Urteile des Bundessozial–gerichts:Verlangt der Vermieter laut Mietvertrag eine Auszugsrenovierung und das Job-center ist der Meinung, diese Klausel im

Mietvertrag sei nicht gültig, muss es den Betroffenen bei einer Klage des Vermieters unterstützen und die Kosten des Zivilverfahrens übernehmen. Unterlässt es dies, muss es die Kosten einer Auszugsrenovierung übernehmen. Urteil vom 24.11.2011 – B 14 AS 15/11 R

Ergibt sich eine Betriebskostennachzahlung für eine nicht mehr bewohnte Wohnung, ist diese vom Jobcenter zu übernehmen, wenn sich der Betroffene zum Zeitpunkt der Forderung noch im Alg II-Bezug befindet und die Forderung angemessen ist. Ist der Betroffene wegen einer Kostensenkungsaufforde-rung umgezogen und befand er sich zum Zeitpunkt des Umzugs noch in der (meist halbjährigen) Schonfrist, in der die unangemessene Miete noch übernommen wurde, muss dann auch die Nachfor-derung übernommen werden. Wer schon längere Zeit Teile der Miete selbst zahlt, bleibt auch auf den Kosten der Nachforderung sitzen.

Bezieht sich die Nachforderung auf Zeiträume während der Schonfrist und Zeiträume in denen Teile der Miete vom Betroffenen gezahlt wurden, müsste die Nachzahlung, meiner Meinung nach, eigentlich anteilmäßig übernommen werden. Das hatte das Gericht in diesem Urteil aber nicht zu entscheiden. Die Jobcenter sind überhaupt nur zur Übernahme der Nachzahlungen verpflichtet, wenn es sich nicht um Schulden handelt, weil die Miete, die das Jobcenter an den Mieter gezahlt, ganz oder teilweise nicht an den Vermieter weiter geleitet wurde. B 4 AS 9/11 R vom 20.12.2011

Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen, die sich auf Zeiträume, vor dem Bezug von Alg II beziehen, aber erst während des Bezugs von Alg II entstanden sind, sind vom Jobcenter zu übernehmen, wenn die Wohnung noch bewohnt ist und es sich nicht um Schulden handelt. B 14 AS 121/10 R – Urteil vom 24.11.2011

Bei Betriebskostenabrechnungen wird in der Regel bei einem Guthaben im Folgemonat diese Summe bei der Berechnung des Alg II-Bedarfs abgezogen

(bei sofortiger Meldung). Bei Nachforderungen muss das Jobcenter diese Summe übernehmen. Ausnahme, die Miete ist unangemessen hoch. Haben jedoch Betroffene die vom Jobcenter überwiesene Miete nicht komplett an den Vermieter weiter geleitet und es ergibt sich aus diesem Grund eine erhöhte Betriebkostennachzahlung bzw. ein geringeres Gut-haben, darf das Jobcenter keine „fiktive“ Berechnung vornehmen. Das heißt: Haben die Betroffenen im Berechnungsjahr 200 Euro Mietschulden angehäuft und ergibt sich deshalb nur ein Guthaben von 50 Euro, darf das Jobcenter nicht so tun, als hätte es ein Guthaben von 250 Euro gegeben und diese

„fiktive“ Summe in einem Betrag vom Regelbedarf des nächsten Monats abziehen. Es darf nur die 50 Euro abziehen, kann aber die 200 Euro Schulden nach § 45 bzw. 48 zurückfordern! B 4 AS 159/11 R – Urteil vom 16.5.2012

Früher und in diesem BSG-Urteil nach § 22 Abs. 1 Satz 4, heute nach § 22 Abs. 3 SGB II ist diese Art der Anrechnung von Betriebskostenrückzahlungen eine Sonderregelung zur Berücksichtigung TATSÄCH-LICHER Einkommenszuflüsse durch Rückzahlung oder Guthaben aus Betriebskostenabrechnungen. Dort heißt es: „Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder

der Gutschrift.... Dort steht nicht „nachdem der Leistungsberechtigte die Abrechrechnung erhält.“ Das kann ein großer zeitlicher Unterschied sein. Oft werden Betroffene schon frühzeitig aufgefordert, ihre Betriebskostenabrechnung vorzulegen. Dies sollten sie auf jeden Fall schnell tun, wenn die eine Nachforderung enthält. Erhalten jedoch Betroffene die Betriebskostenabrechnung mit einem Guthaben von z.B. 300 Euro im Oktober und der Vermieter überweist diese Summe erst im Dezember, haben sie ein Problem. Haben sie die Abrechnung sofort an das Jobcenter geschickt, kürzt es die Leistung im November um 300 Euro!!

Deshalb rate ich Betroffenen, die Betriebskostenab-rechnung erst an das Jobcenter zu schicken, wenn sie das Guthaben auf dem Konto haben. Sie verletzen dabei auch nicht ihre Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I, auf die sie vom Jobcenter gern verwiesen werden. Dort steht: „Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind...“ Erheblich für die Leistung ist nicht der Erhalt der Betriebskostenabrech-nung, sondern der TASÄCHLICHE ZUFLUSS von Rückzahlung oder Gutschrift.

n Jette Stockfisch

Rechtsanwältin Simone Krauskopf

im Kaffee Bankrott bei mob e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlin

Jeden Montag von 11 bis 15 Uhr

Bei Bedürftigkeit wird von der Rechtsanwältin ein Beratungsschein beantragt. Bitte entsprechende Nachweise mitbringen (z. B. ALG-II-Bescheid)!

Allgemeine Rechtsberatung

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strassen|feger 08/2013

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Soll Berlin wie Zypern enden? Wenn unsere Hauptstadt tatsächlich einmal Pleite gehen sollte, können wir keine Hilfe aus Brüssel erwarten, und die reichen Bundes-länder im Süden werden uns auch keinen

Hilfseuro gönnen. Die klagen ja jetzt schon gegen den Länderfi nanzausgleich. Baden-Württemberg macht zwar nicht mit, aber das geschieht wohl vor allem zum Schutz der Schwaben im Prenzelberg. Damit es nicht so weit kommt, müssen wir uns schon selbst anstrengen und für einen geordneten Haushalt sorgen. Die Stadt Berlin braucht mehr Einnahmen. Wie dieser Tage im Tagesspiegel zu lesen war, beginnt der Senat bereits mit ersten Maßnahmen, um Geld in die öffentlichen Kassen zu schaffen.

Polizei und Feuerwehr sollen jetzt ordnungs-gemäß Parkgebühren zahlen, wenn sie ihre Fahrzeuge abstellen. Ausnahmen soll es nur bei Noteinsätzen mit Blaulicht geben. Wenn also demnächst eine Streife zu einem Einsatz fährt, zum Beispiel zur Überprüfung eines Ladendieb-stahls, wird sie das Fahrzeug nicht einfach vor dem Laden abstellen, sondern ordnungsgemäß einen Parkplatz suchen, was wenigstens innerhalb des S-Bahn-Rings einigermaßen schwierig ist, jedoch immer in einer Parkraumbewirtschaftungs-zone endet. Dann wird in der Hosentasche nach dem nötigen Kleingeld gekramt und abgeschätzt, wie lange der Einsatz wohl dauern wird. Da sich das amtliche Tun oft länger hinzieht als vermutet, muss einer der beiden Beamten zurücklaufen und nachwerfen. Das kann aber den Einsatzauftrag gefährden. Also werden in Zukunft wohl immer drei Beamte im Einsatzfahrzeug sitzen: zwei für die polizeilichen Aufgaben und einer für das Füttern der Parkautomaten. Da wissen wir, wofür der Innensenator die 250 zusätzlichen Planstellen braucht.

Kreativ wie unsere Regierung nun mal ist, haben sie im Roten Rathaus auch noch mehr tolle Pläne, um Berlins Haushalt auszugleichen. Hier gebe ich mal ein paar Vermutungen zum Besten, die viel-leicht demnächst in die Praxis umgesetzt werden.

In Bürgerämtern und Jobcentern werden die Wartenummern immer noch kostenfrei abgegeben. Dort fallen aber Kosten an für Reinigung und Heizung. Den Nutzern dieser Wartezonen entsteht somit ein geldwerter Vorteil, der es gerechtfertigt zu sein erscheinen lässt, dass die Wartenummern vom Automaten nur gegen Einwurf einer Euro-münze ausgegeben werden.

Gehwege sind, wie der Name schon sagt, zum Gehen da. Das Herumstehen auf Gehwegen stellt eine Sondernutzung dar. Analog zum Kraftfahrer, der nicht fährt und deshalb eine Parkgebühr entrichten muss, kann auch der Fußgänger eine Stehgebühr entrichten, sei es nun, dass er vor sogenannten Sehenswürdigkeiten gaffend inne-hält, mit Freunden palavert, an einer Normaluhr mit einem Blumenstrauß auf seine Angebetete wartet oder an einer Bushaltestelle herumlungert.

Das Betteln ist eine einträgliche Freizeitbeschäf-tigung vieler Mitbürger, die dafür aber keine Einkommens- oder Gewerbesteuer zahlen. Mit einer amtlichen Bettellizenz für monatlich zwanzig Euro kann der Senat einen Anteil von dem Scherfl ein erhalten, das wohlmeinende Menschen für einen guten Zweck geben.

Unsere Schultoiletten sind in einem ekelerregen-den und beklagenswerten Zustand. Wenn man die zum Beispiel an die Firma Wall verpachtet, würde sich das schnell ändern. Natürlich können dann die Toiletten nur gegen einen Obolus benutzt werden. Das hätte auch einen pädagogischen Effekt. Die Kinder lernen so, dass man sein Taschengeld nicht verplempern darf und nur für wirklich Notwendi-ges ausgeben soll.

Zum Schluss noch eine besonders ergiebige Geldquelle. Immer wieder gibt es Streit, nach welchen Personen unsere Straßen und Plätze benannt werden sollen. Die Bezirksverordneten drücken sich davor gern und wählen irgendwelche Blümchen oder Flüsse und Städte als Namenspa-trone, ohne dass letztere sich dafür irgendwie dankbar erweisen. Eine stattliche Summe käme zusammen, wenn man die Straßennamen verkauft. Zur Befriedigung seiner Eitelkeit lässt sicher mancher eine größere Summe springen. Die Höhe

des Preises richtet sich nach Länge und Lage der Straßen. Die bisherigen Tauentzien oder Unter den Linden bringen sicher mehr als der Moorwiesenweg oder die Schwechtenstraße. Durch eine zeitliche Befristung der Benennungen ist das ein nie versiegender Born.

Berlin wird nicht Zypern, und wir schaffen das ganz allein. Von den Schwaben lassen wir uns nicht erniedrigen.KptnGraubär

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Liebe Redaktion!Der strassenfeger freut sich über Leserbriefe. Wir behalten uns den Abdruck und die Kürzung von Briefen vor. Die abgedruckten Leserbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der strassenfeger-Redaktion wieder.

Leserbriefe & Impressum 31

Der strassenfeger ist Mitglied im Internationalen Netzwerk der Straßenzeitungen (INSP)

Ihr interessiert Euch dafür, selbst mal einen Artikel zu schreiben, beim Radioprojekt mitzumachen oder Euch auch anderweitig an der Redaktionsarbeit zu beteiligen? Dann seid Ihr herzlich eingeladen zu unserer Redaktionssitzung, jeden Dienstag um 17 Uhr in der Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlin. Weitere Infos: 030/ 4193 4591 Redaktion strassenfeger

Eigentumswohnung vs. ObdachlosigkeitImmobilienunternehmen unterstützt mob e.V.

Vor einigen Wochen erhielten wir erstaun-lichen Besuch. Nikolaus Ziegert, Gründer und der Geschäftsführer der „Ziegert

- Bank- und Immobilienconsulting GmbH“, und Arianne Mummert, Vertriebsleiterin des Unternehmens, wollten mehr erfahren über die Arbeit des strassen feger und der anderen Projekte unseres Vereins „mob – obdachlose machen mobil e.V.“. Aus der anfänglich angedachten kurzen Stippvisite wurden fast zwei Stunden. Wie nachhaltig dieser Besuch für beide Seiten war, zeigte sich mir nach einer Einladung in das Unternehmen. Auf einem fi rmeninternen Meeting durfte ich der Belegschaft noch einmal die Arbeit des Vereins vorstellen und musste unzählige interessante Fragen beantworten. Am Ende wurde uns von Arianne Mummert, stellvertretend für die gesamte Belegschaft, ein Check über einen Betrag von 1.100,- Euro überreicht.

„Als verantwortungsbewusstes Berliner Wohnungsunternehmen, möchten wir denen helfen, die sich hier keine Wohnung leisten können. Mit dem strassen feger haben wir nun ein Projekt gefunden, das Obdachlosen einen Halt und eine Chance auf eine Perspektive bietet. Dabei beeindruckt vor allem die Basis-arbeit der vielen Freiwilligen. Sie leisten, was

Geld alleine nie könnte. Sie geben Wärme, eine Mahlzeit und bringen wieder einen Rhythmus in das Leben von Menschen, die sonst keine Unterstützung erfahren.“ Nikolaus Ziegert

Wir fi nden es toll, dass auch Immobilienun-ternehmen in Zeiten von Mietenexplosion und Verdrängung, Verantwortung übernehmen und sich für Obdachlose engagieren. Nicht mehr einfach nur wegzuschauen, ist ein erster Schritt dazu. Die Zusammenarbeit mit der „Ziegert Gmbh“ soll fortgesetzt werden.Guido Fahrendholz

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ab 29. April 2013Vorschau

Arm trotz Arbeit

Vollbeschäftigung für alle?

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Ausgabe 09/2013 „Arbeit“

Straßenarbeit

Herausgeber mob – obdachlose machen mobil e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030 - 46 79 46 11Fax: 030 - 46 79 46 13E-Mail: [email protected]

Vorsitzende Dr. Dan-Christian Ghattas, Lothar Markwardt, Andreas Düllick (V.i.S.d.P.)

Chefredakteur Andreas Düllick

Redaktionelle Mitarbeit

Andreas Düllick, Laura F., Guido Fahrend-holz, Detlef Flister, rwf, Bernhardt, Jutta H., Lukas Kleinherz, Jan Markowsky, Chri-stoph Mews, Marcel Nakoinz, Boris Nowack OL, Thekla Priebst, Andreas Prüstel, Katja Schwemmers, Urzsula-Usakowska-Wolff, Manfred Wolff

Titelbild Grafi k: Guido Fahrendholz

Karikaturen Andreas Prüstel, OL

Satz und Layout Ins Kromminga

Belichtung & Druck

Union Druckerei Berlin

Redaktionsschluss der Ausgabe

10. April 2013

Redaktion Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030 - 41 93 45 91E-Mail: [email protected]

Abo-Koordination & Anzeigen

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Treffpunkt Kaffee Bankrott

Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030 - 44 73 66 41Öffnungszeiten: Mo. – So. 8:00 – 20:00 UhrZeitungsverkauf: bis 20:00 UhrKüchenschluss: 19:00 Uhr

Notübernachtung Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030 - 41 93 45 93wÖffnungszeiten: 17:00 – 8:00 UhrAnmeldung: 17:00 – 23:00 Uhr

Trödelpoint bei mob e.V.

Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlingegenüber dem S-Bahnhof Prenzlauer AlleeMo – Fr: 8:00 – 18:00 UhrTel.: 030 - 246 279 35E-Mail: [email protected]

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Der strassenfeger ist offen für weitere Partner. Interessierte Projekte melden sich bei den Herausgebern.

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Arianne Mummert überreicht Spende

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Die Aktion »Ein Dach über dem Kopf« wurde von uns ins Leben gerufen, um Mitmenschen, die in Not und ohne Bleibe sind, wirksam helfen zu können. Damit wir diesen Menschen weiterhin helfen können, benötigen wir nach wie vor Ihre Hilfe und Unterstützung.

Ein Dach über

dem Kopf

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