WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

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Michael von Brück, anerkannter Vermittler des Buddhismus, sammelt und erschließt zentrale Sutra-Texte. Dabei werden prägnant die Grundlagen buddhistischer Spiritualität vorgestellt. Diese erschließen sich als ein "großer Weg" der Befreiung von Leiden und der Erleuchtung, der zu Vollkommenheit und Erbarmen führt."Ich hoffe, dass dieses Buch, das Michael von Brück herausgegeben hat, zu einem besseren Verständnis zwischen Buddhisten und Menschen anderer Religionen, ganz besonders Christen, beitragen wird."Tenzin Gyatso, XIV. Dalai Lama

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  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

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    Herausgeber dieser Reihe M ichae l rd e n

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    2/253

    D L I

    L M

    M I C H E l V O N B R f i a

    W E I S H E I T

    D E R L E E R E

    WILHELM HEYNE VERL G

    MN HEN

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

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    H E Y N E

    E S O T E R IS C H E SW I S S E N

    08/9614

    i b i i ohek

    Copyright

    1989 by BenzigerVerlag

    A G , Zrich

    Genehmigte Taschenbuchausgabe

    erschienenimWilhelm

    Heyne

    Verlag, Mlmchen

    PrintedinGermany

    1992

    Umschlaggestaltung:

    AtelierAdolfBachmann,

    Reischach

    Umschlagillustration:actionpress,Hamburg

    Satz:

    Layout Grafik

    1000,

    Mnchen

    DruckundBindung:

    Presse-Druck

    Augsburg

    ISBN

    3-453-06093-8

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    D ie

    bersetzungen derOriginaltexte

    stammen

    von

    Margareta

    von Borsig, Heinz Braun,

    Michaelvon Brck, Torakazu Doi

    und

    Jampa

    Panglung.

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    Inhalt

    V o r w o r t

    v o n

    T e n z i n

    G y a t s o , dem XIV. D a l a i L a m a :

    D a s Wesen des Mahyn a-Buddhis mus 11

    E i n l e i t u n g

    33

    TeilI GlubigeVerehrung 51

    A u s

    dem Lotos -Stra

    52

    bersetzt von

    Margareta

    von Borsig

    Einfhrung 52

    1 . G l e i c h n i s v o n den Krutern ( K a p i t e l 5 )

    6 9

    Erluterungen 69

    Text 71

    2.

    B o d h i s a t t v a

    Sadparibhta

    ( K a p i t e l 2 0 )

    80

    Erluterungen 80

    Text 82

    TeilII MeditativerWeg 89

    A u s dem Avatarn s aka-Stra 90

    bersetzt vonTorakazuDo i

    Einfhrung 90

    1 . V e r h e r r l i c h u n g

    des

    B u d d h a 100

    Erluterungen 100

    Text

    101

    6

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    2. S e l b s t a u f g a b e 128

    Erluterungen 128

    Text

    130

    3 .

    H e r r l i c h k e i t

    un d

    L e e r e

    144

    Erluterungen 144

    Text

    145

    4 . D e r B u d d h a als u n i v e r s a l e r Knig

    d e r B a r m h e r z i g k e i t 154

    Erluterungen 154

    Text

    155

    Teil

    III Erwachenzur

    Weisheit

    177

    A u s

    dem Prajn pramit-Stra

    178

    bersetzt von

    HeinzBraun

    Herz-Stra 178

    bersetzt von Michael von Brck

    Einfhrung

    1 .

    Prajnpramit-Stra:

    D e r

    E r l e u c h t u n g s g e d a n k e

    ( K a p i t e l

    2)

    187

    Erluterungen 187

    Text

    188

    2.H erz-Stra: D i e W e i s h e i t der L e e r e 206

    Erluterungen 206

    Text

    210

    7

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    TeilIV Bewhru ng in der

    Welt

    213

    A u s dem Vimalakirti-Stra 214

    bersetzt von M icha el von Brck

    und

    Jampa

    Panglung

    Einfhrung 214

    1 . V i m a l a k l r t i u n d d i e Mnche ( K a p i te l 3 ) 217

    Erluterungen 217

    Text

    219

    2.

    D i e Gttin ( K a p i t e l 6)

    225

    Erluterungen 225

    Text

    226

    3 . D a s D h a r m a - T o r der Nicht-Dualitt ( K a p i t e l 8) 238

    Erluterungen 238

    Text

    238

    Glossar 246

    Literaturverzeichnis 259

    8

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    8/253

    ZurAusspracheder

    Sanskritbegriffe

    Die Lngsstriche berden Vokalen ,Iundzeigen diegedehnte

    Aussprache an;

    e

    und

    o

    werden immer lang ausgesprochen. Das

    r

    sonanswirdetwa wieriausgesprochen, also s a m v r i t ifr s a m v r t i .C

    wirdals t s c h j als d s c h gesprochen. Die Lautesund entsprechen

    dem deutschen

    sch\

    y

    wird

    wie das

    deutsche

    7

    v wie w gesprochen.

    Dasn entspricht italienischem g n , whrendmden vorangehenden

    Vokalleicht nasaliert. A mEnde eines Wortesbedeutetheine leichte

    Behauchung. Betont werden die langen Silben.

    9

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    Radder Lehre und Gazellen.

    Symbolfr dieerstePredigt des Buddha

    imGazellenhain beiSarnath.

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    Vorwort

    Das

    Wesen

    desMahyna-Buddhismus

    Buddhisten

    knnen

    von

    Nicht-Buddhisten aufgrund ihrer

    philo

    sophischen Grundhaltung unddurch ihre Praxis unterschieden

    werden.

    Was

    die

    philosophische Grundhaltung betrifft,

    so

    kann

    der als

    Buddhist betrachtet werden,der dieVie r SiegelderLehredes

    Buddhaakzeptiert, da

    nmlich

    1.alles verunreinigte Dasein leid

    voll

    ist,

    2.

    alle zusammengesetzten Erscheinungen

    vergnglich

    sind,

    3.

    alle Erscheinungen

    ohneinhrentes

    Selbst sind und

    4.nirvna

    Friede

    ist. Wer dies nicht

    anerkennt,

    kann nichtalsBuddhistbe

    zeichnet werden.

    Was

    die Praxis betrifft, sogiltdie allgemeine Anschauung, da

    jeder ein Buddhist ist, der die

    Drei

    Juwelen als seine

    letztgltige

    Z u

    fluchtbetrachtet.Wer dies nichttut, istein

    Nicht-Buddhist.

    Diese

    Drei

    Juwelen sind Buddha, Dharma und Samgha.

    W i l l

    man die

    Drei

    Juwelen im Zusammenhang ihrer historischen

    Tradition

    erklren,

    so

    mu zuerst der Buddha

    genannt

    werden.

    Er

    berliefert

    undspricht dasWort derLehren, diese bildenden

    schriftlichfestgelegten Dharma. Indem sich nun die

    Schler

    auf das

    DrehendesDharma-Rades durchdenBuddha

    1

    verlassen undden

    Dharma wahrhaftig ben,entwickelnsie die

    Verwirklichung

    des

    Dharma in ihrem eigenen

    Bewutseinsstrom;

    dies

    versteht

    man

    unter

    dem

    verwirklichten Dharma.

    So

    gibt

    es

    zwei

    Aspekte

    des

    Dharma: den

    schriftlich festgelegten

    und den

    verwirklichten

    Dharma.

    E in Schler wchst

    stufenweise in der

    Verwirklichung

    des

    Dharma,

    bis er endlich zurdirekten Einsicht in dieNaturder

    1 Die

    Verkndigung

    des

    Buddha, vor

    allem

    die

    erste

    Predigt

    in

    Benares.

    (DieAnmerkungenundErluterungen/um VorwortstammenvomHerausgeberdiesesBandes).

    11

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    Wirklichkeit gelangt. Wer bt und diese Ebene erreicht hat, wird

    rya s a m g h a

    genannt, er ist ein Heiliger, der

    hhere

    spirituelle

    Ebenenbetretenhat.

    Das

    erklrt,

    wie die DreiJuwelen Buddha, Dharma und Samgha

    als eine bestimmte geschichtliche Tradition

    entstehen.

    Wie

    aber

    er

    reicht der einzelne bendedas fortgeschrittene Stadium der Drei

    Juwelen, die Stufe nmlich, auf der ein

    Schler

    bt oder bereits

    jenseitsder

    bung

    angelangtist?

    Hier

    mu

    zuerst

    der schriftlichfestgelegteDharmagenanntwer

    den,nmlichder t r i p i t a k a oder die >DreiKrbeder Literatur^ Diese

    Schriften

    mu der

    Schler

    studieren und meditieren. Die drei

    ent

    scheidenden Themen dieser Schriften sind die Belehrungen

    ber

    Tugend ( s i l a ) , Meditation samdhi) und Weisheit (prajh). Die

    Schler mssen

    alle drei

    ben

    und in ihrem eigenen Bewutseins

    strom lebendig werden lassen.

    Tugend ist die Grundlage allerbung.A ufdieser Grundlage kul

    tiviert

    der

    bende seine

    Meditation in Einheit mit Weisheit oder

    vereint

    > s a m a t h a

    und

    vipasyanwahrenPfadwahres

    Aufhrenwirklichen Samgha-Juwel< herangereift.

    N un

    fhrt

    man fort, die

    vielfltigen

    und

    tiefgrndigen

    Methoden

    des Dharma zu

    ben,

    die als die

    Drei

    Hheren

    b u n g s w e g e

    2

    be

    kannt sind, bis man schlielichalle Fehler und Befleckungen vom

    eigenen Daseinsstrom, also der eigenen Existenz,

    entfernt

    hat. Ist

    das erreicht und ein

    letztgltiges

    Stadium erlangt, in dem alle

    Ver

    blendungen berwundensind, gelangt man zur Erfahrung des nicht-

    verweilenden n irvna. Damit ist die ErleuchtungeinesBodhisattva

    2

    Tugend s i l a ) , Meditation

    (samdhi),

    Weisheit (prajn).

    12

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    gemeint,derweder im weltlichen Daseinskreislauf samsra) noch

    i m nirvna

    verweilt. In diesem Moment

    ist

    man zu einem

    benden

    a u f

    der Stufe

    jenseits

    aller

    bung

    geworden und hat die

    Bud

    dhaschaft

    erreicht.

    Diesbeschreibt, wie ein Individuum durch systematische Praxis

    die verschiedenen Ebenen

    der

    Verwirklichung

    des

    Dharma durch

    luft.

    Wennderbendedenschriftlich festgelegten und verwirk

    lichten

    Dharma

    anwendet, erzeugterallmhlich im

    eigenen

    Be

    wutseinsstromdaswirklicheDharma-Juwel.

    U n d

    es istebendiese

    Qualitt,

    die

    verwandelnde Kraft

    hat und

    einen Menschen

    zuerst

    z u m

    rya s a m g h a unddann zueinem B u d d h a werden lt.Das

    bedeutet,

    da alle

    Drei

    Juwelen von jedem ganz normal

    benden

    erfahren undverwirklichtwerden

    knnen.

    W e r den

    Pfad

    auf

    diese Weisegeht,gelangt Schritt

    fr

    Schritt

    z u m

    Stadiumder

    vollstndigen

    und vollkommenen Buddhaschaft.

    Wenn

    wir nun die Frage stellen, ob die Buddhas

    vielleichtohne

    Ur

    sachen

    b z w .

    ohnebestimmte Bedingungenentstandenseien oder ob

    sie immer anfangs-

    und

    bedingungslos existiert

    htten,so ist die

    Antwort

    negativ. Buddhas sind nicht

    ohne

    Ursache da, sondernsie

    entwickeln

    sich in

    Abhngigkeit

    von bestimmten und

    entsprechen

    den Bedingungen.W eilalso Buddhaschaft in

    Abhngigkeit

    von be

    stimmten Ursachen

    und

    Bedingungen entwickelt

    wird,

    kann

    sie

    auch immer wieder

    neu

    erlangt werden

    - unerleuchtete

    Wesen

    knnen

    somit die Erleuchtung

    aus

    sichheraus

    verwirklichen.

    Entscheidende Bedingungfr dieErleuchtungist dieEntwick

    lungdes

    Erleuchtungsgeistes

    ( b o d h i c i t t a ) , der

    zwei Tendenzen

    in

    sichtrgt:einmal,das

    Wohl

    aller lebenden Wesenzusuchen,und

    z u m anderendas

    Streben nach Erleuchtung. Das

    ist

    die

    Wurzelder

    Buddhaschaft.

    Wurzel

    dieser

    Wurzel

    ist das

    Bewutsein

    der allumfassenden hei

    lenden Hinwendung zu allen Wesen (mahkarun). Diesbezglich

    hat

    crya

    Candraklrti

    3

    gesagt:Das,

    was die Erleuchtung zuwege

    bringt, ist dieVollkommenheitinallumfassender heilender Hin-

    3Candraklrti(6.Jh. n. Chr.),wichtigsterMdhyamika-PhilosophnachNgrjunaund

    ryadeva.

    13

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    W e n d u n g

    Das

    bedeutet,

    da letztlich

    nichts

    anderesals ein

    offenes

    und mitfhlendes Herz voll

    heilenderHinwendung

    zu allen

    Wesen

    (karunn)

    die Bedingung dafr ist, da man zur

    allwissenden

    Erleuchtung

    gelangt.

    Buddha

    Dies wird

    sichtbar

    im Leben

    unseresBuddha

    Skyamuni und in den

    Erzhlungen berseine frheren Leben, als er

    noch

    ein

    Bodhisattva

    auf den gewhnlichen

    Ebenen

    der bung war, wie sie in den

    jtaka-

    Geschichten

    berliefert sind.

    Zuerst

    hat er ein

    gutes

    H erz

    oder

    die

    edleHaltung

    in sich

    entwickelt,

    die in dem

    Wunschbesteht,anderen

    hilfreich zusein.A u f

    dieserGrundlageverrichtete

    er

    dann

    die zahl

    reichen einzelnen

    bungen von

    Methode (upya)

    und Weisheit

    (prajn),

    die schlielich in den

    Sechs

    Vollkommenheiten

    zusam

    mengefat

    worden

    s ind.

    4

    Grundlage

    war fr ihn die Motivation der

    heilendenHinwendung

    zu allen

    Wesen,

    der W unsch,

    anderenbeizustehen.

    So b te er sich in

    den

    SechsVollkommenheiten,

    um schlielich in

    spezifischer

    Weise

    die bungen der hheren Meditation und hheren Weisheit zu

    meistern.

    Um ein

    vollkommener

    Buddha

    zu

    werden,

    hat er

    also

    systematisch

    die Fnf

    Pfade

    5

    und Zehn

    spirituellenEbenen

    6

    gebt

    und

    erlangt.

    D ie

    Eigenschaften

    einesBuddhasinddreifach: solche, die mit der

    Erkenntnis zusammenhngen,

    diejenigen

    der heilenden Hinwen-

    4 Die

    Sechs

    Vollkommenheiten

    des Mahyna

    (pramit)

    sind:

    u n e i g e n n t z i g e s

    Geben

    d a n a ) ,

    tugendhaftes

    Verhalten s i l a ) , Geduld (ksnti),Tatkraft v i r y a ) , Meditation(dhyna), Weisheit

    (prajn).

    5 Bei den FnfPfaden (mrga)

    handelt

    essich um dieAspektederPraxis, die ein

    Bodhisattva

    auf dem Weg zurBuddhaschaftnacheinander

    meistern

    mu: Anhufung von

    positiven

    Bewut

    seinsformungen

    (sambhra-marg), Anwendung(prayoga-marg), Einsicht (darsana-marg),

    Meditation(bhvan-marg) und

    Meisterschaft

    (asaiksa-mrga).

    6

    Dies

    sinddie bodhisattva-bhmi oder

    Ebenen

    bzw. GradederVerwirklichung:dieEbene der

    Freude (pram udit), der

    Reinheit

    (vimal), des

    Leuchtens

    (prabhkari), des Strahlens a r c i s -

    m a t i ) ,

    der Unberwindbarkeit

    (sudurjay),

    des

    Widerstehens

    a b h i m u k h i ) ,

    des

    Weitreichens

    (duramgam), der Unerschtterlichkeit (acal). der

    heilsamen Intelligenz

    s a d h u m a t i ) und der

    Dharmawolke (dharmamegh).

    14

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    dungund solche,dieseine Macht ausdrcken. Hierbei sind die am

    wichtigsten, die sich auf die heilendeHinwendung zu den Lebe

    wesen beziehen.

    DasWesendesBuddha

    Was dieFrage

    nach

    Naturund

    Wesen

    einesBuddhabetrifft, so fin

    den sich in den Schriften der Srvakas (dem Theravda-Kanon)

    nochkeine

    Hinweise auf diedrei kya (Buddha-Krper) ,sondern

    nur Erzhlungen vom historischenBuddha, der inIndien

    geboren

    wurde.

    D ie

    erstenseiner

    zwlf

    grundlegendenTaten werden

    als die

    eines

    gewhnlichen Menschenangesehen.Erst als er dann in der

    Meditation pltzlich vom

    Stadium

    der

    Vorbereitung

    in das der

    hchsten Vollendung gelangt war, erreichte er die tiefste Einsicht

    und dieBuddhaschaft.DieserAnsichtzufolge war derBuddhaalso

    zu Beginn

    seines

    Lebensein

    ganz

    gewhnlicher Mensch, underst

    nachdem er zur

    Erleuchtung

    gekommen war, vollbrachte er die

    >Taten eines

    Buddha

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    Buddha

    in der Formeineshchsten nirmnakya, er

    inkarnierte

    sich

    in der Welt fr das H e i l

    derer,

    die ihm auf dem bungsweg folgen

    sollten. Anfangs gab er nur vor, ein unerleuchtetes Wesen und

    gewhnlicher Mensch zusein. E r

    entsagte

    dem w eltlichen Leben,

    wurde Mnch und btesechs

    Jahre

    lang

    strengste

    Askese, bis ei

    schlielich seine vollkommene

    Erleuchtung

    bekanntmachte, das

    Rad der Lehre zudrehen begann und

    zuletzt seinen

    Eingang ins

    parinirvna offenkundigmachte.

    Aber all

    diese

    Taten

    inihrer Abfolge hat er nur zurBelehrung fr

    die

    anderen

    vollbracht. InWahrheit war er whrend der

    gesamten

    Zeit vollkommen erleuchtet.

    Einige der Srvaka-Schulen meinen, da der Bewutseinsstrom

    einesBuddha aufhrt, nachdem er in das parinirvna

    eingegangen

    ist und das

    mirvna ohne

    RestEntstehensin

    gegenseitiger

    Abhngigkeit

    ist vielmehr die falsche Vorstellung,

    die wir uns von der Art und Weise der Existenz der Erscheinungen

    machen. Um Unwissenheit zu berwinden,

    mssen

    wir zu einem

    richtigenVerstndnisundunverflschten Bi ldder

    Wirklichkeit

    ge

    langen. Das

    heit,

    da wir zu der Weisheit erwachen mssen,die in

    der Einsicht in Nicht-Selbst und Selbstlosigkeit

    antman)

    besteht.

    Das Objekt dieser Erkenntnis ist

    dasselbe

    wie das der

    verflschten

    Erkenntnis; die Weisheit widerspricht aber direkt der falschen

    Wahrnehmungsweise, die zur Unwissenheit

    gefhrt

    hatte.Mit an

    deren Worten:

    Um

    den Zustand der Freiheit von Verblendung zu er

    langen,

    bedrfen

    wir der Weisheit der Einsicht in Nicht-Selbst, die

    direkt dem widerspricht, wie wir im Zustand der Verblendung die

    Dinge

    wahrnehmen.

    Sind

    wir einmal zu diesem

    Weisheitsbewut

    sein gelangt,

    mssen

    wir uns immer weiter darin vertiefen, bis

    schlielichdie Unwissenheitgnzlichgetilgt ist.

    Das ist die Bedeutung der

    zwlfGlieder

    desEntstehensin gegen

    seitiger

    Abhngigkeit,

    und zwar sowohl hinsichtlich der Art und

    Weise,wie sich der Daseinskreislauf samsra)entwickelt, als auch

    bezglich

    der

    Mglichkeit,

    ihn zuberwinden.

    21

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    21/253

    Etwas, das durch Ursachen und Bedingungenentstehtund wan

    delbar ist, kann keine

    unabhngige Entitt

    oder Existenz sein.

    Gbe

    es etwas, das unabhngigeExistenz in sich selbst

    htte,

    drfte es

    hinsichtlich

    seiner Existenz nicht von anderen Faktoren abhngig

    sein.

    So wie die vorangehenden Glieder in der Kette Bedingungen

    f r die folgenden sind, sogiltumgekehrt, da die folgenden durch

    die vorangehenden verursacht

    sind.

    Infolgedessen ist ihnen allen der

    Charakter gegenseitig abhngigen Entstehens gemeinsam. Weil

    alles, was ins Dasein tritt, von anderen Faktorenabhngt,sagtman,

    d a die Erscheinungen leer

    snya)

    undohne inhrenteExistenz

    svabhva)

    b z w .

    Selbst-Natur

    tman)

    sind.

    Leere

    W a s nun uns Menschen, die wiruerenObjekten gegenbertreten,

    betrifft, so sind es die fnf psychosomatischen Daseinsgruppen

    ( s k a n d h a s )

    1 3

    ,

    die in ihrer Gesamtheit die Basis

    dafr

    bilden,

    da wir

    dem Menschen bestimmte Eigenschaften zuschreiben. Schauen wir

    uns

    aber

    die fnf Gruppen von der materiellen Form bis zum Be

    wutsein genau an, so knnenwir keine in sich selbstgengsame

    Wesenheit oder

    >PersonPerson als dem Subjekt, das Gebrauch macht, und den >Da-

    seinsgruppen als dem, von dem Gebrauch gemacht wirdPersonSelbstPersonPersonEntstehen

    in gegenseiti

    ger

    Abhngigkeit

    die, da die Person und so auch alle anderen Er

    scheinungen leer und

    ohne

    inhrente

    Eigennatur sind. Daher

    ent

    stehtjedesderzwlfGlieder des >Entstehensin gegenseitiger A b

    hngigkeitinAbhngigkeitvon den anderen. Siemssenalleber

    wunden werden, angefangen bei der Unwissenheit bis hin zu

    A lter

    undTod.Und indem man die Unwissenheit

    berwindet,

    kann man

    den Zustand

    e r l a n g e n ,

    i n dem alle Leiden

    vollstndig berwunden

    sind.

    23

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    23/253

    D i e

    zweiWahrheitsebenen

    Diese

    zwlfGlieder sind also voneinander abhngig und beruhen

    a u f

    der Lehre von den

    VierEdlen

    Wahrheiten. Deshalb ist es mg

    lich,

    die Theorie der

    zwlf

    Glieder

    so anzuwenden, da sie sowohl

    z u r

    Erklrung des fortdauernden Kreislaufs des samsra als auch

    z u

    dessen berwindungdienen kann. Die

    Vier

    Edlen Wahrheiten

    wurzeln aber auch in der Lehre von den zwei Wahrheitsebenen

    ( s a t y a - d v a y a ) .

    Normalerweise beurteilen wir den Charakter oder das Wesen

    jeder Erscheinung danach, ob sie fr uns

    ntzlich

    oder

    gefhrlich

    ist. W i r tun dies aufgrund einer Wahrnehmungs- und Urteilsweise,

    die den Objektenetwasauferlegt, dasheitnicht mit Bezug auf E i

    genschaften, die in den Objekten selbst gegeben sind. Unser

    Urteil

    i s t

    somit von der subjektiven Gestimmtheit des

    Bewutseinsabhn

    g i g ,

    nicht von einer

    tiefgrndigen

    Analyse der Erscheinung selbst.

    E s

    handelt sich um die konventionelle Ebene der Wahrnehmung

    v o n Wirklichkeit .

    Deshalb

    nennt

    man dies die konventionelle (oder

    relative) Wahrheit

    ( s a m v r t i - s a t y a ) .

    Geben

    wir unsabernicht mit der

    bloen

    Erscheinung der Dinge

    zufrieden

    und fragen

    statt

    dessen nach ihrem eigentlichen tieferen

    Wesen,

    werden wir zu einer Wahrnehmungsweise der

    Dinge

    gelan

    gen, die der

    Wirklichkeit

    tatschlich entspricht. Dies nennen wir

    auch das

    Urteil

    ber das Objekt, wie es einem Bewutsein er

    scheint, das die letztgltige Wahrheitsebene analysiert

    ( p a r a m -

    rtha-satya).

    D i e Theorie von den zweiWahrheitsebenen ist die

    Wurzel

    der

    buddhistischen Philosophie, und jede der vier philosophischen

    Hauptschulen im Buddhismus hat ihre je spezifische Erluterung

    dazu. In der

    M dhyamika-Schule,

    die

    w i r

    1 4

    als die

    hchste

    betrach

    ten, werden die

    zwei

    Wahrheitsebenen als Grundlage

    betrachtet,

    v o n

    der die

    VierEdlen

    Wahrheiten abgeleitet werden.

    A l s

    der BuddhaSkyamunidas Erste Rad der Lehredrehteund

    14 In dertibetischenGelugpa-Tradition.

    24

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    24/253

    die VierEdlen Wahrheiten

    verkndete,

    sagteer: Diesist die edle

    Wahrheit vom Leiden. Dies ist die edle Wahrheit von der Ursache

    des Leidens. Dies ist die edle Wahrheit von der Beendigung des Le i

    dens.

    Und dies ist die edle Wahrheit vom Weg zur Beendigung des

    Leidens.

    Auf diese Weise

    erluterte

    er die

    Vier

    Wahrheiten in

    einem ganz bestimmten Kontext.

    Dann fuhr er fort und sprach: Leidenmu verstanden werden.

    D ie Ursache des Leidens mu berwundenwerden. Die Beendi

    gung des Leidens mu verwirklicht werden. Der Weg mu gegan

    genwerden.Dies war der zweite Kontext.

    Als

    drittes

    sagte

    er:

    Leiden,

    das verstanden werden mu, ist

    nicht verstanden. Die Ursache, die berwundenwerden mu, ist

    nichtberwunden.Die Beendigung, die verwirklicht werden mu,

    ist nicht

    verwirklicht.

    Und der Weg, dergegangenwerden

    m u ,

    ist

    nichtgegangen.Dies war der dritte Kontext, und erbedeutet,da

    auch die

    Vier

    Edlen Wahrheiten keine inhrente Existenz haben,

    keine in sich selbst

    bestehende

    Natur. Denn die Ursache kann nicht

    berwunden werden

    unter

    dem Gesichtspunkt des absoluten oder

    letztgltigenWesens der Wirklichkeit (weil sie abhngig und das

    heitrelativ ist). Das gilt auch fr dieanderendrei der

    Vier

    Edlen

    Wahrheiten.

    A lsder Buddha also das Erste Rad der Lehredrehteund die

    V ier

    Edlen

    Wahrheiten lehrte,

    errterte

    er sie

    zunchst

    auf der Ebene der

    relativen Erscheinungen und danach auf der Ebene derletztgltigen

    absoluten Bedeutung.

    Danach drehte er das Zweite Rad der Lehre (die Mahyna-

    Stras)und zeigte dabei, wie alle Erscheinungen in gegenseitiger

    Abhngigkeitentstehenund da dieseTatsachedie Wurzel fr die

    Vier

    Edlen Wahrheiten ist. Mit

    anderen

    Worten, bei der Zweiten

    Drehung des Rades der Lehre gab er eine ausfhrliche Errterung

    berdas

    >Entstehen

    in gegenseitiger Abhngigkeit undlegtedar,

    dadie Erscheinungen leer oder

    ohne

    inhrenteExistenz sind, da

    sie letztlich also auch nicht hervorgebracht sind, nichtaufhrenund

    nichtbestehenknnen.Die Art und Weise, in der Erscheinungen

    existieren, ist

    ohne

    Entstehen,

    Aufhren

    und Dauerhaftigkeit. Dies

    25

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    25/253

    wird innerhalb des Mahyna-Buddhismus auf zweifache Weise

    gedeutet:

    Wrdenwir annehmen, da der Satz:DieErscheinungen haben

    keineinhrenteExistenz oder keinSelbstbedeutensollte, da sie

    berhaupt

    keine

    individuelle

    Identitthtten,knnten

    wir gar nicht

    davon sprechen, da irgend

    etwas

    existierte. Die Folge davon wre,

    d a die Erscheinungenvllignichtexistent

    wren,

    und eshttegar

    keinen

    Sinn,

    etwa berdas Leiden zu meditieren. Warum sollten

    w i r meditieren, wenn weder der Meditierende noch das, worber

    meditiertwird,existieren? W i r knntennicht einmal sagen, d a dort

    e i n

    Meditierender meditiert, wenn es weder den Meditierenden

    noch das Meditationsobjekt gibt. Diesen doch offensichtlichen Tat

    sachen in solcher Weise zu widersprechen ist einfach unsinnig.

    A u s

    diesem Grund kann der Ausdruck

    >ohneinhrente

    Existenz

    oder Selbst< nichtbedeuten,da damit den Objekten ihre

    individu

    ellen

    Merkmale

    oder ihreIdentittabgesprochen wrde.

    Diesbezg

    lich

    lehrte der Buddha imSamdhinirmocana-stra b. m D o - s d e -

    d g o n g s - g r e l )

    die Unterscheidung von drei Aspekten der nicht

    inhrentenNatur der Erscheinungen, um die Lehre von der Leere

    deutlichzu machen. InhnlicherWeiseerklrteder Buddha auch in

    denPrajnpramit-stras die Lehre von dernicht-inhrenten E x i

    stenzunterden drei Aspekten der Leere. Danach haben dieErschei

    nungen i njedem

    Fall

    ihreIdentitt,die sich aus ihren jeweils indivi

    duellen

    Merkmalenergibt. Der Buddha lehrteaberauch das System

    der Nur-Bewutseinsschule

    (cittamtra),

    das die uereExistenz

    der Objekte leugnet und

    sagt,

    da alle Erscheinungen im

    Bewut

    seinentstehen.

    W e r

    versteht,

    wie die Dinge auf der Ebene

    bloer

    Erscheinung

    existieren (der konventionellen oder relativen Wahrheitsebene) und

    w i e sie nicht aus sich selbst oder inhrentexistieren (auf der letzt

    gltigen oder absoluten Wahrheitsebene), wer also die

    Kriterien

    kennt, die zu der Unterscheidung von Existenz und Nichtexistenz

    fhren,

    kann die exakte Bedeutung der Lehre des Buddha von der

    nicht-inhrenten

    Natur der Erscheinungen, wie er sie

    whrend

    der

    Zweiten

    Drehung des Rades der

    Lehre

    erluterthat,richtigerfassen.

    26

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    26/253

    Schriften wie das Tathgatagarbha-stra (tib.b D e - g s h e g s s n y -

    i n g - p o i - m d o )

    messender Lehre von der reinen Natur aller Erschei

    nungen

    groe

    Bedeutung zu. Sie

    betonen,

    da das eigentliche

    WesenunseresBew utseinsmakellos, reine Klarheit und Bewut

    heit, ist. Die Verunreinigungen des

    Bewutseins knnen

    also besei

    tigt werden.

    Zustzlich

    zu diesen Drehungen des Rades der Lehre hat der

    Buddha auch zahlreichetantrischeBelehrungengegeben.

    B e i der E r s t e n Drehung des Rades der Lehre erluterte der

    Buddha

    die allgemeine Struktur des buddhistischen Pfades vor

    allem

    in

    bezug auf

    die

    Methoden zur Erlangung

    pers nlicher Befrei

    ung. Bei der Z w e i t e n und

    D r i t t e n

    Drehung des Rades der Lehre

    erluterte

    er dann vorrangig die Lehre von der subtilen Leere

    (snyat)

    und die Methoden, zur vollkommenen allwissenden Er

    leuchtung zu gelangen, indem die Verschmutzungen und negativen

    Instinkte des

    Bewutseins

    von diesem selbst gereinigt werden. In

    seinen tantrischen Lehren hat der Buddha die exklusiven

    Y o g a -

    Wege errtert,wo Methode und Weisheituntrennbar miteinander

    verbunden werden, damit das Bewutsein gereinigt wird und der

    bendeSchritt fr Schritt auf den Stufen zur Vollkommenheit vor

    anschreiten kann.

    Stufen zurVollkommenheit

    Das

    Mittel,

    das die Befleckungen des Bewutseinswirksam besei

    tigt, ist die hhere bungin der Weisheit der Leere (prajn) oder

    des Nicht-Selbst

    (antman ).

    Diese Weisheitm ufestin der hheren

    bung

    der meditativen Konzentration auf einen Punkt (derunge

    teilten meditativen Achtsamkeit) begrndet sein (samdhi). Dies

    wiederum setztdie bung in hhererSelbstdisziplin und Tugend

    voraus

    ( s i l a ) .

    Durch die Praxis der drei

    hheren bungen

    werden

    die negativen Eindrcke und Verdunklungen des Bewutseins

    durch das Bewutsein selbst gereinigt.

    Damitdieses

    h a rm a

    -Jliwel - ein Zustand des

    Bewutseins,

    in

    dem alle Fehlerberwundensind - Gestalt gewinnen kann, mssen

    27

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    27/253

    Anfnger

    zuerstdie Fehler, die auszumerzen sind, erkennen. Da

    nachmssensie sichbemhen,dietatschlichenFehler zuberwin

    den. Dazu ist eswichtig,die zur Aufgabe der Zehn negativen Hand

    lungsweisen

    15

    erforderliche Diszipl inzu entwickeln und die jeweils

    individuell

    geeigneten

    Gegenmittel gegen bestimmte negative Ei

    genschaften und Hindernisse anzuwenden. So sollte der

    bende

    im

    Anfangsstadium also die Zehn negativen Handlungsweisen genau

    kennen und, damit er sie berwinden kann, ein Fundament an

    Selbstdisziplin

    aufbauen.

    W e r sich der Zehn negativen Handlungen enthlt, indem er die

    entsprechenden

    Gegenmittel

    einbt,

    gewinnt damit nicht nur einen

    Zuwachs an spirituellerbung,sondern erwirdauch in derGesell

    schaft als kultivierter Mensch

    anerkannt.

    Deshalb haben

    crya

    N g r j u n a

    1 6

    und

    andere

    groe indische buddhistische Meister

    immer hervorgehoben, da wir am Anfang die Selbstdisziplin zur

    berwindung

    der Zehn negativen Handlungsweisen

    einben ms

    sen und im Lebensstil kultivierter Menschen wetteifern sollen,

    damit die karmischen Bedingungen fr eine

    gnstige

    Wiedergeburt

    geschaffen werden. Ngrjuna

    lehrte

    weiter, da wir auf dieser

    Grundlage dann die Einheit von meditativer Ruhe ( s a m a t h a ) und

    hhererEinsicht vipasyan)

    kultivieren

    m ssen,

    um Befreiung und

    hchsteErleuchtung zu erlangen.

    Tatschlich

    sind fr

    Anfnger zunchst

    die

    bungen

    zur Erzeu

    gung einer gnstigen Wiedergeburt von besonderer Bedeutung.

    Dennsie dienen nicht nur einer

    hheren

    Wiedergeburt in der Zu

    kunft, sonderntragenauch unmittelbar zum Wohlergehen in diesem

    Lebenbei. Indem sie uns dabei helfen,bessereMenschen zu wer

    den, vermehren sie

    unser

    inneres

    Glck

    und inspirieren uns, in der

    Gesellschaft einentzlichereR ol lezu spielen.

    D i e

    Selbstdisziplin zurberwindungder Zehn negativen Hand

    lungsweisen ist wie eine Rstung ,die ein

    Kmpfer

    in der Schlacht

    15 Die Zehn

    negativenHandlungsweisen oderSnden a k u s a l a ) sind:Tten;Stehlen,

    sexuelles

    Fehlverhalten, Lgen,grobeRede,

    Verleumdung,

    leichtfertigesG eschwtz ,Habsucht,Bosheit,

    ble

    Ansichten.

    16 Ngrjuna,2. Jh. n. Chr.,

    bedeutendsterPhilosoph

    des Mahynain

    Indien.

    28

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    28/253

    trgt.Solange wirunfhigsind, die grundlegenden Verblendungen

    mit

    den empfohlenen Gegenmitteln zubekmpfen,ist die Praxis des

    Sich-Enthaltens von physischen und verbalen

    Akten,

    die aus der

    Unwissenheit entstehen,wie eine Rs tung, die uns schtzen

    soll.

    Haben wir diese

    bung

    gemeistert,

    knnen

    wir uns der Praxis

    meditativer Ruhe und hherer Einsicht zuwenden, durch die wir

    die grundlegenden Verblendungen direkt

    berwindenknn en.

    Verblendung oder Unwissenheit ist der eigentliche Gegner, und

    dieser befindet sich einzig und allein in uns selbst. Der tibetische

    Begriff fr Unwissenheit, n y o n m o n g s ,bedeutet,

    da

    es sich hier um

    einen geistigen Faktor handelt, der Unzufriedenheit und einen Zu

    stand groer innerer Verwirrung stiftet, wenn er ein Bewutsein

    trbt.A mAnfang,in derMitteund am Ende des geistigen Pfades ist

    dies dertatschlicheGegner, der uns angreift undzerstrt.

    E in

    Mensch, der den Dharma bt,

    bekmpft

    diese Verblendung.

    DerDharma ist das Mittel,das wir gebrauchen, um den Siegber

    die Unwissenheit zu erlangen.

    Grundstzlich knnen

    wir

    sagen:

    Je

    strker

    die Gier (Anhaften) und der Ha (Widerwille)

    bezglich

    der Dinge und Lebewesen in einem Menschen sind,destogrer

    sind

    Unzufriedenheit und Disharmonie, die der Betreffende in der

    Gesellschafterzeugt.Das leuchtet unmittelbar ein.

    SovielzurErluterungder Zuflucht beim Dharma. Nun komme

    ich

    zur

    Errterung ber

    den Samgha.

    Samgha

    Das Schrifttum der Srvakas zhlt

    acht

    Gruppen von Mitgliedern

    des Samgha auf: vier, die im

    B egriff

    sind, in die vier

    hheren

    Sta

    dieneinzutreten, und vier, diebereitsin diesen Stadien verweilen.

    Demgegenber zhlen die Bodhisattva-Schriften achtundvierzig

    Gruppen von Samgha-Mitgliedern.

    Betrachten wirdie Sache historisch, so wissenwir,daes zur Zeit

    des Buddha vielebedeutendewSrvakaSamgha-Mitglieder gab, zum

    Beispiel

    Sriputra

    und

    Maudgalyyana.

    Nachdem der Meister ins

    29

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    29/253

    parinirvna eingegangen war, bernahmen die Haupttrger des

    Dharma die Fhrung des Samgha. Spter

    traten

    die groen

    indi

    schen Meister auf, die wir die

    >Sechs

    Ornamente und die Zwei

    Hchstem nennen - Ngrjuna, Aryadeva, Asahga, Vasubandhu

    und so weiter. Ebenso wirkten die groen Trger des

    v i n a y a

    (der

    Mnchsregel) , die vollkommenen Weisen, und die Meister der

    Schriften des b o d h i s a t t v a - p i t a k a oderdes Groen Fahrzeugs. Und

    schlielichgab es dann noch die gewaltigen tantrischen Meister, die

    alleblichenVorstellungen hinter sich lieen, indem sie die Yogas

    v o n

    untrennbarerWeisheit

    prajn)

    und Methode

    upya)

    mit dem

    Geheimen Tantra-(Mantra-)Fahrzeug verbanden.

    In Tibet, dem Land des Schnees, blhte der Buddhismus und

    wurde in seiner vollstndigenForm gebt, nmlich Hlnayna und

    Mahynazusammen mitV ajrayna.

    V i n a y a ,

    mit den dreiwesent

    lichenmonastischen Riten, wurde in Tibet als Grundlage des Bud-

    dha-Dharma

    gebt.

    Und so heit es: Ob der Buddha-Dharma weiter

    existieren und gedeihen

    wird,

    hngt von der Praxis der monasti

    schen

    Disziplin

    ab, denn

    v i n a y a

    ist die Grundlegung fr alles

    wei

    tere.

    In Tibet nun wurde

    v i n a y a

    in Verbindung mit dem Geheimen

    Mantra gebt. Bereits in Indien hatte es die Tradition dermah-

    s i d d h a s gegeben,

    und in Tibet

    hatten

    wir

    dementsprechend

    unsere

    tantrischen Meister.

    Seit den Zeitenunserer erstenbuddhistischen K n i g e

    1 7

    gibt es bei

    uns zwei Arten von Samgha-Mitgliedern: die Ordinierten, die dun

    kelrote Roben tragen, und die langhaarigen Laien-Adepten, die

    weie Roben

    tragen.

    Beide Samgha-Traditionen existieren auch

    heute.DieweigekleidetenSamgha-Mitgliederbeachtennicht die

    zahlreichen Regeln und Gebote des v i n a y a , sondern sie sind Tantri-

    ker und

    beachten

    demzufolge die tantrischen Verpflichtungen. Die

    dunkelrot gekleideten Samgha-Mitgliedermssenjedochsmtliche

    v i n a y a - R e g t l n einhalten. Anderen gegenber sollen sie sich in

    demtigemVerhalten ben, wie es in den vmaya-Regeln beschrie-

    17 Sngtsen

    Gampo

    620-648

    n. Chr.)

    gilt

    als der

    Knig,

    der den

    Buddhismus

    in

    Tibet

    ein

    gefhrt

    hat.

    30

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    30/253

    ben

    wird,

    und in ihremBewutseinsollen sie die Sechs Vol lkom

    menheiten

    18

    desMahyna

    kultivieren.

    Gleichzeitig

    mit den bun

    gen zur Erlangung aller Stufen des Bodhisattva-Fahrzeugs sollen sie

    den Pfad des Geheimen Mantra gehen.

    Ich

    habe

    die buddhistischen Grundlagen hier einzig und

    allein

    von

    einem buddhistischen Standpunkt aus

    erlutert,

    und es ist meine

    Hoffnung, da auf diese Weise die

    Glubigen

    andererReligionen

    den Buddhismus, wie er von uns Buddhisten

    tatschlich gebt

    w ird,

    besser

    verstehen

    knnen.

    Und ich hoffe auch, da dieses

    Buch,

    das

    Michael von

    Brck

    herausgegeben hat, zu einem besseren Ver

    stndnis

    zwischen Buddhisten und Menschen

    anderer

    Religionen,

    ganzbesondersChristen,beitragen wird.

    Dharamsala, im Januar 1988 Tenzin Gyatso

    Der

    X I V .

    DalaiLama

    18 Vgl. S. 14 Anmerkung 4.

    31

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    32

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    32/253

    Einleitung

    D ie

    Begegnung mit dem Fremden ist ein Abenteuer, das die einan

    der Begegnenden nichtunverndertlt.In der Begegnung mit an

    deren Menschen werden wir uns der eigenenIdentittbewut,

    aber

    w ir

    nehmen auch denMangelin bezug auf nicht entwickelte

    M g

    lichkeiten

    der geistigen Entfaltung in uns selbst wahr, d. h., wir

    beginnen zu lernen. Nur

    in

    Begegnungknnenw irreifen.

    D ieGeschichte der Menschheit ist gekennzeichnet durch solche

    Begegnungen verschiedener Kulturen und

    Religionen.

    Diegroen

    Religionen

    sind zu einer bestimmten Zeit und

    unter

    ganz spezifi

    schen

    kulturellen

    Bedingungenentstanden- Buddhismus und

    Chri

    stentum als Bewegung innerhalb einer schon lange gewachsenen

    Tradition,dort die brahmanische, hier dieisraelitischeR eligion,und

    sowohlder Buddha als auchJesus

    standen

    in einer Geschichte, die

    siegeprgt

    hatte

    und die sievernderten.Buddhismus undChristen

    tum blieben

    aber

    nicht, was sie waren - beide

    Religionen

    machten

    in

    der Begegnung mit den Kulturen, auf die sie trafen, erhebliche

    Wandlungen

    durch. Sie assimilierten (meist in langen kulturge

    schichtlichen

    Prozessen und nur

    in

    seltenenFllen bewutgelenkt),

    was dem >Geist< oder der Grundgestimmtheit der missionierenden

    Religion entsprach, und sie berwandenvieles von dem, was im

    krassen Gegensatz dazu stand.Dieheutige Gestalt des Christentums

    - welche:dieeuropische,afrikanische, indische? - istebensoPro

    dukt dieser Begegnungen wie die heutige Form des Buddhismus

    - welche: die sdasiatische, japanische, amerikanische, europi

    sche? - Indem ich die verschiedenen Formenaufzhle,

    mchte

    ich

    deutlichmachen, da wir es auch innerhalb des Buddhismus mit

    sehrunterschiedlichgeprgten Strmungenund Paradigmen geisti

    gen und sozialen

    L e b e n s

    ZUtun haben, wassichin den ausgewhl

    ten Texten widerspiegelt, obwohl sie

    ausschlielich

    dem Mah-

    33

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    33/253

    yna, und hier wiederum a l l e i n dem indischen ursprnglichen

    Mahyna , entstammen.

    N u r wer sich in der Begegnung auf den anderen einlt, Vorur

    teileberwindetund bereit ist zu lernen, indem er das Selbstver

    stndnis

    des anderen

    ernst

    nimmt und partnerschaftlich auf ihn

    zugeht, kann Nutzen aus der Begegnung ziehen und in dem Sinne

    reifen,wie es

    wnschenswert

    ist.Dazuist es

    unerllich,

    diewich

    tigsten Dokumente, die heiligen Texte der anderen

    Rel igion,

    nicht

    nur zu lesen, sondern zu meditieren, sie auf sich wirken zu lassen,

    u m zu erfahren, was ihrSinnseinknnte.Vorschnelles

    Urteil

    ver

    stellt den

    Blick,

    denn wir

    stehen

    immer in dem

    Dilemma,

    Fremdes

    durch die eigenen Vorurteile und Kategorien zu beurteilen, auf-

    oder abzuwerten und damitechterBegegnung auszuweichen. Ver

    suchen wir aber wirklich zu verstehen, werden wir nicht nur

    Freunde gewinnen und zum Frieden in der Welt beitragen, sondern

    unsere

    eigene geistige Welt weitet sich, das Mysterium, das wir

    >Gott< nennen,

    wird

    uns vertrauter und fremderzugleich,undange

    sichts des Reichtums der Erkenntnis und Tiefe Gottes wird das

    Kennenlernen anderer Religionen vielleicht zum Staunen und

    schlielich

    zu einer befreienden

    Gewiheit fhren,

    die

    unsere

    Brder und Schwestern aus den anderen Religioneneinschliet.

    D i e Begegnung mit dem Buddhismus kann Christen in tiefere spiri

    tuelle Erfahrung fhren, sie kann Glaubenserfahrungen neu zum

    Leuchten

    undvielleichtin ganzandererFormzur Sprache bringen.

    Geschichtliches

    D e r

    Mahyna-Buddhismus

    entstand

    in Indien als

    Rckbesinnung

    a u f

    die Tiefen spiritueller Erfahrung und Weisheit des Buddha, in

    dessen einzigartiger Persnlichkeit und Meditationserfahrung die

    Religion,

    mit der wir es hier zu tun haben, grndet. Siddhrtha

    Gautama Skyamuni(um 560-480 v. Chr.) wurde in einer frst

    lichen Familie geboren, wuchs in allem erdenklichen Luxus der

    damaligen Zeit auf und

    entsagte

    der

    Welt,

    als er

    e r k a n n t e ,

    da die

    Oberflchlichkeiteiner materialistischen Geisteshaltung angesichts

    34

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    34/253

    v o n

    Krankheit, Alter und Todunertrglich ist. Er unterzog sich

    asketischen bungenund lernte bald, da nur ein mittlerer Weg

    zwischenWeltlichkeit und Distanz von der Welt zum Zie l spiri

    tueller Reife fhren kann. In einer tiefen und unbeschreiblichen

    Meditationserfahrung erfuhr er, was das wahre Wesen der

    W irklich

    keitist, begann zu predigen undbegrndetejeneBewegung, die zu

    einerWeltreligionwerden undzunchstfast ganz Indien, dann Sri

    Lanka,

    Sdostasien,Zentralasien,China,Tibet,

    Korea,

    Japan und

    seit dem 19. Jahrhundert auchAmerika und Europa erfassen und

    prgensollte.

    I c h

    mchte

    hier nicht die Geschichte des

    Mahyna

    im einzelnen

    erlutern,sondern dies an Hand derEinfhrungen in die

    jeweiligen

    Stra-Texte nachholen. Vielmehrmchte ich aufzeigen, da der

    bergang vom frhen Buddhismus zumMahyna und dann die

    Epochen

    desMahynaselbst einer inneren

    Logik

    folgen, die para

    digmatisch ist,

    weil

    Grundmodelle desgesamtenLebens- undH eil s

    verstndnisses,

    die bis

    heute

    prgend

    sind, einander

    ablsen

    und

    doch

    immer wieder miteinander reagieren.

    Das Mahyna unterscheidet sich nicht unerheblich vom Bud

    dhismus der Theravdins,der uns imPli-Kanon berliefertist und

    heute

    vorallemin

    S r i Lanka,

    BurmaundThailandblht.

    D e r

    Thera-

    vda-Buddhismus ist inerster

    Linie

    eine Mnchsreligion,die auf

    Grundlage strikter Einhaltung der monastischen Regel einen

    indivi

    duellen Heilspfad lehrt. Philosophisch hat er eine Orthodoxieher

    vorgebracht, die zur Zeit des Aufkommens desMahynaexklusiv

    geworden war. Die soziale und auf das He i lbezogene Individuali

    sierung spiegelt sich in der Philosophie so wider, da die letzten

    Grundbausteine der Welt ( d h a r m a ) als real gelten, d. h., siebeste

    henewiginPluralittund bringen i n ihren Wechselbeziehungen das

    hervor, was wir Welt nennen. Diessteht aber in einer gewissen

    Spannung zu der urbuddhistischen Intuition von der Impermanenz

    (Pli a n i c c a ) aller Erscheinungen.

    Mahyna sttzt

    sich hingegen stark auf die

    Laien,

    lehrt im

    B o d -

    hisattva-Ideal

    e i n e n u n i v e r s a l e n

    Heilspfad und macht das auch in

    seiner philosophischen Grundhaltungdeutlich:AlleErscheinungen

    35

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    35/253

    sind

    leer in bezug auf Eigenexistenz(s n ya), sie s i n d nur im Wech

    selspiel

    mit allen anderen, d.h. B e z i e h u n g , nicht Substanz ist der

    letzte Begriffder

    Wirklichkeit.

    Dies wirkt sich in der Heilslehre so

    aus, d a der Bodhisattva zwar ebenfalls nach Erleuchtung b z w . dem

    nirvna

    strebt,

    dies

    aber

    in ganz und gar

    a l t r u i s t i s c h e r

    Gesinnung

    tut: Er gelobt, auf den

    Genu

    der

    Frchteseines Strebens

    so lange

    z u

    verzichten, bis alle anderen Wesen

    i m Leid

    des Daseinskreislaufs

    z u r Befreiung gelangt

    sind.Bloindividuelle

    Befreiung kann es an

    gesichts der

    Grundintuition

    der Leere und Beziehung aller

    Erschei

    nungen nicht geben.

    Bereits etwa einhundert

    Jahre

    nach des Buddhas Tod

    knnen

    wir

    erste

    Anstze

    fr die Entwicklungen zum

    spteren Mahyna

    fest

    stellen, und man nimmt an, d a bestimmte Lehren (so etwa auch die

    Lehre von der Leere,

    snyat)

    durchaus auf den Buddha selbst

    zurckgehen knnten. Mahyna grndet

    im

    Pli-Kanon

    und

    erkennt diesen an,

    geht

    aberin Theorie und Praxis

    darber

    hinaus.

    W i r werden an den Texten selbst diesen

    bergang erlutern.

    D e r Buddha widersprach mit seiner

    fltftf#-(Nicht-Selbst)-Lehre

    der Philosophie und Kastengesellschaft des Brahmanismus, in der

    die Welt alsetwasobjektiv Existierendes begriffen worden war, das

    man durch Opferkulte zu eigenen Gunsten beeinflussen konnte.

    A l l

    dies ist fr ihn nicht real, sondern konstruktive Projektion des

    Men

    schen, der dadurch unfrei wird, weilsich die Begriffe zu einer E i

    genwelt verdichten und von derwirklichenWelt abheben, so da

    die

    W irklichkeit

    in einen

    Bereich

    des Geistes und einen

    Bereich

    des

    materiellen Lebens gespalten

    wird,

    ja das

    Bewutsein

    des

    Men

    schen selbst sich in dieser

    Dualitt

    von Subjekt und Objekt gespal

    ten wiederfindet. Die Lehre vom Nicht-Selbst

    wil l

    die Projektion,

    die Selbstentfremdung vermittels

    abstrakter

    Ideen,

    berwinden

    und

    das

    daraus

    resultierende Leiden aufheben.

    I m Buddhismus der

    ersten

    Jahrhunderte wurde dieser kritische

    Ansatz

    mit der

    Entwicklung

    der Orden und der Lehre ( a b h i d h a r m a )

    wieder objektiviert. Die Kategorien bekamen Eigenexistenz, und

    man

    suchte

    wieder nach verbal formulierten

    Mastben,

    um die Au

    torittdes Samghasttzenzuknnen.

    A u s

    einer kritischen Theorie,

    36

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    36/253

    die ursprnglich in Meditationserfahrung begrndetwar und alle

    uereund objektivierte Autorittabgelehnt hatte,war wieder eine

    abgegrenzte Lehre und Position geworden. Dagegen wendet sich

    das

    Mahyna

    mit seiner Lehre von der Leere, die ein fr allemal

    m it

    der Absolutsetzung jeder

    Position

    aufrumen

    wollte.

    Der Besen,

    der das Bewutseinvon der Scheinwelt seiner eigenen Gedanken

    konstruktionen reingefegt hat (also die Lehre von der Leere), darf

    abernun selbst nicht

    brigbleiben,

    denn er ist ebenfalls nicht-sub

    stantiell:

    Das Denken selbst mu zum Schweigen kommen, damit

    die

    W irklichkeit

    sprechen kann, d. h., auch die Lehre von der Leere

    m u

    immer wieder

    entleert

    werden,

    sonst

    hat man die Sache nicht

    erfat.

    Dochauch imMahynaentwickelte sich im Laufe der Jahrhun

    derteeine

    Scholastik.

    Metaphysiker undLogikerrangen um den

    rei

    nen

    Begriff

    und meinten, damit den Dharma, die unbegreifliche

    Wirklichkeit,erfatzu haben. Sie glaubten, inLehrstzenund logi

    schen Ableitungen die

    tatschliche

    Erfahrung der transdualistischen

    Einheiterfassen zuknnen.Lehrpositionen werden nun wieder fr

    absolut gehalten, Begriffe werden >substantialisiert

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

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    Hierarchie von Werten, wenn nur der Symbolcharakter aller Er

    scheinungen tatschlicherfahren

    wird,

    d. h., wenn sie auf die hinter,

    in

    und ber ihnen liegende Nicht-Dualitthinweisen. Dies ist der

    entscheidendePunkt fr die ganzheitliche Praxis imMahyna,in

    der die

    Dualitt

    der Skandhas, d. h. des

    Materiellen,

    der Empfindun

    gen, desBewutseinsusw.berwunden

    wird.

    D ieGeschichte des Buddhismus ist also ein

    stndiger

    Wandel in

    der Spirale zwischen Substantialismus oder Konstruktion der Welt

    in

    rationalenModellenund kritischer Dekonstruktion, die dieRela

    tivitt und den Scheincharakter dieser Modelleerkennt. Whrend

    dogmatische Positionen dazu neigen, Hierarchien aufzubauen, die

    auch im sozialen Leben wirksam sind (die

    Elitereligion

    der Mn

    che),bestehtdie Konsequenz des nicht-substantiellen Denkens in

    der Betonung der Gleichwertigkeit aller Menschen - die Laien

    konnten in gleicher Weise an dem Weg zur Befreiung teilhaben.

    Trotz(odergerade

    wegen) der

    Relativitt

    aller begrifflichen

    Aus

    sagen

    versinkt das

    Mahyna

    nicht in Skeptizismus, sondern ver

    weist auf die tiefste Erkenntnisquelle: die transrationale Erfahrung,

    die durch direkte Einsicht, Meditation und leiblich-psychisch

    mentaleReinigung

    mglich

    ist. Das meditative

    Bewutsein

    ber

    windet die entfremdend-entzweiende Rationalitt,

    ohne

    dieselbe

    zu

    zerstren,denn in ihrem begrenzten, relativen,alltglichenBe

    reich wird

    das rationale Denken

    durchaus

    akzeptiert. Rationalitt

    wird aber

    gefhrlich, wenn sie absolut gesetzt

    wird,

    wenn der

    Menschnicht mehr wei,da sie ein Werkzeug und nicht die Sache

    selbst ist.

    Grundbegriffe

    In

    seinemVorworthatTenzinGyatso, derX I V.

    Dalai

    Lama,

    in

    mei

    sterhafter

    Klarheit und

    Krze

    die Gesamtschau buddhistischer

    Welterfahrung

    dargelegt.

    Seine Bemerkungen sind ein Kompen

    dium

    des

    gesamten

    Buddhismus, dem es nichts

    hinzuzufgen gbe,

    wenn nicht der Leser vielleicht doch einige

    Verstndnisschwierig

    keitenhtte,weilwir es hier mit einer ganz a n d e r e nGeisteswelt als

    38

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    38/253

    der christlich-abendlndischen zu tun

    haben.

    Um die technischen

    Begriffe verstndlich zu

    machen,habe

    ich in Klammern und An

    merkungen

    Erluterungen hinzugefgt, viele Anschauungen und

    Zusammenhnge

    werden

    sich

    aber erst dann

    allmhlich klren,

    wenn

    sich der

    Leser

    in die

    Texte

    der Stras

    selbst

    einfhlt und

    nicht

    nur miteinemvoreingenommenenVerstndnis bei der Lektre Be

    kanntes wiederzuentdecken glaubt, sondern

    gleichsam von

    innen

    her den Geist der Stras zu ersprenbeginnt.Zu viele Vorerklrun

    gen knnten

    hier

    hinderlich sein. Um

    abereinige Wegweiser

    aufzu

    richten,

    mchte ich das UmfeldwenigerzentralerVorstellungen des

    Mahyna-Buddhismus kurz

    beschreiben.

    Grundlage

    des

    Buddhismus

    berhaupt sind, wie der Dalai Lama

    dargelegt hat, die Vier Edlen

    Wahrheiten

    und der Achtfache Pfad

    zur Befreiung aus dem Leiden, der inhaltlich mit dervierten Wahr

    heit

    identisch ist. Bei

    diesen

    vier

    Wahrheitenhandelt

    es sich um

    eine Analyse des Leidens. Esgehtummehrals die selbstverstnd

    liche Vorstellung, da

    Schmerz

    und Vergnglichkeit leidvoll sind.

    Das Problembesteht

    nach buddhistischer

    Auffassung darin, da der

    Mensch dem AugenblickDauerverleihenmchte, da erseinflch

    tiges

    Dasein bertnchen mchte,

    indem

    er sich an

    etwasPerma

    nentes,

    einenfesten Grund hngt, der unabhngig ist vomWerden

    undVergehen.Er mchte Dinge

    besitzen,

    um sich Halt zu

    verschaf

    fen, und

    gaukelt

    sich vor, das Ich sei

    permanent,

    indem es

    seinen

    Wunsch

    nach

    auen auf die Dinge projiziert. Dieser Versuch mi

    lingt

    aber,denn

    die von den Wnschen des Ich

    aufgebaute

    Welt ist

    eine Illusion. Dieses Milingen

    ruft

    eineFrustration

    hervor,

    die

    darin

    besteht,

    da

    unsere ichhaften

    Wnsche und Vorstellungen

    nicht

    Wirklichkeit,

    sondern

    Projektionen

    sind. Das Leiden an

    dieser

    Frustrationist d u h k h a .

    Eine der

    Ursachen

    fr das Leiden ist k a r m a n ,d. h.

    nicht

    ein ber

    uns verhngtes Schicksal,sondernder urschliche

    Zusammenhang

    allenGeschehens

    nicht

    nur in der ueren Welt,sondern

    auch

    im

    moralischen

    Bereich:

    JederGedanke

    und

    jede

    Tat hinterlt

    E in

    drcke im Bewutseinskontinuum, das

    dadurch seinen eigenen

    Charakter

    formt. Diese Eindrcke verlieren sich

    nach

    buddhisti-

    39

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    39/253

    scher Auffassung keineswegs mit dem Tode, sondern sind gleich

    sam eineM atrix,nach deren Vorgaben eineneue

    Einkrperung

    die

    ser

    Bewutseinskrfte

    vollzogenwird.DieandereUrsache fr das

    Leiden

    sind die leidverursachenden Emotionen

    ( k l e s a ) ,

    die direkt

    m i t

    der

    Illusion

    eines permanenten Selbst

    zusamm enhngen .

    Wenn

    nmlich

    der Mensch um der

    Strkung

    und Aufrechterhaltung des

    nur eingebildeten Ich willenseine

    Wnsche

    nach

    auen

    projiziert,

    begehrter die Dinge oderanderePersonen, um sein Ich aufzubauen;

    entspricht

    aber

    die

    W irkl ichkeit

    diesem Begehren

    rga)

    nicht, rea

    giert er mit

    H a

    und

    rger

    ( d v e s a ) . Begehren und

    H a

    sind nurzwei

    Seiten der zugrunde liegenden Unwissenheit

    ( m o h a )

    in bezug auf

    das Nicht-Selbst

    (Pli

    an att), d. h. die nicht

    unabhngige

    Existenz

    eines Ich.

    I c h mchte

    versuchen, dies an einem

    Beispiel

    zu verdeutlichen:

    Eineder Hauptsorgen in

    unserer

    Gesellschaft sind Partnerprobleme,

    die

    entstehen,

    weiljeder der Partner seine Erwartungen,

    Wnsche

    und vorgefertigten

    Bilder

    auf den anderen projiziert und eigentlich

    dochnursichselbst sucht. Er nimmt den anderen nicht so wahr, wie

    er ist. Daraus

    entstehen zunchst

    egozentrisches Begehren, dann

    Frustration, weilder

    andere

    nicht dem Bi ld entspricht, schlielich

    H a

    und Gewalt, die wiederum karmische

    Eindrcke

    hinterlassen.

    Somitwird

    eine Spirale des

    bels

    in Gang

    gesetzt,

    die nach buddhi

    stischer Auffassung nur dann zum Stillstand gebracht werden kann,

    wenn die egozentrische Illusion,

    d a

    das Ich

    i n

    sich selbst

    begrndet

    existiert, aufgegeben wird.

    W a s

    aberist die Person, wenn sie kein

    unabhngiges

    >Ich

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    40/253

    (vijnna).

    Wirknnendies nicht im einzelnen erlutern, sondern

    wollen nur deutlich machen, da hierjede Verdinglichung ver

    mieden

    wird.

    Individuen sindZustndeoder Momente imFludes

    Geschehens, die sich gleichsam in >Punkten< kristallisiert haben.

    W a s

    allem zugrunde liegt, ist der Strom oder das Kontinuum des

    Bewutse ins , das sich selbstverstndlich in stndigem Wandel

    befindet. Individuen sind nichtirreal,die

    Persnlichkeit

    des M e n

    schen ist nicht eine

    Illusion,

    wenn sie in diesem Zusammenhang

    gesehen wird.Wir werden das in denEinfhrungen zu den Stras

    weiter

    erlutern. E s

    kommt nun darauf

    a n ,

    auf

    d e m

    Achtfachen

    Pfad

    voranzuschreiten und das

    Bewutsein

    so zu

    lutern,

    da die

    leid

    verursachenden Emotionen verschwinden und wir dieW irklichkeit

    so wahrnehmen knnen,wie sie ist.

    D e r AchtfachePfad ist: g a n z h e i t l i c h e A n s c h a u u n g (dievol lkom

    men nicht-dualistische Anschauung derBeziehungvonMotivation,

    Handlung

    undWirkung), u n g e t e i l t e r Entschlu (diese Einsicht an

    zuwenden), u n t a d e l i g e Rede (die keine Ich-Projektionen auf die

    Wirklichkeitzult), v o l l k o m m e n e s H a n d e l n i n

    dem die

    ersten

    drei

    Gliederkonkretgebtwerden),

    gleichmige

    A n s t r e n g u n g (in A n

    spannung und Entspannung, so da Gelassenheit entsteht), g a n z

    h e i t l i c h e

    Lebensfhrung (bei der das

    Heilige

    i m

    Alltag

    verwirklicht

    wird),

    unablssige

    A c h t s a m k e i t (durch die alle physischen, psychi

    schen und geistigen

    Vorgnge bewut

    und kontrollierbar werden)

    sowie

    g a n z h e i t l i c h e E i n s w e r d u n g (aller Bewutseinsprozesse im

    Grund

    des Geistes).

    I m Mahynaist dies die Voraussetzung fr die Praxis der Sechs

    Vollkommenheiten

    1

    ,

    von denen in den Texten laufend die Rede ist,

    weil

    sie den geraden Weg des Bodhisattva zur Befreiung beschrei

    ben.Durchdiese Praxis derBewutseinsformung prgtderbende

    seinen Charakter, also die obenerwhntekarmischeMa trix, i n posi

    tiverWeise aus. Dies meint derB egriff p u n y a , der meist mit >Ver-

    dienstpositive Bew utseinsformungVerdienstbertragung

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    42/253

    die EinheitinderVielheiterkennt und damit Weg undZie laus dem

    Leidenskreislaufhinausweiund weist.

    2

    E inwichtiger Unterschied zwischenfrhemBuddhismus und den

    Mahyna-Schulen besteht in der Interpretation von Wesen und

    Funktion

    des Buddha. War er im

    frhen

    Buddhismus ein Mensch

    und Lehrer des Weges, so

    wird

    er imMahynazu einem Wesen,

    das die relative Welt von Raum und Zeit transzendiert. In

    Bildern,

    Vergleichen

    und Lobeshymnen

    wird

    uns davon vor

    allem

    im Lotos-

    Stra und im Avatamsaka-Stra ein starker Eindruck vermittelt.

    Philosophisch hat sich dieser Wandel in der Lehre von den drei

    Krpern

    des Buddha

    trikya)

    niedergeschlagen, die der

    Dalai

    Lamain seinem Vorworterlutert.

    3

    Aus seinen Bemerkungen

    wird

    ersichtlich,

    daes sich hierbei nicht um beziehungslose Spekulation

    handelt, sondern da das Problem direkt mit der Frage nach der

    B e f r e i u n g ,

    also dem

    Sinn

    des buddhistischen Heilspfades

    ber

    haupt,verbunden ist: Das

    Bewutseinskontinuum mu

    fortbestehen

    knnen,

    wenn die Anstrengung der buddhistischen Praxis nicht

    letztlichnichtig seinsoll,ja die Befreiungserfahrung selbst kann nur

    aufdem Hintergrund eines von karmischenEindrckenfreien (und

    damit Raum und Zeit transzendierenden) Bewutseinskontinuums

    erklrtwerden.

    D ie

    Leere

    snyat)

    besteht geradedarin,dasie die

    Durchdringung

    aller Erscheinungen(einschlielichRaum und Zeit)

    ermglicht,

    wie wir

    ausfhrlich

    in den

    Erluterungen

    zur

    Prajn-

    pramit-Literatur

    darlegen werden.

    Weil

    nun der

    Mahyna-Bud-

    dhismus keine idealistische Philosophie ist

    4

    , bleibt das Bewutsein

    immer mit einersehrsubtilen >Trgerenergieleer

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    43/253

    ser Satz verneint, da sie insichselbstbestehendeine letztgltige

    Wirklichkeitwre;

    Leere ist das Wesen, nicht das Gegenteil der

    E r

    scheinungen, seien sie materieller oder auch geistiger

    A r t .

    Deshalb

    spricht derMahyna-Buddhismusvon den subtilenKrpern eines

    Buddha,d. h. eines jeden Wesens, das zur Reife der Buddhaschaft

    gelangt ist. Die drei

    Krper

    beschreiben nicht nur den

    e i n e n

    Buddha,

    sondern die Struktur der

    Wirklichkeit ,

    die wir an diesem

    erleuchteten Wesen erkennen

    knnen.

    Z u r christlich-buddhistischen

    Begegnung

    Whrend

    der letzten

    Jahre

    hat der

    Dialog

    zwischen Christen und

    Buddhisten

    ein

    hohes

    Ma an intellektueller

    Klarheit

    und existen

    tieller

    Tiefe erreicht. Zahlreiche Begegnungen von Theologen und

    Philosophen

    haben dazu beigetragen, auf beiden Seiten das

    Ver

    stndnis

    fr die Anschauungen des anderen zu

    schrfen. Kritische

    Textausgaben und

    Neubersetzungen

    haben das Studium

    wesent

    lich

    erleichtert.

    V o r

    allem

    aber

    ist es der Austausch zwischen

    ben

    den Adepten beider

    Religionen,

    der in die spirituelle Tiefe

    fhrt.

    Zahlreiche

    Christen ben buddhistische Meditationsformen und

    entdecken, da dadurch ihre christliche Glaubenserfahrung reicher

    wird,

    und Buddhisten lernen von der praktischen

    Nchstenliebe

    der

    christlichen

    Nachbarn. Enthusiasmus und Warnungen von beiden

    Seiten treffen aufeinander, und

    i n

    einer solchen Situation ist es sinn

    voll ,

    innezuhalten und nach

    Klarheit

    zu streben, indem man die

    ursprnglichen

    Texte studiert. Wer die folgenden Texte liest, mu

    nicht

    darber

    belehrt werden, wie unterschiedlich die christliche

    u n d

    die buddhistische Geisteswelt sind.

    Hier

    ein

    Schpfergott,

    dort

    das

    k a r m a n - G e s e t z ,

    hier die

    Einsicht

    in die

    Sndhaftigkeit,

    dort der

    Optimismus

    der

    Vernderbarkeit

    und

    Reinigungsfhigkeit

    des

    Menschen,

    hier das Vertrauen in das geschichtlicheHeilswirken

    Jesu

    Christi ,

    dort die geistige Erfahrung, die alles Geschichtliche

    berwindet.

    Weitere Unterschiede

    lieen

    sich

    aufzhlen.

    Gleichzeitig

    aber

    werden auch

    hnlichkeiten

    deutlich. Nikolaus

    v o n

    Kues,

    Meister

    Eckart,die

    Wolke

    desNichtwissens,Teresa von

    44

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    44/253

    Avi la ,Johannes

    vomKreuz,Angelus Silesius - sie alle (und viele

    andere)sprechen von einer Tiefendimension mystischer Erfahrung,

    die buddhistischen Aussagen verblffend hnlichist. ImVergleich

    mit

    buddhistischen Texten werden Aussagen

    besonders

    des Johan

    nesevangeliums in

    neuer

    Weise lebendig, und offenbar

    fhrt

    die Be

    gegnung mit dem Buddhismus zwangslufig in einen Bereich, in

    dem

    unsere

    (wie auch die buddhistischen) theologisch-rationalen

    Begriffe

    >wie Stroh< erscheinen, um Thomas vonAquinzu zitieren,

    der nach einer tiefen inneren Erfahrung am EndeseinesLebens sein

    eindrucksvollestheologisches Werk auf diese Weise charakterisiert

    haben

    soll.

    Dasbedeutetnicht, da die buddhistisch-christliche Begegnung

    nur in schweigender Meditationsinnvoll wre. Gewi,dies ist der

    Kern .

    AberBuddhisten und Christen haben ihre Erfahrungen immer

    wieder interpretiert, nicht nur um sie anderen zu vermitteln, sondern

    um

    sich ihrer bewut zu werden. Diese Interpretationen hngen

    vom

    religisen

    Kontext ab, und sie

    >frbenDreiKrb e derLiteratur bezeichnet,weil er sich in

    drei

    Abteilun

    gen

    gliedert:

    die

    Predigten

    des

    Buddha

    (stra),

    die

    Verhaltensre

    geln, vor allem die Mnchsregel ( v i n a y a ) , und die systematische

    Darstellung

    der

    Lehre

    ( a b h i d h a r m a ) . Strabedeutet wrtlich >Fa-

    den

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    47/253

    Lehre zum Tragen, der von der Gruppe, die sich umdiesesStra

    gebildet

    hatte,

    frbesonderswichtig gehalten wurde.

    DieTexte sind nicht nach ihrer zeitlichen Reihenfolge

    angeordnet

    (die Datierung lt sich ohnehin nicht genau angeben), sondern

    nach der inneren

    Logik,

    die

    jene

    Zentralgedanken in einem Stufen

    weg erscheinen

    lt,

    der den Weg des

    Mahyna-Buddhisten

    in sei

    ner Dharma-Praxis selbst beschreibt. Da die Aspekte des Weges

    gleichzeitiggebtwerden und einander durchdringen, htte gewi

    auch die Prajnpramit-Literaturvor dem Avatamsaka-Stra

    ste

    hen knnen, denn der inneren Schau in die gegenseitige Durch

    dringung aller Erscheinungen

    geht

    die Einsicht in die Leere voraus,

    oderbesser:sie ist nur ein

    anderer

    Aspekt ein und derselben Sache.

    Dennoch schien der Weg vonglubigerVerehrung berdie Suche

    beiden Meistern auf einem Meditationspfad, der nach innen fhrt

    und im Erwachen zur Weisheit gipfelt, sowohl dem buddhistischen

    Selbstverstndnisambestenzuentsprechenals auch fr den

    Chri

    sten

    am

    ehesten

    nachvollziehbar zu sein. Der buddhistische Weg

    endet

    freilichnicht in der Einheitsschau oder irgendeiner Art von

    weltferner geistiger Erfahrung, sondern in der Bewhrung in der

    Welt,wieVimalaklr t i ,der weise Familienvater und Lehrer, im V i -

    malakirti-Straauch dieMnchehumorvoll undeindrcklichlehrt.

    Dieses Straist spter

    entstanden,

    bringt

    aber

    die wichtige prakti

    sche

    Verwirklichung

    des Dharma im

    A ll tag

    so deutlich zur Sprache,

    daes als Abschluder Darstellung keinengeeigneterenText ge

    ben kann:Hierwerden die Weisheit der Leere prajn) und die

    Ver

    wirklichung in allen Situationen des Lebens durch geeignete

    Methoden upya) tatschlich in ihrer Einheit anschaulich dar

    gestellt.

    Leider

    sind viele

    Mahyna-Texte

    nicht im Sanskritoriginal er

    halten.A lsim 12. Jh. n. Chr. der Buddhismus in Indienverfiel,wur

    den die groen Klosteruniversittenund Bibliotheken(Zerstrung

    von Nland

    1197, von Vikramasila 1203) von muslimisch-trki

    schen Eroberern dem Erdboden gleichgemacht. Dies istabernicht

    der einzige Grund fr den Untergang des Buddhismus in Indien: Er

    war schon

    lngst

    kraftlos geworden,

    weil

    er trotz der Laienbewe-

    48

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    48/253

    gungen im wesentlichen eine monastische Religion geblieben war

    und

    gleichzeitigviele seiner Lehren und Methoden in den

    Hinduis

    mus integriert werden konnten. Das System desAdvaita Vednta,

    philosophischvertreten vor allem von Samkara, 788 - 850 n. Chr.,

    ist

    ein

    Beispiel

    dafr.

    Nur Fragmente oder

    sehr

    spte

    Manuskripte

    sind

    also in Sanskrit erhalten, whrenddiebersetzungenins

    C h i

    nesische und Tibetische als erstklassige Quellen des Mahyna

    angesehenwerden

    knnen,

    die allerdings durch den Geist derber

    setzer

    modifiziert wurden.

    Den hier abgedruckten Abschnitten aus dem Lotos-Stra Sad-

    dharmapundanka-stra)

    liegt die chinesische

    bersetzung Kum-

    rajivas zugrunde, der Text wurde aus dem Chinesischen von Dr.

    Margareta von

    Borsig

    (Mnchen) bersetzt. Die Abschnitte aus

    dem A v a t a m s a k a

    - S t Y d i

    wurden von Prof. Torakazu

    Do i

    (Kyoto,ge

    storben 1971) aus dem Chinesischen ins Deutschebersetzt,einige

    Hinweisezu dieserbersetzungfindensichin derEinfhrungzum

    Tei l

    II. Der Text aus dem

    Pancavimsatishasrik-prajnpramit-

    Stra wurde von Dr.Heinz Braun (Gttingen) aus dem Sanskrit

    nach einem Text aus dem 5. Jh. n. Chr. ins Deutsche bertragen,

    wobei

    auch die kritische Ausgabe und die englische

    bersetzung

    Edward Conzes herangezogen wurden. Das

    Prajnpramithr-

    daya-Slvz wurde von mir aus dem Sanskrit nach der kritischen

    Ausgabe von Edward Conze

    bertragen.

    Das

    V i m a l a k i r t i - n i r d e s a -

    Stra

    wurde nach dem tibetischen Text

    im

    Kanjur

    (bersetzung

    von

    Dharmatsllaaus dem 9. Jh.), den Sanskritfragmenten inSntidevas

    Sikssamuccaya und CandraklrtisPrasannapad sowie den

    ber

    setzungen von Etienne Lamotte ins

    Franzsische

    und Robert

    A .

    F.

    Thurman ins Englische von Dr. Jampa Panglung Rinpoche(Mn

    chen) und mir

    bersetzt,

    wobei zur

    berprfung

    auch die von La

    motte

    angefhrten

    Sanskritparallelen herangezogen wurden. Das

    Vorwort

    desDalaiLama wurde von mir aus dem Englischenber

    tragen.Diebersetzungenversuchen,sichsogetreuwiemglichan

    die Originaltexte zu halten, weshalb wir auch von dem

    Versuch,

    das

    Versma der Texte wiederzugeben, weithin Abstand genommen

    haben.

    Gleichzeitig

    mute

    aber

    die

    Verstndlichkeit

    fr den

    reli-

    49

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    49/253

    gionswissenschaftlich nicht geschulten Leser

    oberstes

    Prinzip sein,

    das fr diebersetzungenselbst magebendwar. Wiederholungen

    mutenoft weggelassen und Begriffe umschrieben werden. Die von

    mir hinzugefgten Ergnzungen

    in Klammern oder

    Erluterungen

    in

    Funoten

    dienen nur einer

    ersten

    Orientierung,

    ohne

    die der

    Text oft unverstndlich bleiben wrde, sie beanspruchen aberin

    keiner Weise, die Kriterieneineswissenschaftlichen Kommentars

    zu erfllen.

    Allenbersetzernsowie auch demMnchdes tibetischen Gaden-

    Shartse-Klosters inSdindien,Ven .ChemeTsering,der die Vignet

    ten gezeichnet hat,

    mchte

    ich

    sehr

    herzlich fr ihre Mitarbeit dan

    ken. Besonderer Dank gilt S.H .dem X I V. DalaiLama fr das

    Vor

    wort und viele Stunden, in

    denen

    er mir imGesprchdie Geistes

    welt des Mahyna-Buddhismus erschlossen hat. Herrn Dr. H e l l

    muth Hecker von der Buddhistischen Religionsgemeinschaft in

    Deutschland (Hamburg) sowie Geshe Thubten Ngawang und Chri

    stoph Spitz vom Tibetisch-Buddhistischen Zentrum in Hamburg

    mchte ich fr wertvolle Hinweise danken. Geshe Thubten hat

    freundlicherweise auch die tibetischenKalligraphien geschrieben.

    Mge dieser Band das Verstndnis zwischen Buddhisten und

    Christen

    frdern,undmgenchristliche Leser durch dieLektreer

    mutigt werden, in der ihnengemenWeise undunterder Inspira

    tion

    durch

    unsere

    buddhistischen Partner den Weg zu dem

    Ziel

    zu

    gehen, das uns allen gemeinsam bestimmt ist.

    50

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    50/253

    Tei l l

    GlubigeVerehrung

    Lotosblume.

    Symbol

    der Reinheit und Vollkommenheit.

    51

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    51/253

    Aus dem Lotos-Stra

    bersetztvon Margareta vonBo rsig

    Einfhrung

    Das Lotos-Stra

    oder, mit seinem

    vollstndigen T i tel ,

    S a d d h a r m a -

    pundarika-stra

    (>Stra

    vom

    weien

    Lotos des wahren Dharmadie

    Bibel Ostasiens< in

    China

    und Japan eine

    Wir

    kung

    entfaltet hat, die bis

    heute

    unvermindert

    anhlt,

    sondern vor

    allem, weiler einer der frhesten Texte ist, die Zeugnis von dem

    neuen Geist ablegen, der den Buddhismus

    wohl

    bereits schon ein

    Jahrhundert nach dem Tod des Buddha zu erfassen begann: dem

    Geist

    des Mahyna. Kaumein

    anderer

    Text erfreut sichin der ge

    samten buddhistischen Welt bei Laien wie bei Mnchen derartig

    groer

    Beliebtheit.

    Das

    Lotos-Stra

    wurde bereits im

    Jahre

    286 n.

    Chr.von Dharmaraksa ins Chinesischeb ersetzt,und dasbedeutet,

    dader Text schon lange vor diesem Zeitpunkt zusammengestellt

    gewesen sein

    mu ,

    ja

    da

    die

    m ndliche berlieferung wohl

    einige

    Jahrhunderte

    zurckreichen knnte.Wahrscheinlichgehen die ein

    drucksvollen

    Gleichnisreden auf frheste buddhistische berliefe

    rung

    zurck,

    und es ist

    mglich,

    da sie den Predigten des Buddha

    selbst entnommen sind und in einer von den etablierten Mnchs

    orden unabhngigen Laien-berlieferung aufbewahrt wurden. Die

    meisten Indologen nehmen an,

    da

    der Text

    im

    1. Jh. n.

    Chr .

    schrift

    lich fixiert war, wenn auch in einerForm,die immer wieder vern

    dert

    wurde, wiew iran den verschiedenen chinesischen bersetzun

    gen aus dem Sanskrit ablesen

    knnen.

    Nehmen

    w ir

    das 1. Jh.

    n.Chr.

    als Entstehungszeit an, so

    bedeutet

    dies, da das

    Stra

    fast

    gleich

    zeitig mit dem Pli -Kanon, dem Tripitaka, niedergeschrieben

    wurde, wobei diese Schriften

    freilich

    ebenfalls eine lange

    mnd-

    52

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    52/253

    liehe

    berlieferungsgeschichte

    hinter sich

    hatten,

    bevor sie schrift

    lichniedergelegt wurden. Jedenfalls kann man aus dieser

    Chronolo

    gieersehen,da vom

    Alter

    her gesehender Text des Lotos-Stra

    nicht weniger authentisch ist als der

    Pli-Kanon

    der

    Theravdins,

    und es begegnen uns in beiden Schriftenreihen ganz verschiedene

    Interpretationen der Lehre des Buddha, die man unterschiedliche

    Paradigmen nennen kann, wei l sie die Gesamtheit der Ansichten

    berdenKosmos,den Menschen, das Leben, den Heilspfad und die

    Rolle

    des Buddha betreffen.

    KumrajlvasText

    Der

    hier

    bersetzte

    Text

    beruht

    auf der chinesischen

    bersetzung

    Kumrajlvasvon 406n. Chr.aus dem Sanskrit.Kumrajlvawar der

    Sohn

    eines indischen Brahmanen und einer zentralasiatischen Prin

    zessin

    aus Kucha.Er hat nicht nur dieses

    Strabersetzt,

    sondern

    im

    Auftrag des chinesischen Hofes von Ch'ang-an Hunderte von

    buddhistischen Texten bertragen,nichtallein,sondern mit einem

    Stab vonwohlbis zu eintausend Mitarbeitern.

    Kumrajlva

    kannte

    nicht nur den Buchstaben, sondern auch den Geist der

    R eligion,

    die

    er durch seine einzigartige Leistung inChinaverbreiten half, von

    innen her. Aus diesem Grund und weil seine Sanskritvorlage

    lter

    istals die der

    ersten

    bersetzung

    durch Dharmaraksa,

    geniet

    sein

    Textbis

    heute

    besonderesAnsehen.

    1

    Der

    Text desStrabestehtaus Versen gths) und Prosa, wobei

    die Verse

    lter

    sind.Die Prosa wiederholt,

    erlutert

    und interpretiert

    zum Tei lauch die Verse in

    neuer

    Weise.Dennoch sind beide For

    men fast identisch, und man knnte jeweils einen Verstext und

    einen Prosatext erstellen, wobei beide den

    gesamten

    geistigen Ge

    halt desLotos-Strawiedergeben wrden.Einen Verfasser kennen

    wir

    nicht, und da es sich um die Sammlung von Texten aus alter

    mndlicher

    Tradition handelt, die von vermutlich mehreren Re-

    1 Zur

    WirkungsgeschichtC

    d e s Lotos-Strain China undJapanund zur

    Geschichte

    der ber

    setzungen

    in

    europische

    Sprachen

    seit

    dem 19. Jh. vgl. M. v. Borsig,

    Leben

    aus der

    Lotosblte

    (s.

    Literaturverzeichnis).

    53

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    53/253

    daktoren zusammengestellt wurden,

    wre

    e i n Verfasser auch gar

    nicht zu benennen. Die endgltigeRedaktion des Sanskrittextes des

    Stra,

    wie erKumrajlva vorlag,knnteim 2. Jh. n. Chr. in Gan-

    dhra

    (Nordwestindien) erstellt worden sein.

    Charakter desStra

    Das

    Lotos-Stra

    ist ein Meisterwerk mytho-poetischer

    Vision.

    Es

    ergeht

    sich,

    wie

    sonst

    in vielenMahyna-Strasder Fal l ,kaum in

    lehrmigenDiskursen, sondern konzentriert sich ganz aufdie Per

    son des Buddha. Wer ist dieser Erleuchtete? Ein

    gewhnlicher

    Mensch,dem es gelungen ist, das Seinaus denAngelnzuheben

    (R .Guardini) und zu einer allesMenschlichesprengenden Erleuch

    tung durchzubrechen, oder ein Gott in Menschengestalt? DieseFra

    gen waren nicht neu,abersie werden imLotos-Strainbesonderer

    Weisebeantwortet.

    Das liegt an der

    Tradition,

    aus der es hervorge

    gangen ist.

    W ir

    haben allen Grund anzunehmen,

    da

    das

    Stra

    nicht

    inMnchskreisenentstanden

    ist, sondern von und fr

    Laien

    berlie

    fert wurde. Wie wir aus anderen Quellen wissen,

    entstand

    schon

    kurznach dem Tode des Buddha eine

    Laienfrmmigkeit,

    die ihr

    Zentrum in der Reliquienverehrung des Buddhahatteund als

    B u d -

    dhayna von KaiserAsoka(ca. 268-232 v. Chr.)gefrdert wurde.

    Fr

    die

    Laienanhnger

    des Buddha konnte weder die komplizierte

    Mnchsregel

    noch das intensive Studium der

    Meditation

    einen Weg

    weisen. Was warnatrlicher,alsd aman

    sich

    - auch gegen die

    aus

    drcklicheEmpfehlung GautamaSkyamunisselbst - an dasGreif

    bare

    hielt und seine sterblichen

    berreste

    in den

    stpa

    brachte, der

    als Reliquienschrein die dauernde Gegenwart des Erleuchteten

    symbolisierenkonnte? Bedingungsloses Vertrauen

    gegenber

    dem

    Buddha,

    ja Verehrung undLiebe,das waren die Charakteristika die

    ses >Fahrzeugs

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    54/253

    eilen Krper rpa-kya) und dem absoluten, ungreifbaren und

    unvorstellbaren Transzendenzkrper(dharma-kya), der zwar nicht

    dem bloen sinnlichen Auge, wohl aber dem durch Glaube und

    Liebegereinigten inneren Auge erscheinen konnte, das am Stpa

    immerhineinen festen Anhaltspunkt

    hatte.

    Spter

    nannte

    man die

    sen Aspekt denSeligkeitskrperdes Buddha

    (s ambhoga-kya),

    und

    genau dies ist derBereich,in dem die theophanieartigen Manifesta

    tionen und spirituell-symbolischen Imaginationen, von

    denen

    das

    Lotos-Straerzhlt,anzusiedeln sind.

    DasganzeLotos-Straist in diesem Sinn ein spirituelles Drama.

    D e r

    Buddha predigt, wie so oft, auf dem Geierberg bei Rajagrha,

    einem Ort i nNordindien,der noch

    heute

    besuchtwerden kann. Aber

    dieser Ort verwandelt sich gleich zu Beginn desStraund dann vor

    allemim 1 1 . und 16.

    Kapitel

    in den Knotenpunkt der geistigen Welt.

    E r ist die a x i s m u n d i , die alle irdischen und himmlischen Wesen

    umkreisen, ja das Reine Land, ein Bereich der Seligen, in dem irdi

    sches

    Leid

    und alle Versuchungen des Daseins so gering sind, da

    die bung des Dharma

    ohne

    Schwierigkeiten vollzogen und im

    Vertrauen auf den Buddha die Erleuchtung sofort erlangt werden

    kann.

    Vielleicht

    reflektiert dieser Hinweis im Lotos-Stra eine

    Frhformdes Buddhismus des Reinen Landes, der spterin China

    und Japan dominierend wurde. Der Buddha ist hier umgeben von

    vielen

    anderen

    Buddhas aus

    anderen

    Weltzeitaltern und

    anderen

    Welten. F r

    den Buddhisten gibt es ja nicht nur einUniversum,son

    dern unzhlige,undjedeshat seineeigenen Buddhas und Buddha-

    Genealogien

    ( g o t r a ) ,

    damit kein Bereich derunermelichenWelten

    ohne

    denrettendenErleuchtungsstrahl bleibt. Wie in den frhbud

    dhistischen 7//:-Erzhlungen werden all diese vorherigen und

    kommenden Wesen als

    andere

    Manifestationen ein und desselben

    Buddhaangesehen,der hier und jetzt auf dem Geierberg spricht.

    DasLotos-Straerhebtsich in seiner berweltlichenSchauber

    alleraum-zeitlichen Schranken, die dem menschlichen Bewutsein

    i m Normalzustandgesetztsind - alle diese Welten und Zeiten sind

    f r den im meditativen Zustand verweilenden Buddha zu einer

    groen Einheit zusammengeschmolzen, zu einer mythischen Iden-

    55

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    55/253

    tittaller Wesen undZeiten,die die kosmische Harmonie offenbart.

    I n

    der schon

    erwhnten groen

    Visiondes 16.

    Kapitelswirderzhlt,

    d a

    der Buddha

    i m

    Stpawahrhaft lebendig ist und mitten

    unter

    den

    Glubigenweilt. Er teilt seinen Sitzmit dem Buddha des vorigen

    Zeitalters und identifiziert sich also mit der Vergangenheit. Gegen

    wart und Vergangenheit fallen zusammen, doch die Zukunftsteht

    noch aus. Die jetzige Zeit gleicht einem apokalyptischen Schau

    spiel,und esgilt,den Dharma im Vertrauen auf

    seine

    Wahrhaftig

    keitgegen alle Anfeindungen von innen undauenzu verteidigen.

    S o

    schwelgt dasStranicht

    i m

    reinberw elt lichen,sondern hat ein

    ganz konkretes, religionspolitisches

    Z ie l :

    Es

    wi l l

    das

    e i n e

    Fahrzeug

    ekayna)lehren, das alleanderen i n sich aufnimmt, damit dieSpal

    tungen in der buddhistischen Bewegung aufhren und die kosmi

    sche

    Ordnung auch in der Geschichte des Menschen Gestalt ge

    winnt.Es istkein

    Zu fall,

    d a dasLotos-Straimmer wieder und bis

    heute

    politische Reformbewegungen im Buddhismus inspiriert hat,

    allen

    voran

    Nichiren

    (1222-1282) in Japan, der wie kein

    anderer

    den chiliastischen Geist

    diesesStra

    hervorgehoben hat.

    DasgroeThema des Lotos-Straist also das

    e i n e

    Fahrzeug, in

    dem alle zusammengefat werden

    knnen.

    Lehrunterschiede oder

    Differenzen

    in der Praxis

    (Mnchsregel

    und Meditation) sind se

    kundr,wenn der Buddha inglubigemVertrauen angerufen

    wird

    und die Menschen sich als

    seine

    Shne

    erkennen, die er

    entspre

    chend ihren jeweils unterschiedlichen Begabungen und Neigungen

    beschenkt hat.

    Al le

    Lebewesen besitzen die Eigenschaften, die zur

    Erlangung

    der Buddhaschaft notwendig sind.

    Das Wesen des Buddha

    Hierfindet nun eine

    interessante

    Entwicklungstatt:Nach Auffas

    sung der

    frhbuddhistischen

    Schulen,

    besonders

    der

    Theravdins,

    war der historische Buddha am EndeseinesLebens um Mitternacht

    i n

    einen Zustand tiefer meditativer Absorption versunken, bei Ta

    gesanbruch

    trat

    er dann ins

    parinirvna

    ein und erlosch. Als der

    Stpa-Kult

    aufkam, wurde diese Zeitspanne auf

    onen

    ausge-

    56

  • 7/17/2019 WEISHEIT Der Leere - Dalai Lama

    56/253

    dehnt

    - man glaubte, da der Erleuchtete im

    Stpa

    weiterlebt und

    m i t Gtesowie wachsamen Auges dieGlubigenund diegesamte

    Weltbeschtzt.

    2

    ImLotos-Stra erklrtder

    Buddha,

    d a er nach sei

    nem Tod in einem anderen Bereich des Kosmos oder einer anderen

    Welt

    Buddha werden

    w ird:

    Sein

    Bewutseinskontinuum

    wirkt

    dem

    nach also in

    anderer

    inkarnierter Form fort. Im frhen Mahyna

    spricht man von Buddha-Genealogien oder Buddha-Familien

    ( g o t r a ) , zu denen die Lebewesen gehren; wird sich ein Mensch

    dieser Verwandtschaftbewut,d. h., erkennt er>seinenVater< an und tritt in Beziehung zu ihm, so ist der Weg zur Er

    leuchtung

    frei.

    Es handelt sich um eine

    Frmmigkeit

    inniger

    Bezie

    hung, die im Glauben verw