WPK Quarterly 2009-3

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Quarterly DAS MAGAZIN DER WISSENSCHAFTS-PRESSEKONFERENZ e.V. Schwerpunkt Ressort Ausgabe III 2009 Aufbruch: Ein Plädoyer für das Computer Assisted Reporting. Auflösung: Das Ressort Wissenschaft der Berliner Zeitung Gründung: Ein neues internationales Magazin will Inno- vationen im Wissenschaftsjournalismus befördern. Wer berichtet übers Klima? Über Ressortgrenzen und Wege, sie zu überwinden. gibt es nicht mehr. www.wpk.org

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Wer berichtet über den Klimawandel?

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QuarterlyDAS MAGAZIN DER WISSENSCHAFTS-PRESSEKONFERENZ e.V.

Schwerpunkt Ressort Ausgabe III 2009

Aufbruch: Ein Plädoyer für das Computer Assisted Reporting.

Auflösung: Das Ressort Wissenschaft der Berliner Zeitung

Gründung: Ein neues internationales Magazin will Inno-vationen im Wissenschaftsjournalismus befördern.

Wer berichtet übers Klima? Über Ressortgrenzen und Wege, sie zu überwinden.

gibt es nicht mehr.

www.wpk.org

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Ob Klimawandel, Schweinegrippe oder die umstrittene HPV-Impfung - Themen aus dem sechsten Ressort werden zu Aufmachern in Zeitun-gen und Nachrichtensendungen. Wissenschaft hat Konjunktur - so sieht es zumindest auf den ersten Blick aus. Wer genauer hinschaut, erkennt jedoch ein ganz anderes Bild: Wenn Wissenschaftsthemen nach vorne rücken, übernehmen nicht selten die Kollegen aus Politik und Wirtschaft die Berichterstat-tung. Wissenschaft findet ohne Wis-senschaftsjournalisten statt, denn die gelten im eigenen Haus oft als zu langsam und zu kompliziert. In Einzelfällen mag der Vorwurf stimmen. Nachrichtenredakteuren jedoch mangelt es häufig an Hin-tergrundwissen und vor allem an Zeit. Wer sich zu Themen wie der Schweinegrippe eine fundierte Mei-nung bilden will, kommt nicht dar-um herum, Studien zu lesen und zu bewerten. Bei den Aktuellen - egal in welchem Medium - ist das aber schlichtweg unmöglich. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Ressorts wäre sinnvoll, hat jedoch Seltenheitswert.

Die Folge: Fakten und wissen-schaftliche Zusammenhänge spie-len in den Artikeln und Sendungen eine immer geringere Rolle. Bestes Beispiel: Der „Eliteimpfstoff“ und die „Wundersalbe gegen Neurodermitis“, zwei Aufreger, die gerade durch die Medien geistern. Die Fakten gehen im Kleingedruckten unter. Tatsäch-lich ist der sogenannte Eliteimpfstoff schlechter erprobt als das Mittel Pan-demrix, mit dem die Bevölkerung gegen die Schweinegrippe geimpft werden soll. Und im zweiten Fall sind die wenigen Studien, die es zu der angeblichen Wundersalbe gibt, alles andere als überzeugend. Die mahnenden Worte der Kollegen aus dem Wissenschaftsressort werden jedoch gerne überhört. Zu zugkräftig klingen die Schlagzeilen, und außer-dem bestätigen sie weitverbreitete Vorurteile: Wenn es gegen die Phar-maindustrie geht, kann es ja so falsch nicht sein.

Eine Welle schwappt durch den Blätterwald, und am Ende bleibt ein ratloses Publikum zurück: Wie gefähr-lich ist die Schweinegrippe denn nun wirklich? Soll ich mich impfen lassen

oder nicht? Und hilft die neue Salbe tatsächlich gegen Neurodermitis? Die Antwort scheint von der Meinung des jeweiligen Experten abzuhän-gen, nicht von Ansteckungsraten, To-deszahlen oder Studienergebnissen. Je mehr (pseudo)wissenschaftliche Artikel erscheinen, umso größer wird die Unsicherheit und Unwissenheit des Publikums.

Wo Wissenschaft drauf steht, ist oft keine Wissenschaft drin. Auf den zweiten Blick steht es um das sechste Ressort also alles andere als rosig. Da passt es schon eher in den Trend, dass Uwe Vorkötter, der Chef-redakteur der Berliner Zeitung, im Interview verkündet, dass zu einer Vollredaktion nicht zwangsläufig ein eigenes Wissenschaftsressort gehört. Dementsprechend wird die Wissen-schaftsseite der Berliner Zeitung in Zukunft von den Kollegen der Frank-furter Rundschau produziert. „Verlo-ren geht die Vielfalt“ beklagt Jakob Vicari in seinem Artikel „Aus zwei mach eins“.

Braucht die Wissenschaft denn nun ein eigenes Ressort oder sollte

EDITORIAL

Über Ressortgrenzen und Wege, sie zu überwinden

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Inhalt

3III / 2009 WPK-Quarterly

Editorial

Für und Wider des Lebens in den Grenzen des Ressorts Wissenschaft

Zusammenarbeit beim Klima !? Drei Praxisberichte

Uta Pohlmann (PIK) im Interview:„Die ökonomische Seite des Klimawandels ist ins Zentrum der Berichterstattung gerückt“

Organisation der Zusammenarbeit:New York Times beschreitet neue Wege

Standpunkte: Pro und Contra des Ressorts Wissenschaft

Computer Assisted Reporting: Schneisen schlagen durch den Datendschungel

Die Schweinegrippe und die Medien: Anklagen einer Pressesprecherin

Aus zwei mach eins! Die Berliner Zeitung verliert ihr Wissenschaftsressort.

Der Chef der Berliner Zeitung im Interview: „Das Ziel ist, die Qualität zu steigern“

WPK hat einen neuen Vorstand: Ein Gespräch über die Zukunft

Zehn Jahre PUSH: Die Irrationalitäten öffentlicher Wissenschaft

Zehn Jahre PUSH: Der Schatten der Popularisierung

Ein neues Magazin ist online: Innovationen für den Wissenschaftsjournalismus

Neue Mitglieder

Impressum

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sie nicht besser ihre Nische verlassen und überall im Blatt stattfinden? Da-rüber debattieren Björn Schwentker und Volker Stollorz. Die Antwort kann wohl kein „entweder-oder“ sondern nur ein „sowohl-als-auch“ sein. Eine eigene Sendung bzw. Seite ist nötig, denn nur so läßt sich auf Dauer ein Stamm von gut ausgebildeten Fach-redakteuren halten. Gleichzeitig aber sollten die Kollegen regelmäßig ihr sicheres Revier verlassen und im nor-malen Programm mitmischen. Bei großen Ereignissen – wie zum Beispiel der UN-Klimakonferenz in Kopenha-gen – stellt sich in vielen Häusern die entscheidende Frage: Wer reist an - der Kollege aus der Politik oder ein Wissenschaftsredakteur? Allzu oft fällt dann die Wahl auf den Politikkollegen. Er – oder sie – sei ja schließlich aktuel-les Arbeiten gewohnt. Und die wissen-schaftlichen Hintergründe könne man genauso gut von Zuhause zuliefern.

Im Hörfunk zeigt die ARD, dass es auch anders geht: Umwelt- und Wis-senschaftsredakteure bilden einen senderübergreifenden Pool, der alle Wellen zwischen Hamburg und Mün-chen mit Hintergründigem beliefert - zusätzlich zur aktuellen Berichterstat-tung. Wilfried Bommert beschreibt das vorbildliche Modell. Wie klappt´s eigentlich mit den Nachbarn aus Po-litik und Wirtschaft? Dazu haben wir Stimmen aus Fernsehen, Hörfunk und Zeitung eingeholt.

In diesem Heft erkunden wir das Wissenschaftsressort - seinen Stel-lenwert und seine Grenzen. Und wie immer finden Sie im Quarterly auch noch weitere interessante Geschich-ten und Rubriken - zum Beispiel ein Interview mit Alexander Mäder, dem neuen Vorsitzenden der WPK. Viel Spaß beim Lesen!

Claudia Ruby

Claudia Ruby

ist freie TV-Wis-senschaftsjourna-

listin. Sie lebt und arbeitet in Köln.

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Inhalt

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Journalisten lieben Routinen und feste Arbeitsstrukturen. Das gibt Sicherheit in einem ansonsten höchst unsicheren Geschäft, denn Themen-, Ereignis- und Quellen-lage können sich schnell ändern. Der Journalismus hat sich deshalb frühzeitig ein strenges organisa-torisches Korsett gegeben: Die Kernressorts der Nachrichtenme-dien sind mehr als 100 Jahre alt. Die Welt der Nachrichten besteht schon lange aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und Lokalem.

Aber sind die Redaktionen mit diesen Strukturen innovationsfähig? Kann man entsprechend reagieren, wenn sich gesellschaftlich relevante Themenfelder wandeln, wenn sich die Anforderungen an die Herge-hensweise an Themen verändern, wenn Interessen und Wünsche des Publikums andere sind als noch vor Jahren oder Jahrzehnten?

Die Redaktionsorganisation ist ein Strukturkontext, der bestimmt, wel-che Themen überhaupt in den Me-dien stattfinden und unter welcher Perspektive sie bearbeitet werden. Ressorts und thematische Zustän-digkeiten von Journalisten sind die Wahrnehmungsstruktur des Jour-nalismus. Eine feste Ressortierung ist einerseits sinnvoll, weil dadurch gesellschaftlich relevante Bereiche kontinuierlich und verlässlich beob-achtet werden. Sie hat andererseits aber den Nachteil, dass Themen im Wahrnehmungs- und Verarbeitungs-prozess ghettoisiert werden.

In einer klassischen Zeitungsre-daktion mit weitgehend autonomen Ressorts gibt es kein „Dazwischen“. Entweder ein Ereignis fällt in die Po-litik, die Wirtschaft, die Kultur, den Sport, die Wissenschaft – oder es fällt durchs Raster und kommt nicht vor.

Hinzu kommt, dass ein Bewusstsein für das journalistische Produkt als Ganzes kaum entstehen kann: Die Ressorts kämpfen eher gegeneinan-der um Prestige, Platz und Ressour-cen – statt sich auszuhelfen, sich gegenseitig zu befruchten und zu-zuliefern oder Themen gemeinsam anzugehen. Ressortautonomie ist hochgradig unflexibel.

Impulse für Innovationen

in einer Phase

des Medienumbruchs

Zum Problem der Themenghet-tos und der mangelnden Sicht aufs ganze Produkt kommen sinkende Anzeigenerlöse und Auflagenrück-gänge, welche die Zeitungshäuser zum Sparen zwingen. Zudem hat sich das Leserverhalten vor allem junger Menschen dramatisch verändert. Wer die Leser nicht verlieren und neue Le-sermärkte erschließen will, muss die Alleinstellungsmerkmale der Zeitung stärken – also das in der Zeitung, was kein anderes Medium so gut kann: die Geschichten hinter den schnellen, zusammenhangslosen Nachrichten und die Verknüpfung zwischen über-regionalen, regionalen und lokalen Informationen.

Um sich gegenüber den schnelle-ren elektronischen Medien zu profi-lieren, brauchen Zeitungsredaktio-nen Freiräume für Kreativität abseits der Routine, für eigene Schwerpunkt-Themen und Zusammenhänge sowie für Hintergrund-Recherchen. Auf der einen Seite sollen die Redaktionen also sparen, auf der anderen wird eine stärkere Eigenproduktion ge-fordert, was traditionell nur mit mehr Personal umzusetzen ist. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist nur möglich, wenn redaktionelle Abläufe opti-

miert, Strukturen flexibilisiert und Tä-tigkeiten professionalisiert werden. Redaktionen werden zum Beispiel immer mehr funktional in Editors und Reporters getrennt. Editors sind Spezialisten fürs Blattmachen, für Produktion, Organisation und The-menplanung; sie arbeiten zentral am Newsdesk. Reporters können sich um ein Informantennetzwerk küm-mern, recherchieren Hintergründe und schreiben eigene Geschichten.

Medienhäuser arbeiten zuneh-mend mehrmedial und bedienen mehrere Plattformen (z.B. Print im „normalen Format“, Print als kompak-tes Format für junge Zielgruppen, In-ternet, mobile Kommunikation etc.). In crossmedial organisierten Redak-tionen werden diese Plattformen – beispielsweise an einem Newsdesk – zusammengeführt: Das digitalisier-te redaktionelle „Material“ soll mehr-fach verwendet, Ressourcen sollen für verschiedene Produkte eingesetzt werden. Neue Redaktionsstrukturen sind die Bedingung dafür, dass neue Ausspielkanäle schnell besetzt und redaktionell integriert werden kön-nen. Dies ist nicht unproblematisch und bringt neue Herausforderun-gen vor allem für den redaktionellen Workflow und die Kompetenzen der Journalisten mit sich.

Neue Modelle der

Redaktion: Newsdesk

und Newsroom

Impulse für crossmediales Arbeiten kommen indes weniger aus Deutsch-land, sondern vielmehr aus Ländern mit deregulierten Medienmärkten, in denen regionale Medienunterneh-men Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunksender zugleich betreiben dürfen: In Skandinavien und den

Für und Wider des Lebens in den Grenzen des Ressorts Wissenschaft1Ein Überblick

Von Klaus Meier

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USA – und zunehmend in Österreich und der Schweiz – gibt es bereits Regional- und Lokalredaktionen, die Print, Internet, Radio und Fernsehen gemeinsam bedienen.

Antworten auf diese Herausforde-rungen werden seit einigen Jahren mit den Anglizismen Newsroom oder Newsdesk gegeben. Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 40 Redak-tionen im deutschsprachigen Raum neue Strukturen eingeführt haben – und dafür im weitesten Sinne diese Begriffe verwenden. Auch bei Nach-richtenagenturen, Zeitschriften und Rundfunkanstalten wird mit ressort- und/oder medienübergreifenden Or-ganisationsformen experimentiert.

Es ist interessant, dass Kritik an der klassischen Ressortautonomie zuerst von Forschern kam, die sich mit Wissenschaftsjournalismus be-schäftigten. Ulrich Pätzold stellte be-reits Anfang der 70er Jahre fest: „Die Wirklichkeit trägt […] keinen Res-sortstempel, ganz besonders nicht die Wirklichkeit der Wissenschaften.“ Er forderte „eine allseitige und ge-genseitige Durchdringung“ und eine „Integration der Wissenschaftsbe-richterstattung in die allgemeinen Redaktionen der Politik, Wirtschaft, des Feuilletons und vor allem des Lo-kalen“. Ähnliche Forderungen kamen in den 80er Jahren von Wolfgang R. Langenbucher und Walter Hömberg. Als Beispiele für ressortübergreifende Themen nannte Langenbucher Ener-gie, Verkehr, Ökologie, Gentechnik, Mikroelektronik, Ausländer, Medi-zin. Hömberg schlug Kooperationen über Ressortgrenzen hinweg und Projektredaktionen mit Beteiligung von Wissenschaftsjournalisten vor.

Die Forderungen scheinen sich mit neuen Modellen der Redaktionsor-ganisation allmählich durchzusetzen. Im Konzept der vernetzten Redakti-on und der niedrigen Ressortgren-zen gibt es meist nach wie vor die spezialisierten Wissenschaftsseiten. Werden innovative Wissenschaftsre-dakteure jedoch durch das Redakti-onsmanagement gestützt, können sie aus ihrem Sparten-Ghetto aus-brechen, für die Politik, die Wirtschaft oder die Kulturseiten schreiben und

mit Redakteuren anderer Ressorts zu-sammenarbeiten.

In einer integrativen Rolle sieht sich zum Beispiel Berndt Röttger, Ressort-leiter Wissenschaft und Technik beim „Hamburger Abendblatt“. „Unser Wis-senschaftsressort versteht sich als Kompetenz-Center für Wissenschaft und bearbeitet grundsätzlich alle Wis-senschaftsthemen quer durchs Blatt.“

Bei der „Neuen Zürcher Zeitung“ wurde vor ein paar Jahren ein „Wis-senschaftsdienstpult“ eingerichtet, wo-mit die Wissenschaft aus dem „Mitt-wochsghetto“ geholt werden und vermehrt im ersten Buch und auf der vermischten Seite auftauchen sollte – ein Modell das sich nach Aussage des Wissenschaftsredakteurs Christian Speicher „gut bewährt“ hat.

Ähnliche Erfahrungen mit dem

neuen großen Newsroom hat Chris-tian Müller gemacht, der bei der APA für die Wissenschaftsberichterstat-tung zuständig ist: „Ich erwarte, dass durch den Newsroom die wissen-schafts-journalistische Hintergrund-berichterstattung bei aktuellen gro-ßen Themen zunimmt. Und das ist auch spannend für uns. Das ist das Salz in der Suppe.“ Allerdings seien die Wissenschaftsjournalisten der APA oft durch eigene Termine gebun-den und könnten sich deshalb nicht sehr intensiv an aktuellen großen Themen beteiligen.

Wissenschaftsjournalisten

müssen sich an innova-

tiven Redaktionskonzepten

beteiligen, in neuen

Teamstrukturen arbeiten

und langfristige Ziele und

Strategien formulieren

Das geht auch Wissenschaftsre-dakteuren kleiner Zeitungen so. Sie haben es offenbar schwer, ihre Ge-schichten in den anderen Ressorts unterzubringen. Oder sie sind mit der zweifachen Aufgabe, eine eigene

Sparte zu pflegen und anderen zuzu-liefern, zeitlich überfordert. Praktische Erfahrungen und empirische Studien zeigen, dass die Vernetzung von der Redaktionsleitung gewollt und un-terstützt werden muss. Newsdesk-Modelle haben hier zum Beispiel den Vorteil, dass die Fachredakteure vom Umbruch entlastet werden und sich auf Recherche, Schreiben und The-menfindung konzentrieren können. Sie liefern dem Newsdesk zu, das die Wissenschaftsthemen dann – je nach aktueller Bedeutung – auf der Titel-seite, im Vermischten oder auf Hin-tergrundseiten platziert oder auch eine klassische Wissenschaftsseite produziert.

Dass sich Wissenschaftsjourna-listen immer öfter an innovativen Redaktionskonzepten beteiligen, in neuen Teamstrukturen arbeiten und langfristige Ziele und Strategien for-mulieren und umsetzen müssen, stellte auch Jan Lublinski fest. Die Formatierung von Wellen im öffent-lich-rechtlichen Radio Anfang der 90er Jahre führte zu einer Krise der Wissenschaftsressorts, weil diese zu-mindest teilweise ihre angestamm-ten Sendeplätze aufgeben mussten. In der Krise fanden sich indes neue Wege und Chancen für die Bericht-erstattung über Themen aus den Bereichen Naturwissenschaft, Tech-nik, Umwelt und Gesundheit. Zu den wichtigsten Trends zählt Lublinski die Zulieferung von kleinen Rubriken, die in den Programm-Schemata verteilt sind, die Erschließung neuer Themen-felder und Darstellungsformen sowie die verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Ressorts.

Auch die Radio-Wissenschaftsjour-nalisten wurden also zunehmend aus ihren Ghettos vertrieben: Moderne Wissenschaftsressorts profilieren sich hausintern mit ihrem speziellen The-menfeld, müssen sich aber gezielt an den Redaktionskonzepten und den Publika der verschiedenen Wellen ih-rer Rundfunkanstalt orientieren. Lu-blinski kommt sogar zu der Schluss-folgerung, dass die Zusammenarbeit mit anderen Ressorts ein Erfolgsfak-tor und einer der „wesentlichen Ga-ranten für das langfristige Überleben von Wissenschaftsredaktionen ist“.

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Die Herausforderung dabei ist, sich den jeweiligen Redaktionskon-zepten, den Radioformaten und Zielgruppen der unterschiedlichen Wellen anzupassen. WDR-Redakteur Joachim Hecker (Köln): „Wir sind das Kompetenzzentrum für Wissenschaft für den gesamten WDR-Hörfunk.“ In der Redaktionskonferenz werde an jedem Morgen nicht nur überlegt, was in der eigenen Sendung ,Leonar-do‘ gemacht werde, sondern auch, was anderen Wellen und Sendungen angeboten werden könne. „Wir müs-sen im Haus präsent sein.“

Die Redaktion

der Zukunft

Ist der Trend zu vernetztem Ar-beiten nur ein „Hype“, der bald ab-flacht, oder bestimmt er die Zukunft des (Wissenschafts-)Journalismus?

Natürlich sind Prognosen immer schwierig, aber es lässt sich eine Rei-he von Indizien dafür finden, dass ressort-, programm- und medien-übergreifendes Arbeiten in der Re-daktion der Zukunft selbstverständ-lich wird. Newsdesk-Modelle haben bei Zeitungen und Nachrichten-agenturen in den zurückliegenden Jahren enorm zugenommen. Für Umstrukturierungen in der Redakti-on gibt es jedoch kein Rezeptwissen, das für alle Medien Gültigkeit hat, sondern ein Kaleidoskop von Mög-lichkeiten. Die Kriterien, nach denen jede Redaktion ihre optimale Orga-nisationsform finden muss, sind sehr komplex und hängen nicht zuletzt mit der jeweiligen Tradition und Re-daktionskultur eng zusammen. Wir sollten uns allerdings grundsätzlich von der These verabschieden, dass Redaktionen über Jahre hinweg die gleiche Struktur aufweisen. Um-

strukturierungen und Flexibilisie-rungen werden vielmehr zur Regel. Es bleibt weiter spannend: Welche Auswirkungen dies auf den Wissen-schaftsjournalismus noch haben wird, ist bislang kaum untersucht.

1Auszug aus Meier, Klaus: Für und Wider des Lebens im Ghetto. Wissenschaftsjournalisten

in den Strukturen einer Redaktion. In: Hettwer, Holger; Markus Lehmkuhl; Holger Wormer und Franco Zotta: Wissenswelten! Theorie

und Praxis des Wissenschaftsjournalismus, Gütersloh 2008, S. 267-278.

Die ARD: Kooperation wird durch die Organisa-tion erschwert

Von Martin Schneider

Sagen wir mal so: der Klimagipfel in Kopenhagen gehört sicher mal wie-der zu den Gelegenheiten, wo man sich als Fernsehschaffender wünscht, beim Radio zu arbeiten. Nicht nur, dass es wie immer das schnellere Me-dium ist; die Vernetzung von Kolle-gen aus Fach- und politischen Redak-tionen ist hier sehr viel besser gelöst. Vier ausgewiesene Kollegen aus den Umwelt- bzw. Wissenschaftsredakti-onen verschiedener ARD-Anstalten berichten für alle Sender und Wellen der ARD von dem Großereignis. Beim Fernsehen ist dies, vorsichtig gesagt, nicht ganz so. Es besteht keinerlei institutionalisierte Einbindung der Wissenschaftsredaktionen in die Ar-beit der ARD Gemeinschaftsredakti-on „ARD aktuell“, von der Sendungen

Überschneidungen gibt, gehören zur Chefredaktion. Die Fernseh-Wissen-schaftsredaktionen dagegen gehö-ren fast überall zu den Kultur-Haupt-abteilungen. Das sind zwei völlig verschiedene hierarchische Zweige.

Bei den Zulieferungen zu den Sen-dungen von ARD aktuell gilt überdies das Regionalitätsprinzip. Von einem Ereignis in München berichtet der BR, von einem in Düsseldorf der WDR usw.. Da die ganze Welt in Korres-pondentenbüros aufgeteilt ist, die je-weils zu bestimmten ARD-Anstalten gehören, gilt das Prinzip quasi für die ganze Welt. Kopenhagen gehört zum Studio Skandinavien in Stockholm, das vom NDR verantwortet wird. So gesehen ist Kopenhagen zunächst mal Angelegenheit der NDR Korres-pondenten vor Ort.

Die könnten theoretisch natürlich die Kollegen der Fachredaktionen einbinden, haben diese aber in der

wie Tagesschau und Tagesthemen produziert werden. Wenn Walter Hömberg Ende der 80er Jahre von der Wissenschaft als „verspätetem Ressort“ sprach - im Fernsehen gilt das trotz des Booms der „Wissens“-Formate (vgl. Quarterly Winter 2008) noch heute. Wie kann es sein, dass zwar sieben der neun ARD-Anstalten Fernseh-Wissenschaftsredaktionen unterhalten, diese aber bei Ereignis-sen von gesellschaftlicher Bedeu-tung kaum von den „Leitressorts“ angefragt werden?

Ich sehe dafür zwei Gründe, die beide mit Historie und Organisati-onsstruktur des Senderverbundes zu tun haben. So untersteht die po-litische Berichterstattung und damit die Zulieferung zu den „Flaggschif-fen“ Tagesschau und Tagesthemen oder auch den ARD-Brennpunkten in allen Häusern den Chefredaktio-nen. Auch die Wirtschaftsredaktio-nen, mit denen es in Sachen Klima ja

Zusammenarbeit beim Klima !? – Drei PraxisberichteDas Klima wird immer wieder als Paradebeispiel genannt für den Facettenreichtum eines Themas, dem mit gängiger Ressortlogik nur schwer beizukommen ist. Das WPK-Quarterly hat drei an verantwortlicher Stelle arbeitende Redakteure gebeten, über das Zusammenwirken der Ressorts beim Klima zu berichten.

Dr. Klaus Meier

ist seit September 2009 Professor am Institut für Journalistik der TU Dortmund.

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Regel gar nicht „auf dem Schirm“. Zudem gehört es ja eher nicht zu den journalistischen Grundtugenden, sich einzugestehen, dass andere vielleicht etwas besser wissen oder können als man selbst. Und zugege-benermaßen sind die Wissenschafts-redaktionen – da selten nachgefragt – in aller Regel auch gar nicht dafür aufgestellt, Beiträge zu aktuellen Sendungen zuzuliefern.

Ein zweiter Grund, warum die Fern-seh-Wissenschaftsredaktionen selten von den Kollegen der „etablierten“ Ressorts zur Zusammenarbeit ein-geladen werden, ist ebenfalls in der Historie begründet. Jahrzehntelang haben sich Wissenschaftssendungen im Fernsehen in der Tradition von Heinz Haber & Co eher als Werbesen-dungen für die Wissenschaft denn als journalistisches Format begriffen. Erklären und Popularisieren statt kri-tisch hinterfragen, Staunen statt Auf-decken. Auch wenn dies längst nicht mehr für alle Sendungen gilt, wirkt dieses Image noch immer nach.

Nun gibt es natürlich glücklicher-weise doch Möglichkeiten, wie die Expertise der Fernseh-Wissenschafts-redaktionen Eingang in die Bericht-erstattung der politischen Sendun-gen findet. Dies läuft dann auf der Ebene persönlicher Kontakte und nicht in institutionalisierter Form. So ist den Planern von ARD aktuell bekannt, dass zum Beispiel im Süd-westen der Republik eine Wissen-schaftsredaktion sitzt, von der man verlässlich auch mal von Mittag auf Abend einen Hintergrundbeitrag er-warten kann. Und da sich das Klima ja weltweit ändert, ist das auch mit dem Regionalitätsprinzip vereinbar. Zudem gibt es freie Kollegen, die so-wohl für die Wissenschafts- als auch für die Wirtschaftsredaktion arbei-ten, so dass es auch hier zarte Bande gibt, die man fast schon als Anfänge ressortübergreifenden Arbeitens be-zeichnen könnte. Die Hoffnung also stirbt zuletzt, dass sich aus derarti-gen Kontakten, begleitet von einer fortschreitenden Reflexion über das journalistische Selbstverständnis in den Wissenschaftsredaktionen, zu-nehmend ein ressortübergreifendes Arbeiten entwickeln könnte.

Der WDR Hörfunk: Gutes Klima für Klimaberichte

Von Wilfried Bommert

Warum Peking bald auf dem Tro-ckenen sitzt, weshalb die Erderwär-mung aus den Alpen eine gefährliche Geröllhalde macht, warum der Kabel-jau aus der Nordsee verschwindet, ob auf Rügen demnächst deutscher Ries-ling wächst, der Klimawandel zeigt viele Facetten. Und diese Facetten werden von der WDR Redaktion Wis-senschaft, Umwelt und Technik in die Programme des Senders gebracht. Mit mehreren hundert Beiträgen, Kol-legengesprächen und Kommentaren bereichert die Wissenschaftsredakti-on so über das Jahr hinweg die aktu-ellen Programme des WDR-Hörfunks. Das strahlt auch aus auf WDR.de, die Internetplattform des WDR.

Was erklärt diesen Erfolg im eige-nen Hause? Zum einen liegt es am Selbstverständnis der Redaktion. Sie sieht sich als Fach-Korrespondenten-Pool, der neben den eigenen Sen-dungen auch das aktuelle Programm mit Fach-Angeboten versorgt. Das beginnt jeden Tag neu mit der Fra-ge: Was sind die Topthemen heute? Was könnte davon das aktuelle Pro-gramm interessieren? Wer steht als Reporter, Autor oder Kommentator zur Verfügung? Wenn die Aufgabe nicht aus dem Kreis der Redakteu-ren gestemmt werden kann, dann aus dem Kreis der freien Fachau-toren. Koordiniert wird das Ange-bot von einem RvD, er ist ständiger Ansprechpartner für die Aktuellen, trägt die Themen täglich in die Kon-ferenz der Chefredaktion und leitet fachliche Nachfragen an den richti-gen Ansprechpartner in der Redak-tion weiter. Bei personellem Engpass wird der/die Gefragte durch kollegi-

Die Stuttgarter Zeitung: Wenn man rechtzeitig zu diskutieren beginnt, können Grenzen fallen

Von Alexander Mäder

Zwei Monate sind in einer Tages-zeitung eine halbe Ewigkeit. Was ma-chen wir morgen?, lautet die tägliche Frage, und nicht: Wie berichten wir im Dezember von der UN-Klimatagung? Wer in der Redaktion zwei Monate im Voraus zu einer Besprechung einlädt, muss schon ein großes Projekt im Sinn haben. Eine Serie zum Beispiel oder eine Schwerpunktausgabe, die über mehrere Wochen nebenher pro-duziert wird.

Solche Projekte sind eine zwie-spältige Angelegenheit. Die Zeitung zeigt damit zwar, wozu sie fähig ist, doch sie kann ihre Leser auch über-fordern, wenn sie viel Hintergrund mit wenig Anbindung zum Tagesge-schehen bietet. Tageszeitungen sind keine Nachschlagewerke fürs Regal, sondern bieten Häppchen, die beim

alen Tausch freigestellt, soweit es die Personladecke zulässt. Auch bei in-ternationalen Konferenzen zeigt die Redaktion Flagge, so auch bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Querelen mit den aktuellen Kollegen, die aus Berlin, Brüssel oder Washing-ton über das politische Klima bei den Klimaverhandlungen berichten, gibt es nicht, weil die Aufgaben klar ver-teilt sind. Die Wissenschaft kümmert sich um die Hintergründe und Bewer-tungen, und übernimmt damit den Teil der Berichterstattung, der an der tagesaktuellen Front kaum zu leisten ist. Die erfolgreiche Praxis zeigt: Das Konzept des Fach-Korrespondenten-Pools trägt auch bei rauem Klima.

Martin Schneider

leitet zusammen mit Helmut Riedl die Wissenschafts-Redaktion des SWR in Baden-Baden.

Wilfried Bommert

ist seit 1979 Jour-nalist im WDR und Leiter der

ersten Umweltre-daktion im WDR-

Hörfunk.

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Frühstück verzehrt werden. Es gibt daher immer wieder Kollegen, die bei Besprechungen zu Großprojek-ten daran erinnern, dass man auch aktuell reagieren müsse: Was sollen wir mit unserer Schwerpunktausga-be machen, wenn schon vor der UN-Tagung deutlich wird, dass eine Eini-gung unrealistisch ist?

Trotzdem haben solche Bespre-chungen einen Vorteil: Die Kollegen lösen sich von den selbst auferlegten Zwängen des Tagesgeschäfts und kommen auf wirklich neue Ideen. Im Alltag geht es sonst hektisch zu, und die Ressourcen einer mittelgroßen Zeitung sind begrenzt. Man kann oft nur einen Redakteur auf ein Thema ansetzen und hat nicht genug Zeit, um alle wichtigen Themen offen zu diskutieren. So bilden sich rasch Routinen und eindeutige Zuordnun-gen aus. Das Wissenschaftsressort kommentiert zum Beispiel den Welt-klimabericht und das Politikressort schreibt über Gesetzesvorhaben und diplomatische Vorstöße. Bei den früh-zeitigen und offenen Diskussionen können solche Grenzen fallen.

Doch wie trägt man die vielen Ideen ins Tagesgeschäft? Bei der Stuttgarter Zeitung werden meis-tens zwei Kollegen ausgeguckt, die aus der Fülle der Anregungen ein praktikables Programm schneidern und die Autoren dazu anhalten, ihre Texte rechtzeitig fertig zu stellen. Die Kollegen versenden schließlich per E-Mail das Programm an die Redak-tion - und das wird dann abgearbei-tet. Für eine zweite, dritte und vierte Besprechung wird keine Zeit einge-räumt. Schließlich gibt es schon im normalen Tagesgeschäft drei Sitzun-gen am Tag. So darf es einen nicht wundern, dass die Mahner Recht behalten und manche gute Idee bei Erscheinen alt wirkt.

Im Dezember findet in Kopenha-gen der UN-Klimagipfel statt. Be-kommen Sie zur Zeit viele Anfra-gen?

Natürlich haben viele Redaktionen diesen Termin im Kalender vermerkt. Der Bogen zu Kopenhagen wurde aber schon seit Beginn des Jahres bei fast allen Anfragen geschlagen. Häufig kommen Fragen zum Stand der Verhandlungen und dazu, wel-che Ergebnisse von Kopenhagen zu erwarten sind. Meistens geht es den Journalisten aber darum einzu-ordnen, welche Entscheidungen in Kopenhagen notwendig sind, damit sich das Weltklima nicht über eine kritische Grenze hinaus erwärmt.

Wenn Sie die journalistischen Res-sorts Politik, Wirtschaft und Wis-senschaft vor Augen haben: Wel-che Kollegen rufen am häufigsten bei Ihnen an?

Viele Anfragen kommen von Po-litikredaktionen. Wenn es um kon-krete Studienergebnisse geht, rufen natürlich meist die Wissenschafts-redakteure an – zumindest von den Zeitungen, die Wissenschaftsredak-tionen haben. Nachfragen von Wirt-schaftsressorts sind eher selten.

Viele Anfragen kommen aber mittlerweile auch von Magazinen von Stiftungen, Verbänden oder Un-ternehmen. Und zwar keineswegs nur von Organisationen, die für ihre „grüne“ Ausrichtung bekannt sind, sondern auch etwa von Banken, die als Investoren in langen Zeiträumen denken müssen.

Wie haben sich die Schwerpunkte der Berichterstattung über Klima in den letzten Jahren verschoben?

Bis vor wenigen Jahren war der vom Menschen verursachte Treib-hauseffekt eher ein Randthema. Wenn Europa von Überschwemmun-gen oder Hitzewellen heimgesucht wurde, oder wenn Klimawandel als Kinostoff präsentiert wurde, griff man das auf. Das hat sich mit dem Er-scheinen des Stern-Berichts zur Öko-nomie des Klimawandels im Herbst 2006 (http://www.hm-treasury.gov.uk/sternreview_index.htm) grundle-gend geändert.

Entscheidend für diese 180-Grad-Wende in der weltweiten Bericht-erstattung zum Klimawandel war sicher der Befund, dass ambitionier-ter Klimaschutz schon nach rein wirt-schaftlichen Gesichtspunkten gebo-ten ist. Bis dahin war die Haltung des Mainstreams der Ökonomen genau gegenteilig. Der Bericht wurde im Auftrag der britischen Regierung er-stellt und der Autor Nicholas Stern war als ehemaliger Chefökonom der Weltbank unverdächtig, ein „grüner Spinner“ zu sein.

2007 verursachte der Sturm Kyrill gewaltige Schäden und der UN-Klima-bericht erschien. Dadurch rückte die ökonomische Seite des Klimawan-dels noch mehr ins Zentrum der Be-richterstattung. Das verstärkte sich mit dem ungewöhnlich warmen Herbst und Winter 2006/2007, die man als Vorboten des Klimawandels wahrnahm. Und auch zur Anpassung an klimatische Veränderungen gibt es jetzt mehr und mehr fundierte Be-richterstattung.

Gibt es Qualitätsunterschiede in Bezug auf Informationsstand und Faktentreue zwischen den Res-sorts, die über Klimawandel be-richten?

„Die ökonomische Seite des Klimawandels ist ins Zentrum der Berichterstattung gerückt“Längst findet das Thema Klimawandel nicht mehr nur auf Wissen-schaftsseiten statt. Auch Politik- und Wirtschaftsressorts arbeiten sich daran ab. Uta Pohlmann, Pressesprecherin am Potsdam-Institut für Kli-mafolgenforschung über Klima-Berichterstattung in allen Ressorts.

Alexander Mäder

ist Vorsitzender der WPK und leitet das Wis-

senschaftsressort der Stuttgarter

Zeitung.

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unterschiedliche Sichtweisen erkenn-bar wären. Bis auf wenige Ausnahmen kann ich aber nicht bestätigen, dass konservativ-wirtschaftsfreundlich ausgerichtete Medien weniger dif-ferenziert auf Forschungsergebnisse zum Klimawandel oder zur Ökono-mie des Klimawandels eingehen wür-den als andere Medien.

Welche Themen fehlen aus Ihrer Sicht in der deutschen Berichter-stattung oder sind unterrepräsen-tiert?

Hier sind zum Beispiel die unbe-antworteten Gerechtigkeitsfragen zu nennen, die sich daraus ergeben, dass nicht die Hauptverursacher des Klimawandels am stärksten von den Auswirkungen betroffen sind, son-dern viele der Länder, die am wenigs-ten dazu beigetragen haben.

Selten findet man in der Berichter-stattung zudem eine angemessene Darstellung des möglichen Zusam-menspiels unterschiedlicher Energie-quellen und Klimaschutzoptionen. Über einzelne Optionen wie erneuer-bare Energien, Kernenergie, Energie aus nachwachsenden Rohstoffen, Kohlekraft mit CO2-Abscheidung und -Speicherung und natürlich Ef-fizienz und Lebensstiländerungen wird ausführlich, aber fast immer iso-liert berichtet. Was fehlt, ist eine inte-grierte Betrachtung im Sinne eines

Gesamt-Portfolios, bei dem es kein Richtig oder Falsch gibt. Dazu gibt es umfangreiche Forschungsarbeiten.

Eher selten wird auch auf den öko-nomisch wichtigen Aspekt eingegan-gen, dass es technisch und finanziell immer schwieriger wird, das 2-Grad-Ziel zu erreichen, je später die Länder beginnen, in kohlenstoffarme Tech-nologien zu investieren.

Welche Themen sind eher über-repräsentiert, gemessen an ihrer wissenschaftlichen Bedeutung?

Ein aktuelles Beispiel ist die Kern-energie. Sie ist zwar wie alle ande-ren Energieträger Gegenstand der Forschung, aber die Vehemenz, mit der die künftige Bedeutung der Kern-energie für den Klimaschutz heraus-gestellt wird, wird von der Forschung nicht gestützt.

Ein weiterer Punkt ist die Diskussi-on um den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel. Dass unsere Treib-hausgas-Emissionen Ursache der Er-wärmung sind, wird heute von kaum einem Wissenschaftler mehr bestrit-ten. Trotzdem wird in manchen Be-richten weiterhin behauptet, es gäbe hierzu noch keinen Konsens.

Und zu guter letzt sind natürlich die Klimakatastrophenmeldungen zu nennen, die vielleicht einen Kern Wahrheit enthalten, aber im Ton grob übertrieben sind. Zum Beispiel wer-den oft die in Frage stehenden Zeit-horizonte, innerhalb derer die gravie-rendsten Folgen des Klimawandels zum Tragen kommen werden, nicht benannt, und es wird suggeriert, die Welt stehe unmittelbar vor dem Ab-grund. Die Leser wird man auf diese Weise sicher nicht dauerhaft für das Thema gewinnen können. Zudem wird aufgrund solcher Berichte häufig unterstellt, es seien die Wissenschaft-ler, die Panik machten. Weil sie genau das aber vermeiden wollen, schon aufgrund ihrer Reputation in Fach-kreisen, formulieren sie ihre Aussagen meist sehr genau und vorsichtig.

Was wünschen Sie sich von Jour-nalisten, die über Klimawandel be-richten?

Die Fragen des Klimawandels und des Klimaschutzes sind so komplex, dass Wissenschaftsjournalisten, die sich bevorzugt mit diesem Thema be-schäftigen und meistens eine fachlich einschlägige Ausbildung mitbringen, einen Wissensvorsprung gegenüber Kollegen anderer Ressorts haben.

Aufgrund der hohen Relevanz des Themas sind jedoch auch Journalis-ten aus anderen Ressorts inzwischen sehr gut informiert. Unterschiede be-stehen vor allem im Verständnis des wissenschaftlichen Prozesses und in der Erfahrung, wissenschaftliche Daten zu interpretieren. Wirtschafts- und Politikredaktionen neigen dazu, Wissenschaftler genauso zu beurtei-len wie Politiker. So wird häufig un-terstellt, Klimaforscher würden ihre Ergebnisse überinterpretieren, um eigene Interessen zu verfolgen. Dabei wird übersehen, dass Wissenschaft grundsätzlich anders funktioniert als Politik. Wissenschaftliche Veröf-fentlichungen durchlaufen strenge Kontrollen, Stichwort „Peer Review“, die eine interessengeleitete Interpre-tation von Ergebnissen weitgehend ausschließen.

Meinem Eindruck nach ist die Dichte an Wissenschaftsjournalis-ten in den allermeisten Redaktionen eher gering und das ist der Bericht-erstattung nicht immer zuträglich – sei es, weil wichtige Ergebnisse erst gar nicht als solche wahrgenommen werden, oder weil man sich bei feh-lendem Überblick über das extrem interdisziplinäre Klimathema nicht über eine bestimmte Problembe-trachtung hinauszubewegen ver-mag.

Machen Sie bei der Berichterstat-tung auch politische Tendenzen im Vergleich der verschiedenen Res-sorts aus, etwa dahingehend, dass Wirtschaftsressorts eher konserva-tiv über Klimawandel berichten?

Politische Einstellungen spielen in der Berichterstattung durchaus eine Rolle. Allerdings sehe ich hier die Un-terschiede eher zwischen Redaktio-nen als zwischen den jeweiligen Res-sorts. Das führt häufiger dazu, dass gar nicht erst berichtet wird, als, dass

Uta Pohlmann ist Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Potsdam-Institut für Klimafol-genforschung (PIK).

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10III / 2009 WPK-Quarterly

Ein häufiges Problem ist die Ten-denz, bedingte Aussagen in politische Forderungen umzuwandeln. Wenn-dann-Aussagen im Sinne von „wenn die Politik dieses oder jenes Ziel er-reichen will, sollte aus wissenschaft-licher Sicht über diese und jene Stra-tegie diskutiert werden“ werden zu Überschriften wie „Forscher fordern... „ oder „Forscher wollen...“ zugespitzt. Die Wissenschaftler werden dabei als Ersatzpolitiker dargestellt. Auch wenn sich Journalisten stets klare Aussagen wünschen, sollte die Rolle der Wissen-schaft als ehrlicher Wissensmakler res-pektiert werden. Das heißt, im Unter-schied zur Politik ist das Ziel unserer Wissenschaftler ja gerade, möglichst viele unterschiedliche Lösungsstrate-gien zu untersuchen und dazugehö-rige Grundannahmen transparent zu machen, und nicht, scheinbare politi-sche Sachzwänge abzuleiten.

Welche Verantwortung kommt Wissenschaftsjournalisten zu?

Wissenschaftsreporter, die sich in der Szene auskennen, sollten vor

allem Forscher zu Wort kommen lassen, die im jeweiligen Thema auch anerkannte Experten sind. Es werden zu häufig Außenseitermei-nungen ins Zentrum der Bericht-erstattung gerückt, die unter Fa-chexperten tatsächlich keine Rolle spielen.

Außerdem sollten gerade Wis-senschaftsjournalisten in der Lage sein, die Sprache der Wissenschaft für den Laien richtig zu überset-zen. Begriffe wie „unbewiesen“ und „unsicher“ werden von Laien und Wissenschaftlern in der Regel un-terschiedlich verstanden. Wissen-schaftliche Theorien sind häufig nur widerlegbar, aber nicht beweisbar. Deshalb sprechen Wissenschaftler selten davon, dass eine Hypothese bewiesen ist, selbst wenn – etwa im Fall der Darwinschen Evoluti-onstheorie – eine Hypothese von der absoluten Mehrheit der Wissen-schaftler akzeptiert wird. Mancher Laie denkt hingegen, dass eine un-bewiesene Hypothese automatisch auch umstritten ist, oder dass Mo-

dell-aussagen aufgrund der immer vorhandenen Unsicherheiten belie-big wären.

Deshalb sollten entsprechende Aussagen immer erläutert werden: Welche Fragen zum Klimawandel sind denn tatsächlich umstritten und wo besteht unter seriösen Wissenschaft-lern weitgehend Konsens? Um wel-che Bandbreite an Unsicherheit über die Folgen des Klimawandels geht es überhaupt? Hier sollten gerade Wis-senschaftsjournalisten sich weiterhin bemühen, den Lesern eine möglichst objektive Einschätzung der Sachlage zu ermöglichen, ohne zu suggerieren, die Wissenschaft werde irgendwann absolute Sicherheit bieten können. Auf diesen Luxus werden wir in vielen Fra-gen weiterhin verzichten müssen. Viel zu selten findet man analytische Arti-kel über vernünftige politische oder gesellschaftliche Handlungsoptionen, auch und gerade vor dem Hintergrund vorhandener Unsicherheiten!

Mit Uta Pohlmann sprach Nicole Heißmann

Organisation von Zusammenarbeit: Die New York Times beschreitet neue WegeVon Franco Zotta und Holger Hettwer

Die New York Times ist die einfluss-reichste Tageszeitung der Welt. Das Blatt, das seit 1851 erscheint, be-schäftigt 1.300 Redakteure und hat mehr als eine Million Abonnenten. Allein die Webseite der NYT ver-zeichnete Anfang 2007 rund 1,5 Mil-lionen Zugriffe - täglich. Dabei ge-hört das Wissenschaftsressort der Times, gemessen an der Lesequote, zu den erfolgreichsten Teilen der Zeitung. Zudem ist das Ressort für Wissenschaftsjournalisten ein Refe-renzmedium: Praktisch alle Wissen-schaftsjournalisten, die ihren Blick international schulen, blicken auf das, was die Redaktion in der 8th Avenue für wichtig erachtet.

Zurzeit richtet sich der Blick auf ein redaktionelles Experiment der

„gray old lady“: Im Januar 2009 hat die Times eine neue, hochkarätig be-setzte Einheit für Umweltberichter-stattung an den Start gebracht – ein „Environmental S.W.A.T. Team“, wie es die Columbia Journalism Review sogleich hoffnungsvoll, wenn auch ein wenig martialisch, taufte. Das Sondereinsatzkommando besteht mittlerweile aus acht Reportern, die bislang in den Ressorts Science, Na-tional, Metro, Foreign und Business gearbeitet haben, und zwei „edi-tors“. Ihr Auftrag: eine umfangrei-chere und vor allem herausragende Berichterstattung über Umweltthe-men.

In einem internen Memo erläuterte Chefredakteur Bill Keller die Mission und die damit einhergehende redakti-

onelle Neuordnung so: „Die Times hat eine lange und bemerkenswerte Tra-dition der Berichterstattung über jene komplexen Themen, die mit ‚Umwelt‘ nur ungenau umschrieben werden: Klimawandel, Umweltverschmutzung, die Gefährdung von Natur und Arten, der Umgang mit natürlichen Ressour-cen und all die damit verbundenen wirtschaftlichen, politischen, gesund-heitlichen Fragen bis hin zu Lifestyle. Seit einiger Zeit arbeiten wir an dem Plan, die verschiedenen Reporter, die alle an unterschiedlichen Aspekten des Themas Umwelt arbeiten, zusam-menzuziehen – unter Leitung eines Redakteurs (editor), der jeden Mor-gen mit der Frage aufwacht, wie er die Geschichte vorantreiben und ihr mehr Gewicht und Kontur verleihen kann.“

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Ob Erica Goode seitdem schlecht schläft, sei mal dahingestellt. Auf je-den Fall leitet sie das Team, das sich selbst „enviro pod“ nennt. Goode hat zunächst über Verhaltensforschung und Psychologie geschrieben, kam 1998 zur Times, wurde 2003 Gesund-heitsredakteurin und hat 2008 aus Bagdad über den Irak-Krieg berichtet.

Ihr illustres Team umfasst Andrew Revkin und Cornelia Dean aus dem Wissenschaftsressort, Felicity Barrin-ger und Leslie Kaufman (National), Elisabeth Rosenthal (Foreign), Mia Navarro (Metro) und Matt Wald aus dem Büro in Washington, der auch für die ressortübergreifende Serie „Energy Challenge“ schreibt. Im Laufe des Jahres sind noch John M. Broder (Washington / Blog “The Caucus”) und Nancy Kenney als deputy editor dazu gestoßen.

“Wir haben nun eine Mannschaft mit acht Reportern, die sich voll auf das Thema konzentrieren und alle ihr eigenes Fachwissen mit einbringen”, so Goode. „Und wir haben den Vorteil, nicht zu groß zu sein – so können wir wirklich zusammen arbeiten.“ Darüber hinaus will Goode eng mit den ande-ren Ressorts kooperieren – vor allem mit dem “energy cluster” im Ressort Business, das auch den Blog “Green Inc.” an den Start gebracht hat: „Wir bereiten alle unsere Stories auf und füttern damit dann die anderen Res-sorts.“ Im Gegenzug schreiben Repor-ter anderer Ressorts ab und zu Stücke für das environmental cluster, zum Be-spiel aus dem Ressort „Investigations“.

Ein elementares Ziel ist es, mehr „big thought“-Beiträge zu Umweltthemen auf die Titelseite zu bekommen, sagt Assistant Managing Editor Glenn Kra-mon, an den Goode direkt berichtet. Kramon hatte bereits 2006 von Keller das Mandat bekommen „original New York Times reporting ventures across the newsroom“ voranzutreiben.

Das bedeutet für ihn mehr investi-gative Arbeit und das Ausprobieren von Reportage- und Storytelling-An-sätzen, die die Leser aufzurütteln ver-mögen. Kramons Credo: „Ich will sie wütend machen – wütend genug, um etwas zu unternehmen.“

Die redaktionelle Herangehens-weise reagiert auf die Herausforde-rungen einer Umweltberichterstat-tung, die (aus amerikanischer Sicht) stärker gewachsen ist und sich als wesentlich komplexer und kompli-zierter erwiesen hat als noch vor wenigen Jahren gedacht. Als die Energieversorgungskosten zu einem zentralen Thema im vergangenen Wahlkampf wurden, ging anschei-nend vielen Journalisten auf, dass hinter der „climate story“ eigentlich eine „energy story“ steckt.

Dass sich dahinter wiederum die Frage nach einem effizienteren Ein-satz der natürlichen Ressourcen ver-birgt – darüber schreiben allerdings nur wenige. Andrew Revkin, eben-falls im “pod”, greift dies seit langem in seinem Blog “DotEarth” auf. Für Revkin ist nicht das Thema Klima die „story of our time“, sondern Nach-haltigkeit – gerade in einer Welt, die bald mit einer Rekordeinwohnerzahl klar kommen muss:

„Der menschliche Einfluss auf die Umwelt wird letztlich durch die Be-völkerungszahl und ihrem Bedarf an Ressourcen, Energie und Land be-stimmt. Meiner Meinung nach steht die Bevölkerungsfrage aber zu we-nig im Mittelpunkt – was auch mit der Wahrnehmung zu tun hat, dass die Welt das Bevölkerungsproblem bereits gelöst hätte: Wir steuern zwar auf einen Höchstwert von neun Milliarden Menschen zu, generell

sinken die Geburtenraten aber. Die-ser Trend verschleiert allerdings die Tatsache, dass die explodierenden Geburtenraten in Afrika und Asien eine enorme Bedeutung haben.“

In Richtung Nachhaltigkeit zielt auch die Hoffnung von Erica Goode, mit dem neuen Ansatz die ganze Bandbreite der Berührungspunkte zwischen Umweltthemen und un-serem Alltag einzufangen. Als Bei-spiel für die Berichterstattung, die ihr vorschwebt, führt Goode einen Artikel aus der Serie „The Energy Challenge“ über das „Passivhaus“ in Deutschland an – eine neue Gene-ration günstiger und energieeffizi-enter Häuser:

„Ich kann gar nicht genug beto-nen, wie groß das Interesse der Le-ser an diesem Thema ist. Diese Story stand eine ganze Weile an der Spitze der E-Mail-Empfehlungen. Es ist of-fensichtlich, dass die Leute Lust auf das Thema haben. Und das war eine Story, die Wissenschaft, Wirtschaft und Lifestyle zusammengebracht hat – über die traditionellen Ressort-grenzen hinweg.“

Ein weiteres inhaltliches Ziel ist der Versuch, auch die ökonomischen Vorteile von Umweltschutzmaßnah-men abzubilden – zum Beispiel hat

Erica Goode leitet das neue Team der New York Times.

Andrew Revkin gehört zu den pro-filiertesten Umweltjournalisten der Vereinigten Staaten. Er ist Mit-glied des achtköpfigen Teams, das bessere Geschichten auf die Seite 1 bringen soll.

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Elisabeth Rosenthal im August die Förderprogramme für brasilianische Bauern zum Schutz des Regenwalds untersucht.

Für Andrew Revkin liegt der Vor-teil im kreativen Zusammenspiel der Beteiligten – so wie bei der Serie „Cli-mate Divide“ (2007), zu der science editors, Auslandskorrespondenten und Reporter aus der ganzen Welt beigetragen haben.

Es ist genau dieser „connect-the-dots approach“, der die Idee der Times so innovativ erscheinen lässt: Die alte Tante zeigt, wie man das Thema Umwelt denken muss. Nur am Rande: Auf die Frage, ob die neue Organisationstruktur etwas mit Kos-tensenkung zu tun hat – die Times musste gerade alle hauseigenen Zeitungsabos kündigen –, antwortet Glenn Kramon „ganz im Gegenteil“. Und: „Umso mehr bewundere ich Bill für seine Vision, so etwas zu diesem Zeitpunkt anzugehen.“

Keine Frage, das redaktionel-le Experiment der New York Times bleibt spannend: Sollte es sich als praxistauglich erweisen, hätte es durchaus Vorbildcharakter für deut-sche Redaktionen – hierzulande ist es mit der Zusammenarbeit der Ressorts nämlich nicht zum Besten bestellt, wie eine neue Studie der TU Dortmund illustriert.

www.initiative-wissenschaftsjournalismus.de

Standpunkt:Pro RessortOhne Schutzraum ist der Wis-senschaftsjournalismus so gut wie tot

Von Björn Schwentker

Die Utopie hat ja was: Eine Grup-pe bestens ausgebildeter Wissen-schaftsjournalisten, flexibel ein-setzbar in der ganzen Redaktion, sorgt dafür, dass die Wissenschaft in bester Manier überall im Blatt auftaucht. Ein Ressort gibt es nicht mehr – es ist nicht mehr nötig. Der Wissenschafstjournalismus ist er-wachsen geworden: Er ist akzep-tiert, er darf überall stattfinden.

Leider gehört dieser Traum, so schön er klingt, nicht nur in die Kategorie Wolkenkuckucksheim, sondern auch in die Kategorie der verdammt schlechten Ideen. So-bald es kein Wissenschaftsressort mehr gäbe, wäre der dort ehemals beheimatete Journalismus dem Tod geweiht.

Warum? Da wären zunächst die, für die wir all unser Herzblut in die anspruchsvollste aller Journalismus-arten stecken: Die Leser (bzw. Hö-rer, Zuschauer,...). Erfreulicherweise gibt es immer mehr unter ihnen, die unser Ressort, „die Wissenschaft“, in ihrem Medium kennen, die sich auf die Geschichten dort freuen, und vor allem: die sie genau dort suchen – und finden. Regelmäßig an der gleichen Stelle, in ähnlicher Län-ge und Qualität, verlässlich. Es gibt Zeitungen, die von wichtigen Teilen der Leserschaft vor allem deshalb gekauft werden, weil „das Wissen“ so gut ist.

Was wäre ohne Ressort? Die Le-ser müssten Geschichten aus der Wissenschaft und solche mit wis-senschaftsjournalistischer Metho-dik unter allen Beiträgen mühsam heraussuchen. Und würden schnell frustriert aufgeben. Genauso gut könnte man den ARD-Guckern die Tagesschau wegnehmen. Mit dem

Argument: Gute Nachrichten ste-cken bei uns jetzt den ganzen Tag über im Programm. Das wäre der sicherste Weg, das Publikum von jetzt auf gleich zu vergrätzen. Und damit – in unserem Fall – dem Wis-senschaftsjournalismus die Basis zu entziehen.

Der Tod würde aber auch in-nerhalb des Hauses drohen. Es ist illusorisch zu glauben, Wissen-schaftsthemen könnten sich in der täglichen Redaktionskonferenz tatsächlich in dem Maße gegen die „großen“ Themen der Kollegen durchsetzen, wie sie im Garten des Ressorts blühen können. Vieles wür-de mit Pauschalargumenten schnell niedergebügelt werden: zu spezi-ell, Nischenthema, unverständlich, kaum kommunizierbar.

Das trifft vor allem Geschichten, die komplexe Forschungsergebnis-se popularisieren. Also Geschichten, die sich nach Aktualität und Rele-vanz in der Forschungswelt richten, sich also jenseits „normaler“, journa-listischer Nachrichtenfaktoren legi-timieren. Vielleicht will man diese Art der Verlautbarungsschreiberei ja gerade sterben sehen. Sei’s drum.

Was bleibt, ist das, was wir bis-her leider nur als Kür unserer Arbeit verstehen (können): Öffentlich rele-vante Themen mit der Kraft der wis-senschaftlichen Expertise in einer Argumentationstiefe aufzuarbeiten, die den Lesern eine nur dadurch mögliche Beurteilungsfähigkeit gibt. Nicht nur zur Schweinegrippe und anderen Gesundheitsthemen. Auch zum Klimaschutz, zu Energiefragen, Finanzkrise oder der Bevölkerungs-veränderung. Solche Themen be-arbeiten auch die Kollegen der an-deren Ressorts. Aber sie können es nicht so gut. Die Geschichten blei-ben oft flach, an der Oberfläche, die Recherche zahnlos.

Erstaunlich oft findet sich gera-de in unserem Ressort der wirklich gute Journalismus. Und manchmal ist er nur da möglich. Solides wis-senschaftsjournalistisches Mythen-bashing steht nämlich fast immer in Opposition zur Einheitsmeinung

Franco Zotta

leitet zusammen mit Holger Hett-wer das Förderpro-gramm „Initiative Wissenschaftsjour-nalismus“ an der TU Dortmund

Holger Hettwer

leitet zusammen mit Franco Zotta

das Förderpro-gramm „Initiative Wissenschaftsjour-nalismus“ an der

TU Dortmund

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dessen, was in der Restredaktion ohne weitere Recherche einfach wiedergekäut wird. Es gibt nicht we-nige Kollegen, die zu viel Wahrheit darum lieber verhindern wollen.

Und dann ist er da, der schützen-de Zaun des Ressorts. Einen Text kann man mal niedermachen, ein ganzes Ressort nicht. Es mag ein Ghetto sein, aber es ist eine Institu-tion. Mit festen Mitarbeitern, star-ken Verbindungen nach Innen und nach Außen (zu den Experten, den Freien), festen Budgets und einer festen Daseinsberechtigung.

Natürlich kann man auch Res-sorts dicht machen. Aber einzelne Wissenschaftsjournalisten, die mal hier und mal da mitarbeiten, sind viel angreifbarer. Sicher wären sie nur, wenn sie sich anpassten und unterordneten. Und genau das darf nie passieren.

Eine Tugend heutiger Forschung ist ihr unersättlicher Appetit auf Neues. Die moderne Gesellschaft erlebt eine sich stetig beschleu-nigende Einwanderung wissen-schaftlichen Wissens. Die Wissen-schaft wird zur ewigen Zerstörerin und Erbauerin neuer Welten, durch die wie in einem „Schmelztiegel alle Werte erweichen und ver-schmelzen“, schreibt die Histori-kern Lorraine Daston.

Für den Journalismus bedeutet diese Einsicht: Er müsste als Beob-achter vermehrt hellwache Horch-posten an den erhitzten Reibungs-zonen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft aufstellen. Mit dem System der Erzeugung sicheren Wis-sens vertraute Beobachter der Wis-senschaft müssten einem fremdeln-den Publikum Orientierung liefern, die Reichweite von Klimamodellen beschreiben, die ethische Spreng-kraft der Stammzellforschung er-klären und Ängste vor Impfungen verstehen. Nicht versteckt im Wis-senschaftsressort, sondern überall in der Zeitung, weil Wissenschaft überall ist. Guter Journalismus soll-te seinem Publikum helfen, realis-tische Erwartungen über die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft auszubilden.

Derzeit wachsen die Zweifel, ob die Kompetenzen des Journalismus mit der dramatischen Beschleu-nigung der Wissensgesellschaft Schritt halten. Die meisten Zeitun-gen spalten die journalistische Be-obachtung der Welt seit 100 Jahren in Ressorts auf. Diese gegenseitige Abschottung von Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft verdunkelt die Dynamik der Einwanderung von wissenschaftlichem Wissen in die Gesellschaft dramatisch. Viele relevante Themen finden keinen zentralen Platz in den Zeitungen, weil sie nur quer zu den starren Kö-nigreichen der klassischen Ressorts zu recherchieren wären.

In der Krise ist es kein Wunder, dass derzeit besonders das ver-spätete Ressort Wissenschaft seine Kernkompetenz zu verlieren droht. War sein Wirken doch im Grunde von Beginn an ein Anachronismus in der Zeitung, weil damit Wissen-schaftsthemen künstlich in ein Ghetto verbannt wurden, dem sie in Wirklichkeit längst entwachsen waren. Wissenschaft ist politisch mächtig, wirtschaftlich entschei-dend, kulturell prägend, sie spielt selbst im sportlichen Wettbewerb eine zunehmend zentrale Rol-le. Wissenschaft schafft sicheres Wissen, liefert Expertise für ge-sellschaftliche Debatten und wird

doch in den Chefetagen der Zeitun-gen immer noch viel zu häufig nur belächelt. Guter Wissenschaftsjour-nalismus dagegen war von Beginn an gezwungen, multiperspektivi-sche Themen zu bearbeiten. Atom-kraft, Gentechnik, Ökologie, Klima, medizinischer Fortschritt oder das Thema Verkehr ließen sich nie in Ressortgettos einsperren. Einige wenige innovative Redaktionen haben früh erkannt, dass sich Wis-senschaftsthemen im Grunde nur im Kompetenz-Team bearbeiten lassen. Starre Ressortstrukturen, aber auch auf Aktualität getrimm-te Newsroom-Konzepte mit Nach-richtenschwerpunkt entmutigen derartige Formen der Kooperation bis heute. Modernes Wissensma-nagement ist in vielen Redaktionen ein Fremdwort, schon der systema-tische Zugriff auf wichtige Quel-len der Wissenschaft ist blockiert. Redaktionen lernen erst mühsam, komplexe Geschichten mit verteil-ter Kompetenz zu recherchieren. Sehen dann aber, dass das Publi-kum diese nachfragt.

Wer bei Wissenschaftsthemen spart, macht Zeitungen blind für die Wirklichkeit. Wissenschafts-journalisten nämlich beobachten die Wissenschaft als Werkstätte des Möglichen. Jede kompetente journalistische Beobachtung der Wissenschaft braucht Augenmaß, Erfahrung und viel Wissen. Sie be-nötigt Personal, Zeit, Routinen und Redaktionen, die den Mut haben zu journalistischen Gratwanderungen zwischen Vertrautem und Unver-trautem und dabei das scheinbar Getrennte zusammen denken.

Das Publikum von Morgen wird Orientierung suchen, nicht Wis-senshäppchen, die es im Netz viel zuverlässiger findet. Journalistische Wahrhaftigkeit wird damit wichti-ger als das Verkünden scheinbarer Nachrichten, deren Halbwertszeit sich in Stunden bemisst. Da drau-ßen im Netz leben schon heute Millionen Faktenprüfer, die alle Al-bernheiten von Journalisten scho-nungslos aufdecken. Lernt der Journalismus nicht bald, seine ei-gene Vorläufigkeit und Unvollkom-

Standpunkt:Contra RessortDie Ghettoisierung der Wissenschaft war und ist anachronistisch!

Von Volker Stollorz

Björn Schwentker

ist freier Wissen-schaftsjournalist

und lebt in Hamburg.

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menheit zu kommunizieren, wird dies künftig vermehrt von außen geschehen. Den Leser einfach nur zu verwirren durch immer neue Ex-pertenmeinungen, ist in Zeiten des Internets für Wissenschaftsjourna-listen überflüssig und für das Ver-trauen in die Zeitungen tödlich.

Daher kann es für Qualitätszeitun-gen nicht länger darum gehen, ein-fach zu jedem wissenschaftlichen Thema drei bis vier unterschiedli-che Positionen zu versammeln, wo-möglich noch in unterschiedlichen Ressorts. Stattdessen gilt es die re-levanten Themen ressortübergrei-fend zu koordinieren oder besser dauerhaft Teams zu bilden, die kom-plexe Geschichten von Beginn an multiperspektivisch recherchieren. Die Wucht, Dynamik und die Karrie-ren von Wissenschaftsthemen müs-sen von Anfang an begriffen und journalistisch bewältigt werden in all ihren Facetten. Journalisten mit verteilten Kompetenzen müssten im Team neugierig um die richtigen Fragen ringen, statt voreilig Themen über Ressorts zu streuen, die inhalt-lich zusammengehören. Journalis-ten müssten die Ergebnisse zudem multimedial präsentieren, dort, wo es für das jeweilige Thema am meis-ten Sinn macht. Gelingt den Zeitun-gen eine solche Reform nicht mehr, wird das Vertrauen in Journalismus weiter schwinden, gar ins Bodenlo-se sinken. Die Zeitung der Zukunft muss sich dramatisch wandeln, um mit Journalismus künftig punkten zu können. Die Zeiten der Gemüt-lichkeit sind vorbei, Ressortdenken ist von Gestern. Das Wissenschafts-ressort muss sich zum Kompetenz-team Wissen erweitern, einer Art Einwanderungsbehörde der Zei-tung, die intern prüft, welches si-chere Wissen das Publikum über die Wissenschaft wirklich braucht.

In Deutschland kennt noch kaum ein Journalist den Begriff: „Compu-ter Assisted Reporting“, kurz CAR. Wie schade. Denn gerade für Wis-senschaftsjournalisten kann es sich lohnen, selber im Datendschungel nach Geschichten zu suchen.

Eine der wichtigen Aufgaben von Journalisten ist das Sammeln von Themen und Meinungen. Journa-listen sollten diese allerdings nicht einfach nur wiedergeben, sondern diskutieren, abwägen und gege-benenfalls die irrige oder interes-sengelenkte Meinung als solche entlarven. Dazu müssen sie hinter die Kulissenschieberei jener Ver-lautbarer und Agitatoren schauen, die die Medien beinahe täglich mit Daten, Fakten und Interpretationen derselben bombardieren. In Zeiten des Internets ist es einfach und billig geworden, eine Nachricht zu lancieren. Zugleich wird es immer aufwendiger, die wirklich wichti-gen Themen aus der Flut der Nach-richten zu filtern, die aus Sicht der Absender im jeweils besten Licht erscheinen sollen. Die Recherche-kraft im Journalismus hält derzeit weder personell noch methodisch Schritt mit den Techniken der Da-tenjongleure und der zunehmen-den Komplexität der Themen. Als Folge der Krise beschränkt sich der Journalismus häufiger auf die blo-ße Wiedergabe der im öffentlichen Raum von Sprechern geäußerten Themen und Meinungen.

Diese Scheu vor Datenbergen ist gerade für Wissenschaftsjournalis-ten bedauerlich. Denn nie war es so einfach, Daten und Datenban-ken auf interessante Geschichten hin zu durchpflügen. In welcher Stadt sind die Gesundheitsausga-ben in Deutschland am höchsten? Wie viele Experten stehen auf den Gehaltslisten der Pharmaindus-trie? Wer meldet in Deutschland die meisten Impfnebenwirkun-

gen? Wo stehen die für Bewohner gefährlichsten Fabriken auf deut-schem Boden? Melden deutsche Forscher weniger Patente an als in Großbritannien? Wie sicher sind Deutschlands Autobahnbrücken? Welche Stadt bläst am meisten Kohlendioxid in die Luft? In wel-chem Landkreis leben die Men-schen am längsten? Welcher Poli-tiker hat im Bundestag für welche Gesetze über das Thema Gesund-heit gestimmt? Welche Empfänger erhalten die meisten Agrarsubven-tionen der EU?

CAR bedeutet,

in verfügbaren Daten-

sätzen nach journalistisch

Verwertbarem zu suchen

Die neuen Methoden, mit denen sich Fragen wie diese recherchie-ren lassen, werden in den USA und einigen skandinavischen Ländern unter dem etwas drögen Begriff „Computer-Assisted-Reporting“ (CAR) subsummiert. Gemeint ist damit im Grunde, in Datensätzen und Statistiken mit Hilfe von Com-puterprogrammen nach journa-listisch Verwertbarem zu suchen. Dann werden die Daten analysiert auf der Suche nach interessan-ten Mustern und in einem letzten Schritt entweder grafisch aufberei-tet oder als Hinweis auf eine inte-ressante journalistische Recherche benutzt. Als es eine Truppe von Journalisten und Technik-Tüftlern schaffte, die EU-Kommission und damit alle europäischen Länder zu zwingen, die Empfänger von Agrarsubventionen öffentlich zu machen, steckte CAR-Expertise da-hinter: Die veröffentlichten wirren Datenbanken mussten auf dem ei-genen Rechner analysiert werden, um daraus gute Geschichten zu generieren.

CAR: Schneisen schlagen durch den DatendschungelVon Nicole Heißmann und Volker Stollorz

Volker Stollorz

ist freier Wissen-schaftsjournalist

und lebt in Köln.

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Coole CAR Geschichten

So geht es den Bäumen in Berlin: • http://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/artikel/1/so-geht-es-den-baeumen-in-berlin-1/ Tobacco Underground - The International Consortium of Investigative Journalists and the Center for Public Integrity: • http://www.publicintegrity.org/investigations/tobacco/pages/introduction/ Los Angeles Times: LAPD‘s public database omits nearly 40% of this year‘s crimes:• http://articles.latimes.com/2009/jul/09/local/me-lapd-crimemap9 New York Times/International Herald Tribune: A U.S. Hog Giant Transforms Eastern Europe:• http://www.nytimes.com/2009/05/06/business/global/06smithfield.html Washington Post: Big Donors Drive Obama‘s Money Edge:• http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2008/10/21/AR200810210296.html New York Times: „A Toxic Pipeline” Series - Pulitzer Prize 2008 for Investigative Reporting:• http://topics.nytimes.com/top/news/international/series/toxicpipeline/index.html STERN Brigitte Alfter und Hans-Martin Tillack: Agrarsubventionen: Volle Töpfe für die Großen (November 2007):• http://www.stern.de/wirtschaft/news/unternehmen/agrarsubventionen-volle-toepfe-fuer-die- grossen-601794.html taz: Die geheime Liste der Subventionen. Staatsknete für die Agrarindustrie. (Juni 2009):• http://www.taz.de/1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/staatsknete-fuer-die-agrarindustrie/

ExxonSecrets:• http://www.greenpeace.org/usa/campaigns/global-warming-and-energy/exxon-secrets • http://www.exxonsecrets.org/maps.php Pro Publica: Degrees of Hank Paulson:• http://www.propublica.org/special/degrees-of-hank-paulson What’s Good for a Business Can Be Hard on Friends (New York Times, August 2007):• http://www.nytimes.com/2007/08/04/business/04network.html?_r=1 Best Data Visualization Projects of the Year (2008):• http://flowingdata.com/2008/12/19/5-best-data-visualization-projects-of-the-year/

Sebastian Heiser: Auskunftsrechte kennen und nutzen. So kommt man an Akten-schätze (taz-dossier):• http://www.sebastian-heiser.de/download/taz/auskunftsrechte_0-8.pdf Cristine Russell: The Survival of Investigative Journalism “Health and medicine appear particularly ripe for investigative journalism…”• http://www.cjr.org/the_observatory/the_survival_of_investigative.php NICAR National Institute for Computer Assisted Reporting – IRE Journal:• http://data.nicar.org/irejournal The Investigative Reporters Network Europe (IRENE):• http://www.irene-reporters.org/Nieuwe%20site/About/index.html Wobbing Europe:• http://www.wobsite.be/index.php?page=9

Netzwerk-Analysen

Links in die Welt von CAR

15III / 2009 WPK-Quarterly

Allerdings kam eine Studie der Universität Hamburg kürzlich zu dem Ergebnis, das CAR in Deutsch-land bisher kaum verbreitet ist. Zwar arbeiten im Netzwerk Recherche ein paar Individualisten an CAR-Stories, so zählte etwa Sebastian Heiser von der taz nach, ob im Osten Berlins mehr kranke Bäume stehen als im Westen. Bei dpa-RegioData durch-kämmt eine schlagkräftige Truppe von Journalisten täglich öffentliche Datenbanken, um daraus für Regi-onalzeitungen CAR-Geschichten zu generieren – Diagramme und Land-karten inklusive. Dabei entstehen Geschichten wie diese: Wo ist die Dichte der Heilpraktiker am höchs-ten und warum? Wer leitet wo die meisten Schadstoffe in die Umwelt und was bedeutete das für die Be-wohner der Regionen? In welchem Landkreis werden warum die meis-ten Kinder geboren? Die dpa-Kolle-gen spüren überraschende Häufun-gen in Daten auf und recherchieren dann die Gründe nach.

In Deutschland herrscht

Ehrfurcht oder Unver-

ständnis über diese

Recherchemethode

Abgesehen von diesen wenigen CAR-Inseln herrscht in Deutschland Ehrfurcht oder Unverständnis darü-ber, wieso etwa ausgerechnet Excel oder soziale Netzwerkanalysen ein hilfreiches Werkzeug sein sollen, um als Journalisten Geschichten aufzu-spüren. Viele Journalisten scheitern schon daran, ein Excel-File zu im-portieren und dessen Daten neu zu sortieren, um dann mit diesem Roh-datensatz zu arbeiten. Dabei könn-te jeder etwa mit den Daten der Meldestatistiken des Robert-Koch-Institut regional aufschlüsseln, wo die meisten Hepatitis B Infektionen gemeldet werden und dabei viel-leicht feststellen, dass dies Orte mit großen Gefängnissen sind. Angesichts von CAR-Erfolgsge-schichten im Ausland - siehe Kasten - hatte eine kleine Gruppe von Kol-legen zusammen mit der Initiative Wissenschaftsjournalismus an der

TU Dortmund die Idee, dass Wis-senschaftsjournalisten womöglich

durch ihr Studium der Naturwissen-schaften eine höhere Affinität zu

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16III / 2009 WPK-Quarterly

hat. Mit Hilfe von Filter-, Sortier- und Formel-Funktionen versuchten sie dann, im Datensalat nach interessan-ten Häppchen zu stochern, zogen Summen, bereinigten zerschossene Zahlenformate und sortierten Daten nach Bundesländern auf- oder ab-steigend. Hat man am Ende tatsäch-lich ein Muster in den Datensätzen gefunden, muss man aber in der Re-gel doch wieder zum Hörer greifen, und die Gründe dafür recherchieren. Doch dann ist man im Besitz einer Geschichte, die nicht auf PR basiert und die sonst niemand hat.

Netzwerkanalysen sind

geeignet, Verflechtungen

zwischen Personen

aufzudecken

Bei der Einschätzung von Exper-ten kann CAR ebenfalls wertvolle Dienste leisten. Mit Werkzeugen zur „Social Network Analysis“ (z.B. Bio-medexperts) lassen sich Experten und ihr wissenschaftliches Netzwerk genauer durchleuchten. Wer hat wann und zusammen mit wem pu-bliziert? Die Website Biomedexperts basiert auf der Publikationsdaten-bank Medline, doch im Gegensatz zu dieser bekommt man hier keine Liste von Fachartikeln inklusive Ab-stracts, sondern eine Art Landkarte mit Verbindungslinien und Knoten-punkten, die verschiedene Experten miteinander in Beziehung setzen und die Epizentren gemeinsamen Publizierens markieren. Noch kein Beweis für wissenschaftliche Verge-hen wie Zitierkartelle oder gemein-sames Frisieren von Daten. Aber ein hilfreiches Tool, wenn es darum geht, schnell herauszufinden, wer wem wissenschaftlich besonders eng verbunden ist.

Auch aus Excel-Tabellen lässt sich mit Hilfe von Network-Software wie UCINET ein solches Netzwerk erstellen, dass graphisch aufberei-tet werden kann. Wer sich etwa die Mühe macht, im Internet zu recher-chieren, welche Forscher in welchen Aufsichtsräten sitzen, könnte zum Beispiel sichtbar machen, wer be-

Datenbanken, Statistiken und Ta-bellenkalkulationen aufweisen. Und daher Lust verspüren, sich einmal selber in Datenbergen auf die Su-che nach verborgenen Geschichten zu begeben. Mit den beiden Dänen Nils Mulvad und Tommy Kaas wa-ren rasch zwei international renom-mierte CAR-Trainer gefunden, die zwölf interessierte Wissenschafts-journalisten in zwei Workshops mit einigen Methoden des CAR vertraut machten. Das erste Fazit lautet: CAR ist möglich. Gute CAR-Geschichten warten in den Behördenstuben nur darauf, von Journalisten entdeckt zu werden. Klar ist aber auch: Ohne Teamwork und gegenseitige Hilfe kommt man mit CAR kaum voran. CAR kostet Zeit, die Tools erklären sich nicht von selbst. Ohne das Know-How der Kollegen steht man beim Trial-and-Error-Spiel schnell allein im dunklen Datenwald. In-sofern braucht CAR im Wissen-schaftjournalismus genau das, was auch die Wissenschaft selbst voran treibt: Das wachsende Wissen einer Community. Den Anfang dafür ha-ben die zwölf CAR-Interessierten der Initiative Wissenschaftsjourna-lismus gemacht. In zwei Seminaren durften sie ihre ersten Gehversuche mit Excel-Journalismus und Social Network Analysis machen – und tauschen sich seitdem über Recher-che-Probleme und Neuigkeiten aus dem kleinen CAR-Universum auf ei-nem eigenen Blog aus.

CAR mag mühsam sein,

aber sie liefert Geschich-

ten, die niemand

lanciert hat

Wie könnte nun eine solche CAR-Recherche in der Praxis aussehen? Sie könnte ganz analog mit dem Ohr am Telefonhörer beginnen: Hat man eine Idee für eine Recherche, muss man zunächst herausfinden, wer dazu Daten haben könnte. Das kann mit Glück und einer gewissen Kennt-nis der deutschen Behördenzustän-digkeiten übers Internet funktio-nieren. Verschiedene Institutionen in Deutschland präsentieren große

Datenmengen im Internet, etwa die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder oder die SurvStat-Datenbank des Robert-Koch-Insti-tuts. Öfter wird man aber wohl erst einmal telefonieren müssen, um zu fragen, wo es die gewünschten Da-ten gibt, welche Abteilung – noch besser: welche Person – die Zahlen verwaltet und in welcher Form die Daten eigentlich archiviert werden: Liegen sie nur auf Papier vor, kann man Akteneinsicht beantragen oder um Kopien bitten. Sind die Daten di-gitalisiert, kann man um das Mailen einer Datei oder um eine CD-Rom bitten. In jedem Fall sollte man zu-erst fragen, welche Gebühren dafür fällig werden. Und klären, welche Dateiformate man auf seinem ei-genen Rechner überhaupt öffnen kann.

Findet man keinen hilfreichen Geist und will die Behörde die Da-ten nicht rausrücken, sollte man die Herausgabe der Daten schriftlich unter Berufung auf die Informati-onsfreiheitsgesetze beantragen. Bundesbehörden fallen dabei un-mittelbar unter das Bundes-Infor-mationsfreiheitsgesetz, bei Landes-behörden kommt es auf Bundesland und Sujet an: Länder wie Berlin, NRW oder Schleswig-Holstein ha-ben allgemeine Landes-Gesetze zur Informationsfreiheit, Bayern und Baden-Württemberg bislang nicht. Dort gibt es aber immerhin Umwelt-Informationsgesetze. Auf EU-Ebene kann man sich auf die Verordnung 1049/2001 berufen. Sehr hilfreiche Tipps und Musterbriefe finden sich zum Beispiel auf der Website www.wobbing.eu, die von einer belgi-schen Stiftung für investigativen Journalismus betrieben wird.

Liegen die Daten auf der eige-nen Festplatte, geht es darum, den Wust in eine handhabbare Tabelle zu überführen, um diese dann nach interessanten Details zu durchfors-ten: Im CAR-Workshop durften die Teilnehmer dabei die Erfahrung ma-chen, wie viele unterschiedliche For-men von Sonderzeichendatenmüll die Importfunktion von Excel erzeu-gen kann, bis man endlich die richti-ge Darstellung der Zahlen gefunden

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17III / 2009 WPK-Quarterly

häufiger sein werden und im Einzel-fall auch etwas schwerer, aber das ist nichts Gefährliches. Aber ich merkte schon zu diesem Zeitpunkt, dass das eigentlich niemanden interessiert.

Warum nicht?

Es war viel spannender zu sagen: Oh, da ist eine Impfung, die hat viel schlimmere Wirkungen als die Krank-heit selbst. Und diese ‚schlimmen Wir-kungen‘, das sind Lokalreaktionen, Fieber und Erkältungssymptome! Die werden inzwischen ganz ernsthaft als ‚schlimme‘ Nebenwirkungen ver-kauft.

Darüber fing man an, die Verstärker in Frage zu stellen, die seien angeblich nicht ausreichend geprüft. Das wurde aber wieder nicht belegt. Das war das nächste Thema, über das ich häufig halbstündige Vorträge halten musste. Man weiß sehr wohl etwas über diese Verstärker, aus den klinischen Studien für die Musterimpfstoffe und aus kli-nischen Studien für weitere saisonale Impfstoffe. Außerdem gibt es einen Impfstoff, in dem einer dieser Verstär-ker seit Jahren erfolgreich verwendet wird. Vom Wirkprinzip her ist der dem in Pandemrix extrem ähnlich. Wir ha-ben zusätzlich versucht, das über un-

Wie haben Sie die letzten Wochen zugebracht?

Ich habe vor allem telefoniert, abends E-Mail-Anfragen beantwortet von denen, die tagsüber per Telefon nicht durchkamen, – am nächsten Tag dann wieder telefoniert, telefoniert....In letzter Zeit kommt gern auch noch das Wochenende dazu, wenn nach Ti-ckermeldungen am Samstag neue In-formationen auf die Website müssen.

„Dagegen kommen wir nicht an!“Die Republik debattiert über die Sicherheit eines Impfstoffes und verdrängt die Risiken der Krankheit, die un-ter dem Namen Schweinegrippe mittlerweile Tausende von Zeitungsspalten gefüllt hat. Darüber klagt Susanne Stöcker, Referatsleiterin Öffentlichkeitsarbeit am Paul-Ehrlich-Institut im Gespräch mit dem WPK-Quarterly.

Was macht die Kommunikation über Schweinegrippe für Sie so schwierig?

Die Berichterstattung über das Thema! Die ist zu einem Selbstgän-ger geworden während des Sommer-lochs, als viele Urlauber aus Spanien zurückkamen und sich dort ange-steckt hatten. Anders als in vielen an-deren Ländern waren die Verläufe der Krankheit bei uns glücklicherweise meist recht mild, so dass Stimmen zu hören waren, die die Gefährlichkeit der Krankheit relativierten. Keiner hat die Schweinegrippe so richtig ernst genommen und viele tun es immer noch nicht. Dann kam die Diskussion um die Impfstoffe auf und da haben sich Menschen zu Wort gemeldet, die meinten, diesen Impfstoff von An-fang an in Grund und Boden reden zu müssen – in einer Art, die für mich nicht nachvollziehbar war, und ohne handfeste Belege für ihre Behauptun-gen zu haben. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass schon für die Musterimpfstoffe Studien ge-macht wurden, an mehreren tausend Leuten. Diese Studien ergaben eine sehr gute Wirksamkeit und eine sehr gute Verträglichkeit, wenn auch die Nebenwirkungen, die man von der saisonalen Grippeimpfung kennt,

sonders viele dieser Posten in einer bestimmten Branche inne hat, etwa in der Pharmabranche. Das kann helfen, Herrn Prof. Dr. med bei künf-tigen Recherchen mit ganz neuen Augen zu sehen.

Unter dem Strich glauben wir, dass es sich lohnt, in die Recher-cheform CAR mit all ihren Werkzeu-gen Zeit und Energie zu investieren. Für Wissenschaftsjounalisten bietet CAR in jedem Fall die Chance, sich eigene Themen jenseits der Mel-dungen von idw und Eurekalert zu erschließen. Themen, die noch nicht über die großen Verteiler ge-

Nicole Heißmann

arbeitet als Redak-teurin beim Stern in Hamburg.

jagt wurden. Neuigkeiten, die man sich aktiv gesucht hat und die ei-nem kein Informant gesteckt hat, der seine ganz eigene Agenda ver-folgt. Die ersten Werkstattberichte aus dem Projekt der Initiative Wis-senschaftsjournalismus werden in diesem Jahr auf der WissensWerte-Konferenz (9.-11.11.2009) in Bre-men präsentiert.

Wenn Sie oder Ihr als Wissen-schaftsreporter bereits mit CAR ge-arbeitet haben/habt: Einfach eine Mail schreiben an [email protected] oder [email protected].

Wir möchten künftig Beispie-le für CAR-Werkstattberichte hier im WPK-Quarterly veröffentlichen, damit künftig mehr Wissenschafts-journalisten von diesem Werkzeug profitieren können.

Susanne Stöcker, Referatsleiterin Öffentlichkeitsarbeit am Paul-Ehr-lich-Institut, hat sich am Telefon aufgerieben.

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18III / 2009 WPK-Quarterly

Warum, glauben Sie, haben Sie sich so wenig Gehör verschaffen können?

In meinen Augen haben sich viele Medien freiwillig gleichgeschaltet bei diesem Thema, und das erschreckt mich, ganz ehrlich. Sie haben sich auf die Seite der Kritiker geschla-gen, getreu nach dem Motto, Kritik ist schick, only bad news are good

news und ‚Konflikt‘ ist ein großartiger Nachrichtenfaktor. Eine Behörde, die einen Impfstoff aus guten Gründen zulässt, gerät in einer solchen Gemen-gelage unter Druck und hat offenbar ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und da interessiert es dann auch niemanden mehr, dass es um europäische Zulas-sungen geht, um Impfstoffe, die nicht

sere Homepage bekannt zu machen, aber die muss man auch lesen.

Und dann bin ich auf ein Phäno-men aufmerksam geworden, das ich schon bei der Vogelgrippe beobach-tet habe: Es gibt Textbausteine, die von vielen Medien sehr intensiv be-nutzt werden. Bei der Vogelgrippe hieß der Textbaustein: „das auch für den Menschen gefährliche H5N1 Vi-rus“. Ich habe mir damals den Mund fusselig geredet, um zu erklären, dass dieses Virus für den Menschen zunächst überhaupt nicht gefähr-lich ist, es sei denn, man kuschelt mit den Hühnern. Das brachte aber nichts. Jede, wirklich jede Nachricht zum Thema enthielt diesen Textbau-stein.

Das Gleiche haben wir jetzt: „Die in Verruf geratenen Verstärker...“, „Die als gefährlich eingestuften Verstär-ker...“, „Die in die Kritik geratenen Ver-stärker...“. Ich konnte sagen, was ich wollte, jeder Bericht enthielt einen solchen Satz.

Welche Auswirkungen hatte es auf Ihre Arbeit, dass die Bundeswehr ei-nen anderen Impfstoff gekauft hat?

Das war ein Schlag ins Wasser. Seit-her heißt es nur noch: „Der Impfstoff Celvapan, der als verträglicher gilt... .“ Ein neuer Textbaustein, der in jeden Bericht, in dem es um die Impfung geht, eingebaut wird. Das ist kom-pletter Humbug, das ist durch nichts gedeckt, hält sich aber hartnäckig und wird überall verbreitet. Wer sich die Mühe macht, mal die Beipack-zettel von Pandemrix und Celvapan zu vergleichen, kann das ganz leicht feststellen. Diese Berichte führen in-zwischen dazu, dass wir hier teilweise wirklich bösartige Emails und Anrufe bekommen aus der Bevölkerung, in denen meine Mitarbeiter gefragt wer-den, wie wir so gemeingefährliche Impfstoffe auf den Markt lassen kön-nen. Viele Dinge, die wir versuchen zu vermitteln, kommen nicht an, werden nicht gedruckt. Ich habe mehr als ein Mal in Gesprächen gehört: Ach, das ist ja spannend, das wusste ich ja noch gar nicht, aber in dem Artikel, den ich am nächsten Tag gelesen habe, hat sich nichts davon wiedergefunden.

nur in Deutschland zugelassen sind, sondern von der EU-Kommission, und die in den anderen Mitgliedsstaaten auch angewendet werden.

Wie bewerten Sie das?

Am Anfang habe ich das relativ ent-spannt gesehen, ist halt Sommerloch, man muss etwas bringen. Aber es hat sich danach verselbständigt, es ist ein-

seitig geworden, und zwar einseitig falsch. Konsequent und falsch gegen die Impfung. Es ruft zwar jeder hier an und behauptet, er wolle das Pro und Contra der Impfung bearbeiteten, tat-sächlich aber herrscht ein absolutes Missverhältnis vor zugunsten der Con-tra-Position. Ein Beispiel war das ZDF Morgenmagazin Mitte Oktober. Ich

Die Zahl der Artikel über die Schweinegrippe in 185 deutschsprachigen Zeitungen und Magazinen zeigt eine Wellenform. Derzeit befinden wir uns in der dritten Welle, in der der Impfstoff gespritzt wird. Die erste Welle erschien nach Bekanntwerden von zahlreichen Todesfällen in Mexiko Ende April/Anfang Mai, die zweite zwischen Mitte Juli und Anfang August, als Spanienurlauber mit Grippe heimkehrten.Quelle: LexisNexis (Deutsche Presse)

2250

1875

1500

1125

750

375

016

Anzahl der Artikel über die Schweinegrippe pro Kalenderwoche

18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42

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habe am Sonntag hier gesessen, und alles versucht, um denen ein Interview mit unserem Präsidenten, Johannes Löwer, zu ermöglichen. Das Interview hat dann letztlich auf dem Flughafen stattgefunden, kurz vor seinem Abflug nach Genf. Es ging um die üblichen Fra-gen. Am Montag habe ich mir dann den Beitrag angeschaut und ich sehe einen Funktionär der Arzneimittelkommissi-on der deutschen Ärzteschaft, wie er in drei O-Tönen die falschen Argumente gegen den Impfstoff wiederholt. Wun-derbar zusammengeschnitten mit den entsprechenden Berichtsteilen. Ich habe mich wieder gefragt, woher der nun seine Weisheit eigentlich bezieht, was in der Sendung natürlich nicht be-antwortet wurde. Nachdem man ihm viel Raum eingeräumt hatte, kam ganz zum Schluss ein kurzer O-Ton von Lö-wer. Dabei hätte er jede der Aussagen richtigstellen können – wenn man ihn gelassen hätte. So sah dann der Pro und Contra-Bericht aus. So etwas habe ich immer und immer wieder festge-stellt. Die Bild-Zeitung gehört in mei-nen Augen mittlerweile zu denjenigen (wenigen), die die sachlichsten Berich-te bringen, wobei ich die Titelseiten mal ausnehme.

Man kann sich ja des Eindrucks nicht erwehren, dass in dieser De-batte all die Unsicherheiten, die grundsätzlich jeder Einführung ei-nes Arzneimittels anhaften, in ver-dichteter Form zur Diskussion ge-stellt werden. Man könnte sagen, dass die Bevölkerung am Beispiel des Impfstoffes eine Art Crashkurs erlebt: „Wie ist Zulassung organi-siert und welche Unsicherheiten gibt es dabei?“ Halten Sie es nicht für sinnvoll, dass die Bevölkerung auf bestimmte Risiken hingewie-sen wird?

Doch, es ist sinnvoll, Risiken zu be-nennen. Aber man sollte es ausge-wogen tun. Es herrscht inzwischen die Meinung vor, dass die Risiken der Pandemie klein sind, Motto: „Hätten wir eine schlimme Pandemie, würden wir das alles ja akzeptieren, aber sie ist ja so leicht.“ Da verstehe ich auch die Ärzte nicht, die dieses Argument brin-gen. Ich sage: Es ist Sommer gewesen, als wir die erste Welle gesehen haben, also eine Zeit, in der die Grippe eigent-

lich gar nicht auftritt. Mit dem Herbst werden wir mehr Fälle bekommen, wir werden schwerere Verläufe sehen. Ich werbe dafür, die Impfung als Chance zu sehen, die wir 1968, 1957 oder gar 1918 nicht hatten. Dass eben auch Nicht-Impfen mit Risiken behaftet ist, das wird derzeit völlig ausgeblendet. Pandemien treten oft in Wellen auf. Es war 1968 und auch 1918 so, dass die erste Welle so schwach war, dass sie gar nicht ernst genommen wurde. Es gibt ein Zitat aus der Ems Zeitung vom Juli 1918, in der deutlich zum Ausdruck kommt, wie man die Pande-mie damals unterschätzte. Dieses Zitat hätte so auch diesen Sommer in einer deutschen Zeitung stehen können:

„Die Dauer der früheren Epidemien betrug sechs bis acht Wochen, es darf deshalb damit gerechnet werden, dass die Krankheit, die mittlerweile in allen europäischen Staaten eingekehrt ist, ih-ren Höhepunkt bei uns erreicht hat und bei günstiger und warmer Witterung mit Sonnenschein rasch wieder abnehmen wird, jedenfalls liegt zur Beunruhigung kein Anlass vor.“

(Ems Zeitung, Juli 1918, z.n. Haas 2009)

Benutzen Impfgegner die Schwei-negrippe als eine Art U-Boot, um ihre Argumente von den Internet-foren in die breite Öffentlichkeit zu tragen?

Zu Beginn haben die Impfgegner diese Debatte zu nutzen gewusst. Jetzt brauchen die nichts mehr zu tun, denn es ist ein Selbstgänger daraus geworden, „seriöse Experten“ haben deren Rolle mit übernommen. Aber am Anfang haben es Impfgegner, also Leute, die aus ideologischen Grün-den Impfungen ablehnen, sogar ge-schafft, unter dem Deckmäntelchen „Initiative für unabhängige Impfauf-klärung“ einen selbsternannten Ex-perten bis ins ARD-Morgenmagazin zu bringen. Ich frage mich bis heute, ob das Morgenmagazin nicht richtig recherchiert hat oder ob das Absicht war. Wenn sie recherchiert haben, wäre es noch schlimmer, denn dieser Mensch hat auf seiner Homepage ste-hen, dass Polio nicht durch ein Virus, sondern durch Pestizide verursacht wird und die Schweinegrippe „eine erfundene Seuche“ sei, von den USA

und der WHO „gemacht“. An seinen Tipp für das Video ‚Hier sprrrricht das Virushauptquartier‘ mag ich gar nicht denken. Wenn man so jemanden als Experten verkauft, hört bei mir alles auf.

Es ist ja für einen Laien schwierig bis unmöglich, die Qualität der Expertise, die da mittlerweile im Umlauf ist, einzuschätzen. Hat das Paul-Ehrlich-Institut eine Strate-gie, wie man in einer solchen Ge-mengelage reagiert?

Wir mussten feststellen, dass wir kein Konzept haben, das in einer sol-chen Situation greift. Wir argumentie-ren, wir geben Interviews, wir erklären selbst in Talkshows, wir klären auf un-serer Homepage auf, wir verschicken Informationen. Aber wir sind immer die Behörde und dann muss nur eine Organisation wie Transparency Inter-national kommen und behaupten, dass man uns auch nicht trauen dür-fe, weil wir von der Pharma-Branche bezahlt würden. Natürlich, nach der PEI-Kostenverordnung müssen Phar-ma Firmen für die Zulassung zahlen. Wenn wir durch diesen Umstand zu einem Abhängigen der Interessen der Pharma-Branche gemacht werden, können wir einpacken. Dabei kann jeder auf unserer Homepage nachle-sen, dass alle bei uns, die irgendwas mit Zulassung zu tun haben, jährlich eine Erklärung zur Unabhängigkeit von der Industrie unterschreiben müssen. Aber das ist so ein Totschlag-Argument, dagegen kommen wir nicht an. Dasselbe gilt dann, wenn uns vorgehalten wird, dass wir nicht 100-prozentig ausschließen können, dass dieser Impfstoff schwere Ne-benwirkungen auslöst. Da kann ich nur sagen, nein, wir können das nicht völlig ausschließen, es gibt so gut wie nichts, was man völlig ausschließen kann. Und sehr seltene Nebenwirkun-gen wird man immer erst in der brei-ten Anwendung erkennen können. Das gilt für jeden Impfstoff. Dafür gibt es Risiko-Management-Pläne. Nein, es gibt für solche Situationen kein Konzept, da können wir uns ausden-ken, was wir wollen.

Mit Susanne Stöcker sprach Markus Lehmkuhl

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20III / 2009 WPK-Quarterly

Jean Pierre Bassenge schreibt in der Berliner Zeitung. Über Schach-forschung und die Reparatur des Hubble-Weltraum-Teleskops. Es sind keine einfachen Themen, doch der 20-jährige Volontär schreibt mit einer Leichtigkeit, als wären sie es. Gerade hat ihn das Branchenblatt Medium-Magazin in seine Liste der „vielversprechendsten Nachwuchs-talente“ aufgenommen. Bassen-ge wird das letzte Talent aus dem Berliner Wissenschaftsressort sein. Denn das Ressort wird aufgelöst. Künftig kommt die Wissenschafts-seite der Berliner Zeitung von ihrer neuen Schwesterzeitung Frankfur-ter Rundschau.

Zu vermelden ist das Ende eines Wissenschaftsressorts. Zu verabschie-den ist ein Stück Wissenschaftsjourna-lismus. Eine Qualitätszeitung löst ihr Wissenschaftsressort auf und lässt zu-liefern, das ist auch ein Signal für die Branche. Was heißt das für die Vielfalt der täglichen Wissenschaftsseiten? Die Frage nach Verlust und Gewinn ist nicht pauschal zu beantworten. Die Antwort steckt im Detail und hängt zusammen mit der jüngeren Ge-schichte beider Zeitungen.

Die Fusion der Wissenschaftsseiten ist nur ein Schritt des Zusammenrü-ckens der beiden Blätter. In Berlin bilden DuMonts Zeitungen einen Politikpool, in Frankfurt soll im Ge-genzug die Wirtschaftsberichterstat-tung gebündelt werden. Während es hier eine gewisse sachliche Logik gibt, sind die Gründe für andere Res-sorts nicht so klar. Die FR gibt ihre Medienseite an die Berliner Zeitung ab, die gibt ihr Wissenschaftsres-sort her. Und nicht Controller haben sich den Plan ausgedacht. Die Idee kommt von Uwe Vorkötter, dem langjährigen Chefredakteur der Ber-liner Zeitung. Als Montgomery kam, flüchtete Vorkötter 2006 zur Frank-furter Rundschau. Jetzt kehrt er als

Chef zur Berliner Zeitung zurück. Pi-kant: Mit dem Wechsel wurde er im DuMont-Reich ganz offiziell „Beauf-tragter für eine stärkere Kooperation von Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau“. Vorkötter nennt das, was er sich ausgedacht hat, ein „Qua-litätsprogramm“ (s. Interview). Der Chefredakteur betont, dass es mehr Wissenschaft in der Berliner Zeitung geben werde.

Tragisch:

Mit dem Retter

der Berliner Zeitung

kommt das Ende

des Wissensressorts

Einerseits ergibt eine solche Ko-operation betriebswirtschaftlich Sinn. Andererseits ist es nicht anders als tragisch zu nennen, dass mit dem Retter der Berliner Zeitung das Ende des Wissensressorts kommt.

Ende August wurden die Pläne zur engeren Zusammenarbeit im Du-Mont-Reich öffentlich. Die Redaktion der Berliner Zeitung reagierte auf Vor-kötters Pläne mit einem offenen Brief. Darin heißt es: „Eine Berliner Zeitung ohne eigenes, in die Redaktion integ-riertes Bundesbüro, ohne komplettes Wirtschaftsressort und eigenen Wis-senschaftsteil ist undenkbar – eben-so wie Frankfurter Rundschau, Kölner Stadtanzeiger oder Mitteldeutsche Zeitung ohne unabhängige Politik-berichterstattung.“ Chefredakteur Vorkötter sieht die „Wissenschafts-kompetenz“ gewahrt, auch ohne Ressort.

Diese Betrachtungsweise stuft das junge sechste Ressort Wissenschafts-journalismus zurück in den Rang einer austauschbaren Beilagensei-te. Gerade schien sich der Wissen-

schaftsjournalismus als tägliche Sei-te etabliert zu haben. Etabliert, dazu gehört eben auch die feste Wissen-schafts-Stimme in der Konferenz und Platz für wissenschaftsrelevante The-men. Mit dem Ressort fällt auch die Anlaufstelle für Wissen innerhalb der Redaktion weg, die „Lexikonredak-tion“, wie sie Holger Wormer einmal genannt hat.

Besser eine gut ausgestattete Re-daktion, als zwei zusammengespar-te, so Vorkötters Argumentation. Tatsächlich steigt das Budget des Frankfurter Ressorts. Eingestellt wird in Frankfurt niemand. Vor allem mit dem Verzicht auf eigene Schreibzeit der Redakteure wird das Ressort der Frankfurter Rundschau die tägliche dritte Seite produzieren.

Verloren geht die Vielfalt

und mir Ihr ein Stück

Selbstkontrolle

Was verloren geht ist nur vorder-gründig ein Ressort. Es ist vor allem die eigene Art, eine Wissenschaftssei-te zu machen. Im Sommer 2007 habe ich beide Redaktionen wissenschaft-lich beobachtet. Ich habe jeweils eine Woche die Arbeitsprozesse un-tersucht und mit allen anwesenden Redakteuren Leitfadengespräche ge-führt (siehe WPK-Quarterly 1/2008). Das Ergebnis war klar. Die beiden Re-daktionen erwiesen sich als grund-verschieden in ihrer Arbeitsweise. Die beiden Seiten wurden mit etwa der gleichen Personalausstattung täglich produziert. Das waren auch schon die Gemeinsamkeiten.

In beiden Redaktionen hatte sich ein eigener Stil entwickelt. Im Ressort der Berliner Zeitung wurde ereignis-orientiert gearbeitet, während die Frankfurter ein stärkeres Gewicht auf eigene Themensetzung legten. War in Berlin die Betonung von Nachrich-ten, inhaltlicher Präzision und Aktu-alität wichtiger, war es in Frankfurt die Unterhaltung und die grafische Ausstattung. Die tägliche Frankfur-ter Tabloid-Doppelseite deckt neben Wissenschaft auch Bildungsthemen ab. Dafür kommt Ökologie nicht vor,

Aus zwei mach einsDie Berliner Zeitung löst ihr Wissenschaftsressort auf. Die tägliche Seite kommt jetzt aus der Redaktion der Frankfurter Rundschau.

Von Jakob Vicari

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21III / 2009 WPK-Quarterly

das fällt in Frankfurt traditionell in den Bereich der Wirtschaftsredaktion. Die Berliner Zeitung ist forschungs-orientiert, behandelt aber keine Hochschulthemen. Inhaltlich war die Überschneidung gering. Das zeigte sich wieder an einem jüngeren Ver-such: Seit dem Einstieg von DuMont in Berlin konnten die Zeitungen sich mittels Syndication günstig beiei-nander bedienen. Sie bekamen die Themenpläne sogar vorab. Die Berli-ner Wissenschaftsseite hat davon nie Gebrauch gemacht.

Die Unterschiede waren nicht nur inhaltlicher Art. Sie spiegelten sich auch in einer vollkommen anderen Art zu arbeiten. Gab es in der Berliner Zeitung täglich mehrere Konferen-zen, arbeiteten die Kollegen in Frank-furt auf Zuruf in ihrem Großraum-büro. Mit der Platzverteilung war es genau umgekehrt: Die Rundschau arbeitet mit vielen fest vergebenen Plätzen, an denen Serien und Kolum-nen erscheinen, während die Berliner Seite ein kolumnenfreier Raum ist. Der Platz wird täglich frei vergeben.

Verloren geht die Vielfalt. Und mit der Vielfalt ein Stück Kontrolle. Denn Journalisten überwachen sich auch gegenseitig, auch Qualitätsjourna-listen. Diese Kontrollfunktion leidet darunter, wenn Medien zusammen-rücken. Eine der Kolumnen auf der Wissenschaftsseite der Frankfurter Rundschau schrieb Hademar Bank-hofer. Bankhofer erklärte Schnupfen, Arthritis, Bluthochdruck, wie er es in vielen Zeitungen, in Büchern und im Fernsehen auch tat. Im Frühjahr 2008 wurde offenbar, dass Bankho-fer Schleichwerbung betrieben hat. Der selbsternannte Medizin-Experte hatte die Mittelchen von Klosterfrau-Melissengeist angepriesen – und einen Beratervertrag mit dem Un-ternehmen. Diesen Vertrag hatte Bankhofer verschwiegen, auch der FR-Redaktion. Recherchen der Blogs „Stationäre Aufnahme“, „BooCompa-ny“ und der Süddeutschen Zeitung brachten den Stein ins Rollen.

In der Frankfurter Rundschau gab es statt Bankhofers Kolumne eine kurze Mitteilung. „In den Beiträgen für die Frankfurter Rundschau jedenfalls

ist das problematische Wort „Kloster-melisse“ nicht zu finden, da heißt es ganz schlicht Zitronenmelisse.“ In der Berliner Zeitung hingegen stand der Name jetzt. Sie berichtet über den Fall unter der Überschrift „Warum Medien so oft und oftmals sorglos auf Exper-ten zurückgreifen“. Die Zeitung zitiert Gerd Antes, Direktor des Cochrane-Zentrums: „Dieser Fall sei exempla-risch für den oft leichtfertigen Um-gang mit Gesundheitsexperten.“ Ob es diese Art der Berichterstattung auf gemeinsamen Medien- und Wissen-schaftsseiten noch geben wird?

Von der Ressortleiterin

Lilo Berg heißt es,

sie habe wie eine Löwin

für ihre Leute gekämpft

„Durchaus stolz, aber auch mit et-was Wehmut blicken wir zurück auf eine 12-jährige Ressortgeschichte in der Berliner Zeitung“, schrieb die Res-sortleiterin Lilo Berg an ihre Autoren. Seit 1996 hatte die Berliner Zeitung eine eigene Wissenschaftsredaktion. Am Anfang produzierte sie eine acht-seitige Beilage, seit 2001 eine tägliche Seite. „Als ich kam, hatte ich einen Schreibtisch und einen Computer. Der Stuhl wurde gerade hereinge-rollt“, sagt Lilo Berg. Sie begann ein Ressort aufzubauen, das immer mehr sein wollte als die Nischenredaktion einer Regionalzeitung. Im Mai 1997 war die Berliner Zeitung eine der ers-ten, die über den Fälschungsskandal um die Krebsforscher Hermann und Brach schrieb. Artikel der Berliner Wissenschaftsseite haben unter an-derem den Georg von Holtzbrinck Preis für Wissenschaftsjournalismus, den Medienpreis des Forschungszen-trums Matheon und den Förderpreis Umweltjournalismus gewonnen. Zu den besten Zeiten waren sie zu fünft im Ressort, um 2003 war das. Die Sei-te brillierte mit ihrer Infografik. „Das war unser Markenzeichen. Das ha-ben wir gepflegt“, sagt Berg. Dann begann das Sparen. Zuletzt haben zwei Redakteure und eine Aushilfe versucht, die Seite zu füllen. Oft füllte eine Eigenanzeige den unteren Teil der Seite. Lilo Berg sagt, sie hätte so

nicht weitergemacht. An vielen Ta-gen soll ein Journalist die Seite allei-ne gefüllt haben – nicht immer war es ein Redakteur. Es war vor allem Lilo Bergs Ehrgeiz, der die Seite in dieser Zeit über Wasser hielt.

Ende Oktober, nach 12 Jahren, geht die Wissenschaftsseite unter. Wäh-rend dieser Artikel geschrieben wird, macht die Berliner Redaktion ihre letzten Seiten. So der Plan. „Wie eine Löwin“ habe Lilo Berg für ihre Leute gekämpft, heißt es. Und tatsächlich wird es keine Entlassung geben. Das Ressort war ohnehin personell längst ausgedünnt. Da an jeder Redakteurs-stelle ein Stamm von freien Journa-listen hängt, wird der Wissenschafts-journalismus strukturell geschwächt. Lilo Berg wird Autorin mit dem Status „Leitende Redakteurin“. „Morgens zu kommen, ganz ohne die Gedanken an eine leere Seite und den Druck der Ereignisse des Tages. Ich bin ge-spannt, wie das sein wird“, sagt sie.

Das Personal im

Wissensressort in Frank-

furt wird aufgestockt:

Von 3,2 Stellen auf 3,4.

„Die Seite wird qualitativ für bei-de Seiten hoffentlich ein Gewinn sein“, sagt Karl-Heinz Karisch, der die Wissenschaft bei der FR leitet. „Die Berliner Seite wird sich verändern. Aber unsere »Wissen und Bildung«-Seite wird sich ebenfalls verändern.“ Anfang November soll es losgehen. Dann wird die Redaktion »Wissen und Bildung« in Frankfurt täglich neben den beiden eigenen Seiten eine Seite für Berlin produzieren. Die Leser in Berlin sollen also mehr Wis-senschaftsberichterstattung bekom-men. „Wir wollen an einigen Tagen eine andere Berliner Seite produ-zieren“, sagt Ressortleiter Karl-Heinz Karisch. Er bekommt dafür nur mini-mal mehr Personal: Statt 3,2 Stellen stehen ihm 3,4 Stellen zur Verfügung. „Wir haben für den Start die Zeit fürs Selbstschreiben reduziert“, sagt er. Das Projekt ist nicht nur inhaltlich und organisatorisch eine Herausfor-derung, auch technisch betreten sie

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22III / 2009 WPK-Quarterly

wir uns mit anderen Methoden wei-terentwickeln.

Wie werden sich die Wissenschafts-seiten der FR und der Berliner Zei-tung in Zukunft unterscheiden?

Es wird eine Schnittmenge geben. Wie groß die sein wird, kann ich noch gar nicht sagen. Die Seiten werden sich an mehreren Stellen unterschei-den. Das eine sind regionale Aspekte.

Der Chefredakteur der Berliner Zeitung, Uwe Vorkötter, sieht es pragmatisch: Besser ein vernünftig ausgestattetes Ressort in Frank-furt als zwei mit ungenügenden Ressourcen.

Als Chefredakteur muss Sie der Verlust des Wissenschaftsressorts schmerzen. Warum kann die Berli-ner Zeitung so einfach auf das Wis-senschaftsressort verzichten?

Den Verlust eines Ressorts habe ich gar nicht zu beklagen. Im Ge-genteil! Wir werden zukünftig mehr Wissenschaftsberichterstattung in der Zeitung haben. Wir haben bisher täglich eine 3/4 Seite. Künftig werden wir eine ganze Seite haben. Das ist wirklich ein Qualitätsprogramm.

Aber das Berliner Wissenschafts-ressort wird aufgelöst?

Das Berliner Wissenschaftsressort besteht im Moment aus zwei Men-schen. Und es gibt eine Kollegin, die gerade in Elternzeit ist. Diese Organi-sation wird aufgelöst.

Das Ziel ist eindeutig Geld spa-ren!?

Nein, das Ziel ist die Qualität zu steigern. Wir sparen nicht unmittel-bar Geld. Wir verzichten nicht auf Personal. Wir machen das nicht mit weniger Leuten. Unsere Redaktion ist in den letzten drei Jahren herun-tergespart worden. Und jetzt stehen wir vor der Frage: Können wir das alles wieder aufbauen oder müssen

„Das Ziel ist, die Qualität zu steigern“Uwe Vorkötter war zwischen 2002 und 2006 Chefredakteur der Berliner Zeitung. Im Mai 2006 wechselte er im Streit mit dem neu-en Eigentümer David Montgomery zur Frankfurter Rundschau. Die wirtschaftlich angeschlagene Rundschau stellte er erfolgreich auf das Tabloid-Format um. Nachdem der Kölner Verlag M. DuMont Schauberg die Berliner Zeitung übernommen hatte, kehrte Vorköt-ter im Juni 2009 als Chefredakteur nach Berlin zurück.

Das zweite ist, dass die Frankfurter Seite einen hohen Anteil an Bil-dungsthemen hat. Das hängt mit der speziellen Leserschaft der Frankfur-ter Rundschau zusammen. Und bei allen Ähnlichkeiten der Seiten, die es heute schon gibt, haben wir noch einen Unterschied. Unsere Seite ist eher forschungsnäher und orientiert sich an den Erscheinungsweisen von Nature und Science.

Wie drückt sich das in Zahlen aus – hat Frankfurt jetzt eine Stelle mehr?

Das sind jetzt vier Leute. Die sto-cken ihre Kapazitäten auf, zum Bei-spiel durch Teilzeitregelungen, die geändert werden. Es ist klar, dass wir in Frankfurt eine starke Einheit bil-den für die Produktion. Und dass das Schreiben verteilt ist auf Berlin und Frankfurt.

Verlieren Mitarbeiter durch die Übernahme ihre Stelle?

Nein.

Als freier Journalisten konnte man bisher denken, man verkauft einen Artikel doppelt an Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau. Sol-che Geschichten lohnen sich jetzt nicht mehr?

Wir pflegen mit Menschen ordent-lich umzugehen. Autoren, die in bei-den Zeitungen erscheinen, das sind unsere besten Autoren. Die werden sich nicht verschlechtern. Und dann gibt es Autoren, die bisher nur in Ber-lin oder Frankfurt erscheinen. Die ha-ben eine Chance, auf beiden Seiten zu erscheinen. Die werden vielleicht nur einmal Honorar kriegen, dafür aber 150% des Gesamthonorars. Die

Neuland. Vor dem Start gibt es mehr Fragen als Antworten. Technisch sind beide Zeitungen nicht kompatibel, arbeiten sie beide mit verschiedenen Redaktionssystemen. Ungeklärt ist, wie die Berliner Zeitung Einfluss neh-men kann auf die Wissenschaftsbe-richterstattung. Freie Journalisten, so heißt es, sollen für den Abdruck auf

der Berliner Seite weiterhin ein Extra-Honorar erhalten.

Bassenge wird nach seinem Vo-lontariat studieren. Lilo Berg hat ihre ersten Reportage-Themen schon im Kopf. Und die neue Seite wird sich messen lassen müssen an ihrer Vor-gängerin.

Jakob Vicari

ist freier Wissen-schaftsjournalist in

Hamburg.

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23III / 2009 WPK-Quarterly

haben ein Zusatzgeschäft. Die, die wir jetzt schon doppelt haben, denen wird nichts verloren gehen. Und die anderen werden gewinnen.

Eine gewagte Aussage. Es wird we-niger Vielfalt geben. Es ist in bei-den Zeitungen zusammen durch die gemeinsame Redaktion nur noch halb so viel Platz für Artikel da.

Wenn Sie das rein quantitativ se-hen, mögen Sie rein mathematisch recht haben. Aber es gibt auch ande-re Verschiebungen. Wenn wir die Re-dakteure stärker für die Produktion einsetzen, werden wir einen freien Text mehr einkaufen. Es geht darum, Qualität zu steigern auf beiden Sei-ten. Besser eine richtige Organisati-on, die das für zwei macht als zwei, die unter ständigem Ressourcen-mangel leiden.

Können Sie ein Beispiel geben, was Ihnen vorschwebt als Qualitäts-

denen die Wissenschaft im Feuilleton angesiedelt ist. Was gemeint ist in dem Statut, ist eine Zeitung mit der eigenen Wissenschaftskompetenz. Die geben wir auch nicht verloren.

Von Kompetenz steht im Statut nichts drin. Es steht da „Vollredak-tion“.

Ob ein eigenes Wissenschaftsres-sort zwangsläufig zu einer Vollre-daktion gehört, da würde ich sagen: Nein. Das kann man auch anders or-ganisieren.

Es ist keine Reaktion darauf, dass Leser weniger Wissenschaft lesen wollen?

Unsere Leser kriegen mehr Wissen-schaft. Es ist überhaupt nicht geplant, dass wir weniger Angebot machen wollen. Ganz im Gegenteil.

Mit Uwe Vorkötter sprach Jakob Vicari.

steigerung; wird es mehr exklusive Geschichten geben, mehr Infogra-fiken?

Quantitativ wird das Angebot in der Berliner Zeitung ausgedehnt. Und in der Wissenschaftsbericht-erstattung, wie ich sie verstehe, ist mehr Quantität auch mehr Qualität. Weil wir einfach jeden Tag ein zusätz-liches Thema in die Zeitung kriegen.

Die Berliner Zeitung hat ein Re-daktionsstatut, in dem es sehr klar heißt: „Die Berliner Zeitung ist eine Autorenzeitung mit Vollredakti-on.“ Alle Zeitungen vergleichbarer Größe haben ein eigenes Wissen-schaftsressort. Warum gehört ein Wissenschaftsressort bei der Ber-liner Zeitung nicht zu einer Vollre-daktion?

Die Frage ist doch, ob eine Vollre-daktion ein eigenes Wissenschafts-ressort haben muss. Ich kenne auch eine ganze Reihe von Zeitungen, bei

Der neue WPK-Vorstand will eini-ges verändern. Wie einschneidend wird es?

Wir betreiben sicher nicht nur Kosmetik. Vor einer Revolution ste-hen wir aber auch nicht. Ich glaube, dass viele Mitglieder erwarten, dass wir mit der Zeit gehen. Und es gibt auch Journalisten, die dem Verein beitreten würden, wenn er sich ih-ren Bedürfnissen anpasste. Die WPK hat sich ja schon verändert: Sie bie-tet heute weniger Pressekonferen-zen an, weil die Forschungswelt das schon selbst ausreichend tut. Statt-dessen organisieren wir mehr Hinter-grundgespräche, mehr Reisen und mehr Fortbildungen. In Zukunft soll der Verein eine lebendigere Diskus-sionskultur kriegen. Manche wollen auch, dass wir uns in der Medienkrise öffentlich zur Entwicklung des Jour-nalismus äußern.

Weiß der Verband überhaupt, wo-für er steht und wofür er ein politi-sches Mandat ergreifen könnte?

Politische Aktionen müssen auf der Grundlage einer Diskussion in der Mitgliedschaft stehen. Da kann der Vorstand mal im akuten Fall, wenn etwa ein Wissenschaftsressort geschlossen wird, vorpreschen und dagegen Stellung beziehen. Denn da besteht Konsens: Natürlich finden wir Wissenschaftsberichterstattung wichtig und wollen sie stärken. Das ist der Gründungszweck der WPK ge-wesen, der sich bis heute durchzieht.

Aber wir können nicht von heute auf morgen sagen: Wir geben jetzt zu jedem wissenschaftsjournalisti-schen Thema eine Pressemeldung raus, ohne dass auf einer Mitglie-derversammlung je darüber gespro-chen worden wäre, wofür der Verein

eigentlich steht. Wenn es um unter-schiedliche Arten des Wissenschafts-journalismus geht, sehe ich noch keinen Konsens. Ein Diskussionsan-satz wird nächstes Jahr auf der ESOF sein: Da organisieren wir eine Ver-anstaltung mit dem Titel „Sind Wis-senschaftsjournalisten zu zahm, um ihre öffentliche Wächterrolle auszu-füllen?“

Wie zahm sind denn unsere Mit-glieder? Wer bei den Freischrei-bern mitmachen will, muss vorher unterschreiben, dass er nicht PR und Journalismus für den gleichen Auftraggeber macht, bei uns wäre das das gleiche Forschungsinsti-tut. Wäre so etwas in der WPK auch denkbar?

Darüber kann man reden. Ich per-sönlich finde, dass das Standard sein muss. Wir müssten aber darüber dis-

„Nicht nur Kosmetik“Seit Mai hat die WPK einen neuen Vorstand. Im Interview spricht der Vorsitzende Alexander Mäder über die Zukunft des Vereins, ein politisches Mandat der WPK, den Presseausweis, journalistisches Berufsethos und das Ende des Wissenschaftsressorts.

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kutieren, wie praktikabel eine sol-che Selbstverpflichtung wäre. Viele unserer freien Mitglieder machen ja auch Pressearbeit. In unserer Satzung steht bisher lediglich, dass man nur Mitglied werden kann, wenn man hauptberuflich wissenschaftsjourna-listisch tätig ist.

Können wir es uns denn überhaupt leisten, Mitglieder abzulehnen? Wir scheinen ja jeden zu brauchen.

So würde ich das nicht sagen. Wir geben nicht jedem Mitgliedsantrag statt im Vorstand. Bei Leuten, die wir nicht kennen, schauen wir schon ge-nau hin.

Wir haben im Moment gerade mal etwa 180 Mitglieder. Reicht das?

Nein. Es wäre schön, wenn wir mehr hätten. Es ist vielleicht ein be-grenzter Pool, auf den man zugreifen kann. Ich bezweifle, dass wir mehr als Tausend Mitglieder haben könnten, selbst wenn wir ein für all diese Leute attraktiver Verein wären. Aber viel-leicht kommen wir in den nächsten Jahren ja auf 300.

Damit sind wir aber immer noch nicht kampagnenfähig, wenn wir politisch etwas erreichen wollen.

Wieso nicht? Wir sind gut vernetzt, wir sind Medienleute, die wissen, wie

man Aufmerksamkeit erregt, wir ha-ben ein großes ehrenamtliches Po-tenzial. An der Arbeitskraft mangelt es sicher nicht. Und wir sind der Be-rufsverband der Wissenschaftsjour-nalisten in Deutschland.

Wäre es sinnvoll, politisch mit an-deren zu kooperieren, etwa mit der TELI oder den Freischreibern?

Darüber ist in der jüngeren Vergan-genheit in der WPK nicht diskutiert worden. Ich persönlich kann mir Ko-operationen in einzelnen Projekten gut vorstellen - warum nicht? Wir könnten uns etwa bei einer Aktion für freie Journalisten durchaus mit den entsprechenden Verbänden zusam-mentun.

Wären wir nicht viel schlagkräfti-ger, wenn wir mit der TELI fusio-nierten?

Das wäre ein anderes Kaliber. Dazu kann ich ohne eine neue Diskussion im Verein nichts sagen.

Aber die Frage ist berechtigt?

Wenn ich das richtig weiß, ist die Fusion vor einigen Jahren daran ge-scheitert, dass die TELI die Unter-scheidung zwischen Pressearbeit und journalistischer Tätigkeit nicht macht. Das ist bis jetzt wohl der Stand.

Bietet der Verband denn genug, um aus eigener Kraft ausreichend neue Mitglieder werben zu können?

Absolut. In erster Linie bieten wir Wissenschaftsjournalisten eine pro-fessionelle Heimat. Künftig sollen es noch mehr Veranstaltungen werden, wir möchten Hilfestellungen beim Be-rufseinstieg bieten, ein Diskussions-forum im Netz einrichten und mehr Weiterbildungsangebote auflegen. Jetzt schon gibt es das WPK-Quarterly. Wir brauchen uns hinter den Kollegen vom DJV nicht zu verstecken.

Naja, die bieten ja schon ein biss-chen mehr...

Okay, wir haben keine Rechtsbera-tung, keine Streikkasse und sind kein Partner in Tarifgesprächen.

Und wir bieten keinen Presseaus-weis.

Da sind wir dran. Der Antrag ist ge-stellt.

Diesmal mit Erfolgsaussichten?

Wir haben uns Mühe gegeben mit dem Antrag, uns auch mit dem DJV-Justiziar besprochen. In der Vergan-genheit war ein Punkt unsere Größe. Es gibt einen informellen Richtwert von 1000 Mitgliedern, den wir na-türlich nicht erreichen. Sollten wir scheitern, überlegen wir uns, ob und wie laut wir protestieren. Dann müssten wir auch diskutieren, ob wir einen eigenen Presseausweis herausgeben. Und wie viel Energie wir in das Projekt überhaupt noch stecken wollen.

Auf den Verband kommt anschei-nend Einiges an Diskussionen zu. Wie weit wird denn der Vorstand schon vordenken und entschei-den?

Der neue Vorstand diskutiert derzeit intern sehr viel. Meine Vor-stellung wäre, dass wir auch diese Diskussionen publik machen. Unsi-cherheiten, Überlegungen und The-men des Vorstandes sollen allen bekannt sein; jeder soll dazu etwas beitragen können.

Früher gab es ja durchaus Un-wohlsein über die Intransparenz bisheriger Vorstände.

Ich bin wohl zu neu dabei, um da-rüber etwas zu wissen.

Wie will der neue Vorstand denn mehr Transparenz schaffen?

Im Newsletter teilen wir jetzt schon viel mit. In der letzten Ausga-be zum Beispiel unseren Standpunkt zur Berliner Zeitung. Im Herbst soll ein neues Internetforum für Diskus-sionen fertig sein. Ich weiß – es gab schon mal eins, und das hat nicht so gut funktioniert. Aber wir sind guter Dinge, dass wir es in einem zweiten Anlauf auch wirklich mit Leben fül-len. Es gibt genug Themen dafür: Das Verhältnis von Festen und Frei-

Alexander Mäder ist Vorsitzender der WPK und leitet das Wis-senschaftsressort der Stuttgarter Zeitung.

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Die Wissenschaft, PUSH ist dafür beredtes Zeugnis, sucht die Öffent-lichkeit. Sie sucht sich selbst ver-mittels unterschiedlichster Kom-munikationsmedien einem breiten Publikum zu erklären und zu prä-sentieren, man geht nicht fehl zu sagen, dass sie sich „zu popularisie-ren“ versucht. Dieser Begriff steht historisch in der Tradition des poli-tischen Popularitätsbegriffes und bezeichnete im 19. Jahrhundert ein „Herablassen zum Volk“ oder den Versuch, sich „beim Volke beliebt zu machen“ (Daum 2002: 39). Das Spektrum gegenwärtiger Populari-

sierungsbemühungen, also Anstren-gungen, die auf ein nicht näher spe-zifiziertes Publikum zielen, reicht über die Jahre der Wissenschaft hin-aus. Lange Nächte der Wissenschaft werden veranstaltet, selbst ein wis-senschaftseigenes Fernsehangebot wie das DFG Science TV lassen For-scher-Gremien auf Sendung gehen. Zehn Jahre PUSH sind ein Anlass, den Sinn und Unsinn dieser mittler-weile vielfältigen Anstrengungen zu hinterfragen.

Die PUSH Initiative war und ist Ausdruck eines vitalen Bestrebens

der Wissenschaft, sich als schlagkräf-tige, gesamtgesellschaftlich hoch re-levante Institution zu formieren und öffentlich zu präsentieren. Sie hat in den zurückliegenden zehn Jahren fraglos mit dazu beigetragen, die Be-deutsamkeit einer wie auch immer gearteten öffentlichen Präsenz von Wissenschaft weiter zu untermauern, vorrangig und zuallererst in der Wis-senschaft selbst.

Die Funktion öffentlicher Wissen-schaft ist in der Legitimationsbe-schaffung gesehen worden (Wein-gart 2001: 232ff.). Die Wissenschaft

Zehn Jahre PUSH und die Irrationalitäten öffentlicher Wissenschaft Die Öffentlichkeitsarbeit der Wissenschaft hat es in den zurückliegenden Jahren zu handwerklicher Exzellenz gebracht. Es fehlt allerdings häufig eine nachvollziehbare Strategie.

Von Markus Lehmkuhl

en oder die Schließung von Wissen-schaftsressorts. Die Diskussion über einen eventuellen neuen Namen der WPK läuft im Moment nur per E-Mail. Auch die könnte man transparenter führen.

Welche Rolle spielt das WPK-Quar-terly für Verbandsdebatten?

Das Quarterly verstehe ich als eine Zeitschrift, die nicht vom Vorstand, sondern von der Mitgliedschaft ge-staltet wird, von einem ehrenamt-lichen Redaktionsteam. Der Vor-stand unterstützt das, wo er kann. Im Quarterly können auch Vereins-themen vorkommen. Es ist ja nun mal die Zeitschrift der WPK. Wenn der Vorstand eine Themenidee hat, dann äußert er sie auch. Aber er setzt nicht die Themen. Er verwendet das Quarterly nicht zur Verlautbarung seiner Positionen. Dafür gibt es den Newsletter.

So ein Vereinsvorsitz ist viel Ar-beit. Warum tust Du Dir den Stress an?

Wir erleben wichtige Zeiten für

den Wissenschaftsjournalismus. Er

hat sich gut etabliert, ist aber trotz-dem gefährdet. Außerdem ist er immer noch ein bisschen auf der Suche nach sich selbst. Das spie-gelt sich auch im Verein wider. Mir macht es Spaß, mit zu diskutieren, in welche Richtung man gehen muss.

Und, in welche Richtung müssen wir? Müssen wir der Wissenschaft zu ihrem Platz verhelfen?

Es geht mir nicht so sehr darum, der Wissenschaft zu ihrem Platz zu verhelfen. Wichtiger ist, dass viele Themen, die öffentlich diskutiert werden, einen relevanten wissen-schaftlichen Hintergrund haben. Und ich sehe, dass viele Journalis-ten, die keine Wissenschaftsjourna-listen sind, vor solchen Themen zu-rückschrecken. Da braucht es uns.

Ist das eine Absage an die Popu-larisierung der Wissenschaft?

Das ist nicht unsere erste Aufga-be. Wir tun es oft, weil wir es den Leuten ja auch schmackhaft ma-chen müssen. Aber es ist nicht un-sere eigentliche Aufgabe.

Du würdest einen Experten auch nicht Deinen Text gegenlesen las-sen...

Nein. Schon gar nicht den ganzen Artikel schicken. Ich kann verstehen, wenn jemand eine Passage, die nur technisch ist, noch mal überprüfen lässt. Aber mehr nicht. Auch wenn viele das anders machen.

Wenn wir immer mehr von „Wis-senschaftsverstehern“ zu norma-len Journalisten werden, braucht es dann irgendwann gar kein Wis-senschaftsressort mehr?

Ich kann mir durchaus eine per-fekte Welt vorstellen, in der Wis-senschaft als Querschnittsthema in die ganze Zeitung diffundiert, so dass es kein eigenes Ressort mehr braucht. Dass also in allen Ressorts wissenschaftskompetente Leute sitzen. Aber das muss schon eine ziemlich perfekte Welt sein. Aus pragmatischen Gründen würde ich das nicht anstreben in der realen Welt.

Mit Alexander Mäder sprach Björn Schwentker.

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als spezialisiertes Teilsystem moder-ner Gesellschaften bedürfe Ressour-cen, die nicht ihr selbst entstamm-ten. Darüber hinaus verfüge sie über weitreichende Privilegien, die vom Lizensierungsrecht für Berufe bis hin zu grundgesetzlich verankerten Freiheitsrechten reichten. Dadurch entsteht ein Legitimationsbedarf, der sich auf das Außen der Wissen-schaft richtet, auf die Politik und die Wirtschaft, die über Privilegien und Ressourcen entscheiden. Aber auch auf die Bevölkerung oder, an-ders ausgedrückt, auf ein disperses Massenpublikum, dessen möglichst vorbehaltlose Akzeptanz und Wert-schätzung gegenüber der Wissen-schaft in demokratisch verfassten Gesellschaften mindestens den poli-tischen Entscheidungen den Boden bereiten. Darüber hinaus, so jeden-falls die Hoffnung, wirkt ein positi-ves Image innerhalb insbesondere junger Zielgruppen positiv auf die Wissenschaft zurück, die genügend Nachwuchskräfte benötigt. Genau dieser Mangel droht sich zum Bei-spiel in den Ingenieurwissenschaf-ten zu einem echten Problem auszu-wachsen. Flankiert und maßgeblich unterstützt wird die Relevanz der Öffentlichkeit für die Wissenschaft durch politische Instanzen, für die Wissenschaft und Technik Garanten der gesamtgesellschaftlichen Inno-vationskraft sind, deren Stärke in einer globalisierten Welt entschei-dende Konkurrenzvorteile bringt. Dieser Logik folgend ist Popularisie-rung wichtig für Akzeptanz, diese wiederum für Innovationskraft und wirtschaftliches Wachstum und da-mit für das Gemeinwohl.

Wenn als ein Movens der Wissen-schaftspopularisierung die Legiti-mationsbeschaffung angesprochen ist, muss hinzugefügt werden, dass durchaus andere Motive die Popula-risierung der Wissenschaft motiviert haben. Zu nennen ist insbesondere das der Aufklärung. Wissenschaftli-ches Wissen wird zur Erklärung der Welt an den Mann und die Frau zu bringen versucht, sicherlich nicht (mehr) allein in der von der Über-zeugung in die Höherwertigkeit wis-senschaftlichen Wissens getragenen Absicht, vormoderne Ansichten oder

Traditionen zu bekämpfen oder wis-senschaftliche Erklärungen gegen konkurrierende Weltbilder durchzu-setzen, sondern vielmehr auch in der Absicht, einem Massenpublikum die Zauberhaftigkeit der Welt vor Augen zu führen, die Resultate in den (Na-tur-)Wissenschaften fortgesetzt of-fenbaren, im übrigen ein Motiv, das als das Movens der Wissenschafts-popularisierung im 19. Jahrhundert ausgemacht worden ist (Daum 2002: 14). Dies dient keineswegs der Legi-timations- oder Akzeptanzbeschaf-fung. Der Aufklärungsanspruch der Wissenschaft hat vielmehr Akzep-tanz zur Voraussetzung. Jemand, der wissenschaftliche Erklärungen und Ansätze nicht akzeptiert, kann nicht aufgeklärt werden.

Diese Überlegungen vermögen zunächst grob zu plausibilisieren, warum sich Wissenschaft zu popu-larisieren sucht. Zur Rationalisierung konkreter, auf die Öffentlichkeit zie-lender Anstrengungen operiert sie mit Unterstellungen, die sich erstens auf die Ausgangslage beziehen und zweitens auf die Wirksamkeit der Öffentlichkeitsarbeit. In diesen Un-terstellungen offenbaren sich Ratio-nalitätsdefizite. Insbesondere Unter-stellungen der Wirksamkeit kommen – ganz unwissenschaftlich – trotz Evaluationen über den Status mehr oder minder plausibler Annahmen nicht hinaus, sie müssen im Prinzip geglaubt werden, um die Anstren-gungen zu legitimieren. Dazu zählt zum Beispiel die recht pauschale Unterstellung, Popularisierung för-dere die Akzeptanz. Angesichts der Forschungslage lässt sich sagen, dass diese Unterstellung als Rationa-lisierung der Anstrengungen nicht in Betracht kommt. Sie taugt allenfalls als Glaubensbekenntnis. Ebensogut kann man der Auffassung sein, Po-pularisierung schade der Akzeptanz der Wissenschaft.

Ähnlich verhält es sich mit Un-terstellungen, die sich auf die Aus-gangslage beziehen. Das gilt zum Beispiel für die Einschätzung, Wis-senschaft sei ganz generell öffentlich unterrepräsentiert oder/und falsch repräsentiert und dies sei mit Mitteln der Pressearbeit prinzipiell verände-

rungsfähig. In dieser Rationalisierung offenbart sich ein unterkomplexes Verständnis medialer Selektivität. Die Frage, wie viel Wissenschaft in der Öffentlichkeit genug ist, entzieht sich, so gestellt, jedem intellektuel-len Zugriff. Es ist offensichtlich, dass nicht entschieden werden kann, ob die Wissenschaft rein quantitativ angemessen in den Massenmedien repräsentiert ist. Sind, wie unlängst ermittelt (Leon 2008), durchschnitt-lich etwa zwei Prozent Wissenschaft in der ARD Tagesschau zu wenig?

Es ist wiederholt gezeigt worden, dass Massenmedien Wissenschaft hoch selektiv aufgreifen. Nicht jede wissenschaftliche Disziplin hat die-selben Chancen auf öffentliche The-matisierung, weil die weitaus meisten wissenschaftlichen Ereignisse für die breite Öffentlichkeit nicht relevant sind: Ergebnisse sind zu speziell, ihre Botschaft ist nicht eindeutig, die Er-kenntnisgewinnung lässt sich nicht als Abenteuer oder Entschlüsselung von Geheimnissen rekonstruieren oder als eine Reise zu den Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit, es lässt sich kein stichhaltiger gesell-schaftlicher Nutzen konstruieren, die Ergebnisse werfen keine ethisch-moralischen Fragen auf, es lässt sich kein Bezug zur alltäglichen Lebens-welt der Bevölkerung herstellen. All diese Faktoren begünstigen medi-ale Selektion von Wissenschaft, sie machen es unwahrscheinlich, dass bestimmte Wissenschaftsdisziplinen in der Öffentlichkeit überhaupt Be-achtung finden, weil sie keines der Auswahlkriterien von Massenmedi-en erfüllen.

Prinzipiell lassen sich die konkre-ten Selektionsentscheidungen der Massenmedien mit den traditionel-len Mitteln der Pressearbeit nicht entscheidend beeinflussen. Dafür fehlt es an jeglicher Evidenz. Dies ist nicht als ein Plädoyer misszuverste-hen, auf Pressearbeit zu verzichten, im Gegenteil. Pressearbeit ist eine Art conditio sine qua non für öffent-liche Aufmerksamkeit, d.h., ohne Pressearbeit ist massenmediale Re-konstruktion von Wissenschaft unter den gegenwärtigen Bedingungen gar nicht denkbar. Dies darf man

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aber nicht fehldeuten in dem Sinne, dass Auswahlentscheidungen der Massenmedien durch die Art und Weise beeinflussbar wären, wie man Wissenschaft im Einzelfall verkauft. Stattdessen ist es ein Plädoyer dafür, die auf die Massenmedien gerichte-ten Anstrengungen zu rationalisie-ren in dem Sinne, dass man diese von den irrationalen Erwartungen großer Resonanzerzeugung entlastet und sie stattdessen vornehmlich rationa-lisiert und legitimiert als Pflicht der Universitäten und Forschungsinsti-tutionen, der Öffentlichkeit Rechen-schaft abzulegen über das eigene Tun und ihr Expertise zur Verfügung zu stellen für gesellschaftlich rele-vante Fragen.

Dies lässt sich mit Blick auf die An-strengungen der Wissenschaft, die auf die Öffentlichkeit gerichtet sind, zuspitzen: Sie genügen noch nicht den Anforderungen, die an eine pro-fessionelle PR anzulegen sind. Sie hat zwar eine teilweise bemerkens-werte „handwerkliche“ Exzellenz erreicht, es mangelt ihr allerdings an strategischer Exzellenz. Die ei-gentlichen Probleme, auf die mit Öf-fentlichkeitsarbeit reagiert werden soll, sind im Regelfall nicht präzise genug bestimmt. Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, nicht hinreichend genau sagen zu können, was denn einzelne Anstrengungen überhaupt bewirken sollen. Die Schwäche öf-fentlicher Wissenschaft besteht in der Diffusität ihrer Problembeschrei-bungen und Wirkungsabsichten, kurz: in ihrer strategischen Ausrich-tung.

Veranschaulichen lässt sich das am Beispiel des DFG Science TV. Es han-delt sich um eine Art eigenen Fern-sehkanal im Internet, der, folgt man entsprechenden Hinweisen auf der Internetseite, insbesondere junge Menschen ansprechen soll. In klarer Anlehnung an die Rhetorik von eta-blierten Fernsehveranstaltern heißt es dort: „Für DFG Science TV berich-ten Wissenschaftler drei Monate re-gelmäßig über ihre Projekte in drei-minütigen Kurzfilmen. Sie erzählen vom Alltag - von Herausforderungen und Erfolgserlebnissen, aber auch von Hindernissen und Misserfolgen.

Für das Material der Filme haben die Forscher selbst Kamera geführt. Quer durch alle Wissenschaftsgebiete ent-stehen auf DFG Science TV zehn fil-mische Forschungstagebücher, die einen ganz persönlichen Einblick in die Welt der Forschung geben. Wis-senschaft wird sichtbar!“ Es handelt sich bei diesen Forschungstagebü-chern um die so genannte „zweite Staffel“. In der ersten „Staffel“ waren 2008 Filme entstanden, die sich, kon-zeptionell ähnlich, in ihrer Qualität von denen der bisher in der zweiten Staffel zu sehenden graduell unter-schieden.

Es liegen diesem Angebot augen-scheinlich zwei Annahmen zu Grun-de, die sich auf die Ausgangslage und die Wirksamkeit des Mediums bezie-hen. Wissenschaft muss hier sichtbar werden, weil sie andernorts, nämlich im Fernsehen, nicht oder unange-messen sichtbar wird. Wissenschaft soll junge Menschen erreichen, was das Fernsehen nicht schafft. Damit verknüpft ist die Hoffnung zu ver-muten, dass dieses Angebot insbe-sondere junge Menschen für die Wissenschaft einnimmt.

Dem muss man nun entgegen-halten, dass Deutschland im euro-päischen Vergleich über die weitaus meisten Sendeplätze für Wissen-schaft verfügt, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk vergleichsweise gut finanziert ist und dank vieler Ka-näle über reichlich Sendeplatz ver-fügt. Wenn man von der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen einmal absieht, gibt es keine speziellen An-gebote für die Gruppe der 18 – 29 Jährigen auf dem Markt. Es gelingt bislang außer einigen privaten An-geboten (Galileo, Galileo Mystery, Planetopia) keinem Wissensformat, diese Gruppe zu erreichen. Dies ist ein Befund, der für ganz Europa gilt. Junge Menschen schauen solche Sendungen eher nicht. Es gibt also auf keinen Fall wenig Wissenschaft im deutschen Fernsehen. Dass es die Gruppe der zwischen 18 und 29 Jährigen nicht erreicht, mag man beklagen. Aber wieso sollte der DFG mit Forschungstagebüchern gelingen, woran sich Fernsehmacher seit Jah-ren die Zähne ausbeißen?

Diese Initiative repräsentiert einen Irrweg einer Öffentlichkeitsarbeit, der es nicht primär um Rechenschaft und Dienstleistung gegenüber der Öffentlichkeit geht, sondern viel-mehr um öffentliche Resonanz in werbender Absicht. Sie steht keines-wegs allein, ähnliche Initiativen gibt es in den USA, auch die Europäische Kommission betätigt sich in der Rolle des Produzenten wissenschaftlicher Fernsehinhalte. Darüber hinaus zeugt sie von einem gewissen Widerwillen, auch nicht-intendierte, negative Ne-benfolgen in Rationalisierungsbe-mühungen des eigenen Tuns aufzu-nehmen.

Diese möglichen Nebenfolgen lassen sich zunächst ansiedeln auf der Ebene der Wirkung des kon-kreten Produktes. Wenn die DFG in ihrer Selbstbeschreibung darauf abhebt, hier werde Wissenschaft sichtbar, darf man durchaus fragen, was denn da sichtbar wird: Zuweilen wacklige Bilder, gemessen an pro-fessionellen Standards da und dort dilettantische Bildschnitte, eine dif-fuse Erzähltechnik, eine gezwunge-nermaßen Unidimensionalität der Perspektive, Wissenschaft auf dem Niveau eines besseren Homevideos oder eines schlechteren Werbefilms. Mindestens nicht von der Hand zu weisen ist die Gefahr, dass die al-lenfalls semiprofessionelle Form der Präsentation auf ihre wissenschaftli-chen Urheber ausstrahlt.

Die möglichen Nebenfolgen er-strecken sich darüber hinaus auf Re-flexionen, die sich auf die Legitimität von Versuchen richten, Massenme-dien zu umgehen. Es ist durchaus zweifelhaft, ob es zu den Aufgaben der DFG zählt, mit öffentlichen For-schungsgeldern TV Produktionen zu finanzieren, an deren Nützlichkeit geglaubt werden muss.

Die Öffentlichkeitsarbeit der Wissenschaft weist noch beträcht-liche Rationalitätsdefizite auf. Sie hat Schwierigkeiten, die eigenen, auf die Öffentlichkeit gerichteten Aktivitäten hinreichend zu plau-sibilisieren. Außerdem reflektiert sie zu wenig über negative Neben-folgen eigener Popularisierungs-

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Muss man nicht jede Initiative be-jubeln, die das Ziel hat, die Kom-munikation über Wissenschaft zu verbessern? Sind „Wissenschaft im Dialog“ und „Public Understanding of Science“ (PUSH) nicht Begriffe, die uns Wissenschaftsjournalisten allesamt glühende Begeisterungs-röte ins Gesicht treiben sollten? Schließlich verfolgen sie just jenes Ziel, dem auch unser Berufsstand dient: Wissenschaft verständlich zu machen und damit nicht nur zur Allgemeinbildung, sondern auch zur demokratischen Teilhabe bei-zutragen. Ist das nicht großartig?

Ich gestehe: Meine Begeisterung ist geteilt. Zehn Jahre, nachdem das legendäre PUSH-Memorandum von den deutschen Wissenschaftsorgani-sationen unterzeichnet wurde, zeigen sich nicht nur Licht-, sondern auch einige Schattenseiten des vermehr-ten Drangs nach Kommunikation. Vielleicht ist das zehnjährige Jubiläum der rechte Anlass, einmal über diese Ambivalenz nachzudenken.

Zunächst bleibt festzuhalten: Die PUSH-Initiative war ein lange fälliges Signal, ebenso wichtig war es, dass die Deutsche Forschungsgemein-schaft (DFG) 1999 den Communi-cator-Preis ins Leben gerufen hat, der seither jedes Jahr herausragen-de Wissenschaftskommunikatoren auszeichnet; damit hat die DFG un-missverständlich klar gestellt, dass sie die sogenannte „Popularisierung“

nicht nur für das Freizeitvergnügen emeritierter Professoren oder für die Spielwiese profilierungssüchtiger Schaumschläger hält – wie man un-ter deutschen Ordinarien lange Zeit meinte – sondern dass der Dialog mit der Öffentlichkeit ebenso wertvoll ist wie die Veröffentlichung eines neuen Nature- oder Science-papers.

Allerdings bleibt auch festzuhal-ten, dass die jährlich zelebrierten „Wissenschaftsjahre“ vor allem groß-angelegte PR-Shows sind. (Weshalb die Veranstaltungen längst nicht mehr den Forschern allein überlassen bleiben, sondern von Werbeagentu-ren wie Scholz & Friends vermarktet werden). Dem ursprünglich im PUSH-Memorandum angepeilten Ziel, die vielbeschworene Wissenschaftsskep-sis abzubauen und gerade auch bei umstrittenen Themen (gentechnisch veränderte Lebensmittel, Stamm-zellen, Impfkampagnen…) für mehr Verständnis und Vertrauen zu sorgen, dienen die Wissenschaftsjahre damit gerade nicht. Denn dazu müsste man die Ängste der Bürger in diesen Fällen auch aufgreifen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Doch das findet kaum statt. Zwar wird ständig der „Di-alog“ mit der Öffentlichkeit beschwo-ren; doch wie alle Evaluationen der Wissenschaftsjahre zeigen, sind die Forscher vor allem daran interessiert, ihr Wissen an den Mann und die Frau zu bringen – nicht jedoch daran, die Hoffnungen und Befürchtungen des Publikums kennen zu lernen. Forma-

te, die dies ermöglichten (wie etwa Bürgerkonferenzen), passen eben nicht ins PR-Konzept.

Dazu kommt eine forschungspoliti-sche Dimension, die die Wissenschaft zunehmend unter Spannung setzt: Die Einführung der Exzellenzinitiative hat auch dem naivsten Forscher klar gemacht, dass er in einem permanen-ten Konkurrenzkampf steht – nicht nur mit den eigenen Fachkollegen, sondern auch mit anderen Diszipli-nen sowie mit fremden Hochschulen, mit denen man um Exzellenzcluster und das begehrte Etikett „Elite“ kon-kurriert.

Auch aus diesem Grund entdecken immer mehr Forscher den Reiz der Öffentlichkeit. Was könnte die Bedeu-tung des eigenen Faches sowie der eigenen Person besser unterstreichen als ein großer Auftritt in den Medien? Manche Professoren veröffentlichen inzwischen mehr eigene Zeitungs-artikel als so mancher Journalist; an-dere sind so häufig auf Sendung – in Talkshows, als Interviewpartner oder als Eröffnungsredner – dass man sich ernsthaft fragen muss, wo sie eigent-lich noch die Zeit zum Forschen her-nehmen.

Selbst bei den Communicator-Preisträgern lassen sich ähnliche Tendenzen beobachten. So hat etwa der Astronom Harald Lesch, Preisträ-ger von 2005, mittlerweile die Seite gewechselt hat und leitet eine ei-gene Show im ZDF. Ebenso perfekt beherrscht die Sozialwissenschaftle-rin Jutta Allmendinger, Preisträgerin 2009, das Vermarktungsgeschäft: Eine großangelegte Studie zur Rolle der Frauen etwa publizierte sie zu-erst in der Brigitte, und eben nicht in

Der Schatten der PopularisierungWissenschaftler werden zu PR-Profis in eigener Sache. Das hat Folgen für unser Selbstverständnis

Von Ulrich Schnabel

bemühungen. Es ist zum Beispiel völlig unbekannt, wie das Publikum auf werbende Botschaften der Wis-senschaft reagiert, von der sie derlei Eigenwerbung nicht erwartet. Be-dingt durch die große Relevanz der Öffentlichkeit für die Wissenschaft, bergen diese Rationalitätsdefizite die Gefahr, Irrwege wie den der DFG zu beschreiten. Zehn weitere Jahre

PUSH wären eine Chance, beste-hende Professionalitätsdefizite zu beseitigen.

Literatur: Daum, Andreas W. 2002: Wissenschaftspopu-

larisierung im 19.Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und

die deutsche Öffentlichkeit, 1848-1914, Oldenbourg Verlag München.

León, Benvenido 2008: Science related infor-mation in European television:

a study of prime-time news. In: Public Understanding of Science,

Vol. 17, 443 – 460.

Weingart, Peter 2001: Die Stunde der Wahr-heit? Zum Verhältnis der Wissenschaft zu

Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissens-gesellschaft. Weilerswist.

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29III / 2009 WPK-Quarterly

zusammenzuarbeiten, die an Wis-senschaftsjournalismus und/oder Wissenschaftskommunikation inte-ressiert sind, insbesondere mit Blick auf die zukünftige Entwicklung die-ses Feldes.

Wer unterstützt Sie denn oder hat Sie dabei unterstützt, insbe-sondere finanziell?

Bisher gibt es niemanden außer mir selbst, der in dieses Projekt in-vestiert hat. Alles, was es bislang gibt, ist also persönliche Investition in Form von Arbeitszeit aber auch

einer wissenschaftlichen Fachzeit-schrift. Auch in anderen Medien ist Allmendinger enorm präsent und prägt dadurch die Debatte um die Gleichberechtigung der Geschlech-ter oder jene um die Bildungsmise-re nachhaltig. Doch dabei agiert sie eher als moderne Forschungsmana-gerin oder -politikerin, denn als klas-sische, rein erkenntnisgetriebene Wissenschaftlerin.

Solche Beispiele zeigen: Jene Ex-perten, die heute vor die Kamera oder vors Mikrofon treten, sind nicht mehr jene introvertierten Gestalten in ausgebeulten Cordhosen, die sich

Was ist das New Science Journa-lism Project?

Ganz praktisch ist es ein Online-Magazin, in dem angehende Wis-senschaftsjournalisten ihre Arbeiten publizieren können. Es ist ein Projekt, das insbesondere Studierenden im Bereich der Wissenschaftskommuni-kation nützlich sein soll. Es gibt sehr viele Studierenden-Magazine in die-sem Bereich an diversen Hochschu-len weltweit. Das Internet ermög-licht dies, daran ist im Prinzip nichts Schlechtes. Aber es frustriert mich, dass das Internet eine Unüberschau-barkeit durch die Vielzahl verursacht, so dass voneinander separierte Mili-eus entstehen. Das einzigartige die-ses Projektes besteht darin, dass es ein Forum schaffen soll für die Arbei-ten von Studierenden eines Feldes weltweit, so dass räumlich getrennte Gruppen von Leuten, die dasselbe machen, zusammenarbeiten können, um wirklich Neues zu entwickeln. Das ist die Theorie.

Wen wollen Sie mit dem Magazin erreichen?

Zuallererst Studierende oder Aus-zubildende in diesem Bereich. In zweiter Linie aber auch eine große Öffentlichkeit, die sich für Wissen-schaft interessiert.

Was hat Sie denn bewogen, dieses Projekt aus der Taufe zu heben?

Ich suchte nach einer Möglich-keit, meine Fähigkeiten in einem Projekt zu bündeln. Ich bin aus-gebildete Journalistin mit einem Schwerpunkt auf Web-Entwicklung und Graphik Design und habe so etwas wie eine Passion für die Wis-senschaft. Ich suchte nach einer Möglichkeit, meine Spezialisierung auf Journalismus im Internet für das Themenfeld Wissenschaft nutz-bar zu machen. Deshalb suchte ich an Universitäten in Australien, wo ich studiert habe, nach Kursen in Science Communication. Ich war daran interessiert, einen größeren wissenschaftlichen Hintergrund zu haben. So kam eins zum anderen. Das Science Journalism Project ist so etwas wie ein persönlicher Ver-such, mit Studierenden weltweit

Innovationen für den WissenschaftsjournalismusIn Freiburg hat die Australierin Alison F. Binney im Juni ein Online-Magazin gegründet, das seinen Namen zu Recht trägt: New Science Journalism Project. (http://www.newsciencejournalism.net/) Es soll zu einer Innovationswerkstatt für den Wissenschaftsjournalismus werden. Das Quarterly sprach mit ihr über die Chancen ihrer Idee.

nur der hehren Wahrheit verpflichtet fühlen; immer öfter sind die Wissen-schaftler inzwischen selbst PR-Profis, die für etwas werben – für ihre Hoch-schule, ihr Fachgebiet, für ihre Sicht der Dinge und nicht zuletzt für sich selbst. Anders gesagt: Der Wissen-schaftler in der Öffentlichkeit ist ein von Interessen getriebenes Wesen, genauso wie der Industriemanager oder die Politikerin.

Dass dies Folgen für unser jour-nalistisches Selbstverständnis hat, liegt auf der Hand. Die Vorstellung einer „wertneutralen“ Wissenschaft – schon immer ein Mythos – ist we-

niger gültig denn je. Ebenso gestrig ist die Ansicht, als Journalist sei man lediglich Sprachrohr oder Überset-zer von Wissenschaft. Wir sind eben nicht nur neutrale Berichterstatter, sondern zugleich Antreiber, Katalysa-toren und Verstärker eines – zum Teil recht harten – Konkurrenzkampfes um Aufmerksamkeit und Ressourcen innerhalb der Wissenschaft. Diese Tendenz mag man bedauern und beklagen – ignorieren können wir sie nicht. Und, ähnlich wie Politikjourna-listen, sollten wir auch nicht mehr der Illusion erliegen, dass wir uns selbst aus diesem Spiel herausnehmen könnten.

Alison Fay Binney hat das ambi-tionierte New Science Journalism Project im Juni gestartet. Es soll zu einer Innovationswerkstatt für den Wissenschaftsjournalismus werden.

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von Geld: Ich habe eine US-Web-firma beauftragt, die mich bei der Technik unterstützt hat. Oberste Priorität im Moment hat die Suche nach finanziellen Förderern des Projektes, damit es weitergehen kann.

Welches Geschäftsmodell verfol-gen Sie?

Das New Science Journalism Project versteht sich als ein unab-hängiges Online-Medium. Es soll sich durch Anzeigen tragen. Jeder Journalist oder Studierende, der in diesem Magazin veröffentlicht, soll einen kleinen Anteil der Werbeein-nahmen erhalten, wer zum Beispiel eine Spalte dieses Magazins füllt, wird an den gesamten Anzeigen-einnahmen für die Ausgabe in dem Umfang beteiligt, wie es einer Spal-te entspricht. Uns schwebt also ein transparentes System wechselnder Vergütung vor, das sich an den An-zeigeneinnahmen eines jeden Mo-nats orientiert. Was an Einnahmen reinkommt, geht als Bezahlung der Autoren wieder raus. Im Moment funktioniert das noch nicht. Es ist dieses Henne-Ei-Problem. Anzeigen gehen nur dort hin, wo attraktive Inhalte und eine Leserschaft ist, at-traktive Inhalte gehen nur dort hin, wo angemessen bezahlt wird. Wir müssen also das Magazin bekannt machen und suchen nach Finanzie-rungmöglichkeiten für eine Über-gangszeit, um dieses Geschäfts-modell auch umsetzen zu können. Denn bisher haben wir noch kein Einkommen erzielt aus dem Verkauf von Anzeigen.

Ich hätte erwartet, dass Sie eher die Ausbildungsinstitutionen im Blick haben, die für die Möglich-keit, dass ihre Studierenden bei Ihnen publizieren können, zah-len.

Wir müssen unterscheiden zwi-schen einem Finanzierungskonzept und einem, sagen wir, idealistischen Hintergrund dieses Projektes. Na-türlich ist es die Absicht, Universitä-ten und andere Ausbildungsinstitu-tionen an Bord zu holen. Wir wollen, dass Studierende die Möglichkeit

So sieht sie aus, die Seite des neuen Online-Magazins, das sich durch Anzei-gen zu finanzieren versucht.

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Das ist ein sehr ambitioniertes Vor-haben!

Oh ja, das ist es. Aber man findet nur heraus, ob es funktioniert, wenn man es versucht. Der Weltverband der Wissenschaftsjournalisten-Or-ganisationen hat einen Artikel über dieses Projekt veröffentlicht und es überwiegt die Skepsis. Ich muss ein-räumen, ich weiß wirklich nicht, was am Ende bei diesem Projekt heraus-kommt. Im Moment haben wir etwa 100 Leute, die für dieses Magazin arbeiten, die Berichte kommen über-wiegend aus Afrika, das illustriert zu-nächst, wo ein besonderer Bedarf an Publikationsmöglichkeiten besteht. Es ist möglich, dass diese Idee aufgeht in eine Kooperation mit dem Welt-verband der Wissenschaftsjournalis-ten. Aber wir sind am Anfang. Es gibt viele Richtungen, in die es sich ent-wickeln kann. Jemand aus München etwa hat mir vorgeschlagen, dieses Konzept nur mit deutschen Inhalten zu verfolgen. Das wäre so etwas wie ein Spin-off der ursprünglichen Idee. Wir haben dieses Magazin im Juni erstmals herausgebracht, ich hatte nicht erwartet, dass es über Nacht zu einem großen Erfolg werden würde. Aber wir haben jetzt den Prozess an-gestoßen, wie gesagt, ich weiß noch nicht, wohin der uns führt.

Mit Alison F. Binney sprach Markus Lehmkuhl

Mehr als eine halbe Million Ver-eine gibt es in Deutschland – ei-nem bin ich jetzt beigetreten. Weil ich meinen Beruf als ungeheures Privileg empfinde und mir gerne mit anderen Menschen Gedanken über seine Aufgaben und Grenzen machen will, über all das also, was allzu leicht untergeht bei meiner täglichen Arbeit als Pauschalist in der Wissenschaftsredaktion des Ta-gesspiegel und als Autor für die NZZ, das Handelsblatt und andere

Zeitungen. Weil ich meine Begeiste-rung für den Wissenschaftsjourna-lismus während meiner Schulzeit in England entdeckt habe, wo gerade die Naturwissenschaften einen viel höheren Stellenwert haben als in Deutschland. Weil ich glaube, dass wir daran nur als Gemeinschaft et-was ändern können. Und vor allem, weil ich nach meinem Studium der Molekularen Biomedizin in Bonn und meiner Ausbildung an der Ber-liner Journalistenschule viel mehr Fragen als Antworten parat habe und jede Menge Lust, darüber zu diskutieren und zu streiten.

Für alles andere gibt es ja noch eine halbe Million weitere Vereine.

erhalten, in einem professionell gestalteten Magazin zu veröffentli-chen. Es ist klar, dass es ein großer Kampf ist, in eines der Mainstream-Medien zu kommen, die Studenten haben keine Reputation und kaum Erfahrung. Darum ist mir daran ge-legen, die Ausbildungsinstitutio-nen dazu zu bewegen, unser Maga-zin bekannt zu machen und ihren Studenten Publikationen in diesem Magazin zu ermöglichen.

Gibt es denn überhaupt genug Ausbildungsinstitutionen, also auf Wissenschaftskommunikation in welcher Weise auch immer spe-zialisierte Einrichtungen, die das Modell mittragen könnten?

Wir sind nicht nur an einer Zu-sammenarbeit mit solchen Insti-tutionen interessiert, uns geht es auch um Möglichkeiten für Grafik-designer, Fotografen, auch TV-Clips können wir publizieren in unserem Onlinemagazin. Wissenschaft endet für mich nicht an der Schwelle zum Labor. Ich will dieses Magazin nut-zen als eine Art Werkstatt, in der die Zukunft des Wissenschaftsjourna-lismus gestaltet wird. Und da spie-len die künstlerisch ausgerichteten Fächer auch eine Rolle. Im Moment überwiegen zwar klassische Berich-te über Wissenschaft bei den Einrei-chungen. Aber darauf allein wollen wir nicht beschränkt sein.

Redaktion:Markus Lehmkuhl (V.i.s.d.P.), Antje Findeklee, Volker Stollorz, Claudia Ruby, Nicole Heißmann, Alexander Mäder und Björn Schwentker

Autoren:Claudia Ruby, Klaus Meier, Martin Schneider, Wilfried Bommert, Alexander Mäder, Nicole Heißmann, Franco Zotta,Holger Hettwer, Jakob Vicari,Björn Schwentker, Volker Stollorz, Markus Lehmkuhl, und Ulrich Schnabel

Layout und Design:www.gestaltika.de

Titelbild:www.gestaltika.de

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