· Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein...

90
Reformations tag 2017 Erneuerung durch Christus Arbeitshilfe für die Gottesdienste zum Reformationstag 2017 und Familiengottesdienst für Sonntag, den 29. Oktober 2017 Der Gedenktag der Reformation am 31. Oktober fällt im Jubiläumsjahr 2017 auf einen Dienstag und wurde von allen deutschen Bundesländern angesichts der Bedeutung der Reformation weit über die evangelische Kirche hinaus zu einem gesetzlichen Feiertag erhoben. Gefolgt vom katholischen Allerheiligenfest am 1. November und innerhalb der Herbstferien in Baden-Württemberg bietet er die Möglichkeit der Einbettung in eine Festwoche, die unterschiedliche Aspekte der Reformation mit ihrem zentralen Anliegen, der Perspektive auf Christus, verbindet. Dabei schlagen die Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg vor, am Freitag (27.10.) die Kirchenmusik („Christus im Klang“), am Samstag (28.10.) die darstellenden Künste („Christus im Bild“), am Sonntag (29.10.) einen Familiengottesdienst („Christus mitten unter uns“), am Montag (30.10.) die Diakonie („Christus im Nächsten“), am Dienstag (31.10.) vormittags einen Reformationsgottesdienst und abends eine ChurchNight („Erneuerung durch Christus“) und am Mittwoch (1.11.) das ökumenisch verbindende Auferstehungszeugnis („Christus unsere Hoffnung“) in den Mittelpunkt zu stellen. Für die Gottesdienste am Reformationstag (31.10.) unter dem Motto „Erneuerung durch Christus“ legen wir Ihnen hier eine Arbeitshilfe vor, die vier Entwürfe für unterschiedliche gottesdienstliche Situationen umfasst. Alle vier Gottesdienstentwürfe folgen dem reformatorischen Anliegen, die gute Nachricht von Gottes Menschenliebe in Wort und Musik hörbar und (im Singen) erlebbar zu machen. Sie unterscheiden sich in den musikalischen und gottesdienstlichen Formen und Stilen. Erarbeitet wurden drei dieser Entwürfe von einer Gruppe von Pfarrerinnen und Kirchenmusikerinnen, Pfarrern und Kirchenmusikern im Rahmen einer Gottesdienst-Werkstatt im März 2016: Ein Abendmahlsgottesdienst rankt sich um einen Choral von Martin Luther („Aus tiefer Not schrei ich zu dir“) und kontrastiert diesen mit einem Weihnachtslied von Nikolaus Herman („Lobt Gott, ihr Christen“). (Pfrn. Ulrike Beichert, Bezirkskantor Detlev Helmer, Bezirkskantorin Anke Nickisch, Pfrn. Dr. Sibylle Rolf) Ein Gottesdienst in freier Form stellt ein Lied von Xavier Naidoo („Freiheit“) in den Mittelpunkt und könnte auch im Rahmen einer ChurchNight gefeiert werden. (Kantor Christoph Georgii, Pfr. Steffen Groß, Dekan Rüdiger Schulze, Pfrn. Andrea Wauer-Höflich)

Transcript of  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein...

Page 1:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Reformationstag 2017

Erneuerung durch ChristusArbeitshilfe für die Gottesdienste zum Reformationstag 2017 und Familiengottesdienst für Sonntag, den 29. Oktober 2017 Der Gedenktag der Reformation am 31. Oktober fällt im Jubiläumsjahr 2017 auf einen Dienstag und wurde von allen deutschen Bundesländern angesichts der Bedeutung der Reformation weit über die evangelische Kirche hinaus zu einem gesetzlichen Feiertag erhoben. Gefolgt vom katholischen Allerheiligenfest am 1. November und innerhalb der Herbstferien in Baden-Württemberg bietet er die Möglichkeit der Einbettung in eine Festwoche, die unterschiedliche Aspekte der Reformation mit ihrem zentralen Anliegen, der Perspektive auf Christus, verbindet. Dabei schlagen die Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg vor, am Freitag (27.10.) die Kirchenmusik („Christus im Klang“), am Samstag (28.10.) die darstellenden Künste („Christus im Bild“), am Sonntag (29.10.) einen Familiengottesdienst („Christus mitten unter uns“), am Montag (30.10.) die Diakonie („Christus im Nächsten“), am Dienstag (31.10.) vormittags einen Reformationsgottesdienst und abends eine ChurchNight („Erneuerung durch Christus“) und am Mittwoch (1.11.) das ökumenisch verbindende Auferstehungszeugnis („Christus unsere Hoffnung“) in den Mittelpunkt zu stellen.Für die Gottesdienste am Reformationstag (31.10.) unter dem Motto „Erneuerung durch Christus“ legen wir Ihnen hier eine Arbeitshilfe vor, die vier Entwürfe für unterschiedliche gottesdienstliche Situationen umfasst. Alle vier Gottesdienstentwürfe folgen dem reformatorischen Anliegen, die gute Nachricht von Gottes Menschenliebe in Wort und Musik hörbar und (im Singen) erlebbar zu machen. Sie unterscheiden sich in den musikalischen und gottesdienstlichen Formen und Stilen. Erarbeitet wurden drei dieser Entwürfe von einer Gruppe von Pfarrerinnen und Kirchenmusikerinnen, Pfarrern und Kirchenmusikern im Rahmen einer Gottesdienst-Werkstatt im März 2016:Ein Abendmahlsgottesdienst rankt sich um einen Choral von Martin Luther („Aus tiefer Not schrei ich zu dir“) und kontrastiert diesen mit einem Weihnachtslied von Nikolaus Herman („Lobt Gott, ihr Christen“). (Pfrn. Ulrike Beichert, Bezirkskantor Detlev Helmer, Bezirkskantorin Anke Nickisch, Pfrn. Dr. Sibylle Rolf)Ein Gottesdienst in freier Form stellt ein Lied von Xavier Naidoo („Freiheit“) in den Mittelpunkt und könnte auch im Rahmen einer ChurchNight gefeiert werden. (Kantor Christoph Georgii, Pfr. Steffen Groß, Dekan Rüdiger Schulze, Pfrn. Andrea Wauer-Höflich)

Page 2:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Ein Kantatengottesdienst stellt mit der Choralkantate „Es ist das Heil uns kommen her“ von Johann Sebastian Bach (BWV 9) das Thema der Gnade Gottes in den Mittelpunkt. (LKMD Kord Michaelis, Pfrn. Beate Schmidtgen) Ergänzt wurde dieser Entwurf durch eine Predigt von Dekanin Christiane Quincke, die am 2. Oktober 2016 in der Stadtkirche Pforzheim zum 70jährigen Jubiläum des Motettenchors gehalten wurde.Außerdem wird ein Modell für einen Familiengottesdienst geboten, der von der Kindergottesdienstarbeit der Ev. Landeskirche in Baden und dem Württembergischen Ev. Landesverband für Kindergottesdienst (Frithjof Grabe, Hanni Müller, Frank Widmann, Christine Wolf) erarbeitet wurde. Er umkreist den Begriff der Gnade und arbeitet mit Psalm 103. Ergänzend enthält die Arbeitshilfe zwei Predigten von Wolfgang Brjanzew („Reformation der Kirche und des Herzens“) und Dr. Matthias Kreplin („Ein feste Burg ist unser Gott“) zu Themen des Reformationsjubiläums.

Die Gottesdienst-Entwürfe bieten Ihnen für manche Gottesdienst-Teile alternative Bausteine, für andere fertige Texte. Es ist ganz im Sinne der Herausgeber, wenn Sie nur Teile daraus verwenden oder sich zu ganz neuen eigenen Ideen anregen lassen.

Ein inspirierendes Reformationsfest wünschen Ihnen

LKMD Kord MichaelisPfarrerin Ulrike Beichert (Arbeitsstelle Gottesdienst)

S. 2 ______________________________________________________________________________________________

Page 3:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

INHALT

„Aus tiefer Not – ins Paradeis“Gottesdienst mit Abendmahl zu Liedern der Reformationszeit: Martin Luthers „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (EG 299) und Nikolaus Hermans „Lobt Gott, ihr Christen“ (EG 27)

Gottesdienst-Idee S.4Musikalisches Portal S.5Eingangsteil S.6Liedpredigt S.9Abendmahl S.14

„Freiheit!“Gottesdienst in freier Form zu Galater 5,1 und einem Lied von Xavier Naidoo

Gottesdienst-Idee S.18Gottesdienst-Ablauf S.19Lieder außerhalb des EG S.21Gebete S.23Predigt-Skizze S.27

„Gnade? – Gnade!“Kantaten-Gottesdienst mit der Choralkantate „Es ist das Heil uns kommen her“ von Johann Sebastian Bach (BWV 9) zu einem Choral von Paul Speratus (EG 342)

Gottesdienst-Idee S.30Exegetische Hinweise zum Textraum S.31Lieder S.34Die Kantate S.35Predigt zu Römer 3,21-30 S.40

„Gnadenlos – gnädig“Familiengottesdienst zum Reformationsjubiläum

Gottesdienst-Idee S.46Gottesdienst-Ablauf S.47Texte S.48Lieder S.55

„Reformation der Kirche und des Herzens“Predigt zum Reformationsjubiläum unter Bezugnahme auf Römer 3,22-24.28S.56

„Ein feste Burg ist unser Gott“Predigt zur Kantate BWV 80 von Johann Sebastian Bach S.61

__________________________________________________________________________________________ S. 3

Page 4:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Aus tiefer Not – ins Paradeis“Gottesdienst mit Abendmahl zu Liedern der Reformationszeit: Martin Luthers „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (EG 299) und Nikolaus Hermans „Lobt Gott, ihr Christen“ (EG 27)

GOTTESDIENST-IDEE

Hinter diesem Entwurf steht die Idee, einen Gottesdienst ganz um ein Lied der Reformationszeit zu gestalten, dass gottesdienstlich, musikalisch und kulturell eine breite Wirkungsgeschichte entfaltet hat. Die Wahl fiel auf Martin Luthers Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (EG 299), das zwar als Nachdichtung des Klagepsalms 130 auf den ersten Blick keinen zwingenden Bezug zum Reformationstag herstellt, aber als knappe Formulierung reformatorischer Theologie in Liedform ein „starkes Stück Reformation“ darstellt.Das Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei werden in der ersten Strophe die Verse 1 und 2 des Psalms zusammengefasst: „Aus der Tiefe“ wird zu „Aus tiefer Not“. „Sünd und Unrecht“ werden als Folge des Getrenntseins von Gott interpretiert und der Ort des rufenden und klagenden Menschen coram deo markiert: „Wer kann, Herr, vor dir bleiben?“ In der 2. Strophe greift Luther die Vergebungszuversicht aus dem 4. Psalmvers auf („Bei dir gilt nichts als Gnad und Gunst, die Sünde zu vergeben“) und formuliert sie im Sinn seiner durch Paulus (Römer 3,21-28) inspirierten Rechtfertigungslehre: „Es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben“. In der 3. Strophe beschreibt Luther die daraus resultierende Hoffnung unter fast wörtlicher Aufnahme des 5. Psalmverses „Ich hoffe auf sein Wort“. Strophe 4 interpretiert die Israel-Aussage des 6. Psalmverses im Lichte der paulinischen Israel-Theologie (Römer 9,6ff und Gal 4,21ff), die die Verwurzelung der Kirche Jesu Christi in der Geschichte Gottes mit dem Volk Israel und das Glaubensvorbild des „Gotteskämpfers“ Jakob ins Gedächtnis ruft. Auch in der 5. Liedstrophe interpretiert Luther den Psalm (Vers 7: „Bei dem Herrn ist viel Gnade“) von Paulus her (Römer 5,20b: „Wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade noch viel mächtiger geworden.“)Im vorliegenden Gottesdienst-Entwurf wird der atmosphärischen Tiefe und Schwere, die durch das Thema des Klagepsalms (Sünde und Vergebung) und die Melodie des Lutherliedes vorgegeben wird, am Ende der Predigt und in der Abendmahlsliturgie durch ein weiteres Lied aus der Reformationszeit eine andere Farbe an die Seite gestellt: Nikolaus Hermans Weihnachtslied „Lobt Gott, ihr Christen“ (EG 27). So wird Gottes „Gnad und Gunst“ (EG 299) inkarnationstheologisch in den Bildern der Weihnachtsgeschichte ausgemalt („Er äußert sich all seiner G´walt, wird niedrig und gering“) und mit dem „fröhlichen Wechsel“ zwischen Gott und dem Sünder verbunden: „Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein“. Das Abendmahl als Vergegenwärtigung der Fleischwerdung des Wortes bringt so einen weihnachtlichen, festlichen Klang („Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis“) in den Festgottesdienst zum Reformationsjubiläum.Der vorliegende Entwurf enthält einige alternative Vorschläge zur Gestaltung des musikalischen „Portals“ des Gottesdienstes (mit Musik der Reformationszeit, mit Mendelsohns Vertonung von Psalm 130 oder mit Orgelbearbeitungen zu EG 299), einen Vorschlag für die Eingangsliturgie mit dem Tagespsalm zum Reformationstag (Psalm 46) und einzelnen Versen aus EG 299, Predigtgedanken für eine Liedpredigt zu EG 299 und eine Abendmahlsliturgie mit EG 27.

S. 4 ______________________________________________________________________________________________

Page 5:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Aus tiefer Not – ins Paradeis“Gottesdienst mit Abendmahl zu Liedern der Reformationszeit: Martin Luthers „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (EG 299) und Nikolaus Hermans „Lobt Gott, ihr Christen“ (EG 27)

MUSIKALISCHES PORTAL

VARIANTE A: Anstelle eines Orgelvorspiels zieht eine Spielmannsgruppe (oder ein entsprechendes Ensemble) mit historischen Instrumenten ein und spielt Musik aus der Reformationszeit

VARIANTE B: Als Orgelvorspiel: Choralbearbeitung über „Aus tiefer Not“ (J.S. Bach, F. Mendelsohn-Bartholdy: 3. Sonate; Max Reger)

VARIANTE C: Anstelle eines Orgelvorspiels: Improvisation eines Instruments oder einer Sängerin / eines Sängers über „Aus tiefer Not“

VARIANTE D: Anstelle eines Orgelvorspiels: Motette „Aus tiefer Not“ von Felix Mendelsohn-Bartholdy op. 23, Nr. 1 (Solo, Chor und Orgel) oder ein anderer Chorsatz

__________________________________________________________________________________________ S. 5

Page 6:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Aus tiefer Not – ins Paradeis“Gottesdienst mit Abendmahl zu Liedern der Reformationszeit: Martin Luthers „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (EG 299) und Nikolaus Hermans „Lobt Gott, ihr Christen“ (EG 27)

EINGANGSTEIL MIT TAGESPSALM 46 UND VERSEN AUS EG 299

BEGRÜSSUNG / VOTUM

Liturg(in) Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.Alle Amen.Liturg(in) Der Herr sei mit euch! Alle Und mit deinem Geist.

Liturg(in) „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ schrieb Paulus an die Christinnen und Christen in Korrinth. Heute, fast 2000 Jahre nach Paulus und 500 Jahre nach der Reformation der Kirche, die mit Martin Luther ihren Anfang nahm, hören wir wieder von dem Grund, der uns trägt und unserer Kirche Orientierung gibt: Jesus Christus.Ihn feiern wir am Reformationsfest, nicht die vermeintlichen oder tatsächlichen Helden und Heldinnen der Reformationszeit. Wir feiern Jesus Christus aber heute im Rückblick auf eine große und großartige, eine kritische und kritisierbare Tradition, die reformatorische Tradition unserer Kirche. In der Orientierung an Jesus Christus Irrtümer und Fehler auch innerhalb der Kirche erkennen und benennen und die kirchliche Lehre und Praxis nach diesen Erkenntnissen verändern: darin lag der Mut der Reformatoren. Die Übersetzung der Bibel und der gottesdienstlichen Texte in die Landessprache, die Förderung der Bildung von Christinnen und Christen, die Aufhebung der Schranke zwischen Klerikern und Laien und der Anfang der Erkenntnis, dass auch Frauen geistliche Gaben haben, gehört zu ihren unhintergehbaren Errungenschaften. Die Bereitschaft zu Veränderung und Erneuerung ist Kennzeichen unserer Kirche, die weiß, dass sie auf dem Weg ist, dass sie selbst Teil des Weges ist und nicht sein Ziel. Immer wieder auf Jesus Christus zu schauen hält sie jung, schärft den Blick fürs Notwendige, öffnet die Augen für die Menschen, und lehrt uns, mit ihm, Jesus Christus, auf Gott zu vertrauen.

Bringen wir hörend, singend und betend unser Leben auf dem Weg, unsere Not und unser Vertrauen vor Gott.

EINGANGSPSALM (Psalm 46) mit

Alle singen Leitvers aus EG 299,1 „Aus tiefer Not schrei ich zu dir, Herr Gott, erhör mein Rufen.“

Sprecher(in) 1Gott ist unsere Zuversicht und Stärke,eine große Hilfe in den Nöten, die uns getroffen haben.Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt untergingeund die Berge mitten ins Meer sänken,wenngleich das Meer wütete und wallte

S. 6 ______________________________________________________________________________________________

Page 7:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.

Sprecher(in) 2So optimistisch wäre ich gerne und so sicher, dass Gott es ist, der die Welt lenkt.Aber ich fürchte, die Welt gehorcht ihren eigenen Regeln. Und sie reagiert auf alles, was wir tun:Mit Tsunamis und Stürmen, mit Dürre und Unwettern.

Alle singen Leitvers aus EG 299,2

„Bei dir gilt nichts als Gnad und Gunst, die Sünde zu vergeben.“

Sprecher(in)Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein,da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind.Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie festbleiben;Gott hilft ihr früh am Morgen.Die Völker müssen verzagen und die Königreiche fallen,das Erdreich muss vergehen, wenn er sich hören lässt.Der Herr Zebaoth ist mit uns,der Gott Jakobs ist unser Schutz.

Sprecher(in) 2So egoistisch wäre ich nicht gern.Ich kann nicht glauben, dass Gott die einen schützt und die anderen gekämpft.Wir sind doch alle seine Geschöpfe.Was soll denn besser sein an uns Christen als an Menschen, die anders oder gar nicht gläubig sind?

Alle singen Leitvers aus EG 299,3

„Darum auf Gott will hoffen ich, auf mein Verdienst nicht bauen.“

Sprecher(in)Kommt her und schauet die Werke des Herrn,der auf Erden solch ein Zerstören anrichtet,der den Kriegen ein Ende macht in aller Welt,der Bogen zerbricht, Spieße zerschlägt und Wagen mit Feuer verbrennt.Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin!Ich will mich erheben unter den Völkern, ich will mich erheben auf Erden.Der Herr Zebaoth ist mit uns,der Gott Jakobs ist unser Schutz.

Sprecher(in) 2So hoffnungsvoll wäre ich auch gern:Dass da einer den Kriegen ein Ende macht und die Waffen zum Schweigen bringt,dass Streit geschlichtet, Wut gestillt und Schmerz gelindert wird.Warum greifst du nicht ein, Gott – in Syrien, auf dem Mittelmeer, in Bautzen, auf unseren Bahnhofsvorplätzen?Warum verhinderst du nicht Gewalt und Unrecht?

Alle singenLeitvers aus EG 299,4 „Doch soll mein Herz an Gottes Macht verzweifeln nicht noch sorgen.“

Liturg(in) PsalmkollekteHeiliger Gott,barmherziger Vater,du bist es, der unsere Welt trägt, erneuert und erhält – auch unsere Kirche.

__________________________________________________________________________________________ S. 7

Page 8:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Stärke uns, darauf zu vertrauen - auch da, wo wir heute keine Antworten finden.Lehre uns Mut und Demut, deinen Auftrag zu erkennen und zu tun.Ermutige uns, die Vielfalt unter uns Menschen zu schätzen, dem Frieden zu dienen und das gegenseitige Verstehen einzuüben - auch zwischen den Kirchen -damit dein Name bekannt wird und dein Reich unter uns wächst.Das bitten wird durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus, deinen Sohn,der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht heute und in Ewigkeit.

Alle singen Leitvers aus EG 299,5 „Ob bei uns ist der Sünden viel, bei Gott ist viel mehr Gnade.“

Liturg(in)Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.Wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Alle Amen.

LESUNG DER EPISTEL: RÖMER 3,21-28

S. 8 ______________________________________________________________________________________________

Page 9:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Aus tiefer Not – ins Paradeis“Gottesdienst mit Abendmahl zu Liedern der Reformationszeit: Martin Luthers „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (EG 299) und Nikolaus Hermans „Lobt Gott, ihr Christen“ (EG 27)

LIEDPREDIGT ZU EG 299 „AUS TIEFER NOT SCHREI ICH ZU DIR“

Er müht sich vergeblich. Sackgasse, denkt er, die Tür ist verschlossen. Von außen hat die Tür keine Klinke. Nur blankes Holz. Bittend, flehend klopft er an. Als das nicht hilft, ruft er laut und fordernd. Nichts. Die Tür bleibt verschlossen. Was dahinter ist? Einen blühenden Garten stellt er sich vor. Plätscherndes Wasser, grüne Wiesen. Obstbäume. Weite. Ein Ort zum Auftanken und Wohlfühlen. Ein Ort, an dem er einfach sein darf, wie er ist. Ein Sehnsuchtsort. Aber hier? Vor der verschlossenen Tür fühlt es sich an wie Wüste, Dürre. Dunkelheit. Er hat Durst und fühlt sich ausgetrocknet. Er hat keine Kraft mehr. Keine Liebe. Und seine Gedanken kreisen um die Frage: Was ist geschehen? Wie bin ich eigentlich hierher geraten?

Tiefe Not sieht von Mensch zu Mensch unterschiedlich aus. Martin müht sich ab in seinem Leben, weil er möchte, dass Gott ihn freundlich ansieht. Für Susanne ist eine Beziehung zerbrochen. Sie hat gekämpft um ihre Liebe, hat geklagt und gestritten; jetzt ist es vorbei.

Vor der verschlossenen Tür stehen, mich in tiefer Not wiederfinden – da vermischen sich Schuld und Tragik. Natürlich, ich bin irgendwie an diesen Ort gelangt. Aber ich weiß gar nicht so recht, wie eigentlich. Und vor allem finde ich keinen Ausweg. Leben in der Sackgasse ist schrecklich. Eine Grenzerfahrung. Gut, wenn es dann jemanden gibt, an den ich mich wenden kann. Gnädige Ohren, in die ich meine Not hineinrufen kann. Die Psalmen sind solche Rufe von Menschen in tiefer Not. Eines der ersten Lieder, das Martin Luther geschrieben hat, nimmt einen Psalm auf: aus tiefer Not schrei ich zu dir. Wir singen Strophe 1.

Aus tiefer Not schrei ich zu dir, Herr Gott, erhör mein Rufen. Dein gnädig Ohren neig zu mir und meiner Bitt sie öffne; denn so du willst das sehen an, was Sünd und Unrecht ist getan, wer kann, Herr, vor dir bleiben?

Schwermut atmen Text und Melodie. Die tiefe Not in Wort und Klang. Ich kann sie spüren. Ich gebe mir so viel Mühe, sagt Martin, aber ich falle immer wieder auf mich selbst herein. Ich gebe mir so viel Mühe, sagt Susanne. Ich will doch liebevoll und freundlich sein, Rücksicht nehmen. Aber immer wieder falle ich zurück. Gerate unter Druck. Komme in Situationen, in

__________________________________________________________________________________________ S. 9

Page 10:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

denen die Angst mich beherrscht. Ich kann nicht vertrauen. So geht es auch Martin. Ich kann mich anstrengen, wie ich will, aber ich komme immer wieder an meine Grenzen. Verliere mein Vertrauen. Fühle mich weit weg von Gott.

Verlorenes Vertrauen - nichts anderes bedeutet das alte theologische Wort Sünde. Ich werde sie nicht los, die Sünde steckt in mir, immer wieder das Misstrauen, die Angst – so du willst das sehen an, wer kann, Herr, vor dir bleiben? Wenn sich in eine Beziehung Angst einschleicht, so verdirbt sie die Liebe. Immer dieselbe Frage: Sollte Gott etwa gesagt haben…? Sollte mein Mann etwa denken...? Angst und Misstrauen schaffen Distanz, vergiften das Herz, zerstören die Liebe. Tiefe Not.

Sie stellt Fragen, diese Not, abgründige Fragen: Was bin ich wert? Was kann ich? Wie stehe ich da?

Alles, was ich auf diese Fragen antworten könnte, kann mir schnell wieder genommen werden. Ansehen und Erfolg, im kleinen wie im großen. Es ist anstrengend, an meinem Standing zu arbeiten. Und ich kann nicht verhindern, dass ich vielleicht an einem einzigen Tag vom Liebling aller zur Zielscheibe ihrer Häme werde. Ein Shitstorm kann mir den Boden unter den Füßen wegziehen. Was bin ich wert? Wenn ich nicht einhalte, was ich mir vorgenommen habe? Was bleibt mir dann? Singen wir mit Luther die zweite Strophe.

Bei dir gilt nichts denn Gnad und Gunst, die Sünde zu vergeben. Es ist doch unser Tun umsonst auch in dem besten Leben. Vor dir niemand sich rühmen kann, Des muss dich fürchten jedermann und deiner Gnade leben.

Was beendet die tiefe Not? Was hilft zur Heilung? Die Diagnose ist der Beginn der Therapie. Aber der Weg ist nicht leicht. Erst muss ich aushalten, dass ich es nicht schaffe. Es ist doch unser Tun umsonst. Der Glauben muss durch den Tod hindurch gehen, hat Dorothee Sölle einmal gesagt. Damit ich vertrauen kann, muss ich erst anderes loslassen. Das gilt für Susanne genauso wie für Martin. Ich muss einsehen, dass ich es trotz aller Bemühungen nicht schaffe. – Wirklich?, frage ich. Auch nicht ein bisschen? Martin schüttelt den Kopf. Nein, auch nicht ein bisschen. Sei ehrlich mit dir selbst: du willst dir doch eigentlich auf die Schulter klopfen und dir sagen: bin ich nicht gut? – ich kann alles wuppen, mein Leben, meine Liebe, meine Beziehung, meinen Glauben. Aber halt es aus: du hast es nicht in der Hand. Halt sie aus: deine Ohnmacht, dein Unvermögen, deine Hilflosigkeit. Du fühlst dich gekränkt? So ist es wohl. Es ist doch unser Tun umsonst. Tod mitten im Leben.

Der Weg in den Himmel führt durch die Hölle. Nicht immer. Aber häufig. Es ist meine persönliche Hölle und mein persönliches Gericht. Das Gericht, das ich über mich selbst spreche. Kann ich mir gnädig sein? Vor mir selbst bestehen? Weil ich, wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, es nicht kann, nehme ich meine Flucht zu dem, was ich kann. Der Drang,

S. 10 ______________________________________________________________________________________________

Page 11:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

mir selbst auf die Schulter zu klopfen, ist groß. Aber wenn ich ehrlich bin, soll er eigentlich nur die Angst betäuben und erträglich halten – die Angst vor dem vernichtenden Urteil. Susanne nickt. Es ist viel einfacher, ihrem Mann aufzurechnen, was sie alles macht und tut als einzusehen, dass alles Schaffen und Tun ihr die Liebe nicht zurück bringt, nach der sie sich sehnt.

Martin Luthers befreiende Erkenntnis war: auch wenn ich mich zu Recht verurteile, auch wenn andere mich zu Recht verurteilen – auch dann gilt mir Gottes Gnade und Gunst.

Wie singen die dritte Strophe.

Darum auf Gott will hoffen ich, auf mein Verdienst nicht bauen; Auf ihn mein Herz soll lassen sich und seiner Güte trauen,Die mir zusagt sein wertes Wort, Das ist mein Trost und treuer Hort, des will ich allzeit harren

Hoffnung auf Gott steht gegen den wackeligen Grund meines selbstgemachten Standings in der Welt. Es gilt, mich im Wortsinne zu verlassen. Mich loszulassen und mich auf einen anderen zu verlassen. Nicht weil ich es verdiene oder weil ich mich so verdient gemacht habe. Die Sprache entlarvt schon. Es geht im Glauben überhaupt nicht darum, dass ich mich zu etwas mache. Es geht um Vertrauen. Und das fängt im Herzen an. Woran du dein Herz hängst, schreibt Luther, das ist eigentlich dein Gott. Freu dich, denn du kannst dein Herz verschenken – das macht dich zum Menschen! Wer oder was ist dir so wichtig, dass du ihm dein Herz schenkst? Wem gehört dein Herz? Was ist dir wichtiger als alles andere?Hast du es aus eigenem Entschluss in dein Herz gelassen?

Jetzt ahne ich, was Martin meint: Mein Herz ist gefährdet. Dass ich es verschenken kann, ist der größte Schatz, den ich habe. Aber ich kann es nicht immer steuern, nicht immer kontrollieren. Ich möchte ja vertrauen, sagt Susanne, aber immer wieder schieben sich andere Dinge dazwischen, alte Ängste oder neue Irritationen. Ich mühe mich ja ab, sagt Martin, aber mein Herz schweift immer wieder ab, ist gefangen in Angst und Verzagtheit. Vertrauen fällt mir schwer. Ich will, aber ich kann nicht. Auf ihn mein Herz soll lassen sich... wie kriege ich das hin?

Wir singen Strophe 4.

Und ob es währt bis in die Nacht und wieder an den Morgen, Doch soll mein Herz an Gottes Macht verzweifeln nicht noch sorgen. So tu Israel rechter Art, Der aus dem Geist erzeuget ward, und seines Gotts erharre.

Ich spüre die tiefe Not in der Nacht, wenn die Welt sich verdunkelt und die Finsternis sich um mich schließt. Wenn die Schatten länger und bedrohlicher werden. Die Nacht ist die Zeit der

__________________________________________________________________________________________ S. 11

Page 12:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Anfechtung. Lass diesen Kelch an mir vorübergehen, ich bitte dich. Die Situation in Gethsemane rührt etwas an. Die Nacht ist die Zeit der Sehnsucht und des Verlangens. Die Zeit des Alleinseins. Martin erleidet sie in seiner Zelle. Er zermürbt und erforscht sich. Wo habe ich die Gebote übertreten, mein Herz nicht an Gott gehängt? Susanne findet nachts keine Ruhe, weil ihre verlorene Liebe sich immer wieder in ihre Gedanken schiebt.

Martin sucht Trost in den Psalmen. Psalm 130 ist der sechste der sieben kirchlichen Bußpsalmen. Aus der Tiefe rufe ich zu dir. Herr, höre meine Stimme. Und Martin spürt: Wohl dem, dessen Klage eine Adresse hat. Wohl dem, dessen Rufen ein Ohr findet. Wohl dem, der in der Nacht der Anfechtung Worte findet, mit denen er sich ausdrücken kann. Meine Seele wartet auf den Herrn, mehr als die Wächter auf den Morgen. Die Nachtwächter warten auf den Morgen und wissen um die Gefahren der Nacht, wissen aber ebenso, dass die Nacht zum Leben hinzugehört. Nach langem Ringen erkennt Martin: Auch zum Glauben gehört die Nacht dazu. Wir können den Tag nicht ohne die Nacht, den Glauben nicht ohne die Anfechtung haben. Auch Susanne ahnt: Wir können die Liebe nicht ohne den Zweifel haben. Er gehört dazu, und wir müssen ihn aushalten.

Wann wird es wieder hell in meinem Leben?, fragt die Anfechtung in der Nacht. Mehr als die Wächter auf den Morgen warte Israel auf den Herrn. Sei gewiss: Die Nacht wird ein Ende haben. Israel bildet die Chiffre für Gottes Volk. Die Juden werden hier noch nicht enteignet wie in Luthers späteren Aussagen. Wie Jakob, der mit Gott kämpfte und den Namen Israel erhielt, ist ein Mensch, der mit Gott ringt und auf Gott wartet. Jeder Mensch, der sich Gott anvertraut und auf ihn wartet, erhält wie Jakob den Namen Israel. Jeder von uns: wie Jakob hinkend und glaubend. Einer, der die Nacht ertragen und ausgehalten hat. Einer, dem die Verheißung Israels gilt: Ich will dich segnen und mit dir sein.

Wir singen Strophe 5.

Ob bei uns ist der Sünden viel, bei Gott ist viel mehr Gnade; Sein Hand zu helfen hat kein Ziel wie groß auch sei der Schade. Er ist allein der gute Hirt, der Israel erlösen wird aus seinen Sünden allen.

Am Ende seines Lebens schreibt Martin, wie ihm zumute war, als er das Evangelium, Gott in Jesus Christus, für sich entdeckt und verstanden hat: „Nun fühlte ich mich ganz und gar neugeboren und durch offene Pforten in das Paradies selbst eingetreten.“ Vor der geschlossenen Tür stehen ist schrecklich. Es ist die Erfahrung tiefer Not. Wenn sich die Tür irgendwann auftut, ist es ein Weg in die Weite. Wie groß das Elend, die Not auch ist, wir haben einen Helfer, einen Hirten, der uns durch die Tür führt und begleitet.

Martin erschließt sich Gottes Gnade im Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi. Halte dich an Christus und sein Kreuz, hatte ihm sein Beichtvater Johann Staupitz, immer wieder

S. 12 ______________________________________________________________________________________________

Page 13:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

gesagt. Halte dich an Christus. Wo du Christus siehst, siehst du Gott. Seine Gnade, seine Liebe, seine Barmherzigkeit. Wie er mit uns Menschen umgeht. Nicht weil wir groß sind oder reich oder uns so viel um andere oder um Gott verdient gemacht haben, sondern weil er uns liebt. Ein glühender Backofen voller Liebe ist Gott. Und das siehst du an Jesus Christus. Er ist der Spiegel des väterlichen Herzens.

Martin erkennt: Christus ist geworden wie einer von uns. Er hat sich klein gemacht und sich in eine Krippe legen lassen. Er hat mit uns den Platz getauscht. Er wird ein Knecht und ich ein Herr. Er hat ausgehalten, was ich aushalten muss. Die Nacht. Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Er hat die Angst, die Not, die Tiefe ausgehalten und Gott die Treue gehalten. Mit seiner Auferstehung geht die Geschichte Gottes weiter. Heut schließt er wieder auf die Tür und führt mich in die Weite. Dich und mich. Denn ich bin auf seinen Namen getauft. Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein.

Martin Luther hat sein Lied 1523 gedichtet. Es ist schnell verbreitet worden, Menschen haben es auf Flugblätter gedruckt und auf den Plätzen und Straßen gesungen. Es hat viele getröstet. Vielleicht, weil das Lied daran erinnert: An der tiefen Not kommt niemand von uns vorbei. Sie gehört zum Leben dazu. Die Not, die wir selbst zu verantworten haben und die Not, die andere uns zumuten. Aber wir haben einen, der uns in diese Not begleitet und durch die Not in die Weite führt, ins Leben. Martin Luther nannte das auch die Freiheit eines Christenmenschen.

Amen.

__________________________________________________________________________________________ S. 13

Page 14:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Aus tiefer Not – ins Paradeis“Gottesdienst mit Abendmahl zu Liedern der Reformationszeit: Martin Luthers „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (EG 299) und Nikolaus Hermans „Lobt Gott, ihr Christen“ (EG 27)

ABENDMAHL MIT EG 27 „LOBT GOTT, IHR CHRISTEN“ NACH OFFENER SCHULD

OFFENE SCHULD

EINLEITUNG

Liturg(in)Gott will uns aus der Not in die Weite führen. Lasst uns in der Stille bedenken, wo wir vor Gott und den Menschen stehen und ihm, dem lebendigen Gott, nennen, was uns hindert, ganz auf ihn zu vertrauen.

STILLE

BEICHTFRAGE

Liturg(in)Im Vertrauen darauf, dass Gott uns Türen öffnen will, frage ich jeden und jede Einzelne von euch: Erkennst du, dass du dein Vertrauen nicht auf den lebendigen Gott gesetzt hast und eigene Wege gegangen bist? Erkennst du, wo du dir selbst, deinem Gott und deinen Nächsten etwas schuldig geblieben bist? Willst du, dass Gott dich in die Weite führt? Willst du auf den Weg des Lebens zurückkehren, und soll Jesus Christus dir deine Last abnehmen? So antworte mit Ja.

Alle Ja.

TAUFGEDÄCHTNIS

Liturg(in)Gott hat dich in deiner Taufe in ein neues Leben gerufen. Heute wirst du daran erinnert: Es ist wahr! Du lebst in seiner Liebe, und von ihr kann dich nichts trennen. In deiner Taufe hat Christus dich zur Freiheit befreit! Mit ihm trittst du durch die offene Tür, um mit ihm das Abendmahl zu feiern.

STIFTUNGSWORTE MIT ABSOLUTION

Liturg(in)Christus hat seine Jünger beauftragt, Sünden zu vergeben. Als seine Dienerin sage ich darum jedem und jeder von euch zu: Dir sind deine Sünden vergeben. Gott schenkt dir einen neuen Anfang. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (+). Amen.

S. 14 ______________________________________________________________________________________________

Page 15:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

ABENDMAHL

EINLEITUNG

Liturg(in)Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, schenkt sich uns im Abendmahl. Er lässt uns an seinem Tod und Leben Anteil haben. Er hat das Leben mit uns geteilt, ist uns voraus gegangen durch den Tod in das neue Leben. In unserer Taufe hat er sich mit uns verbunden, damit wir einen Platz im Himmel haben. Christus mit uns in der Welt, und wir mit ihm in Gottes Himmel: Dazu hat er mit uns den Platz getauscht und uns die Tür geöffnet.

Alle erheben sich

Liturg(in)Erhebet eure Herzen.

Alle Wir erheben sie zum Herren.Liturg(in)

Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserm Gott. Alle Das ist würdig und recht.

PRÄFATION

Liturg(in)Wahrhaft würdig und recht, billig und heilsam ist es,dass wir dir, allmächtiger Vater, ewiger Gott, zu aller Zeit und an allen Orten Dank sagendurch unsern Herrn Jesus Christus.Er ist durch den Tod in das Leben gegangen und führt uns ins Leben. Er hat uns die Tür zum Leben geöffnet. Darum loben die Engel deine Herrlichkeit,darum beten dich an die Mächteund preisen dich die Kräfte des Himmels mit einhelligem Jubel. Mit ihnen gemeinsam stimmen wir in den Jubel ein:

SANCTUS

Alle singen EG 27,1Lobt Gott, ihr Christen alle gleich,in seinem höchsten Thron,der heut schließt auf sein Himmelreichund schenkt uns seinen Sohn,und schenkt uns seinen Sohn.

EINSETZUNGSWORTE

Liturg(in)Unser Herr Jesus Christus in der Nacht, da er verraten wardnahm er das Brot, dankte und brach´s und gab´s den Jüngern und sprach:Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird.Solches tut zu meinem Gedächtnis.Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl,

__________________________________________________________________________________________ S. 15

Page 16:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

dankte, gab ihnen den und sprach:Nehmet hin und trinket alle daraus.Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden.Solches tut, sooft ihr´s trinket, zu meinem Gedächtnis.

ABENDMAHLSGEBET

Liturg(in)Herr Jesus Christus,in deinem Leben liegt unser Leben verborgen.Du hast mit uns den Platz getauscht und bist an unsere Stelle getreten. So führst du uns ins Leben. Erleuchte unsere Herzen und segne diese Gaben.Sende uns deinen Heiligen Geist, der uns neu macht an Leib und Seele, dass wir voll Vertrauen und Hoffnung leben können.

VATERUNSERLiturg(in)

Gemeinsam beten wir mit deinen Worten:Alle Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name,dein Reich komme,dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.Unser tägliches Brot gib uns heute.Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.Amen.

AGNUS DEI

Liturg(in)So oft ihr von diesem Brot esst und aus diesem Kelch trinkt, verkündigt ihr des Herrn Tod, bis dass er kommt.

Alle singen EG 27,2 -5Er kommt aus seines Vaters Schoßund wird ein Kindlein klein,er liegt dort elend, nackt und bloßin einem Krippelein,in einem Krippelein.

Er entäußert sich all seiner G'walt,wird niedrig und geringund nimmt an eines Knechts Gestalt,der Schöpfer aller Ding,der Schöpfer aller Ding.

Er wechselt mit uns wunderlich:Fleisch und Blut nimmt er anund gibt uns in seins Vaters Reich

S. 16 ______________________________________________________________________________________________

Page 17:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

die klare Gottheit dran,die klare Gottheit dran.

Er wird ein Knecht und ich ein Herr;das mag ein Wechsel sein!Wie könnt es doch sein freundlicher,das herze Jesulein,das herze Jesulein!

FRIEDENSGRUSS

Liturg(in)Erkennt euch in dem Herrn als Schwestern und Brüder. Vergebt euch untereinander. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr. Gebt einander ein Zeichen des Friedens und der Gemeinschaft.

Alle tauschen Gesten der Zuwendung.

EINLADUNG

Liturg(in)Alle Getauften sind zur Feier des Abendmahls eingeladen, egal, welche Konfession sie haben, egal, wie alt sie sind, und mögen sie viel Glauben haben oder wenig. Und jetzt kommt, denn es ist alles bereit; schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. Wohl dem, der auf ihn traut.

Alle singen nach der Einladung, während die ersten zum Altar gehen EG 27,6Heut schließt er wieder auf die Türzum schönen Paradeis;der Cherub steht nicht mehr dafür.Gott sei Lob, Ehr und Preis,Gott sei Lob, Ehr und Preis!

__________________________________________________________________________________________ S. 17

Page 18:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Freiheit!“Gottesdienst in freier Form zu Galater 5,1 und einem Lied der Söhne Mannheims

GOTTESDIENST-IDEE

Dieser Entwurf eignet sich für einen Gottesdienst im Rahmen einer ChurchNight, kann aber, wo freiere Gottesdienstformen auch am Sonntagmorgen üblich sind, auch da gefeiert werden. Für die vorgeschlagenen Lieder (soweit sie nicht im Evangelischen Gesangbuch enthalten sind) haben wir die Quellenangaben und Hinweise zu (kostenpflichtigen) Downloadmöglichkeiten aufgeführt. Das Lied "Freedom is Coming" wurde in Abstimmung mit dem Claudiusverlag als Kopie beigefügt, weil es als "Traditional" nicht rechtlich geschützt ist. Wo eine Band und / oder ein entsprechender Chor vorhanden sind, können die Stücke live musiziert und improvisiert werden. Wo dies nicht der Fall ist, kann mit Video-Einspielungen der Lieder von Xavier Naidoo und der Söhne Mannheims gearbeitet werden (vgl. die angegebenen Links). Weiterhin enthält der Entwurf einige Gebetstexte, eine Idee zu einem Anspiel, das kreativ weiter ausgearbeitet werden kann und einen Predigtentwurf.Der Predigtentwurf bringt das Freiheitsthema, das Paulus in seinem Brief an die Galater und Martin Luther in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ theologisch – ethisch bearbeitet hat, ins Gespräch mit modernen Freiheits-Vorstellungen, wie sie sich in den Liedern „Freiheit“ der Söhne Mannheims „Frei“ von Xavier Naidoo ausdrücken. Die überraschenden Aussagen „Freiheit heißt Toleranz“ und „Freiheit heißt `hilf mir`“ bieten Anknüpfungspunkte für einen theologisch gefüllten Freiheitsbegriff, der aus der durch das Christusgeschehen geschenkten Freiheit Konsequenzen für die eigene Lebenshaltung zieht.

S. 18 ______________________________________________________________________________________________

Page 19:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Freiheit!“Gottesdienst in freier Form zu Galater 5,1 und einem Lied der Söhne Mannheims

GOTTESDIENST-ABLAUF

EINGANGSTEILMUSIK-VIDEO

Xavier Naidoo: „Frei“ (https://www.youtube.com/watch?v=JiJx8_czmMQ)oder Musik einer Band

BEGRÜSSUNG (frei)

LIED„Danke“

PSALMCOLLAGE zu Psalm 31 mit Texten aus „Frei“ (Naidoo)

LIED Refrain aus „Danke“

GEBET

LIED Refrain aus „Danke“

VERKÜNDIGUNGSTEILANSPIEL

Eine Person spannt ein rot-weißes Absperrband durch den Altarraum.Kommentar: „Ich sperre die Grenze ab, um die Freiheit zu sichern.“

Eine andere Person nimmt das Band wieder weg.Kommentar: „Ich baue die Grenze ab, damit die Freiheit herein kommt.“

oder: „Ich baue die Grenze ab, damit die Freiheit hier bleibt.“

MUSIKBand improvisiert über „Freiheit“ (Söhne Mannheims) oder Video-Einspielung(https://www.youtube.com/watch?v=d1nGfpKg3O4)

__________________________________________________________________________________________ S. 19

Page 20:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

AUSLEGUNG Zu Galater 5,1 und einem Zitat aus Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“

LIED EG 360 „Die ganze Welt hast du uns überlassen“

SAMMLUNG UNG SENDUNG

FÜRBITTENGEBET

VATER UNSER

SEGEN

LIED „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ oder

„Befreit durch deine Gnade“ oder

„Freedom is coming“

S. 20 ______________________________________________________________________________________________

Page 21:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Freiheit!“Gottesdienst in freier Form zu Galater 5,1 und einem Lied der Söhne MannheimsLIEDER AUSSERHALB DES EG:

QUELLENANGABEN ZU WEITEREN LIEDERN:"Frei"Xavier Naidoo: „Frei“ (https://www.youtube.com/watch?v=JiJx8_czmMQ)

„Danke“Das Liederbuch. Glauben. Leben. Lieben. Hoffen; Gottfried Heinzmann, Hans-Joachim Eißler (Hg.) Stuttgart, 2. Aufl. 2014, Nr. 23, S. 34-35. Möglichkeit zum Download des Liedes (Text u. Noten) über SCM-Shop (1,20 €):https://www.scm-shop.de/d-a-nke-147020.html

__________________________________________________________________________________________ S. 21

Page 22:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum“Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder; hg. Von den Evangelischen Landeskirchen in Baden, Württemberg, der Evangelischen Kirche der Pfalz und den Èglises Réformée et Luthérienne dÁlsace et de Lorraine, München 2005, Nr. 29. Möglichkeit zum Download des Liedes (Text u. Noten) über GerthMedien (1,20 €):http://www.gerth.de/index.php?id=details&sku=L280001

„Befreit durch deine Gnade“Das Liederbuch. Glauben. Leben. Lieben. Hoffen; Gottfried Heinzmann, Hans-Joachim Eißler (Hg.) Stuttgart, 2. Auflage 2014, Nr. 137, S. 202-203. Möglichkeit zum Download des Liedes (Text u. Noten) über SCM-Shop (1,20 €): https://www.scm-shop.de/befreit-durch-deine-gnade-150274.html

„Freedom is coming“ALIVE - DAS ÖKUMENISCHE JUGENDLIEDERBUCH FÜR SCHULE UND GEMEINDE, Herbert Kolb und Norbert Weidingern (Hg.), Claudius, 3. Aufl. 2014, Nr. 125. Möglichkeit zum Download des Liedes (Text u. Noten) über GerthMedien (1,20 €): http://www.gerth.de/index.php?id=203&sku=L337011Da es sich bei diesem Lied um ein Traditional handelt, wurde in Abstimmung mit dem Claudiusverlag eine Kopie des Liedes diesem Entwurf als Anlage beigefügt.

S. 22 ______________________________________________________________________________________________

Page 23:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Freiheit!“Gottesdienst in freier Form zu Galater 5,1 und einem Lied der Söhne Mannheims

GEBETE

Psalmcollage zu Psalm 31 (2 Varianten)

VARIANTE A (MIT TEXTEN AUS DEM LIED „FREI“ DER SÖHNE MANNHEIMS):

Es bietet sich an, die Psalmverse von einer Person sprechen zu lassen; die Strophen des Liedes können von unterschliedlichen Sprecherinnen und Sprechern übernommen werden. Der Chorpart (Chorus) kann – ganz im ursprünglichen Sinn des Psalmvortrags – als Antiphon von der Gemeinde oder von einer kleinen (Gemeinde-)Gruppe zum Beispiel im Stil eines Rap übernommen werden. Denkbar ist auch, mmit diesem Chorpart als Klangteppich (einer Gruppe) zu beginnen und die Lesung des Psalms darüber zu legen und mit dem Chorpart das Ganze wieder ausklingen zu lassen.

CHORUSDenn ich bin frei, frei, frei.Ich bin frei, ich bin frei, ich bin frei.Gott sei Dank, ich bin frei.

Sprecher(in) 1Ein Psalm Davids, vorzusingen.Herr, auf dich traue ich, lass mich nimmermehr zuschanden werden,errette mich durch deine Gerechtigkeit!Neige deine Ohren zu mir, hilf mir eilends!Sei mir ein starker Fels und eine Burg, dass du mir helfest!

Sprecher(in) 2Ich bin frei, frei wie ein Kind,getragen von deiner Liebe wie ein Segel vom Wind.Ich bin frei, frei und ich find´was immer ich auch brauche durch deine Gnade ganz bestimmt.

Sprecher(in) 1Denn du bist mein Fels und meine Burg,und um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen.Du wollest mich aus dem Netze ziehen, das sie mir heimlich stellten,denn du bist meine Stärke.

Sprecher(in) 3Ich bin frei wie die Gedanken,geborgen und behütet von meiner Liebe, die ich nicht kannte.Ich bin frei, frei wir die Wahrheit dich macht.Meine Ketten sind gesprengt durch diese wunderbare Kraft.

Sprecher(in) 1In deine Hände befehle ich meinen Geist,du hast mich erlöst, du treuer Gott.

__________________________________________________________________________________________ S. 23

Page 24:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte,dass du mein Elend ansiehst und nimmst dich meiner an in Notund übergibst mich nicht in die Hände des Feindes;du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Sprecher(in) 4Ich bin frei, frei wie ein Stern,der strahlend hell am Himmel steht,ich bin frei wie das Meer.Ich bin frei wie ein Vogel es ist,beflügelt und getragen so jubilierend frohlocke ich.

Sprecher(in) 1Ich aber, Herr, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott!Meine Zeit steht in deinen Händen.Lass leuchten dein Antlitz über deinem Knecht;hilf mir durch deine Güte!

Sprecher(in) 5Als ich schwach war, machtest du mich stark.Unfassbar, was ich bereits erhalten hab´.Du trigst und fülltest mich bis zu diesem Tag.Alles Höchste kommt frei von dir herab.

CHORUSDenn ich bin frei, frei, frei.Ich bin frei, ich bin frei, ich bin frei.Gott sei Dank, ich bin frei.

VARIANTE B:

Diese Collage zu ausgewählten Versen von Psalm 31 ist als Textraum gedacht, der „inszeniert“ werden will. Es bietet sich an, die Sprecherinnen und Sprecher an unterschiedlichen Stellen im Raum zu platzieren und von dort sprechen zu lassen. Der Kommentar kann auch aus dem „Off“ gesprochen werden.

Liturg(in)Herr, auf dich traue ich, lass mich nimmermehr zuschanden werden,errette mich durch deine Gerechtigkeit!

Sprecher(in) 1Auf dich traue ich, errette mich!

Sprecher(in) 2Errette mich!

Kommentator/inWir machen den Weg frei!

Liturg(in)Neige deine Ohren zu mir, hilf mir eilends!Sei mir ein starker Fels und eine Burg, dass du mir helfest!

Sprecher(in) 2Sei mir ein starker Fels und eine Burg!

S. 24 ______________________________________________________________________________________________

Page 25:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Sprecher(in) 1Eine feste Burg!

Sprecher(in) 3Bei dir bin ich geborgen und frei!

Liturg(in)Denn du bist mein Fels und meine Burg,und um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen.

Sprecher(in) 2Führe mich, o Herr, und leite meinen Gang nach deinem Wort!

Sprecher(in) 3Nach deinem Wort!

Kommentator/inWer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, Wird am Ende beides verlieren.

Liturg(in)Du wollest mich aus dem Netze ziehen, das sie mir heimlich stellten,denn du bist meine Stärke.

Sprecher(in) 1…du

Sprecher(in) 2… du bist

Sprecher(in) 3… du bis meine

Sprecher(in) 4… du bist meine Stärke!

Liturg(in)In deine Hände befehle ich meinen Geist,du hast mich erlöst, du treuer Gott.

Sprecher(in) 4… in deinen Händen – ich

Sprecher(in) 3… in deinen Händen – mein Lebensatem

Sprecher(in) 4… in deinen Händen – bin ich geborgen und frei!

Liturg(in)und übergibst mich nicht in die Hände des Feindes;du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Sprecher(in) 1Frei sein, entscheiden können, ja oder nein sagen, - weiter Raum!

Kommentator/in

__________________________________________________________________________________________ S. 25

Page 26:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Die Fähigkeit, das Wort „Nein“ auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit.

Liturg(in)Ich aber, Herr, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott!Meine Zeit steht in deinen Händen.

Sprecher(in) 2Geborgen und frei

Sprecher(in) 3Frei in Gedanken

Kommentator/inWer sagt: hier herrscht Freiheit, der lügt, denn Freiheit herrscht nicht.

Liturg(in)Lass leuchten dein Antlitz über deinem Knecht;hilf mir durch deine Güte!

Kommentator/inDie Welt hat nie eine gute Definition für das Wort Freiheit gefunden.

Sprecher(in) 4Du machst mich frei!

GEBETLiturg(in)

Du bist so frei, Gott, dass wir dir wichtig sind.Du bist so frei, dass du dabei bleibst, auch gegen unseren Trotz, unsere Besserwisserei.Du bist so frei, dass du unter uns wohnst, dich mit uns freust und mit uns leidest.So bringst du die Freiheit in unser Leben. Danke.Befreie uns von dem Zwang, dass nur wir selbst wichtig sind.Befreie uns von dem Zweifel, ob du es wirklich ernst meinst. Befreie uns von dem Selbstmitleid, wir seien ganz alleine.So überwindest du unsere Grenzen. Danke.Amen.

S. 26 ______________________________________________________________________________________________

Page 27:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Freiheit!“Gottesdienst in freier Form zu Galater 5,1 und einem Lied der Söhne Mannheims

PREDIGT-SKIZZE ZU GALATER 5,1

„Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben.“ (1) So der bekennende Christ Nelson Mandela, erster schwarzer Präsident Südafrikas im Rückblick auf die Entlassung aus dem Gefängnis nach 27 Jahren politischer Gefangenschaft.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!

In Neu-Mexico haben Leute, die nichts von Religion hielten, Mitte des 19. Jahrhunderts eine Stadt gegründet mit dem Namen Liberty - Freiheit. Sie wollten damit beweisen, dass die höchste Glückseligkeit für den Menschen da eintrete, wo man ganz frei ist von Religion.

Es durfte keine Kirche gebaut, kein Pfarrer angestellt, kein Religionsunterricht erteilt werden. Eine Konfirmation gab es natürlich auch nicht. Auch der Sonntag blieb völlig unbeachtet, war wie jeder andere Werktag.

Etwa 40 Jahre später berichteten unabhängige Zeitungen aus der Stadt: Neun Zehntel der Einwohner würden wegziehen, wenn sie nur ihr Haus verkaufen könnten – allein, es fand sich kein Käufer. Es gibt keine eigene Schule, Alkoholismus.... Streitigkeiten aller Art haben von Anfang an nie aufgehört; alle, auch Frauen und Kinder reden gemeine Dinge; keine Fabrik ist entstanden, der Verkehr liegt danieder – und das alles, obwohl die Stadt in einer fruchtbaren Gegend liegt und von reichen Bodenschätzen umgeben ist. (2)

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!

Ein Leben ohne Glauben macht die Welt nicht besser, wie manche Leute behaupten. Der Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll schreibt:

„’Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab:

__________________________________________________________________________________________ S. 27

Page 28:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache, und mehr noch als Raum für sie: Liebe für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen.’“ (3)

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!

So paradox es klingt: Die Verbindung mit Jesus Christus macht frei. Bindung und Freiheit gehören zusammen.

Mit Gott im Glauben verbunden werde ich gewiss,

dass ich geliebt bin - über alle menschliche Liebe hinaus;

dass Vergebung und Neuanfang möglich sind, auch, wenn ich einmal richtig daneben gegriffen habe;

dass es eine Hoffnung gibt auf das Leben, das selbst der Tod nicht besiegen wird,

dass es eine Gemeinschaft gibt, die über alle menschliche Freundschaft hinaus geht und das Leben reich macht.

Paulus nimmt uns hinein in die große Befreiungsbewegung Gottes, die ihresgleichen in der Weltgeschichte sucht: Befreiung von Lieblosigkeit, von Unversöhnlichkeit, von Hoffnungslosigkeit, von Einsamkeit. All das sind große Lasten, unter denen unzählige Menschen ächzen. Jesus Christus trägt diese Lasten mit, ja, er nimmt uns diese schweren Pakete von den Schultern. Er hat sie am Kreuz für uns entmachtet und die Welt neu geordnet.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen.

Von welchem „Joch“ spricht Paulus? Was knechtet Menschen, so dass sie ihre Freiheit wieder verlieren? (Joch, auch: Vorrichtung zum Fesseln von Gefangenen )

Nelson Mandela nennt Verbitterung und Hass: In der Stadt „Liberty“ waren es unnütze Streitigkeiten, Trägheit und der graue Schleier der Gleichgültigkeit.

Heinrich Böll nennt die fehlende Liebe. Die Freiheit ist bedroht unter uns – ständig.

Aber: Hat es jemals solche Freiheiten für die Entfaltung des einzelnen Menschen gegeben wie heute? Die politische Freiheit, die Freiheit, sich wirtschaftlich zu entfalten, die durch den technischen Fortschritt ermöglichte Freiheit, die Freiheit ganz unterschiedlicher

S. 28 ______________________________________________________________________________________________

Page 29:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Lebensgestaltungen – wer wollte diese Freiheiten missen? Die Freiheit des einzelnen vor staatlicher Willkür ist in der Tat eine unverzichtbare Errungenschaft.

Ohne sie in Frage zu stellen, gibt es eine Schattenseite dieser Entwicklung. Freiheit wird häufig vor allem verstanden als Freiheit des einzelnen Menschen, zu tun und lassen, was er will. Das aber ist noch keine Freiheit. Die Verantwortung für die Gemeinschaft, für die Schöpfung, für die nachfolgenden Generationen ist Teil der Freiheit, sonst drohen Willkür oder schlicht Egoismus. Freiheit v o n Bevormundung und Freiheit z u verantwortlichem Handeln gehören zusammen.

Freiheit ist ein kostbares Geschenk. Ohne Bindung geht sie verloren. Die Bindung an andere Menschen, die Bindung an Gottes Befreiungsbewegung, an Jesus Christus, geben der Freiheit ihr Fundament, ihr Maß und ihr Ziel.

Martin Luther hat das am eigenen Leib erfahren: Im Glauben wurde er befreit von dem unbarmherzigen Zwang, sich selbst liebenswürdig machen zu müssen - gegenüber Gott durch fromme Werke, gegenüber den Mitmenschen durch vorbildliches Einhalten aller Regeln. Aus diesem Zwang hat ihn der Glaube an Jesus Christus herausgelöst.

Menschen geraten leicht in vielfältige Zwänge, den eigenen Wert, die eigene Liebenswürdigkeit unter Beweis stellen zu müssen. Im Glauben an Jesus Christus, werden wir befreit von dem unguten Zwang zur Selbstdarstellung, befreit zum dankbaren Dienst an den Menschen, die uns anvertraut sind. Wir werden auch befreit von der unfruchtbaren Grübelei, ob wir nun Gott recht sind. Diese Grübelei kann zu einer besonderen „feinsinnigen“ Form der Selbstbezogenheit führen, die die Freiheit wieder abschafft.

So bleiben Freiheit und Bindung zwei Seiten einer Medaille. Martin Luther hat diese Medaille in unvergleichlicher Weise beschrieben:

„Ein Christenmenschen ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Amen.

__________________________________________________________________________________________ S. 29

Page 30:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

(1) Original: As I walked out the door toward the gate that would lead to my freedom, I knew if I didn't leave my bitterness and hatred behind, I'd still be in prison.2003: Living History, ISBN 0743222253, Seite 236, Verlag Simon & Schuster(2) Haug, Materialsammlung, Nr. 839(3) H.Böll, in: F.Steffensky, Der Schatz im Acker, S.201

Kantatengottesdienst mit der Kantate „Es ist das Heil uns kommen her“ von Johann Sebastian Bach (BWV 9)GOTTESDIENST-IDEE

Während die Bachkantaten Nr. 79 „Gott der Herr ist Sonn und Schild“ und Nr. 80 „Ein feste Burg ist unser Gott“, die Bach zum Reformationsfest komponierte, reformatorische Theologie eher wenig differenziert aufnehmen (BWV 79: Gott ist Sonne, Schutz und Schild, Anklänge an Ps. 46, Gottes Wort als Licht, auch wenn die Feinde toben… / BWV 80: Militia-Christi-Bilder wider den Satan) ist die zum 6. Sonntag nach Trinitatis komponierte Choralkantate BWV 9 „Es ist Heil uns kommen her“ für einen Gottesdienst zu den Hauptthemen der Reformation weit besser geeignet. Die Kantate zitiert oder paraphrasiert 12 Strophen des bekannten Liedes von Paul Speratus, lediglich die Vater-unser-Paraphrase in den letzten zwei Strophen des Liedes findet keinen Niederschlag.Anhand der Bach-Kantate 9 lässt sich ein „Sola-gratia-Gottesdienst“ gestalten, in dem allerdings die Bilder des Psalms 46 bzw. des Liedes „Ein feste Burg ist unser Gott“ weniger Raum haben dürften.Interessant ist, dass das Thema Taufe, das auch zu Bachs Zeit Thema des 6. Sonntags nach Trinitatis war, in der Kantate nicht explizit angesprochen wird, aber als theologische Grundlage im Hintergrund des Kantatentextes steht: Wer getauft ist, hat Anteil am Heil, das mit Jesus Christus in die Welt gekommen ist (Strophe 1); die vorgängige Gnade Gottes erhält in der zu Bachs Zeit selbstverständlich praktizierten (Kinder-)Taufe einen sichtbaren Ausdruck.

Als Textraum eines Gottesdienstes mit dieser Kantate könnte dienen:5. Mose 6, 4-9 (Sch’ma Jisrael, dann sollte das Thema „Feindesliebe“ Matthäus 5, 43-48 zum Evangelium hinzutreten)Psalm 36, 6-11 (Gottes Gerechtigkeit, Zuflucht, Quelle des Lebens, in deinem Lichte sehen wir das Licht)Jes. 41, 8-10 + 43, 1-2 (Fürchte dich nicht… ich habe dich erlöst)Matthäus 5, 17-20 + nach Belieben Auswahl aus dem restlichen Kapitel Mt 5 (Die originale Evangelienlesung des 6. Sonntag n. Trin. zu Bachs Zeit war Mt 5,20-26)Römer 3, 21-28 (zentraler Text als Grundlage des Speratus-Liedes)

S. 30 ______________________________________________________________________________________________

Page 31:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Jakobus 2, 14-26 (Kontrasttext: Glaube führt auch ins Handeln)

__________________________________________________________________________________________ S. 31

Page 32:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Kantatengottesdienst mit der Kantate „Es ist das Heil uns kommen her“ von Johann Sebastian Bach (BWV 9)EXEGETISCHE HINWEISE ZUM TEXTRAUM

5. Mose 6,4-9

Predigttext zum 1. Sonntag nach Trinitatis, VI. Reihe

Über das Sch’ma Jisrael zu predigen geht nur in dem Bewusstsein, dass dieser Text für jüdische Menschen einer der wichtigsten Glaubenstexte ist. Als Gebet ist es auch Ruf zum Glauben und Bekenntnis. Israel tritt auf als Zeuge (ED) Gottes. Als Christen hören wir, was Israel gesagt ist (F. Crüsemann, J. Ebach). Die Proklamation des einzigen Gottes fordert zur Antwort auf. Das „Höre“ erwartet eine Reaktion. Der Gott, der sich mit seinem Namen Mose offenbart hat, setzt sich in Beziehung. Er schließt einen Bund mit Israel. Dem Hören folgt das Tun: Lieben. Gott lieben mit Herz und Verstand, mit all dem, was mir zur Verfügung steht an Kraft, an Mitteln. Gott lieben mit jedem Atemzug. Und diese Liebe weitergeben: an die Kinder, die nächsten Generationen. Sie lehren, mit hinein nehmen in den Bund, in die Liebe zu Gott. Die Zeichen, die mit Tefillin und Mesusa ihren rituellen Ort im Alltag gefunden haben, sind Erinnerungszeichen an den Ruf Gottes, der der Liebe vorausgeht.Liebe gewinnt Gestalt im Tun, die Ethik gehört mit dem Glauben zusammen, das eine ist nicht ohne das andere denkbar. Für das Reformationsfest ließe sich die Zuwendung Gottes entfalten, die im Bund mit Israel Gestalt gewonnen hat. Sie ist Gnadengabe, Zeichen von Barmherzigkeit und Treue und fordert die antwortende Liebe der Menschen heraus. Mit diesem Text ließe sich auch gegen die antijudaistischen Äußerungen Luthers argumentieren.

Ps 36,6-11

Psalm für den 2. Sonntag nach Trinitatis

Ps 36 als Ganzes gesehen lässt sich in drei Teile gliedern (1-5;6-10;11-13), der 2. Teil ist als EG 719 aufgenommen, während Ps 36,6-11 als Wochenpsalm für den 2. Sonntag nach Trinitatis vorgesehen ist. Eine weitere Verwendung des Psalmes ist im Rahmen von Taufgottesdiensten vorgeschlagen. Der Psalm ist eher den späteren weisheitlich geprägten Liedern zu zurechnen, auch wenn er in der Überschrift David zugeordnet wird.In 1-5 geht es um das Verhalten der Gottlosen. So stehen Begriffe im Vordergrund, die die Abkehr von Gott beschreiben und die Auswirkungen, die das hat. Auch wenn Motive der Feindklage aufgenommen sind, handelt es sich nicht um eine Klage, sondern um eine Betrachtung des gottlosen Lebenswandels. In starkem Gegensatz dazu steht 6-10. In hymnischer Sprache wird die Größe und das Handeln Gottes beschrieben. Schöpfungsmotive sind aufgenommen, sowohl im Anklang an die Erschaffung der Welt als auch im Blick auf die Erhaltung des Lebens von Mensch und Tier. Im Vordergrund stehen Begriffe wie Treue, Güte, Gerechtigkeit, Recht, die die Welt erfüllen und einen Raum des Heils schaffen, in dem Menschen Geborgenheit erfahren. Am bekanntesten ist V 10: Denn bei dir ist die Quelle des Lebens und in deinem Licht sehen wir das Licht.

S. 32 ______________________________________________________________________________________________

Page 33:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Für den Reformationsgottesdienst bietet sich an, die Linie des Psalms auszuziehen, die die Güte Gottes und die gnädige Zuwendung, die Leben stärkt und schützt, in den Mittelpunkt stellt. V 9 spielt auf den Tempel an, von dessen Opfergaben („Fett“ statt „Güter“) die Menschen genährt werden. Gottes Zuwendung ist Geschenk. Die Glaubenden treten mit der Hinwendung zu Gott in einen Lebensraum ein, in dem das Lebensnotwendige im Überfluss da ist. Eine Tendenz zur Spiritualisierung der göttlichen Gaben ist allerdings deutlich erkennbar, verstärkt noch durch Luthers Übersetzung.

Jes. 41, 8-10 + 43, 1-2

43,1 Wochenspruch 6. Sonntag nach Trinitatis,43,1-7 Predigttext 6. Sonntag nach Trinitatis V. Reihe

Beide Abschnitte stammen aus DtJes und gehören zu Texten, in denen das Volk Israel bzw. Jakob als Eved JHWH („Gottesknecht“) angesprochen wird. Sie können entweder beide oder nur einer als Lesung oder Predigttext herangezogen werden. Im Mittelpunkt steht die Zusage Gottes an Israel, am Bund festzuhalten. Die Erwählung gilt trotz der Erfahrung des babylonischen Exils, Gott bleibt seiner Zusage treu. Gott bewahrt Israel und ermöglicht die Heimkehr nach Jerusalem. Im Kontext DtJes ist diese Vorstellung mit dem Auszug aus Ägypten verknüpft. Der Gang durchs Wasser spielt auf den Zug durchs Schilfmeer an, ruft aber auch Elemente des Schöpfungsgeschehens auf: die Bändigung der Urflut. Das Stichwort „Erlösung“ spielt auf die Auslösung aus Schuldknechtschaft an. Der Text ist theologisch hochkomplex und weist eine Vielzahl von Bezügen auf.Das Thema „Bund“ ließe sich in einem Reformationsgottesdienst entfalten. Gottes Zusage bleibt gültig, auch wenn Krisen die gewohnten Lebensumstände erschüttern oder sogar zerstören. Wasser und Feuer als lebensfeindliche Elemente symbolisieren diese Erfahrung. Die Zusage Gottes ist die eine Seite, auf der anderen Seite geht es um die Verpflichtungen, die damit verknüpft sind. Zum Bund gehört auch eine Aufgabe: im Dienst Gottes zu stehen, Gottes Wirken in der Welt zu bezeugen. Die christliche Interpretation bringt mit dem Thema „Taufe“ eine Individualisierung ein, die vom Text her so nicht intendiert ist, auch wenn sie in der Personifikation des Volkes als „Jakob“ angelegt ist.

Mt 5,16-20

Mt 5,17-20 bisher Marginaltext, neu 10.Sonntag nach Trinitatis, VI. Reihe

Als Kontrasttext zu den Texten, in denen die Zuwendung Gottes als Geschenk, als Gabe formuliert ist, steht der Abschnitt aus der Bergpredigt, der zu Bachs Zeiten Teil des Evangeliums am 6. n. Tr. war, Mt 5,17-26. Hier geht es um die menschliche Seite, um das Verhalten der Glaubenden, die durch ihr Tun die Sphäre des Heils in der Welt sichtbar machen. V 16 ist der Schlussvers des vorangegangenen Abschnitts, bietet sich aber als Überschrift des folgenden Abschnittes an. „Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“Gottes Zuwendung zu den Menschen bekommt Gestalt in der Zuwendung der Menschen zu ihren Mitmenschen. Durch ihr Verhalten verweisen sie zurück auf Gott.17-20 als Vorspann zu den folgenden Auslegungen der Tora macht den Anspruch der matthäischen Gemeinden deutlich, an der ganzen Tora als Gottes Wegweiser zum Leben festzuhalten. Zum Leben als Christen gehört neben dem Hören und dem Gebet auch das Tun als Antwort auf die bereits durch die Taufe zugesprochene Zuwendung Gottes. Die reformatorische Gegenüberstellung von Gesetz und Evangelium verfehlt die Intention dieses Textes, der Glauben und Ethik in einem engen Zusammenhang sieht.

__________________________________________________________________________________________ S. 33

Page 34:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Röm 3,21-28

Predigttext zum Reformationstag, II. Reihe

Als biblische Grundlage wird dieser Abschnitt aus dem Römerbrief in EG 342 entfaltet und im Rahmen lutherischer Rechtfertigungstheologie gedeutet. Es ist durchaus spannend, den biblischen Text mit dieser Interpretation und heutigen Anliegen ins Gespräch zu bringen. Paulus hat den Brief an die Gemeinde in Rom als Ausweis seiner theologischen Position verfasst, unabhängig von der Situation und den aktuellen Fragen in der römischen Gemeinde. Von daher ist dieser Brief eher als systematisch-theologischer Entwurf zu verstehen. Paulus geht es um Gemeinschaft, um die Frage, wie Judenchristen und Heidenchristen gemeinsam Gemeinde Jesu sein können. Er argumentiert als Schriftgelehrter und zitiert aus der Tora und den Propheten. Zentrale Begriffe in diesem Text sind „Gerechtigkeit“, „Glaube“ und „Erlösung“.Gerechtigkeit muss im Kontext des at Begriffs der zedakah verstanden werden, der Gerechtigkeit Gottes, die sich in Gottes Handeln in der Geschichte ausdrückt. Es ist ein Handeln, das Lebensraum öffnet und Leben ermöglicht gegen allen Augenschein. Das hat sich bereits im Exodus manifestiert, so auch in der Rückführung aus dem Exil, aber es ist noch nicht am Ende, sondern es zielt auf Wiederherstellung der Gemeinschaft, die nun durch den Messias Jesus allen Menschen gilt. Im Glauben an diesen Messias wird diese „Erlösung“ Realität im Handeln der christlichen Gemeinde. In EG 342 wird der Text stark individualisiert und auf die persönliche Heilswirkung auf das Leben nach dem Tod hin ausgedeutet, gerade auch im Blick auf die Todesstunde. Interessant sind hier auch die Unterschiede zu Bachs Interpretation.

Jak 2,14-26

Predigttext Reminiszere, Marginaltext

Die „stroherne Epistel“ ist wenig in den regulären Predigtreihen aufgenommen. Luthers Verdikt war hier wohl prägend bei der Auswahl. Dabei fügt sich der ausgewählte Abschnitt gut in das Thema „Glaube und Ethik“ ein. Der Jakobus-Brief ist ein pseudepigraphischer Brief, dessen Autorschaft und die adressierten Gemeinden unbekannt sind. Aus dem Brief lässt sich erschließen, dass es Gemeinden sind, die im östlichen Teil des römischen Reiches gegen Ende des 1. Jh. zu finden sind. Der Brief zeigt eine gute Kenntnis der Septuaginta, was auf einen judenchristlichen Kontext verweisen könnte. Es finden sich eine ganze Reihe von Jesus-Worten, die unabhängig von den Evangelien überliefert wurden und sich z.T. stark davon unterscheiden. Wie muss christlicher Glaube gelebt werden? Im Tun. In den Texten zeigen sich deutliche soziale Unterschiede, die bis in die Gemeinden hineinreichen. Die genannten Brüder und Schwestern sind Gemeindeglieder, die nicht genug für ihren Lebensunterhalt haben und auf Zuwendungen angewiesen sind. Es reicht nicht, hilfsbedürftige Menschen mit einem Segen abzuspeisen, sondern es braucht konkrete Hilfe, Nahrung, Kleidung. Ein lebendiger Glaube, ein Glaube, der die Wiederherstellung der Gerechtigkeit ernst nimmt, zeigt sich im Tun der Gerechtigkeit – sorgt dafür, dass Menschen leben können, in diesem Fall, dass soziale Gerechtigkeit hergestellt wird.

S. 34 ______________________________________________________________________________________________

Page 35:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Literaturempfehlung: Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext nach Predigtreihen.

__________________________________________________________________________________________ S. 35

Page 36:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Kantatengottesdienst mit der Kantate „Es ist das heil uns kommen her“ von Johann Sebastian Bach (BWV 9)

LIEDER

könnten sein: EG 440 „All Morgen ist ganz frisch und neu“

Johannes Zwicks Lied „wider die billige Gnade“, insbesondere Str. 3: Treib aus, o Licht, all FinsternisInteressant sind hier auch die im EG ausgelassenen Originalstrophen:

1. = EG 440, 12. Doch sag du nicht: Ei, das ist gut, so will ich haben Freud und Mut und

heut tun, was gelüstet mich, weil Gott so gut und gnadenreich.3. Denn dies wär ein verkehrter Sinn, der billig g’straft mit großem

Grimm, wollst übel tun auf Gottes Güt, sein Geist dich allweg davor b’hüt.

4. Drum steht der Himmel Lichter voll, dass man zum Leben sehen soll, dass es mög schön und g’ordnet sein, zu Ehren Gott, den Schöpfer dein.

5. So hat der Leib der Augen G’sicht, dass er dadurch viel Guts ausricht und seh auf Gott in allem Tun und merk, wie er’s so gnädig mein.

6.-8. = EG 440, 2-4EG 441 „Du höchstes Licht, du ewger Schein“

Johannes Zwicks eigene Variation des o. g. LiedesEG 322 „Nun danket all und bringet Ehr“EG 341 „Nun freut euch, lieben Christen g‘mein“

Luthers biografischer Kommentar zum ThemaEG 351 „Ist Gott für mich, so trete“

Paul Gerhardt verlegt das Thema „in die Innerlichkeit“EG 346 „Such, wer da will“

insbesondere Str. 3+4EG 347 „Ach bleib mit deiner Gnade“

elementare SpracheEG 358 „Es kennt der Herr die Seinen“

Transfer ins Handeln; mit der Melodie EG 349 ist dieses Lied weniger „pompös“EG 404 „Herr Jesu, Gnadensonne“

verinnerlichte, pietistisch geprägte Dichtung, zeitlich an der Bach-KantateEG 452, 4-5 2Er weckt mich alle Morgen“

allerdings hat dieses Lied eine starke Anknüpfung bei den „Arbeitern im Weinberg“, es braucht möglicherweise eine Einbettung

EG 454 „Auf und macht die Herzen weit“ sozusagen EG 440 in einfacher Sprache

S. 36 ______________________________________________________________________________________________

Page 37:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

EG 501, 3 „Herr, lass die Sonne blicken“

Kantatengottesdienst mit der Kantate „Es ist das heil uns kommen her“ von Johann Sebastian Bach (BWV 9)DIE KANTATE

ist unter folgenden Aspekten interessant:Inhaltlich: Das Libretto der Kantate legt das Lied „Es ist das Heil uns kommen her“ mit 12 von 14 originalen Strophen zugrunde. Lediglich die erste und letzte finden jedoch wortwörtlich Verwendung. Die übrigen Strophen werden in – zu Bachs Zeit – „moderne Sprache“ gefasst. Dabei werden die Themen teilweise neu gewichtet: Die Todesstunde, deren Zeitpunkt uns „aus weisem Rat“ verborgen ist, wird zum eigentlichen Punkt der Bewährung, daher wird aus dem Taufbezug des Liedes „Wer glaubt an mich und wird getauft, demselben ist der Himml erkauft…“ in der Kantate „Der Himmel ist für den erkoren, der wahren Glauben mit sich bringt und (sich) fest um Jesu Arme schlingt“. Typisch hochbarock, verweist der Text auf himmlische Freude nach irdischem Leid – die Liedstrophe „Die Hoffnung wart‘ der rechten Zeit, was Gottes Wort zusage…“ wird zu „Drauf hoffen wir der Zeit, die Gottes Gütigkeit uns zugesaget hat“.Dennoch bleibt das Libretto insgesamt nah am Text des Reformationsliedes und seines theologischen Grundanliegens. Musikalisch: Der Eingangschor der Kantate steht mit E-Dur in einer besonders „lichten“ Tonart. Der ¾-Takt trägt zur beschwingt-fröhlichen Atmosphäre bei. Die Melodie, die heute im Gemeindegesang als eher sperrig und „kirchentonal“ wahrgenommen wird, hat bei Bach keinerlei Schwere an sich. Eher „schwebt“ sie, vom Sopran gesungen, über dem „Gewühle der Welt“. Besonders ist die Instrumentalbesetzung mit einer Flauto traverso und einer Oboe d’amore, die ein klanglich besonderes Zwiegespräch führen. Diese besondere Besetzung spricht für eine Aufführung mit historischen Instrumenten, da moderne Instrumente die klangliche Wirkung stark verändern. Die Kantate besteht neben Eingangschor und Schlusschoral sowie Rezitativen nur aus einer Arie und einem Duett. Somit arbeitet sie mit elementaren Affekten und Grundthemen:

Eingangschor – Zuversicht und GewissheitArie Tenor – Not und AbgründeDuett Sopran/Alt – Fröhlichkeit durch GlaubensstärkeSchlusschoral – Trost in Bedrängnis

Die hineingefügten Rezitative haben predigenden Charakter und sind alle in demselben Tonfall gehalten.Die Kantate macht Erlösung und Rechtfertigung unmittelbar hörbar und erlebbar.

__________________________________________________________________________________________ S. 37

Page 38:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

S. 38 ______________________________________________________________________________________________

Page 39:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Möglichkeiten der Einordnung der Kantate in den Gottesdienst:1. Einbau in die Eingangsliturgie:

Eingangschor als Eingangsmusik oder als Antwort auf den PsalmNr. 2+3 als Kyrie-ParaphraseNr. 4+5 als Zuspruch und Gloria-ParaphraseNr. 6+7 als Antwort auf die Lesung Röm. 3,21ffPredigt über Röm. 3,21ffEingangschor als Schlussmusik des Gottesdienstes wiederholen

2. Einbau in eine Liedpredigt:Dieser Entwurf verzichtet noch auf die Benennung aktueller Bezüge in den Themen der Liedpredigt, da diese durch Prediger/-in tagesaktuell formuliert werden müssen.

Musik und Liedstrophe der Gemeinde EG 342, 1 „Es ist das Heil uns kommen her“Votum, Gruß und Begrüßung (Themennennung, im Mittelpunkt steht das Lied eines sehr engen Mitarbeiters Luthers. Paul Speratus, am ersten Wittenberger Gesangbuch 1524 beteiligt und dann evangelischer Bischof in Westpreußen / Marienwerder. Dieses Lied spricht von der Freiheit durch den Glauben, davon, wie der Glaube zum Handeln führt – eines der wichtigsten Themen der lutherischen Reformation. Und so wollen wir mit einem Lied aus derselben Zeit, diesmal geschrieben in Konstanz am Bodensee unseren Gottesdienst fortsetzen:Lied EG 440 oder EG 441Aus Psalm 36 – Ehr sei dem VaterGebet oder ausgeformte Liturgie mit Bußgebet – Kyrie – Zuspruch – Gloria – Tagesgebet.Lesung Röm. 3, 21-28

Bach-Kantate: EingangschorEs ist das Heil uns kommen herVon Gnad und lauter Güte.Die Werk, die helfen nimmermehr,Sie mögen nicht behüten.Der Glaub sieht Jesum Christum an,Der hat g'nug für uns all getan,Er ist der Mittler worden.

Liedpredigt I: Themen der Wittenberger Reformation, Person Paul Speratus, Sola gratia, Verwerfung des Gesetzes als HeilsmitteGemeindegesang EG 342, 2 „Was Gott im G’setz geboten hat“Liedpredigt II: Deutung der soeben gesungenen Strophe 2 sowie der im Original anschließenden Str. 3+4. Themen: Gesetz ist ein Spiegel der eigenen

__________________________________________________________________________________________ S. 39

Page 40:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Sündhaftigkeit vor Gott und führt zur Erkenntnis der Trennung von Gott, die aus eigener Fähigkeit nicht überwunden werden kann.

3. Es war ein falscher Wahn dabei / Gott hätt sein G’setz drum geben / als ob wir möchten selber frei / nach seinem Willen leben / so ist es nur ein Spiegel zart / der uns zeigt an die sünd’ge Art / in unserm Fleisch verborgen.4. Nicht möglich war es, diese Art / aus eig’nen Kräften lassen. / Wiewohl es oft versuchet ward, / doch mehrt‘ sich Sünd ohn Maßen; / denn Gleisnerswerk Gott hoch verdammt / und je dem Fleisch der Sünde Schand / allzeit war angeboren.

Bach-Kantate: Rezitativ Nr. 2 und Arie Nr. 3Gott gab uns ein Gesetz, doch waren wir zu schwach,Dass wir es hätten halten können.Wir gingen nur den Sünden nach,Kein Mensch war fromm zu nennen;Der Geist blieb an dem Fleische klebenUnd wagte nicht zu widerstreben.Wir sollten im Gesetze gehnUnd dort als wie in einem Spiegel sehn,Wie unsere Natur unartig sei;Und dennoch blieben wir dabei.Aus eigner Kraft war niemand fähig,Der Sünden Unart zu verlassen,Er mocht auch alle Kraft zusammenfassen.Wir waren schon zu tief gesunken,Der Abgrund schluckt uns völlig ein,    Die Tiefe drohte schon den Tod,    Und dennoch konnt in solcher Not    Uns keine Hand behülflich sein.

Liedpredigt III: Deutung der Strophen EG 342, 3+4 „Doch muss das G’setz erfüllet sein“ / „Und wenn es nun erfüllet ist“. Themen: Christus ist der, der das Gesetz erfüllt und die Brücke schlägt.Gemeindegesang EG 342, 5+6 „Daran ich keinen Zweifel trag“ / „Es ist gerecht vor Gott allein“Liedpredigt IV: Deutung der Strophen EG 342, 6+7 sowie ggf. der im Original dazwischenstehenden Strophe (vgl. EKG 242, 7) Themen: Gerechtigkeit kommt aus dem Glauben. Fröhlich das Evangelium tun.

EKG 242, 7: Es wird die Sünd durchs G’setz erkannt / und schlägt das G’wissen nieder; / das Evangelium kommt zuhand / und stärkt den Sünder wieder / und spricht: nur kreuch zum Kreuz herzu, / im G’setz ist weder Rast noch Ruh / mit allen seinen Werken.

Bach-Kantate Rezitativ Nr. 4 und Duett Nr. 5Doch musste das Gesetz erfüllet werden;Deswegen kam das Heil der Erden,Des Höchsten Sohn, der hat es selbst erfülltUnd seines Vaters Zorn gestillt.

S. 40 ______________________________________________________________________________________________

Page 41:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Durch sein unschuldig SterbenLieß er uns Hülf erwerben.Wer nun demselben traut,Wer auf sein Leiden baut,Der gehet nicht verloren.Der Himmel ist für den erkoren,Der wahren Glauben mit sich bringtUnd fest um Jesu Arme schlingt.Herr, du siehst statt guter WerkeAuf des Herzens Glaubensstärke,Nur den Glauben nimmst du an.    Nur der Glaube macht gerecht,    Alles andre scheint zu schlecht,    Als dass es uns helfen kann.

Liedpredigt V: Deutung der (im EG nicht mehr enthaltenen) Strophen EKG 242, 9 + 10. Themen: Glaube macht geduldig, Gottes Zeitplan ist uns nicht verfügbar. Vertrauen auf Gottes Zusage gibt Hoffnung und Zuversicht. Sich unter widrigen Bedingungen nicht irre machen lassen. Evtl. biografische Wendung: Paul Speratus war, bevor er das Lied schrieb, in Olmütz als Ketzer zum Tod durchs Feuer verurteilt worden, war jedoch begnadigt worden.

EKG 242, 9+10: Die Hoffnung wart‘ der rechten Zeit / was Gottes Wort zusage; / wann das geschehen soll zur Freud, / setzt Gott kein g’wisse Tage. / Er weiß wohl, wanns am besten ist, / und braucht an uns kein arge List; / des solln wir ihm vertrauen.Ob sich’s anließ, als wollt‘ er nicht, / lass dich es nicht erschrecken; / denn wo er ist am besten mit, / da will er’s nicht entdecken. / Sein Wort lass dir gewisser sein; / und ob dein Fleisch spräch lauter Nein, / so lass doch dir nicht grauen.

Bach-Kantate: Rezitativ Nr. 6 und Choral Nr. 7Wenn wir die Sünd aus dem Gesetz erkennen,So schlägt es das Gewissen nieder;Doch ist das unser Trost zu nennen,Dass wir im EvangelioGleich wieder frohUnd freudig werden:Dies stärket unsern Glauben wieder.Drauf hoffen wir der Zeit,Die Gottes GütigkeitUns zugesaget hat,Doch aber auch aus weisem RatDie Stunden uns verschwiegen.Jedoch, wir lassen uns begnügen,Er weiß es, wenn es nötig ist,Und brauchet keine ListAn uns; wir dürfen auf ihn bauenUnd ihm allein vertrauen.Ob sichs anließ, als wollt er nicht,Lass dich es nicht erschrecken;

__________________________________________________________________________________________ S. 41

Page 42:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Denn wo er ist am besten mit,Da will ers nicht entdecken.Sein Wort lass dir gewisser sein,Und ob dein Herz spräch lauter Nein,So lass doch dir nicht grauen.

Fürbittengebet und Vater unserLied: EG 342, 8+9 (Vater-unser-Paraphrase, die in der Bach-Kantate keinen Niederschlag findet)AbkündigungenLied 347 „Ach bleib mit deiner Gnade“SegenMusik (ggf. wäre auch Wiederholung des Eingangschores denkbar)

S. 42 ______________________________________________________________________________________________

Page 43:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Kantatengottesdienst mit der Kantate „Es ist das Heil uns kommen her“ von Johann Sebastian Bach (BWV 9)PREDIGT ZU RÖMER 3,21-30Der (Alb)Traum vom perfekten Menschen

I.Der Traum vom perfekten Menschen.Ein uralter Traum. So alt wie die Menschheit.Brangelina - das perfekte Paar, das sogar einen Namen für seine Perfektion trug.Die perfekte Musikerin, wo nie ein Ton falsch ist.Der perfekte Politiker, der jede Entscheidung richtig trifft und natürlich keine Drogen nimmt.Die perfekte Athletin, die jedes Jahr neue Rekorde schafft - ohne Doping.Der perfekte Pfarrer, der immer Zeit hat.Der perfekte Urlaub, wo immer die Sonne scheint.Das perfekte Kind, das lauter Einsen nach Hause bringt.Der perfekte Chef, der immer geduldig ist.Die perfekte Christin, deren Glaube endlos ist.Der perfekte Flüchtling, der dankbar lächelnd alles erträgt.

Natürlich wissen wir, dass es keinen perfekten Menschen gibt. Wir wissen sogar, dass der Traum vom perfekten Menschen gefährlich ist. Denn wir wollen Menschen aus Fleisch und Blut sein.Aber wir können von diesem Albtraum des perfekten Menschen nicht lassen. Selbst Paulus nicht, wenn er vom Mangel spricht.

Der alte Traum von Perfektion.Und das Wissen, das Leiden, nie gut genug zu sein, nie perfekt sein zu können.Dahinter und davor alte Fragen, die immer noch neu sind: (1)Wie kriege ich mein Leben so hin, dass es gelingt?Was kann ich machen, dass sie mich wieder liebt?

__________________________________________________________________________________________ S. 43

Page 44:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Was kann ich tun, damit die Angst vergeht?Ich habe viel gelernt. Aber wie schaffe ich das Examen, das Abitur, den Realschulabschluss?Was muss ich machen, damit ich eine Lehrstelle bekomme?Was stellen wir an, damit wir – und nicht die anderen – die Wohnung bekommen?Und hoffentlich halte ich durch. Ja, ich muss durchhalten, damit der Chef merkt, dass ich unverzichtbar bin.Besser sein als die anderen. Schneller. Stabiler. Schlanker. Klüger. Lauter. Bedeutender...

II.Die Qual bleibt. Auf Knien nach Lourdes oder gar Compostela wallfahren heilt nicht.30 Rosen nehmen nicht das schlechte Gewissen. Die Qual bleibt.

Martin Luther hat sich selbst bestraft. Meinte, sich die Liebe Gottes verdienen zu müssen. Er hat sogar nachts auf der Holzpritsche seine einzige Wolldecke weggelegt, weil er dachte, das gefällt Gott. Unter uns gibt es viele, die sich selbst bestrafen. Die immer mehr leisten wollen. Immer schöner sein. Immer fitter. Und sie sind unglücklich, wenn sie versagen. Und wie sie sich beurteilen, so urteilen sie auch über andere. Hat der das auch verdient? Das Geschäft mit der Angst ist hochmodern.

Wir sind süchtig danach, Menschen einzuteilen, ob sie es verdient haben dazu zu gehören. Zum Staat. Zum Land. Zu den Gläubigen. Zu den Gewinnern. Zu den Reichen. Zu den Begabten. Zu den Schönen. Zu den Schlanken. Wir sind süchtig danach, wahrgenommen zu werden. Gesehen zu werden. Damit wir dazugehören.Damit wir es verdienen, dazu zu gehören.

S. 44 ______________________________________________________________________________________________

Page 45:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

III.Aber das brauchen wir nicht.Wir brauchen es nicht zu verdienen, weil wir schon längst dazu gehören.Zu Gott. Zu dem, was das Leben ausmacht.

Paulus sagt das so:Wir werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.Ohne Verdienst. Du musst nicht perfekt sein.So wie du bist, bist du toll. Liebenswert. Unendlich wertvoll.So wie du bist, gehörst du zu Gott.So und nicht anders gehörst du zur Welt.Du musst dich nicht quälen und verbiegen.Und andere musst du auch nicht quälen und verbiegen.

Es ist das Heil uns kommen her Von Gnad und lauter Güte.Die Werk, die helfen nimmermehr, Sie mögen nicht behüten.Der Glaub sieht Jesum Christum an, Der hat g‘nug für uns all getan,Er ist der Mittler worden. (2)

IV. Jesus ist ans Kreuz gegangen. Dort, wo die Opfer sind. Die Looser.Dort, wo die Untauglichen und die Ausgestoßenen hingehören.Dort, wo Verkrümmungen sichtbar werden, auch die inneren.Dort, wo du nichts bist. Wo keiner hinsieht. Wo niemand wichtig ist.Wo die Flucht nicht mehr weitergeht.Wo die Grenzen des Lebens sind.Dorthin ist Jesus gegangen.Und mit ihm Gott. In ihm Gott.

__________________________________________________________________________________________ S. 45

Page 46:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Und dort findet er dich.Er sieht dich an und sieht auch das, was du selber nicht ansehen magst.Er sieht dich mit Liebe an. Kein Kontrollblick, ob du tauglich bist.Kein kritischer Blick, ob du fromm genug bist, oder klug genug, oder schön genug.Nein, der Blick des Liebenden.Der Blick eines Gottes, der dich an seinen Tisch einlädt.Der sich dazu setzt und sich freut, dass du da bist.Der dich nicht ausfragt, der dir aber zuhört.

Ob sichs anließ, als wollt er nicht, Lass dich es nicht erschrecken;Denn wo er ist am besten mit,Da will ers nicht entdecken.Sein Wort lass dir gewisser sein, Und ob dein Herz spräch lauter Nein, So lass doch dir nicht grauen. (3)

V. An diesem Tisch mit Gott kannst du aufrecht sitzen. Nichts, was dich krumm macht. Oder klein. Ganz und gar du.Und dann öffnest du deine Augen und entdeckst noch andere, die auch mit am Tisch sitzen. Genauso geliebte Gottes Kinder. Sie sind so ganz anders. Aber sie gehören dazu, wie du.Eure Töne kommen zusammen, wie in einem Chor.Und weil du unter Gottes Blick ein anderer werden kannst,siehst du auch die anderen anders an. Du liebst nicht, um Gott zu gefallen.Aber weil du Gott gefällst, kannst du lieben.Und die Liebe, die dich umfängt, willst du weitergeben.Wir werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.

S. 46 ______________________________________________________________________________________________

Page 47:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Du musst nicht perfekt sein. Du musst Gott nicht gefallen.Und du musst nicht um den besten Platz am Tisch kämpfen.Denn da sitzt du schon.Und darum kannst du dich auch über die anderen am Tisch freuen.Und du singst mit ihnen, weil die Musik grenzenlos ist.Du baust mit ihnen den Tisch größer, damit da noch mehr dran sitzen können.Auch die, die eine andere Sprache sprechen. Oder die gerade erst angekommen sind.Auch die mit den zerlumpten Kleidern und die mit den bösen Träumen.Auch die, die nichts vorzuweisen haben, noch nicht mal einen Pass.

VI. Und weil du weißt, dass sie Kinder Gottes sind wie du, setzt du dich für sie ein.Du lässt nicht zu, dass sie beschimpft werden,oder dass man sie schlägt, oder ihre Heime in Brand steckt.Und du lässt nicht zu, dass in unserem Land Menschen aussortiert werden. (Weil sie vielleicht nicht "deutsch" genug sind)Denn Gott kennt keine Nation und keine Hautfarbe und keine Religion.Bei Gott ist niemand wichtiger oder besser oder wahrer als der andere.Wer das Gegenteil denkt, hat Gott nicht verstanden.Denn: Es ist der eine Gott, der gerecht macht die Juden aus dem Glauben und die Heiden durch den Glauben.

Du musst nicht perfekt sein. Und die anderen auch nicht.Aber zusammen könnt ihr lieben.Zusammen könnt ihr singen und himmlische Musik machen.70 Jahre oder noch länger.Zusammen könnt ihr essen und reden und euch ansehen.Zusammen könnt ihr streiten und versöhnen

__________________________________________________________________________________________ S. 47

Page 48:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

und ringen um das, was die Welt und unser Land braucht. Zusammen könnt ihr euch einsetzen für die, die noch keinen Platz am Tisch haben.Oder im Land. Oder in den Herzen.Alles das geht, weil du nicht perfekt bist.Gott ist es, der dich versöhnt - auch mit dir selber.Es ist das Heil uns kommen her Von Gnad und lauter Güte.Und das ist, was zählt.Amen.

S. 48 ______________________________________________________________________________________________

Page 49:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Gnadenlos – gnädig“Familiengottesdienst zum Reformationsjubiläum

GOTTESDIENST-IDEE

Dieser Gottesdienst-Entwurf nimmt Martin Luthers Entdeckung des „gnädigen Gottes“ auf, die wesentlich für seine theologischen Erkenntnis und seine Bemühungen um die Reform der Kirche wurde.Um den heute in der Alltagssprache ungebräuchlichen Begriff der Gnade in die gottesdienstliche Gegenwart zu holen, setzt dieser Gottesdienstentwurf bei den gegenteiligen Erfahrungen von Gnadenlosigkeit ein, die heute so real sind wie zu Zeiten Martin Luthers. Diesen Erfahrungen der Gnadenlosigkeit werden biblische Bilder des gnädigen Gottes entgegengesetzt, wie sie z.B. in Psalm 103 zu finden sind. Die vergebende Gnade Gottes wird in biblischen Worten und Gebeten zum Ausdruck gebracht und gipfelt in dem Bild der Taufe als rettender Arche. Sie wird aber auch sinnlich erfahrbar in einer Meditation mit einem Stein, der später in einer Tauferinnerung am Taufstein wieder eine Rolle spielt. So können kleine und große Gotteskinder „begreifend“ ahnen, was das große Wort „Gnade“ für sie bedeuten kann. Der Gottesdienst kann mit einem Team vorbereitet und durchgeführt werden. Durch Lieder, Kehrverse und den Umgang mit dem Symbol des Steins können alle Teilnehmenden in das gottesdienstliche Geschehen einbezogen werden.

__________________________________________________________________________________________ S. 49

Page 50:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Gnadenlos – gnädig“Familiengottesdienst zum Reformationsjubiläum

GOTTESDIENST-ABLAUF

VOTUM

BEGRÜSSUNG

LIED

HINFÜHRUNG ZUM THEMA „Gnadenlos- gnädig“

PSALMGEBET nach Psalm 103

LIED

STEINMEDITATION oder GEBET

GNADENSPRUCH

LIED

ANSPIEL „Wem Gnade gebührt“ (www.ekiba.de)

LIED

AUSLEGUNG

AKTION Steine am Taufstein ablegen

Mit Musik

LIED

FÜRBITTEN

VATER UNSER

LIED

SENDUNG UND SEGEN oder SEGEN MIT BEWEGUNG

S. 50 ______________________________________________________________________________________________

Page 51:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Gnadenlos – gnädig“Familiengottesdienst zum Reformationsjubiläum

TEXTE

VOTUM

Liturg(in) Im Namen unseres Gottes sind wir zusammen,im Namen des Vaters, der die Welt und auch Dich und mich geschaffen hatim Namen des Sohnes Jesu Christi, der Gottes Liebe in die Welt getragen hatund im Namen des Heiligen Geistes, der uns in Liebe verbindet und trägt. Amen

HINFÜHRUNG ZUM THEMA

„Gnadenlos- gnädig“

Was gnadenlos ist, das lernen wir in unserer Welt sehr schnell.Gnadenlos sind die Bauchschmerzen von der kleinen Lea. Lea wünscht sich so sehr, dass es nicht mehr weh tut. Aber die Schmerzen hören nicht auf. Gnadenlos ist, wenn Izmir nicht mitspielen darf. Er hat sogar „Bitte“ gesagt, aber die anderen Kinder lassen ihn nicht. Gnadenlos ist, wenn eine Firma nicht mehr genug Geld hat. Dann muss Herr Schmidt sagen: „ Du darfst bei uns nicht mehr arbeiten!“ Und der andere Mann ist verzweifelt. Dabei wollte Herr Schmidt so eine Entscheidung nie treffen müssen.Was gnadenlos ist, das lernen wir in unserer Welt sehr schnell.Wissen wir auch, was gnädig ist?Gnädig ist, wenn mich einer an die Hand nimmt. Der sagt: „Komm, ich helf Dir über die Straße!“ Eigentlich hat er gerade gar keine Zeit dazu. Aber er macht es trotzdem.Gnädig ist, wenn mich jemand verteidigt. Da reden die anderen schlimme Dinge über mich. Und dann gibt es eine, die für mich Partei ergreift. Die sagt den anderen, wie unrecht sie mir tun.Gnädig ist Gott mit uns.Er steht auf unserer Seite gegen alle, die uns anklagen. Wie ein starker Fels im gewaltigen Meeressturm. Nichts kann ihm etwas anhaben.Gnädig ist Gott mit uns. Er sieht unsere Schmerzen und teilt sie mit uns. Er reicht uns die Hand und lässt sie nicht los – auch wenn es im Leben kritisch wird.Gnädig ist Gott mit uns, obwohl wir selbst oft gnadenlos sind. Gott ist gnadenlos gnädig. Können wir begreifen, was das bedeutet?Heute wollen wir erspüren, wie tief die Gnade und Wahrheit Gottes reicht – und welche Freiheit sich darin Bahn bricht für uns.

__________________________________________________________________________________________ S. 51

Page 52:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

PSALMGEBET

nach Psalm 103

Liturg(in) Wir beten das Psalmgebet und bitten Sie und Euch jeweils einzustimmen in den Kehrvers: "Gott, Du bist gnädig, wir staunen über deine große Liebe.“

Liturg(in) Guter Gott,immer wieder staune ich darüber,wie gut Du zu uns bist, dafür will ich Dir danken.

Alle singen Kehrvers „Gott, Du bist gnädig, wir staunen über deine große Liebe.“

Liturg(in) Wenn ich verzweifelt bin, wenn ich andere Menschen traurig mache,dann schenkst Du mir Mut und Hoffnung.

Alle singen Kehrvers „Gott, Du bist gnädig, wir staunen über deine große Liebe.“

Liturg(in) Wenn ich nicht mehr weiterweiß,wenn ich Schlimmes erlebe,dann zeigst Du mir einen Ausweg.

Alle singen Kehrvers „Gott, Du bist gnädig, wir staunen über deine große Liebe.“

Liturg(in) Wenn wir Fehler machen,wenn wir andere enttäuschen und verletzen,hältst Du zu uns.

Alle singen Kehrvers „Gott, Du bist gnädig, wir staunen über deine große Liebe.“

Liturg(in) Du bist ganz nah bei mir,hältst mich fest an deiner Handund bleibst an meiner Seite ein Leben lang.

Alle singen Kehrvers „Gott, Du bist gnädig, wir staunen über deine große Liebe.“

S. 52 ______________________________________________________________________________________________

Page 53:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

STEINMEDITATION UND GEBET

An jedem Platz liegt ein handgroßer Stein bereit.

Liturg(in) Vor euch liegt ein Stein. Nehmt ihn einmal in die Hand. Spürt ihn.…So ein Stein kann uns auf Gedanken bringen,auf Gedanken über uns selbst.Vielleicht sind wir ein Stück weit wie der Stein?… Der Stein fühlt sich kühl an und hart. Manchmal bin auch ich kalt und hart.Ich achte nicht auf andere und stoße sie von mir.…Der Stein hat eine angenehme, eine schön glatte Seite.Manches läuft gut in meinem Leben.Es gelingt mir. Es geht mir leicht von der Hand. …Der Stein wiegt schwer:schwer wie die Sorgen, die ich auf dem Herzen habe, schwer wie das, was mir auf dem Gewissen liegt.…An manchen Stellen glitzert der Stein.Mein Leben ist schön und kostbar.Ich freue mich und manchmal singe ich vor Glück.…Hier und da ist er rau, der Stein.Bin ich manchmal auch rau und grob?…Der Stein ist fest, er ist stabil.Manchmal ist mein Glaube felsenfest.…

Mit all dem kommen wir zu Dir, unser Gott.Mit dem, was uns beschwert, mit dem, was uns freut.Unser Glück bringen wir mit und unsere Sorgen.Unser Vertrauen zu dir und unsere Schuld.Nimm uns an, wie wir sind, mit allem, was wir mitbringen.Nimm uns an und tu uns gut!Amen.

Und nun legen wir den Stein wieder aus der Hand.

__________________________________________________________________________________________ S. 53

Page 54:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

KYRIE-GEBET UND GNADENSPRUCH

Liturg(in) Gnädig ist Gott mit uns. Freundlich legt er seine Arme um uns.Getrost können wir ihm sagen, was uns auf der Seele liegt.Wer mag, kann zum Gebet noch einmal den Stein in die Hand nehmen.

Sprecher(in) 1Guter Gott,Manchmal habe ich Angst, zu kurz zu kommen.Dann nehme ich mir einfach, was ich will.Ich stelle mich in den Mittelpunkt und dränge andere an die Seite.

Sprecher(in) 2Manchmal spüre ich in mir so eine Bosheit.Sie treibt mich an und lässt mich richtig gemein sein.Wenn ich andere verletze, tut mir das meist hinterher leid.

Sprecher(in) 3Manchmal bin ich hart und kalt, weil mir jemand wehgetan hat.Dann lasse ich niemanden an mich heranund stoße andere vor den Kopf.

Sprecher(in) 4Manchmal plagt mich das schlechte Gewissen.Ich wollte jemandem helfen und habe es versäumt.Ich wollte an einen lieben Menschen denken und habe es vergessen.

Sprecher(in) 5Manchmal vergesse ich dich, Gott, im Trubel meiner Tage.Ich wollte beten und komme nicht dazu.Ich will auf dich hören und tue es so selten.

Sprecher(in) 6Gott, wir sagen dir, was uns beschwert. Und wir bitten dich: Befreie uns von unserer Last!Mach uns frei! Lass uns aufatmen!

Liturg(in) Zu Dir rufen wir:Herr, erbarme Dich.

Alle sprechen oder singenKyrie eleison

Liturg(in) Denn aus Gnade seid Ihr gerettet - durch den Glauben.Das verdankt Ihr nicht eurer eigenen Kraft,sondern es ist Gottes Geschenk.(Epheser 2,8 nach der Übersetzung der Basisbibel)

S. 54 ______________________________________________________________________________________________

Page 55:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

AKTION

Steine am Taufstein ablegen

Je nach Größe und Menge der Steine können die Steine im Wasser des Taufbeckens versenkt werden oder auf ein blaues Tuch gelegt werden, das am Boden vor dem Taufstein liegt.

Liturg(in) Was für eine Erleichterung, wenn mir ein Stein vom Herzen fällt!Wie leicht fühle ich mich, wenn mir jemand verzeiht!Wie froh werde ich, wenn wir uns versöhnen können!Was für ein Glück, dass uns Gott unsere Schuld vergibt!

Wir sind getauft. Gott macht uns frei von allem, was unser Leben beschwert.Er macht uns los von dem, was uns herunterzieht.

Darum legt nun eure Steine ab. Bringt die Last zu Gott. Versenkt/ Legt sie ab hier im Wasser auf dem/ beim Taufsteinund lasst Euch durch die Erinnerung an die Taufestärken und ermutigen.

Musik

Alle, die möchten, legen ihren Stein in die Schale/ Schüssel und sind eingeladen, sich mit dem Wasser ein Kreuzzeichen zur Tauferinnerung auf die Hand oder die Stirn zeichnen zu lassen.

Liturg(in) Martin Luther sagte:„Die Taufe ist wie eine Arche, die nie untergehen kann“Auch wenn die Wellen immer wieder hoch schlagen im Leben.Du kannst deine Schuld und deine verfehlte Verantwortung vor Gott tragen und in seiner Taufgnade versinken lassen.Gottes Wort und dein Glaube sind für dich wie ein Rettungsring.

__________________________________________________________________________________________ S. 55

Page 56:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

FÜRBITTEN

mit Kehrvers „Gott sei uns gnädig und erhöre uns“

Liturg(in) Barmherziger Gott, wir danken Dir, dass Du uns immer wieder einen neuen Anfang schenkst,und wir bitten Dich: Für alle kleinen und großen Menschen, dass Sie behütet und begleitet ihre Wege gehen können unter deinem Schutz und Segen.

Alle singen Kehrvers “Gott sei uns gnädig und erhöre uns.“

Liturg(in) Barmherziger Gott , unsere Welt ist verstrickt in Terror, Krieg und Gewalt,wir bitten Dich:Richte unsere Füße auf den Weg deines Friedens,damit Gerechtigkeit und Friede sich ausbreiten.

Alle singen Kehrvers “Gott sei uns gnädig und erhöre uns.“

Liturg(in) Guter Gott, Du bist die Quelle des Lebens, wir bitten Dich für alle Menschen, die sich sehnen nach Geborgenheit und Liebe,die auf der Suche sind nach einer neuen Heimat, nach einem Neubeginn.Schenke Du Mut und Hoffnung.

Alle singen Kehrvers “Gott sei uns gnädig und erhöre uns.“

Liturg(in) Barmherziger Gott,Du willst uns ganz nahe kommen mit deiner Liebe,so bitten wir Dich für alle Menschen, denen das Leben schwer wird,für die Kranken und Sterbenden, die Verzweifelten und Einsamen.Tröste Du Sie mit deiner Nähe.

Alle singen Kehrvers “Gott sei uns gnädig und erhöre uns.“

VATER UNSER

S. 56 ______________________________________________________________________________________________

Page 57:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

SENDUNG UND SEGEN

Liturg(in) Geht mit der Einsicht: Gott ist uns gnädig.Geht mit der Aussicht: Gott begleitet uns auf dem Weg durchs Leben.Geht als begnadete und gesegnete Menschen und teilt von Gottes Segen aus.

So segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.Amen.

SEGEN MIT BEWEGUNG

Der Liturg/ die Liturgin macht zuerst die Bewegungen vor.

Liturg(in) Drei Dinge brauchen wir für diesen Segen:Die Hände über den Kopf des Nachbarn/ der Nachbarin halten.Die Hände auf die Schultern des Nachbarn / der Nachbarin legen.Einander die Hände reichen.

Hände über dem Kopf des Nachbarn / der Nachbarin

Liturg(in) Gott segne uns, er gebe uns Schutz, damit wir keine Angst haben müssen.

Hände auf die Schultern des Nachbarn / der Nachbarin

Liturg(in) Gott schenke uns seine Liebe, damit wir einander helfen können.

Einander die Hand reichen

Liturg(in) Gott gebe uns Mut und gute Ideen, damit wir immer wieder Wege zueinander finden.

So segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott,der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen

__________________________________________________________________________________________ S. 57

Page 58:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Gnadenlos – gnädig“Familiengottesdienst zum Reformationsjubiläum

LIEDER

„Halte zu mir guter Gott“ (KuS 456 / LJ 549 / KG 8 / MKL 52)„Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt“ (EG RT / KuS 398 / LJ 560 / KG 112)„Selig seid Ihr, wenn Ihr einfach lebt“ (EG RT / KG 127 / LJ 608)„Segne uns mit der Weite des Himmels“ (KuS 182 / LJ 416 / KKH 50 / KG 142)„Vertraut den neuen Wegen“ (EG 395 / Kus 432)„Herr, wir bitten, komm und segne uns“ (EG RT / KuS 178 / LJ 392) „Bewahre uns, Gott“ (EG 171/ KuS 174 / LJ 117 / KG 213)„Wo Menschen sich vergessen“ (Kus 506 / MKL 2 132)„Wir sind eingeladen zum Leben“ (KuS 185 / MKL2 126 / KG 205)„Ein jeder kann kommen“ (KuS 192 / LJ 512 / MKL2 28)„Kindermutmachlied“ (KuS 470 / LJ 624 / MKL 100 / KG 150)„Gottes Liebe ist wie die Sonne“ (KuS 404 / LJ 539 / MKL 57 / KG 153)„Vater Unser“ (Kus 240)

LiederbücherKus Kommt und singtEG RT Evangelisches Gesangbuch RegionalteilLJ Liederbuch für die JugendKG KindergesangbuchMKL 1+2 Menschenskinderlieder

S. 58 ______________________________________________________________________________________________

Page 59:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Reformation der Kirche und des Herzens“Predigt zum Reformationsjubiläum unter Bezugnahme auf Römer 3,22-24.28

2017 ist ein besonderes Gedenkjahr. Es erinnert an 500 Jahre Reformation. Einer der bekanntesten Vertreter dieser christlichen Erneuerungsbewegung war Martin Luther. 1517 veröffentlichte er 95 Thesen. Darin forderte er von der Kirche die Abschaffung des Ablasshandels. Er verwarf ihn als ein betrügerisches Geschäft mit der Angst. Worum es dabei ging, dazu werde ich später noch etwas sagen.

Bereits lange vor Luther hatten engagierte Christen eine Reformation der Kirche gefordert: Die durch schlimme Fehlentwicklungen deformierte Kirche sollte reformiert werden. Sie sollte zurückgeführt werden zu einer Form, die ihrem biblischen Auftrag entsprach. Dem äußeren Augenschein nach war die Kirche im Spätmittelalter eine starke Institution. Reich war sie an Besitz und politischem Einfluss. Doch hinter ihrer glänzenden Fassade sah es vielfach schlimm aus. Menschen, denen das Wohl ihrer Kirche am Herzen lag, wollten dazu nicht länger schweigen. Sie warfen ihr Machtgier vor, Prunksucht, eine schlechte Ausbildung ihrer Priester, den oft luxuriösen Lebensstil ihrer Führer und die Vernachlässigung ihrer Kernaufgaben. Statt Paläste zu bauen, Ämter zu verschachern, hohe Abgaben zu fordern und eine oftmals abergläubische Heiligen- und Reliquienverehrung zu fördern, sollte sie in apostolischer Armut leben, Gottes Wort verkündigen, Seelsorge treiben und sich um Notleidende kümmern. Wer damals in dieser Weise kirchliche Reformen forderte, riskierte buchstäblich Kopf und Kragen. Er wurde bedroht, verfolgt oder gar getötet.

In dieser dunklen Epoche der Kirchengeschichte wurde 1483 in Eisleben Martin Luther geboren. Als junger Mann durchlitt er einen für ihn ganz persönlich dunklen Lebensabschnitt. Mit vielen anderen Menschen teilte er eine tiefe Sehnsucht: Er wollte von Gott geliebt werden. Von ganzem Herzen wünschte er sich, einmal in den Himmel zu kommen. Aber er fürchtete sich auch vor Gottes Zorn. Musste er als sündiger Mensch nicht damit rechnen, am Ende in der Hölle zu landen? Was konnte er tun, um diesem Schicksal zu entgehen? Schließlich entschied er sich dafür, sein Leben ganz und gar Gott zu weihen. In dieser Absicht gab er sein Jurastudium auf und ging ins Kloster. Er vollzog diesen Schritt gegen den Willen seines Vaters. Dieser zu Wohlstand gelangte ehemalige Bergmann hatte sich die Karriere seines Sohnes ganz anders vorgestellt. Statt weiterhin den Beruf eines gut verdienenden Rechtsanwalts anzustreben, wurde Martin Luther Mönch. Demütig unterwarf er sich den strengen Regeln seines Ordens. Ja, er versuchte sogar noch, sie durch zusätzliche geistliche Übungen zu übertreffen. Doch je länger er sich damit abmühte, Gott zu gefallen, desto deutlicher wurde ihm: "Ich schaffe das beim besten Willen nicht. Nie wird es mir gelingen, immer und überall

__________________________________________________________________________________________ S. 59

Page 60:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

nach Gottes Willen zu leben. Ständig übertrete ich seine Gebote. Tag für Tag denke, rede und handle ich so, dass Gott mich dafür zutiefst ablehnen, hassen und verurteilen muss." Angesichts solcher Anfechtungen fiel Luther in die Dunkelheit einer abgrundtiefen Verzweiflung. Sie klingt an in einer von ihm vor 500 Jahren gedichteten Liedstrophe. Lassen sie uns seinen an Gott gerichteten Hilferuf gemeinsam singen: "Aus tiefer Not schrei ich zu Dir." EG 299,1

"Wie kann ich sündiger Mensch vor Gott bestehen?" So lautete die Luther zutiefst bewegende Frage. Die Suche nach einer überzeugenden Antwort bereitete ihm große Not. Zwischenzeitlich wurde er zum Priester geweiht. Auf Weisung seiner Ordensleitung studierte er in Wittenberg Theologie.

Nachdem er den Doktorgrad erworben hatte, wurde er schließlich Professor für Bibelauslegung. Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit beschäftigte er sich intensiv mit dem Römerbrief. Seine dabei gemachten Entdeckungen gipfeln in folgenden Sätzen des Apostels Paulus:

(22) Gott spricht jeden von seiner Schuld frei und nimmt jeden an, der an Jesus Christus glaubt. Nur diese Gerechtigkeit lässt Gott gelten. Denn darin sind alle Menschen gleich: (23) Sie sind alle miteinander Sünder und haben nichts aufzuweisen, was Gott gefallen könnte. (24) Doch was keiner sich verdienen kann, schenkt Gott aus seiner Gnade heraus, weil Jesus Christus uns erlöst hat. (28) Also steht fest: Gott spricht mich nicht wegen meiner guten Taten von meiner Schuld frei, sondern allein auf Grund meines Glaubens.

(Römer 3 i. A.)

Ganz schön kompliziert, was der Apostel Paulus hier in ein paar Sätze hineingepackt hat. Selbst ein hochgebildeter Theologieprofessor wie Martin Luther hat eine ganz Weile gebraucht, bis ihm klar wurde, was in diesen wenigen Bibelversen tatsächlich drinsteckt. Wieder und wieder hatte er sie gelesen, über sie nachgedacht und sie mit anderen Aussagen der Heiligen Schrift verglichen. Am Ende seines gründlichen Bibelstudiums stand die Erkenntnis: Wir alle haben Gott gegenüber Schuld auf uns geladen. Das trennt uns von ihm. Diese Trennung kann kein Mensch aus eigener Kraft überwinden. Aber Gott kann es und tut es. Er vergibt uns unsere Schuld. So schenkt er uns einen totalen Neuanfang. Was kein Mensch sich durch gute Taten verdienen kann, das verschenkt Gott allein aus Gnade. Dazu ist er in seinem Sohn Mensch geworden, damit wir durch ihn erlöst werden. Nun gilt: Wer Jesus vertraut, wird den Tod überwinden und auferstehen zum ewigen Leben.

"Ich fühle mich wie neu geboren". So sagen wir manchmal, wenn wir eine schwere Krise überstanden haben. Ähnlich mag auch Martin Luther empfunden haben, als er seine

S. 60 ______________________________________________________________________________________________

Page 61:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

quälenden Zweifel überwunden hatte. Mit neuer Glaubensgewissheit beschenkt, konnte er endlich wieder befreit durchatmen. Freude und Dankbarkeit über das Geschenk der befreienden Gnade Gottes. Darum geht es auch in einem Lied, das ich Ihnen mitgebracht habe. Die Urfassung dazu schrieb der kürzlich verstorbene Leonard Cohen. Von dem amerikanischen Singer-Songwriter Lincoln Brewster stammt die auf Ihrem Liedblatt abgedruckte Bearbeitung. Ins Deutsche übertragen, lässt sich der Text von "Another Halleluja" etwa wie folgt wiedergeben:

Ich liebe dich, o Herr, von ganzem Herzen. Du hast mir einen totalen Neuanfang geschenkt.Darum möchte ich dieses Lied für dich singen.Es geht ungefähr so: Die Quart, die Quint, abwärts in Moll, aufwärts in Dur.Mein Herz und meine Seele jubilieren: Halleluja.

Ich weiß, dass du der Gott im Himmel bist.Du sättigst mich mit Gnade und Liebe.Dafür möchte ich Dir nun Dankeschön sagen.Du hast mich aus dem Dreck gezogenund mir einen brandneuen Tag geschenkt.Nun ist alles, was ich noch sagen kann: Halleluja.

Lied: "Another Halleluja"

Halleluja! Lobet den Herrn! - Wo Gott einem Menschen seine Schuld vergibt, da wird ein totaler Neuanfang möglich. Da kann man eigentlich nichts anderes mehr sagen als "Danke!" So mag es auch Martin Luther empfunden haben, als er entdeckt hatte: "Gott verdammt mich nicht, sondern er spricht mich frei. Er zieht mich heraus aus dem Dreck meiner Sünde und Schuld. Er befreit mich zu neuem Leben. Und das völlig ohne Gegenleistung! Allein aus Gnade! Auch für mich ganz persönlich ist Jesus am Kreuz gestorben. Im Vertrauen auf ihn kann mich nichts mehr trennen von der Liebe Gottes."

Luther war über seiner intensiven Beschäftigung mit der Bibel glaubensmäßig ein neuer Mensch geworden. Er hatte eine innere Wende erlebt, eine ganz persönliche "Reformation des Herzens." Über dieser Entwicklung hatte er aber auch eine sehr kritische Sicht auf die Kirche gewonnen. Deutlicher als zuvor nahm er ihre schlimmen Deformationen wahr. Vor allem empörte ihn, wie sie damals mit der Sehnsucht der Menschen nach Heilsgewissheit umging. Er kannte ja diese Sehnsucht aus eigener Erfahrung. So wie zuvor er selbst, so

__________________________________________________________________________________________ S. 61

Page 62:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

suchten viele seiner Zeitgenossen nach Wegen, es Gott recht zu machen. Sie mühten sich ab, seine Gebote einzuhalten. Sie gingen zur Messe, gaben Almosen und machten Wallfahrten. Dennoch wussten sie auch um ihr tägliches Versagen und Scheitern. Ihnen war klar: "Ohne die Vergebung unserer Sünden gibt es keine Gemeinschaft mit Gott." Darum gingen sie zur Beichte und nahmen schwere Bußleistungen auf sich. So hofften sie, Gottes Zorn zu besänftigen. Dennoch blieben Zweifel: "Habe ich wirklich genug getan, um Gottes Vergebung zu erlangen?" Groß war die Furcht vor qualvollen Strafen im höllischen Fegefeuer. Ihre Dauer würde von der Zahl und Schwere der begangenen Sünden abhängen. So stellte man sich das damals vor. Aus dieser Angst vieler Menschen schlug die Kirche in schamloser Weise Kapital. Gegen Geld verkaufte sie den Gläubigen sogenannte Ablassbriefe. In diesen garantierte sie ihnen eine Verkürzung ihrer Höllenqualen.

Das war für Martin Luther nicht länger hinnehmbar. In seinen 95 Thesen forderte er 1517 die Abschaffung des Ablasshandels mit der Begründung: "Gott ist nicht käuflich. Darum ist Sündenvergebung weder für Geld noch für irgendeine andere menschliche Gegenleistung zu haben. Stattdessen empfängt ein reuiger Sünder sie als Geschenk. Das verdankt er einzig und allein der Gnade Gottes."

Luthers Thesen und weitere von ihm verfasste theologische Schriften breiteten sich in Windeseile aus. Dazu trug wesentlich die damals gerade erfundene Technik des Buchdrucks bei. Mit seiner Kritik geriet Luther zunehmend in Konflikt zur Amtskirche. Sie forderte von ihm, seine Lehren zu widerrufen. Das verweigerte er. Daraufhin wurde er vom Papst aus der Kirche ausgeschlossen. Dennoch kämpften er und seine Anhänger weiter für eine umfassende Erneuerung der Kirche.

Grundlage der reformatorischen Lehre war die Bibel. Luther verstand sie als Offenbarung und Selbstmitteilung Gottes. Jeder sollte sie lesen können. Das war jedoch unmöglich, weil damals in der Kirche nur eine lateinische Bibelübersetzung verwendet wurde. Wer aber konnte Latein, außer einigen studierten Leuten? Und so übersetzte Luther die Bibel direkt aus der hebräischen bzw. griechischen Ursprache ins Deutsche. Die Lutherbibel wurde ein "Bestseller". Sie hat in der Folgezeit die Entstehung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache nachhaltig beeinflusst.

Immer größer wurde die Zahl derer, die durch Luther einen neuen Zugang zum Glauben fanden. Und das war es, was sie am Reformator begeisterte: Seine Lehre von der rettenden Gnade Gottes, sein Eintreten für das Priestertum aller Getauften, sein Verständnis von der Freiheit eines Christenmenschen, seine Reformen im Blick auf Gottesdienst, Gemeindeleitung und Unterricht. Weil sich die Anhänger der Reformation in Glaubensdingen immer auf das Evangelium beriefen, nannte man sie allgemein "die Evangelischen". Nachdem der römischen

S. 62 ______________________________________________________________________________________________

Page 63:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Kirche viele Gläubige davongelaufen waren, kam es auch bei ihr allmählich zu längst überfälligen Kurskorrekturen. Die aus der römischen Kirche ausgeschlossenen evangelischen Christen gründeten währenddessen eigene Kirchen. 500 Jahre sind vergangen seit der Veröffentlichung der 95 Thesen Luthers. Das liegt weit zurück. Ist damit Reformation ein alter Hut oder ist sie immer noch aktuell ...?

Für mich ist Reformation heute genauso wichtig wie vor 500 Jahren. Auch in unserer Zeit kommen Menschen ins Zweifeln. Sie geraten auf Abwege und wissen nicht, wie sie mit Gott wieder ins Reine kommen können. In solchen Fällen brauchen sie dringend eine innere Erneuerung, eine jeweils ganz persönliche "Reformation ihres Herzens".

Auch die Kirche als Ganzes hat nie aufgehört, sich zu irren und Fehler zu machen. Immer wieder läuft sie z. B. Gefahr, sich selbst wichtiger zu nehmen als ihren Auftrag. Wen wundert's?! Schließlich wird sie ja geprägt und gestaltet von schwachen und fehlbaren Menschen wie Du und ich. Deshalb brauchen unsere Kirche und mit ihr jeder und jede von uns gelegentlich eine Reformation. Sie ereignet sich da, wo wir als einzelne Christen oder als Glaubensgemeinschaft dem Bußruf Jesu folgen: Kehrt um und glaubt an das Evangelium. (Mk 1,15)

Gottes Gnade befreit. Wie sich das "anfühlt", davon spricht in bildhafter Weise das Lied "Wie das Licht nach der Nacht". Es ist eine deutsches Fassung des Gospelsongs "Amazing Grace". Lassen Sie es uns gemeinsam singen.

Lieder außerhalb des EG:

"Wie das Licht nach der Nacht" (Dt. Version von Amazing Grace) https://de.scribd.com/doc/17142964/Wie-das-Licht-nach-der-Nacht-Amazing-Grace

"Another Halleluja" von Lincoln Brewster (gottesdiensttaugliche Kontrafaktur zu dem Lied "Halleluja" von Leonhard Cohen)

https://www.youtube.com/watch?v=0HSYxDTWUVw

__________________________________________________________________________________________ S. 63

Page 64:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

„Ein feste Burg ist unser Gott“Predigt zur Kantate BWV 80 von Johann Sebastian Bach

1. Chor Ein feste Burg ist unser Gott, Ein gute Wehr und Waffen; Er hilft uns frei aus aller Not, Die uns itzt hat betroffen. Der alte böse Feind, Mit Ernst er`s jetzt meint, Groß Macht und viel List Sein grausam Rüstung ist, Auf Erd ist nichts seinsgleichen.

2. Arie Bass und Choral Sopran Alles, was von Gott geboren, Ist zum Siegen auserkoren. Mit unserer Macht ist nichts getan, Wir sind gar bald verloren. Es streit`vor uns der rechte Mann, Den Gott selbst hat erkoren. Wer bei Christi Blutpanier In der Taufe Treu geschworen, Siegt im Geiste für und für. Fragst du, wer er ist? Er heißt Jesu Christ, Der Herre Zebaoth, Und ist kein andrer Gott, Das Feld muss er behalten. Alles, was von Gott geboren, Ist zum Siegen auserkoren.

3. Rezitativ Bass Erwäge doch, Kind Gottes, die so große Liebe, Da Jesus sich Mit seinem Blute dir verschriebe,

S. 64 ______________________________________________________________________________________________

Page 65:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Wormit er dich Zum Kriege wider Satans Heer und wider Welt und Sünde Geworben hat! Gib nicht in deiner Seele Dem Satan und den Lastern statt! Lass nicht dein Herz, Den Himmel Gottes auf der Erden, Zur Wüste werden! Bereue deine Schuld mit Schmerz, Dass Christi Geist mit dir sich fest verbinde!

4. Arie Sopran Komm in mein Herzenshaus, Herr Jesu, mein Verlangen! Treib Welt und Satan aus Und lass dein Bild in mir erneuert prangen! Weg, schnöder Sündengraus!

PREDIGT - Teil 1

Liebe Schwestern und Brüder,

In den letzten Jahren war ich immer wieder mal im Urlaub in Südschweden. Dort gibt es weite Landschaften, die dünn besiedelt sind. Wälder wo weit das Auge blicken kann. Seen, in denen sich ein klarer Himmel mit seinen Wolken spiegelt. Runde Felsen, die von der Sonne erwärmt werden. Oft in dieser Landschaft dann, wie hinein gemalt, einsam gelegene, meist rot gestrichene Holzhäuser, manchmal noch ganz besonders idyllisch neben einer Baumgruppe am See gelegen. Wenn ich dort so unterwegs bin, dann überkommt mich immer wieder eine Fantasie: Ich könnte doch mit meiner Frau zusammen alles hinter mir lassen und nach Skandinavien auswandern, uns ein solches Holzhäuschen kaufen und dort ein ruhiges, zurückgezogenes und gemütliches Leben führen: Am Vormittag etwas arbeiten, um Geld zu verdienen, und am Nachmittag dann in der Sonne vor dem Haus sitzen, oder Baden gehen, oder ein bisschen Holz hacken. Ich könnte doch alles hinter mir lassen und dem ganzen Stress, der Hektik und Unruhe meines Alltags entfliehen und dort in Schweden mein Paradies suchen. Mir mit einem so idyllischen Häuschen meine ganz persönliche Burg bauen, aus der all die Probleme dieser Welt ausgesperrt sind, in der ich mich nicht mehr beschäftigen muss mit Krisen, Konflikten und Konfrontationen. Ich könnte einfach aussteigen und weit weg gehen und diese böse Welt hinter mir lassen.

__________________________________________________________________________________________ S. 65

Page 66:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Von einem Rückzugsort ist auch die Rede in dem Choral Martin Luthers "Ein feste Burg ist unser Gott", den dann Johann Sebastian Bach zur Grundlage seiner Kantate gemacht hat. Eine Burg, ein Rückzugsort, an dem man verschont bleibt von allem, was das Leben anficht, von allem, was Mühe macht, von allem, was bedrohlich ist und Angst macht. Ein Ort, an dem wir geschützt sind vor diesem "alten bösen Feind", der uns mit "groß Macht und viel List" nach dem Leben trachtet und uns Glück und Frieden, Erfüllung und Freude nimmt.

Aber je länger ich über Luthers Choral und Bachs Kantate nachgedacht habe, desto deutlicher ist mir geworden: Luther und Bach haben etwas ganz anderes im Sinn als ich mit meiner Fantasie vom idyllischen Rückzugsort in Skandinavien. Ich will versuchen, Ihnen die Unterschiede zu erläutern.

Ein erster Unterschied: Die Burg, von der Luther singt und die Bach mit seiner Musik ausmalt, liegt nicht irgendwo an einem besonderen Ort in dieser Welt. Dieser Rückzugsort liegt nicht auf einem hohen Felsen oder auf einer Insel in einem See und auch nicht in einer idyllischen Landschaft, sondern diese Burg liegt in uns; in biblischer Sprache gesprochen: in unserem Herzen. Und zwar genauer: Diese Burg liegt in unserem Herzen, wenn unser Herz von dem Vertrauen durchdrungen ist, dass wir mit Gott verbunden sind und uns nichts trennen kann von Gott; dass Gott uns trägt und mit uns ist und er uns nie im Stich lässt. Wenn wir das glauben können, dann sind wir geboren in Gott, dann ist Gott unsere feste Burg, dann wissen wir uns sicher, was auch um uns herum geschehen mag. Dann klingt in uns die Melodie, die singt: "Und wenn die Welt voll Teufel wär / und wollten und verschlingen, / so fürchten wir uns nicht so sehr, / es soll uns doch gelingen." Dann können wir mutig sein wie Jan Hus, als er sich hierher nach Konstanz zum Konzil aufmachte, oder wie Martin Luther, als er bereit war, nach Worms zu gehen.

Und weil diese Burg in uns liegt, in unserem Herzen, ist der Weg zu dieser Burg, zu diesem Rückzugsort, nun nicht dadurch zu finden, dass wir uns äußerlich an einen anderen Ort bewegen, sondern dadurch, dass wir hineinfinden in dieses Vertrauen auf Gott. Der Weg zur Burg Gottes geht also nach innen.

Damit ist ein zweiter Unterschied gegeben: Diese Burg, die Gott in unserem Herzen darstellt, ist nicht einfach ein Ort, den man aufsucht und dann ist alles gut. Diese Burg, die Gott in unserem Herzen sein kann, gehört mir nicht, steht mir nicht einfach zur Verfügung, sie muss immer wieder neu gefunden werden. Denn in unserem Herzen geht uns dieses Vertrauen auf Gott immer wieder verloren, der Weg zu dieser Burg verliert sich in den Auseinandersetzungen des Alltags, der Blick auf die Burg vernebelt sich in der Geschäftigkeit. Der alt böse Feind ist nämlich nicht nur außen und macht mir und anderen das Leben schwer. Er ist auch in mir uns lässt mich zweifeln daran, dass Gott da ist und mich trägt. Ein Häuschen in Schweden, das kann ich mir kaufen - wenn ich genug Geld habe - und dann gehört es mir.

S. 66 ______________________________________________________________________________________________

Page 67:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

Und dahin kann ich dann jederzeit fahren. Die Burg Gottes in meinem Herzen gehört mir nicht, die geht mir immer wieder verloren.

Und weil diese Burg in meinem Herzen mir nicht einfach gehört und mir nicht einfach zur Verfügung steht, brauche ich Hilfe, um zu dieser Burg immer wieder zurückzufinden.

Eine solche Hilfe wollen Choral und Kantate sein. Denn ihr Ziel ist es, durch Worte und Musik das Vertrauen auf Gott in uns aufzubauen und uns zu stärken und uns so Zugang zu verschaffen zu dieser Burg, die Gott ist. Der Choral und die Kantate wollen uns hineinführen in diese Burg, in der uns nichts mehr umhauen kann, weil wir in Gott gegründet sind.

Beide benutzen dazu das Medium der Musik. Denn seit altersher haben Menschen die Erfahrung gemacht, dass die Musik uns innere Räume aufschließen kann und uns zurückführen kann zu Gewissheit und Vertrauen. Und manchmal finden wir den Weg zu der Burg in unserem Herzen ja einfach dadurch, dass wir von ihr singen. Das gemeinsame Singen ist dabei noch wirkungsvoller, weil wir uns dabei vertrauen und Gewissheit gegenseitig zusingen.

Choral und Kantate benutzen aber nicht nur die Musik, sondern auch das Wort. Sie erzählen davon, wie Gott seine Burg errichtet, wie er Grund gelegt hat für das Vertrauen auf ihn, das allen Anfeindungen trotzen kann. Uns wird erzählt von Jesus Christus. Er ist das Fundament der Burg Gottes. Denn an ihm können wir sehen, dass Gott treu zu uns Menschen steht, dass nicht einmal das Schlimmste, das uns passieren kann, nicht einmal der Tod uns wirklich trennen kann von Gott. Jesus Christus ist der Bürge dafür, dass Gott uns nicht im Stich lässt. An seinem Geschick können wir ablesen, dass es zwar so aussehen mag, dass der böse Feind über uns siegt, dass die Mächte der Zerstörung und des Todes in dieser Welt siegen, - dass es aber eben nur vorläufig so aussieht. An Jesus Christus können wir erkennen, dass am Ende Gott sich als stärker erweist, dass sein Kräfte des Guten, der Treue, der Liebe und Barmherzigkeit sich am Ende durchsetzen. Dass Gott am Ende dem Leben zum Sieg über den Tod verhilft. Jesus Christus ist darum "der rechte Mann, den Gott selbst hat erkoren", den Gott ausgewählt hat und an dem zu erkennen ist, dass Gott das "Feld behalten" muss, dass "alles, was von Gott geboren, (...) zum Siegen auserkoren" ist, dass alle, die mit Gott verbunden sind - was durch die Taufe zum Ausdruck kommt - am Sieg Jesu Christi Anteil haben.

Und damit sind wir beim dritten Unterschied zwischen meiner Fantasie vom idyllischen Rückzugsort in Skandinavien und der Burg, die Gott darstellt. Meine Fantasie will mich herausholen aus allen Kämpfen und Auseinandersetzungen, aus allem Streit und allen Mühen. Sie träumt davon, allem Streit und Kampf zu entkommen. Luthers Choral und Bachs Kantate dagegen stellen mich mitten hinein in die Kämpfe dieser Welt. Das spiegelt sich schon in der zum Teil recht kämpferischen Musik. Sie verheißen mir einen Frieden, der nicht von dieser Welt ist, der aber inmitten dieser Welt, inmitten von Streit und Auseinandersetzung erlebt

__________________________________________________________________________________________ S. 67

Page 68:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

wird. Luthers Choral und Bachs Kantate träumen nicht vom Rückzug, vom Aussteigen, von der Flucht, sondern ermutigen zum Kämpfen, zum Standhalten, zum Engagement, zum Eintreten für die rechte Sache.

Bevor ich mit Ihnen weiter auslote, was das in unserem Leben bedeuten kann, lassen wir uns ermutigen durch Bachs Vertonung des Luther-Chorals in Teil 5 der Kantate.

5. Chor Und wenn die Welt voll Teufel wär Und wollten und verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, Es soll uns doch gelingen., Der Fürst dieser Welt, Wie saur er sich stellt, Tut er uns doch nicht, Das macht, er ist gericht, Ein Wörtlein kann ihn fällen.

Predigt - Teil 2

Liebe Schwester und Brüder,

Die Burg in meinem Herzen - ich habe sie nicht, sie gehört mir nicht. Gott - ich kann nicht über ihn verfügen. Aber ich kann darauf vertrauen und hoffen, dass Gott immer wieder da ist, dass er mich nicht im Stich lässt, dass er mich festhält auch noch im Schlimmsten was mir gescheht - so wie er Jesus Christus auch im Tod nicht losgelassen hat. Und wo dieses Vertrauen mich erfüllt, da ist auf einmal die Burg in meinem Herzen wieder da.

Wenn ich mich so verstehe, dann folgt daraus zunächst einmal, dass ich akzeptiere, dass der Normalzustand meines Lebens nicht die Idylle, nicht eine friedliche, gemütliche Existenz mit heiterem Herzen ist, sondern dass der Normalzustand Arbeit und Mühe, Auseinandersetzung und Konflikt, Kampf und Streit ist. Aber dass gerade mitten in diesem unruhigen Leben Gott immer wieder eine Burg in mir errichtet, in der ich Frieden und Ruhe erlebe.

Wenn ich mich so verstehe, dann folgt daraus, dass ich nicht an mich den Anspruch stelle, der ausgeglichene Mensch zu sein, der immer mit allem zurechtkommt, der immer voll Geduld und Zuversicht erfüllt ist, in allem immer voll Gelassenheit und Zufriedenheit. Nein,

S. 68 ______________________________________________________________________________________________

Page 69:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

ich weiß darum, dass das Leben mich hin und her wirft, dass ich nicht immer so bin, wie ich eigentlich sein möchte, dass eine innere Zerrissenheit zu mir gehört. Dass ich aber in all dieser Zerrissenheit immer wieder Hoffnung habe, weil Gott mich nicht im Stich lässt. Mein Glaube und mein Vertrauen mögen zerbröckeln, aber Gott hält an mir fest. Das ist die Burg in mir.

Und wenn ich mich so verstehe, dann folgt daraus auch, dass ich mich nicht zurückziehe aus den Kämpfen und Auseinandersetzungen dieser Welt, sondern dass ich mich einmische, dass ich mich engagiere und eintrete dafür, dass Gottes Reich in dieser Welt mehr Raum findet, dass Frieden, Nächstenliebe, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Vertrauen auf Gott, Hilfsbereitschaft, Achtung und Respekt stärker werden unter uns und die Schöpfung bewahrt wird. Ich werde nicht an allen Ecken engagiert sein können, ich werde nicht alle Kämpfe kämpfen können. Aber an der Stelle, an die ich gestellt bin, werde ich versuchen den Mächten von Unheil, Unfrieden, Zweifeln, Hoffnungslosigkeit zu widerstehen. Das mag für den einen bedeuten, sich um die kranken Eltern zu kümmern. Das mag für die andere bedeuten, sich für die Begleitung von Flüchtlingen zu engagieren. Das mag für den dritten bedeuten, im Kindergottesdienst mitzuarbeiten, um so der nächsten Generation den Glauben weiterzugeben. Unsere Gaben und Begabungen sind verschieden, und die Situationen, in die wir gestellt sind, auch. Aber in unserer Situation mit unseren Gaben einzutreten für Gott und das Gute, dazu sind wir alle berufen. Eintreten für Gott und das Gute, das heißt: mithelfen, dass für andere Menschen schützende Burgen gebaut werden - in ihrem Inneren, in dem in ihnen das Vertrauen auf Gott gestärkt wird, aber auch ganz praktisch in ihrem Äußeren, indem sie in schwierigen Zeiten Beistand und Hilfe erfahren. Und deshalb freue ich mich so sehr darüber, dass sich in unserem Land so viele Menschen für Flüchtlinge und andere in Not einsetzen. Darin kommt etwas zum Ausdruck vom Geist der Reformation. Denn es geht in der Reformation nicht nur um unsere eigene innere Burg, sondern auch darum anderen schützende Burgen zu bauen.

Denn das, liebe Gemeinde, macht evangelische Identität aus - und hier evangelisch nicht konfessionell und antikatholisch, sondern im Sinne von christlich gemeint. Evangelische Identität heißt: Darum wissen, darauf hoffen, daran festhalten, daran sich klammern, dass wir untrennbar mit Gott verbunden sind, und dass uns darum letztlich nichts etwas anhaben kann in all den Kämpfen dieser Welt. Und darum frei dazu sein, uns einzusetzen für Gott und für das Gute in dieser Welt, auch wenn es uns etwas kosten mag.

Jan Hus - der 1415 in Konstanz wegen seines reformatorischen Engagements verbrannt wurde, hat das vorgelebt - Martin Luther ein Jahrhundert später auch. Sie und viele andere gehören zu unserem protestantischen Erbe. Es ist dieses Vertrauen, das uns nichts letztlich wirklich trennen kann von Gott, dass uns nichts letztlich das Leben in Gott wirklich nehmen

__________________________________________________________________________________________ S. 69

Page 70:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

kann, das Menschen wie diese beiden, dass Menschen wie uns - vielleicht nicht ganz so sicher wie diese beiden, aber dennoch auch uns - singen lässt: Nehmen sie uns den Leib, / Gut, Ehr, Kind und Weib, / Lass fahren dahin, / Sie habens kein` Gewinn; / Das Reich muss uns doch bleiben.

Ja, das Reich muss uns doch bleiben. Das ist die feste Burg Gottes in unserem Herzen.

6. Rezitativ Tenor So stehe dann bei Christi blutgefärbten Fahne, O Seele, fest Und glaube, dass dein Haupt dich nicht verlässt, Ja, dass dein Sieg Auch dir den Weg zu deiner Krone bahne! Tritt freudig an den Krieg! Wirst du nur Gottes Wort So hören als bewahren, So wird der Feind gezwungen auszufahren, Dein Heiland bleibt dein Hort!

7. Arie Alt, Tenor Wie selig sind doch die, die Gott um Munde tragen, Doch selger ist das Herz, das ihn im Glauben trägt! Es bleibet unbesiegt und kann die Feinde schlagen Und wird zuletzt gekrönt, wenn es den Tod erlegt.

8. Chor Das Wort sie sollen lassen stahn Und kein` Dank dazu haben. Er ist bei uns wohl auf dem Plan Mit seinem Geist und Gaben. Nehmen sie uns den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib, Lass fahren dahin, Sie habens kein` Gewinn; Das Reich muss uns doch bleiben.

S. 70 ______________________________________________________________________________________________

Page 71:  · Web viewDas Lied überträgt den häufig vertonten 6. der altkirchlichen Bußpsalmen in ein Strophenlied und interpretiert seine Aussagen mithilfe paulinischer Theologie. Dabei

__________________________________________________________________________________________ S. 71