Werbefilme mit Arbeitnehmern - Corporate Publishing vs. Persönlichkeitsrecht

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Arbeitsrecht Kurz Kommentiert DB vom 19.06.2015 , Heft 25, Seite 1471 - 1473 DB0697318 Werbefilme mit Arbeitnehmern - Corporate Publishing vs. Persönlich- keitsrecht RA/FAArbR Dr. André Zimmermann, LL.M. Video ist "the next big thing", heißt es. Auch Unternehmen nutzen diese Möglichkeit zunehmend - mit Mitarbeitern als Darsteller, etwa auf Videoplattformen wie YouTube und Whatchado oder auf der eigenen Homepage. Oft werden im bestehenden Arbeitsverhältnis die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichlaufen: Sie wollen das Unternehmen bestmöglich präsentieren. Nicht selten sinkt aber die Identifikation des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Wie in einer Liebesbeziehung spielen natürlich die Umstände der "Trennung" eine große Rolle. So oder so stellt sich die Frage, ob das Unternehmen Werbeprodukte wie Videofilme, in denen der ausgeschiedene Mitarbeiter auftaucht, weiter nutzen darf. Das BAG hat hierzu jetzt wesentliche Punkte geklärt - und dabei ganz nebenbei eine grundlegende Frage des Arbeitnehmerdatenschutzes beantwortet (Urteil vom 11.12.2014 - 8 AZR 1010/13, DB 2015 S. 1296). I. Der Fall Der Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin seit Sommer 2007 als Monteur tätig. Im Herbst 2008 erklärte er durch Unterschrift auf einer Einverständniserklärung mit der Überschrift "Thema: Filmaufnahmen", dass Filmaufnahmen von ihm für die Öffentlichkeitsarbeit der Arbeitgeberin verwendet und ausgestrahlt werden dürfen. Danach ließ die Arbeitgeberin zur Vorbereitung ihres neuen Internetauftritts ein Werbevideo drehen. Zu Beginn sieht man kurz einen vom Arbeitnehmer gesteuerten Pkw. Ob er in dieser Sequenz selbst erkennbar ist, blieb strittig. Gegen Ende des Videos ist der Arbeitnehmer für etwa zwei Sekunden auf einem Gruppenbild zusammen mit rund 30 weiteren Mitarbeitern zu sehen. Das Video konnte von der Homepage der Arbeitgeberin aus angesteuert und angesehen werden. Anfang 2011 endete das Arbeitsverhältnis. Im November 2011 widerrief der Arbeitnehmer eine "möglicherweise" erteilte Einwilligung. Er forderte die Arbeitgeberin auf, das Video von der Homepage zu entfernen. Dem folgte die Arbeitgeberin unter dem Vorbehalt, es später erneut einzustellen. Der Arbeitnehmer verlangt die Unterlassung weiterer Veröffentlichung und Schmerzensgeld. Das ArbG hat der Klage im Unterlassungsanspruch stattgegeben und i.Ü. abgewiesen. Das LAG hat die Klage insgesamt abgewiesen. II. Die Entscheidung Die Revision des Arbeitnehmers blieb ohne Erfolg. Der 8. Senat hält die vom Arbeitnehmer erteilte Einwilligung für wirksam. Sie sei auch weder auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses befristet gewesen noch vom Arbeitnehmer wirksam widerrufen worden. Die in der zweiten Sequenz des Videos unstreitig identifizierbare Abbildung des Arbeitnehmers sei durch eine Einwilligung des Arbeitnehmers gedeckt. Bei einer Abwägung des Verwendungsinteresses

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Arbeitsrecht Kurz Kommentiert DB vom 19.06.2015 , Heft 25, Seite 1471 - 1473 DB0697318

Werbefilme mit Arbeitnehmern - Corporate Publishing vs. Persönlich-keitsrecht

RA/FAArbR Dr. André Zimmermann, LL.M.

Video ist "the next big thing", heißt es. Auch Unternehmen nutzen diese Möglichkeitzunehmend - mit Mitarbeitern als Darsteller, etwa auf Videoplattformen wie YouTube undWhatchado oder auf der eigenen Homepage. Oft werden im bestehenden Arbeitsverhältnisdie Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichlaufen: Sie wollen das Unternehmenbestmöglich präsentieren. Nicht selten sinkt aber die Identifikation des Arbeitnehmers mitdem Arbeitgeber, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Wie in einer Liebesbeziehung spielennatürlich die Umstände der "Trennung" eine große Rolle. So oder so stellt sich die Frage, obdas Unternehmen Werbeprodukte wie Videofilme, in denen der ausgeschiedene Mitarbeiterauftaucht, weiter nutzen darf. Das BAG hat hierzu jetzt wesentliche Punkte geklärt - und dabeiganz nebenbei eine grundlegende Frage des Arbeitnehmerdatenschutzes beantwortet (Urteilvom 11.12.2014 - 8 AZR 1010/13, DB 2015 S. 1296).

I. Der Fall

Der Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin seit Sommer 2007 als Monteur tätig. Im Herbst 2008erklärte er durch Unterschrift auf einer Einverständniserklärung mit der Überschrift "Thema:Filmaufnahmen", dass Filmaufnahmen von ihm für die Öffentlichkeitsarbeit der Arbeitgeberinverwendet und ausgestrahlt werden dürfen.

Danach ließ die Arbeitgeberin zur Vorbereitung ihres neuen Internetauftritts ein Werbevideo drehen. ZuBeginn sieht man kurz einen vom Arbeitnehmer gesteuerten Pkw. Ob er in dieser Sequenz selbsterkennbar ist, blieb strittig. Gegen Ende des Videos ist der Arbeitnehmer für etwa zwei Sekunden aufeinem Gruppenbild zusammen mit rund 30 weiteren Mitarbeitern zu sehen. Das Video konnte von derHomepage der Arbeitgeberin aus angesteuert und angesehen werden.

Anfang 2011 endete das Arbeitsverhältnis. Im November 2011 widerrief der Arbeitnehmer eine"möglicherweise" erteilte Einwilligung. Er forderte die Arbeitgeberin auf, das Video von der Homepagezu entfernen. Dem folgte die Arbeitgeberin unter dem Vorbehalt, es später erneut einzustellen. DerArbeitnehmer verlangt die Unterlassung weiterer Veröffentlichung und Schmerzensgeld.

Das ArbG hat der Klage im Unterlassungsanspruch stattgegeben und i.Ü. abgewiesen. Das LAG hatdie Klage insgesamt abgewiesen.

II. Die Entscheidung

Die Revision des Arbeitnehmers blieb ohne Erfolg. Der 8. Senat hält die vom Arbeitnehmer erteilteEinwilligung für wirksam. Sie sei auch weder auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses befristet gewesennoch vom Arbeitnehmer wirksam widerrufen worden.

Die in der zweiten Sequenz des Videos unstreitig identifizierbare Abbildung des Arbeitnehmers seidurch eine Einwilligung des Arbeitnehmers gedeckt. Bei einer Abwägung des Verwendungsinteresses

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des Arbeitgebers und des Rechts der [DB 2015 S. 1472]Arbeitnehmer auf informationelledes Arbeitgebers und des Rechts der [DB 2015 S. 1472]Arbeitnehmer auf informationelleSelbstbestimmung sei § 22 KUG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Einwilligungder Arbeitnehmer der Schriftform bedürfe.

Die vom Arbeitnehmer erteilte Einwilligung genüge diesen Anforderungen. Es handele sich um eineanlassbezogene Einwilligung, die im Einzelfall eingeholt, klar bezeichnet und nicht zusammen mitanderen Erklärungen schriftlich erteilt worden sei. Insb. sei die Einwilligung nicht vorab in allgemeinerForm im Arbeitsvertrag erteilt worden.

Der Senat sieht keine Hinweise dafür, dass die Einwilligung nicht auf einer freien Entscheidung desArbeitnehmers beruht. Er tritt insb. ausdrücklich der zu § 4a BDSG vertretenen Auffassung entgegen,die eine freiwillige Einwilligung im Arbeitsverhältnis für generell ausgeschlossen hält. Auch im Rahmeneines Arbeitsverhältnisses könnten Arbeitnehmer grds. frei entscheiden, wie sie ihr Grundrecht aufinformationelle Selbstbestimmung ausüben wollten. Dem stehe weder entgegen, dass Arbeitnehmerabhängig beschäftigt sind, noch dass sie dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen.

Die Einwilligung sei auch nicht automatisch mit Ende des Arbeitsverhältnisses erloschen. DemWortlaut nach sei sie unbefristet erteilt worden. Jedenfalls dann, wenn das Bild oder der Film reinenIllustrationszwecken diene und keinen auf die individuelle Person des Arbeitnehmers Bezugnehmenden Inhalt transportiere, wie im vorliegenden Fall, ende das Einverständnis des Arbeitnehmersnicht automatisch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Arbeitnehmer habe seine Einwilligung auch nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf einer erteiltenEinwilligung sei zwar grds. möglich. Jedoch habe der Arbeitnehmer für diese gegenläufige Ausübungseines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung keinen plausiblen Grund angegeben. Bei derFrage der Wirksamkeit eines Widerrufs einer bereits erteilten Einwilligung müsse man die Interessendes Arbeitgebers gegen die des Arbeitnehmers abwägen. Der Arbeitnehmer könne alsWiderrufsgrund grds. anführen, dass mit seiner Abbildung nach Ende des Arbeitsverhältnisses nichtweiter für das Unternehmen geworben werden solle, jedenfalls wenn er für die Verwendung zuWerbezwecken keine Vergütung erhalten habe. Es müsse aber mit seiner Person oder mit seinerFunktion im Unternehmen geworben werden.

Bei einer allgemeinen Darstellung des Unternehmens, auch wenn sie zu Werbezwecken erfolgt sei undins Internet gestellt werde, bei der die Person und Persönlichkeit des Arbeitnehmers nichthervorgehoben, sein Name nicht genannt und die Identität seiner Person auch sonst nichtherausgestellt werde und bei der zudem beim Betrachter nicht zwingend der Eindruck entstehe, eshandele sich um die aktuelle Belegschaft, könne von einer wirtschaftlichen undpersönlichkeitsrelevanten Weiterverwertung der Abbildung des Arbeitnehmers nicht ausgegangenwerden. Allein die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genüge dann nicht als Widerrufsgrund. Derwiderrufende Arbeitnehmer müsse vielmehr einen Grund nennen, warum er nunmehr, anders als beider Erteilung der Einwilligung, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenläufig ausübenwill. Eine in diesem Sinne plausible Erklärung für den Widerruf habe der Arbeitnehmer nicht gegeben.

III. Folgen für die Praxis

Unternehmen, die Bilder oder Videos im Internet veröffentlichen, auf denen ihre Mitarbeiter erkennbarsind, sollten dringend schriftliche Vereinbarungen mit den Mitarbeitern treffen, in denen die Einzelheitender Veröffentlichung vereinbart werden. Insb. muss die Vereinbarung die Einwilligung des Mitarbeiterszur Veröffentlichung enthalten.

Geklärt ist weiter, dass eine einschränkungslos erteilte Einwilligung nicht automatisch erlischt mit demEnde des Arbeitsverhältnisses. Sie kann aber widerrufen werden, wenn dafür ein plausibler Grundangegeben wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Bild oder der Film reinen Illustrationszwecken dient

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und nicht auf die individuelle Person Bezug nimmt (vgl. andererseits zu besonders hervorgehobenerQualifikation einer Rechtsanwältin: LAG Hessen, Beschluss vom 24.01.2012 - 19 SaGa 1480/11). DerMitarbeiter muss darlegen, warum die erteilte Einwilligung nicht mehr gelten soll. Nicht ausreichend istder bloße Verweis auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

En passant und in nur wenigen Sätzen beantwortet der 8. Senat eine grundlegende Frage desArbeitnehmerdatenschutzes: Ist im Arbeitsverhältnis, das geprägt ist durch "strukturelle Unterlegenheit"(BVerfG, Beschluss vom 26.06.1991 - 1 BvR 779/85, DB 1991 S. 1678) und Weisungsgebundenheitdes Arbeitnehmers, überhaupt eine freie Entscheidung i.S.d. § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG möglich? Dasist auch deshalb bemerkenswert, weil nicht nur gewichtige Literaturstimmen (insb. Simitis/Simitis,BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4a Rn. 62) und viele Aufsichtsbehörden (vgl. etwa den 42. Tätigkeitsbericht desHessischen Datenschutzbeauftragten, S. 248) Freiwilligkeit im Arbeitsverhältnis grds. verneinen,sondern auch der BGH Zweifel hegt an einer freien Entscheidung i.S.d. § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG,"wenn die Einwilligung in einer Situation wirtschaftlicher oder sozialer Schwäche oder Unterordnungerteilt wird” (BGH, Urteil vom 16.07.2008 - VIII ZR 348/06, DB 2008 S. 2188).

Mit Blick darauf war die Einwilligung bislang keine rechtssichere Grundlage der Datenverwendung imArbeitsverhältnis: Soweit kein gesetzlicher Erlaubnistatbestand oder eine Betriebsvereinbarung dieDatenverwendung legitimierte, war der Umgang mit Arbeitnehmerdaten trotz Einwilligung für denArbeitgeber risikoreich. Vor allem drohten hohe Bußgelder (§ 43 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BDSG).

Dieses Risiko ist nun bedeutend kleiner geworden, wenn auch nicht vollständig ausgeschlossen. Grds.ist eine Einwilligung nunmehr auch im Arbeitsverhältnis möglich und belastbare Rechtsgrundlage derDatenverwendung. Voraussetzung ist, dass die hohen inhaltlichen und formellen Anforderungen des §4a BDSG eingehalten werden. Die Einwilligung muss schriftlich erfolgen und es ist auf den Zweck, dieArt und den Umfang der Datenverwendung - hier: die Veröffentlichung - hinzuweisen.Blankoeinwilligungen im Arbeitsvertrag reichen nicht, selbst wenn sie drucktechnisch hervorgehobensind.

Freilich werden die ArbG auch im Einzelfall die Umstände prüfen, unter denen die Einwilligung erteiltwurde, sodass auch eine formal wirksame Einwilligung ausnahmsweise ihre Legitimationswirkungeinbüßen kann. Im Grundsatz ist aber davon auszugehen, dass sie die Datenverwendung trägt.

Das Instrument der Einwilligung wurde auch deshalb deutlich aufgewertet, weil das BAG der freienWiderruflichkeit hier klare Grenzen gezogen hat: Der Mitarbeiter kann eine einmal erteilte Einwilligungnicht grundlos jederzeit widerrufen. Das Gericht verlangt vielmehr eine Abwägung zwischen denInteressen des Unternehmens und des Mitarbeiters.[DB 2015 S. 1473][DB 2015 S. 1473]

Einschränkungen der neuen Freiheit können sich aber vielleicht schon sehr bald aus derDatenschutzgrundverordnung ergeben: Nach Erwägungsgrund 34 des Kommissions-Entwurfs(KOM/2012/011 endgültig - 2012/0011 (COD)) soll eine Einwilligung bei klarem Ungleichgewichtzwischen der betroffenen Person und dem für die Verarbeitung Verantwortlichen nicht möglich sein.Explizit genannt wird das Arbeitsverhältnis als Abhängigkeitsverhältnis. Im vom Parlament mitÄnderungen im März 2014 angenommenen Entwurf ist dieser Erwägungsgrund gestrichen.Stattdessen verweist Art. 82 Nr. 1b im geänderten Entwurf darauf, dass im Arbeitsverhältnis nur einefreiwillige Einwilligung die Datenverwendung legitimiert. Anfang Juni 2015 leakte statewatch.org einekonsolidierte Fassung der aktuellen Position des Rates der EU (abrufbar unterwww.statewatch.org/news/2015/jun/eu-council-dp-re-consolidated-position-5-june-9657-15.pdf [letzterAbruf: 12.06.2015]).

Hier wird die Position des Rates in Erwägungsgrund 34 im Kern dahingehend zusammengefasst, dass

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die Einwilligung die Datenverwendung im Einzelfall nicht rechtfertigen soll, wenn ein klaresAbhängigkeitsverhältnis zwischen verantwortlicher Stelle und dem Betroffenen besteht, das dieFreiwilligkeit der Erteilung der Einwilligung unwahrscheinlich macht. Es bleibt abzuwarten, auf welcheFassung man sich einigen wird. Die Verhandlungen über die Datenschutzgrundverordnung werdenunter der Ratspräsidentschaft von Lettland (Januar bis Juni 2015) und Luxemburg (Juli bis Dezember2015) fortgeführt.

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