Wirtschaftsinfo - Branchenanalyse - Uniaden 1. Januar 2019 von 8.84 Euro auf 9.19 Euro. Im Jahr 2020...
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Bern, Oktober 2019
WIRTSCHAFTSINFO III/2019
Zusammenfassung
Die Weltkonjunktur verlor im ersten Halbjahr 2019 spürbar an Schwung. Die Industrieproduktion
ging zurück, auch in der Schweiz. Weiterhin sorgen geopolitsche Risiken für Unsicherheit. Zu
diesen Sondereffekten, gehören neben dem teils überbewerteten Handelsstreit China-USA
insbesondere der Brexit und die anhaltenden Unruhen in Hong Kong. Ins Auge fallen zudem
die fast weltweit sinkenden Autoverkäufe. Davon sind insbesondere Deutschland als einer der
grossen Autohersteller aber auch die Schweizer Zulieferer betroffen. Zu den Gründen für den
stockenden Absatz gehören Kaufkraftprobleme sowie die Zurückhaltung der Konsumentinnen
angesichts des gestiegenen Umweltbewusstseins und der politischen Auflagen, Fahrzeuge mit
Verbrennungsmotoren zu kaufen.
Die Beschäftigung wächst zwar noch, die Arbeitslosigkeit geht aber nicht mehr weiter zurück.
Unbefriedigend bleibt die Lohnentwicklung, die Kaufkraft ist nach wie vor unter Druck. Die
Konsumentinnen betrachten die perönliche finanzielle Lage mit gewisser Sorge, was angesichts
steigender Lebenshaltungskosten (Krankenkassenprämien, Mieten, positive Teuerung) und
stagnierenden Realeinkommen (Löhne und Renten) nicht erstaunt.
In den kommenden Monaten wird die Schweizer Wirtschaftsleistung kaum wachsen. Die
fehlenden aussenwirtschaftlichen Impulse und die verhaltene Entwicklung der Binnennachfrage
vermögen der Wirtschaft nicht die nötigen Impulse zu geben. Wir rechnen für 2019 mit einem
BIP-Wachstum im Bereich von 1 Prozent. Die Arbeitslosenquote dürfte auf 2.4 Prozent
verharren. Die Jahresteuerung dürfte 2019 0.4 Prozent betragen. Verfügbare Prognosen für
2020 (KOF, Seco) gehen nächtstes Jahr von einem erneuten Aufschwung aus. Damit dieser
stattfindet, braucht es jetzt griffige Massnahmen zur Erhöhung der Kaufkraft. In den
bevorstehenden Lohnverhandlungen muss es deshalb gelingen, die Reallöhne anzuheben und
der Produktivitätsentwicklung anzupassen.
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Konjunktur kühlt sich weiter ab, besonders die Industrie ist betroffen
1. Nicht der Handelsstreit, sondern eine Kaufkraft- und Nachfrageschwäche bremst Europa
Die Konjunktur hat sich in den letzten Monaten fast weltweit abgekühlt – vor allem in der
Industrie. Um eine klassische Rezession handelt es sich aber nicht. Dafür fehlten die typischen
Hochkonjunkturphänomene, die den Rezessionen jeweils vorangehen, wie beispielsweise
grosse Überinvestitionen verbunden mit einer erhöhten Teuerung und ausgeprägten
Knappheiten auf dem Arbeitsmarkt.
Zahlreiche Beobachter führen die Konjunkturabkühlung in erster Linie auf den Handelsstreit
zwischen den USA und China zurück. Doch diese Analyse greift zu kurz. Wenn das so wäre,
müssten die Bremswirkungen in den USA stärker sein als in Europa (s. den Kasten unten zum
Handelsstreit). Denn die Zollerhöhungen zwischen den USA und China eröffnen für die
europäischen Firmen Chancen, ihre Marktanteile zu erhöhen. Tatsächlich steigen die Exporte
Deutschlands in die USA und nach China nach wie vor an. Trotzdem sinkt die
Industrieproduktion in Deutschland stärker als in vielen anderen Ländern. Es gibt daher andere,
bedeutendere Ursachen als der Handelsstreit. Allen voran die schwache Konjunktur in Teilen
Europas – namentlich in Italien, aber teilweise auch in Grossbritannien.
Produktion in der Industrie (2015=100, saisonbereinigt)
Quelle: Eurostat
Ins Auge fallen die fast weltweit sinkenden Autoverkäufe. Davon ist insbesondere Deutschland
als einer der grossen Autohersteller betroffen. Wahrscheinlich gibt es drei Ursachen für den
stockenden Absatz, nämlich a) Kaufkraftprobleme in gewissen europäischen Ländern und in
China, b) auslaufende Steuervergünstigungen für Autokäufe in China sowie c) die
Zurückhaltung der KonsumentInnen angesichts des gestiegenen Umweltbewusstseins und der
politischen Auflagen (Dieselfahrverbote u.a.), Fahrzeuge mit Diesel- bzw.
Verbrennungsmotoren zu kaufen. Die Ursachen müssen aber noch besser untersucht und
verstanden werden.
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2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
Deutschland Frankreich Schweiz USA
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Autoverkäufe und -neuzulassungen
Quelle: IWF
Insgesamt entwickelt sich die Konjunktur in Europa unbefriedigend. Italien trägt dabei die rote
Laterne. Das Bruttoinlandprodukt ging im 2. Quartal 2019 um 0.1 Prozent zurück, wobei
insbesondere der schwache Konsum und die lahmenden Investitionen dazu beitrugen. Aber
auch die deutsche Wirtschaft wuchs mit 0.4 Prozent kaum mehr. Die Wirtschaft der gesamten
EU expandierte im 2. Quartal 2019 noch mit 1.4 Prozent – viel weniger stark als beispielsweise
die USA mit 2.3 Prozent. Aufgrund der schlechten Datenlage ist die Situation in China wie immer
etwas unklar. Gemäss Analysen des IWF lahmt der Immobilienmarkt, was als beunruhigendes
Zeichen für die Chinesische Binnenwirtschaft aufgefasst werden muss.
Positiv ist, dass diese Wachstumsschwäche in der Industrie kaum auf die Beschäftigung
durchgeschlagen hat. In der EU wuchs die Zahl der Beschäftigten im 2. Quartal 2019 um 1.0
Prozent (geg. Vorjahr). Auch in den USA ist die Beschäftigungsentwicklung klar im Plus.
Dementsprechend steigt die Zahl der Erwerbslosen in den meisten Ländern nicht an. In der EU
ist die Erwerbslosenquote mit 6.3 Prozent unter das Niveau vor Ausbruch der Finanzkrise
gesunken.
Erwerbslosenquoten (saisonbereinigt, gemäss ILO, in Prozent)
Quelle: Eurostat, BFS
Tiefere Ölpreise und weniger starke Lohnhöherungen haben dazu geführt, dass die Teuerung
in der EU mit 0.8 Prozent wieder etwas weniger stark ausfällt. In den südlichen EU-Staaten
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12Schweiz USA Deutschland EU-28
Einheiten Wachstumsraten (r. Skala)
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Italien, Griechenland und Spanien ist sie mit 0.2 Prozent quasi inexistent. Etwas stärker
stiegen die Preise in den USA, nämlich um 1.7 Prozent.
Reale Tariflöhne (Veränderung gegenüber Vorjahr, in Prozent)
Quelle: Bundesbank, Statistik Austria, BFS
Die gute Arbeitsmarktsituation gab den Löhnen etwas Auftrieb. In Deutschland und in Österreich
beispielsweise wuchsen die Reallöhne in letzter Zeit meistens um mehr als 1 Prozent. Die
Einkommen stiegen, was sich mehr und mehr auch im Privatkonsum und im Detailhandel
bemerkbar macht. Der reale Detailhandelsumsatz legte in den meisten europäischen Ländern,
aber auch in den USA zu. Deutschland hinkt jedoch nach wie vor etwas hinterher, trotz
Massnahmen, welche die Kaufkraft etwas gestärkt haben (z.B. wieder voll paritätische
Finanzierung der Krankenversicherung). Das Grundproblem, dass in Deutschland Firmen und
Staat Vermögen akkumulieren, während die Kaufkraft der normalverdienenden
Arbeitnehmenden vergleichsweise schwach steigt, bleibt. Das kritisiert mittlerweile sogar der
IWF.1 Dabei müsste die grösste Wirtschaft der Eurozone gerade in der gegenwärtigen
Konjunkturlage als Lokomotive wirken. Insgesamt half die Binnen
nachfrage aber, die Konjunktur im Ausland zu stabilisieren.
1 https://www.imf.org/en/Publications/CR/Issues/2019/07/09/Germany-2019-Article-IV-Consultation-Press-
Release-Staff-Report-and-Statement-by-the-47093
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2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
Deutschland Österreich Schweiz
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Reale Detailhandelsumsätze und Tariflöhne in Deutschland (Veränderung gegenüber Vorjahr)
Quelle: Eurostat, Deutsche Bundesbank
Box 1: Relativ geringe direkte Auswirkungen des Handelsstreites USA/China
Verschiedene Modellsimulationen zeigen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen des Handelskonfliktes zwischen den USA und China weniger bedeutend sind, als oft dargestellt. Eine Schätzung des IWF2 (s. unten) kommt zum Schluss, dass selbst die bis August eingeführten Zölle relativ bescheidene, direkte Auswirkungen auf das BIP haben (s. das Szenario „Add tarifs announced August 2019“ in nachfolgender Abbildung). Mit diesem Zoll wäre das US-BIP rund 0.2 Prozent tiefer. Das BIP in China wäre etwas mehr als 1 Prozent unter dem heutigen Niveau. Die Eurozone würde sogar leicht profitieren, u.a. weil die Firmen in diesen Ländern Marktanteile gewinnen können.
Etwas stärker sind die Effekte, wenn noch Unsicherheitsfaktoren und Risikoaufschläge auf den Kapitalmärkten dazu genommen werden – wobei diese Simulationseffekte mit grosser Vorsicht aufzunehmen sind („Confidence effect“ und „market reaction“).
2 S. IWF World economic outlook, October 2019,
https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2019/10/01/world-economic-outlook-october-2019. S. auch Fajgelbaum, P. et al. (2019) : The Return to Protectionism, https://www.nber.org/papers/w25638.
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2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
Detailhandelsumsätze (ohne Autos)
Tariflöhne (Erhöhung im Vorjahr)
6
Auswirkungen von Aussenhandelsbeschränkungen auf das BIP
(Abweichung gegenüber Entwicklung ohne Beschränkungen, in Prozent)
2. Weiterhin lahmende Konjunktur in Europa
Der Konjunkturausblick für die nähere Zukunft bleibt unerfreulich. Die Auftragseingänge in der
Industrie sind in der EU gesunken. Die Firmen bezeichnen ihre Produktionskapazitäten
vermehrt als zu hoch, so dass sie bei den Investitionen und bei den Neueinstellungen auf die
Bremse stehen werden. Positiv ist immerhin, dass sich die Exporterwartungen nicht weiter
verschlechtert haben. In den USA ist es etwas besser. Die Bestellungseingänge in der Industrie
stagnieren zwar, gehen aber nicht zurück.
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Auftragseingang in der Industrie (EU: Saldowerte aus Umfrage, USA: Vorjahresveränderung, saisonbereinigt)
Quelle: Eurostat, FRED
Die Binnenkonjunktur wird in nächster Zeit weiterhin eine wichtige, stabilisierende Rolle spielen
müssen. Es wäre wichtig, dass die Haushalteinkommen und der Privatkonsum etwas stärker
steigen, sonst fehlen die Wachstumsimpulse. In Deutschland hat die grosse Koalition
Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft ergriffen. Sie erhöhte den deutschen Mindestlohn auf
den 1. Januar 2019 von 8.84 Euro auf 9.19 Euro. Im Jahr 2020 wird er auf 9.35 Euro steigen.
Zudem müssen sich die Arbeitgeber wieder an der Finanzierung der Krankenversicherung
beteiligen. Gemäss einer Übersicht des DIW haben diese Massnahmen einen positiven BIP-
Effekt von rund 0.3 Prozent.3 Ein Teil dieser Massnahmen hat bereits im laufenden Jahr dazu
geführt, dass die Detailhandelsumsätze trotz schwächerem Lohnwachstum weiter gestiegen
sind.
Deutschland: Reale Detailhandelsumsätze und Tariflohnerhöhungen (Veränderung gegenüber Vorjahr)
In der europäischen Finanzpolitik braucht es eine Wende. Obwohl die Staaten – insbesondere
Deutschland – bei den heutigen Negativzinsen mit Krediten sogar Geld verdienen würden,
verfolgen sie weiterhin eine Sparpolitik. Dabei ist der Investitions- und Erneuerungsbedarf
gross.
Die Konjunkturumfragen weisen auf eine stagnierender, allenfalls schwach wachsende
Wirtschaftsentwicklung hin – jedoch nicht auf eine Rezession. In Europa hat sich vor allem die
3 S. den DIW-Wochenbericht: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.678070.de/19-37.pdf,
S. 662)
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EU (linke Skala) USA (rechte Skala)
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2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
Detailhandelsumsätze (ohne Autos) Tariflöhne (Erhöhung im Vorjahr)
8
Lage in Deutschland und im Vereinigten Königreich eingetrübt. Die Unternehmensumfragen
weisen auf eine sinkende Produktion und teilweise auf eine Verkleinerung der Belegschaften
hin. Etwas besser sind die Aussichten für die USA. Das für die Entwicklung der US-Wirtschaft
aussagekräftige Konsumentenvertrauen hat sich wieder stabilisiert. Die chinesische Wirtschaft
dürfte weiter wachsen, obwohl das Expansionstempo in der Industrie durch die geringere
Exportaktivität weniger hoch sein wird.
Eurozone: Einkaufsmanagerindex PMI und BIP-Wachstum (saisonbereinigt, PMI-Werte über 50 = Expansion = BIP-Wachstum)
Quelle: Markit Economics
USA: Konsumentenvertrauen (saison- und zufallsbereinigt)
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90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 12 14 16 18 Quelle: Universität Michigan
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Vereinigtes Königreich: Einkaufsmanagerindex PMI in der Industrie (saisonbereinigt, PMI-Werte über 50 = Expansion = BIP-Wachstum)
Quelle: Markit Economics
China: Einkaufsmanagerindex PMI (saisonbereinigt, PMI-Werte über 50 = Expansion = BIP-Wachstum)
Quelle: Markit Economics
Die aktuellsten Prognosen rechnen weltweit mit einem relativ schwachen Wirtschaftswachstum.
Für die Eurozone werden für 2019 BIP-Wachstumsraten von etwas über 1 Prozent und für das
Jahr 2020 von etwas unter 1.5 Prozent vorausgesagt. Besonders trübe sind die Szenarien für
Deutschland (0.5 bzw. 1.1 Prozent)4 und für Italien (0.0 bzw. 0.5 Prozent). Für die USA sind die
Prognostiker etwas zuversichtlicher. Der IWF beispielsweise rechnet fürs laufende Jahr mit BIP-
Wachstumsraten von ungefähr 2.4 Prozent; für das nächste Jahr prognostiziert er 2.1 Prozent.5
Die Teuerung bleibt gemäss den Vorhersagen weiterhin moderat. Für die Eurozone
prognostiziert die EZB für 2019 und 2020 eine Inflation von 1.2 bzw. 1.0 Prozent prognostiziert.
In den USA dürfte die Teuerung knapp unter 2 Prozent sein.
4 https://www.diw.de/de/diw_01.c.679943.de/gemeinschaftsdiagnose_herbs...ustrie_in_der_rezession.html
5 https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2019/10/01/world-economic-outlook-october-2019
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3. Schweiz: Industrieproduktion geht zurück– Binnennachfrage ungenügend
Auch die Schweiz hat sich die Konjunktur in den letzten Monaten weiter abgekühlt. Auch
hierzulande ist es die Industrie – insbesondere die MEM-Industrie, die am stärksten betroffen
ist. Der Industrie-Einkaufsmanagerindex mit Angaben für die Monate bis September verharrt
unter den Wachstumswert von 50. Das bedeutet, dass die Industrieproduktion sinkt. Der
Dienstleistungssektor ist hingegen nach wie vor auf verhaltenem Expansionskurs.
Schweiz: Einkaufsmanagerindex PMI in der Industrie und im Dienstleistungssektor (saisonbereinigt, PMI-Werte über 50 = Expansion = Wachstum)
Quelle: Credit Suisse
Allerdings dürfte die Pharmabranche in diesen Zahlen unterrepräsentiert sein. Die Branche
befindet sich weiterhin auf Expansionskurs und prägt aufgrund ihres Gewichts die Export- und
Industriestatistiken stark. Sie produziert mittlerweile fast 30 Prozent der Industriegüter und hat
einen Anteil an den gesamten Warenexporten von über 40 Prozent. So ist es nicht
überraschend, dass die Gesamtexporte trotz Absatzproblemen der MEM-Branchen aufwärts
zeigen. Nach Expordestinationen betrachtet, zeigt sich ein interessantes Bild, welches die
wirtschaftliche Bedeutung des Handelsstreits etwas relativiert. Die Ausfuhren der Schweiz in die
USA und nach China steigen (ohne die azyklische Pharma). Demgegenüber gehen die
Auslandlieferungen nach Deutschland und Italien zurück, wobei ein Teil des Rückgangs auf die
Frankenaufwertung zurückzuführen sein dürfte.
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Wertschöpfung in der Export- und der Binnenwirtschaft (2003=100, saisonbereinigt)
Quelle: BFS, Seco, Berechnungen SGB
Schweizer Warenexporte ohne Pharma in einzelne Länder
(2015=100, nominal)
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Deutschland Italien
USA China
Quelle: EZV
Besorgniserregend ist die Lage in der Binnenwirtschaft. Die Wertschöpfung stagniert.
Insbesondere die konsumnahen Sektoren wie der Detailhandel lahmen weiterhin. Die realen
Umsätze sind heute auf den Niveau von 2012, obwohl die Bevölkerung seither spürbar
gewachsen ist. Der Pro-Kopf-Konsum ohne Gesundheitsausgaben befindet sich auf dem
Niveau von 2010. Diese Entwicklung spiegelt die ungenügende Entwicklung der Kaufkraft. Die
Löhne stiegen vor allem in jüngerer Zeit relativ schwach. Demgegenüber wurden die
Pensionskassenbeiträge und die Krankenkassenprämien erhöht. Und die
Pensionskassenrenten der knapp 90‘000 NeurenterInnen sinken im Durchschnitt. Vor diesem
Hintergrund erstaunt es nicht, dass die Pro-Kopf-Konsumausgaben (ohne Gesundheit) bereits
seit einiger Zeit zurückgehen.
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Exportwirtschaft Binnenwirtschaft
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Realer Pro-Kopf-Konsum der Privathaushalte in der Schweiz
(2010=100)
Quelle: BFS, Seco, Berechnungen SGB
Glücklicherweise hat sich die Wachstumsabkühlung noch nicht 1:1 in der Beschäftigung
niedergeschlagen. Die Firmen stellten im 2. Quartal mehr Personal ein. Für die jüngsten Monate
Entwicklung gibt es noch keine offiziellen Beschäftigtenzahlen, doch die verfügbaren
Arbeitslosenstatistiken weisen auf eine weitere Verbesserung der Beschäftigungssituation hin.
Im September waren noch rund 105‘000 Personen als arbeitslos bei den RAV registriert
(saisonbereinigt). Weniger erfreulich ist hingegen die Entwicklung bei den Erwerbslosenzahlen.
Diese Statistik des BFS erfasst auch die Ausgesteuerten. Nach wie vor sind über 220‘000
Personen erwerbslos. Die Gründe für dieses verstärkte Auseinanderklaffen der beiden
Statistiken sind nicht vollständig klar. Eine Rolle spielen dürfte aber, dass es mehr ältere
Erwerbslose gibt, die aufgrund von Aussteuerung nicht mehr in den RAV registriert sind, und
dass Jüngere u.a. seit der AVIG-Revision im Jahr 2011 weniger Ansprüche auf ALV-Taggelder
haben.
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Vollzeitäquivalente Beschäftigung (saisonbereinigt, Personen)
3,200,000
3,300,000
3,400,000
3,500,000
3,600,000
3,700,000
3,800,000
3,900,000
4,000,000
2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 Quelle: BFS
Arbeitslose und Erwerbslose (saisonbereinigt, Personen)
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200,000
250,000
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Registrierte Arbeitslose gemäss Seco
Erwerbslose gemäss ILO-Standard (BFS) Quelle: BFS, Seco
Die Teuerung ist im September auf 0.1 Prozent gefallen, wobei die tieferen Ölpreise eine
wichtige Rolle gespielt haben. Ohne Ölprodukte stiegen die Konsumentenpreise um 0.4
Prozent. Die Mieten steigen um rund 0.5 Prozent. Über das ganze Jahr dürfte die Teuerung
rund 0.3 Prozent betragen – ausser es ergeben sich besondere Entwicklunge beim Ölpreise
oder beim Frankenkurs.
4. Nur moderates Wachstum der Schweizer Wirtschaft
Der Ausblick für die Schweizer Wirtschaft ist nach wie vor durchzogen. Die fehlenden aus-
senwirtschaftlichen Impulse, die lahmende Kaufkraft im Inland und die zurückhaltende Aus-
gabenpolitik der öffentlichen Hand geben der Wirtschaft kaum zusätzlichen Schub. Die Be-
schäftigung nimmt noch zu und auch die Reallöhne steigen um rund 0.5 Prozent. Doch
gleichzeitig werden auch die Pensionskassenbeiträge erhöht und die Neurenten sinken. Der
Franken ist um rund 10 bis 15 Prozent überbewertet. Angesichts der unklaren SNB-Politik
sind weitere Aufwertungsschübe nicht ausgeschlossen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist
der Wohnbau mit den steigenden Leerständen und der höheren Hypothekarverschuldung.
Der SGB-Konjunkturindikator für die zweite Hälfte des laufenden Jahres auf ein weiterhin
schwächeres Wachstum aber keine Rezession hin.
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BIP-Wachstum und Prognose (real, Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent)
-4
-2
0
2
4
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2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018
Beobachtungen SGB-Indikator Quelle: Seco, SGB
Realer Frankenkurs gegenüber Deutschland, 2000=100
(Konsumentenpreise) (Lohnstückkosten in der Industrie)
Quelle: SNB, BFS, Eurostat, Berechnungen SGB
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist nach wie vor intakt. Die Zahl der offenen Stellen ist in den
meisten der verfügbaren Statistiken relativ hoch. Mittlerweile wurden wieder die Höchstwerte
der Jahre vor der Finanzkrise erreicht. Am stärksten stieg natürlich die Zahl der bei den RAV
gemeldeten Stellen, was mehrheitlich auf die Einführung der Stellenmeldepflicht im Juli 2018
zurückzuführen ist. Die Arbeitslosigkeit dürfte 2019 im Jahresdurchschnitt rund 2.3 Prozent
betragen, dann aber leicht auf 2.5 bis 2.6 Prozent ansteigen. Die Teuerung bleibt tief, solange
sich beim Ölpreis und beim Frankenkurs nichts Wesentliches ändert.
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1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015
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Index der offenen Stellen: diverse Quellen (saisonbereinigt)
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280
320
2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018
Stellenmarktmonitor Uni ZH
Offene Stellen gemäss BFS (BESTA)
Jobradar
Bei den RAV gemeldete offene Stellen gemäss Seco
Ausgewählte Konjunkturprognosen (Angaben in Prozent)
SGB KOF Seco
Schweiz. Nationalbank
2019 2020 2019 2020 2019 2020 2019 2020
BIP-Wachstum 1.0 1.5 0.9 1.9 0.8 1.7 0.5-1.0 - Arbeitslosenquote 2.3 2.6 2.3 2.5 2.3 2.5 - - Teuerung 0.3 0.4 0.4 0.3 0.5 0.4 0.4 0.2
Box 2: Methodik der quantitativen SGB-Konjunkturprognosen
Der SGB arbeitet bei der Prognose von BIP, Arbeitslosigkeit und Teuerung mit Indikatormo-dellen. In einem ersten Schritt werden Umfragedaten, Wechselkurse, Zinsen etc. identifiziert, welche in der Vergangenheit einen systematischen Zusammenhang mit den Werten des BIP etc. im Folgejahr hatten, identifiziert. Diese Zusammenhänge werden mittels ökonometri-schen Verfahren geschätzt. Daraus ergeben sich die Modelle. Anschliessend erfolgen Test auf Robustheit und Stabilität der Modelle.
Für die Prognose werden die Modelle mit den aktuellsten Indikatorwerten „gefüttert“. Bei der BIP-Prognose verwendet der SGB beispielsweise Umfragedaten zum erwarteten Bestel-lungseingang oder den geplanten Einkaufsmengen der Firmen sowie die aktuelle Wechsel-kursentwicklung. Die BIP-Prognose fliesst anschliessend in die Prognose der Arbeitslosen-quote ein, wodurch die Konsistenz des Szenarios gewährleistet wird.
Diese Methode hat den Vorteil, dass keine Annahmen über die Weltkonjunktur oder die Fi-nanzmarktentwicklung getroffen werden müssen, wie das z.B. bei der KOF der Fall ist. Und: Es mag überraschen, entspricht dem Vernehmen nach aber der Realität, dass beispielsweise zahlreiche Banken ihren Konjunkturprognosen gar keine Modelle zugrunde legen.
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Wachstumsschwäche ergreift die Schweizer Branchenlandschaft
5. Schwächezeichen aus der Industrie
Die Signale aus der Industrie sind durchzogen, die Verfügbaren Indikatoren widerspiegeln die
konjunkturelle Abkühlung. Die Industrieproduktion hat im dritten Quartal auch in der Schweiz
weiter an Dynamik verloren, sodass im Vergleich zum (äusserst guten) Vorjahresquartal
insgesamt ein spürbarer Rückgang der Produktion resultiert.
Im Einklang mit dem Rückgang in der Industrieproduktion lag der PMI, ein wichtiger
Frühindikator für die Schweizer Industrie, im September den 6. Monat in Folge unter der
Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Dies deutet auf einen weiteren Rückgang der
Industrieproduktion hin. Demgegenüber und im Einklang mit der internationalen Entwicklung
gehen vom Dienstleistungssektor stützende Impulse aus.
Nichts desto trotz wächst die Industriewertschöpfung noch immer, im zweiten Quartal 2019
betrug das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr solide 3.4%. Auch die Nachfrage nach
Schweizer Ausrüstungsinvestitionen befindet sich auf vergleichsweise hohem Niveau,
allerdings ist hier ein leichter Rückgang der Nachfrage ersichtlich. Insgesamt liegt die reale
Ausrüstungsinvestitionsquote der Schweiz bei knapp 16% – was ungefähr dem Vorkrisenniveau
während des Booms 2007/2008 entspricht.
Industriewertschöpfung und -produktion (Veränderung geg. Vorjahr; Umfrage-Saldo)
Quelle: Seco BIP Quartalsschätzung (Wertschöpfung); KOF-Umfrage (Produktion)
Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen im internationalen Vergleich (Index, 2010 = 100)
Quelle: Seco (CH); FRED (USA); Eurostat (EU) (Produktion)
17
Die Industrieexporte entwickelten sich im zweiten Quartal je nach Branche erneut
unterschiedlich und werden einmal mehr von der Chemie und insbesondere der
Pharmaindustrie getragen, welche nach wie vor nur die Richtung nach oben kennt. Dieses
ungebremste Trendwachstum ist auf die globale demographische Entwicklung sowie die
aufstrebende Mittelklasse in Asien zurückzuführen.
Die Uhrenexporte konnten zuletzt nicht mehr an das kräftige Wachstum der vorherigen Quartale
anknüpfen. Die Uhrenbestandteile verzeichneten im zweiten Quartal sogar erstmals seit 2016
wieder einen Exportrückgang. Dieser dürfte auf die schwächere Nachfrage aus Asien,
insbesondere China, zurückzuführe sein. Wichtige Stichworte sind hier die schwächere
Konsumentennachfrage aus China sowie die mit anhaltenden Protesten verbundene politische
Krise in Hong Kong.
Nominale Exporte Uhren, Chemie/Pharma (2008=100, saison- und extremwertbereinigt)
Quelle: Eidg. Zollverwaltung EZV (arbeitstagbereinigte Reihen)
Die Exporte der MEM-Industrie entwickeln sich insgesamt zaghaft, mit Unterschieden zwischen
den Branchen. Ein Rückgang ist insbesondere bei den Metallen zu verzeichnen, deren Exporte
im Ersten Quartal 2018 den Höchstpunkt der letzten Jahre erreichten. Der Rückgang um rund
6% dürfte teilweise auf die Handelspolitik der USA und der EU zurückzuführen sein, welche die
ausländische Nachfrage nach Schweizer Metallproduktion gehemmt haben. Der
Handelskonflikt allein vermag den Rückgang jedoch nicht zu erklären, zumal die Schweiz kaum
direkt betroffen ist und Metalle grossmehrheitlich in den EU-Raum exportiert.
Nominale Exporte der MEM-Branchen (2008=100, saison- und extremwertbereinigt)
Quelle: Eidg. Zollverwaltung EZV (arbeitstagbereinigte Reihen)
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Dank des insgesamt anhaltenden, wenn auch teils moderaten Wachstums der Industrie wuchs
auch die Beschäftigung das siebte Quartal in Folge, zuletzt um 1.6% gegenüber dem Vorjahr.
Das Wachstum dürfte sich in den kommenden Monaten jedoch weiter abschwächen, die
Industriebetriebe planen gemäss KOF-Umfrage eine leichte Reduktion der Beschäftigung. Der
Beschäftigungsindex des PMI fällt dagegen etwas optimistischer aus und deutet auf eine
Stabilisierung der Beschäftigung in der Industrie.
In bedeutenden Industriezweigen wie Herstellung von Metallerzeugnissen (+4.8%), Uhren und
Präzisionsinstrumente (+4.3%), Herstellung von Nahrungsmitteln und Tabakerzeugnissen
(+2.5%) oder Maschinenbau (+2.4) lag das Beschäftigungswachstum zum Vorjahresquartal
über dem Durchschnitt der Industrie als Ganzes (+1.5%). Im von der globalen Finanz- und
Wirtschaftskrise und Frankenstärke arg geschüttelten Maschinenbau erreichte das jährliche
Beschäftigungswachstum im zweiten Quartal 2019 den Höchststand seit 2007. Die
Stellenverluste der Krise sind damit aber nicht kompensiert: Noch immer gibt es im
Maschinenbau mit knapp 75’000 Vollzeitäquivalenten 4’500 Vollzeitstellen weniger als noch
2012. Das entspricht einem Minus von 6%.
In der Chemie (+0.8%) und Pharma (+1.2%) fiel das Beschäftigungswachstum zudem erneut
geringer aus als in der Vergangenheit. Aufgrund der sehr guten Entwicklung der Beschäftigung
in der Vergangenheit dämpfen allerdings hohe Basiswerte hier das Wachstum. Mit knapp
45’000 Vollzeitäquivalenten zählt die Pharmaindustrie tatsächlich rund 11’000 Vollzeitstellen
mehr als noch 2009. Zusammengefasst fällt die Beschäftigungsentwicklung in den
verschiedenen Industriezweigen damit einmal mehr sehr heterogen aber insgesamt positiv aus.
Beschäftigung und Beschäftigungserwartungen in der Industrie (Saisonbereinigt)
Quelle: BFS BESTA (Beschäftigung); KOF-Umfrage (Geplante Beschäftigung)
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Beschäftigung in bedeutenden Industriezweigen (Vollzeitäquivalente, saisonbereinigt)
Quelle: BFS BESTA
Beschäftigungswachstum in bedeutenden Industriezweigen (Vollzeitäquivalente, saisonbereinigte Veränderung zum Vorjahr in %)
Quelle: BFS BESTA
Die Produktionskapazitäten waren im zweiten Quartal 2019 erneut etwas schlechter ausgelastet
als noch im Vorquartal. In allen Industriebereichen kam es zu einem Rückgang. Die schwächere
Nachfrage und geringere Produktion zeigen sich erwartungsgemäss auch in einer geringeren
Auslastung der Produktionsfaktoren. Die Kapazitätsauslastung bewegt sich jedoch noch immer
im langjährigen Mittel, wo sie sich in den kommenden Monaten stabilisieren dürfte, rechnen die
Firmen doch in etwa mit einem gleichbleibenden oder leicht zunehmenden Bestellungseingang.
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Kapazitätsauslastung in bedeutenden Industriezweigen (in Prozent, saisonbereinigt)
Quelle: KOF Konjunkturumfrage Industrie
Erwarteter Bestellungseingang in den nächsten 3 Monaten (Saldo gemäss KOF-Umfrage, saison- und extremwertbereinigt)
Quelle: KOF Konjunkturumfrage Industrie
6. Tourismus bleibt auf Wachstumskurs, Gastro-Beschäftigung steigt weiter
Im Tourismus und im Gastgewerbe hält die Erholung an. Die Logiernächte ausländischer Gäste
waren im Jahresschnitt 2018 wieder auf dem selben Niveau wie im Spitzenjahr 2008. Insgesamt
stiegen die Logiernächte 2018 um 3.5% an. Dieser positive Trend zieht sich auch im laufenden
Jahr weiter. Im Vergleich zum Vorjahr betrug das Wachstum der Logiernächte im Zeitraum
Januar bis August 2.2%. Im laufenden Jahr war das Wachstum allerdings bei den einheimischen
Gästen mit einem Plus von 2.7% am grössten. Bei den Ausländischen Gästen hat sich das
Trendwachstum der Übernachtungszahlen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 1.8%
verlangsamt.
Am meisten ausländische Gäste kamen mit 11 Millionen Übernachtungen auch 2018 wieder
aus Europa, insbesondere aus Deutschland (3.9 Mio. Übernachtungen, + 3.9%). An zweiter
Stelle lagen die USA (2.2 Mio., +10.1%), gefolgt vom Vereinigten Königreich (1.7 Mio. +2.3%)
und China (ohne Hongkong und Taiwan, 1.4 Mio., +6.3%). Im laufenden Jahr (Januar bis
August) gingen die Zahlen der europäischen Gäste im Vergleich zur Vorjahresperiode zwar
leicht zurück (-1.1%), das starke Wachstum aus den USA (+9.7%) sowie aus Asien (Taiwan:
+25%, Hongkong: +22%, China: +4.8%, Japan: +3.5%) vermag diesen Rückgang jedoch zu
kompensieren.
Trotz des noch immer teuren Frankens bleibt die Schweiz also ein beliebtes Reiseziel.
Insgesamt stiegen die Tourismusexporte im 2. Quartal um 3.1%. Die gute Nachfragesituation
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spiegelt sich auch in der Preisentwicklung wider. So stiegen die Preise für inländische
Tourismusdienstleistungen im 2. Quartal um 1% an. Nach dem im Zuge der Frankenaufwertung
vorherrschenden Preisdruck der letzten Jahre ist dies eine willkommene Entwicklung für die
betroffenen Unternehmen. Allerdings dürfte sich die im 2. Quartal 2019 eingesetzte, neuerliche
Frankenaufwertung allmählich nachteilig auf die ausländische Tourismusnachfrage auswirken.
Für das zweite Halbjahr muss deshalb mit einer gewissen Abschwächung des Wachstums im
Tourismus gerechnet werden. Die KOF prognostiziert jedoch einen anhaltenden Anstieg der
Logiernächte über die kommenden Jahre. Die höchsten Zuwächse dürften weiterhin bei den
Fernmärkten zu verzeichnen sein, namentlich bei den Gästen aus Asien und Nordamerika. Bei
den Logiernächten der Gäste aus dem Euroraum sollte sich die Erholung fortsetzen, sofern es
nicht zu einem weiteren Aufwertungsschub des Frankens gegenüber dem Euro kommt.
Logiernächte in Schweizer Hotels (in Mio., Saison- und extremwertbereinigt)
Quelle: BFS, Beherbergungsstatistik
Bruttowertschöpfung im Gastgewerbe (real, in Mio. CHF, saisonbereinigt)
Quelle: Seco, BIP Quartalsschätzung
Die Bruttowertschöpfung des Gastgewerbes und Beherbergung ist seit 2016 kontinuierlich
gestiegen, 2018 betrug die Zunahme 4.1% gegenüber dem Vorjahr (2017: +2.9%). Nach einer
Verschnaufpause im ersten Quartal 2019, nahm die Bruttowertschöpfung den Wachstumskurs
wieder auf und wuchs im zweiten Quartal 2.6% gegenüber dem Vorjahresquartal. Die
Prognosen der KOF gehen für 2019 und 2020 von einem jährlichen Wachstum der
Bruttowertschöpfung im Tourismus von 2.2% respektive 2.5% aus.
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Beschäftigung im Gastgewerbe (Vollzeitäquivalente in 1000, saison und extremwertbereinigter Trend)
Quelle: BFS, BESTA
In der Beherberg überträgt sich die positive Entwicklung der Logiernächte noch immer
schleppend auf die Beschäftigung. Seit dem 2015 der Tiefpunkt erreicht wurde, bewegt sie sich
mehrheitlich seitwärts. Immerhin wuchs die Beschäftigung nun im zweiten Quartal 2019 um
1.8%. Es bleibt zu hoffen, dass damit eine echte Trendwende eingeläutet wurde. In der
Gastronomie wurde die Talsohle erst Anfang 2017 erreicht. Seither wächst die Beschäftigung
jedoch kräftig. Auch die Verschnaufpause Ende 2018 / Anfang 2019 tat dieser Entwicklung
keinen Abbruch: Im zweiten Quartal 2019 stieg die Beschäftigung im Vergleich zum
Vorjahresquartal um 1.9%.
Erwartete Beschäftigung und Geschäftslage im Gastgewerbe (Saldo gemäss KOF-Umfrage, saisonbereinigt)
Quelle: KOF Konjunkturumfrage Dienstleistungen
Die Betriebe beurteilen die Geschäftslage in der Gastronomie insgesamt positiv. Die erwartete
Geschäftslage hat sich zwar etwas eingetrübt, sie bleibt aber ebenfalls positiv. Auf die erwartete
Beschäftigungsentwicklung schlagen sich diese positiven Aussichten jedoch nur bedingt nieder.
Ein Vergleich der erwarteten Geschäftslage in den nächsten sechs Monaten und der erwarteten
Beschäftigung im Gastgewerbe bringt zutage, dass sich diese beiden zukunftsgerichteten
Indikatoren in den letzten zwei Jahren stetig auseinanderentwickelt haben: Während die
erwartete Geschäftslage kontinuierlich gestiegen war, bleiben die Beschäftigungserwartungen
negativ. Die Unternehmen planen also eher mit einem Rückgang ihres Personalbestands als
mit einer Zunahme. Dies obwohl die Bruttowertschöpfung seit längerem kontinuierlich steigt.
Der Aufschwung findet somit auf Kosten des Personals statt: weniger Beschäftigte, welche die
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gut laufende Geschäftstätigkeit stemmen müssen – und dies bei einer schwachen
Reallohnentwicklung.
7. Binnenkonjunktur leidet unter schwacher Kaufkraftentwicklung
Detailhandel kommt nicht vom Fleck, die Beschäftigung fällt weiter
Die realen Detailhandelsumsätze sind 2018 nochmal um 0.15% gesunken. Im Vergleich zu den
starken Rückgängen in den Vorjahren hat sich die Umsatzentwicklung damit zwar weitgehend
stabilisiert und bewegt sich seither seitwärts. Wie der Blick auf nachfolgende Abbildung der
nominalen und realen Umsatzentwicklung zeigt, setzt sich diese Entwicklung im laufenden Jahr
fort.
Die führenden Onlinehändler sind bisher Schweizer Firmen, besonders im
Heimelektronikbereich sind die einheimischen Anbieter (noch) klar in der Führung. Da die
Detailhandelsstatistik den stationären und den Onlinehandel umfasst, sind Einkäufe übers
Internet bei inländischen Firmen mit eingerechnet. Nur die Umsätze, welche über ausländischen
Onlineshops, ohne Angestellte in der Schweiz, getätigt werden verschwinden also aus der
Umsatzstatistik. Dies ist bei der Bekleidung mit ausländischen Riesen wie Zalando sicher
spürbar, ebenso bei Büchern und anderen Medien (Amazon). Auf Bekleidung und Schuhe
entfallen jedoch gerade mal 3.6% der Ausgaben der privaten Haushalte, auf Freizeitartikel
(ohne Pauschalreisen und Freizeit- und Kulturdienstleistungen) 3.9%. Zum Vergleich:
Nahrungs- und Genussmittel machen 13.5% der Haushaltsausgaben und rund 41% aller
Detailhandelsumsätze aus. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind die Umsätze im Juli 2019
sowohl im Bereich Food wie auch im Bereich Non-Food leicht angestiegen.
Zwar konnten die Detailhändler sowohl mit Nahrungs- und Genussmitteln sowie mit Bekleidung
und Schuhen im Juni Umsatzzuwächse verzeichnen, doch waren die Vormonate so
umsatzschwach, dass in beiden Sparten die realen Umsätze im 2. Quartal abnahmen. Eine der
wenigen Sparten im Detailhandel, die regelmässige Umsatzzuwächse vorweisen kann, ist der
Detailhandel mit Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik. Insgesamt weisen
aber auch die Konjunkturumfragen der KOF nicht auf eine dynamische Entwicklung im
Detailhandel hin. Sowohl die Kundenfrequenz als auch der mengenmässige Absatz wollen seit
einigen Monaten nicht mehr steigen. Mit Blick auf die kommenden Monate rechnen die
Detailhändler zudem nicht mit einer kräftigen Belebung der Umsätze.
Detailhandelsumsätze (Indizes, 2015=100, saisonbereinigt)
Quelle: BFS Detailhandelsumsatzstatistik
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Das grösste Problem schlechthin bleibt für den Detailhandel, dass die reale Kaufkraft der
Konsumentinnen weiterhin stark unter Druck ist: Steigende Krankenkassenprämien,
Gesundheits- und Wohnkosten sowie Beitragserhöhungen und Rentenkürzungen in der zweiten
Säule drücken auf das verfügbare Einkommen der Haushalte. Seit 2017 fielen die
Lohnerhöhungen zudem unbefriedigend aus, sodass sich aufgrund der positiven Teuerung die
reale Einkommenssituation der Haushalte nicht verbessert hat.
Entsprechend war die Konsumentenstimmung im ersten Halbjahr 2019 deutlich schlechter als
noch im Jahr 2018 und liegt damit auf einem unterdurchschnittlichen Niveau. Grund für die
schlechte Stimmung war, wenig erstaunlich, dass die Befragten die finanzielle Lage als
ungünstig beurteilten. Unter diesen Voraussetzungen ist keine rasche Trendwende im
Detailhandel zu erwarten.
Beschäftigte im Detailhandel (in 1000, saisonbereinigt)
Quelle: BFS BESTA
Geplante Beschäftigung im Detailhandel (Saldo gemäss KOF-Umfrage, saisonbereinigt)
Quelle: KOF Konjunkturumfrage Dienstleistungen
Die schwache Entwicklung des Detailhandels der letzten Jahre hat tiefe Spuren bei der
Beschäftigung hinterlassen. Die Beschäftigung stagnierte 2012-2014 (nach dem starken
Rückgang, der auf die Finanz- und Wirtschaftskrise folgte), fiel seither jedoch wieder Quartal
um Quartal um durchschnittlich 0.3%. Im ersten Quartal 2019 lag die saisonbereinigte
vollzeitäquivalente Beschäftigung 4.5% unter dem Jahresschnitt von 2014, rund 11’000 Stellen
sind in dieser Zeit verloren gegangen.
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Im zweiten Quartal 2019 nun konnte die vollzeitäquivalente saisonbereinigte Beschäftigung
1.1% gegenüber dem Vorquartal zulegen. Aufgrund des mangelnden Wachstums bei den
verfügbaren Einkommen und der unterdurchschnittlichen Konsumentenstimmung wäre es
verfrüht, hier von einer Trendwende zu sprechen. Immerhin weisen die Umfragen der KOF
jedoch auf keine weitere Verschlechterung der Beschäftigungssituation in der Branche hin:
Bereits seit dem vierten Quartal 2018 plant eine kleine Mehrheit der Detailhändler, die
Beschäftigung beizubehalten oder zu erhöhen.
Trotz anhaltendem Stellenschwund geht die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit im Detailhandel
weiter zurück. Seit Juli 2017 ist sie von 10’800 auf 7’500 Personen um 31% zurückgegangen.
Das bedeutet aber auch: ein Teil der ehemaligen Detailhandelsangestellten verlassen die
Branche oder tauchen, wenn sie ausgesteuert sind, nicht mehr in den Arbeitslosenzahlen auf.
Solide Baukonjunktur
Die reale Bauwertschöpfung klettert unaufhaltsam weiter und befindet sich zusammen mit der
Produktion auf einem neuen Allzeithoch. Es gibt jedoch Anzeichen, dass dieser Aufwärtstrend
in den kommenden Monaten gebremst wird. Dies wiederspiegelt sich auch in den KOF-
Umfragen: Die Firmen gaben an, dass sich die Bautätigkeit im Hochbau verlangsamt hat,
während der sonst eher schwächere Tiefbau zulegen konnte. Auch für das dritte Quartal 2019
erwarten die Firmen des Hochbaus einen leichten Rückgang der Bautätigkeit, im Tiefbau
rechnen die Firmen dagegen eher mit einem Anstieg.
Überkapazitäten im Wohnungsbau und steigende Leerstände bremsen die Bauaktivität.
Investitionen in die Infrastruktur federn den Rückgang der Wohnbauinvestitionen jedoch ab. Der
Auslastungsgrad der Maschinen- und Gerätekapazitäten hat sich ebenfalls stabilisiert, bleibt
aber mit 78% im Bauhauptgewerbe weiterhin hoch. Auch im Ausbaugewerbe liegt die
Auslastung stabil bei 74%.
Baugewerbe: Wertschöpfung und Produktion (saisonbereinigt)
Quelle: Seco BIP Quartalsschätzung (Wertschöpfung), SBV (Bauindex)
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Bautätigkeit der letzten 3 Monate (saison- und extremwertbereinigter Trend)
Quelle: KOF-Umfrage
Bautätigkeit der nächste 3 Monate (saison- und extremwertbereinigter Trend)
Quelle: KOF-Umfrage
Die realen Bauinvestitionen sind im zweiten Quartal 2019 gegenüber dem Vorjahr um 0.1%
gewachsen, für das gesamte 2019 rechnet die KOF mit einem realen Wachstum von lediglich
0.4% – im Vergleich zum Plus von 1.5% und 1.2% in den Jahren 2017 und 2018. Der Anteil der
Bauinvestitionen am Bruttoinlandprodukt lieg seit 2016 konstant bei knapp unter 9%, was in
etwa dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre entspricht. Die Bautätigkeit hat derzeit also trotz
guter Konjunktur keinen überhöhten Anteil am Bruttoinlandprodukt, die Tendenz ist sogar leicht
rückläufig. Angesichts der Risiken, welche eine mögliche Immobilienblase mit sich bringen
würde, ist eine Stagnation im Baugewerbe sogar zu begrüssen.
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Angebotspreisindex Geschäftsbauten (Index 1.Quartal 2000 = 100, saison- und extremwertbereinigter Trend)
Quelle: SNB, Immobilienpreisindex
Angebotspreisindex Wohnbauten (Index Q1 2000 = 100, saison- und extremwertbereinigter Trend)
Quelle: SNB, Immobilienpreisindex
UBS Immobilienblasenindex (saisonbereinigt)
Quelle: UBS Schweizer Immobilien, UBS Swis Real Estate Bubble Index 2Q-2019
Auch die Immobilienpreise normalisieren sich weiter, glücklicherweise bisher ohne abrupte
Preiskorrekturen. So schätzt die UBS die Risiken für eine Immobilienblase erneut geringer ein
als im Vorquartal und als Mitte 2017, als sich der Index in der Risikozone bewegte.
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Risiken wie Überangebot und Tragbarkeit bestehen aber regional weiter. Besonders der buy-
to-let Markt birgt vermehrt Risiken. Die anhaltend tiefen Zinsen sowie die steuerliche
Abzugsfähigkeit von Hypothekarschulden setzen zudem starke Anreize zur Verschuldung.
Leerwohnungsziffer (In Prozent)
Quelle: BFS
Tatsächlich verspürt der Schweizer Wohnbausektor immer mehr Gegenwind. Die realen
Wohnbauinvestitionen sind laut KOF bereits im letzten Jahr nur noch um 0.4% angestiegen.
Überkapazitäten, steigende Leerstände und eine verhaltene Nachfrage bremsen den Wohnbau
in diesem Jahr weiter. Die KOF erwartet einen Rückgang um 1.7% im Jahr 2019, und ein Minus
von 2% im Jahr 2020. Der Schweizer Markt für Wohnimmobilien zeigt somit erste Anzeichen
einer Sättigung. Die Nachfrage entwickelt sich schwach. Zwar ist die Situation am Arbeitsmarkt
aktuell gut, aber die Kaufkraft stagniert. Zudem fällt die Zuwanderung seit zwei Jahren niedrig
aus. Die Leerwohnungsquote ist 2018 auf 1.7% gestiegen, vor 10 Jahren lag sie noch bei 0.9%.
Der aktuelle Wert erscheint im internationalen Vergleich zwar immer noch sehr tief. Allerdings
betrug der bisherige Höchststand im Jahr 1998, nach der Schweizer Immobilienkrise, auch nur
1.9%.
Mit der erneuten Lockerung der Geldpolitik in der Eurozone und den USA ist auch die SNB von
einer Zinswende weit entfernt. Somit dürften die Finanzierungsbedingungen für Immobilien noch
lange attraktiv bleiben. Institutionelle Anleger investieren auf der Suche nach Rendite nach wie
vor in den Immobiliensektor. Allerdings werden die Investoren angesichts der steigenden
Leerstände vorsichtiger bezüglich der Objektauswahl. Tatsächlich verlangsamt sich die
Kreditvergabe von Hypotheken seit 2014 trotz tiefer Zinsen deutlich, was unter anderem auch
auf makroprudenzielle Massnahmen wie der antizyklische Kapitalpuffer oder die
selbstregulierenden Massnahmen der Banken zurückzuführen ist. Diese werden ab 1.1.2020
für Renditeliegenschaften noch verschärft.
Bereits jetzt lässt die Dynamik bei den Baubewilligungen und -gesuchen von Wohnobjekten
gemäss einer Auswertung der KOF nach. Insbesondere in der Peripherie von Agglomerationen
könnten bereits Überkapazitäten bestehen. Es ist immer noch viel Liquidität im Markt vorhanden
und die SNB beobachtet Wohnrenditeliegenschaften aufmerksam, um entstehenden
Ungleichgewichten bei Bedarf entgegenzuwirken.
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Beschäftigungsentwicklung im Baugewerbe (Saisonbereinigt)
Quelle: BFS BESTA (Beschäftigung), KOF Konjunkturumfrage Bau (erwartete Beschäftigung)
Arbeitskräftemangel im Bauhauptgewerbe (Saisonbereinigt)
Quelle: KOF-Umfrage
Die Beschäftigung im Baugewerbe wuchs zuletzt wieder um 0.8%, nach einem Nullwachstum
im vierten Quartal 2018. Die Ergebnisse der KOF-Umfrage weisen auf ein tiefes aber stabiles
Beschäftigungswachstum hin. Gleichzeitig ist der Arbeitskräftemangel im Bauhauptgewerbe
noch immer hoch: 25.4% der Firmen geben an, der Mangel an Arbeitskräften sei ein Hemmnis
bei der Leistungserbringung, der langjährige Durchschnitt liegt bei 20%.
Trotz des hohen Arbeitskräftemangels ist die Zahl der Arbeitslosen im Bauhaupt- und besonders
im Ausbaugewerbe in den letzten Monaten nicht mehr weiter gesunken sondern stabilisiert sich.
Im Hoch- und Tiefbau liegt die Arbeitslosigkeit wieder auf dem Vorkrisenniveau von 2008, beim
Ausbaugewerbe ist die Situation noch immer deutlich schlechter: Heute sind knapp dreimal so
viele Personen aus dem Ausbaugewerbe arbeitslos gemeldet wie noch 2008.
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Arbeitslosigkeit im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe (Personen, saisonbereinigt)
Quelle: Seco amstat.ch