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Martin Clauss Vorträge im Europäischen Romanik Zentrum 07 Adversarii ecclesiae, aufstrebende Territorial- herren und gläubige Kirchenreformer

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Martin Clauss

Vorträge im Europäischen Romanik Zentrum 07

Adversarii ecclesiae, aufstrebende Territorial -herren und gläubige Kirchenreformer

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Band 07

Vorträge im Europäischen Romanik Zentrum

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Vorträge im Europäischen Romanik ZentrumAn-Institut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Herausgegeben von

Wolfgang Schenkluhn und Andreas Ranft

mit freundlicher Unterstützung der

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Martin Clauss

Adversarii ecclesiae, aufstrebende Territorialherren und gläubige Kirchenreformer

Kirchenvögte auf dem Gebiet des römisch-deutschen Reiches im 11. und 12. Jahrhundert

Festvortrag anlässlich der Verleihung des Romanikforschungspreises 2017

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Martin Clauss studierte Geschichte, lateinische Philologie, katholische Theologie und Germanistik in Bonn,München, Köln und Durham (GB). Nach seinem Master of Arts über Knightly motivation in the hundredYears War wurde er in mit einer Arbeit über die Untervogtei. Studien zur Stellvertretung in der Kirchen-vogtei im Rahmen der deutschen Verfassungsgeschichte des 11. und 12. Jahrhunderts promoviert. AlsHochschulassistent an der Universität Regensburg habilitierte er sich schließlich mit einer Arbeit überKriegsniederlagen im Mittelalter. Darstellung – Deutung – Bewältigung. Nach Lehrstuhlvertretungen inBerlin, Saarbrücken, Trier und in Chemnitz erhielt er 2014 dorthin den Ruf auf die Professur für Geschichtedes Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Neben „Verfassungsgeschichte“, „Königtum und Krieg im Mit-telalter“ sowie „Historiographiegeschichte“ gelten seine Forschungsinteressen neuerdings der „Rezeptiondes Mittelalters“, dem „Mittelalter im Schulbuch“ und der „Erschließung der Lautsphären des Mittelal-ters“.

Umschlagfoto:Tympanon vom Hauptportal der Kirche Saint-Hilaire in Semur-en-BrionnaisCreative-Commons-Lizenz, Foto Daniel Villafruela. Die Abbildung wurde als Schwarzweißfotoübernommen.https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Semur_en_Brionnais-%C3%89glise_Saint_Hilaire-20110212-Linteau_et_tympan_ouest.jpg?uselang=de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation inder Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnd.d-nb.de abrufbar.

CXCVII

© Universitätsverlag Halle-Wittenberg, Halle an der Saale 2019

Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

ISBN 978-3-86977-196-0

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Auszug aus der Laudatioauf die Preisträgerin Anelise Nicolier

Andreas Hartmann-Virnich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Festvortrag

Martin ClaussAdversarii ecclesiae, aufstrebende Territorialherren und gläubige KirchenreformerKirchenvögte auf dem Gebiet des römisch-deutschen Reiches im 11. und 12. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Curriculum Vitae der PreisträgerinAnelise Nicolier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Das Europäische Romanik Zentrum, Merseburg . . . . . . . . 47

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Vorwort 7

Vorwort

Nun schon zum siebten Mal verleiht das Europäische Romanik Zen-trum den international ausgeschriebenen Romanikforschungspreis, dernach einer keineswegs leichten Entscheidung der Jury angesichts einerganzen Reihe hervorragender Arbeiten, die eingereicht wurden, an diejunge französische Kunsthistorikerin Anelise Nicolier vergeben werdenkonnte. Die feierliche Preisverleihung führte wie stets Fachgelehrte,Freunde und Förderer des Europäischen Romanik Zentrums und ein öf-fentliches Publikum zu Festvortrag und geselligem Gespräch zusam-men.

Unser Dank geht in diesem Zusammenhang zuerst an den KollegenMartin Clauss, den wir als ausgewiesenen Experten dafür gewinnenkonnten, ganz in der Tradition dieser besonderen Veranstaltung zurvorliegenden Preisarbeit einen thematisch korrespondierenden Festvor-trag zu halten. Unsere Freude über seine sehr spontane Zusage fand ihreErfüllung in einem fesselnden Vortrag, der noch lange am Abend weiterangeregt diskutiert wurde. Wir danken an dieser Stelle auch ganz herz-lich dem Kollegen Andreas Hartmann-Virnich, Professor für Kunst-geschichte und Archäologie des Mittelalters an der Universität Aix-Marseille, der sich die Zeit genommen hat, die Arbeit der Preisträgerinausführlich zu würdigen.

Zu danken haben wir aber auch für die weiterhin so außerordentlichgroßzügige Förderung unserer Arbeit am ERZ durch die Saalesparkasseund ihre Stiftung, die zusammen mit Gerhard Mauch als Mäzen diesesPreises wirkt und in der Person ihres Vorstandsvorsitzenden Jürgen Foxdie vom ERZ betriebenen Forschungen mit engagiertem Interesse undgroßem Verständnis für die kulturhistorischen Herausforderungen derGeisteswissenschaften in unserem Land begleitet.

Der Preis wurde diesmal in Stellvertretung des Ministers von Dr. Mi-chael Lehmann, Leiter der Abteilung Hochschulen, Wissenschaft und

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8 Vorwort

Forschung des Ministeriums für Wissenschaft und Digitalisierung desLandes Sachsen-Anhalt, überreicht. Sein Grußwort, die anregenden Ge-spräche beim anschließendem Empfang sowie der daraus entspringendeweitere Austausch bringen das große Interesse an Arbeit und Aktivitä-ten des ERZ als landesgeschichtlich bedeutsamer Forschungseinrich-tung zum Ausdruck. Seinem Haus, den Mitgliedern und Förderern desEuropäischen Romanik Zentrums gilt an dieser Stelle ebenfalls unserherzlicher Dank!

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Laudatio 9

Laudatio

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10 Laudatio

Die Personen bei der Preisverleihung sind neben der Preisträgerin v.l.n.r.: Prof. Dr. Wolfgang Schenkluhn (ERZ); Jan-Hinrich Suhr (Stiftung Saalesparkasse);

Dr. Michael Lehmann (Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung); Prof. Dr. Andreas Ranft (ERZ)

(Foto: H. Brandl)

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Laudatio 11

Auszug aus der Laudatio

auf die Preisträgerin Anelise Nicolier

Südlich von Cluny gelegen gilt das Brionnais heutzutage in der Regelals Hauptlieferant herausragender Agrarprodukte, steht doch derName des mit ihm verbundenen Charolais über die Grenzen Frank-reichs hinaus bei nichtvegetarischen Feinschmeckern emblematisch fürdie hellfarbige Rinderrasse, die für ihr Fleisch gezüchtet wird und derenVertreter dort allerorten auf den hügeligen Weiden grasen. Zwar fehltdem erst im 19. Jahrhundert definierten Brionnais aus kirchenge-schichtlicher Sicht eine eigene Struktur, denn hier treffen die Grenzbe-reiche von vier unterschiedlichen Diözesen aufeinander, so dasszunächst zu klären ist, welche historischen oder stilgeographischen Kri-terien dem Umriss des gewählten Territoriums entsprechen. Doch siehtFrau Nicolier durchaus den Ursprung dieser territorialen Identität imLehensgebiet der beiden großen Adelsgeschlechter von Semur und LeBlanc begründet, das allerdings erst im 13. Jahrhundert fassbar ist,wogegen die Pfarreien, die einer aufgrund fehlender schriftlicher undarchäologischer Quellen kaum näher zu bestimmenden, wesentlich älte-ren Zeitstufe zuzuordnen sind, sowie die Geographie ihrer Diözesen nursekundär berücksichtigt werden. Für die allgemeine Geschichte der mit-telalterlichen Architektur ist von besonderer Bedeutung, dass Abt Hugovon Semur, der 1088 mit der dritten Abteikirche von Cluny den größtenromanischen Kirchenbau überhaupt begann, dem ersteren dieser beidenAdelshäuser entstammte. Semur-en-Brionnais, Anzy-le-Duc, Bois-Sainte-Marie, Charlieu, Iguerande, Varenne-l’Arconce, Saint-Julien-de-Jonzy, Saint-Germain-en-Brionnais und Montceaux-l’Etoile, die Chri-stian Sapin nach dem aktualisierten Forschungsstand in seinen 2006erschienenen Band über die burgundische Romanik aufnahm, zählen zuden Hauptwerken des früh- und hochromanischen Kirchenbaus undseiner Bauplastik in Frankreich.

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12 Laudatio

Das Ergebnis der Arbeit von Frau Nicolier beeindruckt durch denaußergewöhnlichen, ja fast erschütternden Umfang der über 2700 Sei-ten starken, sorgfältig ausgearbeiteten und formal wie literarischansprechenden Arbeit, deren Hauptteil alleine ein 907-seitiges, zwei-bändiges opus magnum bildet, die 530 Seiten des Annexbandes sowiedie drei jeweils über 400 Seiten zählenden Bände des Bauinventars nichteingerechnet. Das Corpus umfasst 113 romanische Kirchenbauten, vondenen allerdings nur 11 vollständig und 33 teilweise erhalten sind, dochüber die Hälfte (57%) zerstört, wobei der Forschungsstand und derBekanntheitsgrad erwartungsgemäß sehr ungleich ausfallen, so im Falldes Cluniazenserpriorats Charlieu, berühmt für seine Portalplastik unddie Reste der hochromanischen Vorkirche, wogegen die Pfarrkirche desOrtes bisher kaum Beachtung gefunden hat. Der Verbindung der Archi-tekturanalyse mit akribischer Quellenforschung, die der HistorikerPierre Ganivet angesichts der hierzu erforderlichen methodologischenKenntnisse seitens einer Kunsthistorikerin als erhebliche Leistung wür-digt, entspricht das Gewicht, das Frau Nicolier dem historischen undpolitischen Kontext zumisst, den sie im „Prolog“ erörtert. Dieserbegreift die behandelten Kirchenbauten als Teil einer „Landschaft“, die,wie bereits einleitend gesagt, im 11. und 12. Jahrhundert dem Territo-rium der beiden bedeutenden Adelsfamilien der Semur und Le Blancentspricht. Die systematische Untersuchung der geschichtlichen Bezügedurch ein sorgfältiges Abwägen der jeweils unterschiedlichen Quellen-lage zur Geschichte und Baugeschichte der einzelnen Kirchen kenn-zeichnet die Sicht- und Vorgehensweise der Autorin ebenso wie derbewusste Verzicht auf eine qualitativ abwägende Unterscheidung, aufeine unterschiedliche Wertung „großer“ und „kleiner“, „vorrangiger“und „sekundärer“ Kirchenbauten: „die kleinen Kirchen haben ebensowie die großen gleichen Anteil an der Bildung einer Architekturland-schaft“.

Der Untersuchung der Architektur geht eine sorgfältige Sichtung derverfügbaren Schriftquellen – schriftliche Protokolle von Pastoralvisiten,Bauverträge, Katasterpläne, Karten, Archivalien zu Restaurierungen –voran, die vom gegenwärtigen Zustand der Kirchen ausgehend rück-blickend die nachromanischen Veränderungen von der ursprünglichenBausubstanz scheidet. Diese wird sodann auf ihre morphologischen undstilistischen Merkmale hin untersucht. In zwei eigenen Kapiteln wirdjeweils eine vergleichende Analyse der Grundrisstypen und des Aufge-

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Laudatio 13

henden vorgestellt, ein weiteres Kapitel behandelt ausführlich dieBaumaterialien und Bautechniken anhand der bauarchäologischenBefunde. Erst vor dem Hintergrund dieser ausführlichen Analyse desBaugesamten wird abschließend der Baudekor behandelt.

Grundlage und Ausgangpunkt dieser umfassenden Betrachtung sind dieMonographien des dreibändigen Bautenkatalogs, die dem Leser danksorgfältiger Recherchen eine detaillierte Übersicht über die historischen,forschungs-, restaurierungs- und baugeschichtlichen Daten mit aus-führlicher Bibliographie und Quellenliste in verständlicher und anspre-chender Textform anbieten. Die in chronologischer Reihenfolgegetrennt aufgelisteten Daten zur Geschichte und Restaurierungsge-schichte sind häufig durch ansprechende Kurzkommentare aufgelok-kert, die dem Leser einen guten Einblick in die Vergleichsdaten zur Bau-chronologie gewähren. Der flüssige, ins Narrative spielende Stil derAutorin vermeidet wirkungsvoll den Eindruck von Länge, dem auch dieknapp gefassten Baubeschreibungen und abwägenden Überlegungenzum Forschungsstand entgegenwirken, deren reduzierte Tiefenschärfeder effizienten Vermittlung der wesentlichen Elemente untergeordnetist. Für die weiterführende Romanikforschung bietet der Katalog eineunverzichtbare, in ihrer Vollständigkeit vorbildliche Übersicht.

Die methodische Berücksichtigung und sehr detaillierte Formanalyseder vielfältigen Architekturelemente ist in ihrer Herangehensweise vor-bildlich und regt dazu an, die Gültigkeit und Begründung der aufgezeig-ten typologischen Unterscheidungsmerkmale durch eine bereits inAnsätzen vorbereitete geographische Ausweitung der Studie zu über-prüfen, wobei allerdings auch die Unterscheidung unterschiedlicherZeit- und Entwicklungsstufen als strukturierendes Grundgerüst auszu-weiten wäre.

Vom Fundament ausgehend über die Technik und Chronologie derSteinbearbeitung zu Typologie, Steinformaten, Steinmetzzeichen undBautechniken des Mauerverbands, Bogenquadern, Gewölben, Freipfei-lern, Wandstützen, Säulen, Strebepfeilern, Eckverband sowie Überle-gungen zu Materialtransport, Baugerüsten und Bauablauf bietet dievielschichtige Studie neben detaillierten Analysen, die sich an der aktu-ellen Problematik der Bauforschung orientieren, auch Anregungen zurLeistungsberechnung der Steinmetzen und Maurer mit Überlegungen

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zur Anzahl der Werktage und dem Einfluss der Werkzeugtypen undSteinsorten auf die individuelle und kollektive Produktivität. Zwar sinddie Ergebnisse, die sich auf heutige Standards berufen und die Zahl derWerkleute willkürlich festlegen, nur bedingt und cum grano salis ver-wertbar, doch würdigen sie zurecht das Tagwerk der Menschen des11. und 12. Jahrhunderts, deren Arbeit wir die Bauwerke verdanken,eine Dimension, die in architektur- und kunsthistorischen Betrachtun-gen oft in den Hintergrund tritt.

Vielschichtigkeit der Analyse, methodisches Augenmerk, Systematik,und die Überzeugung, dass jedes noch so bescheidene Bauwerk, jedesscheinbar unscheinbare Baudetail ein typologisches Gesamtbild berei-chert und dessen Gültigkeit mit bedingt, zeichnen die Dissertation vonAnelise Nicolier als eine wichtigen Beitrag nicht nur zur französischenRomanikforschung aus: ihr opus magnum steht beispielhaft für denSinn und die Pertinenz serieller Vergleichsstudien, die sich auf eine langeTradition berufen können und sich hier in aktualisierter Form neu ent-falten. Für diese herausragende Leistung wird ihr mit der Verleihung desRomanikforschungspreises am heutigen Abend eine hohe Anerkennungausgesprochen.

ANDREAS HARTMANN-VIRNICH

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Kirche im Mittelalter bedeutete zunächst – neben ihrer Funktion als Kultort – Sicherung und Organisation christlicher Frömmigkeitspraxis, hieß Verwalterin der Sakramente und Hüterin des göttlichen Gnadenschatzes zu sein, für deren ge-rechte Austeilung sie einzustehen hatte, und sie war damit zugleich Legitimations -instanz weltlicher Herrschaft. Neben die-sen geistlichen Aufgaben, den spiritualia, fielen ihr über die Jahrhunderte seit ihrem Bestehen in römischer Zeit zunehmend weltliche Aufgaben zu – temporalia – und übte sie zunehmend selbst weltliche Herr -schaft über Land und Leute aus. Kirchenrechtlich war das ein Problem, für das Lösungen gefunden werden mussten. Geistliche konnten und durften nicht ohne weiteres weltliches Recht sprechen und gar Blutgerichtsbarkeit ausüben; sie selbst unterlagen weltlichem Recht nicht. Zur Lösung solcher Probleme gehörte das Institut der Kirchenvogtei, das Laien zugänglich war und weltliche Handha-

bungen und Herrschaft für die Kirche und Ihre geistlichen Dignitäten ermög-lichte. Martin Clauss widmet sich in sei-nem Festvortrag eben diesem zentralen Phänomen, das im Hochmittelalter eine differenzierte Ausprägung erfährt, dessen kaum zu überschätzende Bedeutung für das Verständnis von Kirche und Welt nicht allein – wie bislang in der Forschung – aus verfassungs- und (kirchen)rechts -historischer Perspektive erfasst werden kann, sondern, wie Clauss zu zeigen ver-sucht, methodisch erst in Verbindung mit sozial- und kulturhistorischem Zugriff unserem Verständnis für diese Form der Verknüpfung von geistlicher und welt -licher Sphäre zugänglich macht.

www.uvhw.de

ISBN 978-3-86977-196-0

E U RO P Ä I S C H E S ROMAN I K Z E N T RU M