Weitere Reformschritte sind in der GKV unabweisbar notwendig

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D.Thomae Weitere Reformschritte sind in der GKV unabweisbar notwendig Damit die posiven Effekte des Wettbe- werbs zum Tragen kommen, muß die Autonomie der einzelnen Krankenkas- sen und ihrer Verbände weiter gestärkt werden. Gesetzliche Vorgaben zum gemeinsamen einheitlichen Handeln der gesetzlichen Krankenkassen müs- sen deshalb abgebaut werden. Eben- so ist der Verzicht auf staatliche Ge- nehmigungsvorbehalte in einem wett- bewerblich orientierten System uner- läßlich. Krankenkassen,die im Wettbewerb stehen, kann nicht dauerhaft zugemutet werden, daß sie ihre Mitbewerber in er- heblichem Maße mitfinanzieren. Der bundesweite Risikostrukturausgleich muß deshalb auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Es ist wichtig, daß der Wettbewerb nicht nur zwischen den gesetzlichen Krankenkassen funktio- niert, sondern auch zwischen gesetzli- cher und privater Krankenversiche- rung. Beide Systeme basieren auf unter- schiedlichen Berechnungsgrundlagen. Die PKV hat den Vorteil, aufgrund ihrer Kalkulation Altersrückstellungen zu bilden, die die Folgen der demographi- schen Entwicklung zumindest abmil- dern. Eine höhere Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze halten wir für falsch. Dr. Dieter Thomae Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Gesundheit der F.D.P. dizinische Versorgung erhalten. Es geht darum, Anreize für eine verantwor- tungsbewußte Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zu setzen, ohne daß Versicherte hierdurch von einer medizinisch notwendigen Betreuung ausgeschlossen werden. Wer will, daß auch in Zukunft Hochleistungsmedizin für jeden Versicherten unabhängig von seinem Einkommen zur Verfügung steht, wenn er sie braucht, der muß die- sen Weg mitgehen. Wer aber verantwortlich handeln soll, braucht dafür die nötigen Informa- tionen. Die Kostenerstattung bietet Pa- tienten und Leistungsanbietern ein Höchstmaß an Transparenz über die in Anspruch genommenen Leistungen und ihre Preise. Sie soll deshalb überall dort zur Anwendung kommen, wo das sozialverträglich möglich ist. Das medizinisch Notwendige soll von der Solidargemeinschaft getragen werden, ohne daß die Gesundheitsver- sorgung zu steigenden Lohnzusatzko- sten führt. Das läßt sich durch eine Festschreibung des Arbeitgeberanteils erreichen. Damit verhindert man, daß steigende Gesundheitsausgaben auto- matisch höhere Belastungen des Fak- tors Arbeit nach sich ziehen. Steigende Gesundheitsausgaben können Aus- druck individueller Präferenz sein, dür- fen dabei aber nicht die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft negativ beeinflussen. Die Flexibilisierung des Vertrags- rechts muß weiter fortgesetzt werden. Mit der dritten Stufe der Gesund- heitsreform hat ein unverzichtbares Umsteuern im deutschen Gesundheits- system begonnen. An die Stelle von Budgetierungen treten Regelungen, die die Verhandlungen über leistungsge- rechte Vergütungen für qualitativ hoch- wertige Gesundheitsleistungen vorse- hen. Die Vorstellung, daß der Staat alles besser regeln könne als diejenigen, die im Gesundheitsbereich arbeiten, hat sich überlebt. Der Selbstverwaltung ist deshalb eine sehr viel größere Verant- wortung übertragen worden. Ob die ergriffenen Maßnahmen je- doch ausreichen werden, die zukünfti- gen Herausforderungen ohne weitere Reformschritte zu bewältigen, muß be- zweifelt werden. Die Leistungen der so- zialen Sicherungssysteme sind Stück für Stück mit Aufgaben und Erwartun- gen überfrachtet worden, die nun ange- sichts der demographischen Entwick- lung, des medizinischen Fortschritts und der sinkenden Lohnquote nicht mehr ohne weiteres erfüllbar sind.Wei- teres Umsteuern ist unvermeidlich. Die Absicherung der wesentlichen Krankheitsrisiken und Kosten, die den einzelnen überfordern, muß das Soli- darsystem weiterhin leisten. Mehr kann es aber nicht. Die Devise der Zukunft muß heißen: So viel Freiraum und Wett- bewerb wie möglich zum Nutzen der Patienten, und nicht: staatlicher Dirigis- mus, Listenmedizin und Budgetierung. Auch in Zukunft soll jeder Bürger im Krankheitsfall die notwendige me- | Der Internist 11·98 M 268

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D.Thomae

Weitere Reformschritte sindin der GKV unabweisbar notwendig

Damit die posiven Effekte des Wettbe-werbs zum Tragen kommen, muß dieAutonomie der einzelnen Krankenkas-sen und ihrer Verbände weiter gestärktwerden. Gesetzliche Vorgaben zumgemeinsamen einheitlichen Handelnder gesetzlichen Krankenkassen müs-sen deshalb abgebaut werden. Eben-so ist der Verzicht auf staatliche Ge-nehmigungsvorbehalte in einem wett-bewerblich orientierten System uner-läßlich.

Krankenkassen, die im Wettbewerbstehen, kann nicht dauerhaft zugemutetwerden, daß sie ihre Mitbewerber in er-heblichem Maße mitfinanzieren. Derbundesweite Risikostrukturausgleichmuß deshalb auf ein vernünftiges Maßreduziert werden. Es ist wichtig, daßder Wettbewerb nicht nur zwischen dengesetzlichen Krankenkassen funktio-niert, sondern auch zwischen gesetzli-cher und privater Krankenversiche-rung. Beide Systeme basieren auf unter-schiedlichen Berechnungsgrundlagen.Die PKV hat den Vorteil, aufgrund ihrerKalkulation Altersrückstellungen zubilden, die die Folgen der demographi-schen Entwicklung zumindest abmil-dern. Eine höhere Beitragsbemessungs-und Versicherungspflichtgrenze haltenwir für falsch.

Dr. Dieter ThomaeVorsitzender des Bundestagsausschussesfür Gesundheit der F.D.P.

dizinische Versorgung erhalten. Es gehtdarum, Anreize für eine verantwor-tungsbewußte Inanspruchnahme vonGesundheitsleistungen zu setzen, ohnedaß Versicherte hierdurch von einermedizinisch notwendigen Betreuungausgeschlossen werden. Wer will, daßauch in Zukunft Hochleistungsmedizinfür jeden Versicherten unabhängig vonseinem Einkommen zur Verfügungsteht, wenn er sie braucht, der muß die-sen Weg mitgehen.

Wer aber verantwortlich handelnsoll, braucht dafür die nötigen Informa-tionen. Die Kostenerstattung bietet Pa-tienten und Leistungsanbietern einHöchstmaß an Transparenz über die inAnspruch genommenen Leistungenund ihre Preise. Sie soll deshalb überalldort zur Anwendung kommen, wo dassozialverträglich möglich ist.

Das medizinisch Notwendige sollvon der Solidargemeinschaft getragenwerden, ohne daß die Gesundheitsver-sorgung zu steigenden Lohnzusatzko-sten führt. Das läßt sich durch eineFestschreibung des Arbeitgeberanteilserreichen. Damit verhindert man, daßsteigende Gesundheitsausgaben auto-matisch höhere Belastungen des Fak-tors Arbeit nach sich ziehen. SteigendeGesundheitsausgaben können Aus-druck individueller Präferenz sein, dür-fen dabei aber nicht die internationaleWettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftnegativ beeinflussen.

Die Flexibilisierung des Vertrags-rechts muß weiter fortgesetzt werden.

Mit der dritten Stufe der Gesund-heitsreform hat ein unverzichtbaresUmsteuern im deutschen Gesundheits-system begonnen. An die Stelle vonBudgetierungen treten Regelungen, diedie Verhandlungen über leistungsge-rechte Vergütungen für qualitativ hoch-wertige Gesundheitsleistungen vorse-hen. Die Vorstellung, daß der Staat allesbesser regeln könne als diejenigen, dieim Gesundheitsbereich arbeiten, hatsich überlebt. Der Selbstverwaltung istdeshalb eine sehr viel größere Verant-wortung übertragen worden.

Ob die ergriffenen Maßnahmen je-doch ausreichen werden, die zukünfti-gen Herausforderungen ohne weitereReformschritte zu bewältigen, muß be-zweifelt werden. Die Leistungen der so-zialen Sicherungssysteme sind Stückfür Stück mit Aufgaben und Erwartun-gen überfrachtet worden, die nun ange-sichts der demographischen Entwick-lung, des medizinischen Fortschrittsund der sinkenden Lohnquote nichtmehr ohne weiteres erfüllbar sind. Wei-teres Umsteuern ist unvermeidlich.

Die Absicherung der wesentlichenKrankheitsrisiken und Kosten, die deneinzelnen überfordern, muß das Soli-darsystem weiterhin leisten. Mehr kannes aber nicht. Die Devise der Zukunftmuß heißen: So viel Freiraum und Wett-bewerb wie möglich zum Nutzen derPatienten, und nicht: staatlicher Dirigis-mus, Listenmedizin und Budgetierung.

Auch in Zukunft soll jeder Bürgerim Krankheitsfall die notwendige me-

| Der Internist 11·98M 268