Wenn der „Vorsteher“ die Harnblase bedrängt

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Benignes Prostatasyndrom Wenn der „Vorsteher“ die Harnblase bedrängt _ Die gutartige Prostatavergrößerung ist eine sehr häufige Erkran- kung des älter werdenden Mannes und kann zu unterschiedlichen Symptomen führen. Man unterscheidet dabei einerseits Störungen der Harnblasenspeicherung, die sich in häufigem Harndrang bei Tag und Nacht sowie durch plötzlich auftretenden, schwer zu unterdrü- ckenden Harndrang äußern, und andererseits Störungen der Harn- blasenentleerung wie schwacher Harnstrahl und Restharn. Diese Symptome werden im deutschsprachigen Raum unter dem Sammel- begriff „Benignes Prostatasyndrom“ (BPS) zusammengefasst. Für das Zustandekommen solcher Beschwerden ist jedoch nicht im- mer eine vergrößerte Prostata verantwortlich. Speicherstörungen – typisch für einen Harnwegsinfekt der Frau – treten auch häufig bei Männern nach transurethraler Resektion der Prostata auf, d. h. in Ab- wesenheit der Prostata. Dies hat zur Erkenntnis geführt, dass die Prostata nicht allein als Ursache für Beschwerden des unteren Harn- traktes in Frage kommt, sondern dass gerade pathologische Verän- derungen der Harnblase hier eine wesentliche Rolle spielen könn- ten. Diese Zusammenhänge werden im ersten Schwerpunktbeitrag näher erläutert. Die Therapie eines Patienten mit BPS ist abhängig von Ausprägung und Art der Symptome und erfolgt in den meisten Fällen durch die Verordnung eines Medikamentes. Ein gutes Verständnis der Patho- physiologie von Symptomen des unteren Harntraktes ist daher wich- tig für die Wahl des geeigneten Präparates. Die Zahl der verfügba- ren Medikamente hat sich in den letzten Jahren erhöht. Standen neben den pflanzlichen Medikamenten lange Zeit lediglich α1- Rezeptorblocker („Alpha-Blocker“) und 5α-Reduktase-Inhibitoren zur Verfügung, gibt es heute eine Reihe von neuen Substanzgrup- pen, die bei der Therapie des BPS zugelassen sind. Darüber hinaus wird die Kombination verschiedener Substanzen getestet. Dadurch soll eine verbesserte, individuelle Therapie ermöglicht werden. Anticholinergika, die aus der Therapie der überaktiven Blase („Reiz- blase“) bekannt sind, werden heute auch bei BPS und ausgeprägten Harnblasenspeicherstörungen genutzt. Sie wirken auf Muskarin- rezeptoren, v. a. in der Harnblase, und entspannen dabei die Harn- blasenmuskulatur. Dies führt zu einer Verbesserung der Speicher- störung. Anticholinergika werden häufig mit α1-Rezeptorblockern kombiniert. Aus der Therapie der erektilen Dysfunktion bekannte Hemmstoffe der Phosphodiesterase 5 (PDE5-Inhibitoren) wurden kürzlich in der Indikation BPS getestet. Randomisierte, kontrollierte Studien haben daher zur Zulassung des ersten PDE5-Inhibitors geführt. Weitere Substanzen wie β3-Agonisten, die gerade in der Zulassung für die überaktive Blase stehen, werden zur Zeit auch bei Patienten mit Blasenauslassobstruktion untersucht und stehen möglicherweise in naher Zukunft für den behandelnden Arzt zur Verfügung. Die beiden vorliegenden Schwerpunktbeiträge sollen einen fundier- ten Überblick über Pathophysiologie und medikamentöse Therapie des BPS bieten. Vergrößerte Prostata in der intravenösen Urografie (IVU). © SCIENCE PHOTO LIBRARY / Agentur Focus 34 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (14) Autor Zusatz Schwerpunkt FORTBILDUNG Benignes Prostatasyndrom 35 _ Ätiologie und Diagnostik 39 _ Therapie Priv.-Doz. Dr. med. Christian Gratzke Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität – Campus Großhadern, LMU München Koautor: Prof. Dr. med. C. G. Stief, Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität – Campus Großhadern, LMU München

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Benignes Prostatasyndrom

Wenn der „Vorsteher“ die Harnblase bedrängt_ Die gutartige Prostatavergrößerung ist eine sehr häu�ge Erkran-kung des älter werdenden Mannes und kann zu unterschiedlichen Symptomen führen. Man unterscheidet dabei einerseits Störungen der Harnblasenspeicherung, die sich in häu�gem Harndrang bei Tag und Nacht sowie durch plötzlich auftretenden, schwer zu unterdrü-ckenden Harndrang äußern, und andererseits Störungen der Harn-blasenentleerung wie schwacher Harnstrahl und Restharn. Diese Symptome werden im deutschsprachigen Raum unter dem Sammel-begri� „Benignes Prostatasyndrom“ (BPS) zusammengefasst.Für das Zustandekommen solcher Beschwerden ist jedoch nicht im-mer eine vergrößerte Prostata verantwortlich. Speicherstörungen – typisch für einen Harnwegsinfekt der Frau – treten auch häu�g bei Männern nach transurethraler Resektion der Prostata auf, d. h. in Ab-wesenheit der Prostata. Dies hat zur Erkenntnis geführt, dass die Pros tata nicht allein als Ursache für Beschwerden des unteren Harn-traktes in Frage kommt, sondern dass gerade pathologische Verän-derungen der Harnblase hier eine wesentliche Rolle spielen könn-ten. Diese Zusammenhänge werden im ersten Schwerpunktbeitrag näher erläutert. Die Therapie eines Patienten mit BPS ist abhängig von Ausprägung und Art der Symptome und erfolgt in den meisten Fällen durch die Verordnung eines Medikamentes. Ein gutes Verständnis der Patho-physiologie von Symptomen des unteren Harntraktes ist daher wich-tig für die Wahl des geeigneten Präparates. Die Zahl der verfügba-ren Medikamente hat sich in den letzten Jahren erhöht. Standen neben den p�anzlichen Medikamenten lange Zeit lediglich α1-Rezeptorblocker („Alpha-Blocker“) und 5α-Reduktase-Inhibitoren zur Verfügung, gibt es heute eine Reihe von neuen Substanzgrup-pen, die bei der Therapie des BPS zugelassen sind. Darüber hinaus wird die Kombination verschiedener Substanzen getestet. Dadurch soll eine verbesserte, individuelle Therapie ermöglicht werden. Anticholinergika, die aus der Therapie der überaktiven Blase („Reiz-blase“) bekannt sind, werden heute auch bei BPS und ausgeprägten Harnblasenspeicherstörungen genutzt. Sie wirken auf Muskarin-

rezeptoren, v. a. in der Harnblase, und entspannen dabei die Harn-blasenmuskulatur. Dies führt zu einer Verbesserung der Speicher-störung. Anticholinergika werden häu�g mit α1-Rezep torblockern kombiniert. Aus der Therapie der erektilen Dysfunktion bekannte Hemmsto�e der Phosphodiesterase 5 (PDE5-Inhibitoren) wurden kürzlich in der Indikation BPS getestet. Randomisierte, kontrollierte Studien haben daher zur Zulassung des ersten PDE5-Inhibitors geführt. Weitere Substanzen wie β3-Agonisten, die gerade in der Zulassung für die überaktive Blase stehen, werden zur Zeit auch bei Patienten mit Blasenauslassobstruktion untersucht und stehen möglicherweise in naher Zukunft für den behandelnden Arzt zur Verfügung. Die beiden vorliegenden Schwerpunktbeiträge sollen einen fundier-ten Überblick über Pathophysiologie und medikamentöse Therapie des BPS bieten.

Vergrößerte Prostata in der intravenösen Urogra�e (IVU).

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FORTBILDUNG Benignes Prostatasyndrom

35 _ Ätiologie und Diagnostik

39 _ Therapie

Priv.-Doz. Dr. med. Christian Gratzke Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität – Campus Großhadern, LMU München

Koautor: Prof. Dr. med. C. G. Stief, Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität – Campus Großhadern, LMU München