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Der Hamburger Aufstand 1923 Am Vorabend der Erhebung Im Spätsommer 1923 war die Lage in Deutschland durch tiefe Klassenwidersprüche, durch einen sich immer mehr verschärfen- den Gegensatz zwischen Fortschritt und Reaktion gekennzeich- net. Die von den deutschen Monopolherren und der Wilhelm- Cuno-Regierung inszenierte Verelendungs- und Katastrophenpo- . litik löste bei den Volks massen allgemeine Unzufriedenheit aus. In diesem Prozeß wuchsen wichtige objektive Voraussetzungen zur. Formierung einer breiten Front allerantiimperialistischen und demokratischen Kräfte in der Weimarer Republik heran. Ausgehend von dieser Situation, konzentrierte die Kommuni- stische Partei Deutschlands 1923 ihre Anstrengungen darauf, die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten in Massenaktionen gegen .Imperialismus, Militarismus und den heraufkommenden Faschis- mus zu führen. poch die rasch wechselnden komplizierten Klas- senkampfbedingungen erschwerten die Bemühungen der KPD. . Der um imperialistische Vormacht- und Profitinteressen auf dem Rücken des deutschen und französischen Volkes seit Januar 1'923 ausgetragene »Huhrkampf« bedrohte ernsthaft den Frieden in Europa und trug dazu bei, die Lage breitester Volks schichten ,in Deutschland rapid zu verschlechtern. Angesichts der Beset- zung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen, wandte sich die Vorhut der revolutionären Arbeiterklasse ent- . schlossen gegen den sich verschärfenden reaktionären Kurs des deutschen und französischen Imperialismus. Mit dem Kampf um die Eindämmung der von der deutschen Großbourgeoisie hoch- gepeitschten chauvinistischen Welle, deren Ziel es war, von den inneren sozialen Mißständen abzulenken, mußte zugleich der

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Der Hamburger Aufstand 1923

Am Vorabend der Erhebung

Im Spätsommer 1923 war die Lage in Deutschland durch tiefeKlassenwidersprüche, durch einen sich immer mehr verschärfen-den Gegensatz zwischen Fortschritt und Reaktion gekennzeich-net. Die von den deutschen Monopolherren und der Wilhelm-Cuno-Regierung inszenierte Verelendungs- und Katastrophenpo- .litik löste bei den Volks massen allgemeine Unzufriedenheit aus.In diesem Prozeß wuchsen wichtige objektive Voraussetzungenzur. Formierung einer breiten Front allerantiimperialistischenund demokratischen Kräfte in der Weimarer Republik heran.

Ausgehend von dieser Situation, konzentrierte die Kommuni-stische Partei Deutschlands 1923 ihre Anstrengungen darauf, dieArbeiterklasse und ihre Verbündeten in Massenaktionen gegen.Imperialismus, Militarismus und den heraufkommenden Faschis-mus zu führen. poch die rasch wechselnden komplizierten Klas-senkampfbedingungen erschwerten die Bemühungen der KPD.. Der um imperialistische Vormacht- und Profitinteressen auf

dem Rücken des deutschen und französischen Volkes seit Januar1'923 ausgetragene »Huhrkampf« bedrohte ernsthaft den Friedenin Europa und trug dazu bei, die Lage breitester Volks schichten

,in Deutschland rapid zu verschlechtern. Angesichts der Beset-zung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen,wandte sich die Vorhut der revolutionären Arbeiterklasse ent-

. schlossen gegen den sich verschärfenden reaktionären Kurs desdeutschen und französischen Imperialismus. Mit dem Kampf umdie Eindämmung der von der deutschen Großbourgeoisie hoch-gepeitschten chauvinistischen Welle, deren Ziel es war, von deninneren sozialen Mißständen abzulenken, mußte zugleich der

beiderseits imperialistische Charakter des Ruhrkonflikts aufge-deekt werden. Ein Beitrag dazu war die am 22. Januar herausge-gebene Losung »Schlagt Poincare und Cuno an der Ruhr und ander Spree«. Sie war Quintessenz der Essener Konferenz (6.17.Ja-nuar 1923), einer Zusammenkunft von Vertretern Kornmunisti-scher Parteien Belgiens, Deutschlands, Frankreichs, Großbritan-niens, Italiens, der Niederlande und der Tschechoslowakei, diebeschlossen hatten, gemeinsam gegen das französische und deut-sche Finanzkapital aufzutreten.

Wie der friedensgefährdenden, krisenhaften Entwicklung ener-gisch Halt geboten werden konnte, zeigte allein die KPD. Ihr8. Parteitag, der vom 28. Januar bis zum 1.Februar 1923 in Leipzigtagte, folgte den Beschlüssen und Empfehlungen des IV. Kongres-ses der Kommunistischen Internationale von Ende 1922.· Aufdem Parteitag wurde beschlossen, die Einheitsfrontpolitik undden Kampf um die Bildung einer Arbeiterregierung fortzusetzen.Das wurde als notwendiger Schritt betrachtet, die Massen an dasRingen um die Macht heranzuführen. Damit unterbreitete dieKPD ein konstruktives Programm für ein friedliches, demokrati-sches Deutschland, das eng mit der Sowjetunion verbunden seinsollte. '

Erneut erwiesen sich die Kommunisten als echte Sachwalterder Belange des deutschen Volkes. Ihr konsequenter Einsatz zurVerhinderung eines konterrevolutionären Auswegs aus der Kriseberücksichtigte gleichzeitig, daß eine Situation heranreifenkönnte, in der die Arbeiterklasse selbst in Kämpfe um die schritt-weise Lösung der Machtfrage in Deutschland einzutreten hatte.Gestützt auf die Erfahrungen der Klassenauseinandersetzungenseit 1918, insbesondere der bewaffneten Abwehrkämpfe, galt es,die Anwendung revolutionärer Gewalt richtig in die Politik undStrategie einzuordnen. Deshalb sah der 8. Parteitag der KPD vor,Arbeiterwehren zur Verhinderung militaristisch-faschistischer An-schläge zu schaffen.

Die Inflation, hervorgegangen aus den Widersprüchen der ka-pitalistischen Produktionsverhältnisse und aus den Folgen derKriegs- und nachfolgenden Krisenwirtschaft, war in Deutschlandim Sommer 1923 ausgeufert. Produktionsrückgang, Brachliegenökonomischer Kapazitäten und Preisanstieg zu schwindelndenHöhen ließen von Tag zu Tag das Existenzniveau in Stadt und

Land weiter absinken. Von der grassierenden Geldentwertungwurden all diejenigen betroffen, die von Lohn, Gehalt, Rente, Er-werbslosenhilfe oder anderen kärglichen Einkommen leben muß- •ten, also die große Mehrheit der Bevölkerung. überall nahmenArbeitslosigkeit und Kurzarbeit zu. Zehntausende Angehörigeder Mittelschichte'n wurden ruiniert. r

Während die Bevölkerungsmehrheit Armut, Entbehrung undHunger litt, konnte die deutsche Monopolbourgeoisie durch dieInflation ihr Kapital sprunghaft vergrößern. Hugo Stinnes, der da-mals mächtigste unter den Konzernherren, vermehrte sein Ver-mögen von einer auf drei Milliarden Goldmark, die er in wertbe-ständigem Besitz anlegte. Zu seinem Wirtschaftsimperiumgehörten 1 200 verschiedene Großunternehmen.

Lohn- und Streikkämpfe Hunderttausender von Arbeitern imRuhrgebiet, in Oberschlesien, in Berlin, im Zwickauer und Oels-nitz-Lugauer Kohlenrevier, einLandarbeiterstreik, der sich überweite Teile Deutschlands erstreckte, zeugten im Frühjahr undSommer 1923 vom zunehmenden Kampfwillen des deutschenProletariats. Aber auch Angestellte, Beamte, Angehörige des städ-tischen Mittelstandes u~d Kleinbauern gerieten, getrieben vonder. schwierigen materiellen Lage, in Bewegung. Ihre Erbitterungfand Niederschlag in spontanen Protestkundgebungen und Hun-gerunruhen ..

Von großer Ausstrahlung war der von der KPD und der Voll-versammlung der Berliner Betriebsräte am 11.August 1923 initi-ierte Generalstreik, an dem auch Werktätige in anderen TeilenDeutschlands teilnahmen. Zu ihnen gehörten die Hamburger Werft-arbeiter, die bereits am 9. und 10. August einen mehrtägigenStreik begonnen hatten. Am 11.August appellierte die »Hambur-ger Volkszeitung«, in deren Redaktion Ernst Thälmann verant-

. wortlieh tätig war, für die Einsetzung eines Arbeitersenats und

. forderte darüber hinaus, für die Bildung einer Arbeiter-und-Bau-ern-Regierung Deutschlands zu kämpferi.

~ls Ergebnis dieses Massenstreiks wurde die reaktionäreCuno-Regierung gestürzt. Doch bereits am 13.August 1923 kon-stituierte sich unter Reichskanzler Gustav Stresemann, führenderRepräsentant der großbourgeoisen Deutschen Volkspartei, dasneue Reichskabinett. Die Regierung der Großen Koalition, dervier rechtssozialdemokratische Minister angehörten, verkündete,

mit den Notständen in Deutschland Schluß machen zu wollen.Aufkommende Illusionen, daß mit der Regierungsbeteiligung derVSPD (1922-1924 Bezeichnung der sozialdemokratischen Par-

. tei: Vereinigte Sozialdemokratische Partei Deutschlands) die Ar-beiterbelange besser vertreten würden, spalteten die Streikfrontauf. Der Generalstreik wurde nach drei Tagen beendet, noch eheweitergehende demokratische Forderungen wie die Bildung einerArbeiter-und-Bauer-Regierung, die Beschlagnahme der Lebens-.mittel zur Sicherung der Ernährung oder die Aufhebung arbeiter-feindlicher Verbote verwirklicht werden konnten.

Der Stresemann-Regierung gelang es zwar, den ersten An-sturm des kampfbereiten Proletariats abzufangen. Aber wie die

. kommenden Ereignisse zeigten, war sie nicht in der Lage, dieVerhältnisse grundsätzlich zu ändern. Die Ursacben für die fort-wirkende Verelendung der. Volksmassen blieben weiter bestehen.

Entsprach 1914 der Goldmark eine Papiermark in Deutsch-land, so kletterte die Fieberkurve für eine Goldmark 1923 hek-tisch an und betrug am

8. August 1000000 Papiermark7. September 10000 000 Papiermark3. Oktober 100 000 000 Papiermark

11. Oktober 1000 000 000 Papiermark22. Oktober 10000000000 Papiermark3. November 100000 000 000 Papiermark

20. November 1000000000000 PapiermarkNach dem Sturz des Cuno-Kabinetts entwickelte sich in

Deutschland eine revolutionäre Krise. Doch standen ihr im Herbst1923 eine Anzahl einschränkender Faktoren gegenüber. Letztereergaben sich aus der Tatsache, daß die Mehrheit der Arbeiter-klasse noch, immer der opportunistischen Koalitionspolitik dersozialdemokratischen Führer vertraute, die herrschende Klasseüber einen gutfunktionierenden militärischen Machtapparat ver-.fügte und durch das internationale Finanzkapital starke. Unter- 'stützung erhielt.

Über den Inhalt und das Tempo der Veränderung der bisheri-gen Herrschaftsmethoden gab es in der deutschen Bourgeoisieunterschiedliche Auffassungen. Einig war sie sich darin, die Kri-sensituationauf Kosten der Werktätigen zu lösen. Bestrebungen,die Arbeiterklasse mittels offener Gewalt niederzuwerfen, erhiel-

ten Vorrang. Wie immer in zugespitzten Krisenzeiten waren vorallem die führenden Militärs .bemüht, die Bürgerkriegsvorberei-tungen voranzutreiben und allseitig abzusichern.

Einflußreiche Reichswehrkräfte schalteten sich jetzt unmittel-bar in die politischen Überlegungen der herrschenden Klasse ein.Ihre Lagebeurteilung gipfelte in der Feststellung des Chefs derHeeresleitung, General der Infanterie Hans von Seeckt, vom10. September 1923: »Wir stehen vor der größten Krise, die dasReich bisher durchgemacht, hat.« Seiner Überzeugung nachkönne nur durch »die unbedingte und rücksichtslose Aufrechter-haltung der Staatsautorität diese Krise überwunden werden«,Keinerlei Zweifel-ließ er daran, daß dabei die Streitkräfte voll ge-fordert würden und demzufolge die Truppenkommandeure ver-pflichtet seien, skrupellos einzugreifen: »Ein Militärbefehlshaber,der seinen Auftrag deshalb nicht ausführt, weil er sich scheut,von der Schußwaffe Gebrauch zu machen, wird zur Verantwor-tung gezogen werden.« Nicht zufällig erinnerte Seeckt an die Er-fahrungen der »Revolutionskämpfe«, deren wichtigste nach sei-ner Meinung die folgende war: »Eine Gruppe, die schießt, löstdie schwierigsten Aufgaben! Ein Bataillon, das Gewehr bei Fußdasteht, ist hilflos.«

Die Reichswehrführung erblickte im Einsatz der. bewaffnetenGewalt das letzte Mittel, um die Existenz der monopolkapitalisti-schen Herrschaftsverhältnisse in Deutschland aufrechtzuerhalten.Sie nahm in aller Offenheit Kurs auf die gewaltsame Auseinan-dersetzung mit der revolutionären Arbeiterbewegung.· Die unein-geschränkte Möglichkeit, die staatlichen Repressivorgane für diegenannten Zwecke einsetzen zu können, war aus militärpoliti-scher Sicht einer der wichtigsten Faktoren, der einer Ausweitungder revolutionären. Krise in Deutschland entgegenwirkte,

Ähnliche Vorbereitungen wie die Reichswehrführung trafenauch Länderregierungen wie die in Hamburg. Da diesen nur Poli-zeikräfte unterstanden, leiteten sie zur anvisierten Niederschla-gung <der Arbeiter Schritte ein, die das Zusammenwirken mitReichswehrdienststellen .ermöglichen sollten.

Gestützt auf den Notstandsartikel 48 der Weimarer Verfas-sung, verhängte Reichspräsident Friedrich Ebert am 26. Septem-ber 1923 den militärischen Ausnahmezustand über ganzDeutschland. Damit wurde der Reichs~ehrministerOttoGeßler

betraut, der die Wehrkreisbefehlshaber mit der Ausübung dervollziehenden Gewalt beauftragte. Gleichzeitig wurde der »pas-sive Widerstclnd« an Rhein und Ruhr aufgegeben, um die militäri-schen und- polizeilichen Repressivorgane auf innere Unterdrük-kungsaufgaben konzentrieren zu können. Der Abbruch warweder Selbstzweck noch Friedenswerk, wie es imperialistischeMeinungsmacher behaupteten. Er verfolgte eindeutig das Ziel,der revolutionären Entwicklung entgegenzuwirken.

Während das Stresemann-Kabinett zwischen den Fraktionendes Finanzkapitals lavierte und nach Kompromissen suchte, umdie proletarischen Massenbewegungen niederzuringen, den Raub,wichtiger Arbeiterrechte durchzusetzen und die Währung zukonsolidieren, wurden' zur gleichen Zeit extreme Kräfte der deut-schen Reaktion aktiv, die eine völlige Beseitigung der bürgerlich-parlamentarischen Republik anstrebten. So putschten' Teile der»Schwarzen Reichswehr« unter Major a. D. Bruno-Emst Buch-rucker am 1.Oktober 1923 in Küstrin. Doch ihr übereiltes Vor-prellen störte das militaristische Konzept der Hauptstoßrichtunggegen Sachsen und ThüringeuEs mußte von der Reichswehr sel-ber abgestoppt werden.

Ein weiteres militaristisch-faschistisches Zentrum war Bayern.Hier erhob besonders die Nazipartei, gefördert vom Finanzkapi-tal , und von der Reichswehr, Diktaturforderungen im Stile desitalienischen Faschismus, der im Oktober 1922 mit dem soge-nannten Marsch auf Rom seine offen terroristische Herrschaft er-richtet hatte. Obgleich die NSDAP in Deutschland noch nicht zurHauptpartei der herrschenden Klasse geworden war, plante sievon München aus den »Marsch nach Norden« und bedrohte zu-sammen mit paramilitärischen Vereinigungen die .elementarstenbürgerlich-demokratischen Rechte.

Ausgehend von den konkreten Klassenkampfbedingungen iQ1 ,Herbst 1923, die gekennzeichnet waren vom Streben der Reak-tion, mit Streitkräften, Polizei und paramilitärisch eh Organisatio-nen das Proletariat zu unterwerfen, mußte die KPD entschiede-nere Formen des Klassenkampfes ins Kalkül ziehen. Sie hatte

. sich auch auf bewaffnete Kämpfe einzustellen und dazuprakti-s~he Vorbereitungen zu treffen. Alles zu tun, um die erforderli-che Kampfbereitschaft, militärische Organisation, Führung, Aus-bildung und Bewaffnung möglichst breiter Massen herzustellen,

~rde zum dringenden Gebot proletarischer Militärpolitik. Umder reaktionären'. Gewaltanwendung wirksamen Widerstand zuleisten, stand . die KPD vor der Aufgabe, die Vielfalt künftigerKämpfe zu erfassen und sich auf die verschiedensten VarianteneinzustelleuDas stellte höchste Anforderungen an den Reifegradder Partei.

Durch die sich seit dem Frühjahr 1923, entwickelnden proleta-rischen Hundertschaften sowie durch den Aufbau von Ordner-diensten in der KPD wurde bis Oktober in Deutschland eineStärke von etwa 133000 Kämpfern erreicht. Ein bedeutenderProzentsatz der proletarischen Hundertschaften trug Einheits-frontcharakter, ihre Zentren lagen in Sachsen und Thüringen. ImBezirk Wasserkante, zu dem Harnburg gehörte, .existiertenKampfgruppen des Ordnerdienstes der KPD. In Gebieten wie Ba-den, Bayern, Mittelrhein, Niedersachsen, Oberschlesien undPommern gab es nur erste Anfänge fortschrittlicher Wehrorgani-sationen. Hier wirkte sich das Verbot der Arbeiterwehren vom12. Mai 1923 in Preußen, dem außer Sachsen und Thüringenalle deutschen Länderregierungen gefolgt waren, besonders hem-mend aus.

Anfang Oktober 1923 gliederte die KPD ihre Führungsorganefür die sich abzeichnenden Klassenauseinandersetzungen um.Die bereits seit August tätigen politisch-militärischen und militä-

«risch-organisatorischen Führungskader wurden einer zentralenLeitung unterstellt, die sich Revolutionskomitee nannte. Letzteresumfaßte Organe zur Planung, Organisation, Bewaffnung und Ver-sorgung der Arbeiterformationen. zur speziellen Militärpropa-ganda, Nachrichtengewinnung und Informationsleistung. Bei den.Oberbezirks- und Bezirksleitungen der KPD entstanden Kampf-stäbe, die für di~:,.r~gionalen und lokaler Kampfvorbereitungenverantwortlich zef&'liirieten.

Außerordentlich komplizierte Fragen ergaben sich aus derWaffenbeschaffung für die revolutionären Arbeiter. Unb.edingt er-forderlich waren dabei initiativreiches Handeln, Tatkraft undkonspiratives Verhalten, denn nur ein geringer Teil konnte durchAnkauf erworben oder illegalen Waffenverstecken entnommenwerden. Am günstigsten war· die Lage in Thüringen. Hier botendie Produktionsstätten für Handfeuerwaffen bessere Möglichkei-ten, Waffen zu beschaffen und sie über weite Strecken trotz ver-

schärfter Polizeikontrollen an ihre Bestimmungsorte zu bringen.Bei den Waffentransporten bewährten sich besonders die Jung-komrnunisten. Schätzungsweise betrug der Waffenbestand der.Arbeiter Ende Oktober 1923 nicht mehr als 11 000 Gewehreund etwa 15 000 Pistolen oder Revolver, die aufgesplittert überganz Deutschland verteilt und gelagert waren.

Führende Funktionäre der KPD um Heinrich Brandler undAugust Thalheimer, die den Blick einseitig auf die Linksentwick-lung in Sachsen und Thüringen gerichtet hatten, überschätzten dieKampfkraft der Hundertschaften wie die Kampfbereitschaft derwerktätigen Massen überhaupt. Zu einer Zeit, da die Bewaffnungder revolutionären Arbeitet noch in der Anfangsphase begriffenwar, erklärte der Vorsitzende der KPD, Heinrich Brandler, dieMachteroberung in Deutschland sei »keine sehr schwierige undeine durchaus durchführbare Aufgabe«. Er hielt das durch

'Wunschvorstellungen geprägte Bild von der Vorbereitung derPartei auf den bewaffneten Kampf auch auf der Beratung desExekutivkomitees der Kommunistischen Internationale mit Ver-tretern einiger kommunistischer Parteien (Deutschland, Frank-reich, Tschechoslowakei, Sowjetunion) im September 1923 auf-recht.

Ihm widersprach Ernst Thälmann und hob hervor, daß Brand-lers Bericht nicht der realen Analyse der Lage und des Kräftever-hältnisses im ganzen Lande entspreche, sondern nur auf einerEinschätzung der Situation in Sachsen und Thüringen beruhe, dadort die Einheitsfront der Arbeiter am weitesten gediehen sei.A~ch Hugo Eberlein trat den Übertreibungen Heinrich Brandlersentgegen. Er brachte zum Ausdruck, hier werde der Wunsch fürdie Wirklichkeit ausgegeben. Die Auffassung, die Arbeiter in grö-ßerem Umfang innerhalb der bestehenden kapitalistischen Ord-nung bewaffnen zu können, erwies sich als Trugschluß.

Auf der Beratung des Exekutivkomitees der KommunistischenInternationale in Moskau mit Funktionären aus mehreren Län-dern blieben die Einwände Ernst Thälmanns und Hugo Eber-leins unberücksichtigt. Unrealistische Vorstellungen setzten sichdurch. So konnte es dazu kommen,:daß der Reifegrad der revolu-tionären Entwicklung in Deutschland überbewertet wurde.

Erstmals. in der deutschen Geschichte entstanden am 10. Okto-ber 1923 in Sachsen und am 16. Oktober in Thüringen Arbeiter-

regierungen, die sich aus Sozialdemokraten und Kommunistenzusammensetzten. Der Eintritt der Kommunisten in diese Regie-rungen erhöhte die proletarischen Erwartungen an die Forcie-rung der Kampfvorbereitungen. Basierte die Bildung der Arbeiter-regierungen doch nicht zuletzt auf dem Umstand, daß bereitseine beachtliche Zahl von Arbeitern zu v.erschärften Kämpfen be-reit und formiert war. Hoffnungen der KPD, hierdurch das Fun-dament für proletarische Einheitsfrontformationen zu erweitern,die Polizei dieser Länder in ein Instrument der Arbeiterklasseumzugestalten und 50000 bis 60000 Proletarier zu bewaffnen,erfüllten sich nicht. Einmal verfügten diese Länder über keinewesentlichen Waffenreserven, und ihre kasernierten' Schutzpoli-zeieinheiten überstiegen kaum 6 000 Mann. Hinzu kam, daß mitden linkssozialdemokratischen Regierungspartnern über Schrittezur Bewaffnung und Formierung der Arbeiter sowie zur Umge-staltung der Polizei kein Einvernehmen erzielt werden konnte.Statt dessen befolgten diese mehr oder minder willig die Weisun-gen der Militärbefehlshaber, die in' Sachsen und Thüringen denmilitärischen Ausnahmezustand wahrnahmen, Verbote gegen Ar-beiterformationen erließen und sich die Polizeikräfte .unterstell-ten. Trotz dieser Inkonsequenzen besaß die Arbeiterregierungweiter die Unterstützung der Massen, so daß die Werktätigenzu ihrer Verteidigung aufgerufen werden konnten, als die Militari-sten Ende Oktober bzw. Anfang November 1923 darangingen,diese. verfassungsmäßigen Regierungen mit Truppenaufgebotenz~ liquidieren. Bereits am 11. September 1923 hatte der Kon-zerngewaltige Hugo Stinnes Reichskanzler Gustav Stresemannpersönlich aufgefordert: »Sachsen und Thüringen (sind ~ dieVerf.) zu exekutieren. Kein Tag darf verlorengehen.«

Die in der zweiten Hälfte des Monats Oktober eine Reichsexe-kution -androhenden Truppenbewegungen nach und in Sachsenveranlaßten die Zentrale der KPD, daraus Schlußfolgerungen ab-zuleiten. Am 20. Oktober wurde beschlossen, nicht, wie ursprüng-lieh vorgesehen, erst am 9. November 1923, sondern bereits aufeiner Konferenz der sächsischen Landesregierung mit Vertreternder Arbeiter, die am 21. Oktober in Chemnitz stattfinden sollte,den- Generalstreik der gesamten deutschen Arbeiterklasse erklä-ren zu lassen. Die bewaffneten Kämpfe um die Macht sollten ausdem Generalstreik erwachsen, im Freistaat Sachsen, im Regie-

rungsbezirk Halle- Merseburg und zur Entlastung zugleich inden KPD-Bezirken Wasserkante und in Mecklenburg ausgelöstwerden. Als Kurier begab sich das Mitglied der Zentrale, .Her-mann Remmele, nach Norddeutschland, wo er am Abend des21. Oktober Ernst Thälmann und anderen Hamburger Funktionä-ren den Beschluß der Parteizentrale überbrachte, am 23. Oktoberzum bewaffneten Aufstand überzugehen.

Wie in vielen Teilen Deutschlands so hatten auch in seinergrößten Hafenmetropole die Erbitterung über das Massenelend,E~erbslosendemonstrationen und Lebensmittelkrawalle der not- ,leidenden Bevölkerung an Umfang und Schärfe zugenommen. InHamburg, einem Zentrum des deutschen Industrieproletariats.verlief dieser Prozeß besonders stürmisch.

Zielstrebig trat die Hamburger KPD-Stadtorganisation mitErnst Thälmann an der Spitze für die Lebensinteressen derWerktätigen ein, kämpfte sie um die rasche Beendigung der im-mer unerträglicher werdenden Verhältnisse in der Hansestadt.Dagegen waren der dortige VSPD-Vorstand sowie rechte Gewerk-schaftsführer darum bemüht, »Ruhe und Ordnung« zu bewahren,den Kampfwillen des Proletariats einzudämmen und einen Gene-ralstreik nicht zuzulassen. Maßgebliche VSPD-Politiker bekleide-ten in Hamburg Regierungsposten und unterhielten zur BerlinerVSPD-Führung enge Kontakte. Reformistisch eingestellt, lehnten

. sie alle kommunistischen Angebote zum gemeinsamen Kampf ab.Zu den wichtigsten Städten Deutschlands zählend, gründete

sich die Bedeutung Hamburgs damals wie heute vor allem aufHandel, Hafen und Schiffahrt. Die Freie und Hansestadt mit Se-nat (Regierung) und Bürgerschaft (Parlament); in der die VSPDdie Mehrzahl der Mandate besaß, breitete sich Anfang der zwan-ziger Jahre auf einer Gesamtfläche von 415 Quadratkilometernaus und hatte knapp über eine Million Einwohner. 110 Kilome-ter von der Elbmündung in die Nordsee entfernt, erfaßte diezweitgrößte deutsche Stadt ein riesiges industrielles Ballungsge-biet. .

Hamburg war das nach allen Kontinenten geöffnete Tor desdeutschen Handels. Den städtischen 'Wirtschafts- und Industrie-charakter bestimmten Schiffbau und Schiffsverkehr, Eisen- undBuntmetallurgie sowie Umschlag und Aufbereitung von Handels-gütern aus aller Welt. Zu den größten Heedereien gehörte die

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Hamburg 1923

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HAPAG .(Hamburg-Amerikanische-Packetfahrt~Actien-Gesell-schalt): Im April 1923 lief der Dampfer »Deutschlande vom Sta-pel. Im Juni folgte die Indienststellung des HAPAG-Flaggschiffes, .der »Alhert Ballin«, mit 20815 Bruttoregistertonnen. Trotz derFertigstellung dieser für die Überseelinien bestimmten Luxus-dampfer stiegen die Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit im Hafenund in den Werften weiter an.

Die großflächige Hafenstadt bildete - ähnlich wie auch in derGegenwart - verkehrsmäßig einen zentralen Knotenpunkt,Eisenbahnbetrieb, Stadtverkehr und Flugtransport gestatten ausjeder Richtung einen schnellen Zu- und Abgang. Dicht nebenein-ander durchziehen verschiedene Wasserstraßen das Stadtprofil.die Binnen- und Außenalster trennt die östlichen von den westli-chen Stadtteilen. Südlich der Stadt gelegen, befindet sich an derin zwei flußarme (Norder- und Süderelbe) geteilten Untereibeder Hafen mit seinen industriellen Anl~en, Docks, Hafenbeckenund Umschlagplätzen. Elbbrücken und ein Unterwassertunnelverbinden das Hafengebiet npt der Innenstadt. Wichtjge Ver-kehrs strecken beginnen, durch'queren oder enden hier. Eine städ-tische Hoch- und Untergrundbahn verläuft auf einer Ringlinieauch durch Außenbezirke. Vom Flugplatz Hamburg-Fuhlsbüttelim Norden starteten 1923 Zivilflugzeuge zur Luftbeobachtungder einzelnen Aufstandsräume.

Typische Arbeiterviertel lagen in den östlichen und nördlichenAußenbezirken der Stadt. 42 000 Menschen hausten in Elends-quartieren; Kellern und Mansarden. Orte wie Sehiffbek (heuteBillstedt), Wandsbek und Altona, in denen die Arbeiter zu denWaffen griffen, gehörten, obgleich nicht weit von den Stadtgren-zen entfernt, 1923 noch nicht zu Hamburg.

Gemäß der Hamburger Verfassung vom 7. Januar 1921 um-faßte die Bürgerschaft 160 Deputierte. Die VSPD hatte 67, dieKPD 17 Mandate inne. VSPD und Deutsche Demokratische Par-tei bildeten zusammen die bürgerliche Regierung, den Senat.

1923 war die Stadt ohne Heichswehrgamison. UnmittelbareMilitäroberhoheit war dem Wehrkreisbefehlshaber II in Stettinübertragen. Bedingt durch die Truppenkonzentrationen in undum Sachsen, waren Truppenteile und Einheiten aus diesemWehrkreis ab Mitte Oktober dorthin verlegt worden. Deshalbführte die Reichsmarine, deren Stationskommando Nordsee in

Wilhelmshaven disloziert war, während der Ahkommandierungs-dauer der Heereskräfte militärische Sicherungsaufgaben im Kü-stenbereich durch.

IJ;lHamburg gab es verschiedene polizeiliche Repressivorgane.Die aus 8 000 Mann bestehende »Drdnungspolizei« gliedertesich in: Ordnungspolizei .Landschutz, Ordnungspolizei Hafen-schutz, Ordnungspolizei Aufsichtsdienst und OrdnungspolizeiHafen- und Schiffahrtspolizei.

Die Hauptmasse gehörte der »Ordnungspolizei Landschutz« an.Rund ein Drittel dieser Polizeiangehörigen war kaserniert und bil-dete eine für innere Unterdrückungszwecke bestimmte Elitefor-mation. Letztere war im Herbst 1923 schon mehrmals bewaffnetgegen demonstrierende Werktätige eingeschritten, die die Ver-elendungs- und Katastrophenpolitik der herrschenden Klasse ver-urteilten. Der Waffenbestand der Hamburger Polizei belief sichauf 2667 Gewehre, 8000 Pistolen, 400 Maschinenpistolen und8 000 blanke Waffen. .

Zu den kasernierten 4 Polizeiabteilungen zählte eine »Sonder-wagenbereitschaft«, bestehend aus 6 Panzerkraftwagen, Von de-nen jeder mit 2 schweren Maschinengewehren bestückt war.

Die Angehörigen dieser Polizeiformationen machten entwederExekutivdienst in der Innenstadt oder standen als operative Ein-greifreserve in zwei Polizeikasernen Tag und Nacht einsatzbereit.Um Operationsfreiheit nach allen Seiten zu haben, waren dieseKräfte nicht im Stadtgebiet, sondern außerhalb davon stationiert.Eine Kaserne befand sich in Wandshek, die andere in Altona. ImAlarmierungsfall konnten zudem noch Angehörige der Revier-polizei, des »Aufsichtsdienstes« oder »Hafenschutzes« herange-zogen werden.

In den Aufstandstagen spielte die etwa 700 Mann starke, vonder VSPD organisierte »Vereinigung Hepublik« eine Hilfspolizei-rolle.iindem sie aus ihren Reihen Reservebesatzimgen für Polizei-reviere zur Verfügung stellte. Das ermöglichte es, zusätzlichePolizeiaufgebote für die Bekämpfung der Hamburger Erhebungfrei 'zu machen.

Obgleich der VSPD-Vorstand der Hansestadt nichts unver-sucht ließ, die Kommunisten bei den Arbeitern in Mißkredit zubringen und deren Masseneinfluß einzuschränken, konnte ernicht verhindern, daß ihr Ansehen aufgrund konsequenten Ein-

tretens 'für die Arbeiterforderungen ständig wuchs. Umfaßte dieVSPD-Mitgliedschaft damals rund 46000, so erreichte die Mit-gliederzahl der Kommunistischen Partei Deutschlands in der Ha-fenmetropole im Herbst 1923 etwa 18000.

Wie übe~all war das städtische Proletariat von den unmittelba-ren Krisenauswirkungen besonders betroffen. Die Arbeitslosen-, .ziffer in Harnburg betrug im Herbst 50 600. Die außergewöhnlichhohe und oft schon nach Stunden wieder einsetzende Papiergeld-entwertung . vergrößerte das soziale Elend. In' ihrer Entrüstungüber die erbärmlichen Zustände. verschafften sich Teile der Hun-gernden Luft, indem sie in Bäckerläden und LebensmiUelgeschäf-ten die Herausgabe von Brot und anderen Nahrungsgütern er-zwangen. So auch am 20. Oktober, als die vom Senat dirigiertePolizei bei Zusammenstößen mit den protestierenden Werktäti-gen rücksichtslos von der Waffe Gebrauch machte.

Ernst Thälmann, Vorsitzender der Hamburger KPD-Ortsorgani-sation, oblag die politische Leitung des Kampfes. Ihm zur Seitestand der militärische Oberleiter Albert Schreiner. MilitärischerLeiter in Barmbeck war Hans Kippenberger und in SchiffbekFritz (Fiete) Schulze ..Philipp Dengel - er wurde 1925 ins Thäl-mannsehe Zentralkomitee gewählt - organisierte in der Nachtzum Aufstandstag Sperrmaßnahmen der Arbeiter auf Fernver-kehrsverbindungen zur Hansestadt. Internationalistische Hilfe lei-stete Manfred Stern, der als Teilnehmer am Bürger- und Inter-ventionskrieg in Sowjetrußland seine revolutionären Erfahrungenin die Kämpfe der deutschen Arbeiterklasse einbrachte. In den.Reihen der Aufständischen kämpften solche konimunistischenFunktionäre und Jungkommunisten wie Etkar Andre, John Schehrund Willi Bredel.

Bedingt durch die knappe Vorbereitungs frist von nur 36 Stun-den, mußten die Beschlüsse und Maßnahmen schnell gefaßt undrealisiert werden. Eine wichtige Stütze war der von der Hambur-ger KPD-Organisation im Laufe des Jahres 1923 geschaffene Ord-nerdienst (OD). Seine kleinste Einheit war die Gruppe mit8 Mann. A Gruppen bildeten eine Abteilung, 4 Abteilungen wie-derum einen Zug. Zum Zug gehörten ferner Rad- und Motorrad-fahrer sowie Arbeitersamariter. Insgesamt umfaßte der OD inHamburg etwa 1 300 Mann. Kompliziert war es, die wenigen vor-handenen Waffen an die Kampfgruppen, die zuerst im Brenn- .

punkt der Kämpfe stehen würden, zu verteilen. Nicht immer ge-lang es, jeden Kämpfer zu erfassen und ihn mit den

, erforderlichen Instruktionen zum Handeln zu versehen. Bei die-sen Maßnahmen war zu beachten, daß sie der Gegner nicht be-merken durfte. Wie die späteren Kampfereignisse bestätigten,konnten alle Aufstandsvorbereitungen in der Stadt der Reaktiongegenüber geheimgehalten werden.

Ernst Thälmann, am 16.April 1886 in Hamburg geboren undauch dort aufgewachsen, als Hafen- und Transportarbeiter aufsengste mit dem Proletariat verbunden, im Klassenkampf zum Ar-beiterführer gereift, stellte seine Entschlußfreudigkeit, seinen Mutund sein großes Organisationstalent während des Aufstands viel-fach unter Beweis. Ungeachtet großer Schwierigkeiten verstander es immer wieder, die Verbindung zu den kämpfenden Arbei-tern nie abreißen zu lassen, sie über das Notwendigste zu unter-richten und ihre Vorschläge zu berücksichtigen.

Um spontanen Bewegungen vorzubeugen, hatten Ernst Thäl-mann und andere KPD-Funktionäre am 21. Oktober 1923 aufeiner Werftkonferenz in Hamburg ihre ganze Autorität aufbietenmüssen, um - entsprechend der bis dahin gegebenen Weisungder Zentrale der KPD, Teilkämpfe bis zum »entscheidendenSchlag« nicht zu führen - die Arbeiter von der sofortigen Ausru-fung des Generalstreiks zurückzuhalten. Gleichzeitig bezogen siejedoch Stellung gegen jene Gewerkschaftsfunktionäre, die jedeMassenaktion zu verhindern suchten und die Beschlußfassungdarüber zentralen Gewerkschaftsleitungen zuschoben. Die Mehr-'Zahl der Versammlungsteilnehmer sprach sich dafür aus, mit Be-ginn des, Reichswehreinmarsches in Sachsen den Generalstreikzu proklamieren. Eine Delegation, die nach .Chemnitz reisensollte, wurde, bestimmt. Ehe sie jedoch dort, ankam, hatten sichwichtige Dinge ereignet.

Zu einem Zeitpunkt, wo der bevorstehende Reichswehrein-,marsch die Verschärfung der Klassenkämpfe deutlich widerspie-gelte, hatte die sächsische Regierung zum 21. Oktober 1923 eineKonferenz nach Chemnitz einberufen, an der Vertreter der Be-

-triebsräte, Gewerkschaften und Kontrollausschüsse teilnahmen.Verlauf und Ausgang dieser Konferenz aber zeigten, daß wohlKommunisten und mit ihnen sympathisierende Arbeiter aufKämpfe eingestellt waren, viele andere jedoch nicht.

Alle links sozialdemokratischen Regierungsmitglieder, derenStellungnahme die Haltung zahlreicher Abgesandter von Arbei-terorganisationen beeinflußte, weigerten sich während der Bera-tung, dem von Heinrich Brandler vorgeschlagenen Generalstreik-beschluß zuzustimmen. Unter diesen Umständen zog derVorsitzende der KPD die Entscheidung der Zentrale vom Vortagzurück. Er erklärte sich damit einverstanden, die Entschlußfas-sung solcher Kampfrnaßnahmen einer paritätischen Kommissionzu überantworten.

Die sächsischen linken Sozialdemokraten in der Regierung hat-ten in historisch entscheidender Stunde versagt. Sie scheuten, un-'ter dem Druck ihrer rechten Parteiführer in Berlin stehend undebenso den eigenen Illusionen unterliegend, auf der ChemnitzerKonferenz den offenen Kampf gegen den Reichswehrfeldzug undfür die Verteidigung und Erweiterung der proletarischen Positio-nen.

Dieser Vorgang bürdete den Kommunisten eine schwerwie-gende Last auf. Konnte doch ohne Mitwirkung der Gewerkschaf-ten, der Betriebsräte und anderer Arbeiterorganisationen dieMehrheit der Arbeiterklasse nicht dafür gewonnen werden, dieKlassenauseinandersetzung bis zur Anwendung schärfsterKampfformen zu führen. Die Chemnitzer Konferenz bewies, daßdie bestehende Einheitsfront der kommunistischen und sozialde-mokratischen Parteien der von ihr zu tragenden Verantwortung1923 noch nicht gewachsen war und insgesamt zu wenig Kräfteaus der Arbeiterklasse in die Vorbereitung der Massenkämpfeeinbezogen worden waren.

Informationen über Verlauf und Ausgang der Chemnitzer Kon-ferenz erreichten die Hamburger Genossen erst in der Nacht zumAufstandstag. Das war zu spät, um die bereits eingeleitetenKampfrnaßnahmen noch aufhalten zu können.

Am 22. Oktober hatten sich in der Hafenmetropole die Streik-aktionen verschärft. Die Nachricht vom Reichswehreinmarsch inden Freistaat Sachsen steigerte die Kampfentschlossenheit. Inden Werften, Hafen- und Baubetrieben wurde nach dem General-streik gerufen. Am Nachmittag ruhte die Arbeit im Hafenbereich.

Zusammen mit der Oberbezirksleitung Nordwest und den Lei-tern des Aufstandes beriet Ernst Thälmann am Abend des22. Oktober die letzten Aufstandsvorbereitungen. Da, wie die

Teilnehmerrunde einmütig feststellte, die bis .zum Siedepunkt er-,hitzte Kampfstimmung in Harnburg günstige Bedingungen bot,wurde der Aufstandsbeginn für den kommenden Morgen festge-legt. .Die in einer Arbeiterwohnung tagende Versammlung unterVorsitz von Ernst Thälmann bestätigte einmütig den Aufstands-plan. Ihm lag die Idee zugrunde, während der bewaffneten Erhe-bung die Initiative zu ergreifen und die erreichten Erfolge mitUnterstützung durch das Hamburger Proletariat zu erweitern. Dieeinzelnen Etappenziele sollten nacheinander bzw. gekoppelt mitanderen Kampfaufgaben durchgesetzt werden.

In Anbetracht der städtischen Gegebenheiten versprach derAngriff aus den östlichen und nördlichen Außenbezirken der Ha-fenstadt besondere Vorteile. Dort gaben die Arbeitervierteldenerforderlichen Rückhalt für die Kämpfenden ab und boten geeig-nete Lagebedingungen für den Stoß Ins Stadtzentrum. Ungünstigdagegen sah es mit der Bewaffnung aus. Nur 80 Handfeuerwaf-fen, Gewehre und Pistolen, befanden sich in den Händen derAufständischen. Von der Lösung dieses Problems und der Mas-senunterstützung durch die Werktätigen hing das Gelingen derErhebung in Hamburg wesentlich ab.

Folgende Kampfetappen wurden ins Auge gefaßt:Der Aufstandsbeginn war mit dem plötzlichen Losschlagen vonKampfgruppen gegen Polizeiwachen in den Außenbezirken ver-bunden, um diese im ersten Ansturm zu überrumpeln und diedort lagernden Waffen- und Munitionsbestände in eigenen Besitzzu bringen. Anschließend sollten die Aufständischen zu starken-bewaffneten Arbeiterformationen zusammengelaßt werden undkeilförmig - gedeckt von Massendemonstrationen der werktäti-gen Bevölkerung - in Richtung Innenstadt vorstoßen, der Wi·derstand gebrochen und der Gegner vollends entwaffnet werden.Im Verlauf der Kampfhandlungen' waren . strategisch wichtigePunkte Hamburgs - Hochbahn, Bahnhöfe, Post- und Telegrafen-

. ämter, zentrale Einrichtungen, EIbe- und Alsterübergänge- zubesetzen. Ferner sollÜin-Kampfgruppen aus der näheren Umge-bung der Hansestadt in den Kampf eingreifen-Auch äußere Absi-cherungen des Aufstandsgebietes durch Sperrung von Straßen,Eisenbahnverbindungen und Schiffahrtswegen in der Umgebungder Hafenstadt spielten eine Rolle,· weiterhin die Absicht, dieWandsbeker Polizeikaserne zu stürmen.

Der Aufstandsplan verlangte den fast unbewaffnet angreifen-den Aufständischen ein Höchstmaß an Einsatzwillen, Mut undTapferkeit, taktischem Geschick und Findigkeit in allen Lagenab. Er konnte in seiner Gesamtheit nur mit der vereinten Kraftdes Hamburger Proletariats in die Tat umgesetzt werden.

In der Nacht zum 23. Oktober 1923 sammelten sich die OD-Gruppen gemäß ihrem Auftrag an den vorher bestimmten Treff-punkten in verschiedenen Stadtteilen. Die Benachrichtigung, dasBeziehen der Ausgangsräume und die Herstellung der Kampfbe-reitschaft kamen unter Einhaltung der Regeln strengster Geheim-haltung und Wachsamkeit zustande. Galt es doch, plötzlich undüberraschend die Aktion zu eröffnen. Die Kämpfer waren der fe-sten Überzeugung, daß ihrem Beispiel die revolutionären Arbei-ter im norddeutschen Raum und in ganz Deutschland folgen wür-den.

Bereits in den Abend- und Nachtstunden vor dem unmittelba-ren Beginn der Erhebung hatten mehrere Arbeitertrupps ostwärtsvon Harnburg versucht, die Eisenbahnlinie Lübeck-Hamburgund Straßenzugänge nach Harnburg zu blockieren. Mußte doch dieAufstandsleitung darauf gefaßt sein, daß der Gegner aus dieserRichtung polizeiliche und militärische Verstärkungen erhaltenwürde, die hier auf kürzestem Wege herangeführt werden konn-ten. Deshalb sollten in den Gebieten bei Ahrensburg und Bargte-heide Sperrrnaßnahmen durchgeführt werden, um solche Trans-porte auf Schiene und Straße zu unterbinden bzw. die Zuführung-zu erschweren.

Es glückte diesen Trupps auch an einigen Stellen, Gleisanlagenzu unterbrechen und Straßenhindernisse zu schaffen. Da sie esjedoch versäumten, die betreffenden Räume genügend abzusi-chern und die nähere Umgebung zu sondieren, blieb ihre Tätig-keit nicht lange unentdeckt. So konnte ein Bahnbeamter, den dieArbeiter unbeaufsichtigt gewähren ließen, per Bahntelefon seineVorgesetzten benachrichtigen und Alarm auslösen. Kommandosder preußischen Schutzpolizei besetzten daraufhin die gesperrtenStreckenabschnitte, veranlaßten die Verfolgung der Arbeiter-trupps und leiteten Sofortmaßnahmen zur Beseitigung der Gleis-und Baumsperren ein. Gewarnt durch die Sperrung von Schie-nen- und Straßenwegen in der Hamburger Richtung, zogen eseinen Tag später verantwortliche Militärs im Marinestationskom-

mando Nordsee vor, zur Verstärkung polizeilicher Kräfte denzwar längeren, jedoch weniger gefährdeten Wasserweg Eibe, Al-ster, Bille zu wählen.

Kurz vor dem Aufstandstag kam der proletarischen Kampflei-tung der Umstand zugute, daß die Hamburger Polizeidirektionihren nach mehrfachen Einsätzen gegen Streikende und De-monstranten ermüdeten Polizei einheiten eine »Huhepause« imAlarmierungszustand einräumen mußte. Desto größer war für diePolizeiinstanzen die Überraschung, als in der Morgenfrühe des23. Oktober 1923 die Hiobsbotschaft von der Erhebung derHamburger Arbeiter eintraf.

Aufstandsbeginn

Am 23. Oktober 1923, 5 Uhr, noch im Morgengrauen, hatte derAngriff in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs begonnen. DieKämpfer waren angetreten, die ausgesuchten Polizeiwachenhandstreichartig zu nehmen sowie Schußwaffen undMunition zuerbeuten. Von 26 Polizeiobjekten konnten 17 innerhalb kürze-ster Frist - zumeist beim ersten Ansturm - überwältigt und be-setzt werden. Stützpunktartig erstreckte sich die allgemeineKampflinie von Hamm im Südosten über Bannbeck und Winter-hude bis Eimsbüttel im Nordwesten der Hansestadt. Außerh~LlbHamburgs nahmen Arbeiterwehren in Schiffbek, Wandsbek undAltona teil. Zu Überwachungszwecken wurde vorübergehend die

'~eingangs der Außenelster gelegene Krugkoppelbrücke in Besitz'genommen und durch die Kämpfer kontrolliert.

Im Barmbecker Abschnitt vollzog sich die. Eroberung derMehrzahl der Wachen in schneller Folge, obgleich die AngreiferzUnächst nur 19 Gewehre und 27 Pistolen besaßen. Plötzlichtauchten die Arbeiterkämpfer am Einsatzobjekt auf, paßten sichmeisterhaft den erkundeten Gegebenheiten an und verstanden es,die Polizeistationen mit schwachen Kräften zu überrumpeln.

Meistens wurden die eingenommenen Polizeiwachen und -po-sten nach Erfüllung des Kampfauftrages wieder verlassen. Oftschickten die Arbeiter die Entwaffneten einfach nach Hause.Nicht wenige der bürgerlichen Staatsdiener flüchteten auch, umder abzusehenden Überwältigung zu entgehen.

Die Radfahrwache 26 inHamm konnte von der proletarischenKampfgruppe in der Frühe kampflos eingenommen werden. Diedort diensttuenden Beamten waren so überrascht, daß sie zu kei-ner Gegenwehr fähig waren. Beim Erscheinen der Aufständi-schen hoben sie schreckensbleich die Hände und baten darum,ihnen nichts zuleide zu tun. Eilfertig lieferten sie die Waffen ab.

Doch nicht jeder Wachensturm endete mit einem Erfolg fürdie Arbeiterkämpfer. Einige Wachen konnten rechtzeitig vonPolizeiinstanzen gewarnt und in die Lage versetzt werden, dieAnstürmenden zurückzuschlagen. Daneben traten auch Mo-mente ein, wo mangelnde Erfahrung, Ungeduld oder geringe Ziel-strebigkeit bei einzelnen Aktionen die Erfüllung des Kampfauf-trages einschränkten und sogar verhinderten.

Das umstrittenste Polizeiobjekt am ersten Kampftag war dieBarmbecker Doppelwache 46. Schon zum Teil besetzt, scheiterteder volle Erfolg an dem kopflosen, undisziplinierten Verhalteneines Truppführers. Sein Auftrag lautete, die Doppelwache zuumgehen und sie durch einen zweiten Eingang von der Hofseiteaus.einzunehmen, Er jedoch hielt sich nicht daran und ließ in das.Cebäude hineinschießen. Die übereilte Tat löste Verwirrung incleneigenen Reihen aus, was die noch kampfkräftige Polizeibesat-

, ~ü.ng zum Gegenstoß ausnutzte. Um einer völligen Einschließungzuvorzukommen, mußten die Kämpfer die schwer errungenenPositionen aufgeben und Schutz in den umliegenden Mietshäu-sern suchen. Obwohl die Kampfhandlungen darum fast den gan-zen Tag andauerten, blieb diese Wache unbezwungen. .

Jene Kampfgruppe, die im Stadtteil Sankt Georg die Polizeista-tion '4 stürmen sollte, wählte eine Überfallvariante. die ihrem Auf-trag widersprach. Anstatt ihre Kräfte schnell und ohne Aufsehenan das Ziel heranzubringen; vereinigte sie sich unterwegs miteiner Gruppe von Sympathisanten und rückte demonstrativ vor.Auf dem Platz vor dem einzunehmenden Stützpunkt hielt die lok-kere Ansammlung inne und verlor dadurch jeden überra-_schungseffekt. Abwehrfeuer der Polizei zwang diese Gruppe, un-verrichteterdinge den Rückzug anzutreten.

Fehlende Zielstrebigkeit und Entschlußkraft bei OD-Funktio-nären in Altona hatten zur Folge, daß ihr Eingreifen kein positi-vesErgebnis brachte. Waren zunächst drei Wachen anvisiert ge-wesen, verringerte sich das an'! Aufstandstag auf eine. Der