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S 8 Vom Meditationskissen auf die Barrikaden    S 12 Der Geist ist unendlich S 20 Gewaltig, aber gewaltlos S 26 Politiker ins Kloster S 36 Licht aus!    S 42 Komm mir nicht zu Nah… S 50 Der Krankheit davonlaufen S 58 Mein Herz  fliegt durch die Schweiz  S 66 Passfahrten – eine Hassliebe      – und mehr! 121 Sept. / Oktober 2012 10.– CHF / 8.– € Spiritualität & Politik Für intelligente Optimistinnen und konstruktive Skeptiker

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Thema: Politik & Spiritualität

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S 8 Vom Meditationskissen auf die Barrikaden    S 12 Der Geist ist unendlichS 20 Gewaltig, aber gewaltlos      S 26 Politiker ins Kloster       S 36 Licht aus!   S 42 Komm mir nicht zu Nah…  S 50 Der Krankheit davonlaufen S 58 Mein Herz fliegt durch die Schweiz    S 66 Passfahrten – eine Hassliebe      – und mehr!

121

Sept. / Oktober 201210.– CHF / 8.– €

Spiritualität & Politik

Für intell igente Optimist innen und konstruk t ive Skept iker

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2  Zeitpunkt 120

Impressum

ZeItpunkt 121 september / OktOber 2012Erscheint zweimonatlich, 21. Jahrgang

Verlag / redaktIOn / abOVerwaltungZeitpunktWerkhofstrasse 19CH-4500 SolothurnAboverwaltung: Hannah WillimannTel. 032 621 81 11, Fax 032 621 81 [email protected], www.zeitpunkt.chPostcheck-Konto: 45-1006-5IBAN: 0900 0000 4500 1006 5ISSN 1424-6171

VertrIeb deutschlandSynergia Verlag und MediengruppeErbacher Strasse 107, 64287 DarmstadtTel. (+49)6151 42 89 10 [email protected]

redaktIOnCécile Knüsel CK, Melanie Küng MK, Christoph Pfluger CP, Roland Rottenfußer RR;  Ständige MitarbeiterInnen: Sagita Lehner SL, Alex von Roll AvR, Ernst Schmitter,  Billo Heinzpeter StuderGrafik & IIllus*: tom hænsel | tintenfrisch.net (* falls nicht anders angegeben)

anZeIgenberatungCécile KnüselZeitpunkt, Werkhofstrasse 19CH-4500 SolothurnTel. 032 621 81 [email protected]

abOnnementspreIseDer Abopreis wird von den Abonnentinnen  und Abonnenten selbst bestimmt.Geschenkabos: Fr. 54.– (Schweiz), Fr. 68.– (Ausland), Einzelnummer: Fr. 10.– / Euro 8.–.

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herausgeberChristoph Pfluger

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papIerRebello Recycling

Ich kann ohne das mindeste Zögern sagen, dass, wer behauptet, Spiritualität habe nichts mit Politik zu tun, nicht weiss, was Spiri­tualität bedeutet.

Gandhi

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Editorial

eIn gandhI reIcht beI weItem nIcht

Liebe Leserinnen und Leser

Spiritualität und Politik – bei diesem Thema ist eine Begriffsklärung unver-meidlich. Dies ist zwar kein guter Einstieg in einen Text, aber in diesem Fall nicht  zu  umgehen. Mit  Spiritualität meine  ich  alles Denken, Handeln  und Fühlen, das geistige Werte vor materielle stellt, also zum Beispiel Freiheit und Liebe vor Macht oder Gewinn. Und schon spürt man: Irgendwie sind wir alle mehr oder weniger spirituell. Nur sehr wenige Menschen werden Leben einem materiellen Gut opfern, wenigstens wenn sie direkt mit einer entsprechenden Entscheidung konfrontiert sind. Der Geist steht über der Materie. Aber er ist nicht frei, wenn die Bedürfnisse des Körpers nicht erfüllt werden, bei Hunger, Krankheit oder Kälte.

Die grosse Auseinandersetzung, die den Planeten Erde zur Zeit in Bann hält, ist der Kampf zwischen Geist und Materie. Dass man die Religion – oder bes-ser gesagt, die Glaubensbekenntnisse – seit der Aufklärung von den Staaten fernhält, ist vernünftig. Wir brauchen geistige Freiheit, um Mensch zu sein.Aber jetzt, wo der Materialismus vor dem schauerlichen Endsieg steht, droht er auch den Geist in den Abgrund zu reissen. Denn wenn der Mensch ums Überleben kämpft, bleibt auch sein Geist auf der Strecke. Und das können selbst die konsequentesten Aufklärer nicht gewollt haben. 

In der Erkenntnis dieser Bedrohung ordnen immer mehr Menschen ihre Prio-ritäten neu, setzen ganz bewusst spirituelle Werte an die Spitze – und geraten prompt in Konflikt mit der Politik, deren Domäne schon immer das Materielle war. Dieses Heft handelt von zaghaften Anfängen, geistige Werte in die Politik einzubringen. Zu viel Hoffnung dabei zu haben, wäre vermessen. Die Seelen-kraft eines Gandhi hat vielleicht genügt, Indien aus der Kolonialherrschaft der Briten zu lösen. Um die Menschheit aus dem Reich des Geldes zu befreien, werden viele Gandhis nötig sein. Sehr viele.

Mit herzlichen GrüssenChristoph Pfluger, Herausgeber

Physische Stärke kann niemals auf Dauer der Kraft des Geistes widerstehen.   Franklin D. Roosevelt

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6    Und vergib uns … Die Wirkung des Geistes in der Politik  Christoph Pfluger

8    Vom Meditationskissen – auf die Barrikaden Spirituelle Menschen sollten sich politisch engagieren  Roland Rottenfußer

11   Reife Spiritualität ist politisch  Gary Zemp12  Der Geist ist unendlich – und seine Heimat sind wir    Mit Meditation die Welt verändern  Christine Ax 15  Der Maharishi Effekt – ein kurzer Überblick  Christine Ax 16   Die Kraft der Seele –  

Eine politische Willenskundgebung dieser Grösse  wird die  Welt noch nie gesehen haben Christoph Pfluger

20   Die Illusion & das Leiden – vom individuellen Weg  zur sozial engagierten Kraft  Katharina Ceming

23  Holy Shit   Christoph Pfluger24   Von der Schwitzhütte aufs Piratenschiff –   

Die Geschichte einer Reisenden zwischen den  Welten Spiritualität und Politik  Monika Herz

26   Mönche in die Politik – und die Politiker ins Kloster   Paul Dominik Hasler

28   Wie erreichen wir Veränderung? – Lesermeinungen30   Auf dem Weg in eine neue Geschichte  

und andere Kurzmeldungen 

36   Licht aus – im September ist endgültig Schluss  mit den Glühbirnen  Roland Rottenfußer

41  Wenn doch nur mehr Hausfrauen (und -männer) wild würden! Eier aus dem Freiland statt aus der Batterie    Billo Heinzpeter Studer

42   Komm mir nicht zu nah – bleib mir nicht zu fern    Christine Ax44   Es ist nicht immer einfach, die unfassbare Andersartigkeit 

von Menschen auszuhalten  Christine Ax im Gespräch mit Claus Brechmann & Gunhild Kasper

46   Das Blaue vom Himmel  … und weitere Kurzmeldungen  

Inhalt

schwerpunkt: spIrItualItät & pOlItIk

36 entscheIden & arbeIten

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Zeitpunkt 121  5

Inhalt

50 VOllwertIg leben

56 hOrIZOnte erweItern

50   Der Krankheit davonlaufen Bewegung ist die beste Therapie.  Elke Kolb

54   Wer wach sein will, muss zuerst richtig schlafen,  und andere Kurzmeldungen

57  Die gute Adresse für Ihre Gesundheit  

56   Mein Herz fliegt durch die Schweiz  – eine Reisereportage        Alex von Roll

66   Die gute Adresse für sanften Tourismus 67   Passfahrten – eine Hassliebe 

Warum tut man sich das an?  fragt Michael Huber68   Die gute Adresse für  

sanften Tourismus & Ihr Zuhause70   Frankoskop – Ende einer Epoche und Anzeichen für eine 

kommende Ernst Schmitter 72  Kaiser & Schmarrn: Österreich lebt über seine politischen 

Verhältnisse  sagt Billo Heinzpeter Studer74  Wissen vom Schwarzmarkt  und andere Kurzmitteilungen75  Die gute Adresse zur Horizonterweiterung77   Agenda78   Kleinanzeigen80 Leserbriefe82  Brennende Bärte: Die Trompeten von Jericho

Christoph Pfluger  

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› › ›

und VergIb uns …              Die Wirkung des Geistes in der Politik    von Christoph Pfluger

eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit ist auch eine ganz einfache: Wie erfüllen wir die Politik mit Geist? Wie  überwinden  wir  den  Egoismus, ohne die wichtigste Errungenschaft des 

Menschen zu verlieren, die Freiheit? Wie transformie-ren wir den Materialismus und die Herrschaft über die Natur,  sodass  sie  dem Ganzen dienen,  anstatt es zu zerstören? Wie machen wir aus der Fülle der Schöpfung eine Fülle  für  alle? Und wie verbinden wir die vielen Rassen, Nationen und Ethnien zu einer Menschheit, die auch wie eine Menschheit handelt? 

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Spiritualität & Politik

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Auf diese Frage gibt es eine Reihe von Antworten:• Der Sozialismus will  alles gerecht verteilen und 

vergisst, dass jeder Wert geschöpft werden muss, bevor er verteilt werden kann – und erzeugt  so Verantwortungslosigkeit

• Der Liberalismus will die schöpferischen Kraft för-dern, verwechselt jedoch Freiheit mit Ellbogenfrei-heit – und erzeugt den Zwang des Stärkeren.

• Der Technokratismus – ein besserer Begriff muss erst noch gefunden werden – will dem Zwang mit Wissenschaft entkommen, und landet im Oppor-tunismus. Wenn aber der Zweck die Mittel heiligt, wird alles früher oder später zum Unheil. 

• Aus dieser unheilen Welt, auf den Tod erkrankt an Ausbeutung, Naturzerstörung und Verschuldung, an Verfettung, Verblindung und Angst, aus dieser unheilen Welt sollen uns dann Religion und Spi-ritualität retten. Bevor sie dies aber zu tun bereit sind, verlangen sie von uns ein Schuldbekenntnis. Erlass und Erlösung gibt es nur  für Reuige, also die Schuldigen.Was  das  in  die  Politik  umgesetzt  bedeutet,  se-

hen wir in der Meinung des Mainstreams, die Ur-sache  der  Finzanzkrise  liege  in  der Gier  oder  in der Ansicht der Umweltbewegung, die Zerstörung durch die Wegwerfgesellschaft sei die Summe in-dividuellen  Fehlverhaltens  (deshalb  die  ständigen Appelle,  dieses  zu  ändern). Wir  finden  das  indi-viduelle  Schuldkonzept  auch  in  den  «spirituellen» oder «integralen» Parteien, deren Programme explizit erklären, Veränderung gehe vom Individuum aus. Erst wenn der einzelne Mensch sein Bewusstsein klärt  und  erweitert,  könne  auch  die Welt wieder gesund werden.

Aber das ist vermutlich ein Irrtum, so zutreffend und überzeugend es auch klingt. Genausowenig, wie die Masse die  Summe der  Individuen  ist,  sondern ein spezifisches, kollektives Verhalten entwickelt, ge-nausowenig ist die Menschheit nicht die Summe der Massen. Ich bin überzeugt, dass Individuum, Gruppe und Menschheit  je ganz eigene Entitäten sind, die nach ganz eigenen Gesetzen funktionieren, die un-glücklicherweise  aber  auch  gegeneinander wirken können. Am Beispiel des Umgangs mit Mangel wird dies leicht ersichtlich:

Als  selbst  verantwortliches  Individuum  ist  es  im Falle einer Mangelsituation richtig, über den unmittel-baren Bedarf hinaus Vorräte anzulegen. Der Mangel könnte ja dauern oder sich verschärfen. Genau diese Verstärkung der Mangels ist aber die zwingende Folge auf der Ebene der Gruppe. Je mehr die einen horten, desto mehr fehlt den andern. Im Umgang mit dem 

seit Äonen bestehenden Mangel, ob eingebildet, real vorhanden oder überhöht, ist die Gruppenintelligenz dem Individuum weit überlegen. Sie teilt gerecht.

Auf  anderen Gebieten  ist  es  gerade  umgekehrt, bei der Angst zum Beispiel, auch dies ein Zustand, der zum Menschsein irgendwie zu gehören scheint. Panik kann in einer Masse ohne weiteres auch Men-schen erfassen und zu Fehlverhalten verleiten, die Gefahren normalerweise realistisch einschätzen und entsprechend reagieren. Die Gruppe kann auch ange-messene Ängste wegblasen, denen ruhig ein bisschen mehr nachgegeben werden dürfte, wie etwa in einem Krieg. Der Mensch ist nie so gefühllos und grob wie in der Gruppe.

Ähnliche Disharmonien wie  zwischen  Individu-um und Gruppe gibt es zwischen Nationen und der Menschheit als Ganzes. Sehr deutlich wird dies am heute wieder vorherrschenden Neomerkantilismus. Kein  Land kann  auf Dauer Überschüsse  schaffen, ohne sie mit der Zeit zu einem Nachteil für sich selber zu machen. Macht wird damit zur Ohnmacht.

Das ist nicht die Art von Problemen, die das In-dividuum lösen muss. Aber genau dies verlangt der Zeitgeist der Grenzenlosigkeit, der jeden Menschen zu einem einsamen Kämpfer in einer Welt macht, die aus den Fugen geraten ist und auseinanderzufallen droht. Was uns noch zusammenhält, sind Schulden, die individuelle Schuld des Menschen und die kol-lektive Verschuldung der Länder. 

Wenn wir Geist in die Politik tragen wollen, besteht die erste Massnahme deshalb in einem allgemeinen Schuldenerlass. Unser Geld besteht zum allergrössten Teil aus reinen Schulden, die sich dank Zins und Zin-seszins immer schneller vermehren und aus mathema-tischen Gründen nie zurückbezahlt werden können. Das multipliziert den Mangel und fördert damit auf individueller Ebene ein für das Ganze destruktives Verhalten. Auch das Individuum ist freizusprechen. Es hat sich getreu den im Lauf der Evolution erlernten Prinzipien verhalten. Was man ihm vorwerfen kann, ist einzig das Unvermögen, die gut getarnte Illusion des Mangels nicht durchschaut zu haben. 

Nur mit einem Neuanfang wird es uns gelingen, die  evolutionäre  Programmierung mit  ihren Kon-flikten zwischen Individuum, Gruppe und Mensch-heit zu überwinden. Die Kraft zum Neubeginn ist die Stärke des Geistes, wie sie sich zum Beispiel in den  Religionen  immer wieder manifestiert. Diese Kraft in die Welt zu tragen, ist unsere Aufgabe. Mit der Unvoreingemommenheit der Unschuldigen wird sie uns gelingen. Aber zuerst müssen wir vergeben. Nicht zuletzt uns selber.

Durch das Geld vernichtet sich die Demokratie selbst, nachdem das Geld den Geist vernichtet hat.

Oswald Spengler

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Spiritualität & Politik

8  Zeitpunkt 121

Vom Meditationskissen auf dIe barrIkaden

Spirituelle Menschen sollten sich politisch engagieren – nicht trotz, sondern wegen ihrer Weltanschauung. Religiöse Men-schen sind schon immer für soziale Gerechtigkeit und gegen Zwangsherrschaft eingetreten. Dietrich Bonhoeffer, Thich Nhat Hanh oder Bernard Glassmann stehen neben vielen anderen für eine engagierte Spiritualität. Damit Menschen aktiv werden, muss aus dem Erlebnis der Einheit das Be-wusstsein der Verantwortung entspringen.      von Roland Rottenfußer

spirituelle Menschen stehen im Ruf, ver-huschte «Diesseits-Drückeberger» zu sein. Nicht so der jüdisch-amerikanische Zen-Meister Bernard Glassman.  «Sie waren der Meinung,  als  Zen-Lehrer  sollte  ich 

meine Zeit besser darauf verwenden, Menschen zur Erleuchtung zu geleiten. Ich bin jedoch der Meinung, dass man Menschen, die hungern, zuerst einmal et-was zu essen geben sollte.» Glassmann liess eine Kar-riere als «Berufserleuchteter» seiner Zen-Schule sau-sen. Berührt vom Schicksal der Obdachlosen in New York gründete er die Greyston Bakery. Die brachte den Wohnungslosen nicht nur Brot, sondern auch Jobs in Herstellung und Verkauf der köstlichen Backwaren. 

«Bernies»  Zen  Peacemaker Orden gilt heute als eine der profiliertesten Vereinigungen des engagierten Buddhismus. Glassman: «Zen ist nicht nur der reine oder spirituelle Teil des Lebens, sondern das gan-ze  Leben:  die  Blumen,  die 

Berge, die Flüsse und Bäche, aber auch die Stadt und die obdachlosen Kinder auf der Strasse.»

Das Unbehagen der politischen Linken an der Spiritualität geht auf Marx zurück. Dessen Reli-gionskritik  richtete  sich  gegen  die Kumpanei  der Kirchen mit den Mächtigen, gegen die System stabili-

sierende Wirkung von Religion. In der «Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosohie» bezeichnet Marx die Religionen als «Blumen an der Kette», also als schmückendes Beiwerk der Sklaverei. «Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche.» In der Tat haben katho-lische wie evangelische Kirche ihre Schäflein allzu oft im Sinne eines Paulus-Zitats indoktriniert: «Jeder-mann sei untertan der Obrigkeit.» Und so mancher fromme Kirchenmann war nicht wählerisch bei der Unterstützung der jeweiligen Machthaber. 

In  jüngerer  Zeit  entzündet  sich  linke Kritik  vor allem an der Welle populärer Esoterik. Die Ex-Grüne Jutta Ditfurth wetterte in ihrem Buch «Entspannt in die Barbarei»  nicht  nur  gegen  rechte  Esoterik  (die es  gibt),  sondern  auch  gegen Tiefenökologie  und den Dalai Lama. Im Zentrum von «Spiritualitäts-Hass» steht oft die  Irrationalität  selbst. Kult, Mythos und aufgepeitschte  Emotionen hatten  Europa mit  dem Dritten Reich in die Katastrophe geführt. Ist deshalb nur  staubtrockenes Vernünfteln  legitim? Alte  und neue Religionskritik waren wichtig und bieten auch für spirituelle Menschen Stoff zum Nachdenken. Sie offenbaren aber auch Schwächen und Einseitigkeit. Es beginnt mit der Frage: Welche Spiritualität ist ei-gentlich gemeint? Das staatstreue Verhalten der Kir-chenführung ist nicht identisch mit «der Spiritualität» 

Die katholische und die evangelische Kirche haben ihre Schäflein allzu oft im Sinne des Paulus-Zitats indoktriniert: «Jedermann sei untertan der Obrigkeit.» (Römer XIII)

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Zeitpunkt 121  �

schlechthin. Und die Existenz rassistischer Esoterik schmälert das Verdienst des Sozialaktivisten Bernie Glassmann nicht im Geringsten.

Spiritualität pauschal abzulehnen, ist so unsinnig wie Politikverdrossenheit mit Blick auf einen Wulff oder Berlusconi. Die Schattierungen sind in beiden Fällen  so  vielfältig,  dass  sich  jede Verallgemeine-rung verbietet. Leider gibt es diese Abwehrhaltung auch auf der «Gegenseite». Der spirituelle Therapeut Wilfried Nelles,  ein  Schüler Bert Hellingers,  sagte über politischen Widerstand kategorisch: «Rebellion ist immer unreif. Ein reifer Mensch rebelliert nicht, er handelt.» Typischerweise werten spirituelle Menschen die politische Aktion ab, indem sie die «Psychopatho-

logie» der Aktivisten durch-leuchten.  Der  Revoluzzer bekämpfe  nur  seinen  ei-genen Schatten und müsse deshalb nach innen gehen, um geheilt zu werden. Wer aber ständig «Selbstoptimie-rung» betreibt, dem fehlt die Energie, um an einer besse-ren Welt mitzuarbeiten.

Stimmt es, dass Religionen vor allem «Weltflucht-helfer» sind? Es gibt ebenso viele Belege für das Ge-genteil. Der evangelische Pastor Dietrich Bonhoeffer, der 1945 von den Nazis ermordet wurde, vertrat ein entschieden diesseitiges Christentum:  «Der Mensch, der die Erde verlassen will, der heraus will aus der Not der Gegenwart, der verliert die Kraft, die ihn durch ewige geheimnisvolle Kräfte  immer noch hält. Die Erde bleibt unsere Mutter, wie Gott unser Vater bleibt.» Im Gefängnis, am 21. April 1944, schrieb Bonhoeffer in einem Brief: «Ich dachte, ich könnte glauben lernen, indem ich so etwas wie ein heiliges Leben zu führen versuchte. (…) Später erfuhr  ich und ich erfahre es bis zur Stunde, dass man erst in der vollen Diesseitig-keit des Lebens glauben lernt.» Unzählige Christen in karitativen Einrichtungen bezeugen, dass Religiosität Menschen zu konkreter Hilfe motivieren kann. 

Von Mohammed ist ein Hadith (ausserkoranisches Prophetenwort) überliefert:  «Wenn du glaubst, dei-nen Schöpfer zu lieben, dann liebe zuerst deine Mit-menschen.» Eine Sufi-Geschichte erzählt von Ali Ibn Muwaffaq, der über 30 Jahre 350 Dirham für eine Pil-gerfahrt nach Mekka gespart hatte. Eines Tages nahm er das Geld und schenkte es seiner Nachbarin, als er hörte, dass deren Kinder hungerten. Einem Sufi-Scheich erschienen daraufhin zwei Engel im Traum. Sie  verkündeten, Allah  habe  die  Pilgerreisen  von 600 000 Muslimen verworfen, weil sie aus unreinen Motiven unternommen wurden. Nur die Mekkafahrt des Ali Ibn Muwaffaq habe Allah anerkannt, obwohl er sie gar nicht angetreten hatte. Praktischer sozialer Ausgleich spielt im Islam eine grosse Rolle. Der pa-kistanische Sufilehrer Pir Rahman Rahim begründete in den 70er-Jahren eine ethische Bank, die nur öko-logische und soziale Projekte unterstützte. 

Im Buddhismus  ist soziales Engagement u.a. mit dem Namen des vietnamesischen Zen-Mönchs Thich Nhat Hanh verbunden. Im Zentrum seiner Weltan-schauung steht das «Inter-Being», die wechselseitige Verbundenheit  allen  Lebens.  1965  gründete  Thich Nhat Hanh die «Schule der Jugend für Soziale Dien-ste», die während des Vietnamkriegs Krankenhäuser baute und beim Wiederaufbau bombardierter Ort-schaften half. Zahlreiche Mönche und Laien kamen bei Bombenangriffen ums Leben. In der «Sutra vom weissgewandeten Schüler», beschrieb der Buddha die Qualitäten seiner Anhänger: «Sie finden ihre Freude in der Grosszügigkeit, ohne Gegenleistungen zu er-warten. Ihr Geist ist nicht von Gier und Sehnsucht getrübt. Sie bewahren stets ihre Ehrlichkeit und be-seitigen in sich sämtliche Wurzeln der Absicht, sich zu nehmen, was ihnen nicht gegeben wurde.» Dies ist geradezu der Entwurf einer alternativen Wirtschafts-ordnung ohne Ausbeutung. 

Spirituelle Menschen sind mehr als Spezialisten für die Jenseitsvorbereitung. Oft wird aber ein zweiter Vorwurf erhoben: In den Religionen werde zwar viel karitative Arbeit geleistet, an der Ver-

Spirituelle Menschen werten die politische Aktion ab, indem sie  die «Psychopathologie» der Aktivisten durchleuchten. Der Revoluzzer bekämpfe nur seinen eigenen Schatten und müsse deshalb nach innen gehen, um geheilt zu werden.

Vom Meditationskissen auf die Barrikaden

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Spiritualität & Politik

änderung des politischen Systems sei man aber nicht interessiert. Alles was das soziale Elend mildert, hielt Marx für gefährlich, weil es die notwendige prole-tarische Revolution nur verzögere. Daher hat Wohl-tätigkeit für radikale Sozialisten wie Bertold Brecht einen negativen Beigeschmack. 

Unter den engagierten spirituellen Menschen sind jene, die das Wirtschaftssystem als Ganzes umstossen wollen,  sicher  in der Minderheit. Aber  es gibt  sie. So war der Führer der  schwarzen Bürgerrechtsbe-wegung Martin  Luther King  «überzeugt,  dass  jede Religion, die angeblich um die Seelen der Menschen besorgt ist, sich aber nicht um die sozialen und wirt-schaftlichen Verhältnisse kümmert, geistlich gesehen schon vom Tod gezeichnet  ist.» Kings grosses Vor-

bild Gandhi  verband poli-tische Durchsetzungsfähig-keit mit grosser spiritueller Überzeugungskraft.  Über das  Verhältnis  von  Politik und Religion sagte Gandhi in  seiner Autobiografie,  es gäbe für ihn «keine Politik, die nicht zugleich Religion wäre. Politik dient der Re-

ligion. Politik ohne Religion ist eine Menschenfalle, denn sie tötet die Seele.»

Karitative Hilfe oder Systemveränderung? – «So-wohl als auch», meint Bernard Glassman. In seinem Buch «Es geht ums Tun und nicht ums Siegen» (mit Konstantin Wecker) schreibt er: «Es ist einfach, auf das Leben anderer Menschen zu blicken und festzu-stellen, was bei ihnen schief läuft. Weit schwieriger ist es, das System zu durchblicken, das die Menschen erst dahin bringt, dass alles  im Leben schief  läuft, das ihre Wahlmöglichkeiten und ihre Handlungsfrei-heit einschränkt, das sie einzwängt und unter Druck setzt und dann, wenn sie gescheitert sind, wie Müll zur Seite wirft.» Glassman fährt fort: «Wenn wir auf jemanden treffen, der hungrig ist, dann müssen wir ihm zu essen geben. Das spricht uns aber nicht davon frei, uns für ein besseres Sozialsystem zu engagieren, in dem niemand mehr hungern muss.»

Dietrich Bonhoeffer sah die Pflicht eines Christen darin,  «nicht nur die Opfer unter dem Rad zu ver-binden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen.» Von diesem Geist waren auch die Mönche und Nonnen beseelt,  die  2007  friedlich  gegen die Militärdiktatur  in Myanmar (Birma) und gegen die ärmlichen Lebensbedingungen im Land demonstrier-ten. Die Buddhisten  setzten  sich mutig  über  eine Reihe von Warnungen und Demonstrationsverboten hinweg. Die Polizei knüppelte mit Bambusrohren auf Betende ein. Mönche wurden verhaftet und bewusst-

los geschlagen, einige von ihnen erschossen. Glaube lässt die politische Aktion nicht nur zu, er  verleiht  oft  zusätzliche Kraft. Man hat  den Religionen oft vorgeworfen, das Diesseits gering zu schätzen. Andererseits: wer glaubt, es gäbe nur dieses kurze Leben und keine Werte ausser denen der Ge-sellschaft wird vielleicht nicht den Mut zur Rebellion aufbringen. Sein kleines Leben, seine Bequemlichkeit ist für den «Unspirituellen» übermässig mit Bedeutung aufgeladen. Endet ein solches Leben im Gefängnis oder auf dem Schafott, stirbt damit alles, was für den Betreffenden zählt. 

«Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können», sagt Jesus im Mat-thäus-Evangelium. Und Petrus vor dem Hohen Rat: «Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.» (Apostelgeschichte) Nimmt man diese Stellen ernst, so ermutigen sie jeden durch das Gewissen begrün-deten Widerstand gegen die Obrigkeit. Religion sollte die Bedeutung irdischer Machtverhältnisse relativie-ren. Sie sollte Menschen mit einem inneren Bezirk in Kontakt bringen, der nicht korrumpierbar ist. Religion 

sollte  eine  Perspektive  jenseits  ökonomischer  und physischer Zwänge aufzeigen. Eine Religion, die nicht befreit, ist eine Religion, von der sich die Menschen befreien müssen.

Spiritualität, wie ich sie hier meine, kann man als «mystisch» bezeichnen. Gemeint ist eine un-mittelbare  Erfahrung der  geistigen Kraft,  die  alles hervorbringt und durchdringt. Man mag diese Kraft «Gott» nennen oder eine andere Bezeichnung wählen. Entscheidend ist: Aus dem Einheitsgefühl erwächst das Verantwortungsgefühl. Ohne das Bewusstsein der Einheit ist ethisches Handeln oft nur Duckmäu-sertum vor einem imaginären himmlischen Vorge-setzten. Spirituelle Menschen brauchen die Welt. Sie brauchen die Tat,  um  sich  zu erden und nicht  im Narzissmus der Selbstoptimierung stecken zu blei-ben. Aber umgekehrt gilt auch: Die Politik braucht spirituelle, ethisch sensible Menschen.

Freilich haben spirituelle Menschen in der Realpo-litik Seltenheitswert, und genauso sieht unsere Welt auch aus. Der Geschichtsphilosoph Arnold J. Toynbee bedauerte es, dass die meisten integren Menschen die  «Beschmutzung»  durch Politik  fürchten.  «Denn die  Politik  kann nicht  erlöst werden,  es  sei  denn, die edelsten Geister widmen sich dieser wenig an-ziehenden Aufgabe.»

Martin Luther King war «überzeugt, dass jede Religion, die angeblich um die Seelen der Menschen besorgt ist, sich aber nicht um die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse kümmert, geistlich gesehen schon vom Tod gezeichnet ist.» Eine Religion, die nicht befreit, 

ist eine Religion, von der sich die Menschen befreien müssen.

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Spiritualität & Politik

Zeitpunkt 121  11

reIfe spIrItualItät Ist pOlItIsch   von Gary Zemp

Wer tausend Menschen fragen würde, was  sie unter  Spiritualität  verstehen, bekäme  vermutlich  tausend  verschiedene Antworten. Das ist schon ganz typisch: Spi-ritualität entzieht sich der Objektivität. Wir  kommen  dem  Begriff  etwas  näher, wenn wir  ein  anerkanntes  und nachvoll-ziehbares Menschenbild zu Hilfe nehmen. Es  geht  von vier  Seins-Ebenen aus.  Jeder Ebene  sind  typische Bedürfnisse und be-sondere Fähigkeiten zugeordnet, sogenann-te Intelligenzen, die für die Befriedigung der entsprechenden Bedürfnisse sorgen.

Die Basis  des Menschseins  ist  der Kör-per mit  seiner  biologisch-instinktiven  In-telligenz. Sie vermeidet Schmerz und sucht Wohlbefinden. Darauf aufbauend hat  sich die  emotionale  Intelligenz  entwickelt,  die sich besonders um das Gelingen von Be-ziehungen kümmert. Die  dritte  Ebene  ist die  Ratio,  der Verstand mit  seiner  Fähig-keit, vergleichend verstehen zu können. Er ist heute so zentral, dass er zur Intelligenz an  sich  geworden  ist.  Er  sorgt  vor  allem dafür, dass wir effizient und «richtig» han-deln. Menschen, die eine besonders grosse Verstandesintelligenz  haben und  sie  auch trainieren, nennen wir klug. 

Die vierte Ebene kann man die intuitiv-spirituelle Ebene nennen.  Ihre  Intelligenz wird  in  der  Literatur  unterschiedlich  be-nannt: Spirituelle Intelligenz, empathische Intelligenz oder, etwas verkürzt, ganz ein-fach Intuition. Sie gibt Einsicht in den Sinn unserer  Tuns  und hilft  uns,  die  richtigen Dinge zu tun. Sie funktioniert anders als die übrigen Intelligenzen, die mit unserem Wil-len geführt und gefördert werden können. Spirituelle Intelligenz hat eine Zugangstüre: die Intuition. Sie öffnet sich nur, wenn wir zu empfangen bereit sind, was der Geist uns zu sagen hat. Sie bleibt  jedoch verschlos-sen, wenn wir sie aktiv öffnen wollen. Die spirituelle  Intelligenz  kann das Meer  des Unbewussten zu Rate und «Fische» aus dem Ozean des Wissens der Menschheit ziehen. Diese intuitiven Einsichten oder als Bilder wahrnehmbaren  Inspirationen  empfinden wir als weise.

Die spirituelle Intelligenz – nennen wir sie einfach Spirit – können wir wie alle For-men menschlicher Intelligenz trainieren und seine Fähigkeiten ausweiten. Menschen, die das tun, z.B. durch Meditation oder andere Formen des inneren Zuhörens, nenne ich spirituell. Reife spirituelle Menschen sind für mich diejenigen, welche die Führung ihres Lebens ihrem Spirit übergeben haben, aus Erfahrung, dass er ihr Leben harmonisiert, die Bedürfnisse aller Ebenen ins Gleichge-wicht bringt und dem Tun und Lassen Sinn vermittelt. Mit zunehmendem Vertrauen in seine Fähigkeiten wächst bei abnehmender Egozentrik  das  Selbstbewusstsein,  Leben-sängste verschwinden und werden ersetzt durch Gefühle der Dankbarkeit, des Glücks und der Demut. Das  ist  aber noch  längst nicht alles!

Der Volksmund nennt  den  Spirit  Seele, etymologisch verwandt dem «See», Symbol für unergründliche Tiefe und Unendlichkeit. Je stärker ich mich der Seele hingebe und ihr vertraue, desto mehr spüre ich im tiefsten Kern  meines  individuellen  einzigartigen Wesens die Verbindung mit den andern in-dividuellen einzigartigen Wesen. Alle Men-schen und alle Lebewesen, alle Tiere und alle Pflanzen  sind  im Grunde  ihres  Seins miteinander verbunden. Die Seele, die ich nicht habe, sondern wesenhaft bin, eröffnet die Erkenntnis der Allverbundenheit. Diese Erfahrung verändert unser Leben.

Wir spüren, dass wir nicht allein sind. Wir spüren, dass wir als ein einzigartiges Ganzes Teil einer einzigartigen ganzen Welt sind und diese Welt auch ein Teil unseres Menschseins ist. Es wird uns bewusst, dass wir Menschen Mitschöpfer dieser Welt sind und Verantwor-tung für unsere Schöpfung tragen, die ein 

Teil von uns ist. Je weiter unser Bewusstsein wird, umso offensichtlicher wird die Tatsa-che, dass die Verantwortung für uns dieselbe ist, wie die für die Welt. Selbstverwirklichung wird zur Weltentwicklung.

In unserer dualen Welt, in der sich die Menschen voneinander und von der Natur getrennt fühlen, ist es Aufgabe der Politik, das  Zusammenleben  der  Menschen  un-tereinander und mit der Natur zu ordnen. Der reife spirituelle Mensch, der die Welt als Teil seiner Selbst wahrnimmt und Ver-antwortung dafür übernimmt,  lebt fraglos politisch.  Seine  Authentizität  lässt  keine andere  Lebensweise  zu. Dabei meine  ich nicht, dass sich alle spirituellen Menschen in der Politik im engeren Sinn engagieren müssen.  Ich meine,  dass  alle  spirituellen Menschen politisch  handeln, was  immer sie auch tun. Wichtig ist, dass immer mehr Menschen  ihre  spirituelle  Intelligenz we-cken, ihre weltumfassende Seele erkennen und ihr vertrauensvoll die Führung überge-ben. Dann werden alle Lebensbereiche von Mitgefühl und Kooperation durchdrungen, auch die Politik im engeren Sinn.

Der  bevorstehende Paradigmenwechsel vom Bewusstsein  des Getrenntseins  zum Bewusstsein  der Allverbundenheit  drückt sich weltweit in Millionen von kleinen und grösseren menschlichen Organisationen aus, die den Keim dieser Transformation in sich tragen. Eine davon ist ein schweizerischer Verein namens Integrale Politik, der sich als Partei und politische Bewegung versteht. Er hat  sich  vorgenommen,  das Bewusstsein der  Allverbundenheit  auf  demokratische Art und Weise in die Politik zu tragen. Wir alle wissen oder ahnen, dass die Politik des getrennten Gegeneinanders über kurz oder lang zu Ende geht. Wir dürfen uns freuen, dass  die  Politik  des  allverbundenen Mit-einanders sich formiert und langsam aber sicher den Wählerinnen und Wählern als Alternative zur Verfügung steht.

Der Autor ist Unternehmer in Luzern, engagiert sich in der Männerarbeit und ist Ko-Prä-sident des Vereins «Integrale Politik».

www.integrale-politik.chwww.von-mann-zu-mann.chwww.zempag.ch

Der reife spirituelle Mensch, der die Welt als Teil seiner Selbst wahrnimmt und Verantwortung dafür übernimmt, lebt fraglos politisch. Seine Authentizität lässt keine andere Lebensweise zu.

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Spiritualität & Politik

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der geIst Ist unendlIchund seine Heimat sind wir

Mit Meditation die Welt verändern – die letzte verbliebene Methode oder der Anfang einer wirklichen Wende?  Ein Augenschein an einem «MedMob» in Berlin     von Christine Ax

das Wetter hat uns in diesem Jahr ziem-lich im Stich gelassen. Ich stehe im Ber-liner Tiergarten am Rande des «Global Stone»-Projektes und freue mich, dass hin und wieder die Sonne durchkommt. 

Steine aus fünf Kontinenten wurden unter der Lei-tung von Wolfgang Kraker von Schwarzenfeld hier platziert. Jeder Stein hat einen Geschwisterstein zu Hause zurückgelassen. Der österreichische Künstler und Weltumsegler möchte mit dieser Installation die Verbundenheit aller Menschen auf allen Kontinenten sichtbar machen. Die Steine sind geografisch so aus-gerichtet,  dass  sie mit  kosmischer Hilfe mit  ihren Geschwistersteinen in Verbindung stehen. 

Die schön polierte, schwarze Zunge kommt aus Afrika und wird «Hoffnung» genannt. Der rosa Wahl-fisch mit den schönen weiss-beigen Streifen ist der «Stein der Liebe» und  lag bis 1997 auf dem Gebiet der Pemón-Indianer in Venezuela. Ausgerechnet der Stein der Liebe sorgt seit Jahren für Verdruss. Es gibt Pemón, die behaupten, er sei heilig und gestohlen worden. Der Geschwisterstein fühle sich jetzt einsam. Und regnen könne es auch erst wieder, wenn er zu-rück ist. Inzwischen beschäftigen sich das Auswärtige Amt, die Venezuelanische Regierung und die Medien mit dem Fall.

Wolfgang Kraker von Schwarzenfeld und die Eth-nologen, die ihm mit Gutachten zu Hilfe eilen, er-zählen die andere Seite der Geschichte. Der Stein 

wurde  ihnen  offiziell  geschenkt.  Ausserdem  gibt es Dokumente, die das rechtmässige Verhalten be-weisen. Allein: Was vermag ein solcher Schriftsatz, wenn wir uns  im Bereich  religiöser Vorstellungen bewegen? 

Das ist nicht nur im Venezuela der Fall. Es gilt auch für Berlin. Unweit der Wiese stehen prächtige Ge-bäude, in denen Männer in goldbestickten Soutanen uns weismachen wollen, dass es Jungfrauen gibt, die Kinder bekommen. Wir bezahlen sie gut dafür. Unter der Kuppel des Bundestages gibt es Politiker, die mit Inbrunst das Recht verteidigen, Neugeborenen nach der Geburt eine harmlose Hautfalte abzuschneiden. Täglich beschwören seriös aussehende Männer und Frauen unendliches Wachstum  in  einer  endlichen Welt als Ausweg aus jeder Art von Krise. Bei Gott! Auch wir leben in Widersprüchen!

Ich  aber  bin  heute Nachmittag  nicht wegen der Steine  hier,  sondern weil  ich  der  Einladung  einer jungen Frau gefolgt bin. Felictas Knitsch kenne ich seit Mai diesen Jahres. Schon bei unserer ersten Be-gegnung hat sie mir von ihrem Wunsch erzählt Med-Mobs  zu organisieren. Von  «Flash-Mobs»  hatte  ich reden hören. Von MedMobs nicht. FlashMobs sind eine Erfindungen der Web 2.0-Generation. Man ver-abredet sich auf facebook zu einer überraschenden gemeinsamen Aktivität  im öffentlichen Raum. Wer kommt,  der  kommt  –  und bleibt,  um ein Beispiel zu nennen, auf ein vereinbartes Zeichen, für einige Minuten regungslos.

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Verschließe nicht deine Augen vor dem Leiden und lasse dein Bewusstsein nicht für seine Existenz abstumpfen.

Buddha

Die  MedMob-Bewegung  gibt  es  seit  Anfang 2011. Inzwischen wird weltweit in 350 Städten öf-fentlich meditiert, u.a.  in Berlin, München, Zürich. Die Einladung zum achten Berliner «MedMob» dieses Jahres verdankt Berlin einem Zufall. Felizitas hatte im Frühjahr ein Youtube-Video gesehen, das sie nicht mehr  losliess.  Es  zeigt  300 Menschen  aller Alters-gruppen, Hautfarben und Religionen wie sie am 28. August  2011  im  State Capitol Building  gemeinsam meditieren. Ein bewegender Moment. Ich kann ihre Begeisterung verstehen. 

Auf dem Einladungsflyer steht: «Let us share a mo-ment in love. Human beings unite in meditation every month at the same time in all big cities across our lovely planet. Be part & feel magic.» Und: «Triff Dich hier in Berlin in liebevoller Verbundenheit mit Deinen Mitmenschen. Wir gehören keiner bestimmten Religi-on, Konfession, spirituellen oder politischen Richtung an. Jeder kann nach Belieben kommen und gehen, wie es gerade eben passt. Sitz, lieg, schlaf, bete, me-ditiere oder levitiere. Hauptsache Du kommst.» 

Dass der Juli-MedMob inmitten des Gobal Stone Projekt  stattfindet,  ist  auch  so  ein Zufall.  Felizitas hört von den Auseinandersetzungen um den Stein der Liebe an diesem Nachmittag zum ersten Mal. Ich 

sitze im Kreis derjenigen, die wie ich zu früh kamen. Wir plaudern und finden, dass Felizitas den Ort gut ausgewählt hat. Wir fragen uns, ob die liebevollen Gedanken, die heute in den Äther geschickt werden, dazu beitragen werden, die deutsch-venezuelanische Krise in der causa «Stein der Liebe» zu befrieden. 

Das gemeinsame Meditieren soll übrigens nicht nur uns gut tun, sondern ganz objektiv den Welt-frieden und das Glück der Menschheit  befördern. Anhänger der Transzentalen Meditation zum Beispiel halten es  für wissenschaftlich belegt, dass TM die Kriminialität senkt und Wohlstand, Glück und Ge-sundheit fördert. Ich weiss nicht so richtig, was ich davon halten soll. Und ich frage mich, ob gemein-sames Beten, Singen oder Stricken – sofern es mit den gleichen Absichten erfolgt – nicht den gleichen Effekt haben kann. (Siehe Kasten). 

Neben mir sitzt Bhaisa-Titali-Joy (Foto). In seinem früheren Leben war er Bretone. Dies war  ihm be-merkenswerter Weise möglich, ohne jemals Franzose zu sein. Als Jugendlicher wollte er nach Tahiti. Tat-sächlich wurde daraus eine lange Reise zum eigenen Selbst. Ein anderes haben wir ja nicht. Mir drängt sich der Eindruck auf, er ist dort tatsächlich angekommen. Der  freischaffende Guru  lebt seit mehreren  Jahren in Berlin und übt in dieser «wahnsinnig spirituellen Stadt» die «Kunst des SEINS» aus. Bhaisa-Titali-Joy ist an  diesem  Samstagnachmittag  der  bunteste  Fleck am Horizont. 

Nicht  nur  er,  auch  Sarah  –  Künstlerin  und  ur-sprünglich aus Neuseeland –  ist  seit  Stunden hier. Als  die  Sonne  am höchsten  stand, waren  sie  und Bhaisa-Titali-Joy  in  einer Meditation  zugunsten 

Es wird still. Fünfundvierzig Minuten liegt ein lautes  Schweigen über dem Gelände.

Der Geist ist unendlich

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des  Chief  Raoni  vereint.  Der  Häuptling  ist  einer der prominentesten Verteidiger des brasilianischen Urwalds und der Völker, die dort leben. Sein Volk wehrt sich schon seit Jahrzehnten gegen die Pläne der brasilianischen Regierung, den Fluss Xingu zu stauen, um mit Hilfe eines gigantischen Wasserkraft-werkes Elektrizität zu erzeugen. Gegen dieses Projekt hatten im Mai 2008 rund 1 000 betroffene indigene Gruppen und Flussanwohner in Altamira erfolgreich protestiert. Sarah ist dem Chief 1992 auf der Rio+10 Konferenz begegnet. 

Während  wir  noch  darüber  spekulieren,  ob und wie die positive Energie des Meditierens der Welt gut tut, füllt sich die Wiese. Immer mehr BerlinerInnen – jung und alt – betreten die Bühne. Man begrüsst sich und setzt sich auf eine der mitge-brachten Unterlagen. 

Schon als ich Felizitas zum ersten Mal traf, war sie auf dem Sprung nach Indien. Sie hatte den Auftrag übernommen, vor Ort herauszufinden, welchen Nut-zen eine Software stiften kann, die den Vertrieb einer «Grünen Kiste» unterstützt. Lokale Produkte schnell und ohne Zwischenhandel  an AbnehmerInnen  zu bringen, wäre ein guter Beitrag für eine Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft. 

Felizitas gehört  zu einer Generation, die mit der Globalisierung gross geworden ist. Man könnte sagen, sie ist das menschlichste Gesicht dieser Entwicklung. Felizitas hat in Christchurch, Neuseeland, Soziologie und Spanisch studiert. Ihre Freundin in Ägypten. Sie haben Freunde  in  der  ganzen Welt.  Indien  ist  ih-ren Herzen ebenso nah, wie der Vorort in Sachsen, in dem ihre Eltern eine ganze Woche und mit dem ganzen Dorf  die  Silberne Hochzeit  gefeiert  haben. Nachhaltigkeit ist ein Wert, mit dem sie gross gewor-den ist. Zwanzig Jahre hat ihre Familie hart gearbeitet, um ihren Traum zu  leben: Heute gehört  ihnen ein ‹Ferien-auf-dem-Bauernhof›-Hof mit angeschlossener Gastwirtschaft. Was auf den Tisch kommt, ist aus der Region und mit Raffinesse zubereitet. Politik interes-siert Felizitas. Sie ist ein politischer Mensch. Aber das Wichtigste für sie ist, dass wir selber die Veränderung sind, die wir anstreben. Sie will nicht nur über das gute  Leben  reden,  sie möchte  es  leben. Mit  ihrem grossen Herzen  ist  sie mit Haut  und Haar  auf  der Suche nach einer guten (besseren) Zukunft für alle. 

Meditation ist für sie der Weg, Kraft und Frieden zu finden. Sie sagt, der Weg nach innen hilft ihr, sich von  Fremdbestimmung und Konsumwünschen  zu befreien: «Wir können nicht immer andere Menschen oder die Umwelt für unsere Unzufriedenheit verant-wortlich machen.» Ohne das grosse Erdbeben 2011 wäre sie vermutlich immer noch in Neuseeland. Die bebende Erde hatte ihr kurzzeitig den Boden unter den Füssen weggezogen. Jetzt ist sie seit einem Jahr in Deutschland. Frisch verliebt, wie sie ist, strahlt sie noch mehr Glück und Zuversicht aus, als bei unserer letzten Begegnung. 

Jetzt hat irgendjemand das Zeichen zum Medita-tionsbeginn gegeben. Es wird still. Fünfundvierzig Minuten liegt ein lautes Schweigen über dem Global Stone Gelände. Vereinzelt  hört man Kinder  rufen oder ein Hupen. Spaziergänger bleiben stehen. Sie reden nur noch leise oder raunen. Manchmal setzt sich  jemand dazu oder geht weg. Ein fremdartiger Duft verbreitet sich auf dem Platz. Seltsam was hier so alles wächst. Neben Gänseblümchen und Klee-blätter schiessen neuerdings auch Räucherstäbchen aus dem Boden.

Nach 45 Minuten tauchen alle wieder auf. Arme und Beine werden schlenkernd aufgeweckt. Ein An-flug von Verlegenheit macht sich breit. Gut, dass jetzt selbst gebackene Kekse die Runde machen. Medi-tieren macht hungrig. Wir werden von einem Musi-ker-Ehepaar eingeladen an einer Mantra-Meditation teilzunehmen. Manche folgen der freundlichen Einla-dung. Wenige Minuten später höre ich fremdländische Melodien erklingen. Die meisten gehen genauso leise und unauffällig, wie sie gekommen sind. 

Als ich mich verabschiede, lerne ich Felizitas’ beste Freundin kennen. Sie war bis vor kurzem in Ägypten und hat den politischen Umbruch so lange miterlebt, 

Make love not war. Gerade weil mir das so bekannt vorkommt, frage ich mich, warum in den letzten 40 Jahren trotzdem so viel schief gegangen ist. Was haben wir falsch gemacht?

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bis es für sie gefährlich wurde. Eine weitere junge Frau gesellt sich zu uns. Sie ist zum zweiten Mal da-bei und erzählt, dass sie lange Zeit immer wütender wurde über das Schlechte  in der Welt. Weil sie es nicht ändern kann. Sie will mit soviel negativer En-ergie nicht leben. Seit sie meditiert, geht es ihr viel besser. 

Wir sprechen auch über andere Formen politischen Engagements. Reicht es, den Frieden und das Glück in uns zu entwickeln oder sollten wir auch versuchen, etwas  an  den Machtverhältnissen  zu  ändern?  Für diese  jungen Frauen gibt  es diesen Gegensatz  gar nicht. Sie sind sich sicher, dass jeder die Möglichkeit 

hat als «Social Entrepreneur» die Welt zu verbessern. Darin sehen Sie ihre Berufung. 

Als  ich  am  frühen Abend  in  Richtung Bahnhof gehe, bin  ich voller Vertrauen  in diese Menschen. Alle wollen das Gute in die Welt bringen. Mir fallen Songs und Sprüche aus meiner  Jugend ein:  «Make love not war» oder «Freedom is just another word for nothing have to loose.» Aber gerade weil mir das alles so bekannt vorkommt, frage ich mich, warum in den letzten 40 Jahren trotzdem so viel schief gegangen ist. Was haben wir falsch gemacht? 

www.globalstone.de | www.medmob.org 

Die einen halten  ihn  für eine Spinnerei, die anderen schwören auf seine Wissenschaftlichkeit. Worum geht´s? Weltweit gibt es viele tausend Anhänger einer Meditati-onspraxis, die sich «Transzendentale Meditation» nennt, nachfolgend kurz TM genannt. Gegründet wurde die TM von Maharishi Mahesh Yogi, einem 2008 verstorbenen indischen Guru, der  lange Zeit  in den USA, auf dem Seelisberg in der Innerschweiz und in den Niederlanden wirkte. Er hinterliess eine weltweit tätige und angeblich sehr wohlhabende Organisation. Zu seiner Bekanntheit trugen ganz massgeblich prominente Anhänger wie die Beatles, die Rolling Stones, Mike Love (The Beach Boys), Donovan, Mia Farrow und Shirley MacLaine bei, die die Flower-Power-Bewegung in den 60er und 70er Jahren inspirierten. 

Die spezielle TM-Technik hat nach Maharishi Mahesh Yogi ihren Ursprung in den indischen Veden. Nur zerti-fizierte Lehrer dürfen die TM-Technik unterrichten – es handelt sich um einen geschützten Markenbegriff. Ein wesentliches Element dieser Meditation sind Mantras, die die Schüler von ihren TM-Lehrer an die Hand be-kommen, um über sie zu meditieren. Insider behaupten, es handle sich um die Namen von Göttern aus den in-dischen Veden. 

Die Anhänger der Transzendentalen Meditation gehen davon aus, dass schon eine relativ kleine Zahl Meditie-render und eine noch kleiner Zahl von Yogis, die das «yogische Fliegen» beherrschen, einen ausserordentlich positiven Einfluss auf die Welt haben. Wenn  ein Prozent der Bevölkerung einer Gemeinde, einer Stadt oder eines Landes meditiere oder die Quadratwurzel von einem Pro-zent der Bevölkerung das yogische Fliegen ausübe, dann würde die Kriminalität sinken, die Kreativität, Gesundheit und Wohlstand zunehmen. In diesem Zusammenhang verweisen sie auf einen Meditationsevent in Washing-ton. 2 000 Meditierende sollen im Juni und Juli 1993 die Ursache dafür gewesen sein, dass die Kriminalität um bis zu 30 Prozent gesunken sei. Die Anhänger der TM-These berufen sich auf über 50 Studien, die nach wissenschaftlichen Kriterien diesen so genannten Ma-harishi Effekte belegen sollen. Es gibt eine ganze Reihe anderer Wissenschaftler, die den eindeutigen Zusam-menhang zwischen solchen Gruppenmeditationen und den behaupteten Effekten bezweifeln. 

Besonders aktiv wirbt der US-Filmemacher David Lynch für TM und den Maharishi-Effekt, der inzwischen zu einer Theorie der «Unbesiegbarkeit» von Ländern und Armeen ausgebaut wurde. Die These der TM-Unbesiegbarkeits-Theorie lautet: Wenn alle Armeen dieser Erde einen Teil 

ihrer Soldaten täglich meditieren liessen, dann wirke dies für die betreffende Armee oder das betreffende Land wie ein unbesiegbares Schutzschild und es sei tausend Mal wirksamer als alle Waffen. 

Für das sogenannte «yogische Fliegen» – die Fä-higkeit von Yogis, sich während des Meditierens vom Boden zu erheben und die Schwerkraft zu überwinden (Levitation), scheint es bisher keine Belege zu geben. Zumindest gibt es keine Filme, die diese Fähigkeit zwei-felsfrei dokumentieren. 

In Deutschland, Österreich und der Schweiz grün-deten TM-Anhänger die Naturgesetzpartei, für die das Meditieren und die spirituelle Entwicklung im Zentrum ihres politischen Programms standen. Spiritualität  ist auch der Schlüssel zum Verständnis der Partei «Die Violetten». In ihrer Präambel ist unter anderem zu lesen: «Jede Veränderung, die wir bewirken möchten, beginnt bei uns selbst. Möchten wir die Welt verändern, so müs-sen wir zuerst unser Bewusstsein, unsere Einstellungen verändern.» Auch sie gehen davon aus, dass unsere Gedanken und Gefühle unmittelbar auf die persönliche Umgebung und die Welt Einfluss nehmen. Unumstritten scheint zu sein, dass regelmässiges Meditieren den Blut-druck wirksamer senkt als viele Medikamente.   CAhttp://www.meditation.de/; www.invincibledefense.org

Der Maharishi Effekt

Der Geist ist unendlich

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Spiritualität & Politik

16  Zeitpunkt 121

dIe kraft der Seele

Ob Rajagopal P.V. einmal als Nachfolger Gandhis  in  den  Geschichtsbüchern geführt wird, wissen wir noch nicht, aber  Anhaltspunkte  gibt  es  schon. Rajagopal wurde 1948, ein paar Mo-

nate nach Gandhis Ermordung geboren. Der grosse indische  Freiheitskämpfer  hatte  eines  seiner  gros-sen Ziele  erreicht:  die Befreiung  Indiens  von  der britischen Kolonialherrschaft. Das andere, die Auf-hebung des Kastensystems und der Benachteiligung der Unberührbaren, blieb unerfüllte Verfassungsbe-stimmung. 

Während Gandhi den gewaltlosen Widerstand ge-gen einen klar definierten Feind führte, muss Rajago-pal diese Methode gegen einen unsichtbaren Gegner in vielen Gestalten mobilisieren: gegen eine uralte, ungerechte Tradition, gegen Korruption und gegen den  ökonomischen  Mainstream.  Die  globalisierte indische Wirtschaft mit ihrem wachsenden Hunger nach  Land, Wasser  und Naturräumen,  bringt  den indischen Ureinwohnern,  die  kastenlosen Adivasi nichts,  sondern  stürzt  sie  immer weiter  ins Elend. Zehntausende von indischen Kleinbauern, die sich jedes  Jahr das Leben nehmen,  sind nur die Spitze eines Eisbergs der Ungerechtigkeit.

Rajagopals Vater war selber in Gandhis Bewegung aktiv, musste mehrmals untertauchen oder ins Ge-fängnis  und  lebte  auch  nach  der Unabhängigkeit 

getrennt von der Familie in einem Gandhi-Ashram. Rajagopal selber verbrachte seine Kindheit mit Ge-schwistern und Mutter bei einem Onkel auf dem Dorf. Kurz nach Eintritt in die ungeliebte, weil langweilige Schule, zog er zu seinem Vater in den Ashram und machte  erste Bekanntschaft mit Gandhis  Philoso-phie. Eigenverantwortung, Selbstversorgung, Lernen, Arbeit und Gemeinschaft – «der Gandhi in mir war nicht meine Wahl», sagt Rajagopal heute. Aber:  «Er entwickelte sich  in meiner Kindheit und blieb mir ein ganzes Leben im Blut.»

Eine  zweite grosse Wende nahm sein Leben, als  ihm  ein Wahrsager,  dessen  Papagei  eine  ent-sprechende Karte herausgepickt hatte, eine bedeut-same Zukunft  als Künstler verhiess. Der elfjährige Rajagopal war  elektrisiert: Die  Prophezeiung  gab seiner Leidenschaft für Musik und Theater ein Ziel und er bearbeitete seine Eltern, bis sie endlich der Ausbildung zum Kathakali-Tänzer zustimmten. Kat-hakali ist ein expressives indisches Tanztheater mit aufwändigen Masken, Literatur, Musik und Gesang. Rajagopal wurde an einer Eliteschule zugelassen. Der Arbeitstag begann um drei Uhr morgens und um-fasste harte Körperübungen, das Auswendiglernen unzähliger spiritueller Geschichten in Sanskrit, Mu-sik, Gesang und natürlich Tanz – vier anstrengende Jahre lang. Mit 15 Jahren reiste er mit verschiedenen 

Eine politische Willenskundgebung dieser Grösse wird die Welt noch nie gesehen haben: Am 2. Oktober machen sich 100 000 landlose und entrechtete Inderinnen und Inder auf einen einmonatigen Sternmarsch nach Delhi, um endlich die Umsetzung ihrer längst bestehenden Landrechte einzu-fordern. Hinter der seit fünf Jahren geplanten Kampagne steht eine grosse Bewegung der Kastenlosen, ein Mann des gewaltlosen Widerstandes und ein kleines bisschen auch die Schweiz.

von Christoph Pfluger

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Kathakali-Gruppen durch Indien und lernte, mit sei-ner Kunst die Herzen der Menschen zu berühren. Nach drei Jahren erkannte er, dass er damit vor allem den Mittelstand erfreute. Die Armen, die täglich um ihr Leben kämpften, erreichte er nicht – der nächste Wendepunkt bahnte sich an. Rajagopal nahm mit 18 Jahren eine landwirtschaftliche Ausbildung in Gand-his erstem Ashram in Sevagram in Angriff. Der Zufall wollte  es,  dass  er  dem  strengen deutschen  Lehrer für internationale Beziehungen Hans A. De Boer als Diener zugeordnet wurde. Der Friedensaktivist, der in vielen Ländern gegen Diktaturen gekämpft hatte, war selber ein kleiner Diktator und tolerierte nichts, was nicht der Ausbildung diente, wie sich Rajagopal heute erinnert. «Er zeigte mir, wie wichtig es ist, dass man systematisch seinen Weg gehen muss, um ein grosses Ziel  zu erreichen, ohne sich auf Abwegen zu verlieren.»

1969 feierte Indien Gandhis 100. Geburtstag – Ra-jagopal war 21 Jahre alt und reif  für eine nächste Wende. Die Gandhi-Vereinigungen wollten in einer grossen, mobilen Ausstellung Gandhis Werdegang vom  schüchternen  jungen Mann  zum  furchtlosen, gewaltfreien Staatengründer zeigen und suchten Be-gleiter, die die Besucher durch den  langen Eisen-bahnzug führten. Rajagopal war mit dabei. Vielleicht über  tausend Mal erzählte Rajagopal Schulklassen und  anderen Besuchern Gandhis  bewegende  Le-

bensgeschichte,  bis  ihn  die  Frage  eines  kleinen Jungen im Herzen traf: «Haben Sie den gewaltlosen Widerstand selber auch schon praktiziert?» Hatte er nicht. Aber dazu würde sich schon bald Gelegenheit bieten, und wie!

Subba  Rao,  der Direktor  des Ausstellungszuges beschloss nämlich, mit seinem Honorar einen Gan-dhi-Ashram  in  einer der  gewalttätigsten Regionen Indiens  zu  errichten,  dem Chambal-Tal. Das war Rajagopals Chance. Mit drei anderen  jungen Män-nern  zog  er  in  das  von  Tausenden  von Banditen terrorisierte Tal, in dem viele Leute Waffen trugen und ihre Häuser nach Einbruch der Dämmerung fest verschlossen. Den Banditen gefielen die Fremdlinge gar nicht, die  sich  rasch mit der Bevölkerung an-freundeten und den Jungen gesunde Lebensgrund-lagen  ausserhalb  des  Bandentums  aufzeigten.  Es dauerte nicht lange, und sie stürmten eines Abends schwer  bewaffnet  den Ashram,  schlugen  die  vier halb bewusstlos und gaben ihnen eine Woche Zeit zu verschwinden. Andernfalls würden  sie getötet. Die vier blieben standhaft und handelten sich eini-gen Respekt im Tal ein. 

Eine Woche später war es so weit: Die Banditen waren wieder da, erneuerten ihre Warnung ein «al-lerletztes» Mal und  raubten  ihnen alles bis auf die Unterhosen. Nach einer Runde am wärmenden 

Ekta Parishad legt grossen Wert auf Frauenförderung. 

(Bilder: Ekta Parishad)

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Feuer holten sie sich den Mut und die Überzeugung zurück. Wegzugehen hätte bedeutet, den Weg der Gewaltlosigkeit scheitern zu lassen. Und das konnte nicht sein. Für Rajagopal war dies der Moment,  in dem die von Gandhi beschriebene Seelenkraft  er-wachte. Die Kraft, die stärker ist als jede Gewalt. 

Die Banditen kehrten nicht wieder, aber die Kraft konnten  sie  zur  Wiederherstellung  ihrer  Lebens-grundlagen gut gebrauchen. Sie erledigten handwerk-liche Arbeiten für die Bevölkerung, beschäftigten sich mit den Kindern und erhielten so das Vertrauen der Bevölkerung, die ihnen Lebensmittel schenkte, die bald auch für Besucher des Ashrams reichten. Nach der Lancierung eines Strassenbauprojektes, an dem sich  schon nach wenigen Monaten Hunderte  von Jugendlichen beteiligten, war  die Zeit  gekommen, in der Konfrontation mit der Kriminalität den Spiess umzudrehen. Über  die Bevölkerung wurden Kon-takte hergestellt, und Rajagopal und seine Freunde fuhren immer wieder bei Nacht und Nebel  in den Wald, um im Gespräch mit den Banditen ihre Motive zu erkennen. Und siehe da: Sie raubten, weil sie keine andere Möglichkeit kannten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. 

«Natürlich ist es extrem anspruchsvoll, gewalt-los  zu  verhandeln!»  sagt  Rajagopal.  «Es  gilt, mit grossem Selbstvertrauen und ohne Furcht aufzutre-ten. Und man darf keinesfalls in Eile sein. In der Tat kann man es mit dem Aufbau einer tiefen Liebesbe-ziehung vergleichen: Man sollte nichts überstürzen, sondern beiden Partnern Zeit  lassen,  einander  zu verstehen.» 

Um die Banditen zur Niederlegung der Waffen zu bewegen, musste die Regierung eingeschaltet wer-den. Der Verzicht  auf  die  Todesstrafe wurde  aus-gehandelt, eine Ausbildung während der zehn- bis fünfzehnjährigen Gefängnisstrafe, zehn Hektar Land zur Bewirtschaftung nach der Entlassung sowie Für-sorge für die Kinder in der Zwischenzeit. So kam es, dass innerhalb zweier Jahre über tausend Bandenmit-glieder ihre Waffen niederlegten und sich den Behör-den stellten. Ein Wunder! Und ein junger Mann und die alte Idee der Gewaltlosigkeit standen an seinem Anfang. Auch die Bevölkerung wurde zur Versöh-nung aufgerufen, und in den Gefängnissen kam es zu berührenden Versöhnungen zwischen geläuterten Mördern und den Angehörigen ihrer Opfer. Aber Ra-jagopals Arbeit erreichte die Ärmsten nicht. Von der Befriedung profitierte vor allem der Mittelstand. 

Langsam reifte der Entschluss, sich ganz für die Adivasi einzusetzen, die kastenlosen Ureinwohner, die unter der wirtschaftlichen Entwicklung vor allem leiden und leicht in lebenslange Schuldknechtschaft geraten, zum Beispiel wegen eines Kredits für Me-dikamente. Allen  bestehenden Gesetzen  zu  ihrem Schutz und allen Versprechungen der Regierung zum Trotz, verschlechtert sich ihre Lage kontinuierlich. 

Er begann mit der Bildung von Selbsthilfegruppen und der Schulung von Aktivisten, vor allem mit Ju-gendlichen, wie schon im Chambal-Tal. Die Ausbil-dung beginnt mit der Stärkung des Selbstvertrauens, das von Kindheit an von einer für Westler unbegreif-lichen Angst vor Angehörigen hoher Kasten, Regie-rungsbeamten oder Reichen gelähmt wird. Im zwei-ten Teil der Ausbildung wird die Armut analysiert, die im Hinduiusmus von Gott gegeben ist und aus der es in diesem Leben kein Entrinnen gibt. Aber: Was hat Gott mit der Vertreibung der Bauern von ihrem Land zu tun? Im dritten Teil geht es um die Gesetze über Mindestlohn, Zwangsarbeit, Landrechte etc. und um das Verständnis der staatlichen Programme. Wer sich für seine Rechte einsetzen will, muss sie verstehen! Der vierte und letzte Teil ist der Planung gewidmet. Was werden die Aktivisten konkret tun, wenn sie in ihre Dörfer zurückgehen? Rajagopal: «Sie sollen auf keinen Fall der Illusion erliegen, dass sie durch meine Ausbildung plötzlich eine grossartige Person sind und sich ihr Leben und das der Dorfbewohner von selbst verändern wird.» Wer eine Führungsrolle übernimmt, wird weiter geschult, u.a. um die Haltung des Satya-graha, der Kraft der Wahrheit, zu verinnerlichen. 

Über zehn Jahre lang war Rajagopal mit dieser Arbeit unterwegs, von Dorf zu Dorf, von Camp zu Camp, um die Menschen zu mobilisieren. Trotz der vielen Erfolgsgeschichten aus den Dörfern blieb die Wirkung der Bewegung lokal. 1990 vereinigten sich deshalb die verschiedenen sozialen Bewegungen zu einer lockeren nationalen Organisation unter dem Namen  «Ekta Parishad» – vereinigtes Forum. Ekta Parishad  hat mittlerweile mehrere Unterorganisa-tionen: Mahila Manch setzt sich gezielt für Frauen ein, die KulturaktivistInnen von Kala Manch nutzen 

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Zeitpunkt 121  1�

Strassentheater, Lieder und Filme als Werkzeug der Ermächtigung und Arthik Manch fördert Handwerk und Handel und sichert heute mehr als 10’000 Men-schen ein Einkommen. Daneben wird die Bewegung von 150’000 Dorfführern und Freiwilligen getragen – alles in allem eine immense Kraft.

Noch vor der Gründung von Ekta Parishad wur-de Swissaid auf Rajagopal aufmerksam und zähl-te zu seinen ersten wichtigen Unterstützern aus dem Ausland. 1990 schickte das Hilfswerk die Fotografin Maja Koene aus Zürich für eine Bildreportage über Rajagopal nach Indien.  «Sie verliebte sich sofort  in seine Arbeit und wohl auch in ihn», schreibt Carmen Zanella in ihrem Buch «Das Erbe von Gandhi» über das Wirken von Rajagopal. Maja Koene zog nach In-dien und setzte ihr Vermögen und ihre Arbeitskraft für den Aufbau eines Zentrums ein, das Ekta Parishad als Basis für die Sozialaktivisten, als Ausbildungsstätte und als Erholungsort dienen konnte. 1995 wurde das CESCI (Center for Experiencing Socio-Cultural Inter-action) eröffnet, unterstützt von einem gleichnamigen Schweizer Verein, der seit Maja Koenes Tod 1999 die Arbeit in der Schweiz weiterführt. 

Anfangs angefeindet und als Christ und gewalt-bereiter Maoist  verleumdet, wurden Rajagopal schon bald ehrenvolle Posten angeboten.  1985 bis 1990 war er Beauftragter des obersten Gerichts In-diens zur Aufdeckung versteckter Zwangsarbeit. Und 1993 bis 1996 war er Sekretär der bedeutenden Gan-dhi Peace Foundation. Aber das Leben als Manager behagte ihm nicht und er kehrte zu Ekta Parishad zurück. Ende der 90er Jahre beschloss die Organisa-tionen, die Bevölkerung mit grossen Fussmärschen zu mobilisieren und den Druck auf die Regierung zu  erhöhen.  Die  erste  derartige  Yatra  ging  1999 über 3000 Kilometer und dauerte sechs Monate. Am zweiten Fussmarsch über 350 Kilometer von Gwalior nach Delhi beteiligten sich bereits 25’000 Menschen, darunter 100 Parlamentarier und 250 Vertreter von 

internationalen Organisationen und endete mit einem grossen Erfolg: Die Regierung unter Manmohan Singh bewilligte  u.a.  eine Taskforce  zur Umsetzung der längst rechtskräftigen Landrechtsreform und sie rich-tete das Einschaltersystem ein, das den Ungebildeten ermöglichen, alle Amtsgeschäfte an einem Schalter zu erledigen. 

Aber die Versprechen wurden nicht gehalten, so-dass  bereits  2008 mit  der  Planung  eines weiteren, noch viel grösseren Marschs begonnen wurde. In den Dörfern wurden Sammeltöpfe aufgestellt, um mög-lichst vielen Menschen die Teilnahme zu ermöglichen. 100’000 werden nun  am 2. Oktober, Gandhis Ge-burtstag, sternförmig nach Delhi ziehen und ultimativ die Einhaltung der Gesetze und Versprechen zugun-sten der Landlosen fordern. Es wird die wohl grösste politische Willenskundgebung der Ge-schichte sein, getragen von Menschen, die nichts anderes wollen, als die Re-spektierung der Gesetze. 

Die Informationen in diesem Text basieren auf dem Buch «Das Erbe von Gandhi – Rajagopal P.V., ein Leben für den gewaltlosen Widerstand» von Carmen Zanella, Sept. 2012, Stämpfli Verlag, 160 S., Fr. 26.90 / 19 Euro

Liebe Leserinnen und LeserDie Arbeit an diesem Text hat mich dazu bewogen, eine kleine Spendenaktion zugunsten der TeilnehmerInnen am Jansatyagra-ha-Marsch zu lancieren. Einen Franken pro Tag oder 30 Franken insgesamt kostet die Teilnahme am Marsch, bzw. der Lebensunterhalt der betroffenen Familien, die einen Monat ohne Vater oder Mutter auskommen müssen. Der Verein Cesci hat zugesichert, dass das Geld ohne jeglichen Abzug für die Unterstützung des Marsches an Ekta Parishad überwiesen wird und die Revisionsstelle den Sach-verhalt bestätigen wird.    Ich freue mich, wenn Sie den gewaltlosen Widerstand gegen Ungerechtigkeit unterstützen.� Herzlichen�Dank,�Christoph�Pfluger

Förderverein CESCI, Postfach, 8021 Zürich, www.cesci.ch  Postkonto: 80-220210-4 – Stichwort: Jansatyagrahawww.ektaparishad.com 

Links:�Die�1999�verstorbene�Zürcherin�Maja�Koene�lernte�Raja-gopal�1990�als�Fotografin�kennen�und�wurde�eine�wichtige�Fördererin�seiner�Arbeit.�Sie�baute�aus�eigenen�und�selber�gesammelten�Mitteln�das�CESCI-Zentrum�auf,�der�Ausbil-dungsstätte�von�Ekta�Parishad.

Rechts:�Lange Fussmärsche mit Tausenden von TeilnehmerInnen sind 

eines der wichtigsten Instrumente zur Mobilisierung der Kastenlosen. 

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Spiritualität & Politik

20  Zeitpunkt 121

Wie sähe denn eine andere Poli-tik aus? Eine, die sich nicht dem medialen Effekt verschreiben muss, sondern den Zeitfragen  auf den Grund gehen darf?

Im  traditionellen Buddhismus besteht die wich-tigste Aufgabe des Menschen darin, sein eigenes Wesen zu transformieren und die Grundübel des Daseins, Gier, Hass und Verblendung zu überwin-den. Dieser Prozess der Verwandlung wird im 

Idealfall durch tägliches, mehrstündiges Studium der heiligen Texte und der meditativen Praxis begleitet. Für die meisten Menschen war und ist dieser Weg aus Zeitgründen kaum gangbar, so dass im Buddhismus schnell ein Laien- und Ordensstand entstand. 

Die Laien unterstützten den Orden durch Spenden und hofften auf gutes Karma. Aufgabe der Mönche und Nonnen war es, die Laien über den Weg zum Heil zu belehren. Den Weg zur Erlösung musste jedoch jeder selbst gehen.

Mit dem Mahayana-Buddhismus, der um die Zei-tenwende entstand, tauchte jedoch ein neues Welt- und Erlösungsverständnis  auf. Wichtig wurde  der Gedanke, dass der Mensch auf dem Weg zur Erlö-sung auf Hilfe von anderen Wesen, den sogenannten Bodhisattvas  vertrauen  kann. Bodhisattvas  haben das Heil erlangt, inkarnieren jedoch immer wieder aus grenzenlosem Mitleid mit den leidenden Wesen, um allen auf dem Weg zur Befreiung zu helfen. Das Besondere  an dieser  Theologie  ist,  dass  ein  jeder Mensch geloben kann, ein Bodhisattva zu werden.

prObleme lösen, statt sIch VOn Ihnen Zu lösenIn den letzten 40 Jahren entwickelte sich in verschie-denen buddhistischen Ländern ein Denken, das sozia-les Engagement für einen wesentlichen Aspekt der buddhistischen Praxis hält. Sie knüpften besonders an den Bodhisattva-Gedanken an. Mönche wie Thich Nhat Hanh, der Dalai Lama, Maha Goshananda, Bud-dhadasa oder Laien wie der alternative Nobelpreis-träger Sulak Sivaraksa und die Friedensnobelpreisträ-gerin Aung San Suu Kyi betonen die Notwendigkeit 

einer Verbindung des politisch-sozialen Engagements mit der buddhistischen Lehre und Spiritualität. In ih-ren Augen müssen die drei Grundübel von Gier, Hass und Verblendung, die sich gesellschaftlich in kriege-rischen Auseinandersetzungen, Umweltverschmut-zung, Landraub, Korruption, Menschenhandel, wach-sender Armut, aber auch psychischen Erkrankungen wie Depressionen etc. bemerkbar machen, konkret angegangen und bekämpft werden. 

So engagierte  sich der kambodschanische Mönch Maha Goshananda in seinem Heimatland bis zu sei-nem Tod 2007 unermüdlich im Versöhnungsprozess. Er organisierte Friedensmärsche zur Versöhnung des vom Bürgerkrieg zerrissenen Landes und zur Überwin-dung der Angst. In Thailand kümmern sich Klöster um Drogenabhängige und Aids-Kranke und helfen Dorfbe-wohnern beim Aufbau genossenschaftlicher Projekte. 

wenIger leIden – grösseres pOtenZIalAber auch in Europa und besonders in Amerika ist der sozial engagierte Buddhismus mittlerweile eine massgebliche Kraft. Claude Anshin Thomas, ein Ex-Vietnam-Veteran und  Schüler  des  vietnamesischen Zenmeisters Thich Nhat Hanh, arbeitet z.B. mit trau-matisierten US-Kriegsveteranen,  die wie  er  selbst Drogenabhängigkeit, Arbeitslosigkeit, Straffälligkeit, Depression oder Obdachlosigkeit erlebt haben. Durch die gemeinsame Arbeit öffnet er diesen Menschen Wege, sich mit sich selbst und der Gesellschaft zu versöhnen. Einen ähnlichen Weg beschreitet der ame-rikanische Zenmeister Bernard Glassman Roshi, mit 

DIE IlluSIon & DAS lEIDEnVom individuellen Weg der Erlösung hat sich der Buddhismus in den letz-ten Jahrzehnten zu einer sozial engagierten Kraft gewandelt. Der neue Buddhismus versucht das Leiden nicht mehr durch die Erkenntnis der illu-sionären Welt zu überwinden, sondern durch konkrete Hilfe und soziales und politisches Engagement.    von Katharina Ceming

Es gibt nur eine Zeit, in der es wesentlich ist aufzuwachen.  Diese Zeit ist jetzt.

Buddha

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dem Thomas eng verbunden ist. Er betont wie kaum ein anderer die Notwendigkeit des Einsatzes für die Gesellschaft, trotz der vielen globalen Probleme, die den Einzelnen glauben lassen, persönlich nichts mehr tun zu können. Für den Buddhisten Glassman ist es wichtig, sich im Anderen wahrzunehmen, egal wie verschieden dieser von einem ist. Wer sich dem kon-kreten Leiden stellt, wird intuitiv auch eine Antwort bekommen, was im Hier und Jetzt zu tun ist. Es ist hilfreicher, in einer konkreten Situation zu tun, was man kann, als sich zu vergegenwärtigen, was man alles  nicht weiss  und nicht  kann  –  ein  Fass  ohne Boden. Damit bringt er die Philosophie des sozial engagierten Buddhismus auf den Punkt. 

Für Glassman wie  für  andere  sozial  engagierte Buddhisten  führt  der  persönliche  Einsatz  für  die Welt nicht nur zu gerechteren Lebensverhältnissen, sondern zu einer Reduktion des Leidens, die es Men-schen ermöglicht, ihr geistiges Potential besser entfal-ten können. Der spirituelle Unterbau ist für den sozial engagierten Buddhismus das entscheidende Gerüst, auf dem das Handeln in und für die Welt gründet. 

was Ist gOttgewOllt, was Ist Zu ändern?Aber auch innerhalb der anderen grossen Weltreli-gionen ist die aktive Nächstenliebe ein wesentlicher Bestandteil des spirituellen Weges. 

In der christlichen Tradition war die gelebte Näch-stenliebe von Anbeginn ein wichtiger Aspekt der Re-ligion. Die Begründung für die Sorge um die Armen und Kranken  fand man  im Evangelium, wo  Jesus seinen Jüngern erklärte, dass immer dann, wenn sie einen Menschen in Not helfen, sie dies für ihn tun. In der Folge kümmerten sich viele der jungen Christen intensiv um ihre Mitmenschen, besuchten Gefangene, pflegten Kranke und unterstützten Notleidende. Mit der Etablierung des Christentums als Staatsreligion 

veränderte sich diese Situation.  Im Laufe der  Jahr-hunderte übernahmen immer öfter die Klöster die Aufgabe der Krankenfürsorge. Für echten Zündstoff sorgte der Umgang mit Besitz und Armut. Für viele spirituell orientierte Christen bedeutete Reichtum und die Vermehrung desselben den Abfall vom Glauben, während gerade innerhalb der Amtskirche Reichtum als etwas von Gott Gegebenes gesehen wurde. Al-lerdings  betonte man die Verpflichtung,  sich  auch um die Armen zu kümmern, was zum Ausbau der kirchlichen Armenfürsorge führte. 

Woran man nicht rüttelte, war die Frage einer ge-rechten Verteilung. Für die Kirche waren Armut und Reichtum sowie die damit verbundenen sozialen Un-terschiede von Gott gegeben und zu respektieren. In den spirituellen Kreisen des Christentums dominierte hingegen oftmals die Vorstellung von der Gleichheit aller Menschen, die darin begründet liegt, dass alle 

Kinder Gottes sind. Diese Vorstellung wurde inner-halb der christlichen Tradition schliesslich zum Motor der  sozial-revolutionären  Impulse,  die  versuchten, Gottes Gerechtigkeit bereits im Hier und Jetzt durch-scheinen zu lassen.

armenhIlfe, pfeIler des IslamIn der islamischen Tradition spielte die Sorge um den Mitmenschen von Beginn an eine wichtige Rolle. So gehört die Armensteuer (Zakat) zu den fünf Grund-säulen der Religion, neben dem Glaubensbekenntnis, dem fünfmaligen Gebet, der Pilgerfahrt nach Mekka und der  Einhaltung  des  Fastens  im Ramadan. 

Wer sich dem konkreten Leiden stellt, wird intuitiv auch eine Antwort bekommen, was im Hier und Jetzt zu tun ist.

Die Illusion & das Leiden

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Spiritualität & Politik

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Die wahre Ergebenheit Allah gegenüber manifestiert sich immer auch im Verhalten dem Nächsten gegen-über. Neben der verpflichtenden Armensteuer gibt es zusätzlich noch die Möglichkeit einer freiwilligen Abgabe (Sadaqa). Da die Zakat nur Muslime bezahlen mussten,  Juden und Christen  als  Schutzbefohlene in islamischen Herrschaftsgebieten eine Kopfsteuer entrichteten, hatten nur muslimische Arme Anspruch auf Unterstützung durch die Zakat. Die Höhe der Armensteuer variierte zunächst, bis sie im Lauf der Zeit auf fünf bis zehn Prozent der Einnahmen fest-gelegt wurde. Heute wird diese Steuer nur noch in den allerwenigsten islamischen Ländern erhoben. Bis heute üblich  jedoch  ist die  freiwillige Abgabe, die besonders während des Fastenmonats Ramadan und an hohen  islamischen Feiertagen von vielen gerne und grosszügig geleistet wird. 

Eine  äusserst  wichtige  Rolle  für  die  öffentliche Wohlfahrt  spielten  in  der  islamischen Geschichte auch die  verschiedensten  Sufizentren. Die Klöster, in denen ein tief verinnerlichter und mystischer Islam verkündet, gelebt und praktiziert wurde und wird, kümmerten sich in besonderer Weise um die Armen und Bedürftigen. Aus diesem Grund erfreuten sich die Orden auch bei den einfachen Gläubigen grosser Be-liebtheit. Die von den Sufis gepflegte Liebe zueinander 

wurde auf alle Menschen ausgedehnt. Dem wahren Sufi mussten die Begriffe von Mein und Dein bedeu-tungslos werden. Jeder war wichtig und bedeutsam, da der andere als ein Aspekt des Göttlichen galt.

An diese Tradition knüpften in der Moderne u.a. die Muslimbrüder oder Gruppierungen des politischen Islam, die dort, wo der Staat sich nicht mehr um die Ärmsten der Armen kümmert, einspringen. Allerdings ist ihre karitative Tätigkeit oft mit der Verkündigung einer  bestimmten  Form des  Islam  verbunden,  die nicht immer mit Toleranz und Offenheit verbunden ist. Dass dies nicht sein muss, zeigen die Ismaeliten, eine schiitische Strömung, die sich für einen offenen und toleranten Islam einsetzt und gleichzeitig grosse soziale Projekte führt. Wissend, dass «Gottesdienst» immer auch Dienst am Mitmenschen ist.

Prof. Dr. Dr. Katharina Ceming ist promovierte Philosophin und The-ologin, Trägerin des Mystikpreises der Theophrastus Stiftung und lebt als Publizistin und Seminarleiterin in Augsburg.  www.quelle-des-guten-lebens.deVon Katharina Ceming sind u.a. erschienen:

Sorge dich nicht um morgen – die Bergpredigt buddhistisch gelesen. Kösel 2009, 156 S.,  Fr. 32,90 / 16,95 EuroErnstfall Menschenrechte  – die Würde des Menschen und die Weltreligionen. Kösel 2010, 304 S., Fr. 47,90 / 24.99 EuroSpiritualität im 21. Jahrhundert. Phänomen-Verlag 2012, 100 S.,  Fr. 21.90 / 14,90 Euro

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Spiritualität & Politik

Zeitpunkt 121  23

wir alle tragen unglaublich viel  Scheisse  in  unseren Rucksäcken mit  uns  he-rum: Unsägliche  Schick-sale  unserer  Vorfahren 

mit Tiefenwirkung bis in unsere Generati-on, unterdrückte Trauer, verborgene Ängs-te,  versteckte  Lebensfehler,  verdrängte Gefühle,  vielleicht  sogar  echte Missetaten – eine geballte Ladung Scheisse, die uns auf Schritt und Tritt begleitet und unser Tun und Lassen, unser Denken und Fühlen prägt, die Nächstenliebe erschwert und letztlich wahre Menschengemeinschaft verunmöglicht. Eine Plage von biblischem Ausmass.

Ausnahmslos  jeder  von uns  schleppt eine pralle Packung mit  sich herum, und nur weil wir allesamt gebückt durchs Leben  gehen, merken wir  gar  nicht, wie weit  unter  unserem Potenzial wir  leben. Die  Scheisse  ist  überall,  deshalb  riechen wir sie nicht.

Manche  versuchen,  sie mit  Tüchtigkeit zu übertünchen, mit Konformität oder mit demonstrativer Überlegenheit.  Andere  re-signieren,  brechen unter  dem  stinkenden Gewicht  zusammen oder  tun Busse, weil sie sich persönlich schuldig fühlen. 

Einige von uns versuchen, sich durch Me-ditation,  Therapie  oder  Lebensarbeit  von dieser Last zu befreien, langsam, in immer wieder neuen Anläufen, und manchmal so-gar mit echten, kleinen Fortschritten. Das ist erfreulich, das weckt Hoffnung, aber ich fürchte: Es ist nicht genug. Ich glaube nicht, dass die damit zu erreichenden Ergebnisse mit  der Notwendigkeit  des  jetzt  erforder-lichen Quantensprungs Schritt halten. Wir können nicht zweihundert Jahre lang war-ten, bis endlich alle unsere Egoismen abge-arbeitet sind. Bis dahin ist das Chaos in der Scheisswelt mehrfach ausgebrochen. 

Wir müssen andere Mittel finden. Der kürzeste Weg – er ist fast zu einfach –, be-steht darin, endlich die Tatsache zu akzep-tieren, dass wir  alle eine enorme Ladung Mist durch unser Leben schleppen und in der  Einsicht,  dies  unseren  Mitmenschen nicht mehr übel  zu nehmen. Es geht uns allen  gleich,  Vorwürfe  an  andere  fallen ziemlich schnell auf uns zurück.

Dieses Eingeständnis hätte enorme Vorteile von  geradezu  gigantischem  gesellschaft-lichen Potenzial:Erstens  müssten  wir  nicht  mehr  perfekt 

sein. Oder positiv ausgedrückt: Wir sind in Ordnung, wie wir  sind. Die Masken können fallen.

Zweitens  dürften wir  Fehler machen und deshalb könnten wir sie auch eingestehen und müssten sie nicht wiederholen. 

Der Anspruch, fehlerfrei zu sein, richtet unheimlich viel Schaden an: Rechthabe-rei, Lüge, Festhalten an Fehlern, Verhinde-rung neuer Lösungen… Man stelle sich nur einmal  die menschlichen und monetären Kosten vor, weil Politiker, Banker, Anleger und Bürger auch nach fünf Jahren offizieller Finanzkrise nicht auf die Idee kommen dür-fen, vielleicht ein paar ziemlich gravierende Fehler begangen zu haben. Die Rechthabe-rei ist im Grunde unbezahlbar.

Stellen Sie sich einmal vor, unsere Politi-ker könnten Fehler eingestehen! Wir hätten ziemlich schnell ein ziemlich perfektes Ge-meinwesen. Denn nur wenn Fehler erkannt werden, lassen sie sich in Zukunft vermei-den.  Je mehr,  desto  besser  – wenigstens zu Beginn.

Vollkommenheit  ist paradox, wie alle höheren Werte des Menschen. Sie ist nur erreichbar, indem man sie aufgibt und sich die Fehlerhaftigkeit eingesteht. Perfektion ist  eine  diabolische  Illusion. Das  sollten wir wissen,  seit  Luzifer Gott  gleich  sein wollte. Wir müssen aber nicht so weit  in der Menschheitsgeschichte zurückkehren. Adam und Eva, die an der Unterscheidung zwischen Gut  und Böse  scheiterten,  rei-chen auch.

Ähnlich paradox verhält es sich übrigens mit  der  Freiheit:  Sie  ist  nur  zu  erreichen, wenn man sie freiwillig einschränkt. 

Aus ähnlichem Grund glaube  ich nicht, dass wir  uns  vom  Joch  unserer  Packung befreien,  indem  wir  ihr  viel  Beachtung schenken.  Im Gegenteil:  Je  tiefer wir  im Mist herumstochern, desto grösser der Ge-stank. Natürlich wird uns immer wieder mal ein Stück vor die Füsse fallen. Und wenn wir es nicht beachten, werden wir darauf ausrutschen. Aber wir  könnten  den Mist auch  annehmen und uns  dadurch  in  die Lage versetzen,  ihn überhaupt abzuladen, jedes Mal, wenn er uns in die Quere kommt. Holy Shit! Vielen Dank, dass ich wieder eine Erfahrung machen durfte, die ich deshalb nicht wiederholen muss! Mist, auch unser eigener, ist Dünger. 

  Christoph Pfluger

Wir können nicht zweihundert Jahre lang warten, bis endlich alle unsere Egoismen abgearbeitet sind. Bis dahin ist das Chaos in der Scheisswelt mehrfach ausgebrochen.

          Dieser Text enthält Fäkalsprache.            Wer sie nicht erträgt, soll bitte nicht weiterlesen.

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Spiritualität & Politik

VOn der schwItZhütte aufs pIratenschIffDie Geschichte einer Reisenden zwischen den Welten Spiritualität und Poli-tik. Monika Herz (54) aus Peissenberg (Bayern) ist ein religiöser Mensch und Schülerin eines tibetischen Meisters. Seit ihrer Jugend setzt sie sich für die Umwelt und eine gerechtere Geldordnung ein und ist heute in der Pira-tenpartei aktiv. Sie wollte nie einsehen, warum die Heilung der inneren und der äusseren Welt nicht zusammenpassen sollen.    von Monika Herz

als wir jung waren, vor mehr als 30 Jahren, diskutierten wir darüber, ob es überhaupt zu verantworten sei, noch Kinder in diese Welt zu setzen. Es schien absehbar, dass der Planet wegen Überbevölkerung, Um-

weltverschmutzung oder Krieg mit immer «perfekteren» Waffen unbewohnbar würde. Wir fuhren nach Wackers-dorf, um die Wiederaufbereitungsanlage zu verhindern und bildeten Menschenketten gegen die Pershing-Ra-keten. Wir wurden als «Umwelt-Terroristen» beschimpft, weil wir wegen des Waldsterbens «Gipfelkonferenzen» veranstalteten. Ich bekam trotzdem fünf Kinder. Eine Stimme in mir sprach: «Ich kapituliere nicht! Ich werde für die Kinder und mit den Kindern an einer besseren Welt bauen!»  Ich  selbst  zog  mich  aus  der  politischen  Ar-beit zurück, so lange die Kinder klein waren. Stattdessen  vertiefte  ich mich  immer  intensiver  in spirituelle  Praktiken.  Ich  betete  in  schamanischen Schwitzhüttenzeremonien und verbrachte etliche Wo-chen in indischen Ashrams. Ich lernte zu meditieren und inmitten des Chaos mit fünf Kindern Zuflucht zu nehmen zu einer Liebe, die grösser ist als unsere brüchigen menschlichen Beziehungen.

Mit  zunehmendem Alter der heute erwachsenen Kinder  begann  ich, mich wieder  stärker  politisch zu  engagieren.  Ich  arbeitete  bei Attac  und  in  der Regionalgeld-Bewegung mit.  Ich  sah mir mehrere Parteien  genauer  an:  die Grünen,  die  Linken und die Violetten. Aber keine wollte so recht zu mir zu passen. So stürzte ich mich als Einzelkämpferin in einen aussichtslosen Wahlkampf. 2009 bewarb  ich mich als parteifreie Kandidatin für den Bundestag. Ergebnis: 0,4 Prozent der Stimmen. Als die Piraten-partei dann in ihrem Programm die Einführung eines 

Grundeinkommens forderte, wusste ich, was zu tun war. Ich sprang auf das Schiff, genannt Partei. Wie würde es mir ergehen?

Zuerst drohte ich an der Technik zu scheitern – tra-ditionell die Stärke der Internetgeneration und meine Schwäche. Ich fand mich nicht auf der Piraten-Web-seite zurecht und musste telefonisch in der Berliner Zentrale um Hilfe flehen. Eine junge Männerstimme gab mir Geleit und führte mich durch die wichtigsten Räume  des  Schiffs.  Die  Kapitäns-Kajüte,  genannt Bundesvorstand, fand ich besonders interessant.  

Um Weihnachten 2011 heuerte  ich dann auf dem Piratenschiff  an.  Ich  schrieb mich bei  der «Arbeitsgruppe Geldsystem» ein, zu der ich mich als ehemalige Geschäftsführerin  eines  Regiogeld-Ver-bundes hingezogen fühlte. Die Gruppe traf sich aber nicht, wie es bei meiner Generation üblich war, in verrauchten Hinterzimmern beim Bier. Für eine bun-desweite Arbeitsgruppe wäre das denkbar ineffektiv. Die  junge Partei  bedient  sich  einer neumodischen Internet-Konferenzschaltung  namens  «Mumbeln». Beliebig viele Teilnehmer können sich dabei online treffen. Die Kommunikation ist diszipliniert, nur einer redet gleichzeitig, und wer drankommen will,  kann vorher «anklopfen».  

Trotz der Auseinandersetzungen erkannten wir in der Gruppe bald das Hauptproblem der Geldpolitik: 

Meine Vorstellungskraft ist so gross, dass ich Dinge tue, von denen ich keine Ahnung habe. Manches muss man halt einfach tun, statt nur darüber zu reden.

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die Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken. Diese leihen sich von der Zentralbank Geld und erzeugen daraus  ein Vielfaches  an Giralgeld. Das  verleihen sie dann weiter – gegen Zins, versteht sich. Für die uneingeschränkte Erzeugung von Giralgeld gibt es kaum gesetzliche Regelungen. So wird munter weiter Geld aus dem Nichts erzeugt. Dabei sind per Gesetz nur Münzen und Geldscheine  «echtes Geld». Und selbst die haben keinen Wert aus sich heraus. Geld-scheine sind nichts als Schein, wie der Name schon sagt, «gedeckt» nur durch die kollektive Illusion, dass sie wertvoll sind. Man könnte darüber lachen, wären wir nicht alle so abhängig davon. Vielleicht reiben wir uns in ein paar Jahren die Augen und denken: Wie konnten wir das alles nur glauben?

Wir von der Arbeitsgruppe Geldsystem haben inzwischen dazugelernt. Aber wie  bringen wir unsere Erkenntnisse den restlichen Piraten nahe? Ge-schweige denn den «normalen Menschen» draussen? Nicht nur die ungezügelte Art, wie Geld erzeugt wird, ist das Problem. Auch die Tatsache, dass dieses Geld als Schuld erzeugt wird, ist höchst fragwürdig. Und Schuld  ist  «zufällig»  ein  höchst  spirituelles  Thema, eines der wichtigsten in der christlichen Kultur. Da-bei  steht  Jesus  für Vergebung und hat nach Lehre der Kirche unser aller Schuld auf sich genommen. Wozu brauchen wir da immer noch ein Schuld-Geld-system? 

Solche Fragen – und überhaupt Querverbindungen zur Spiritualität – sind für «vernünftige» Piraten na-türlich irrelevant. Manche liessen mich bitter spüren, dass ich in ihren Augen nur ein Paradiesvogel bin, der  laufend  Ideen ausbrütet,  die  «nichts  zur  Sache tun». Bist du überhaupt kompetent genug? – diese bohrende Frage verfolgt mich noch in meinen Träu-men. Eine mögliche Antwort wäre: Nein, aber meine Vorstellungskraft ist so gross, dass ich Dinge tue, von denen ich keine Ahnung habe. Manches muss man halt einfach tun, statt nur darüber zu reden. Da habe ich vielleicht einigen Piraten etwas voraus. 

In  einer  Partei  mitzuarbeiten,  macht  nicht  nur Spass. Die Piraten in Deutschland stehen hoch in der Wählergunst. Das heisst: Zukünftig sind auch hoch dotierte  Posten  in  den  Parlamenten  zu  vergeben. Natürlich wird um solche Jobs wie in jeder anderen Partei mit harten Bandagen gekämpft. Menschen wie 

ich, die von einer besseren Welt  träumen und das offen zugeben, haben wie  in  jeder anderen Partei schlechte Aussichten auf die vorderen Plätze. Dass ich früher bei den Violetten, einer spirituellen Partei, war, erhöht meine Chancen nicht gerade. 

Politik und Spiritualität passen vielleicht wirk-lich nicht zusammen. Vor Jahren führte ich einmal ein  Interview mit  dem  tibetischen Meister Gonsar Rinpoche. Damals meinte ich, es wäre eine Lösung, wenn spirituelle Menschen in die Politik gingen, um sie  so  von  innen heraus  zu  verändern. Die Dalai Lamas waren ja traditionell zugleich spirituelles und politisches Oberhaupt  Tibets.  Ich  fand diese  Idee genial. Die höchste Verkörperung des Erbarmens, der Boddhisattwa Avalokiteshwara, kam immer wieder auf die Erde, um die Menschen zu leiten. Der weise Gonsar  Rinpoche  dämpfte meinen  Enthusiasmus: «Meine persönliche Meinung ist, dass diese Vermi-schung von Politik und Religion keine wirklich ge-niale Sache war. Wer die Geschichte von Tibet liest, kann das sehen. Wir glauben, im alten Tibet wäre alles wunderbar und harmonisch gewesen. Aber auch die  Tibeter  sind  voller Ärger,  Probleme,  Egoismus und Auseinandersetzungen.» Dann sagte der Lama kategorisch: «Die Politik stört die Religion, und die Religion stört die Politik. Man kann dann nie wirk-lich wirkungsvoll sein in beidem.» Vielleicht hat er Recht.

Heute glaube ich, dass die Politik eher die Men-schen verändert, anstatt umgekehrt. Nach ein paar Jahren im politischen Geschäft ist selbst bei den echten  Idealisten eine  seltsame Persönlichkeitsver-änderung zu beobachten. Ein kleines Hintertürchen liess Gonsar  Rinpoche  jedoch offen. Meine  Frage, ob ein Weisenrat aus wirklich spirituellen Menschen die Politik beraten könne, bejahte er. Erich Fromm hat  in  seinem Buch  «Haben oder  Sein»  die Vision eines Weisenrats eingeführt. Jakob von Uexküll eta-blierte inzwischen einen internationalen Zukunftsrat. In Uexkülls  ursprünglicher Vision  bestand  dieser Rat zu gleichen Teilen aus Ältesten (über 60 Jahre), Menschen mittleren Alters  (30 bis 60) und  Jungen (bis  30).  Jetzt  ist  der Weisenrat  doch wieder  zum Greisenrat geworden (mittleres bis hohes Alter), was ich  ganz  verkehrt  finde. Denn diese  bessere Welt sollten wir für, vor allem aber mit unseren Kindern bauen! Und wir werden  sie mit  den Werkzeugen bauen, die unsere Kinder so viel besser zu nutzen wissen als wir: mit dem Internet und frei verfügbaren Informationen. Deshalb bleibe  ich auf dem Schiff, genannt Piratenpartei.

Kontakt: Monika Herz, D-82380 Peissenberg,  www.heilen-mit-herz.de | www.neue-wirklichkeit.de

Nach ein paar Jahren im politischen Geschäft ist selbst  bei den echten Idealisten eine seltsame Persönlichkeits-veränderung zu beobachten.

Nehmt den radikal-sten Revolutionär  und setzt ihn auf den Thron [...], und ehe ein Jahr vergeht,  wird er schlimmer  als der Zar selbst geworden sein.

M. A. Bakunin

Von der Schitzhütte aufs Piratenschiff

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Spiritualität & Politik

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mönche In dIe pOlItIk – & pOlItIker Ins klOsterKann Politik Freude machen? Ist dieses endlose Feilschen um Konkor-danzen, Konstellationen und Kompromisse nicht das Gegenteil eines lust-orientierten oder gar spirituellen Lebens? Sind Politiker zu Bescheidenheit fähig, oder fordert das System letztlich eine gewisse Selbstverherrlichung, Rechthaberei und einen Zynismus gegenüber allem Übergeordneten?     von Paul Dominik Hasler

man kommt nicht umhin, Politik als eine Sportart zu sehen, die von ih-ren  Protagonisten  gewisse  Eigen-schaften einfordert. Meist begnügen wir uns mit den Zuschauerrängen 

und  verfolgen  das  bunte  Treiben,  lassen  uns  von den Medien bedienen und äussern unsere mehr oder weniger geistreichen Kommentare zum Geschehen. Politik, so unser Eindruck, muss so sein.

Und in der Tat ist dem so, zumindest solange wir Politik als das wahrnehmen, was sie heute ist: Ein öffentlicher Schlagabtausch um Positionen, Pfründen und Parteiprogramme. Die eigentliche Lösungssuche oder Sachpolitik kommt oft zu kurz, der Einbezug eines  bescheideneren Umgangs mit  unseren Res-sourcen, seien sie menschlicher oder natürlicher Art, sowieso.  «Politik» kommt von Poltern oder Positio-nieren, kaum aber von Zuhören, Erkennen und sich Verständigen.

Solange wir unsere Politiker über einen medi-alen Prozess wählen, ist das nicht zu ändern. Sie sind gezwungen, sich wie die Gockel vor die Matt-scheibe zu werfen, um beachtet zu werden. Gesucht sind Provokationen, Extrempositionen und markige 

Sprüche  für  die  Masse. Kein  Wunder,  scheuert sich auch der grösste Ide-alist bald einmal die Knie wund bei seinem Bittgang um mediale Aufmerksam-keit. Politik als Zirkus Ma-ximus unserer Kultur.

Wie sähe denn eine andere Politik aus? Eine, die sich nicht dem medialen Effekt verschreiben muss, sondern den Zeitfragen auf den Grund gehen darf? Eine, die Platz  liesse  für die Verbindung zu etwas Grösserem als unseren selbstverliebten Sorgen? Wie würde ein Parlament funktionieren, dessen Angehö-rige nicht primär als Name und Konterfei durch die Medien huschen müssen, sondern einen Beitrag zur Lebensqualität  dieses  Landes  leisten  dürfen,  auch wenn  es  dazu mehr  als  vier  Jahre  braucht? Wäre nicht eine gewisse Anonymität der beste Schutz vor Ausbeutung? Wäre nicht der Verzicht auf persönliche Profilierung und Prestige das beste Mittel, den Fokus auf die Sache an sich zu lenken?

Unweigerlich kommt mir das Bild von Mönchen in den Sinn, die sich einer Aufgabe widmen, um darin eine besondere Qualität zu erreichen. Sie tun dies in einer ausgewogenen Haltung zwischen Selbstachtung und Dienst am Grösseren. Sie reduzieren den Auf-wand für das Unwesentliche, um Freiheit und Energie für das Wesentliche zu haben. Sie sind auf dem Weg, ohne den Anspruch  zu haben,  andere  korrigieren oder belehren zu müssen. Was für eine interessante Vorstellung, das Mönchtum auf die Politik zu übertra-gen. Bei genauerer Betrachtung sehe ich drei Schritte, die für diese Verwandlung nötig wären:

1. anOnyme wahlStellen wir uns vor, ich könnte in die Politik gewählt werden. Allerdings würde nie jemand meinen Namen erfahren. Er wäre nicht wichtig. Wesentlich wäre mei-ne Haltung diesem Amt gegenüber. Diese könnte ich kundtun, indem ich ein Portrait meiner Werte, Inte-

Um den Politikern die Last ge-sellschaftlicher Verstrickungen zu ersparen und prestige-orientierte Personen vom Amt fern zu halten, würden sie für ihre Amtsperiode in eine Art Mönchsstatus erhoben.

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ressen und Überzeugungen vorlege. Auch mein Foto würde veröffentlicht,  allerdings ohne einen Bezug 

zu meinem Namen und meinem Portrait. Und als Drittes dürften zwei Men-schen  kurz  etwas  über mich schreiben: Wer ich bin  und wofür  ich  ein-stehe.  Auch  das  ohne einen Bezug zu Gesicht und  Portrait.  Die  Wäh-lenden dürften Stimmen 

vergeben für Gesichter, Portraits und Empfehlungen. Es wäre  eine Art  Blindflug,  der  viel  Bauchgefühl verlangt. Wer sich bei Gesichtern auskennt, wird mehr Stimmen dort geben, wer gerne Verbindliches mag, der wird die Portraits oder Empfehlungen honorieren. 

Die anonyme Wahl kann vor allem eines: Sie bietet stilleren, kontemplativeren Menschen eine Möglichkeit, gewählt zu werden. Dies wäre auch richtig so, denn der Ort der Politik wäre ein ganz anderer als der heutige.

2. klOsterDas Parlament der Zukunft, gewählt im anonymen Verfahren, würde einen besonderen Ort bilden, eine Art Kloster. Darin ginge es wie im echten Kloster da-rum, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, Klarheit zu erlangen und Entscheide für eine gemein-same Zukunft zu treffen. Damit dies gelingen kann, wäre das Kloster aber nicht nur ein kontemplativer sondern auch ein offener, ein dialogorientierter Ort; also eine Art Tagungszentrum mit vielen Gesprächen, Sit-Ins, Meditationen, Workshops und Parties. Auch ein Kaminfeuer würde nicht  fehlen, vor dem man Themen entspannten Raum geben kann. 

Allen Aktivitäten würde aus dem Wissen um die Würde der Mission eine gewisse Bescheidenheit in-newohnen. Man ist Politiker, weil es um das Wohl der Menschen geht, um die Zukunft, um die Natur, um die noch Ungeborenen und letztlich auch um die Schöp-fung, von der wir herzlich wenig verstehen und uns darum in zärtlicher Neugierde um sie bemühen.

Das Kloster wäre  somit  auch ein kindlicher,  ein verspielter Ort, ganz aus dem Wissen heraus, dass wir Teil eines grossen Ganzen sind, in das wir uns mit viel Neugierde und Respekt einfügen möchten. Vergeblich würde man auf prunkvolle Medienanlässe und pathetische Ansprachen warten. Die Lebensfreu-de aber würde nicht zu kurz kommen.

3. möncheLogischerweise  muss  ich  nun  die  Politiker  mit Mönchen (oder Nonnen) vergleichen, wobei dieser Vergleich lebendig gesehen werden darf. Schliesslich sind auch die Politiker der Zukunft Menschen, die 

im Leben stehen möchten und nicht nur aus inneren Eingebungen handeln sollen. Um ihnen aber die Last gesellschaftlicher Verstrickungen  zu  ersparen und prestigeorientierte Personen vom Amt fern zu halten, würden sie für die Dauer ihrer Amtsperiode in eine Art Mönchsstatus erhoben. Dieser würde jedes an-dere Amt ausschliessen. Wer Politiker sein möchte, würde sich für einige Jahre aus seinem Beruf, aus sei-nen Verwaltungsratsmandaten und Geheimlogen, ja sogar aus seinem Alltag verabschieden müssen. Auch sein Einkommen würde entfallen, wie bei Mönchen so üblich,  für Familie und Kinder würde aber ge-sorgt. Im Gegenzug wäre es normal, dass Politiker überall  Einlass,  kostenlose Bewirtung  und Unter-kunft  geniessen würden.  Sie wären damit  ähnlich den Wandermönchen in Asien, die auf ihren Wegen selbstverständlich  von der Allgemeinheit  getragen und geschätzt werden. Auf eine auffällig, farbige Klei-dung würde ich allerdings verzichten; das Konzept ist schon bunt genug.

Die Freiheit der «mönchisierten» Politiker wäre eine doppelte: Zum einen würde man ihnen ihre Motivati-on abnehmen, zum anderen wären sie von Verpflich-tungen und  Interessenbindungen befreit. Auch die Parteien wären mehr eine Art Dienstleistungs- und Kommunikationsbetrieb für ihre Mönche, um sie mit Informationen zu versorgen und Anlässe durchzufüh-ren. Vielleicht gäbe es sie in dieser Form auch nicht mehr, und die Mönche würden sich über persönliche Vernetzungen mit Hilfestellungen versorgen lassen.

Natürlich ist oben genanntes System weniger «effizient»  als das heutige,  zumindest  in  einem gewissen  Sinn.  Mit  der  schwächeren  Verbindung zwischen Politik, Macht  und Wirtschaft würde  so manches Geschäft länger dauern oder nicht zustande kommen. Die Politik wäre nicht mehr der Wachs-tumsmotor und Interessentigel von heute. Die Welt, wie wir sie kennen, würde sich wandeln. Die Dinge würden langsamer aber folgerichtiger verlaufen, Inve-stitionen würden weniger dem momentanen Gewinn und mehr dem längerfristigen Gemeinwohl dienen. Vielleicht würden unsere Bruttosozialprodukte sin-ken und unsere Strassen nicht mehr breiter werden. Vielleicht würden auch unsere Armeen veralten und unsere Forschung etwas andere Wege gehen. Das al-les wäre der Preis für eine Politik, die es sich erlaubt, ehrlicher  über  die Dinge nachzudenken und  eine Verhältnismässigkeit zu wahren, die uns Menschen eine neue Form der Koexistenz auf diesem Planeten ermöglicht.

Paul Dominik Hasler betreibt seit 20 Jahren das Büro für Utopien in Burgdorf. Er berät die öffentliche Hand im Umgang mit gesellschaftlichen Potentialen.  www.utopien.com

Politiker wären den Wandermönchen in Asien ähnlich, die auf ihren We-gen von der Allgemeinheit getra-gen und geschätzt werden. Auf eine auffällig farbige Kleidung würde ich allerdings verzichten; das Konzept ist schon bunt genug.

Die bescheidenen Menschen wären die berufenen Politiker, wenn sie nicht so bescheiden wären.

Ernst R. Hauschka

Mönche in die Politik

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Spiritualität & Politik

wIe erreIchen wIr Veränderung?

achte deIne feIndeEine  echte  Veränderung  eines  Systems  ist meines Erachtens nur möglich, wenn wir uns diesem – und den Menschen die es verkörpern – mit Respekt und Wertschätzung nähern. So-bald wir andere als Feinde und Verhinderer konstruktiver Lösungen angreifen, wird mit Sicherheit keine solche gefunden. Hilfreicher ist  es,  andere  als dialogfähig und bereit  zu grundlegenden Änderungen zu betrachen. Be-eindruckend finde ich diesbezüglich Rüdiger Nehberg,  der mit  seiner Menschenrechtsor-ganisation Target die höchsten Gelehrten des Islams bewegen konnte,  die Beschneidung von Mädchen zu ächten und unter Strafe zu stellen. Dies ist ihm durch Achtung vor den Menschen sowie fundierten Kenntnissen des Islams gelungen. Dagegen ist der heutige po-litische Stil, miteinander zu kommunizieren, 

leider oftmals anders. Anstatt über ein Pro-blem zu diskutieren, wird die andersdenkende Person per se angegriffen – und dies oft mit wenig sachlichen Argumenten. Einer Politik ohne Verantwortung gegenüber dem Leben-digen fehlt  jede Ethik und Spiritualität. Was Nehberg bewirkt hat, das ist für mich gelebte Spiritualität in der Politik – auch wenn er oder vielleicht gerade weil er kein Politiker ist.   Martina Degonda, Brugg

neue denkgewOhnheIten wagenAls  ich neulich während eines Gesprächs unter Bekannten bemerkte, dass alternative Geld-  und Wirtschaftssysteme möglicher-weise die Zukunft Europas seien, erntete ich den Vorwurf der Naivität. Diese Reaktion ist bezeichnend für die heutige Zeit. Nur weni-ge wagen es, das bisherige System in Frage 

zu stellen und in Alternativen zu denken. Falls es aber überhaupt eine Veränderung oder Verbesserung geben soll, müssen wir die  Pfade  verlassen,  die  uns  in  die Krise geführt haben. 

Geld  hat  seinen  Wert  nur  durch  Zu-schreibung  und  durch  unseren  Glauben an  seinen Wert. Dieser Glauben  ist  aller-dings  tief  in  der Gesellschaft  verwurzelt Doch selbst das  «System», dem wir  soviel Macht  zuschreiben,  ist  hauptsächlich nur als Idee in unseren Köpfen vorhanden. Die Macht des Systems beruht auf den vielen Multiplikatoren, den gleichgeschaltet den-kenden Menschen, die aus Bequemlichkeit die Vorgaben des Systems unangezweifelt mittragen. Hier  kann man  ansetzen,  in-dem man eine Gegenwelt schafft, die zwar nicht gegen das System verstösst, aber al-ternative Denk-  und  Lebensweisen  zum inspirierenden Beispiel für andere macht. Hierzu  gehören  Tauschringe,  alternative Wirtschaftsformen und Geldsysteme, Ko-operationen zwischen Menschen und die freie  Diskussion  gesellschaftsrelevanter Themen  in  der Öffentlichkeit.  Aktionen wie  etwa  das Guerillagärtnern  oder  die künstlerische Darstellung gesellschaftlicher Themen können eine Diskussion in Gang bringen, die verstaubte Denkgewohnheiten aufzulösen vermag.  Wolfgang Kornberger, D­Freiburg

Es ist verflixt: Die Welt braucht dringend neues politisches Personal, um die systembedingten Ungerechtigkeiten, den Machtmissbrauch und die grassierende Umverteilung zu beenden, die die Welt an den ökologischen und sozialen Abgrund drängen. Aber diese Politikerinnen und Politiker können nicht gewählt werden, weil die politischen Verhältnisse ihre Wahl nicht zulassen.   Und: Zu den aller-meisten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen gibt es Lösungen. Aber sie werden verhindert, weil sie die bestehenden Machtverhältnisse in Frage stellen.  Was  tun? Wie können wir  in einem System Veränderung bewirken, das echte Veränderung systematisch verhindert? Über den Newsletter forderten wir unsere Leserinnen und Leser auf, Antworten auf diese Frage zu formulieren. Hier eine Auswahl:

Wolf Schneider, Journalist und Verleger («connection»), Niedertaufkirchen

A: Die Weisen sollten sich nicht zurückziehen, sondern ihre Machtscheu überwinden und politische Verantwortung übernehmen.

B: Die Weisen müssen erkennen, dass Geist und Materie zusammenhängen. Es ist wie eine Huhn-Ei-Beziehung. Wenn sie das erkennen, können sie sich nicht mehr zurückziehen.

Urs Jeker, Kinder- und Jugendpsychiater, Rodersdorf

A: Es muss unten beginnen, bei mir in der Wohngenossenschaft, im Dorfladen, den wir erhalten. Spiritualität in der Politik bedeutet, aus tiefer Überzeugung Kooperation statt Konkurrenz zu leben.

B: Ich bin zu sensibel für die Politik. Allein schon die Arbeit im Gemeinderat hat mich krank gemacht. Sensible, spirituelle Menschen brauchen eine Schulung für die Politik, sonst werden sie von der Polarität erdrückt.

Was muss geschehen, damit (A) die Politik spiritueller wird und 

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Zeitpunkt 121  2�

Spiritualität & Politik

VOn unten und VOn InnenNach meiner Erfahrung wächst nachhaltige Veränderung langsam, von unten und von innen. Es ist schwer, Gewohnheiten in Tun und Denken zu ändern. Die heutigen Poli-tikerinnen und Politiker werden  es  kaum schaffen, die festgefahrenen Verhaltensmu-ster zu verlassen. Sie werden sich nicht än-dern  –  aber  sie werden  aussterben.Damit weniger im Alten Verhaftete nachkommen, setze ich auf breite «Nachwuchsförderung».

Ich übe mich täglich darin, mit mir selbst und mit meinen Nächsten so umzugehen, wie  ich mir das von den heutigen Macht-habern wünsche. Vor allem Kinder sollten erfahren, wie sich ein achtungsvolles, gleich-wertiges Miteinander anfühlt und auch, dass es ihnen zusteht. Wenn wir diesen Weg von Geburt an mit ihnen gehen, wird er ihnen zur Gewohnheit und es besteht eine grös-sere Chance, dass sie sich später dafür ein-setzen. Doranne luginbühl, Trimbach,

www.ichundduundwir.ch

eIne ecke abKürzlich führte ich ein Gespräch mit einem Wissenschaftler,  der mit  einer  Erfindung zum vielfachen Millionär geworden ist und sich seither mit der Sinnfrage beschäftigt, um die er sich vorher nie gekümmert hat.

Der Wissenschaftler meinte, das Universum und unsere Welt und damit auch unser Da-sein, sei im Nichts entstanden, im Vakuum – ohne Umfeld und durch einen Zufall. In sei-nem System – das er mit vielen Elitisten teilt – verdanken wir unsere Existenz somit nicht einer höheren Macht oder etwas Göttlichem, sondern sind mit unserer ganzen Welt einfach ein zufälliges Produkt aus dem Nichts. Das 

Nichts wird uns aber nie anhalten, moralisch richtig zu handeln und mit den Mitmenschen oder der Umwelt ethisch korrekt umzugehen. Das Leben wird zynisch, ohne Sinn und wir können uns nicht mal  irgendwo bedanken für unser Dasein, die gefundene Liebe oder einen schönen Regenbogen.

Da habe ich verstanden, warum es im Islam heisst «traue keinem Ungläubigen». Damit ist ganz sicher kein Christ oder Jude gemeint, sondern  derjenige,  der  an  keine  göttliche Autorität glaubt und nur seine selbst zusam-mengestiefelten Prinzipien hat, der ein sinn-loses, zweckloses und verantwortungsloses Dasein führt – und dem man darum nicht vertrauen kann.

Seither gehört für mich Spiritualität unbe-dingt zum Fundament derer, die uns in der Wirtschaft oder in der Politik führen. Wem sie fehlt, kann sich gar nicht aus voller Über-zeugung ethisch verhalten. Ihm fehlt ein Teil – er hat im wahrsten Sinne «eine Ecke ab». Michael Brandenberger, Thalwil

es begInnt mIt eIgenVerantwOrtungWorauf man den Blick richtet, bestimmt die Wünsche.  Schaut man  fern, will man die Welt ändern, hat jedoch die Fähigkeit dazu meist nicht. Schaut man nah, will man sein Umfeld ändern und kann es oftmals auch nicht. Die Fähigkeit dazu hat man jedoch. Die  Frage  «was  kann  ich  tun?»  sollte  uns durch unser Leben führen. Schreibe ich die-sen Text nicht für mich, sondern für andere, dann muss ich schreiben, was ich tue, da ich dies ja als einzig Sinnvolles betrachte. Ich fahre sehr viel Fahrrad (mit dem ich auch reise),  kaufe  nur  biologisches  Essen  und 

achte  im kleinsten Detail  auf Umweltver-träglichkeit. Darin findet sich keine Formel für  eine  bessere Welt,  sondern Ausdruck einer persönlichen Überzeugung, der alle Menschen  auf  ihre  eigene,  andere Weise folgen  können.  Ich  handle möglichst  im Sinne  des  kategorischen  Imperativs. Der Ansatz der Eigenverantwortung ist dabei der Grundstein der kollektiven Verantwortung, die in der Politik wahrgenommen werden sollte. Cyril Wendl, Bern

es begInnt mIt den kIndernWie können wir  in  einem  System Verän-derung bewirken, das echte Veränderung systematisch verhindert? Uns selbst und die Menschen in diesem System verstehen!

Die Götter ehren, tapfer sein, nichts Böses tun – so soll der Rat der Druiden an ihre keltischen Mitmenschen gelautet haben.

Doch  wie  soll  ein  Mensch  die  Götter ehren, wenn  seine Eltern und Lehrer das Kind  als  «Dummkopf»,  als  «Tyrannen»,  als «Nichtsnutz» usw. ansehen und es entspre-chend  erziehen, weg  von  seinen  eigenen Bedürfnissen, weg von seiner Natur, weg von seiner Intuition und seinem Eigen-Sinn und freien Willen?!

Wie  soll  der Mensch mit  gebrochenem und verbogenem Willen tapfer sein, Charak-ter und Rückgrat zeigen, indem er sich für eigene und fremde Bedürfnisse einsetzt, für die Schwachen und für das Leben? 

Wie soll er das Gute vom Bösen unter-scheiden können, wenn er unter dem Recht des Stärkeren in Form der Erziehung gelitten hat, wo doch sein geistig-spirituelles Wesen Schutz und Hochachtung gebraucht hätte? 

Alexej Sesterheim, Zwinge

Wie erreichen wir Veränderung?

Sibylle Burmeister, Lehrerin und Therapeutin, München

A: Es geht zunächst darum, die Systeme zu erkennen, die uns daran hindern, uns selbst zu sein. Und dann müssen wir die Trennungen, die die Politik beherrschen, wahrnehmen und auflösen. 

B: Spiritualität ist für viele leider ein Konzept und nicht verbunden mit den anderen Men-schen. Sobald wir erkennen, dass wir nicht alleine glücklich sein können, kommt auch die politische Verantwortung.

Esther Räz, Innenarchitektin, Bern:

A: Es geht um das Bewusstsein jedes Einzelnen und darum, es persönlich umzusetzen. Wenn sich die Menschen verändern, werden wir auch andere Politiker haben. 

B: Wir müssen erkennen, dass die wichtigen Entscheidungen nun mal in der Politik getrof-fen werden und dass es sinnvoll ist, unsere Ideen dort einzubringen. Alle Menschen haben Sehnsucht nach einer friedlichen Welt. Das ist unser Potenzial.

(B) die Spirituellen politischer werden? 

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30  Zeitpunkt 121

auf dem weg In eIne neue geschIchteBeim Schaulaufen der gros-sen Namen aus Spiritualität,  Alternativmedizin und Geld-reform präsentiert sich eine  neue gesellschaftliche Bewe-gung in Aufbruchsstimmung. 

«Wir leben in zwei Welten. Eine Welt treibt wie ein Luxusdampfer auf See, träge und schwer von der Vergangenheit. Eine andere Welt be-gibt sich ins Unbekannte, wie ein Kind, das zum ersten Mal in den Wald geht.» Deepak Chopra hat das gesagt. Und es besteht kein Zweifel,  in welcher der beiden Welten  sich der Kongress «Der Neubeginn» von Ende Juli in München positionierte. Veranstalter war Thomas Schmelzer, der mit seinem Portal my-stica.tv seit September 2009 eine Verbindung von  Spiritualität, Wissenschaft  und Gesell-schaft anstrebt. Im gediegenen Ambiente des Münchner Literaturhauses traf sich am 28. und 29. Juli eine hochrangige Referentenriege.Man konnte getrost  vergessen, dass  «Mysti-ca»  ein bisschen nach  «Esotera»  klingt. Das Konzept der Veranstalter nahm von Anfang an Politik, Wirtschaft und gesellschaftliches Engagement mit ins Boot. Charles Eisenstein, Vordenker der Occupy-Bewegung,  gab die Richtung  vor. Der neuen politischen Kraft wird  ja gern vorgeworfen, keine konkreten Forderungen  zu  stellen.  «Keine  Forderung kann gross genug sein», ist Eisensteins Ant-wort. Der Mathematiker und Philosoph deutet in nur  einer  Stunde die Weltgeschichte  als Prozess der Entfremdung von der Natur und den gegenwärtigen Umbruch  als  schmerz-hafte Initiation der Menschheit. Wie Kinder im Prozess des Erwachsenwerdens müssen wir lernen, zu geben und uns in etwas Grösseres 

einzubringen. Nach dem Zusammenbruch der alten Wirtschaftsordnung wird die Zukunft einer  Schenkökonomie  gehören,  die  einer «Logik der Verbundenheit» gehorcht. 

spIrItualItät wIrd kOnkretNachdem dies (bewusst) noch allgemein ge-halten war, sorgte Margrit Kennedy, grande Dame der Regionalgeldbewegung,  für  eine konkretere  Analyse.  Sie  machte  deutlich, dass nicht Völker, die «über ihre Verhältnisse gelebt» haben, für die aktuelle Finanzmisere verantwortlich  sind.  Frankreichs  Schulden würden  z.B.  nur  ein Zehntel  der heutigen Summe  betragen,  hätte  man  entschieden, dass sich der Staat von der Zentralbank zins-frei Geld leihen könne. Den psychologischen Aspekt der Krise beleuchtete hernach der Arzt und Bestsellerautor Ruediger Dahlke. Da der moderne Mensch  zunehmend unbequeme Wahrheiten verdränge, werde das Ich kleiner, der Schatten immer grösser, erklärte Dahlke. Burnouts und «Borouts» häufen sich, da Men-schen für eine Sache verbrennen, für die ihr Herz nicht brennt.Einfühlsam moderierte Veranstalter Thomas Schmelzer  auch Markus-Lanz-taugliche Gä-ste wie Walter Kohl,  Sohn des  ehemaligen Bundeskanzlers. Der gab einen berührenden Einblick in sein Schicksal im Schatten eines übermächtigen Vaters und einer Mutter, die den Freitod gewählt hatte. 

eIn kOnZept, das aufgehtSpiritualität  nahm am Kongress  einen eher unaufdringlichen Platz  im Hintergrund ein. Sie wurde von mehreren Referenten als mo-tivierende Kraft oder als Bezugsrahmen für gesellschaftliches Handeln benannt. Abgese-hen von einer etwas seichten Klangschalen-meditation wurde erfreulicherweise auf die atmosphärischen Accessoires  von Esoterik-Messen verzichtet. Das Multi-Media-Konzept «Mystica», zu dem ein Webmagazin und Internet TV-Talks mit Thomas Schmelzer gehören, scheint aufzuge-hen. Das Projekt, wie auch Zeitschriften-Neu-gründungen («oya», «Wir»), macht eines deut-lich: Nachdem die erste Esoterik-Welle seit den 80ern aufgrund ihrer zu egozentrischen und verkitschten Orientierung verdientermassen abgeflaut ist, formt sich jetzt eine neue Auf-bruchsbewegung. Sie integriert scheinbar mü-helos Elemente von Komplementärmedizin, Öko-Landwirtschaft, Mystik, Quantenphysik, Gemeinschaftsbildung, Geldalternativen und gesellschaftlichem  Engagement.  Sie  wahrt ein erfreuliches Niveau und bleibt dabei mit der Kraft des Herzens verbunden. Von die-ser Bewegung wollen wir uns im Übergang von der «Old Story» zur «New Story» (Charles Eisenstein) gern mitnehmen lassen.  Roland Rottenfußer

www.mystica.tv

Spiritualität & Politik

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Zeitpunkt 121  31

Befreiungstheologie:  Gott gibt Kraft zum Widerstand «Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim 

Arm: Halt du sie dumm, ich halt sie arm». Dieser 

Liedtext von Reinhard Mey beschreibt treffend 

die Jahrtausende alte Kungelei von Thron und 

Altar. In Südamerika war der Verrat der Kirchen 

an den kleinen Leuten besonders himmelschrei-

end. Seit den 60er-Jahre formte sich jedoch in 

Theologenkreisen  eine Gegenbewegung:  die 

Befreiungstheologie.  Gustavo  Gutiérrez  (von 

dem  der  Begriff  «Teologia  de  la  liberación» 

stammt), Ernesto Cardenal und Leonardo Boff 

stellten sich demonstrativ hinter die christlichen 

Basisbewegungen in Lateinamerika. Sie gaben 

dem Unbehagen mit Schriften wie «Schrei der 

Armen»  (Boff)  ein  theoretisches  Fundament. 

Die Befreiungstheologen  verstanden die Erlö-

sungshoffnung der Bibel nicht nur transzendent, 

sondern fanden in ihr eine sozialrevolutionäre 

Botschaft. Sie kritisierten die Kirchenhierarchie, 

der sie vorwarfen, durch Verdummung der Ar-

men den Ausbeutungsinteressen der Besitzen-

den zu dienen. 

«An Gott glauben bedeutet,  sich mit den Unterdrückten zu solidarisieren», sagte Jon 

Sobrino, Befreiungstheologe aus El Salvador und 

Berater des 1980 von einer Todesschwadron er-

mordeten Erzbischofs Oscar  Romero.  Romero 

hatte  in  seiner  letzten  Predigt  vor  seiner  Er-

mordung  gesagt:  «Kein  Soldat  ist  verpflichtet, 

einem Befehl zu gehorchen, der wider das Ge-

setz Gottes gerichtet  ist.» Der Brasilianer Leo-

nardo Boff wurde 1985 vom damaligen Kardinal 

Ratzinger  zu  einem  Jahr  des  Schweigens  ver-

urteilt und später aller kirchlichen Funktionen 

enthoben.  Ratzinger warf  Boff  u.a.  vor,  dass 

Offenbarung und Dogma bei ihm nur eine un-

tergeordnete Rolle spielten. Auch habe der Bra-

silianer den historischen Machtmissbrauch der 

Kircheninstitution unnötig polemisch beschrie-

ben.  In  seiner  Rechtfertigung  gegenüber  der 

Glaubenskongregation sagte Boff:  «Die Kirche 

der Reichen für die Armen verneint die Macht 

des Volkes, sich zu befreien.»

In  den  90er-Jahren  führte  Leonardo  Boff 

scharfe Angriffe  gegen die  Ideologie  des Ne-

oliberalismus:  «Die Befreiungstheologie  ist  in 

den 60er-Jahren aus dem Schrei der Armen her-

vorgegangen. Dieser Schrei erklingt bis heute. 

Und er wurde zum lauten Aufschreien, weil es 

nicht mehr nur die Dritte Welt betrifft, sondern 

zwei Drittel der Menschheit.» Boff vermerkt mit 

bitterer Ironie: «Hält diese Entwicklung an, ver-

lieren die Armen  ihr  Privileg,  ausgebeutet  zu 

werden.  Sie  werden  einfach  ausgeschlossen, 

für nichts  erklärt,  und wie beispielsweise die 

brasilianischen Strassenkinder von Todesschwa-

dronen wie lästige Hunde erschossen.» In einem 

anderen Interview sagte der streitbare Theologe: 

«Ich glaube, dass Veränderung möglich ist, weil 

ich keinen Gott annehmen kann, der sich die-

ser Welt gegenüber indifferent verhält, sondern 

nur einen, der sich den Armen, den Leidenden 

zuwendet. Seine Gnade gibt Kraft zum Wider-

stand, Kraft zur Befreiung.»   RR

www.befreiungstheologie.eu

Ashoka, der erste pazifistische Herrscher

Macht verdirbt den Charakter. Besonders verhängnis-voll  ist dies bei Politikern, wie die Geschichte  immer wieder gezeigt hat. Es gibt aber auch Ausnahmen. Eine der grössten  ist nach Ansicht von Historikern der alt-indische Herrscher Ashoka, (304 bis 232 v. Chr.), der erste bekennende Pazifist auf einem Königsthron. Zu Beginn seiner 36-jährigen Herrschaft lebte er nach dem Buch der Könige, nach dem Nachbarn als Feinde zu betrachten und zu unterwerfen seien. Nach der äusserst blutigen Eroberung der mächtigen Stadt Kalinga – es gibt Zeugnisse von über 150 000 Todesopfern – fiel Ashoka in eine existenzielle Krise und konvertierte zum Buddhismus, den er wohl schon vorher gekannt hatte. Er begann eine umfassende Friedenspolitik mit Neu-verteilung des Landes, gerechten Steuern und baute Schulen und Spitäler, sogar für Tiere. Er propagierte den Vegetarismus und verbreitete seine Friedensbotschaft auf beschrifteten Steinsäulen, die im ganzen Land auf-gestellt wurden. Obwohl Buddhist, förderte Ashoka auch andere Religionen. U.a. liess er für die hinduistischen As-keten Höhlen als Unterschlupf während der Monsunzeit graben. Offenbar zeigte sein Reich bereits gegen Ende seiner Herrschaft Zerfallserscheinungen. Während seine Säulen ein historischer Schatz erster Ordnung darstellen, hinterliessen seine Nachfolger keine Inschriften. Mit dem Ende der Maurya-Dynastie 185 v. Chr. dürfte auch der Buddhismus seinen Status als Staatsreligion in Indien verloren haben. Aber sein Werk wirkt bis heute nach. Gandhi bezeichnete Ashoka als sein grosses Vorbild. Und das Dharma-Rad, das Symbol der buddhistischen Lehre, wurde bei der Staatsgründung Indiens 1947 in die Flagge aufgenommen.  CP

Hierbei handelt es sich wo-möglich um das erste in In-dien gefundene Portrait von Ashoka, das eine Inschrift mit seinem Namen trägt.   Foto: Lakshmi

In der Mediathek des ZDF fin-det sich eine dreiviertelstündige Video-Dokumentation über die Herrschaft Ashokas:    www.zdf.de  bzw: http://is.gd/BNT55d

Ashoka ist auch der Name einer 1980 vom Amerikaner Bill Day-ton gegründeten Organisation, die in rund 70 Ländern social entrepreneurs  fördert.  Be-kanntester Ashoka-Fellow  ist der  Friedensnobelpreisträger Mohammed  Yunus,  Gründer der Grameen Bank.   www.ashoka.org

Die Kirche der Reichen für die Armen verneint die Macht des Volkes, sich zu befreien.

Leonardo Boff

Kurzmitteilungen

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32  Zeitpunkt 121

Spiritualität & Politik

Engagierter Sufismus: Helfen und GottgedenkenSufis,  die Mystiker  des  Islam,  sind meist bodenständige Menschen, keine Weltflucht-helfer. Sie üben einen «bürgerlichen» Beruf aus und kümmern sich schon des Glaubens wegen um ihre Mitmenschen. Von Moham-med sind viele Anweisungen überliefert, die zum sozialen Engagement auffordern. «Gib dem Hungrigen zu essen, suche  jene auf, die  krank  sind,  befreie  die Gefangenen», heisst  es  in  einem Hadith  (ausserkorani-sches Prophetenwort). Der Münchner Sufi-Scheich André Ahmed al Habib sagt denn auch kategorisch: «Ein Muslim, der nur an Gott denkt und dabei seine Mitmenschen vernachlässigt,  ist  ein  schlechter Muslim. Durch Gastfreundschaft  gegenüber  Frem-den sowie wohltätige Werke wie Speisung der Armen  erkennt man die  der  ganzen Schöpfung  innewohnende Harmonie  un-mittelbar an.»  In vielen Orden gehört das Verrichten  einfacher Arbeiten  zur Ausbil-dung eines Sufi.

In der Geschichte gab es viele Beispiele für segenreiches Wirken der Mystiker. So führte der Sufi-Scheich Islam Bahauddin nach der Zeit des Mongolensturms (13. Jh) 

in Zentralasien ein neues Bewässerungssy-stem ein. In Israel und Palästina bauten Sufis Kindertagesstätten  und  versorgten  Flücht-lingskinder.  Während  des  Bosnienkriegs betreuten westliche Psychotherapeutinnen, die in Derwischorden initiiert waren, ver-gewaltigte Frauen. Bis heute kämpfen Sufis in Afrika  gegen den Vormarsch  der Wü-ste und arbeiten an Bewässerungsanlagen mit. Dabei verbinden sie  ihre Arbeit gern mit Dhikr, der Rezitation heiliger Sätze des Koran. Vielleicht  besteht  der Unterschied zwischen  einem  Sufi,  der  sich  engagiert und  einem  «normalen» Arbeiter  vor  allem darin, wie  gearbeitet wird.  Für  den  Sufi geschieht  alles  «innerhalb Gottes»  und  ist mit  ständigem  Gottgedenken  (Dhikr  Al-lah)  verknüpft.  Politische Macht  übrigens hat für Sufis nur relative Bedeutung und ist dem Wort Gottes untergeordnet. So sagte der Kalif  Abu Bhakr,  der  Schwiegervater Mohammeds: «Gehorcht mir, wenn ich den Gesetzen Gottes  gehorche. Gehorche  ich aber den Gesetzen Gottes nicht, so braucht auch ihr mir nicht mehr gehorchen.»  RR

Quelle: André Ahmed al Habib

Die Violetten: Politik für höheres Bewusstsein

«Sozialhilfe abschaffen – der Reichtum liegt in dir». So warb 2002 in einer meiner Satiren eine erfundene spirituelle Partei namens «Die Violetten». Wenig spä-ter bekam ich per Brief einen heftigen Rüffel – von der Vorsitzenden einer  realen Partei namens «Die Violetten».  Ich entschuldigte mich  zerknirscht.  Ich hatte nicht gewusst, dass es die wirklich gab. Warum ich den Namen so gut erraten hatte? Er lag nahe, ist violett doch die Farbe des Kronenchakras, durch das kosmische Schwingungen  in unseren Scheitel  ein-dringen. Seither ist ein Jahrzehnt vergangen, und wir wissen, wie spirituell begründete Politik beim Wahlvolk ankommt: gar nicht. Bei der Bundestagswahl 2009 kamen die Violetten auf 0,1 Prozent der Stimmen – 32 000 Wähler. Zum Teil war der Misserfolg auch auf interne Querelen zurückzuführen. Schon 2003 erfolgte eine Spaltung in «Die Violetten» und die Partei «Spiri-tuelles Bewusstsein» unter dem Ex-Grünen Friedhelm Wegener. Seit 2005 hatte die Partei mit Gudula Blau eine wirkungsvolle Protagonistin. Die Schauspielerin und Exfrau von Karlheinz Böhm trat jedoch 2009 nach Streitigkeiten zurück. Das weitere Schicksal der Partei ist ungewiss. Eigentlich schade. 

Das Parteiprogramm war und ist viel verspre-chend und enthält  vieles, was «Kulturell Kreative» umtreibt: Umlaufgesichertes Geld (z.B. Regionalwäh-rungen), Volksabstimmungen auf Bundesebene, ein Bedingungsloses Grundeinkommen, alternative Ener-gien, biologische Landwirtschaft, die Gleichstellung von Komplementärmedizin, mehr Tierschutz, Verbot von Bodenspekulationen, eine Reform des Strafrechts und  Pazifismus.  Ist  ein  besseres  Parteiprogramm denkbar? Zumindest ein präziseres. Schwierig wird es, wo der philosophische Überbau definiert wird. Die Violetten behaupten von sich, «dem Wohl allen Seins verpflichtet zu sein» und «das Göttliche in allem was ist zu sehen». Das ist löblich, aber schwer in Aktion umzusetzen. Unvermeidlich zieht das Konzept Leicht-gläubige und esoterische Überflieger an. Es kommt zu Konflikten darüber, welche politische Forderung spirituell  korrekt  ist.  So  steht  im Parteiprogramm der Satz: «Wir verfügen über einen freien Willen und tragen die alleinige Verantwortung für das, was wir ins Leben  rufen.» Dies begünstigt eine neoliberale Eigenverantwortungsethik und Deregulierungspolitik. Andere Programmpunkte kann man ohne weiteres als «rot» oder «grün» bezeichnen. Trotz der ideologischen Verwirrung wäre dem Projekt eine neue Chance zu wünschen.  RRwww.die-violetten.de

Die Tiefenökologie von Joanna Macy«Ich glaube, dass von all den Gefahren die uns drohen – sei es der Militarismus, die Umweltverschmutzung, die Überbevölkerung oder das Artensterben – keine Gefahr so gross ist, wie unsere Verdrängung. Denn dann passiert all das unkontrolliert.» Joanna Macy, die grosse alte Dame der Tiefenökologie, hält nichts von Wegschauen und Coolness angesichts der Naturzerstörung. Entspre-chend emotional sind die Seminare der heute 83-jährigen – genannt «Work that reconnects». Da halten Teilneh-mer flammende Reden als Stellvertreter der Tiere, der Pflanzen und der Nachgeborenen. Die Besucher werden animiert, ihre Verzweiflung über den Zustand der Erde herauszuweinen. Macy erklärt: «Ich bin in dieser Arbeit zu der Erkenntnis gekommen, dass unser Schmerz um den Zustand der Welt und unsere Liebe für die Welt untrennbar miteinander verbunden sind.» Weinen ist für sie nicht folgenlose Rührseligkeit. Es macht uns unsere Liebe zu dem, was verloren ging, bewusst und führt zur politischen Aktion.  Joanna Macy gehört neben Arne Naess zu den Grün-dereltern einer Bewegung, die Anfang der 70er als «Deep Ecology»  entstand.  Buddhismus  und  Systemtheorie beeinflussten die Doktorin der Religionswissenschaft 

besonders. Tiefenökologie  ist Umweltschutz, der sich einer göttlichen Tiefendimension bewusst ist. Die Natur ist für sie mehr als ausbeutbarer Rohstoff oder Kulisse für menschliches Handeln. Alles ist miteinander und mit uns verwoben zum Netz des Lebens. Wen verletzen wir also, wenn wir einen Baum abholzen oder den Orang Utans auf Borneo ihren Lebensraum nehmen? Uns selbst! Denn der, der verletzt und der, der verletzt wird, sind nicht voneinander getrennt. 

Spirituell zu sein, das bedeutet für Joanna Macy mehr als Erleuchtungssuche in Seminarräumen. «Statt  einer  nur  nach  innen gerichteten Versenkung entsteht damit eine ‹sozialen Mystik›, in der Meditation und soziale oder ökologische Aktion eins werden.» Welt-fremdheit ist insofern das Gegenteil dessen, was eine Tiefenökologin antreibt. «Der Weg geistiger Suche wird hier nicht länger als eine Flucht aus der schlechten Welt in irgendeinen paradiesischen Himmel angesehen. Vielmehr wird hier die Welt selbst zum Kloster, die Welt selbst als Arena einer geistigen Transformation verstanden.»  RR

Quelle und weitere Infos: www.tiefenoekologie.de

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Dag Hammarskjöld: Mystiker und UNO-GeneralsekretärAuf seinem Grabstein steht «Icke jag utan, gud i mig» – nicht  ich, Gott  in mir. So ein Zitat passt zu einem mittelalterlichen  Mystiker  oder  spirituellen  Meister, für einen Politiker  ist es ungewöhnlich. Der Schwede Dag Hammarskjöld war der zweite Generalsekretär der Vereinten Nationen und erhielt posthum den Friedens-nobelpreis. Der Spruch auf seinem Grab ist typisch für seine Gottergebenheit – und ganz untypisch für einen Berufsstand, der sonst von Egomanen bevölkert wird. In seinem viel beachteten spirituellen Tagebuch «Zeichen am Weg» beschreibt Hammarskjöld sein Ringen um Einsicht und gerechtes Handeln in intimer Zwiesprache mit Gott. Die Aphorismen und Betrachtungen zeugen von einer aussergewöhnlich  «zarten» Seelenkonstituti-on und künstlerischem Talent. In einem Gedicht heisst es: «Freue dich, wenn du fühlst, dass, was du tatest, notwendig war, doch erkenne, dass du auch so nur ein Werkzeug warst für ihn, der durch dich ein Stückchen zu dem Ganzen fügte, das er gestaltet zu seinem Ziel.»

Ein Mystiker und Dichter in einem der einfluss-reichsten Ämter der Welt – wie konnte es dazu kommen? Der  Jurist  und  Philosoph  begann  seine Karriere als Richter, Staatssekretär und schwedischer Finanzminister. 1953 wurde er zum UN-Generalsekre-

tär gewählt.  Trotz  seines  Images als  «Softie»  zeigte Hammarskjöld erstaunliches Durchsetzungsvermögen. Er setzte es jedoch für den Frieden ein. Der Schwede überredete Peking, die amerikanischen Kriegsgefan-genen des Koreakriegs freizulassen und entschärfte den gefährlichen Konflikt um den Suez-Kanal durch Schaffung einer  internationalen Friedenstruppe. Sein Ende war tragisch. 1961 starb Dag Hammarsköld beim Absturz seines UN-Flugzeugs über dem Kongo. Er war auf dem Weg zu Ministerpräsident Moïse Tschombé, um im damals schwelenden Kongo-Konflikt zu vermitteln. Gerüchte, der UN-Generalsekretär sei durch ein Mord-

komplott der britischen und amerikanischen Geheim-dienste gestorben, halten sich bis heute. Schon früh hatte Hammarskjöld in seinem Tagebuch die Einsamkeit, den Tod und das Opfer zum Thema gemacht. Hat sich der «Gottesmann» im Haifischbecken der Politik einem höheren Zweck geopfert? Jedenfalls ist sein Leben eines der seltenen Zeugnisse dafür, dass möglich ist, politisch wirkungsvoll und zugleich tief spirituell zu sein.  RR

Dag Hammarskjöld: Zeichen am Weg – Das spirituelle Tage-buch des UN-Generalsekretärs. Verlag Urachhaus 2012, 225 S., Fr. 28,40 / Euro 19,90   •   www.hammarskjoeld.org

Kurzmitteilungen

Reformen und vor allem ReifungDie Erneuerung unserer Gesellschaft wird immer drin-gender. Doch was brauchen wir dazu? Nach Auffassung der fünf Autoren des Sammelbandes «Wie wir wirklich leben wollen» braucht es für eine friedliche Welt nicht nur neue Wege der Kooperation und Demokratiere-formen, sondern vor allem menschliche Reifung und eine Förderung der Spiritualität. Sie waren alle Mitglieder des spirituell inspirierten, aber etwas kurzlebigen euro-päischen Parteiprojekts «Dynamik 5» und suchten  in verschiedenen Arbeitsgruppen nach Lösungen für die 

grossen gesellschaftlichen Probleme. Die Textsamm-lung ist das Resultat dieser umfangreichen Arbeit, die auch in andere Bewegungen eingeflossen sind, z.B. die «Integrale Politik».

Holon-Netzwerk (Hrsg.): Wie wir wirklich leben wollen – Aussichten auf eine ganzheitliche Gesellschaft. 2012, BoD. 292 S. Fr. 27.50/€ 18.90. ISBN 978-3-84481-282-4.Mit Beiträgen von  Gandalf Lipinski, Gil Ducommun, Werner Binder, Ernst-Günter Hilgenstock, Joachim Pfeffinger, Joachim Sturzenegger, Michael Pfeiffer und Remy Holenstein.

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In Rebellion vereintWas  ist ein Freund? Es kann sehr wenig damit gemeint sein oder sehr viel. Wenig, wenn etwa Facebook-Friends gesammelt werden wie Briefmarken. Viel, wenn  jemand sein Leben lang den Weg eines Menschen begleitet, den er einmal als wertvoll erkannt hat. Die Personen, die Konstantin Wecker in diesem Buch seine «rebellischen Freunde» nennt, sind überwiegend Vorbilder und Weggefährten. Manche, wie Kurt Tucholsky oder Sophie Scholl, kann er nicht gekannt haben. Aber auch mit Jean Ziegler oder Arundhati Roy dürfte er nicht wöchentlich beim Bier zusammen sitzen. Mit anderen wie dem Kollegen Hannes Wader, dem Physiker Hans-Peter Dürr oder dem Theologen Eugen Drewermann hatte er beiderseits befruchtende Begegnungen. Es sind Menschen, die ihm das Potenzial der menschlichen Seele vor Augen geführt haben. Dabei hat sich Wecker selbst immer als Rebellen empfunden, denn «wer sich fügt, der fängt bereits ganz insgeheim zu lügen an.» Rebellion wird von ihm in einem umfassenden Sinn verstanden. Es ist die Grundbedingung dafür, dass der Geist und die Seele atmen können. «Ein selbstbestimmtes Leben ist ohne Rebellion nicht möglich.» Neben Kurzporträts aus der Feder des Lie-dermachers enthält das Buch jeweils auch Originaltexte der Belobigten. Ein Schnupperkurs in «Re-bellenkunde», der den Weg zu vertiefter Beschäftigung mit diesen Freunden der Wahrheit öffnet.  RRKonstantin Wecker: Meine rebellischen Freunde – Ein persönliches Lesebuch. Verlag Langen Müller 2012, 224 S., Fr. 29.90/ Euro 19,90

Eine Anleitung zum Mächtig-WerdenVeränderung braucht mehr als guten Willen. Sich mit Kampagnen und  Initiativen  in der Gesellschaft Gehör verschaffen kann nur, wer sich zu organisieren weiss. Genau da setzt der Ratgeber «Die Organizer-Spirale» der Stiftung Mitarbeit an. In der «Anleitung zum Mäch-tig-Werden» beschreiben fünf Autoren mit langjähriger Erfahrung in Aktionsgruppen und Bürgerbewegungen, wie Gruppen die Herausforderungen der politischen Ei-geninitiative in sieben Phasen meistern können. Sie ver-anschaulichen, dass das Selbstverständnis der Gruppe und eine gründliche Analyse der Ausgangslage ebenso viel Aufmerksamkeit brauchen, wie die Formulierung von Zielen und Strategien. Bei öffentlichen Aktionen ist zudem nicht nur die Planung wichtig, sondern auch die Auswertung: Haben wir die richtigen Massnahmen ergriffen oder brauchen wir eine neue Strategie?

Wer die Gesellschaft längerfristig mitgestalten will, muss in Bewegung bleiben. Das soll auch das Bild der Spirale verdeutlichen, die bei jeder Windung etwas höher an-setzt. Bei jeder Aktion lernt die Gruppe hinzu. Natürlich darf es auch mal «menscheln» unter den Mitwirkenden. So betonen die Autoren, dass Gegensätze und Unter-schiede die Wahrnehmungsmöglichkeiten der Gruppe steigern und für die politische Arbeit durchaus förderlich sind. Ihr Ratgeber soll Bürger und Bürgerinnen ermu-tigen, gemeinsam Verantwortung für gesellschaftliche Prozesse zu übernehmen. Denn das ist es, was eine le-bendige Demokratie ausmacht: sich einmischen.   MK

Ulla Eberhard et al.: Die Organizer-Spirale – eine Anleitung zum Mächtig-Werden für Kampagnen, Initiativen, Projekte. Stiftung Mitarbeit, 2011. 95 

S. € 6,00

Spiritualität & Politik

Es ist ganz «simpol»: Niemand will der Erste sein – aber es gibt eine LösungNachhaltigkeit  kostet.  Wer  sie  als  Staat zuerst umsetzt, gerät im globalen Wettbe-werb ins Hintertreffen. Das ist der Nachteil der Pioniere. Deshalb geschieht beim Kli-maschutz so wenig, und deshalb scheitert die Finanztransaktionssteuer an nationalen Egoismen. 

Wenn  Lösungen  für  globale  Probleme Erfolg  haben  sollen, müssen  sie  in  einer ausreichenden Zahl von Ländern gleichzei-tig  umgesetzt werden.  Internationale Or-ganisationen wie  die UNO oder  der  Int. Währungsfonds streben dies zwar auch an, aber sie werden weitgehend von den Ein-zelinteressen  der Grossmächte  dominiert und sind deshalb wenig erfolgreich.

Dies ist der Ausgangspunkt von Simpol, einer interessanten Initiative aus England. 

Sie versucht, die Bedingungen für gleich-zeitige, grundlegende Reformen zu  schaf-fen, indem sie Parlamentarier aus den ver-schiedensten  Parteien  in  vielen  Ländern verpflichtet, sie umzusetzen, sobald genü-gend Länder dabei sind. Dabei geht es um Massnahmen und Richtlinien  für  globale soziale Gerechtigkeit  und Nachhaltigkeit. Die Selbstverpflichtung der Parlamentarier ist gleichzeitig ein Vorteil  im Wahlkampf. Denn die Simpol-Unterstützer erklären ih-rerseits,  Kandidaten  zu wählen,  die  eine simultanpolitische  Regulierung  unterstüt-zen, sobald diese zustande kommt. Von 200 Kandidaten für das britische Unterhaus, die 

sie unterzeichnet hatten, wurden immerhin 24 gewählt. 

Ein weiterer Vorteil von Simpols Ansatz der gleichzeitigen Umsetzung globaler Po-litik im nationalen Rahmen ist die Möglich-keit,  verschiedene Themen  zu  verbinden und  dadurch  einen  Ausgleich  der  Inte-ressen zu schaffen. Länder, die beim Kli-maschutz verlieren, könnten zum Beispiel über  die  Transaktionssteuer  entschädigt werden, um so die globalen Lasten gerecht zu verteilen. 

Welche Massnahmen simultan umgesetzt 

werden sollen, das bestimmt ein weltweiter demokratischer  Prozess  unter  den Bürge-rinnen und Bürgern, die Simpol unterstüt-zen. Weil dieser Prozess noch in den An-fängen  steckt  und das Massnahmenpaket noch nicht steht, können die Politiker die Selbstverpflichtung widerrufen. 

Nach 14 Jahren Aufbauarbeit mit dieser grossen Idee steht John Bunzl nun vor ei-ner Art Durchbruch. In Deutschland besteht bereits eine nationale Organisation, in Ös-terreich ist eine Zweigstelle im Aufbau und in der Schweiz gibt es immerhin ein paar Interessenten. Auch wenn  es  am  Schluss dann schnell geht – eben simultan –, die Aufbauarbeit erfordert Geduld.  CP

Kontakt: International Simultaneous Policy Organisation (ISPO), P.O. Box 26547, UK-London SE3 7YT, Tel: +44 20 8639 0121, www.simpol.org

Der Engländer John Bunzl hat eine einfache Idee, wie man Staaten weltweit dazu bewegen kann, gleichzeitig eine Politik der Nachhaltigkeit einzuführen.

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lIcht aus!Im September ist endgültig Schluss mit den Glühbirnen – ein verhängnisvoller Fehlentscheid. Ihr Verbot beruht auf erschreckend dünnen Daten und wurde Europa regelrecht aufgezwungen. Der Spareffekt der Energiesparlampen ist minimal, die Gewinne der Industrie umso grösser – ein Schulbeispiel, wie Ver-braucher von Politik, Industrie und Umweltverbänden hinters Licht geführt wurden. Der letzte Widerstand: jetzt die noch vorhandenen Bestände aufkaufen.      von Roland Rottenfußer

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das war keine Bitte!», sagt der Captain mit bedrohlichem  Unterton.  Der  Fähnrich weiss, was das bedeutet. Sein Vorgesetz-ter hat einen Befehl ausgesprochen, und da ist Widerstand zwecklos. Solche Sze-

nen sind allen Fans der Star Trek-Serien bekannt. Auch beim Verbot der konventionellen Glühlampen liessen es die europäischen Behörden nicht bei Bitten bewen-den. 2009 wurden die 100-Watt-Lampen verboten. 2011 folgten 60-Watt-Glühbirnen. Bis September 2012 sol-len alle alten Modelle aus den Regalen verschwunden und durch Kompaktleuchtstofflampen ersetzt sein. Die Abneigung der Rechtgläubigen in Sachen Licht nahm teilweise rabiate Züge an. So liess Greenpeace 2007 in Berlin 10.000 Glühbirnen alten Typs von einer Walze überfahren. Aus Sicht der Befürworter von «Energiespar-lampen» ist dieses Vorgehen konsequent: Zwingt man die Bürger nicht zu ihrem Glück, treffen sie womöglich noch eigene Entscheidungen. Und das darf nicht sein, wo Politiker aufgrund von überlegener Erkenntnis in einem wichtigen Fall entschieden haben. 

Aber ist die Glühbirnenfrage wirklich so wich-tig? Und wie wasserdicht sind die Erkenntnisse der Behörden? Zunächst zur ersten Frage. An die fahlen Lampen mit den gebogenen Röhren wurden in den vergangenen Jahren geradezu Heilserwartungen ge-knüpft. Das Einschrauben einer solchen Leuchte in der heimischen Küche kam einem Ablass für reuige Klimasünder  gleich.  Hans  Arpke,  Energieexperte 

des Landkreises Weilheim/Schongau (Südbayern) ist skeptisch: «Auch die Last des Energiesparens sowie die moralische Schuld am Klimawandel wird über-wiegend dem ‚kleinen’ Endverbraucher aufgebürdet, während man  im Grossen gigantische Verschwen-dung duldet. Es wird so getan, als sei mit dem Verbot 

der konventionellen Glühbirne Wesentliches für den Klimaschutz geleistet. Die Wahrheit ist: Nur rund ein Zehntel  des CO²-Ausstosses  entfällt  überhaupt  auf Privathaushalte; davon wird nur ca. ein Zwanzigstel durch Beleuchtung verursacht. Die Bedeutung der Wohnungsbeleuchtung  ist  für  das Gesamtbild  ver-schwindend gering.»

Angesichts solcher Einwände verwundert es, dass es überhaupt zu dem Verbot kommen konnte. Noch 2008 lehnte das Schweizer Parlament eine Initiative von Jacques Neirynck (CVP) ab, die ein rasches Ende der Glühlampe  forderte.  Schon  zwei  Jahre  später wurde ein diesbezüglicher Gesetzesentwurf des Bun-desrats mit grosser Mehrheit angenommen. Kritische Stimmen gab es kaum mehr. Das Verbot basiert auf einer Energieverordnung von 2009, die praktisch den energiepolitischen Anschluss der Schweiz an die EU besiegelte. Wie aber kam Europa dazu, in der Ener-giesparlampe ihr Heil zu sehen?

Thomas Worm und Claudia Karstedt erzählen in ihrem Buch  «Lügendes  Licht  –  die  dunklen  Seiten der Energiesparlampe» (Hirzel-Verlag) die ganze Ge-schichte. Die EU-Verordnung 244/2009 sei von der EU-Kommission am Parlament vorbei im Handstreich beschlossen worden.  Im Februar  2009  traf  sich  in Brüssel  ein Umweltausschuss  aus  58 Mitgliedern. Wie  die Autoren  zeigen,  beruhte  deren Begeiste-rung für Energiesparlampe jedoch auf sehr dünnem Datenmaterial – gerade mal fünf Exemplare wurden untersucht. Grundlage waren Gutachten der Umwelt-

verbände WWF, Greenpeace, Bund für Umwelt und Naturschutz  und Deutsche Umwelthilfe. Der Aus-schuss gab daraufhin idealisierte Prognosen über den Nutzen der neuen Lampen ab. Von 80 Prozent En-ergiesparpotenzial war die Rede. Andererseits fielen wichtige Einwände unter den Tisch. Nach Berech-

Der vierjährige Max aus Linden (Bayern) hatte das Quecksilber einer zerbrochenen Energiesparlampe eine Nacht lang eingeatmet und verlor alle Haare, litt unter Depressionen und zitterte schubweise am ganzen Körper.

Hintergurund: das Filmplakat

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nungen der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt  (Empa)  sind  Sparlampen  in  der Herstellung extrem energieaufwändig.

Die magische Zahl «80 Prozent» ist keineswegs durch belastbare Studien erhärtet. Dies meinen jedenfalls Worm und Karlstedt. U.a. sei bei der Bilanz der «Wärmeersatzeffekt» der konventionellen Lampen nicht berücksichtigt worden. Hans Arpke beschreibt diesen Effekt so: «Glühbirnen alten Typs geben Wär-me ab. Wenn sie durch temperaturneutrale Energie-sparlampen ersetzt werden, könnte der Verbraucher dies im Winter kompensieren, indem er die Heizung weiter aufdreht.» Inzwischen beziffern mehrere Ex-perten  unabhängig  voneinander  den Einspareffekt mit 20 bis 30 Prozent. Waren die «80 Prozent» also eine bewusste oder fahrlässige Übertreibung, um das Verbot durchzuboxen? Nicht berücksichtigt worden sei  auch  ein  zu  erwartender  Rebound-Effekt. Das 

heisst:  Wenn  Verbrau-cher glauben, dass sie die perfekte Umwelt-Lampe gekauft  haben,  konsu-mieren  sie  dafür  guten Gewissens mehr Strom.

Schwerwiegender als der Vorwurf, Energiesparlam-pen nützten nicht viel, ist allerdings die Erkenntnis ihrer Schädlichkeit. Viele Argumente hierzu hat der Österreicher Christoph Mayr  in  seinem Dokumen-tarfilm  «Bulb  Fiction»  zusammengetragen.  («Bulb» – Glühbirne, «Pulp Fiction» – Spielfilm von Quentin Tarantino.) Der  erste Nachteil  ist  psychologischer Natur. Kaum ein befragter Bürger mag Energiespar-lampen. Ihr Licht wird als kalt und ungemütlich emp-funden. Man könnte  die Volksstimmung natürlich als geschmäcklerisch und  irrelevant  abtun:  Jedoch wissen Lichtdesigner und Therapeuten, wie wichtig die Beleuchtung für Seele und Leistungsfähigkeit ist. Es ist keine Bagatelle, wenn unzählige Zimmer für 

das Gefühl der Menschen, die darin leben, ein Stück unwirtlicher werden.

Die von Thomas A. Edison entwickelte Urform der Glühbirne basiert auf einem glühenden Wolf-ramfaden. Licht und Wärme sind hier eng miteinander verbunden – wie bei einer natürlichen Lichtquelle, z.B. dem Feuer. Den modernen Leuchtstofflampen  fehlt jedoch die Infrarotstrahlung. Professor Richard Funk von der Uni Dresden wies in Experimenten 2009 nach, dass «blaues» Licht, dem das rote Spektrum entzogen wurde, Sehnerven zerstören kann. Zudem stellte man-cher umweltbewusste Käufer von Energiesparlampen fest, dass vor allem an der Helligkeit gespart wurde –  trotz hoher Preise. Mit  längerer  Laufzeit  lässt  die Leuchtkraft der neuen Lampen stark nach. In diesem Dämmerlicht zu lesen, strengt die Augen an. 

Nicht  «nur»  psychologisch wirken die  elektroma-gnetischen Felder, die von den Energiesparlampen erzeugt werden. Eine Studie, die von der Schweizer Glühlampen-Rebellin  und SVP-Nationalrätin Yvette Estermann in Auftrag gegeben wurde, führte zu fol-gender Empfehlung: «Halten Sie einen Abstand von 30 Zentimetern zu Energiesparlampen ein, um die Belastung durch UV-Strahlung und elektrische Felder klein zu halten.» Ein solcher Abstand ist gerade bei Leselampen auf Dauer schwer einzuhalten. Und es fühlt sich einfach unbehaglich an, im Wohnbereich eine «feindliche» Strahlungsquelle zu haben. Der Bau-biologe Wolfgang Maes kam bei einer Untersuchung im Auftrag von Ökotest zu erschreckenden Ergebnis-sen: Die Elektrosmog-Werte bei Kompaktleuchtstoff-lampen sind bis zu 15mal höher als es die TCO-Norm für Bildschirme erlaubt. 

Besonders ins Gewicht fällt der Quecksilberge-halt der Energiesparlampen. Das Metall ist extrem umweltschädlich und giftig.  Eine Gefahr kann bei drei Gelegenheiten  auftreten:  bei  der Gewinnung des Metalls, bei der Entsorgung und  im Fall,  dass eine Lampe kaputt geht. Wegen des Booms der En-ergiesparlampen in Europa wurden mehrere stillge-legte Quecksilberminen in China wieder in Betrieb genommen wurden – mit verheerenden Folgen für die Umwelt. 

Was  mit  Gesundheitsgefährdung  gemeint  ist, zeigt  «Bulb Fiction»  an einem drastischen Beispiel: Der vierjährige Max aus Linden (Bayern) hatte das Quecksilber  einer  zerbrochenen Energiesparlampe eine Nacht lang eingeatmet. Als Folge verlor er nach und nach alle Haare, Wimpern und Augenbrauen, litt unter Depressionen und zitterte schubweise am ganzen Körper. Gary Zörner vom Umweltgift-Institut LAFU erklärt im Film, dass Quecksilber Nervenzel-len  zerstöre  und  «dümmer» mache.  Laut VITO, 

Energiesparlampen sind Sondermüll, aber 80 Prozent ihres hochgiftigen Quecksilbers gelangt im Laufe der Entsorgung in die Umwelt. Der WWF schraubte im Laufe einer PR-Aktion Hunderte von Energiesparlampen ohne Warnaufschrift in private Haushalte.

Zwingt man die Bürger nicht zu ihrem Glück, treffen sie womöglich noch eigene Entscheidungen. Und das darf nicht sein.

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Zeitpunkt 121  3�

LED-Lampen: Erleuchtung garantiert!

Bei uns finden Sie Erleuchtung. Wenigstens, was LED anbelangt...Den Glühbirnen wurde der Stecker gezogen und Ener-giesparlampen sind für viele eher ein Abtörner – wegen der hohen Elektrosmog-Werte und des Quecksilbers, das beim Bruch der Lampe entweichen kann. Bleiben noch Halogen- und LED-Lampen. Da LED-Lampen rund sechsmal weniger Strom fressen als Halogen-Lampen, möchten wir die LED-Technik genauer ausleuchten.

Eine Leuchte in Sachen Energie sparen.Zuerst die erhellenden Nachrichten: LED-Lampen brau-chen generell sehr wenig Strom (bis zu 90% gegenüber Glühbirnen), sind langlebig (bis zu 25 Jahre) und benöti-gen keine Startzeit. Sie haben aber noch weitere Vorteile: Sie erzeugen warmes Licht, sind vielfältig einsetzbar und geben praktisch keine Wärme ab. Hinzu kommt, dass LED-Lampen unempfindlich gegenüber Erschütterungen sind und viele Modelle stufenlos dimmbar sind. 

Sogar Insekten würden LED kaufen.Während immer mehr Menschen von der LED-Technik angezogen werden, lässt sich bei Insekten genau das Gegenteil beobachten: Studien haben gezeigt, dass LED-Lampen massiv weniger Insekten in ihren Bann ziehen. Gerade bei Aussenbeleuchtungen kann so die  Insek-tenplage bzw. das Insektensterben drastisch reduziert werden. LED geht also nicht nur sparsam um mit Strom, sondern auch sorgsam mit Lebensenergien.

Und die Schattenseiten?Wie jede Lampe, hat auch LED ein paar Minuspunkte – wenn auch vergleichsweise geringe: Als Schreibtisch- oder Nachttischlampen sind einige LED-Lampen weniger geeignet, da ihre abgegebene Strahlung erhöht ist. Sie fällt  jedoch  immer noch deutlich geringer aus als bei klassischen Energiesparlampen. Ausserdem wird für die LED-Herstellung „seltene Erde“ verwendet. In ab-sehbarer Zukunft werden die seltenen Erden aus den LED-Lampen wiederverwendet werden. LED-Lampen brennen bis zu 25 Jahre. In dieser Zeit sollten sich auch bürokratische Hürden für eine Recycling-Lösung über-winden lassen.

Wir leuchten Ihnen den Weg.Für alle, die eine LED-Erleuchtung erlebt haben und sich auf den Weg zur Quelle machen wollen: Wir be-raten Sie kompetent und bieten ein sehr breites LED-Sortiment von Birnen über Lampen bis hin zu ganzen Beleuchtungssystemen für drinnen und draussen. Und als grösster Lampenshop der Schweiz dürfte auch unsere paradiesische Auswahl mit über 2000 Lampen für heitere Freude sorgen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch – auf www.buehrerlicht.ch oder im Lampenshop:                 Bührer Licht AG                Jakobstal (Wängi)                 9548 Matzingen

wahre Werte

Informationen unserer Inserenten

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entscheiden & arbeiten

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einem belgischen  Institut,  das  im Auftrag  der  EU  Kompaktleuchtstofflampen untersuchte, gelangen 80 Prozent des Quecksilbers im Lauf der Entsorgung in die Umwelt. Das wären jährlich 146 Tonnen, verteilt auf ganz Europa. 

 Warum also die Fixierung der EU-Behörden auf die zweifelhaften Leuchtkörper? Mayr hat eine nahe liegende Erklärung: «Die Industrie braucht Um-sätze. NGOs müssen ihren Spendern beweisen, dass sie ihre Anliegen durchsetzen können. Die meisten Politiker schauen, woher der Wind weht. Für sie gibt es sonst selten die Gelegenheit, sich als Klimaschüt-zer feiern zu lassen, ohne sich mit der Industrie oder sonst einer mächtigen Lobby anzulegen.»

Mit Energiesparlampen, die in der Herstellung zwar mindestens doppelt so teuer sind wie Glühlampen, lässt sich dreizehnmal mehr verdienen. Zudem ist die Zahl der Hersteller erheblich gesunken. Das wieder attraktiv gewordene Geschäft mit der Beleuchtung teilen sich im wesentlichen zwei Patentinhaber. 

Das Kunstprojekt «Heatball» will die Verdunkelungs-versuche der Behörden nicht länger hinnehmen. Die Aktivisten vertreiben Glühbirnen als Wärmelampen. «Heatball  ist Widerstand  gegen Verordnungen,  die jenseits aller demokratischen und parlamentarischen Abläufe  in Kraft  treten  und Bürger  entmündigen. Heatball  ist auch ein Widerstand gegen die Unver-hältnismässigkeit von Massnahmen zum Schutze un-serer Umwelt. Wie kann man nur ernsthaft glauben, dass wir durch den Einsatz von Energiesparlampen 

das Weltklima retten und gleichzeitig zulassen, dass die  Regenwälder  über Jahrzehnte vergeblich auf ihren Schutz warten.» 

Inzwischen  regt  sich auch parlamentarischer Widerstand. In Deutschland wird er überraschen-derweise von einem CDU-Politiker angeführt. Her-bert Reul, Vorsitzender des Industrieausschusses im EU-Parlament, verspricht:  «Ich werde alles  tun, um das Glühlampenverbot in der EU doch noch zu kip-pen». Das Verbot sei «mittlerweile zu einer Art Symbol geworden für dumme Entscheidungsfindung in Brüs-sel», sagt Reul. Die Chancen, das Verbot in Europa wieder rückgängig zu machen, erscheinen allerdings gering. Dabei gibt es dafür schon einen Präzedenz-fall. In Neuseeland sind seit Ende 2008 Glühbirnen alten Typs wieder zugelassen – nur knapp zwei Jahre nach dem Verbot. 

Zu den Kritikern gehört auch die Deutsche Umwelt-hilfe DUH.  Der Verband hat jetzt drei Hersteller von Energiesparlampen wegen zu hohem Quecksilberge-halt abgemahnt. Die gesetzlichen Grenzwerte wur-den überschritten. «Nach wie vor versuchen manche Hersteller den schnellen Euro mit Energiesparlampen zu machen, die einen viel zu hohen Quecksilberge-halt haben», kritisiert Jürgen Resch, Bundesgeschäfts-führer der DUH. 

Ein anderer Einwand gegen das Verbotsverfahren betrifft die Zukunft unserer Demokratie. Sind Ener-giesparlampen Symbole einer kommenden «Öko-Dik-tatur», wie sie der Thriller Autor Dirk C. Fleck in sei-nem gleichnamigen Buch prophezeit hat? Auf jeden Fall müssen wir sorgfältig zwischen verschiedenen Werten abwägen. Was ökologisch sinnvoll ist, kann zugleich ein Schritt hin  zu mehr EU-Zentralismus, Obrigkeitsstaat und Freiheitsabbau darstellen. Es ist schwer,  sich  in  diesem  Spannungsfeld  verantwor-tungsvoll zu positionieren. Sicher ist jedoch: Ange-sichts des mangelnden Nutzens und der erwiesenen Schädlichkeit der Energiesparlampen sollte man die Güterabwägung wieder dem einzelnen Verbraucher überlassen. Befehl und Zwang sind vielleicht beim Militär angemessen. In einer freien Gesellschaft ha-ben sie nichts zu suchen.

Kämpfen mit Kunst und Ironie gegen die Energiesparlampen:  Die Ingenieure Rudolf Hannot und Siegfried Rotthäuser von der Elektrischen 

Widerstandsgenossenschaft. Ihr «Heatball» ist keine Lampe, aber passt in jede Lampenfassung.

Die Elektrosmog-Werte bei Kompaktleuchtstofflampen sind bis zu 15mal höher als es die Norm für Bildschirme erlaubt.

Thomas Worm, Claudia Karstedt: Lügendes Licht – Die dunklen Seiten der Energiesparlampe. S. Hirzel Verlag 2011, 254 S., Fr. 30.50/ Euro 19,80 

Christoph Mayr: Bulb Fiction. Aus-trianfilm 2011, DVD, 100 min., 12,99  Euro.  www.bulbfiction-derfilm.com. Ein Verleih des Films in der Schweiz ist nicht mehr vorgesehen. 

Die Webseite der «Heatballs» (Wärmelampen als Kunstaktion): www.heatball.de

In der Schweiz lagern ebenfalls 4000 Heatballs, bei Franz Gehrigs Werbe-artikelfirma in Bern. Ihr Verkauf wur-

de vom Bundesamt für Energie unter Strafandrohung verboten. Gehrig gibt aber nicht auf. www.heatball.ch

Argumente für die Glühbirne: www.gluehbirne.ist.org

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wenn dOch nur mehr hausfrauen (und -männer) wIld würden!

Eier aus dem Freiland statt aus der Batterie:  eine typisch helvetische Geschichte. Ein paar kluge Köpfe haben das in einem Land, das noch selbst entscheiden kann, zustande gebracht. Ohne Verbot, einfach so, unter aktiver Beteiligung vieler Konsumentinnen und Konsu-menten!   von Billo Heinzpeter Studer

In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhun-derts suchten Fachleute einen Weg, den zunehmenden Eierkonsum hygienisch einwandfrei und zu günstigem Preis zu decken. Die Lösung schien ein rationelles 

System zu sein, in dem die Hühner trotz dich-ter Haltung nicht im eigenen Kot stehen: die Käfigbatterie.

Ab den  1960er  Jahren  ebbte  die Kritik an dieser quälerischen Haltungsform nicht mehr  ab.  Tierschutz-, Konsumenten-  und Umweltorganisationen verlangten ein Ver-bot.  Vergeblich. Dafür  erlaubte  das  1978 vom  Schweizervolk  angenommene  Tier-schutzgesetz ab 1992 nur noch verhaltens-biologisch geprüfte Stallsysteme. Nun ent-wickelten Stallbauer zahlreiche «verbesserte» Käfigsysteme,  die  aber  samt  und  sonders durch die Prüfung fielen. 

aus gegnern werden Verbündete In der Praxis wirkte die Stallbauprüfung wie ein Verbot. Dagegen liefen die Verbände der Schweizer Eierproduzenten fünf Jahre lang Sturm. Sie prophezeiten, es würden dafür künftig einfach mehr Käfigeier importiert. Doch 1987 beschlossen Migros und Coop gemeinsam, ab 1989 keine inländischen Kä-figeier mehr einzukaufen. Dieser Druck der beiden mit Abstand grössten Eierverkäufer zwang die Produzenten zur Umkehr.

Nachdem 1992 tatsächlich die letzte Batte-rie aus der Schweiz verschwunden war, hef-teten sich die Produzentenverbände dieses Alleinstellungsmerkmal der Schweizer Eier stolz ans Revers. Das sind die besten Kam-

pagnen: Wenn es gelingt, einstige Gegner zu Verbündeten zu machen! 

freIlandeI: eInst fast Verschwunden Entgegen  früherer Alarmrufe konnten die Schweizer Eierproduzenten ihren Marktan-teil  gegen Billigimporte  verteidigen,  auch ohne Batterie und bei hohen Preisen. Bei den in ihrer Schale verkauften Eiern nahm der Inlandanteil sogar zu, von rund 60 Pro-zent (1975) auf 75 Prozent (1998), wo er bis heute liegt.

Bei der Migros stammten 1992 noch rund die Hälfte der verkauften Schaleneier aus ausländischen Batterien,  1996 wurde  der Verkauf nach heftiger Kritik an den Käfig-eiern gestoppt. Der Anteil der Bodenhal-tungseier stieg auf über 70 Prozent, wäh-rend der Anteil der Freilandeier bis 2 000 auf fast 30 Prozent stieg. Dieses Verhältnis gilt heute noch.

unVerbIldet besser wIssenDer  Siegeszug  der  Freilandeier wäre  un-denkbar ohne Lea Hürlimanns  jahrelange Pionierarbeit. Anfangs der 1970er Jahre war die  alte  bäuerliche  Freilandhaltung  schon fast verschwunden.

Die  Kunstmalerin  Lea  Hürlimann,  die Gründerin der Konsumenten-Arbeits-Grup-pe KAG habe ich vor bald 40 Jahren an einer alternativen Veranstaltung in Zürich getrof-fen. Lea diskutierte auf einem Podium mit ein paar Männern, unter ihnen Roger Scha-winksi,  der  sie,  von hartnäckigen  Fragen so genervt, als «wild gewordene Hausfrau» 

titulierte. Sie trug es als Auszeichnung. Sie wollte  genau wissen, wie das  gewachsen war, was sie auf ihrem Teller hatte. Auswei-chende Antworten liessen sie nur noch hart-näckiger werden. Wäre  das  schön, wenn viel mehr Hausfrauen  (und Hausmänner) «wild» würden!

Lea  und  ihr  Mann  Heinz  spürten  bei Fahrten über Land letzte traditionelle Hüh-nerhöfe auf und motivierten ihre Halter, bei der KAG mitzumachen – eine agrikulturelle Rettungsaktion. Bis  heute  ist  das KAG-Ei Symbol für tierfreundliche Tierhaltung.

Dass KAGfreiland von einer Frau gegrün-det worden war, noch dazu nicht von einer Studierten, sondern «nur» von einer Haus-frau, ist kein Zufall. Als Mitarbeiter von Lea Hürlimann habe ich oft erlebt, wie sie selbst aufgeschlossenen  Agronomen  sozusagen das ABC neu erklären musste. Nicht selten sind sie und  ihre Gesprächspartner dabei fast die Wände hochgegangen; aber aufge-geben hat nicht sie. Sie wusste es einfach besser, unverbildet durch Konventionen von Wissenschaft und Fachwelt. 

Der Autor war von 1985 bis 2001 Geschäftsleiter der KAG, baute dann die Tierschutzorganisation «fair-fish», deren Geschäftsleitung er mit seiner Pensionierung im April dieses Jahres niederlegte.Heinzpeter Studer ist Autor von Schweiz ohne Hühnerbatterie – wie die Schweiz die Käfighaltung abschaffte. Verlag ProTier, 2001. 96 S., Fr. 19,50

1972 Gründung der Konsumenten-Arbeits-Gruppe KAG. 1973 Lancierung der KAG Freilandeier und eigenem Label. Seit 1975 wird auch KAG-Fleisch angeboten, später kamen Milchprodukte dazu. Noch heute steht das Label für die strengsten Tierhaltungs-richtlinien der Schweiz.

entscheiden & arbeiten

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entscheiden & arbeiten

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kOmm mIr nIcht Zu nah – bleib mir nicht zu fern

Wieviel Gemeinschaft braucht der Mensch?  Wieviel Gemeinschaft erträgt der Mensch?     von Christine Ax

niederkaufungen:  Ordentlicher  und deutscher kann es auf der Welt kaum aussehen. Vor 35 Minuten bin ich am Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe  in  die Strassenbahn gestiegen. In Niederkau-

fungen Mitte steige ich aus und falle fast in einen Aldi hinein. Direkt daneben betreiben die Balckes ihren REWE-Markt. Auf der Fernstrasse, die ich überquere, rasen Autos und LKWs ins Hessische. Wenn man jetzt direkt auf die Kirchturmspitze zugeht, steht man nach wenigen Minuten am Kirchweg 3. Ein Wall von Brenn-holz schirmt die Kommune Niederkaufungen von der Umwelt ab. Schön ist es hier. Und so friedlich.

«Wir  haben  anfangs  überlegt,  ob wir  Farbbeutel an die Wände werfen, um deutlich zu machen, dass wir anders sind», erzählt Gunhild Kasper. «Wir haben es nicht getan. Und das war richtig.» Guni und ihr Lebensgefährte Claus Brechmann  sind  so  liebens-würdig, sich für meine Fragen Zeit zu nehmen. Das ist nicht selbstverständlich. Diese Kommune ist ein begehrtes Objekt journalistischer und wissenschaft-licher Neugierde.  Sie  ist  Paradebeispiel  für  «Kom-mune». Guni und Claus kennen und schätzen den Zeitpunkt, obwohl er in der Schweiz erscheint. Da-rum haben sie sich im Plenum gemeldet, als meine Bitte  verhandelt wurde. Dafür  bin  ich  ihnen  sehr dankbar. 

Schätzungsweise  2000  Menschen  leben  in Deutschland in Kommunen und Lebensgemein-schaften. Und  es werden  immer mehr.  Ein Drittel davon sind «politisch motiviert». Der Anspruch, den die Niederkaufunger  haben,  reicht weit  und  geht unter die Haut. Im Grundsatzpapier von 1983 steht: «Ich will nicht mehr konkurrieren, beziehungslos und vereinzelt durch die Welt laufen. Ich will nicht mehr unter den herrschenden Bedingungen meine Arbeits-kraft, meine Gesundheit, meine Energie ausbeuten lassen. Ich will mich nicht mehr in der Kleinfamilie verkriechen, die mich wieder fit macht  für die Ar-beit. Ich will nicht mehr konsumieren und all meine unerfüllten Wünsche vergessen. Ich will heute und 

hier das alles verändern.  Ich will nicht warten auf eine neue, bessere Gesellschaft,  ich will  sie heute entwickeln, ich will heute anfangen zu leben.» 

Wer einsteigt, wählt ein überwiegend öffentliches Leben.  Für Anonymität  ist  hier  kein Raum. Bezie-hungslosigkeit? Unmöglich. Gemeinschaft  leben  ist nicht  immer einfach. Dafür gibt es an diesem Ort ExpertInnen aus allen Altersgruppen. 

Niederkaufungen  ist  eine  der wenige  Lebensge-meinschaften  in  denen  «Gemeinschaftsökonomie» gelebt wird. Seit 25 Jahren. Wohnen, Schlafen und Trinken gibt es umsonst. Alle sind Pflege- und Kran-kenversichert und es gibt eine Altersversicherung. 

Bis auf wenige private Dinge gibt es kein Eigentum. Wer einsteigt, tritt seinen Besitz an die Kommune ab, selbst  Erbschaften  gehören  allen. Dafür  darf  jeder in die gemeinsame Kasse greifen und sich das an Taschengeld genehmigen, das er oder  sie braucht. Gerade einmal 850 – 950 Euro pro Erwachsener sind notwendig, um allen Bewohnern und ihren Kindern dieses Leben zu ermöglichen. Guni sagt dazu: «Man muss hier teilen wollen.» 

Wie ich von Claus erfahre, ist dieser Umgang mit Eigentum etwas, das sich die meisten Menschen nicht vorstellen können. Aber: Die da draussen leben auch in Zwängen. Hier in Niederkaufungen muss niemand Angst haben, den Job zu verlieren. Hier findet jeder seinen Platz, kann sich nützlich machen oder auch selbständig, kann sich weiterentwickeln, Neues aus-probieren. Chefs  gibt  es  keine. Dafür  umso mehr Eigenverantwortung und Demokratie.  Alles Wich-tige wird im Konsens entschieden. Zum Beispiel wer nach  den  obligatorischen  drei Monaten  Probezeit bleiben darf – wenn er/sie will. Manches muss dabei bedacht werden: Die Altersstruktur muss stimmen. 

Wer einsteigt, tritt seinen Besitz an die Kommune ab, selbst Erbschaften gehören allen. Dafür darf jeder in die gemeinsame Kasse greifen.

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In  der  Landwirtschaft wird  vielleicht  dringend  je-mand gebraucht. Wer hohe Konsumansprüche hat oder  dauerhaft  «nur  kostet», wird  vermutlich  nicht aufgenommen werden. Das Verhältnis Erwachsene zu Kindern  ist auf 3:1 begrenzt. Man muss an die Bedürfnisse von allen denken und an die Zukunft. Die Gruppe darf egoistisch  sein, wenn es um die eigene Nachhaltigkeit geht. 

Das Konsensprinzip ist in Niederkaufungen ein wichtiger Grundsatz und eine hohe Kunst. Die Visionen sind so vielseitig und vielgestaltig, dass die BewohnerInnen alle Hände voll damit zu tun haben, sie lebendig zu halten, konkret werden zu lassen und weiter zu entwickeln. Auch nach 25 Jahren gibt es noch grundsätzliche Fragen, die bearbeitet werden wollen. Dürfen Kommunemitglieder ihren Kindern 

etwas vererben? Ist das gerecht? Immerhin werden alle Kommune-Kinder aus der gemeinsamen Kasse finanziert, auch wenn sie studieren oder auf Reisen sind. Bleibt da genügend Spielraum? Wie viel Klein-familie ist gut? Wie finden Paare in diesem Gewusel noch genügend Zeit für Zweisamkeit? Wie wird man den vielen Lebensphasen und Bedürfnissen, die hier gelebt werden wollen, am besten gerecht? Gemein-

schaft leben, heisst alles zu teilen: In guten wie in schlechten Zeiten. 

Und natürlich  gibt  es  auch  Fluktuation.  Jährlich kommen vier oder fünf neue Menschen dazu. Drei oder vier steigen wieder aus. Manch eine/r bleibt aber im Dorf, sucht und findet eine Wohnung nebenan. Die Beziehungen ins Dorf sind vielfältig und nach anfänglichem Misstrauen einer grossen Gelassenheit gewichen. Die Kinder  des  jetzigen Bürgermeisters gingen in die Kommune-Kita.

Da die Zahl derer, die so leben wollen, wächst, ist jetzt der Lossehof  in Gründung. Ein Ableger, zwei Hügel weiter. Das macht auch deshalb Sinn, weil 

Die wirklich wichtigen Schlachten für eine bessere Welt können nicht auf den Strassen gewonnen werden, aber in unseren Herzen. Es ist ein hochpolitisches Organ.

Der «Verein umweltfreundliches Leben und Arbeiten» hat 1987 in Niederkaufungen, einem Dorf im «Speckgürtel» Kassels ein grosses landwirtschaftliches Anwesen ge-kauft. 1990 kamen die angrenzenden Speditionshallen hinzu. 1996 hat der Verein den Aussiedlerhof «Birken-grund» erworben. Heute leben hier 62 Erwachsene (31 Männer, 31 Frauen) und 20 Kinder. Jeden Monat erwirt-schaftet die Kommune im Durchschnitt rund 1000 Euro pro Erwachsener, die in die gemeinsame Kasse gehen. Die monatlichen Einkünfte und das Vermögen werden ge-trennt verwaltet. Es gibt heute eine eigene Landwirtschaft mit Viehwirtschaft und Gemüseanbau, einen Bioladen mit Vollsortiment in dem alle Mitglieder zu Grosshandels-preisen einkaufen können, eine eigene Käseproduktion, eine Obstmanufaktur. Zeitweise wurden die eigenen Produkte auch auf dem Wochenmarkt verkauft. Inzwi-schen spielt die Solidarische Landwirtschaft eine grosse Rolle. Die Kommune verpachtet Land an KasslerInnen, die ihre Parzellen für die Selbstversorgung nutzen. Aus-serdem arbeitet der Hof mit einer Gärtnerei zusammen. 

Gemeinsam werden die privaten Haushalte mit Gemüse und Rohkost versorgt, die mit  ihren Monatsbeiträgen die  landwirtschaftliche Produktion vorfinanzieren. Die Kommune ist im Bereich Ernährung und Handwerk zu ca. 75 Prozent selbstversorgend. Sie strebt keine Autarkie an, weil sie  im Austausch mit Unternehmen aus der Umgebung bleiben will. Es gibt einen Küchenbereich, der alle Kommunardinnen und die Gäste  (Tagungen) sowie die Zweckbetriebe (Kindergarten und Tagespflege) täglich mit biologisch angebautem Essen versorgt. Hier ist auch ein Cateringbereich angesiedelt. Neben dem Bereich Landwirtschaft gibt es mehrere Handwerksbe-triebe. Das Baukollektiv besteht aus einer Schlosserei, Schreinerei (Innenausbau). Es gibt einen Bereich, der sich auf Energieberatung und Wärmedämmung spezialisiert hat. Mit einem Blockheizkraftwerk und einer Photovoltaik-anlage (450m2) kann die Kommune ihren Energiebedarf weitgehend selber decken, zumal die meisten Gebäude inzwischen vorbildlich gedämmt sind. Eine grosse Re-genwasseranlage mit einer Kapazität von 42 000 Litern 

liefert Brauchwasser. Es gibt einen Bereich, der sich um das Tagungsgeschehen kümmert (37 Betten/4 Tagungs-räume) und den Bereich «Gewaltfreie Kommunikation», der Seminare anbietet. Es gibt einen Kindergarten, der auch  Kinder  aus  der  Umgebung  aufnimmt  und  seit sechs Jahren auch den Bereich «Gesundheit und Alter e.V.» der dementiell Erkrankte tageweise betreut, um Angehörige zu entlasten. Die Kommune verfügt über einen Modellfuhrpark von Elektroleichtfahrzeugen, die im Alltag getestet werden. Für die kleinen Fluchten ste-hen drei Urlaubshütten zu Verfügung, eine riesige, gut sortierte Bibliothek und einige wenige PKWs. Es gibt eine Kleiderkammer und eine Reparaturwerkstatt sowie eine Nähstube. Es gibt eine Vielzahl von selbstorganisierten Aktivitäten im Freizeitbereich und die gemeinsamen Fe-ste und politischen Veranstaltungen. Die Kommune ist stolz darauf, dass drei Waschmaschinen ausreichen, um die gesamte Wäsche zu waschen. Werkzeuge und andere langlebige Konsumgüter werden gemeinsam genutzt.    CA

Bedeutet mehr «Sein» auch weniger haben?

Nicht nur die Menschen gedeihen, auch die Pflanzen – Gemüstegarten der Kommune Niederkaufungen. 

Fotos: Christine Ax

Komm mir nicht zu nah…

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entscheiden & arbeiten

44  Zeitpunkt 121

es Ist nIcht Immer eInfach, die unfassbare Andersartigkeit von Menschen auszuhalten Claus Brechmann  lebt  seit  20  Jahren in Niederkaufungen, Gunhild Kasper seit 25 Jahren. Sie gehören damit zur Gründergeneration und haben über die Entwicklung der Kommune viel zu er-zählen Claus hat den Küchenbereich mit aufgebaut und ist heute fürs Cate-ring zuständig. Gunhild ist Sozialpäda-gogin, hat viele Jahre im Kindergarten gearbeitet und die Tagespflege mit auf-gebaut. Gemeinsam mit einer Psycho-login berät und coacht sie Menschen in einer kleinen Praxis. 

In welcher Situation wart Ihr, als Ihr Euch entschieden habt, in niederkaufungen zu leben?

Claus: Ich habe mich nach dem Abitur aus politischen Gründen allem verweigert, war politisch sehr aktiv. Wenn ich damals nicht Niederkaufungen gefunden hätte, wär  ich nicht mehr in Deutschland. Guni: Mein damaliger Partner und ich, wir erwarteten  damals  ein  zweites Kind und waren politisch sehr aktiv. Wir wollten un-sere Kinder in einer grossen Lebensgemein-schaft grossziehen. 

Euch haben vor allem die gesellschaftspo­litischen utopien angezogen, für die die Kommune niederkaufungen steht?

Guni:  Ja. Uns verbinden politische Ziele: Selbstbestimmt leben, in Gemeinschaft und im Einklang mit der Natur. Ökologie spielt eine  grosse  Rolle.  Uns  ist  es  ausserdem wichtig, mit den Menschen um uns herum in einem guten Kontakt zu sein. Manchmal mischen wir uns auch politisch ein. 

Habt Ihr Eure Träume hier realisieren können?

Claus: Ich habe hier die Möglichkeit bekom-men meinen eigenen Arbeitsplatz zu entwi-ckeln. Ich habe damals 50 000 Euro von der Kommune bekommen, um meine Küche ein-

zurichten. Das werde ich der Gruppe nicht vergessen. Ich hätte das niemals finanzieren können. Und ich hätte mir diese Qualität bei der Arbeit nicht leisten können. Guni:  Ja.  Inzwischen  sind meine Kinder gross. Trotz der Trennung haben wir – mein damaliger Partner und ich – die Kinder hier gemeinsam  aufziehen  können.  Ich  habe erst den Kindergarten aufgebaut und nun die Tagespflege für Demenzkranke. Heute wünsche ich mir mehr Privatheit und Zwei-samkeit mit Claus. Wir suchen einen Weg, wie das geht. Ich habe festgestellt, dass sich meine Bedürfnisse mit den  Jahren verän-dert  haben.  Ich möchte  in Zukunft mehr für mich sorgen. 

Wie geht Ihr mit Menschen um, die hier leben wollen? Was muss man mitbringen, wenn man in niederkaufungen leben möchte?

Claus: Ich schätze, dass sich jeden Monat rund 50 bis 100 Interessenten die Kommune ansehen. 90 Prozent der Besucher steigen innerlich aus, wenn sie verstehen, was Ge-meinschaftsökonomie tatsächlich bedeutet. 

Sie können sich nicht vorstellen, ihre Aus-gaben mit anderen zu diskutieren. Wer sich für uns entscheidet, wohnt hier drei Monate zur Probe. Die Entscheidung, wer einzieht wird im Plenum im Konsens getroffen. The-oretisch reicht ein Veto, um den Einzug zu verhindern. Guni: Wir müssen das Gefühl haben, dass die Neuen hier selbstverantwortlich leben können. Dass die Gruppe ihre Bedürfnisse mittragen kann. Dass sie selber einen Bei-trag  für  die Gemeinschaft  leisten wollen und können. Nehmen wir das Beispiel Geld: Im Durchschnitt  verbrauchen die Meisten zwischen 50 und 400 Euro Taschengeld pro Monat. Zieht jemand ein, der sehr viel mehr Geld für seinen persönlichen Bedarf benöti-gt, gibt es früher oder später Probleme. Claus: Der Tag des  Einstiegs  ist  der  Tag an  dem Du hier  alles  einbringst was Du besitzt. Und Du machst gleichzeitig einen Ausstiegsvertrag, der regelt, was Du mitneh-men möchtest, wenn Du aussteigst. Wer zu uns kommt, ist mit den Verhältnissen draus-sen unglücklich und hat einen ausgeprägten Wunsch, nicht mehr allein zu sein. 

  Christine Ax im Gespräch mit Claus Brechmann & Gunhild Kasper

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Zeitpunkt 121  45

Niederkaufungen nicht nur eine Kommune, sondern auch ein florierendes Unternehmen ist. Es fehlen Arbeitskräfte. In diesem alter-nativen Universum gibt  es  inzwischen  so viel zu tun, dass es schwer geworden ist, den Überblick zu bewahren. 

Wenn man dem Kommunismus nachsagt, er ermögliche ein Leben nach dem Grund-satz: Allen nach ihren Fähigkeiten und allen nach ihren Bedürfnissen, dann ist Nieder-kaufungen genau das: Kommunismus. Aber wenn das Kommunismus  ist,  dann muss man sich wundern, wie viel Unternehmer-geist diese Art von Gemeinschaftseigentum freisetzt. Wie kreativ, fleissig, umtriebig und erfolgreich dieses alternative Leben ist und wie bereichernd für die Gemeinde. 

So  richtig  schnell  geht  allerdings nichts.  Der  Aufbau  der  Tagespflege  für Demenzkranke hat von der ersten Idee bis zum Tag der Eröffnung 14 Jahre gebraucht. Die Handlungsspielräume,  die  kommune-eigene Unternehmen haben, sind dennoch erheblich. Grössere  Investitionen werden im Plenum diskutiert. Ein Mal im Jahr wer-den die Zahlen vorgelegt und alle wissen, wer wie viel in die Gemeinschaftskasse ein-spielt. Kleinere Anschaffungen können die Wirtschaftsbetriebe alleine entscheiden. Bei 

acht Mitarbeitern  liegt das Limit bei 4000 Euro pro Kauf (500 € pro Kopf).

Jeder entscheidet selber, in welchem Ar-beitsbereich  er  oder  sie  arbeitet  und wie viele Stunden. Man kann sich zeitweise auch nur um die eigenen Kinder kümmern, da-für muss  sich hier niemand  rechtfertigen. Auch das ist «Arbeit am Ganzen». Doch wer will schon auf das Glück selbstbestimmter Arbeit verzichten oder darauf, Teil der ge-meinsamen Erfolgsstory zu sein? Alleiner-ziehende und Paare stehen mit der Aufgabe, Kinder erfolgreich ins Leben zu begleiten, schliesslich nicht alleine. Der Kindergarten ist direkt auf dem Gelände. Überall gibt es andere Kinder zum spielen und Onkels und Tanten,  die  sich  auch  kümmern.  Freiheit, Selbstbestimmung und die  gemeinsamen politischen  Ideale  sind  keine  leeren Ver-sprechen. Sie werden gelebt. 

Theoretisch  kann  jeder  tun  was  er oder sie will. Praktisch aber irgendwie doch nicht. Wenigstens nicht auf Dauer. Das Leben  in der Gemeinschaft  erfordert – wie in der Familie – Kompromisse. Denn Kommune, das ist ein fragiles Gebilde, das gelingen kann, wenn Geben und Nehmen sich auf geheimnisvolle Weise die Wage hal-ten:  ökonomisch,  persönlich,  im Arbeits-

bereich,  in  der Beziehung,  in  der Wohn-gemeinschaft im Umgang mit den Dingen und der Natur. Liebe en gros und en detail. Sozialwissenschaftler nennen so etwas auch «Sozialkapital», jene unsichtbare Essenz des Sozialen, ohne die Gesellschaft auf Dauer nicht funktionieren kann. Kommune schon gar nicht. 

Mich beeindruckt, wie  normal  sich  die Geschichten der KommunardInnen anhören und  -fühlen.  Es  gibt  das  Land,  das Geld, unsere  Fähigkeiten  und  die  Maschinen und Geräte. Niemand hindert  uns  daran selbstbestimmt zu leben. Wir müssen uns entscheiden, unsere Träume zu leben. Es ist weder ein besonders grosser Schritt, noch ist es ein hohes Risiko, sich den  «alterna-tivlosen  Sachzwängen»  zu  entziehen,  in denen uns ein schlechter Traum gefangen hält. Auch eine kleine Zahl von Menschen kann mit  geringen Mitteln  unendlich  viel entwickeln, bewegen, aufbauen und verän-dern, wenn sie  ihren Traum leben. Wenn ihnen das  Sein wichtiger  ist,  als  das Ha-ben. Niederkaufungen hinterlässt  bei mir den Eindruck, dass die wirklich wichtigen Schlachten für eine bessere Welt nicht auf den  Strassen  gewonnen werden  können, aber in unseren Herzen. Es ist ein hochpo-litisches Organ. 

Auch in einer Gemeinschaft kann man sich sehr einsam fühlen. Es gibt immer Probleme beim Zusammenleben. In der Familie, im Büro … bei Euch nicht?

Claus: Der Vorteil einer grossen Gruppe ist, dass man sich aus dem Weg gehen kann. Aber  es  ist  nicht  einfach,  die  unfassbare Andersartigkeit von Menschen auszuhalten. Aber schlussendlich verbindet uns eine Visi-on, gemeinsame Träume. Wenn wir mit Men-schen, die uns so nahe sind, schon hart sind, wie  soll  es  dann draussen  funktionieren? Wenn man jahrzehntelang zusammenleben möchte, muss man die Folgen des eigenen Verhaltens genau bedenken. Ich habe hier so etwas wie «Beisshemmungen» gelernt. Es geht darum, einen Blick dafür zu entwickeln, wie wir auch dann menschlich bleiben kön-

nen, wenn es Differenzen gibt. Ich empfinde uns trotzdem immer noch als viel zu deutsch. Du weisst schon: Sehr durchstrukturiert und ernst. Ich wünsche mir manchmal, wir wären «britischer». Damit meine ich die Selbstver-ständlichkeit, mit der Engländer den Spleen Anderer akzeptieren. 

Kann das jeder lernen?Guni: Hier ist jeder gezwungen sich früher oder später auch selber anzusehen. Das er-gibt sich schon aus dem Konsensprinzip. Wir haben uns in diesen Fragen auch von Fach-leuten Rat geholt. Ich glaube, jede(r) sollte so sein dürfen, wie er oder sie ist. Um das Zusammenleben einfacher zu machen, bietet der Arbeitsbereich «gewaltfreie Kommunika-tion» Trainings und Hilfestellungen an. 

Claus: Ich habe den Eindruck, dass früher das Thema Kontrolle wichtiger war. Heute haben wir mehr Vertrauen zu einander und es geht mehr darum, Hinweise zu geben und Hilfestellungen. Probleme bekommen vor allem Dogmatiker. Schliesslich hat man es  hier mit  61  anderen  «Widerständigen» zu tun. Guni: Ich weiss nicht, ob das, was wir hier machen, wirklich in die Kategorie «besseres Leben»  gehört.  Ich  halte  es  jedenfalls  für falsch,  nicht  auch  an  sich  selber  zu  den-ken.  Es  braucht  auf  jeden  Fall  auch Mut, hierher zu kommen. Weder wird man hier reich, noch macht man Karriere. Wir leben gegen den Mainstream. Trotzdem sind wir im Einklang mit  fast  allen Menschen um uns herum.

Fortsetzung von « …beib mir nicht zu fern»

Es ist nicht immer einfach, …

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entscheiden & arbeiten

46  Zeitpunkt 121

Rating-Agenturen: Prädikat «gekauft»Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Besonders deutlich zeigt sich dies bei den Rating-Agenturen, die grössten-teils Banken, Hedge- und Investmentfonds gehören. Sie erleichtern das Schuldenmachen durch beschönigende Ratings und steigern hinterher die Zinsprofite durch schlechte Zensuren, die die Zinsen in die Höhe treiben. Sie entscheiden mit zum Teil willkürlichen Kriterien über das Schicksal ganzer Staaten. So ist Griechenland, ihr prominentestes Opfer, keineswegs das am höchsten 

verschuldete Land der Eurozone. Im neusten Buch von Werner Rügemer wird erstmals die Eigentümerstruktur der drei grossen Agenturen offengelegt: Es handelt sich dabei um Hedge- und  Investmentfonds, die aus der hohen und dauerhaften Verschuldung von Unternehmen, Staaten und Konsumenten Gewinn ziehen. Detailliert untersucht der Autor die Kriterien und Arbeitsweisen der Agenturen. Er zeigt: Ihre Macht gewinnen die Rating-Agenturen durch ihre Eigentümer, aber auch durch die 

staatlich und überstaatlich erteilte Wächterfunktion. Sie sind mit Fonds, Banken, Staaten, Zentralbanken, Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds Teil der gegenwärtigen Kapitalmacht.

Werner Rügemer: Rating-Agenturen – Ein- blicke in die Kapitalmacht der Gegenwart. 

transcript Verlag, Bielefeld, April 2012,  196 S., Fr. 27,90 / 18,80 Euro

das blaue VOm hImmel

green Economy  ist nur was  für Reiche, Blue Economy dagegen für  alle,  sagt  Gunter  Pauli.  Der 

belgische Wirtschaftsprofessor will in zehn Jahren Millionen von Jobs schaffen. Bekannt geworden  ist der  56-jährige durch  seinen Einstieg beim Bioseifen-Hersteller  Ecover. Anfang der 1990er Jahre hatte er die kurz vor  der  Pleite  stehende  Fabrik  übernom-men und zu einem grünen Pionierbetrieb umgebaut. Da das Waschpulver  komplett biologisch abbaubar war, wurde er als grü-ner Unternehmer mehrfach ausgezeichnet. Als er sich aber in Indonesien den Ursprung seines Hauptrohstoffs  anschaute,  nämlich riesige Palmölplantagen, war er geschockt. «Damit unsere Flüsse sauberer werden, zer-stören wir indonesische Regenwälder und die Heimat des Orang-Utan», konstatierte er - und schmiss alles hin. Seitdem will er eine «blaue Wirtschaft» - blau wie der Himmel, das Wasser, der Planet.

In einem Bericht an den Club of Rome, dem Pauli  angehört, hat die von  ihm ge-gründete Stiftung «Zero Emissions Research Initiative» (Zeri) 100 Öko-Innovationen zu-sammengetragen.  Folgt man Pauli,  haben sie  das  Potenzial, weltweit Millionen  von Arbeitsplätzen in den nächsten zehn Jahren zu schaffen. Sein weltweites Netzwerk von Forschern und Wissenschaftlerinnen soll sie in die Tat umsetzen. 

etwas durch nIchts ersetZenEtwa ein Drittel der Projekte wird bereits von Betrieben hergestellt, ein weiteres Drit-tel gibt es als Prototypen, das letzte Drittel harrt der Verwirklichung. Seit 2010 veröf-fentlicht die Stiftung jede Woche auf ihrer 

Website eine andere innovative Geschäftsi-dee, um weltweit Nachahmer zu ermutigen – alles nach dem «Open Source»-Prinzip.Ein Zeri-Projekt ist die Zucht von Edelpilzen auf Kaffeesatz. Ein anderes sind Treibhäuser für trockene Küstenregionen, in denen Meer-wasser verdunstet - das kondensierte Süßwas-ser bewässert die Pflanzen, nebenbei wird Salz gewonnen. Ein weiteres ist Glasschaum aus Altglas,  der  gut  isoliert,  Treibhausgase bindet  und  als preisgünstiger Baustoff  für Wände, Dächer und Hydrokulturen dient.

Andere Innovationen sind High-Tech-Pro-jekte. Beispiel:  Ein Team des  Fraunhofer-Instituts entwickelte Handys, die ihre Ener-gie aus dem Schalldruck der menschlichen Stimme und dem Temperaturunterschied zwischen Körper und Gerät gewinnen. Mil-liarden  von Batterien  in  Armbanduhren, Hörgeräten oder MP2-Playern sollen durch diese Technik überflüssig werden.  «Etwas 

durch  Nichts  ersetzen»,  nennt  Pauli  das. Noch gibt es allerdings nur Prototypen.

herZ Oder geld, das Ist dIe frageDer  Mann,  der  sechs  Sprachen  fließend spricht und auf vier Kontinenten gelebt hat, ist  ein begnadeter Kommunikator.  Immer wieder  gelingt  es  ihm,  innovative  Erfin-der  aufzuspüren.  Zum Beispiel  die  fran-zösischen Architekten Nicola Delons  und Raphael Menard. Sie haben Windturbinen konstruiert,  die  sich  in  Hochspannungs-masten  einbauen  lassen.  Der  Aufwand für  Stromerzeugung und  -transport  sinkt dramatisch, weil die Ständer ja bereits exi-stieren. Pauli, der mit einem Wissenschaft-lerteam den Himalaya-Staat Bhutan in die Energieautarkie begleitet, bekam Wind von der Erfindung der Franzosen, «und huii, bin ich dahin. Ich muss die Leute sehen, muss spüren: Haben sie ein Herz? Oder machen sie das nur wegen des Geldes? Wenn sie ein Herz haben, kann ich reden. Also hab ich mit  denen  verhandelt.»  Jetzt  entsteht  eine Fabrik  in Indien, die die Strommasten  im benachbarten Bhutan bestücken  soll  und zudem ein weites Einsatzfeld direkt vorm Werkstor hat. Auf dem Subkontinent stehen laut Pauli zwei Millionen Freileitungsstän-der. «Zwei Millionen! Damit könnte ich den Atomausstieg in Indien mit organisieren.»

Annette Jensen, ute Scheub

Die Autorinnen sind Mitarbeiterinnen der vor kurzem gegründe-ten Stiftung «futurzwei», die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die konkreten Anfänge von besseren, gerechteren und glück-licheren Lebensstilen sichtbar zu machen. www.futurzwei.orgLinks: www.zeri.org • www.community.blueeconomy.de

Foto

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Wer bringt das Restaurant  ‹Kreuz Nidau› zum Blühen?Die Fassade des Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert strahlt in neuem Glanz, die Wirtewohnung ist saniert, das Baugesuch für eine grössere (oder auch kleinere) Sanierung der Küche ist bewilligt, der Kulturbetrieb feiert im Herbst sein 30-jähriges Jubiläum – alles steht bereit.  Jetzt fehlen nur noch Menschen mit Erfahrung im Gastgewerbe, die der gemütlichen Gaststube, dem kleinen Säli im ersten Stock und dem grossen Saal wieder Leben einhauchen. Menschen, die für einen Ort sorgen, der zum Treffpunkt für ein Glas Wein, ein Häppchen, ein feines Menu, ein Bankett, eine Feier oder für jeden sonst denkbaren Anlass wird. Es muss nicht ein Gourmetpalast, es darf aber auch kein Fastfoodschuppen werden. Einfach ein Ort zum Sein, zum Tratschen, zum Träumen, zum Leben, ein Ort der Gast-Freundschaft.

Mehr Informationen auf  www.kreuz-nidau.ch oder www.stiftung-wunderland.ch.

Wir freuen uns auf Bewerbungen an Stiftung Wunderland, Postfach 1384, 2501 Biel, [email protected]. Fo

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entscheiden & arbeiten

48  Zeitpunkt 121

50 Ansätze für eine gerechte WirtschaftsordnungDas Buch «Haushalten&Wirtschaften – Bausteine für eine zukunftsfähige Wirtschafts- und Geldordnung» zur gleichnamigen sechstägigen Konferenz anfangs Jahr auf dem Gurten bei Bern liegt vor! Es enthält über fünfzig Beiträge, die die Referentinnen und Referenten im An-schluss an die Konferenz verfasst haben u.a. von Ueli Mäder, Ernst Ulrich von Weizsäcker, Urs P. Gasche, Zita Küng, Jacqueline Badran und Bastien Girod.

Das  Buch  ist  ein  wichtiger  Teil  der  Folgearbeit  zur Konferenz, das differenzierte Nachdenken über unser künftiges Haushalten in eine breitere Öffentlichkeit hi-neinzutragen.   zVg�/�CP

Stiftung Zukunftsrat (Hrsg.): «Haushalten&Wirtschaften – Bau-steine für eine zukunftsfähige Wirtschafts- und Geldordnung». Rüegger Verlag, 2102. Fr. 25.–. ISBN 978-3-7253-0993-1

Grosse Politik

Weniger wachsen wollenKönnen die Umsätze einer Firma zu hoch sein? Wenn es nach Reinhard Mammerle und Susanne Henkel geht, dann ja. Dem Mitarbeiter der österreichischen «Waldviertler» Schuhfabrik und der Geschäftsführerin eines deutschen Herstellers für Stahlrohrmöbel geht es nicht darum, möglichst viel zu verkaufen. Sie setzen auf Qualität, Stabilität und Service. Halten sollen die Schuhe, die Mammerle her-stellt, und das möglichst lange. Zudem werden die  «Waldviertler»-Kunden  gebeten,  kaputte Schuhe beim Hersteller reparieren zu lassen, anstatt sie wegzuwerfen. Auch Henkel erzielt einen Teil des Gewinnes mit Reparaturen. Nur die Stoffteile müssen hin und wieder ausge-wechselt werden; eine Reparatur ist für den Kunden billiger als ein Neukauf. 

Noch hat sich das Motto «weniger ist mehr» in der Marktwirtschaft und der Unternehmerwelt nicht durchgesetzt. Die Idee von nachhaltigem Wirtschaften ist zwar in aller Munde, aber Res-sourcenverknappung,  Energieverbrauch und Abfallmengen nehmen weiterhin zu. Für die Ökonomen Werner Onken und Niko Paech ist die Zeit deshalb reif für eine Postwachstums-ökonomie: «Die lange gehegte Hoffnung, dass wirtschaftliches Wachstum durch technischen Fortschritt  nachhaltig  oder  klimafreundlich gestaltet  werden  kann,  bröckelt.»  Umwelt-freundliche Produktion bedeutet in erster Li-nie weniger Produktion. Ressourcen schonen heisst weniger konsumieren. Die Beispiele von Mammerle und Henkel zeigen, dass sich vom Wachstum loszusagen nichts mit Stillstand zu tun haben muss. Onken und Paech sehen die Chancen der Postwachstumsökonomie in neuen Arbeits- und Produktionsstrukturen. Entrümpe-lung von Gütern, Eigenarbeit, Community-Gär-ten, Tauschringe, Geldreform  sind nur  einige der Bereiche, die gestärkt werden könnten. MK

Mehr unter: www.postwachstumsoekonomie.org

Viele grosse Männerund wenige grosse Frauenaus grossen Unternehmen,grossen Organisationenund grossen Parteienberaten sich auf grossen  Konferenzen

um für grosse Problemegrosse Lösungen zu erfinden.Mit grossen Wortenund grossen Gestenwerden grosse Erklärungen unterzeichnet

deren Umsetzung sich als grosser Flop erweist.

Die grossen Irrtümer dieser grossen Politik

sind eine grosse Gefahrfür die grosse Zahl derer,die ihren grossen Buckel  hinhalten:

  die «kleinen» Leute.

Gefunden haben wir diesen schönen Satz im neusten Buch des  deutschen  Demokratie-Aktivisten  Josef  Hülkenberg «Empörung allein schafft kein Gemeinwohl – Reflexionen und Impulse abseits betreuten Denkens» (Tredition, 2012, 160 S. € 10.–).     «Krieg ist viel zu wichtig, als das wir ihn den Militärs     überlassen können», schrieb Otto von Bismarck. 

Ebenso können wir    ·  den Glauben nicht den Priestern,    ·  die Wirtschaft nicht den Ökonomen    ·  die Demokratie nicht den Politikern überlassen.Deshalb schrieb Hülkenberg dieses Buch.Hülkenberg wanderte u.a. 2007 & 2009 als «Demokratiepilger» durch Deutschland, ist seither mit der «denk!BAR» unterwegs und ist Mitorganisator der Initiative Verfassungskonvent, die sich vom 3. bis 5. Oktober im Gemeindesaal der Nikolaikir-che in Leipzig mit der Frage befasst, wie dem beschleunigten Demokratieabbau zu begegnen ist.   CP

Weitere Infos: initiative-verfassungskonvent.de;  huelkenberg.de

Schon bald ist DANACH 

Unser  Finanzsystem  erzwingt  konstantes Wachstum,  aber  es  gibt  auch  realistische Alternativen. Die Konferenz «Danach» will aktive Vereinigungen,  Fachleute  und Pio-nierinnen zusammenführen, vernetzen und nach Möglichkeit eine Allianz zur Bünde-lung der Kräfte bilden. 

Programm:Dienstag 16. Oktober, 19.30 - 22.00 h: Wes-halb  die  existierende Wirtschaftsordnung nicht zukunftstauglich istDonnerstag  18. Oktober,  19.30  -  22.00  h: Wie wir die Lebensqualität erhöhen, ohne unseren Planeten auszubeutenSamstag 20. Oktober, 14.00 - 24.00 h: Kon-ferenz der Vertreter von neuen Lebensmo-dellen und FinanzalternativenSonntag 21. Oktober, 15.00 – 18.00 h: Podi-umsdiskussion: «Der Wandel, jetzt» – sowie Bildung einer Allianz für unsere Zukunft

U.a. mit Christa Amann (Décriossance), Da-niel Meier (INWO, Verein Monetäre Moder-nisierung), Manuel Lehmann und Nora Mae Herzog (Danach), PD Dr. Irmi Seidl, Prof. Martin Klöti  (IG Niutex,  Funaros),Nadine Bill (Netzwerk Vertragslandwirtschaft), P.M. (Autor & Philologe, Neustart Schweiz), Dana Köhler  (Green Phoenix) und Enno Schmidt (Iniative Grundeinkommen).

DANACH – Lebenswerte Alternativen zum Wachstumszwang 16. bis 21. Oktober 2012, Rote Fabrik, ZürichWeitere Informationen: www.danach.info

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Zeitpunkt 121  4�

Der beschleunigte Niedergang der Atomindustrie Ferienprämie mit  Arbeitsverbot Der CEO des US-Software-Dienstleisters Full Contact, Bart Lorang, zahlt seinen Angestellten 7 500 Dollar, damit sie auf Urlaub gehen. Er will damit erreichen, dass sie sich zusätzlich zum gesetzlich vorgeschriebenen bezahlten Urlaub ein Mal pro Jahr erholen können. Drei Bedingungen müssen allerdings erfüllt werden. Erstens: Wer nicht auf Urlaub geht, bekommt die 7 500 Dollar nicht. Zweitens: Man muss sich vollständig vom Internet abkoppeln. Und drittens: Man darf im Urlaub nicht arbeiten. Lorang will damit sichergehen, dass sich seine Mitarbeiter in ihrer freien Zeit wirklich erholen und abschalten.

Quelle: pressetext.austria

Die Atomenergie  ist weltweit  im Rückgang und die Atomindustrie verliert an Wert. Die erneuerbaren En-ergien hingegen entwickeln sich  rasant. Dies  zeigt der jüngste «World Nuclear Industry Status Report», der  von der Schweizerischen Energie-Stiftung SES mitfinanziert wurde. 

Der Anteil Atomstrom an der weltweiten Elektrizi-tätsproduktion erreichte seinen Gipfel  in den 90er Jahren mit einem Maximum von 17 Prozent. 2011 lag der Anteil bei gerade noch 11 Prozent. Die Atom-industrie leidet unter den kumulierten Einflüssen der Weltwirtschaftskrise,  den  Folgen  von  Fukushima, starken  Konkurrenten  sowie  unter  ihren  eigenen Planungs- und Managementproblemen. Das zeigen auch die folgenden Beispiele: • Im Jahr 2011 gingen nur sieben Reaktoren in Be-

trieb, 19 Anlagen wurden abgeschaltet.  • Vier Länder beschlossen den Atomausstieg.  • Mindestens fünf Länder entschieden sich gegen den 

Einstieg oder Wiedereinstieg in die Atomenergie.

 • Die Titel der in Europa grössten Atomfirma Areva verloren seit 2007 ganze 88 Prozent, die franzö-sische Atomkraft-Betreiberin EDF 83, die Schweizer Energiekonzerne BKW 76 und Alpiq 66 Prozent.

 • Zwei Drittel der bewerteten Atomfirmen und AKW-Betreiber wurden in den letzten fünf Jahren von der Ratingagentur Standard & Poor’s massiv abgewertet. 

Im Gegensatz dazu ist die Entwicklung der er-neuerbaren Energien rasant:  • Die installierten Kapazitäten bei Wind- und Solar-

strom wuchsen in China in den letzten fünf Jah-ren um den Faktor 50, währen die Kapazität beim Atomstrom  lediglich um den Faktor 1,5 anstieg. Seit 2000 sank die AKW-Kapazität in der EU um 14 GW während eine Leistung von 142 GW an er-neuerbaren Energien zugebaut wurde.

 • In Deutschland wurde 2011 erstmals mehr Strom aus erneuerbaren Energien produziert als in Atom-kraftwerken.

Quelle: SES

Kurzmitteilungen

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vollwertig leben

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Der Krankheit  daVOnlaufen

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hippokrates,  der  vor  2000  Jahren  die Menschen  lehrte, Krankheiten  durch Bettruhe zu heilen, müsste  sich heu-te  eines  Besseren  belehren  lassen. Denn Studien belegen: Sobald sich ein 

Mensch bewegt,  finden  im Körper messbare phy-sische, die Selbstheilungskräfte aktivierende Verän-derungen statt. 

Drei Meldungen in amerikanischen Zeitungen wa-ren es, die den Autor Jörg Blech hellhörig machten: Im  ersten  Fall  ging  es  um Frauen,  die  nach  einer Brustkrebsbehandlung beim Reiten auf einer Farm in Arizona genesen  sind. Die  zweite Meldung be-richtete von einem Psychiater, der in seiner Praxis in Kalifornien Laufbänder aufstellte, um seine Patienten im Gehen  zu  therapieren.  Im dritten  Fall wurden demenzkranke Mäuse in einem Käfig mit Laufrädern wieder aktiviert. 

Blech machte sich für die Recherchen zu seinem Buch «Heilen mit Bewegung» auf nach Kalifornien. «Warum  Laufbänder?»  fragte  er  den  Arzt,  dessen Patienten  unter mittelschweren Depressionen und Angststörungen litten. «Sport ist Medizin», entgegnete dieser. Die Leute seien begeistert und würden täglich 30 Minuten trainieren. Ein Einzelfall? Blech wollte es genauer wissen. Und fand wissenschaftliche Erklä-rungen für das Phänomen. Für eine Studie wurden zum Beispiel 156 ältere, depressive Patienten in drei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe absolvierte ein Ausdauertraining, die zweite erhielt ein Antidepres-sivum,  für  die  dritte  standen Tabletten  plus  Trai-ning auf dem Programm. Nach zehn Wochen ging es allen Patienten besser, 60 Prozent waren gesund. Fazit: Das Training allein war genauso wirksam wie die Behandlung mit Medikamenten. Mehr noch: Die körperliche Bewegung hatte einen Lerneffekt, der in den Alltag hineinwirkte. 

Was tut sich im Kopf, wenn sich ein Mensch in Bewegung setzt? Ein Tierversuch mit älteren Mäusen brachte die Antwort: Die Hälfte der Tiere durfte sich über ein besseres Leben mit Laufrad freuen und Nester 

bauen. Die andere Hälfte wurde passiv gehalten. Beim anschliessenden Gedächtnistest schnitten die trainierten Mäuse um Längen besser ab. Wissenschaftler sind sich sicher: Für ein besseres Gedächtnis sind Veränderungen im Gehirn verantwortlich – bei Mäusen und bei Men-schen. Blech: «Lange galt das Gehirn als unveränderbar, tatsächlich aber  ist es ein formbares Instrument, das man durch Bewegung verändern kann.» 

In Boston lernte Blech eine bekannte Brustkrebs-spezialistin kennen, die selbst an Brustkrebs erkrankt war. So oft wie möglich geht sie  ins Fitnessstudio, überzeugt davon, dass dies bei der Bewältigung der Krankheit hilft. Auch  ihren Krebspatienten  rät  sie, umgehend mit einem Fitnessprogramm zu beginnen. Was  aber  sagt  die Wissenschaft  dazu?  Lange Zeit konnten sich Onkologen nicht vorstellen, dass kör-perliche Bewegung Leben verlängern kann. Neue Stu-dien aber zeigen Effekte bei Menschen mit Dickdarm-krebs und Frauen mit Brustkrebs. So wurden 823 an Dickdarmkrebs erkrankte Patienten im Frühstadium schulmedizinisch behandelt. Nach der Behandlung zeigte sich: Wer sich sechs Tage in der Woche eine Stunde  lang bewegt  hatte,  zeigten  einen besseren Verlauf. In einer zweiten Studie wurden 573 Frauen wegen Dickdarmkrebs behandelt, die körperlich ak-tiv waren. 50 Prozent von ihnen hatten eine erhöhte Lebenserwartung. Ähnlich war es beim Brustkrebs: Hier wurde der Krankheitsverlauf von 3000 Frauen ausgewertet. Ergebnis: Wer drei bis viermal wöchent-lich spazieren geht, hat ein um 50 Prozent geringeres Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. 

Forscher  sehen darin  einen Zusammenhang, aber noch keinen Beweis. Immerhin sterben auch Menschen an Krebs, die sich viel bewegen. Aber es gibt eindeutige Hinweise, wie man das Krebsrisiko minimieren kann. Körperliche Bewegung unterstützt das Kreislauf- und Hormonsystem, stärkt das Immun-system und  aktiviert  den  Fettstoffwechsel.  Ebenso beugt es einer Verkalkung der Gefässe, zum Beispiel der Herzkranzgefässe,  vor. Das  bestätigt  auch das Herzzentrum der Uni Leipzig. Sportlehrer und Biolo-gen untersuchten hier herzkranke Patienten, die sich passiv verhielten und solche, die bis zur Schmerzgren-ze auf dem Laufband liefen. Das Ergebnis: Die Zahl der Stammzellen hatte sich bei den Läufern erhöht. 

Für eine andere Studie gingen in Leipzig 18 starke Raucher, die sich lange nicht mehr bewegt hatten 

Bewegung ist die beste Therapie: Sie erhält die Gesundheit, beugt Krankheiten vor und verlängert das Leben.    von Elke Kolb

Der Krankheit davonlaufen

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vollwertig leben

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Elke Kolb ist Gesundheits-Journa-listin und schreibt u.a.  für den «Ge-sundheitsberater», die Zeitschrift der streitbaren Gesellschaft für Gesund-heitsberatung. Gegründet wurde sie vom Reform-Arzt Dr. med. Max Otto Bruker (1909 – 2001), der Leib, Geist und Seele als Einheit betrachtete und die modernen Ernährungs- und Le-bensgewohnheiten sowie Umweltgifte als wesentliche Krankheitsursachen erkannte.

Kontakt: Gesellschaft für Gesund-heitsberatung GGB e.V., Dr.-Max-Otto-Bruker-Str. 3, D-56112 Lahn-stein, Tel: +49 2621 / 91 70 17. www.ggb-lahnstein.deJörg Blech: Heilen mit Bewegung –  wie  Sie  Krank-heiten  besiegen und Ihr Leben ver-längern.  Fischer Verlag 2008. 272 S., Fr. 10.80 / 8,95 Euro

und Raucherbeine  im Anfangsstadium hatten,  bei einem Tempo  von  3,5  km/h  aufs  Laufband. Viele hatten Schwierigkeiten zu gehen, waren bereits nach zwei Kilometern  fix  und  fertig.  Sie wurden  dazu gebracht, fünfmal pro Woche zu trainieren, jeweils sechs Mal zehn Minuten. Das eindrückliche Ergeb-nis der «Wandertour»: Die Stammzellen machten sich daran, das kaputte Gefässsystem zu erneuern. Bei einem Raucher  konnte dadurch  sogar  eine bereits anstehende Beinamputation verhindert werden. 

Dieser Effekt der Bewegung lässt sich auch auf die Gefässe übertragen.  In  Leipzig wurden 100 Männer mit Gefässverkalkung behandelt. Die Hälfte erhielt eine herkömmliche Therapie, bei der ein Stent gesetzt wurde. Die andere Hälfte trainierte täglich 20 Minuten unter ärztlicher Aufsicht. Nach einem Jahr war in beiden Gruppen eine Besserung eingetreten, 70  Prozent  bei  den  klassisch Behandelten  und  88 Prozent  bei  denen,  die  sich  bewegten.  Ein  Effekt, der nicht nur grösser, sondern auch nachhaltiger war. Nach der klassischen Behandlung traten bei einigen Männern Komplikationen auf, sie bekamen wieder Brustschmerzen oder mussten den Stent erneuern. Zudem waren die Kosten für das Bewegungstraining mit 3500 Euro nur halb so hoch. 

Ärzte sagen, Langlebigkeit bei guter Gesundheit sei zu 20 bis 30 Prozent vererbt. Was sonst spielt eine Rolle für unsere Verfassung? Hinweise liefert die NASA, die seit 1966 zu diesem Thema forscht. So mussten zum Beispiel fünf junge Männer drei Monate im Bett liegen und durften sich nicht bewegen. Nach drei Wochen war ihr Vermögen, Sauerstoff aufzunehmen, um 28 Pro-zent vermindert. Organe und Körpergewebe verfallen stufenweise, wenn man zu lange passiv ist. Gelenke, Bänder, Sehnen und Muskeln wollen bewegt sein, um normal funktionieren zu können. 

Absurd ist aus Blechs Sicht der Rat mancher Ärzte, sich bei Rückenschmerzen zu schonen. Dabei wer-den Muskeln abgebaut. Auch das Herzkreislaufsystem leidet unter Bewegungsmangel, sagt Irwin H. Rosen-berg, der 1988 auf einer Konferenz in New Mexico den medizinischen Begriff  «Sarkopenie»  (aus  dem Griechischen: sarx = Fleisch, penia = Mangel) prägte.  Sarkopenie bezeichnet den mit fortschreitendem Alter zunehmenden Muskelabbau und die damit einherge-henden funktionellen Einschränkungen älterer Men-schen. Bei Betroffenen führt dies zu einer Häufung von Stürzen und damit verbundenen Verletzungen. 

Blech besuchte Rosenberg in Boston, wo dieser als Leitender Wissenschaftler  für Neurowissenschaften und Alterung an der Tufts University  tätig  ist.  «Oft heisst es, Unbeweglichkeit sei eine natürliche Folge des Alters. Ein Irrturm», sagt Jörg Blech. Trägheit ist in der Regel Schuld daran. Bettruhe und Inaktivität haben dieselben Folgen. 

Und  selbst  verkümmerte Zellen  lassen  sich nicht unterkriegen, sondern erneuern sich in jedem Älter. 13 Jahre lang hat Blech Läufer und träge Menschen unter-sucht und grosse Unterschiede bemerkt: «Ab 59 klag-ten träge Menschen über gesundheitliche Beeinträchti-gungen, die bei Läufern erst 13 Jahre später eintraten. Regelmässige Bewegung kann offenbar den Ausbruch von Krankheiten nach hinten schieben. Niemand kann verhindern, dass er alt wird, doch er kann viel dafür tun, dass es in guter Verfassung geschieht.» 

Im Licht der Evolutionstheorie kommt man zum Ergebnis: Bewegung ist keine nützliche Zugabe, son-dern Voraussetzung, die das normale Funktionieren des Körpers erst ermöglicht. Unsere steinzeitlichen Vorfahren haben zum Teil täglich 30 bis 40 Kilometer zurücklegen müssen. Der menschliche Körper wurde von der Natur für solche Anforderungen konstruiert. Doch heute  verbringen wir  den Grossteil  unserer Zeit im Sitzen und Stehen. Mediziner und Patienten erkennen zunehmend die Heilkraft von Bewegung auf Krankheiten aller Art. Inzwischen werden 30 Mi-nuten moderates Training am Tag als eigenständiges Heilmittel angesehen. Ein Krankheitsverlauf lässt sich mit moderater Bewegung nicht nur lindern, sondern sogar umkehren. 

Der Krankheit  davonlaufen  –  so  einfach  ist  das Rezept für ein gesundes, längeres Leben. 

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Trauma und Trafo

Vom 12. – 21. Oktober 2012 findet im Bil-dungshaus Fernblick in Teufen (CH) eine Projektwoche statt mit dem Thema «Trauma und Transformation».

  Das Projekt TRAFO entsteht aus dem Bedürfnis, einen  kreativen Beitrag zur Bewältigung und Heilung von traumatischen Erfahrungen im menschlichen Leben zu leisten.  

Die Initiatorin Anna Kuwertz entwickelt das Projekt aus dem doppelten Blickwinkel ihrer eigenen persönlichen Erfahrung mit der Thematik und ihrer beruflichen Tätig-keit als Rhythmikerin, Musikerin und Körpertherapeu-tin, in dem sie schwerpunktmäßig mit traumatisierten Menschen arbeitet. 

Innerhalb einer Ausstellung von Bildern, Texten und Materialien zeigt Anna Kuwertz Ausschnitte aus ihrem persönlichen  Prozess  der  Auseinandersetzung  mit Trauma und Heilung und macht ihn der Öffentlichkeit zugänglich.    Die Ausstellung ist im Projektzeitraum täglich geöffnet. Nach Bedarf führt A. Kuwertz durch die Räume und steht mit ihrem Team für persönliche Gespräche zur Verfügung. 

Im Rahmen dieser Ausstellung werden erfahrene Re-ferentInnen in Vorträgen und Workshops wesentliche Aspekte des Themas beleuchten und zum Austausch einladen:•  Was ist Trauma, was sind Traumafolgestörungen   und wie geschieht Transformation? •  Wie lässt sich mit Traumaerfahrung ein gutes   Leben führen? •  Wie geschieht der Wandel von der Ohnmachts-  erfahrung in die Ermächtigung?•  Wie gehen wir mit dem schmerzhaften Gefühl   der Scham um? •  Was bedeutet es für ein Kinder- und Erwachsen-  enleben, sexueller Gewalt ausgesetzt (gewesen)   zu sein?

Eine Fragestellung soll in der Projektwoche besondere Aufmerksamkeit bekommen: 

Wie kann der uns allen zugängliche Raum der künstle-rischen Aussage und des kreativen Tuns zum Gefäß und zur Ressource werden, um überwältigende Erfahrungen verarbeiten zu können?   Dafür werden Erfahrungsfelder für die Besuchenden angeboten: im schauenden Erleben der ausgestellten Bilder, im eigenen spontanen Malen in einem ruhigen Raum; im Erleben der Musik, die täglich erklingen wird; beim Besuchen eines Konzerts mit Musik und Texten zum Trauma-Thema; im Lauschen auf selbstgeschrie-bene HeldInnengeschichten, von Traumabetroffenen vorgetragen.    Spirituelle Vertiefung und Veranke-rung ist im TRAFO-Projekt ein grundlegender Aspekt für die Heilung und Transformation von traumatischen Erfahrungen. Tägliche Meditation und Heilungsrituale laden ein, sich mit dem eigenen unversehrten Raum und dem Größeren zu verbinden.    Aus der Perspek-tive der Erfahrung und Überzeugung, dass Trauma im menschlichen Leben als Chance verstanden werden kann, will TRAFO informieren und aufklären, Tabuzo-nen abbauen helfen, Raum schaffen für Betroffene, die Resonanz brauchen für ihr eigenes Erleben und in der Verschränkung von Trauma und Ressource einen organischen Heilungsweg aufzeigen, der von der Ohn-machtserfahrung in die Ermächtigung führt und erlebbar werden lässt: Das Leben ist stärker!     Interessierte und Gäste sind herzlich willkommen zum Besuch der Ausstellung, eines Vortrags oder einer jeden Einzelver-anstaltung. Es ist auch möglich, längere Zeit im Haus an dem Prozess des TRAFO-Projekts teilzunehmen: einen Tag in seinem Ablauf erleben, ein ganzes Wochenende dabei sein oder die gesamte Projektwoche als intensive Zeit der Selbsterfahrung nutzen.

Informationen unserer Inserenten

wahre Werte

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vollwertig leben

54  Zeitpunkt 121

Schurwolle Reguliert Wärme und Feuchtigkeit; Körper: lindert Rheuma, Hautkrankheiten, Ekzeme; Energetisch: wärmend, schützend, umhül-lend; Besänftigt und schenkt Geborgenheit

Baumwolle Hautfreundlich, atmungsaktiv; Körper: elek-trostatisch neutral,  für Allergiker; Energe-tisch neutral

Kapok Motten- und milbensicher; Körper: antibak-teriell; Energetisch: verbindet zwischen Him-mel und Erde, inspiriert, belebt den Geist

Rosshaar Formstabil, hohe Klimaregulation, elastisch, langlebig; Körper: gut für Kreislauf, Gelenke und beim Schwitzen; Energetisch: wärmt, belebt und öffnet das Herz

Naturlatex Perfekte Anpassung an den Körper, flexibel und  langlebig;  Körper:  Bakterienabwei-send, für Allergiker geeignet; Energetisch: erdend

Kokos Formstabil, stützend, elastisch; Körper: ent-giftend, antiseptisch, für Allergiker geeignet; Energetisch: schützend

Torffaser Reguliert  Wärme  und  Feuchtigkeit;  Kör-per: bindet und neutralisiert Gifte, aktiviert Selbstheilungskräfte, bakterienabweisend; Energetisch:  schützend, umhüllend, wär-mend, erdend

Hanf Temperaturausgleichend; Körper:  für All-ergiker geeignet; Energetisch: klärt, erdet und besänftigt

Seide Reguliert Wärme und Feuchtigkeit; Kaum elektrostatisch;  Beruhigt,  entspannt  und schenkt Transformationskraft

Wer wach sein will, muss zuerst richtig schlafen

Wer es gerne billiger möchte, landet in der Regel nicht bei der besseren Qualität. Petra Märchy ist eine Ausnahme. Aber sie brauchte  Geduld.  Nach  Abschluss  ihrer Shiatsu-Ausbildung wunderte sie sich über die teuren Matten, die sie für ihren Beruf brauchte.  «Das muss  auch billiger  gehen», sagte sie sich, nähte sich kurzerhand eine Matte nach eigenen Vorgaben und verkaufte etliche Exemplare an Kolleginnen und Kol-legen. Das war der Beginn des Wohnateliers, das sie vor 13 Jahren in Solothurn einrichte-te. Der schöne Name ist ein bisschen irre-führend, denn darin geht es vor allem ums Schlafen, genauer gesagt um Matratzen. Bei Petra kann man sich die Matratze individuell aus verschiedenen biologischen Naturmate-

rialien zusammenstellen lassen: Schurwolle, Baumwolle, Kapok (ein tropischer Baum mit flaumigen Samenständen), Rosshaar, Kokos, Naturlatex, Hanf  und Torffaser. Der Clou der Sache: Die Materialien haben nicht nur unterschiedliche physische  Eigenschaften, wie  Temperaturausgleich  oder  Feuchtig-keitsspeicherung,  sondern  auch  energe-tische (siehe Tabelle). Wer nicht auf Touren kommt, ist zum Beispiel mit einer Matratze mit hohem Rosshaar, Kapok- und Hanffa-sernanteil gut bedient. In Petras Wohnatelier kann man die  verschiedenen Materialien beliebig kombinieren und beim Probeliegen austesten. Es steht auch für power-naps zur Verfügung. Eine  individuell zusammenge-stellte,  von Hand gefertigte Matratze  (von einer Kollegin in Deutschland) ist mit einem Preis  von  1090  Franken  zwar  nicht mehr billig,  aber  gemessen  an der Qualität  auf jeden  Fall  günstig.  Lebensdauer:  Je  nach Körpergewicht und Pflege acht bis zehn Jah-re. Und wenn man sich die Zeit ausrechnet, die man im Bett verbringt, sind die Mehr-kosten  gegenüber Billigprodukten  gering. Da liegt sogar noch ein kleiner Ausflug in Petra Märchys Wohnatelier drin.   CPKontakt: Wohnatelier, Burrisgraben 46, 4500 Solothurn, Tel. 032 641 20 11, www.wohnatelier.ch. Beratung nach Voranmeldung. 

Denken Sie bei «Psychopath» an einen Wahn-sinnigen, der in einer psychiatrischen Klinik sein Dasein fristet? Denken Sie weiter! So man-cher  Psychopath  versteckt  sich  im  Gewand  des CEO einer transnationalen Firma, sitzt im Chefstuhl eines Unternehmens, das aus Schulden gebeutelter Entwicklungsländer Profit schlägt oder spekuliert uns  an  der  Börse  nonchalant  an  den  Rand  des Abgrunds. «Als zur Einfühlung  in andere unfähig, oberflächlich charmant, anpassungsfähig, zynisch-kalt, bindungs- und skrupellos und ausschliesslich an  privater  Nutzenmaximierung  interessiert»,  so beschreiben psychiatrische Diagnosemanuale den «Psychopathen». Dies seien Eigenschaften, die  in der New Economy zunehmend an der Tagesordnung seien, für den Erfolg am Markt auch nötig wären, sagt Dr. Götz Eisenberg.

Der Gefängnispsychologe, Autor des Buches «Gewalt, die aus der Kälte kommt», betont: «Es gibt eine kollektive Basisstörung, die innerhalb einer Gesellschaft keinen Krankheitswert besitzt, sondern den ihr gemässen Sozialcharakter ausmacht.» Die Krankheit wird zum Normalzustand. So soll zum Bei-spiel  in der 2013 erscheinenden neuen Fassung des massgebenden Diagnosemanuals der American Psychiatric Association die «narzisstische Persön-lichkeitsstörung» nicht mehr aufgeführt werden. Das Amalgam aus mangelndem Selbstbewusstsein, Su-che nach Anerkennung und Bewunderung und Man-gel an Empathie, das diesen Charakter ausmacht, ist im konsumistischen Zeitalter des Kapitalismus längst zur Norm geworden. Der Neoliberalismus habe die Menschen eisig werden lassen und ihre Innenwelt in eine Gletscherlandschaft eingefrorener Gefühle 

verwandelt, sagt Eisenberg. «Sie können gar nicht anders, als diese Kälte weiterzugeben.» Schwachen oder weniger leistungsfähigen Menschen lässt die gewinn- und gewinnerorientierte Gesellschaft keinen Raum. «Du Opfer» gilt unter heutigen Jugendlichen als eine der schlimmsten Beleidigungen. Die «un-sichtbare Hand» des Marktes hat auch die Schulen im Griff: Wer dem wachsenden Leistungsdruck und Konkurrenzkampf nicht standhält, wird schnell Opfer von Vereinsamung, Mobbing und Feindseligkeiten.Die entfesselte und skrupellose Geldwelt lässt die Psychopathen prächtig gedeihen. «Der Narzisst mag heute noch tonangebend sein, die Zukunft gehört dem Psychopathen», warnt Eisenberg. Von der Ty-rannei der Ökonomie wird sich nur eine Gesellschaft befreien können, die soziale Integration, solidarische Kooperation und Gemeinschaft fördert.  MK

Die Krankheit wird «normal»

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Zeitpunkt 121  55

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Energie aus dem Schilfgraswald

Ein Wald aus hohen Gräsern bringt Wärme in Hoffenheims Stuben. Seit Ende März 2012 werden in der Gemeinde 26 Kilo-meter südöstlich von Heidelberg rund 700 Personen von einer Nah-Wärme-Heizan-lage mit Energie aus Schilfgras versorgt. Der Familienbetrieb BioEnergie Hoffen-heim GmbH, der das Kraftwerk betreibt, hat das Gras auf circa 30 Hektaren rund ums Dorf  angebaut. Die aus Ostasien stammenden Pflanzen können Wasser und Nährstoffe besonders gut nutzen. Sie müssen nur einmal angepflanzt werden und wachsen während über 20 Jahren jedes Jahr wieder neu. 15 bis 25 Tonnen Trockenmasse können aus einem Hektar des schnellwachsenden Schilfgrases pro Jahr gewonnen und zu Bioenergie umge-wandelt werden. Die Ernte  fällt  fünfmal 

höher aus als bei Raps, was den Anbau besonders effizient macht. Die Energie-gewinnung aus Schilfgras schont aber nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel. Die Kunden bezahlen 25% weniger als  für Energie aus Erdöl oder Erdgas.    Der Autor und pensionierte Fernseh-journalist Franz Alt plädiert schon lange für eine vermehrte Nutzung von Schilf-gras  anstatt  fossil-atomarer Rohstoffe und wünscht sich, dass das Beispiel von Hoffenheim  auch  bei  anderen  Bauern Schule macht. Hoffenheim lässt hoffen.  MK

Mehr zum Thema: Franz Alt: Schilfgras statt Atom – neue Energie für eine friedliche Welt. Piper, 1992. 200 S., Fr. 15.60  / 9,90 Euro www.bioenergie-hoffenheim.de

«Pflücken erlaubt»  statt «Betreten verboten»  Gärten für alle in Andernach

Andernach ist eine essbare Stadt. Denn in den öffentlichen Gärten dürfen sich Bürger selbst bedienen: «Pflücken erlaubt» statt «Betreten verboten», heisst es in der Stadt am Rhein. Seit 2010 darf jeder Bürger der Stadt dort Blumen pflücken sowie Obst und Gemüse in Bio-Qualität ernten. Das Konzept stammt von der Gartenbauingenieurin Heike Boomgaarden und Lutz Kosack, Geo-Ökologe der Stadt Andernach. Erstaun-licherweise gibt es keinen Vandalismus, und es fallen auch nur noch ein Zehntel der früheren Kosten an.Bis 2010 entsprachen die öffentlichen Grünflächen dem gängigen Standard – gepflegte Rasenflächen und klassische Wechselbeete, die mehrmals  im Jahr neu bepflanzt wurden. Dann der Wandel zum optischen und kulinarischen Genuss, kostenlos für die Anwohner und bezahlbar für die Stadt. Mit 50.000 Euro Budget sollte die Stadt neu erblühen.  Um die Gärtnerarbeiten kümmerten sich von Beginn an nicht nur städtische Arbeiter, sondern auch Ein-Euro-Jobber, Langzeitarbeitslose und Freiwillige. Wer mitmacht, tut es gerne, denn die essbare Stadt kommt gut an und  lockt   Besucher an. Und Andernach gewann 2010 prompt den Preis «Unsere Stadt blüht auf». Nach der ersten zögerlichen Erntezeit  ist die essbare Stadt  für die Andernacher normal und dazu kehren noch seltene Arten zurück. Nach Tomaten und Bohnen sind dieses Jahr die Zwiebelgewächse dran.  Bettina�Sahling

Die Autorin betreut eine bemerkenswerte Website für gute Nachrichten: www.newslichter.de

Kurzmitteilungen

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56  Zeitpunkt 121

Mit Orkan Lothar wurden auch in Ruedi Mansers Leben alte Bäume entwurzelt – innen und aussen. Die Schulen, an denen er 30 Jahre Astrologie unterrichtet hatte, mussten schliessen. Existenzängste kamen auf und stürzten ihn in eine Krise. Als ihn damals der Zivil-schutz zu Aufräumarbeiten einberief, konnte Ruedi noch nicht ahnen, dass ausgerechnet der Jahrhundertsturm, seinem Leben eine neue Richtung geben würde. Im Wald habe er einfach mal angefangen auf umgestürzte Bäume zu klopfen. Für ihn, ein Schlüsselmoment.   Viele Jahre sind  inzwischen vergangen,  in denen Ruedi an seinen Schlitztrommeln tüftelte. «Nun werden meine Instrumente  langsam interessant», sagt Ruedi und schmunzelt, am Anfang hätten seine selbstge-bauten Instrumente vor allem schön ausgesehen. Diese Zeiten sind nun vorbei, wie mir der ausgereifte Klang der «Liebu-Linde» beweist. Bei diesem fast zwei Meter langen Instrument geht aber nicht nur vom Klang etwas Magisches aus. Fände man irgendwann Spuren einer 

nie entdeckten Kultur, die «Liebu-Linde» wäre bestimmt dabei. Urtöne, die wir Menschen in uns trügen, nennt Ruedi die exotisch anmutenden Klänge, die er dem Kronenansatz der  jungen Linde entlockt. «Die Töne hole  ich aus dem Holz  raus – sie sind gewachsen», verrät mir der Quereinsteiger «mit genetisch bedingtem Holzwurmcharakter». Noch nie in seiner Laufbahn als Instrumentenbauer, musste Ruedi einen Baum fällen oder fällen lassen. Meistens rufen ihn die Leute an und sagen etwa ähnliches wie: «Wir haben da einen hohlen Baum – der sieht nach Ruedi aus.»   Seit drei Jahren können in Ruedi Mansers offener Werkstatt in Melchnau im Oberaargau Interessierte ihre eigene Schlitztrommel bauen. Wie auch seine Kunden, verbindet die Teilnehmer ihre starke Affinität zu Musik und Natur. Ruedi selbst, der jahrelang auf Festen Tee aus selbst kultivierten Heilkräutern ausschenkte, fasst seine Lebensaufgabe zusammen: «Kräuter, Holz und Sterne», sagt er so deutlich, dass jedes seiner Worte als Bild an einem vorbeizieht.  SL

Kontakt: Ruedi Manser, Baumgartenstr. 2, 4917 Melchnau, Tel. 062 927 27 55, www.ruedimanser.ch

vollwertig leben

Verspielte Plätze

Der Mann mit den Bäumen

Bio-Zertifizierung gerät durch Grosskonzerne in MisskreditDie  «New York Times»  beschreibt  in  einer Reportage, wie die Bio-Zertifizierung von Le-bensmitteln in den USA durch den Einfluss von Grosskonzernen  immer mehr zu einer Farce gerät.

Bio-Lebensmittel  sind  auch  in  den USA ein Verkaufsschlager, weshalb  die  grossen Lebensmittelkonzerne – darunter Coca-Cola, General Mills, Kraft und M&M Mars – in die-sem Bereich immer aktiver werden und mitt-lerweile den Markt beherrschen.

Das  führte gemäss New York Times un-ter anderem auch dazu, dass ihr Einfluss im National Organic Standards Board, der natio-nalen Zertifizierungsstelle für amerikanische Bio-Lebensmittel, immer grösser wurde und immer mehr Chemikalien und Lebensmittel-zusätze als «organic» zugelassen sind. Heute dürfen bereits mehr als 250 nicht-biologische Zusatzstoffe Bio-Lebensmitteln  beigemengt werden, ohne dass diese ihre Zertifizierung verlieren. Michael J. Potter, einer der letzten unabhängigen  grossen Bio-Produzenten  in den USA, bezeichnete der «New York Times» gegenüber die Zertifizierung durch das Natio-nal Organic Standards Board als «Betrug».Quelle: EU-Umweltbüro

Der Schein heiligtDer Mensch schreibt Produkten aus fairem Handel viele positive Eigenschaften  zu,  die  sie  gar nicht haben. Dies haben Psycho-logen um Jonathon Schuldt von der California State University in Northridge festgestellt. Z.B. hält man  die  Schokolade  aus  dem fairen Handel für kalorienärmer oder für gesünder. Mit solchen Ausreden lässt sich natürlich un-gestörter naschen! Das Phäno-men der Zuschreibung positiver Eigenschaften aufgrund eines an-deren positiven Merkmals fand bereits der Psychologe Solomon Asch heraus. Er stellte fest, dass die Menschen dazu geneigt sind, einer Person aufgrund einer gu-ten Charaktereigenschaft  auch andere  gute Eigenschaften  zu-zuschreiben. Dieses Phänomen wird in der Psychologie Halo-Ef-fekt genannt, von engl. ‹halo› = Heiligenschein.Quelle: Süddeutsche/Connection

«Wo nichts passieren kann, passiert auch nichts», weiss Spielplatzbauer Michael Grasemann. Kopf einziehen, Füsse heben und helfende Hände ergreifen – sich  in echter  Erde richtig dreckig machen, statt Sandkuchen backen. Grasemann orientiert sich an den Bedürfnissen der Kinder und ahmt mitten in der Stadt  ursprüngliche Lebensräume nach. «Bunt, niedlich, sauber, sicher», so die Maxime der klassischen Spielplatzgestalter, interes-siert Grasemann wenig. Auf seinen Spielplätzen sollen die Kinder selbst kreativ werden. «Bühnenbilder», wie Schiffe und Burgen, sucht man deshalb vergeblich. Der ehemalige Bau- und Möbelschreiner mag das Schräge, Unfertige und Schwierige – Herausforderungen eben. Hier ist ihm die Natur mit seinem Lieblingswerkstoff, der natürlich krumm gewachsenen Robinie entgegengekom-men, aus der er Tritte und Sprossen für Baumhäuser, aber auch Plattformen und Übergänge fertigt. Seine kleinen, schiefen Holzbauten fördern das Gleichgewicht, 

während ausgebaute Schiffscontainer mit verschiedenen Ebenen und Durchgängen, den Entdeckergeist wecken. Von einem aufgeschütteten Hügel herunter locken frei-stehende Treppengeländer zur Rutschpartie, andernorts wiederum lassen originelle, handbetriebene Schwall-pumpen Wasser in grosse Sandbecken schiessen.   Ob der Theologe Peter Villaume das meinte, als er Ende des 18. Jahrhunderts eingezäunte Plätze forderte, in denen Kinder vor «Pferden, Wagen und Hunden» ge-schützt sein sollten, sei dahingestellt – gefallen hätte es ihm auf jeden Fall.   SL

Kontakt: Michael Grasemann, Bachstr. 18, D-01099 Dresden, Tel. +49 351 316 11 97, www.holz-spielplatz.de | www.spieltraeumer.ch

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vollwertig leben

Zeitpunkt 121  57

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58  Zeitpunkt 121

meIn herZ flIegt durch dIe schweIZ von Alex von Roll (Text & Bilder)

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Zeitpunkt 121  5�

wie  lernt  man  die  Schweiz  am besten kennen? Diese Frage hat verschiedene  richtige Antworten, je nachdem ob man hier lebt oder von weit  her  zu  einem kürzeren 

Besuch kommt, ob man reichlich Geld hat oder viel Zeit, ob man fit ist, ganz jung oder eh schon alles zu kennen glaubt. Aber eine Antwort ist die richtigste: Sie  hat  zwei  Räder  und  einen  kleinen Elektromo-tor zur Unterstützung der Tretkraft. Denn das Herz der Schweiz schlägt dort, wo sie am schönsten ist, auf den Hügeln und  in den Bergen, dort wo man als Autofahrer  entweder nicht  hinkommt oder  ein schlechtes Gewissen hat, wo es den Wanderern zu weit ist und den normalen Radfahrern der Schnauf ausgeht. Dorthin trägt einen das E-Bike, zügig, aber doch so langsam und beschaulich, dass man riecht, was am Wegrand duftet und sieht, was der Horizont alles hergibt. Und das ist eine Menge. 

Velo-Fundis haben ein gespaltenes Verhältnis zum e-Bike. Das sei etwas für Senioren und Warm-duscher, dachte ich selber lange Zeit, ein versteckter Betrug an der Muskelkraft als idealem Massstab der Fortbewegung. Dann  zeigte  eine  Erhebung,  dass e-Bike-Besitzer  ein Mehrfaches  der Kilometer  zu-rücklegen als vorher mit dem normalen Rad. Gegen e-Bikes gibt es also keinen ökologischen Einwand. Und es gibt einen guten Grund dafür: die Entde-ckung der Schweiz. 

Als Velofahrer hat man für die längeren Spazier-fahrten  in  der Umgebung  seine  bevorzugten Rou-ten: da ein versteckter Weg, dort eine überraschende Sicht, Naturgeräusche, Gärten, Düfte, kaum Verkehr und immer wieder ein gemütlicher Ort für eine Rast. Wie man es sich wünscht! Verlässt man aber seine ge-wohnte Umgebung, überfällt einen der Verkehr und das Vergnügen ist aus. Die offiziellen Velowege sind eine halbe Lösung. Sie bieten in erster Linie Verbin-dung von A nach B, in der Regel auf verkehrsarmen Strassen, aber sie suchen nicht die Orte, die unsere Sinne öffnen und das Herz bewegen. Dazu braucht es schon eine Herzroute. 

Wer sich auf die Herzroute begibt,  folgt dem Weg eines Autors, von Paul Dominik Hasler. Das ist neu. Hasler lebt drei wesentliche Qualitäten: Als Utopist – er führt seit zwanzig Jahren das Büro für Utopien  – will  er  das Unmögliche;  als  Ingenieur vertritt er das Machbare, und als Poet verbindet er diese  beiden  scheinbar widersprüchlichen Welten. Die Geschichte der Herzroute beginnt Ende der 80er Jahre. Hasler durchquerte die USA mit dem Rad und fand, die Schweiz bräuchte eine nationale Veloroute. Doch der  Schweizerische Tourismusverband hatte damals noch kein Musikgehör für sein Konzept «Ve-lotransversale»,  und  so machte  sich Hasler  daran, seine eigene Route zu entwickeln. Verspielt musste 

sie  sein,  unerwartete  Entdeckungen  ermöglichen, machbar  für  einigermassen fitte Zeitgenossen und vor allem einfach schön. Immer wieder radelte er in den Hügeln herum, und so entstand  im Laufe der Jahre die Herzroute. Anfangs fehlte das Geld für eine Beschilderung und man behalf  sich mit  (illegalen) Bodenmarkierungen. Später, dank dem Engagement von weiteren Visionären, kamen die Schilder. Aber die Strecke war coupiert. Die schönsten Punkte der Schweiz befinden sich nun mal  in höheren Lagen, und wer  sie  geniessen will,  darf  die Anstrengung nicht scheuen. Ist ja auch gut so.

Der Durchbruch  kam mit  Kurt  Schär,  Chef  der Biketec AG und Hersteller des Elektrovelos «Flyer». Mit seinen Velos rückte das Vergnügen in die Reich-weite all jener, die sich nicht scheuen, ihre Muskeln einzusetzen, auch wenn sie noch keine haben. Mit andern Worten: Wer will, der kann. Die beiden grün-deten die Herzroute AG, Hasler brachte Idee und 

Da ein versteckter Weg, dort eine überraschende Sicht, 

Naturgeräusche, Gärten, Düfte, kaum Verkehr und immer wieder ein gemütlicher Ort für eine Rast. 

Wie man es sich wünscht!

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Hier beginnt die Herzroute: Ouchy am Genfersee.

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60  Zeitpunkt 121

Planung, Schär das Geld  für Velos, Akkuwechsel-stationen und die nicht zu unterschätzende Verwal-tung. Für die zur Zeit sieben Etappen und 400km Herzroute  brauchte  es  über  2400  Seiten Bewilli-gungen von Privaten, Gemeinden und den verschie-densten  Inspektoraten.  Kein  Pappenstiel,  so  eine nette Herzroute. Das erste, 2002 eröffnete Teilstück von Burgdorf nach Willisau entwickelte sich rasch zum offiziellen Geheimtipp für Genussradler. 2007 bis 2012 kamen die Abschnitte Burgdorf-Langnau-Thun-Laupen-Romont-Lausanne sowie Willisau-Zug dazu. Man kann also bereits die halbe Schweiz in ein paar Tagen auf wunderschönen Geheimpfaden durchqueren. Sechs weitere Etappen von Zug bis an den Bodensee sind geplant. 

Nach einer unrepräsentativen Umfrage im Be-kanntenkreis  möchte  mehr  als  die  Hälfte  aller Schweizerinnen und Schweizer das Land einmal mit dem Velo durchqueren. Aber null Prozent haben es auch getan. Bei einem grösseren Sample wären es wohl ein paar Promille. 

Mit der Eröffnung der Abschnitte Laupen-Romont-Lausanne im Juni bot sich mir die Gelegenheit, diesen alten Wunsch auf angenehme und erholsame Art zu verwirklichen. Warum wir – meine Partnerin und ich – uns für Lausanne als Startpunkt entschieden, weiss ich nicht mehr. Zufall war es jedoch nicht. Vielleicht stellten wir uns vor, schon am Vorabend anzureisen und die Witterung von Lausanne aufzunehmen. Dazu reichen allerdings schon ein paar Minuten. Es wird jedenfalls schnell klar, dass das Genferseegebiet eine der bevorzugten Regionen des grossen Geldes ist. 

An der Vermietstation in Ouchy übernimmt man die Räder,  schnallt das Gepäck auf und  los geht‘s durch die für schweizerische Verhältnisse grosszü-gigen Uferpromenaden, die von Joggern, Spaziergän-gern, Touristen und Leuten mit steuerlichen Grün-den für ihre Anwesenheit bevölkert werden. Villen der obersten globalen Einkommensklasse,  schicke Konzernsitze und  internationale Organisationen  in wunderbaren Gärten prägen das Bild. Wer sich fragt, wo und wie das viele Geld verdient wird, kann auf einer  Parkbank  eine  erste  Pause  einschalten  und über die gerechte Verteilung schöner Landschaften nachdenken. Auch  Lutry  nach  fünf Kilometern  ist für einen Halt eigentlich zu früh, aber obligatorisch. Das kleine Städtchen ist vollkommen intakt. Keine Bausünden, keine Sozialfälle und kein Verkehr stören das Leben, das etwas selbstzufrieden in den Gassen dahinplätschert – die erste Postkartenschweiz auf der Herzroute. Die nächste folgt bereits ein paar Minuten später auf dem schmalen Strässchen hinauf  in die Rebhänge des Lavaux. Die Steigung dürfte durchaus etwas steiler sein, damit es etwas langsamer vorwärts 

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Zeitpunkt 121  61

ginge und man sich an dieser von Menschenhand in jahrhundertelanger Arbeit gestalteten Landschaft satt sehen könnte. Dass es dieses Wunder – seit 2007 UN-ESCO-Weltkulturerbe – überhaupt noch gibt, verdan-ken wir Franz Webers unermüdlichem Einsatz gegen die totale Automobilmachung und Überbauung. Wer hier nicht Zeit für eine Rast findet, hat auf der Herz-route nichts zu suchen. Wir entscheiden uns für das Restaurant de l‘Hôtel du Monde in Grandvaux. Die Aussicht ist derart schön, dass sich die nächsten drei Gäste in einer Reihe an den Nebentisch setzen, in die Pracht hinaus blicken und während des Essens immer wieder Laute der Bewunderung von sich geben. 

Auch am schönsten Ort kann man nicht ewig bleiben; wir ziehen weiter durch die Rebhänge und Winzerdörfer, winken den  Japanern  im Welterbe-Touristen-Züglein  zu  und nähern  uns  der  grossen Wende in Chexbres: Zuerst die Eisenbahn, dann die lärmige Autobahn,  Industriebauten  und der  steile Aufstieg auf den Bois de Romont machen klar: Es gibt noch mehr zu entdecken. Da ist zuerst die Ak-kuwechselstation, die erste auf unserer Reise, und die funktioniert so: Man klinkt den leeren Akku aus dem Rad, betritt ein kleines Häuschen und wechselt ihn gegen einen vollen aus. Keine Kontrolle, keine Kosten, nur die Möglichkeit, sich zu verpflegen und einen  letzten Blick  auf  den Genfersee  zu werfen. Dann senkt sich der Weg in sanftem Gefälle durch die waadtländer Kornkammer nach Oron und überquert wenig später die Grenze zum Kanton Freiburg. Sie ist zwar nicht markiert, aber durchaus sichtbar: Die Häuser sind etwas unordentlicher, die Gärten weni-ger gepflegt und die Ortsbilder etwas weniger schön als in der  protestantischen Waadt. Das Phänomen 

bestätigt sich auf der Weiterfahrt so hartnäckig, dass sich der Schluss fast aufdrängt: Die unterschiedliche Beziehung  von Katholiken  und Protestanten  zum Diesseits und Jenseits zeigt sich auch in der Ästhetik des Lebensraums.

Rue,  nach  eigener  Darstellung  die  «kleinste Stadt Europas» ist da schon die erste bemerkens-werte Ausnahme. Am Fuss eines markanten Felsens mit einer Burg der Savoyer suchen ein paar Häuser Schutz, wir finden in der liebevoll geführten breto-nischen Creperie  «Entre Terre et Mer» einen vollen Akku und  fallen  in  eine Konversation mit  einem schwarzen  Priester,  der  kleine  Papierherzen  der Hochzeit  des Nachmittags  von der Kirchentreppe wischt. Der  freundliche Mensch  aus Ruanda passt damit bestens zur Herzroute. Überhaupt: Malerischen Hochzeitskirchen und -Kapellen werden wir auf der Herzroute noch zu Dutzenden begegnen. Auf diesem Weg ist der Liebe kaum zu entrinnen.

Eine knappe Stunde später grüsst der Stadthügel von Romont  in  der Abendsonne. Wo werden wir übernachten?  Als  Feinde  des  durchorganisierten Reisens hatten wir nichts gebucht und wollten uns überraschen lassen. Ins Hotel wollten wir nicht und das Bed&Breakfast von Alice Mechkour war mit Ja-kobspilgern voll belegt. Aber vielleicht hätte es bei Madeleine Elsner noch Platz; die würde gelegentlich Gäste aufnehmen, sagt Frau Mechkour. Aber die Türe öffnet sich nicht, als wir bei ihrer Wohnung im ersten Stock eines schönen Holzhauses klingeln. Vielleicht weiss man  im Parterre mehr.  Ein  freundlicher  äl-terer Herr  erklärt  uns,  seine  Schwester  sei  in  den Ferien, und er verfüge nicht über ihre Gästezimmer. Wir müssen an diesem späten Abend ziemlich 

Die Herzroute in einem HerzschlagDie 400 km lange «Herzroute» besteht aus sieben Teilstücken  zwischen  Lausanne  und Zug, die einzeln, zusammen oder  in beliebigen Etappen zurückgelegt werden können. E-Bikes der Marke Flyer können an rund 400 Orten in der Schweiz gemietet werden (Richtpreis Fr. 50.-/Tag, bzw. Fr. 150.–/Woche). Dazu gibt es über 600 Akkuwechselstationen  im  ganzen  Land  (siehe dazu www.veloland.ch, Stichwort «FLYER-Land»). Der 160-seitige Herzroute-Führer ist sehr schön geschrieben, enthält viele Tipps für malerische Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten und andere Überraschungen sowie ausreichendes Kartenmaterial. Wer es genauer haben möchte (und ein Smartphone besitzt), hat über die App von Schweizmobil Zugriff auf die Karten der Lan-

destopographie. Die Herzroute AG bietet ein- bis dreitägige Pauschalarrangements an, das Wander-reisebüro Baumeler eine fünftägige, geführte Tour. Ab dem Werk Huttwil organisiert der Flyer-Her-steller Biketec AG zudem verschiedene eintägige Pauschalarrangements für Gruppen.Gutschein für Zeitpunkt-Leserinnen und Le-ser: Die Herzroute AG verschenkt Gutscheine im Wert von Fr. 15.- auf die Tagesmiete eines e-Bikes für die beiden neuen Abschnitte Lausanne-Romont und Romont-Laupen. Schreiben Sie eine Karte oder eine e-Mail an die Herzroute AG und Sie erhalten einen Gutschein pro Person.  AvR

Kontakt: Herzroute AG, Schwende 1, 4950 Huttwil, Tel. 062 959 55 99, [email protected],  www.herzroute.ch | www.flyer.ch

Mein Herz fliegt…

Bilder linke Seite, von oben nach unten:

Lavaux: An dieser grandiosen Landschaft kann man sich fast nicht satt sehen.

Rue/FR: das angeblich kleinste Städtchen Europas wird von einer Burg der Savoyer beherrscht.

Scherligraben bei Thörishaus/BE: Durch diese Schlucht sollte man ei-gentlich auf Samtpfoten schleichen, um die Elfen und Gnomen nicht zu vertreiben

Längenberg, südlich von Bern: der grosse Überblick vom Jura bis in die Alpen.

(Alle Fotos wurden unmittelbar auf oder von der Herzroute aus aufge-nommen.)

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62  Zeitpunkt 121

herzerweichend gewirkt haben. Auf alle Fälle macht der gütige Herr, ein pensionierter Pfarrer, eine Aus-nahme und beherbergt uns in der Wohnung seiner Schwester. In der Grand Rue von Romont essen wir zu Abend. Am Nebentisch sitzt eine bunte Gruppe, kalauert, singt und wir machen uns Gedanken über das etwas einfache, aber sehr gemeinsinnige Wesen der Freiburger. Witze haben sie zweifellos verdient, aber nicht so viele.

Auf einem sanften, 800 Meter hohen Hügelzug mit wunderbarem Blick auf die Freiburger Alpen zur Rechten und den  Jura  zur  Linken geht  es  am nächsten Tag weiter. «Das Velofahren gleicht einem Gleitschirmflug»,  schreibt  Paul Dominik Hasler  im liebevoll geschriebenen offiziellen Herzroute-Führer über diesen Abschnitt. Das  stimmt  an diesem Tag mit kräftigem Westwind ganz besonders. Und wie in der Luft ist man auf diesem Weg ganz allein mit sich und der Schweiz. Dabei war dieses Gebiet einmal die am dichtesten besiedelte Region des Landes, wie sich wenig später in Avenches zeigt. Dank der Herzroute, die durch das weit draussen vor dem Städtchen lie-gende römische Stadttor führt, erfahre ich erstmals die enormen Dimensionen der antiken Hauptstadt Helve-tiens mit damals rund 20 000 Einwohnern. Automobile Besucher von Avenches beschränken sich in der Regel auf das imposante Amphitheater am mittelalterlichen Stadtkern und verzichten auf die kleine Wanderung zu den Überresten des römischen Mauerrings. 

Noch vor Avenches geraten wir allerdings in der freiburgischen Pampa in ein kleines Country-Festival. Es ist eine der Aktivitäten, mit denen der ehemalige Lehrer Tinu Rihs Leute auf seinen Bauernhof «Bel-mont Fruits» in Montagny bringt. Stämmige Menschen unter breiten Cowboy-Hüten schlagen an einem üp-pigen Buffet zu und lauschen der Musik aus einem fernen Westen, der heute irgendwie ganz nah scheint. Trotz des Trubels findet Tinu noch ein bisschen Zeit, uns sein Geschäftsmodell zu erklären. «Ich bin ein 

schlechter Bauer, deshalb muss ich ein guter Verkäu-fer sein», gibt er freimütig zu. So schlecht macht er es mit seinen drei Produktionszweigen Obst, Geflügel und Wollschweine allerdings nicht. Um eine bessere Marge  zu  erreichen,  verkauft  er  den  grössten Teil seiner 600 Tonnen Obst direkt. Das muss ihm erst einmal  einer  nachmachen. Die Wollschweine,  die rund dreimal so viel Zeit wie normale Schweine zur Schlachtreife brauchen, sind echter slow Food. Und sie passen bestens zu seiner Geflügelfarm. Weil die Hühner nach einem Jahr nur noch Eier mit brüchiger Schale  legen, müssen sie geschlachtet werden. Als zwei bedeutende  Schlachtbetriebe  vor  kurzem  für die Verwertung alter Hühner erhebliche Kosten be-rechneten, beschloss Tinu Rihs, die Sache selber an die Hand zu nehmen und entwickelte eine Dauer-wurst aus dem fettarmen Geflügelfleisch und dem fettreichen Wollschwein. Das Produkt schmeckt gut 

und  ist  trotz  seines    stolzen Kilopreises  von über Fr.  50.–  offenbar  ein  Renner.  Auch  für  das Obst, das gebrannt werden muss und wegen der starken ausländischen Konkurrenz kein wirkliches Geschäft mehr ist, hatte Tinu Rihs eine Idee: Er grub ein altes lokales Rezept «pomme à l’orange» aus (90 Prozent Apfel- und 10 Prozent Birnenschnaps, eingelegt  in Orangenschalen) und verkauft das liqueur-artige Pro-dukt als Spezialität an exklusive Geschäfte.

Auf der Herzroute begegnet man Hunderten von innovativen Bauern und Bäuerinnen, die wie Tinu 

So mitten in der Schweiz ist man nur an wenigen Orten. Das lohnt 

den Aufstieg allemal, der auch mit dem e-Bike nicht ganz ohne ist. Innehalten, durchatmen und 

die Verbreitung des Glücks im Körper zulassen.

Du musst nur langsam genug gehen, um immer in der Sonne  zu bleiben. 

(Der kleine Prinz)Antoine de Saint-Exupéry

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Rihs  mit  Hofläden  und  anderen  Angeboten  (z.B «Schlaf  im  Fass»)  dem Globalisierungsdruck  Stand halten, und man bedauert es, als Velotourist nicht überall  einkaufen und diesen Einsatz  anerkennen zu können. 

Murten ist das nächste Kleinod auf der Routemit obligatorischem, ausgedehntem Halt. Aber weil dies  jedermann kennt, wenden wir  uns  Fritz  und Frieda  Rentsch  zu,  die  hoch  über  Städtchen  und See Schlaf im Stroh anbieten. Wem das Stroh nicht die Nase  zum  Jucken bringt, wird  diese  rustikale und günstige Übernachtungsmöglichkeit gerade auf Radtouren schätzen. Mehr als die Hälfte der 40 000 Übernachtungen in Schweizer Stroh entfällt auf den Langsamtourismus. Wir  haben Glück,  ausser  einer Kleinfamilie ist niemand da, und am Abend haben die  Rentschs Zeit, mit  uns  auf  der Bank  vor  dem Haus zu sitzen,  in den Sternenhimmel zu schauen und über Gott, die Welt und Bauernhoftourismus zu reden.  Fritz  ist  nämlich Vizepräsident  des Vereins Schlaf im Stroh mit schweizweit 160 Anbietern und bestens informiert. Vor rund zwanzig Jahren, als di-ese günstigste Übernachtungsform ausgehend vom Jura im Schweizer Tourismus populär wurde, waren es rund 300 Bauernbetriebe, die Gäste im Stroh über-nachten liessen. Aber dann setzte sich die Erkenntnis durch, dass es doch etwas mehr braucht als einen Heustock und ein Plumpsklo. Den steigenden Anfor-derungen wollten und konnten nicht alle genügen. Und: Fritz und vor allem Frieda könnten nicht rund 1000 Gäste pro Saison beherbergen, wenn nicht Sohn und  Schwiegertochter  die  Landwirtschaft  führten. Bäuerliche Gastfreundschaft  ist  unkompliziert  und grosszügig. Das zeigte sich auch am nächsten Morgen beim Frühstück in der grossen Bauernküche. In kei-nem Hotel und in keinem B&B war das Frühstück so üppig wie bei den Rentschs. Ob es daran lag, dass sie als einzige wussten, dass ich als Journalist unterwegs war, wollen wir mal offen lassen. 

Auch wer die Schweiz gut zu kennen glaubt, macht  auf  der  Herzroute  noch  echte  Entde-ckungen. So ein Fall ist das Schloss Münchenwiler in einer bernischen Enklave oberhalb Murten. Die ehemals eindrückliche Klosteranlage war eines von 25 Prioraten in der Schweiz, die direkt dem mäch-tigen Kloster Cluny unterstellt waren. Mit den Bur-gunderkriegen wurde Münchenwiler bernisch und mit  der  Reformation  1528  als Kloster  aufgehoben. Das  grosse Anwesen wurde privatisiert  und blieb im Besitz  bernischer  Patrizierfamilien,  bis  es  1932 zwangsversteigert  und um ein Haar  in  eine Kon-servenfabrik umgewandelt wurde. Auf Initiative des markanten Arbeiterführers  Robert Grimm,  damals bernischer Baudirektor, kaufte der Kanton Bern 1943 das Schloss, um es als Ausbildungsstätte für die Ju-gend zu erhalten. Vielleicht ist das der Grund, warum der in den 90er Jahren gekonnt zum Tagungszentrum ausgebaute Ort noch heute vergleichsweise vernünf-tige Preise hat. 

An dem prächtigen Julitag unseres Besuchs herrscht wenig Betrieb, das Essen ist vorzüglich, in der Pri-oratskirche entdeckt man Backsteine der römischen Stadtmauer von Avenches und der wunderbare Garten verzögert die Weiterfahrt um eine gute Stunde. Ein Segen, dass solche Orte öffentlich zugänglich sind.

Die schönen Bilder klingen nach und machen ver-gessen, dass die Herzroute das Herz nicht überall gleich hoch schlagen lässt, besonders auf dem Ab-schnitt nach Laupen nicht, wo der Siedlungsdruck des Mittellandes und der Agglomeration von Fribourg deutlich  spürbar  ist.  Die  Hüsli-Schweiz  mit  ihrer wilden Mischung  aus  kanadischen Blockhäusern, Haus&Herd-Architektur, Schwedenhäusern und hell-grauem Einerlei ist vielleicht soziologisch interessant, aber keine Augenweide.

In Laupen, wieder eine Perle von Städtchen, be-kommen wir  die  erste  und  einzige Kritik  an  der Herzroute zu hören: In der Akkuwechselstation des üppigen Gasthofs Bären retourniert ein Pärchen 

Bilder oben, von links nach rechts:

Lavaux: An dieser gesegneten Region kann man sich fast nicht satt sehen.

Schloss Münchenwiler in einer bernischen Enklave bei Murten: Das ehemalige cluniazensische Kloster und Sitz bernischer Patrizier gehört heute dem Kanton Bern und wird als Tagungszentrum betrieben.

Schlafen im Stroh: Die Familie Rentsch auf dem Heustock mit über tausend Übernachtungen pro Jahr.

Zwischen Oron-la-ville und Romont/FR:  fliegen durch das Mittelland, mit Blick in die Freiburger Alpen.

Wollschweine auf dem Hof Bel-mont Fruits in Montagny-la-Ville/FR: einer von hunderten von Hofläden an der Herzroute.

Durch die Felder, durch die Auen: Rund ein Fünftel der Weg-strecke führt über Naturstrassen.

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in Rennmontur seine e-Bikes, die es in Thun gemietet hat und beklagt sich über schlechte Signalisation. Die beiden  sind wohl  zu  schnell  gefahren und haben die omnipräsenten roten Wegweiser nicht beachtet. Es  stimmt: Die  schnellen Flitzer können zu einem Tempo verleiten, bei dem man am Wichtigsten vor-beirauscht, nicht nur an Wegweisern, auch Blumen, Gärten und grüssenden Menschen.

Zwischen Laupen und Thun offenbart sich eine der grossen Stärken der Herzroute,  ihre wun-dervolle Linienführung zwischen Voralpen und Mit-telland. Klassisches, aber bei weitem nicht einziges Beispiel  ist  der  Längenberg  südlich  von Bern. Als leichtes Wandergebiet ist er vor allem bei Stadtber-nern beliebt. Aber die übrigen Schweizer kennen den Längenberg bestenfalls, weil dort, genauer gesagt in Zimmerwald, 1915 an einem geheimen Treffen mit Lenin, Trotzky und führenden europäischen Sozia-listen Weltgeschichte geschrieben wurde. Organisa-tor war derselbe Robert Grimm, dem wir schon in Münchenwiler begegnet sind. 

Der 1031 Meter hohe, sanfte Längenberg ist des-halb  eine  Veloquerung  wert,  weil  man  von  ihm einen einzigartigen,  immer wechselnden Blick  auf die Gantrisch-Kette, ins Mittelland, auf den Jura, ins Emmental  und  auf  den Thunersee  hat.  So mitten in der Schweiz ist man nur an wenigen Orten. Das lohnt den Aufstieg allemal, der auch mit dem e-Bike nicht ganz ohne ist. Innehalten, durchatmen und die Verbreitung des Glücks im Körper zulassen. 

Auf der Abfahrt nach Thun zwingt uns Paul Domi-nik Hasler glücklicherweise wieder auf einen seiner vielen Umwege und eröffnet uns wieder eine Schweiz für sich. Zum einen fällt auf, wie herausgeputzt die Häuschen, Chalets und eher kleinen Bauernhöfe sind. Am Ende der Reise werde  ich wissen: Nirgendwo in  der  Schweiz  gibt  es mehr Geranien und   wird samstags fleissiger gekehrt als  im Gebiet zwischen Thun und Gantrisch-Kette. Es ist auch eine Region, die man wegen  ihrer  vielen  Freikirchen  als  bible belt  der  Schweiz  bezeichnen  könnte.  Aber  in  die Herzen und  in  die Gebetsstuben  kann man  auch auf der Herzroute nicht sehen. Dafür kann man sich an die idyllischen Moränenseen legen und der Zeit zuschauen, wie sie fast still steht. Sie sind so schön, dass der Amsoldinger  See  «Privatbesitzung» wurde –  Reichtum  schützt  nicht  vor  schlechtem Deutsch – mit verbotenem Zutritt, ironischerweise «auf eigene Gefahr». Im benachbarten Uebeschisee darf man im-merhin baden, aber nur als Einwohner von Uebeschi. Lernen Sie also ein bisschen berndeutsch, bevor Sie ins Wasser steigen. 

Uneingeschränkt kann man sich dagegen in die Ge-schichte der bemerkenswerten romanischen Kirchen 

versenken, von denen es  im Thunerseegebiet eine erstaunliche Zahl gibt. Da  ist einerseits die Kirche des  ehemaligen Cluniazenserklosters  von Rüeggis-berg,  einen kurzen und  lohnenden Abstecher von der Herzroute  entfernt. Und das  ist  vor  allem die 1228  erstmals  erwähnte Kirche  von Amsoldingen. Sie ist eine der zwölf tausendjährigen Kirchen, die der sagenumwobene König Rudolf II. von Burgund nach  einem Traum  an Kraftplätzen  rund um den Thunersee bauen liess. 

Wenn man dann aus dieser Idylle nach Thun hi-nunter  gelangt,  kommt  einem die  Stadt mit  ihren 43’000 Einwohnern wie eine mittlere Mega-City vor. Erstaunlich, wie schnell man sich in der Herzrouten-Schweiz zuhause fühlt.

Die Route führt zwar noch weiter nach Burgdorf, Willisau und Zug. Aber weil mir die Redaktion nur sechs  Seiten  zur Verfügung  stellen wollte,  ist  jetzt vorläufig  Schluss. Die Zeitpunkt-Leute  sollten mal ihr Konzept  ein  bisschen  auffrischen,  damit man eine anständige Geschichte erzählen kann. Wie sie weitergeht, das erfahren Sie  im nächsten Frühling. Warten Sie aber nicht so lange, selber auf die Herz-route zu gehen. Für mich war die Tour von Lausanne nach Rapperswil die schönste Schweizerreise, die ich je unternommen habe. Und ich wünsche mir viele weitere geheime Wege ins Herz der Schweiz, ins Herz der Menschen und damit auch mein eigenes.

Der Uebeschisee am Fuss des Stockhorns: baden erlaubt, aber nur für Einheimische.

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Die gute Adresse für sanften Tourismus

Ca’stella Gästehaus Garni6676 BignascoTel. 091 754 34 34 / Fax 091 754 34 [email protected], www.ca-stella.ch

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orbis reisen Poststrasse 16, 9001 St.GallenTel. 071 222 21 33 / Fax 071 222 23 24  [email protected]

Religion und Kultur Seit 50 Jahren organisieren wir Pilgerfahrten und Kultur-Reisen. Wir sind der einzige Anbieter von Direktflügen Zürich-Lourdes-Zürich. Mit Begleitung von Redemptoristen-Patres. Unsere Reisepalette bietet u.a. Malta, Jordanien, Heiliges Land, Rom, Türkei, Portugal. Alles auf kirchlicher, gemischter oder rein kultureller Basis. orbis-Spezialität: Organisation von Pfarrei-Reisen.

Hotel MacunBarbara & Georg Freimann Janett7559 TschlinTel. 081 866 32 70 / 079 705 44 [email protected]

Hotel Restorant Macun in Tschlin /GR Georg und Barbara Freimann Janett heissen Sie herzlich willkommen im Hotel Restorant Macun. Geniessen Sie die Ruhe im sonnenverwöhnten Engadiner Dorf, lassen Sie sich verwöhnen und kosten Sie typische Spezialitäten, die es so nur in Tschlin gibt! Sieben individuelle Zimmer warten auf ebenso individuelle Gäste. 

Auberge la PlaineMourier, La PlaineF-26400 ChabrillanTel. 033 475 62 82 69www.aubergelaplaine.ch   

Der Reiz der DrômeAm einzigen unverbauten Fluss Europas gelegen, in direkter Nähe zum Naturreservat «Les Ramières», bietet unser Hotel eine idyllische Atmosphäre für Seminare aller Art. Das Innere des charmanten historischen Gemäuers lässt Komfort-gewohnte Besucherinnen und Besucher nichts missen. Auch unsere Küche sorgt mit regionalen Leckereien der Saison dafür, dass keine Wünsche offen bleiben.

HängemattenparadiesHofstettenstrasse 7, 3600 ThunTel. 033 437 00 67www.haengemattenparadies.ch

Die grösste Auswahl der schönsten Hängemattenfinden sie in unserem Laden in Thun. Auf über 100 m2 Hängematten testen und auslesen  (spezielle Öffnungszeiten). Wir produzieren u.a. mit einer Kooperative in Guatemala und auch  der Öko-Bambus-Arco ist unsere Entwicklung.  30 Jahre Arbeit mit Hängematten. Unsere Erfahrung ist Ihr Profit. FAIR & GUT!

Reisen auf PilgerwegenChristine Dettli Brunnweg 44143 Dornachwww.pilgerwege.org

In der Stille der Wüste – Reisen zu inneren und äusseren Kraftquellen•  Meditatives Kameltrekking – Innehalten und einfach Sein •  Visionssuche in der Wüste – Neuorientierung und Sinnfindung Der Mutter Erde anvertraut, den endlosen Himmel mit seinen nächtlichen Sternen über uns, begeben wir uns auf den Weg in unser inneres Selbst.

Wisent ReisenPostfach 81148036 ZürichTel. 043 333 25 25www.wisent.ch / [email protected]

Nordostpolen und Masuren zählen zu den schönsten Naturlandschaften Europas. Wisent Reisen bietet exklusiv Ferien in gemütlichen Zirkuswagen ideal für individuelle Ferien mit der Familie. Wohnen in den Zirkuswagen lässt Sie die Natur hautnah spüren, Sie sehen wilde Tiere, beobachten das Licht der untergehenden Sonne, sitzen draußen am Lagerfeuer oder erkunden die Urwälder Polens per Rad oder zu Fuß. Die Wagen stehen auf sehr schönen Plätzen in Masuren, dem Bial/owieza-Urwald und dem Storchenhof Pentowo.

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passfahrten – eine Hassliebe

Warum tut man sich das an? Diese Frage  stellt sich jedes Mal im Kampf mit dem Berg. Die Antwort gibt es nicht umsonst.   von Michael Huber

die  Strasse war  steil,  der Asphalt  von Schlaglöchern  zerfressen;  die  Berg-hänge wirkten unter der dicken Wol-kendecke bedrohlich – als wollten sie mich vom Aufstieg abbringen. Rad und 

Gepäck, zusammen über dreissig Kilo schwer, zo-gen mich  in  die  Tiefe. Auf meiner Haut mischten sich Regentropfen mit Schweissperlen, meine Beine waren übersäuert; seit dem Talboden quälten mich Rücken- und Nackenschmerzen. Warum um alles in der Welt tat ich mir das an? 

Ich war freiwillig dort. Mit zwei Freunden fuhr ich den Llogora hoch, einen albanischen Pass, der direkt vom Meer auf 1027 Meter führt. Von Frühling bis Herbst 2011 fuhren wir per Velo durch Europa (siehe ZP 116) und überquerten viele Gebirge – der Llogora war meine Zerreissprobe.  Ich  fand keinen Rhythmus und war  froh, als eine erste Anhöhe  in Sichtweite kam. Für die letzten Meter stieg ich aus dem Sattel, die Belohnung bereits im Kopf. Ein böser Irrtum: Auf dem flachen Abschnitt  schlug mir  ein bissiger Wind entgegen. Ich begann zu hadern, und wie es so ist im Leben, stellte ich mir die Sinnfrage genau dann, als keine Antwort in Sicht war. Warum? Für den Gegenwind und die Schmerzen bin ich je-denfalls nicht aufs Fahrrad gestiegen. Ich brauchte eine Pause.

Knapp ein  Jahr nach dem Kampf am Llogora sitze ich mit einem «Leidensgenossen» in dessen wind-stiller und ebenerdiger Stube im Berner Aaretal: Res Grossniklaus ist 55-jährig, hat mehr als fünfzig Pässe in den Beinen – manche davon mehrmals – und wirkt noch kein bisschen müde. Gemeinsam versuchen wir, unserer merkwürdigen Leidenschaft auf die Spur zu kommen.  «Warum  fährst du über Pässe?»,  frage  ich auch ihn, erhalte aber keine zufriedenstellende Ant-wort: «Eigentlich weiss ich das gar nicht.» 

Res‘ Lieblingspass ist der Albula in Graubünden, 2135 m.ü M., 31 Kilometer lang mit 1464 Höhenme-tern Steigung. In der Theorie klingt das nicht nach Genuss, in Res‘ Erinnerung schon: «Du fährst durch hübsche Matten  und über  stille Alpen,  die  lauten Motoren sind anderswo; hier eine Kurve neben einem Bächlein,  da  drei  durch den Wald,  und bevor  du dich versiehst, stehst du oben.» Jetzt kommt er ins Schwärmen.  «Auf  dem Fahrrad hast  du  genau die richtige Geschwindigkeit, du kommst vorwärts, und hast  trotzdem Zeit  genug,  die  unbekannten  Land-schaften zu entdecken.» 

Wie es so ist im Leben, stellte  ich mir die Sinnfrage genau dann,  als keine Antwort in Sicht war.

Wir starteten bei Null – Aufstieg vom Meer zum Rachi Tymfristou, Pass in Mittelgriechenland

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Die gute Adresse für sanften Tourismus

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Die gute Adresse zur Horizonterweiterung

Verlag VITA VERA GmbHOberebenestrasse 67a5620 BremgartenTel. 056 631 48 60 / Fax 056 631 48 61 [email protected] www.vita-vera.ch

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Christian SennBeratung & ProjektleitungHauptstrasse 16, 5018 ErlinsbachTel. 079 321 78 18, [email protected]

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Auch ich kenne die Pässe, wo man oben ist, bevor die Waden brennen, wo man alles vergisst und wo der Aufstieg zur Meditation wird. Dort zählt allein die regelmässige Umdrehung der Pedale, Meter um Meter, Kurve um Kurve.  Im Gespräch mit Res fin-de ich zwei Motive für das Passfahren: die Aussicht und die  Schönheit  der Bewegung. Wiegen  sie  die Strapazen auf? 

Die Aussicht könnte ich auch im Postauto ge-niessen. Die Bewegung wäre im Flachland dieselbe. Dazu hätte ich den Llogora in Albanien nicht in An-griff nehmen müssen. Nach meiner kurzen Pause la-gen die steilsten Serpentinen noch vor mir. Selbst im kleinsten Gang musste ich mit voller Kraft in die Pe-dale treten, um nicht zurückzurollen. Meine Freunde hatten mich abgehängt, ich kämpfte alleine. Innerlich verfluchte  ich  alles, was  den Weg  erschwerte:  die albanischen  Strassenbauer, meine  Schmerzen,  das Gepäck und überhaupt: die unsinnige Idee, mit dem Rad einen Pass hinaufzuklettern. Der Berg vor mir schien in die Höhe zu wachsen und mit ihm der Berg in meinem Kopf. Auf einmal ging es um mehr als den Pass, um die Zweifel der Vergangenheit, um das Glück der Zukunft, und was ich mir im Irrsinn sonst noch hinzudichtete. Aber selbst wenn oben niemand gewartet hätte, wäre ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr umgekehrt: Zu lange hatte ich gekämpft, um jetzt noch aufzugeben.

«Mit Schmerzen sind Passfahrten grauenhaft», sagt Res Grossniklaus.  Es  lohnt  sich,  vor dem er-sten Pass  zu  trainieren und ein  fahrtüchtiges Rad anzuschaffen. Trotzdem sind Passfahrten nicht nur für gestählte Athleten interessant. Wer seine Dreis-siger  überschritten hat,  ist  lange nicht  zu  alt:  Res zum Beispiel  hatte  seine  Feuertaufe  erst  im Alter von vierzig Jahren. Und wer den Sommer verpasst hat,  kann  die  ersehnte  Passfahrt  auch  im Herbst nachholen  –  ganz ohne Motorenlärm: Der Verein FreiPass organisiert autofreie Samstage und Sonntage an verschiedenen Pässen. Dann wird die Passfahrt zum Volksfest, geeignet auch für Neueinsteiger und Familien. Nie muss man alleine fahren und für den Notfall stehen am Strassenrand Sanitätsposten und Radmechaniker bereit. 

Wer in Gruppen radelt, sollte allerdings eines be-herzigen: Jeder hat seinen eigenen Rhythmus, und wenn er nicht respektiert wird, lauern die Schmerzen und  Sinnfragen hinter  jeder Biegung.  Res  fährt  in Gruppen schneller, weil er als erstes auf der Passhöhe sein will. «Alleine hingegen kannst du auch langsam fahren, da gratuliert dir oben ohnehin keiner.»

In Albanien half mir alle Langsamkeit nichts, die Schmerzen waren zu stark. Die letzten Kurven durch ein regengrünes Naturschutzgebiet bekam ich kaum mehr mit. Doch  auf  einmal  standen meine Freunde am Strassenrand. «Bin ich oben?», fragte ich erschöpft. «Ja, du bist!» 

Ich zog mein verschwitztes T-Shirt aus und streifte meine Sorgen ab. Hundert Meter weiter schlug das Wetter um – den Regen hatten wir auf der Passhö-he zurückgelassen. Die Sonne schien auf das Meer, das von oben betrachtet  fast noch schöner aussah – blau, grün, türkis – wie ein Ölgemälde. Plötzlich fielen all die Schmerzen von mir ab, aufgehoben von der Schwerelosigkeit der Abfahrt. So hoch erschien der Berg in Albanien gar nicht mehr und der Berg in meinem Kopf flog mit dem Fahrtwind davon. Ich hatte mein halbes Welt- und Selbstbild niedergeris-sen, nur um es auf der Passhöhe, leicht moduliert, wieder zu hissen. 

Im Rückblick wird die Passfahrt  zur  lehrreichen Grenzerfahrung und  ich  erkenne,  dass  neben der Aussicht und der Bewegung auch die Herausforde-rung ein Grund ist, weshalb ich mir das antue. Und der innere Lohn: das Gefühl, den Berg mit eigener Muskelkraft bezwungen zu haben. Bereits auf den ersten Metern sehne ich mich jeweils nach dem Ziel, der Passhöhe. Ich fahre hinauf, um oben zu stehen. Aber könnte ich mein Rad in eine Zahnradbahn ver-laden, würde die Passhöhe ihren Reiz verlieren. Ohne Weg wäre das Ziel sinnlos, und umgekehrt.

Freipass geniessen Velofahrer auf den folgenden Pässen:• Stelvio: 1. Sept. 2012• Albula: 2. Sept. 2012• Klausen: 22. Stept. 2012• Sella Ronda (Dolomitenrundfahrt über vier Pässe): 23. Sept. 2012Weitere Infos: www.freipass.ch

Die Abfahrt am Transfagaras‚anul.

Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad.

Adam Opel

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frankOskOpEnde einer Epoche und Anzeichen für eine kommende   von Ernst Schmitter

Gewisse Wörter könnten  einen das Fürchten lehren.  Ein Buchtitel,  ein Vers,  ein Name  schafft einzig durch seinen Klang Unbehagen. Die neueste Ausgabe (Nummer 12) der französischen Zeitschrift «Entropia» ist einem solchen unheimlich klingenden Begriff gewidmet: dem Anthropozän. So heisst die zweihundertjährige Epoche, in der die Verbrennung fossiler Brennstoffe  einen beispiellosen wirtschaft-lichen Aufschwung ermöglichte, mit katastrophalen Auswirkungen auf die Biosphäre. Die Autorinnen und Autoren der erwähnten «Entropia»-Nummer suchen die Frage zu beantworten, wie wir möglichst rasch den Ausgang  aus dem Anthropozän  schaffen. Der Ingenieur Philippe Bihouix zum Beispiel (vgl. Zeit-punkt 113) ist ein Kenner der Rohstoffproblematik. Die Knappheit  der Rohstoffe  –  so Bihouix  – wird uns rasch grosse Bescheidenheit lehren. Auf Gross-projekte – auch auf grüne! – werden wir verzichten müssen.  Selbst  für  den Rückbau der  bestehenden Atomkraftwerke werden wir nicht mehr genügend billige  Rohstoffe  und Energie  haben. Wir werden die AKW einfach stehen lassen und zu Tabuzonen machen müssen. Wir werden uns vom energiefres-senden Stadtleben verabschieden und unser Leben drastisch verlangsamen. Tschüss TGV, Rolltreppen, Grossindustrie! Je schneller wir uns für ein einfaches, aber gutes Leben entscheiden, desto weniger kompli-ziert wird der Ausgang aus dem Anthropozän.

* * *

Sich für ein einfaches, aber gutes Leben ent-scheiden  – das  ist  leichter  gesagt  als  getan! Aber wie sieht das konkret aus? In den vergangenen Wochen haben mir  zahlreiche Zufälle  zu Teilant-worten  auf  diese  Frage  verholfen.  Eine  besonders schöne stammt vom 78-jährigen belgischen Autor Ra-oul Vaneigem. Er wurde von griechischen Freunden gebeten, mit ihnen an öffentlichen Diskussionen in Griechenland teilzunehmen und sie in ihrem Kampf gegen die Diktate von IWF und EU zu unterstützen. Statt an einer Debatte teilzunehmen, schrieb er ein kleines Büchlein  für sie,  «L’Etat n’est plus  rien, so-yons  tout»  (Der  Staat  ist  nichts mehr, wir müssen selbst alles sein, éd. Rue des Cascades, Paris). Darin 

gibt er seiner nicht nur griechischen Leserschaft ei-nige Ratschläge: Da der Staat seine Glaubwürdigkeit eingebüsst  hat  und Banken  rettet  statt Menschen, müssen wir selbstverwaltete lokale Gemeinschaften an seine Stelle  setzen, die basisdemokratisch über alles  entscheiden, was  das  Leben  ihrer Mitglieder betrifft. Und da das Geld offenbar unerwartet plötz-lich aus unserem Leben verschwinden kann, müssen wir unsere Beziehungen auf eine andere Basis als diejenige des durch Geld vermittelten Warentauschs stellen. Die lokalen Gemeinschaften werden immer mehr dafür zu sorgen haben, dass unser Leben den Regeln des Kaufens und Verkaufens entzogen wird. Praktisch gelebte Solidarität, frei von jeder Buchhal-termentalität, hat Zukunft.

* * *

Was kann einer, der kein Geld hat, heute in einer immer noch vom Geld  regierten Gesellschaft tun? Die Communauté Emmaüs Lescar-Pau  in den französischen Pyrenäen gibt darauf ihre eigene Ant-wort. Leute, die gar nichts haben, kein Geld, keine Bildung, keine Ausbildung, keine Freundinnen und Freunde, werden bei ihr aufgenommen. Dort müssen sie keine Rolle spielen und können geben, wozu sie fähig sind. Sie können auf dem Bauernhof arbeiten oder  in der grossen Altstoff-Verwertungsanlage,  im Öko-Hausbau, im Brockenhaus oder in einer der vie-len Werkstätten. Jedes Jahr findet in der Communauté ein Musikfestival statt. Damit kombiniert ist eine Reihe von Vorträgen. Im Sommer 2012 hiess die Veranstal-tung «Forum mondial de la pauvreté» (Weltarmutsfo-rum) und stand unter dem Ehrenpatronat von Jean Ziegler. So wird in Lescar bei Pau der Ausgang aus dem Anthropozän vorbereitet. http://tinyurl.com/lescarpau

* * *Der friedlich klingende Name steht für einen schwierigen  Kampf:  Notre-Dame-des-Landes. Seit langem ist dort, in einem fruchtbaren Landwirt-schaftsgebiet Westfrankreichs,  ein Grossflughafen geplant. Einer seiner wichtigsten Befürworter ist der ehemalige Bürgermeister von Nantes, heute Frank-reichs Premierminister, Jean-Marc Ayrault. Die Geg-nerschaft ist unermüdlich, hartnäckig und mutig. Im 

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Juli 2012 fand in Notre-Dame-des-Landes das zweite «Forum contre  les grands projets  inutiles  imposés» (gegen nutzlose aufgezwungene Grossprojekte) statt. Ein gutes Beispiel für die manchmal zwingende Not-wendigkeit, sich gegen etwas zu engagieren statt für etwas. Auch dieses Forum war kombiniert mit einem Musikfestival. http://tinyurl.com/grossprojekt

* * *

Ein positives Engagement wäre  auch  im  fol-genden Fall sinnlos gewesen. Das jurassische Dorf Vendlincourt, nahe der französischen Grenze, liegt in  einer  lieblichen  Landschaft,  einem Paradies  für Wanderer, Velofahrer und Naturfreunde. Ein gut be-tuchter Autofan wollte dort eine 2,7 km lange und 13 m breite Rundstrecke bauen. Die Gegner des Projekts hatten die lokalen und kantonalen Behörden gegen sich. Erst das Bundesgericht hat ihnen Recht gegeben. Wären sie nicht stur den Weg durch alle Instanzen hindurch gegangen, würden in Vendlincourt schon bald Autorennen gefahren. Mit ihrer «Zwängerei» ha-ben sie ohne Zweifel einen Beitrag zur Beendigung des Anthropozäns geleistet.

* * *

Ungehorsam kann man  lernen.  In  Frankreich, wo Bürgerinnen und Bürger weniger Möglichkeiten zur Mitbestimmung haben als bei uns, wird diese Erkenntnis  immer populärer. Und bei Beschlüssen der EU-Kommission, gegen die auf demokratischem Weg kein Widerstand möglich ist, wird Ungehorsam manchmal  zur  Pflicht.  Im Zeitpunkt  117  habe  ich vom «Forum de la désobéissance» in Grigny bei Lyon berichtet. Die Veranstaltung war so erfolgreich, dass am 29.  September  2012  eine  zweite Auflage  folgt. Das Forum ist für alle zugänglich, eine Anmeldung ist nicht nötig.

* * *

Was  stellt  man  sich  unter  einer  lebendigen Berner  Tradition  vor?  Hornussen?  Zibelemärit? Was  noch? Die  Frage  darf  im  Frankoskop  gestellt werden, hat der Kanton Bern doch einen französisch-sprachigen Kantonsteil. Kaum zu glauben! Auf der Website der bernischen Erziehungsdirektion findet sich  auf  der  Liste  der  lebendigen Traditionen des Kantons Bern der Anarchismus. Erklärungen dazu gibt es auf www.erz.be.ch/lebendigetraditionen. In St. Imier wurde 1872 als Antwort auf die Internatio-nale von Karl Marx die Antiautoritäre Internationale gegründet. Zum 140. Geburtstag dieser Gründung hat vom 8. bis zum 12. August 2012 im gleichen Städt-chen ein grosses Anarchismustreffen stattgefunden. Im Augenblick, wo ich diesen Text schreibe (Ende Juli), kenne ich nur das provisorische Programm. Ein Überblick über die ungefähr 40 Vorträge und Work-shops  zeigt,  dass  in  St.  Imier möglicherweise  viel Arbeit zum Thema «Ausgang aus dem Anthropozän» geleistet wurde. www.anarchisme2012.ch

* * *

Wie heisst die Occupy-Bewegung in Frankreich? Es sind die Indignés, die Empörten. Die Bewegung ist einige Wochen älter als «Occupy Wall Street» und hat sich im Mai 2011 von Spanien aus nach Frankreich ausgebreitet. Den Namen hat  sie  sich  in  Stéphane Hessels Schrift «Indignez-vous» (siehe Zeitpunkt 111) geholt. Heute  gibt  es  in  Frankreich  eine Dreimo-natszeitschrift, die der Bewegung gewidmet ist. Sie heisst «Les Zindigné(e)s». Die neueste Nummer enthält ein Interview mit dem unermüdlichen Jean Ziegler. Zieglers  letzter  Satz  lautet:  «Ich  bin  zuversichtlich: Der Aufstand des Bewusstseins in Europa ist nahe Zukunft.» www.les-indignes-revue.fr

Frankoskop

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kaIser & schmarrn

österreIch lebt über seIne pOlItIschen VerhältnIsse   von Billo Heinzpeter Studer

sagte  ich  letztes Mal  zum Schluss.  Tatsächlich werden die Parteien hier mit mehr Steuergeldern als sonstwo in Europa subventioniert: rund 30 Euro pro Einwohneren* und  Jahr,  einer der höchsten Werte weltweit. Hinzu kommen meist sehr undurchsichtige Zuwendungen von Firmen und interessierten Kreisen in mindestens ähnlicher Höhe sowie Abgaben der sehr  fürstlich  bezahlten Abgeordneten, Mandatare und Parteisekretäre, et cetera. 

Die öffentliche Hand gibt freilich blind. Rote (So-zialdemokratische Partei SPÖ) und Schwarze (Volks-partei ÖVP), in fast allen Fragen verfeindet, aber nur gemeinsam mehrheitsfähig,  leiten  seit  Jahrzehnten hohe Staatsbeiträge in ihre Parteikassen, unkontrol-liert – denn der Staat sind ja sie selbst. In Sümpfen solcher Art gedeiht Korruption. Die undurchsichtigen Verschiebungen von staatlichen Millionen in private Taschen  rund um den ehemaligen schwarz-blauen Finanzminister Grasser  unter  dem Privatisierungs-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP, 2000–2007)  sind nur  ein  besonders  krasses Beispiel. Und wie immer in Österreich «gilt die Unschuldsvermutung», derweil  ein  staunendes,  aber duldendes Publikum (und eine an Weisungen der Regierung gebundene Justiz) zusieht, wie ein krimineller Politiker dem an-dern dessen Kriminalität vorwirft und doch nichts passiert. 

Anfang dieses Jahres kritisierte der Europarat Österreichs  intransparente Parteienfinanzie-rung  und die Abwesenheit  einer wirksamen Kor-ruptionsbekämpfung. Diese Kritik,  der wachsende Unmut einer von Krisensparprogrammen geplagten Bevölkerung und die bevorstehenden Wahlen 2013 zwangen die rot-schwarze Bundesregierung zum Han-deln. Sie entwarf ein Transparenzgesetz und suchte einen dritten Partner, um es mit der erforderlichen Zweidrittelsmehrheit durchs Parlament zu peitschen. Grüne, Blaue  (Hardliner-FPÖ unter H. C.  Strache) und Orange  (Haiders moderatere  FPÖ-Abspaltung Bündnis Zukunft BZÖ) verlangten Gegengeschäfte, mit den  (in Österreich  traditionell  schwächelnden) Grünen kam die Koalition ins Geschäft. Das Trans-

parenzgesetz wird selbst von unabhängigen Kritikern gelobt, aber es hat seinen Preis: eine noch höhere staatliche Parteienförderung – ein Eingeständnis, dass das Gesetz dem Sumpf abträglich sein wird…Die Kritik  des  Europarats  gab  jenen Auftrieb,  die teils  schon  länger  an  unterschiedlichen  Projekten arbeiten, um Österreichs politisches System zu  re-formieren: Altpolitiker aller Couleurs, aber auch ein in Kanada zum Milliardär gewordener steirischer In-dustrieller mit Steuerdomizil  in Zug, der sich noch im Alter von achtzig Jahren mit einer eigenen Partei in die nächsten Bundeswahlen einmischen will. Sie alle  –  und  inzwischen  auch die  Parteien  –  reden von mehr  direkter Demokratie,  zitieren  gern  das Schweizer Beispiel, bieten aber Modelle feil, die bei genauerer Kenntnis helvetischer Erfahrungen wohl etwas anders ausfielen.

In Österreich sind Volksbegehren, für die innert ei-ner Woche hunderttausend Unterschriften gesammelt werden müssen, nicht mehr als eine Anregung ans Parlament; es kann sie zum Anlass von Beschlüssen 

nehmen – oder auch nicht. Bisherige Volksinitiativen waren Sysiphusarbeit für den Papierkorb. Diesen ob-rigkeitlichen Geist atmen selbst die alternativen Ent-würfe in Österreich. Unter drei-, vierhunderttausend Unterschriften wollen  sie’s  nicht wagen, Volksab-stimmungen über Volksbegehren zwingend vorzu-schreiben. Und anders als in der Schweiz, wo Unter-schriften auf der Strasse und postalisch gesammelt werden können, soll es in der einstigen Monarchie so bleiben, dass aufs Amt muss, wer unterschreiben will. Alles in allem riesige Hürden, die wohl nur in einer Allianz mit der Boulevardpresse («Krone») zu überwinden sind, die bereits heute grossen Einfluss 

Horizonte erweitern

Unter drei-, vierhunderttausend Unterschriften wollen sie’s nicht wagen, Volksabstimmungen über Volksbegehren zwingend vorzuschreiben.

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auf die Politik hat. Paradoxerweise wollen die Refor-mer die Hürden gerade aus Angst vor dem Boulevard hochhalten.

Ängstlichkeit regiert überhaupt in Österreich. Beispielsweise davor, das Parlament könnte bei so viel Demokratie überflüssig werden. Darum sehen die Entwürfe für ein künftiges Volksinitiativrecht ein kompliziertes mehrstufiges Verfahren vor, bei dem das Parlament  stets mitentscheiden würde. Zudem kursieren Ideen, das Initiativrecht von vornherein auf Fragen zu beschränken, welche Österreich autonom entscheiden  kann. Die  Schweiz,  die  nicht  einmal eine korrigierende Verfassungsgerichtsbarkeit kennt, löst  diese  Frage  entspannter  und  effizienter:  Initi-antenen haben weitgehend  freie Hand;  Regierung und Parlament nehmen erst nach Zustandekommen einer Volksinitiative Stellung, oft in der Form eines Gegenvorschlags, welcher den Kern des Anliegens aufnimmt und dessen Chancen auf Annahme erhöht. So erhalten in der Schweiz auch Ideen eine politische Bühne,  die  nicht  vom Boulevard  oder  von  stink-reichen Populisten gefördert werden. 

Zumindest in einer Hinsicht gleichen sich die poli-tischen Realitäten der beiden Alpenrepubliken: in der Klage über den Mangel an herausragenden Köpfen beim politischen Personal. In Österreich ist verbreitet die Illusion anzutreffen, diesem Übel  wäre durch Ele-

mente der Majorzwahl abzuhelfen: würde ein Teil der Abgeordneten in Einerwahlkreisen gewählt, kämen hier nur die Besten zum Zug. Die helvetische Erfah-rung mit Ständeratswahlen spricht freilich dagegen.  

Die Malaise des österreichischen Wahlsystem liegt vielmehr darin, wie die Parteien damit umsprin-gen. Sie bestimmen nämlich nicht nur über die Li-ste der Kandidatenen, sondern nach der Wahl auch darüber, welche Personen gewählt sind und welche im Ersatzfall  an  deren  Stelle  treten. Anders  als  in der  Schweiz  können  die Wählerenen  die Namen von Kandidierenden nicht  von der  Liste  streichen, nicht doppelt auf die Liste setzen (kumulieren) und nicht auf eine andere Liste schreiben (panaschieren). Das  Schweizer  System gibt  den Wählenden  einen vergleichsweise direkten Einfluss auf die personelle Zusammensetzung  eines Parlaments, während das österreichische System die Macht der abgehobenen Parteispitzen fördert.

Österreich ist zu wünschen, dass es ein direkteres Modell  von Demokratie  entwickelt,  das  üppig  be-zahlte Parteiapparate und bürgerferne Regierungen in die Schranken weist – ein Modell, von dem wer weiss auch die Schweiz noch lernen könnte.

Bis dahin lebt Österreich wohl weiterhin über seine politischen Verhältnisse – und zugleich unter seinem Potential. Darüber nächstes Mal.

Billo Heinzpeter Studer ist Publi-zist. Er lebt in Graz und Winterthur.

* Der Autor experimentiert hier. Er setzt den genderkorrekten Sprach-krücken eine neue, unbetonte, les- und sprechbare Neutralendung entgegen, die, wie in Österreich üblich, leicht nasal auszusprechen ist. Probieren Sie es aus.

KAISER&SCHMARRN

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Reisen mit gutem GewissenNachhaltigkeit, Menschenrechte und die Stellung der Einheimischen spielen auch im Tourismus eine immer grössere Rolle – entspre-chend hoch ist die Zahl der Gütesiegel. Über hundert verschiedene Labels  –  grüne Blätter,  leuchtende  Sonnen oder  bunte  Fahnen sorgen eher für Verwirrung als Übersicht. Eine griffige Entschei-dungshilfe im touristischen Label-Wirrwarr hat der «arbeitskreis tou-rismus & entwicklung» herausgebracht: In einer Broschüre werden die wichtigsten Eigenschaften und Qualitätsmerkmale bekannter Nachhaltigkeits-Labels  erklärt  und  verglichen.  Reisende  können damit Urlaubsangebote wählen, welche die Umwelt schonen und den Einheimischen der besuchten Regionen einen effektiven Nut-zen bringen.   BM

Weitere Infos: arbeitskreis tourismus & entwicklung,  Basel, Tel. 061 261 47 42 oder www.fairunterwegs.org 

Hafen der SeebärenIn der Hamburger Rehhoffstrasse leben 65 alte Männer unter einem Dach. Manche wohnen schon ein halbes Jahrhundert dort. Die meisten waren ihr Leben lang auf See. So blieb für sie das «Ledigenhaus» oft das einzige richtige Zuhause und Hamburg der Hafen, den sie stets wieder ansteuerten. 8 Quadratmeter Heimat kosten 250 Euro im Monat – ein hoher Preis für die vielen Nächte, in denen das leere Bett nur vom Mond angeschienen wurde.   Nicht selten verbirgt sich hinter den Tätowierungen auf der Brust ein gebrochenes Herz, ist doch das Meer eine störrische Geliebte. Am Ende spuckt es einen Haufen alter Männer aus, die es mit Haut und Haaren liebten. Vielleicht haben sie es geahnt und deshalb ihre Zimmer behalten. Und: Sie dürfen bleiben. Selbstverständlich war das bis vor wenigen Jahren noch nicht. Die Eigentümer hatten sich verspekuliert und den stattlichen Backsteinbau auf den Stand von 1912 verkommen lassen.  Dem Eingreifen der sozialen Initiative «Rose.V.» ist es zu verdanken, dass das «Ledigenheim Rehoffstrasse» in Hamburg zu einem Synonym für Lern- und Kulturort wurde, offen für Projekte von Schulklassen und Studenten, für Kunst, Kino und Kurse. Die alten Seebären jedenfalls haben nun immer etwas zu tun, es sei denn, sie träumen gerade – vom Meer.    SL

Wissen vom SchwarzmarktDas gibt es tatsächlich, einen «Schwarzmarkt für nütz-liches Wissen und Nicht-Wissen». Bereits vierzehn Mal hat der Markt seit 2005 seine Tische aufgestellt,  in Deutschland, Österreich, England und sogar  in  Israel und Finnland.  Am 7. September wird nun auch in der Schweiz, im Stadttheater Bern, ein Ort des Wissensaus-tauschs entstehen. Zum Thema «Unser Geld — Über die allmähliche Entstofflichung eines Tauschmittels» werden insgesamt 57 Expertinnen und Experten ihr Wissen zu 26 Schlagwörtern von A wie «Arbeit» bis Z wie «Zukunfts-szenarien» feilbieten.     Dass dieser Markt in einem Theater stattfindet, ist kein Zufall. Die Produktion von Wissen erfolgt nicht über 

eine klassische Lernstätte, sondern über eine Mischung aus Aufführung und interaktiver Veranstaltung. Besucher können sich am Check-In entweder für ein 30-minütiges Experten-Gespräch an einem der 18 Einzeltische anmel-den oder aber über Kopfhörer einem der ausgewählten Gespräche beiwohnen.    Der  «Schwarzmarkt  für nützliches Wissen und Nicht-Wissen» lässt sich weder von gesellschaftlichen In-stitutionen noch wissenschaftlichen Disziplinen einengen. Was können wir vom Ökonomen über Steueroasen und den globalen Finanzmarkt lernen? Was heisst Spass am Konsum für eine Society-Lady und Börsenspekulantin? Wie erklärt ein Historiker den Zusammenhang zwischen 

Goldreserven und politischer Stabilität? Was weiss eine pensionierte Coop-Kassiererin über den menschlichen Austausch an der Supermarktkasse zu erzählen? Der Abend verspricht interessante Begegnungen, spannende Menschen und eine Kombination von Wissen, wie es sie wohl nur auf dem Schwarzmarkt geben kann.  

Schwarzmarkt für nützliches Wissen & Nicht-Wissen Nr. 15: «Unser Geld – Über die allmähliche Entstofflichung eines Tausch-mittels»; Freitag, 7. September 2012, 20 – 23.30 Uhr (Check-In be-reits ab 19 Uhr), Vidmarhallen / Vidmar + Konzert Theater Bern � MKEintritt frei, Expertengespräch à 30min CHF 1.-www.biennale-bern.ch/2012/Programm

Kurzmitteilungen

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Zeitpunkt 121  75

Die gute Adresse zur Horizonterweiterung

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Die Welt ist die Projektion unserer selbstWir sind die Welt, und unsere Probleme sind die Probleme der Welt. Will man sie verstehen und lö-sen, muss man sich selbst verstehen. Dazu braucht es Gewahrsein, geistige Wachheit und Freiheit von allen Glaubensvorstellungen und Idealen, denn diese verzerren die Wahrnehmung. Vorträge und Gespräche zum Thema.

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Horizonte erweitern

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76  Zeitpunkt 121

Der Geist im Sand

1945 fanden ägyptische Bauern unter einem Felsblock einen grossen Krug aus rotem Ton. Man zögerte den Krug zu öffnen oder gar zu zerschlagen, fürchteten die Männer doch den Dschinn, der möglicherweise ent-weichen würde. Als schliesslich die Erwartung eines Goldschatzes  ihre Bedenken zerstreute, fielen  ihnen dreizehn Papyrusbündel in den Schoss, die später man-chem Kirchenvater  tatsächlich wie ein freigelassener Flaschengeist vorgekommen sein dürfte. Denn was die Bauern nicht wussten: Das Gefäss enthielt die später als «Bibliothek von Nag Hammadi» bekannt gewordenen gnostischen Schriften, darunter das älteste Zeugnis von Jesus – das «Thomas Evangelium».  Heute mag es kaum vorstellbar sein, dass im ersten und zweiten Jahrhundert die «offizielle» Kirche nur eine von vielen christlichen Bewegungen war. Dass es eine Zeit gab, in der die Begriffe «Christen» und «Gnostiker» oft synonym verwendet wurden, lässt davon träumen, welchen Weg das Christentum damals hätte einschlagen können. Als  jedoch die Kirche eine Vormachtstellung erlangte, bahnte sich ein unausweichlicher Konflikt an. So waren die Lehrer der Gnostiker Erleuchtete und Ein-geweihte, die aus ihrem inneren Wissen heraus lehrten. Dass sie ihre Schüler zur Erkenntnis (=Gnosis) führten, ohne dabei der Kirche anzugehören, erschütterte den Glauben an deren Notwendigkeit. Systematisch begann die Kirche, die Gnostiker als Ketzer zu verfolgen und die wenigen Schriften, die Jesus als einen von ihnen auswies, «zum besseren Verständnis» abzuändern.  Doch nicht alle, die im Besitz gnostischer Schriften waren, rückten diese einfach so heraus. So lebte um 390 in einem Kloster nahe Nag Hammadi eine Gruppe Mönche, die einen Teil ihrer Bibliothek unter einem Fels im Sand vergruben. So konnte nach fast 2000 Jahren im schützenden Wüstensand die reinste Überlieferung der Worte Jesu in die Hände kundiger Übersetzer gelangen. Es braucht nicht viel Fantasie, sich die Erregung der Wis-senschaftler vorzustellen, als sie 1952 den ersten Satz des koptischen Urtextes entschlüsselten: «Dies sind die geheimen Worte, die der lebendige Jesus sprach und die der Zwilling Judas Thomas niederschrieb.»   SL

Literatur: Christoph Greiner (Übers.): Das Thomasevan-gelium. Genius Verlag 1998, 143 S., Fr. 15.10 / 12,80 Euro.

Durch die Blume – geheime Botschaften in der Malerei

Die Symbolsprache der Blumen in Verbin-dung mit einer Frau hat seit jeher Anlass zu Spekulationen geboten: Stehen sie für Laster, Liebe oder Leidenschaft? Der Schweizer Au-tor und Botaniker Andreas Honegger deutet in seinem Buch diese geheimen Botschaften auf rund 50 Gemälden und erklärt, welches botanische Beiwerk neben den Porträtierten zu sehen ist und wie es in unsere Gärten und  Parks  kam.  Zum  Beispiel  kann  die Lilie, eigentlich Sinnbild der Unschuld,  in Kombination mit einer in weiss gekleideten Dame auch Ironie zum Ausdruck bringen – u.a. zu sehen bei James McNeill Whistlers «Weissem Mädchen»  (1862),  deren offenes Haar damals für Aufsehen sorgte. Bei Por-träts  realer  Frauen,  etwa Aristokratinnen oder  Künstlerfrauen,  lassen  die  Blumen, die das Haar  schmücken oder  im Hinter-

grund sind, auf eine Eigenschaft der Dame schliessen. So symbolisiert die Narzisse im Haar  der  Infantin  Isabella  Clara  Eugenia Eigenliebe und Unglück in der Liebe. Die Tulpen auf Joseph Blackburns «Porträt einer Frau» hingegen sollen daran erinnern, dass die Blumen während der «Tulpenmanie» in Holland zuerst ein Vermögen einbrachten, bevor  sie 1637 den ersten  internationalen Börsencrash auslösten. 

«Die Blumen der Frauen» befasst sich mit Unschuld, Glaube, Liebe, Leidenschaft, Exo-tik, Luxus und Vergänglichkeit. Entstanden ist ein Stück Kunst- und Kulturgeschichte vom 15. Jahrhundert in die Gegenwart, das auch für Leute ohne grünen Daumen lesens-wert ist.    BM

Andreas Honegger: Die Blumen der Frauen. Elisabeth Sand-mann Verlag 2011. 160 S., Fr. 36.90 / 24,95 Euro.

Am Anfang war der TraumEntfesseltes Wachstum, massloser Konsum, spirituelle Verkümmerung – die westliche Zivilisation befindet sich in einer Trance, die nicht nur die Umwelt zerstört, sondern auch die Menschlichkeit und das Wohlbefinden des ganzen Planeten gefährdet. Wir brauchen einen neuen Traum und vielleicht kommt er aus den Regen-wäldern des Amazonas. «The Pachamama Alliance» verbindet die Weisheit aus dem Volk der Achuar mit dem modernem Wissen der  Industrienationen. Seit Mitte der Neunziger Jahre kämpfen die Ureinwohner gemeinsam mit ihren westlichen Partnern für eine Welt, die für jeden funktioniert, nicht zuletzt für die Mutter Erde (Pachamama) selbst.   Was passiert, wenn Menschen  ihre  eigene Exi-stenzgrundlage wirtschaftlich ausbeuten, haben die Achuar am eigenen Leib erfahren. Die Ölinteressen der Grosskonzerne haben  ihren Lebensraum  immer mehr zerstört. Mitte der neunziger Jahre suchten die Achuar Hilfe, ausgerechnet innerhalb der Zivilisation, die ihre Existenz bedroht. Lynne Twist, Amerikanerin und Mitbegründerin der Pachamama Alliance, sagt über ihre Verbündeten im Amazonas: «Sie sagten uns schon ganz am Anfang, wenn wir  ihnen auf Dauer helfen wollten, müssten wir  auch unseren Teil  der Welt verändern. Wir sollten den Traum der modernen 

Welt ändern, den Traum von Konsum und Besitz ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für die Umwelt und sogar unsere eigene Zukunft.»  Die Worte der Achuar sind keine verträumten Bot-schaften. Sie sind aktueller denn  je. Wir haben all die Technologien, die es braucht, um nachhaltig zu leben. Was fehlt, ist der Wille, etwas zu verändern. «The Pachamama Alliance» will zeigen, wie unser Wissen in Kombination mit der Spiritualität der Ureinwohner unsere Gesellschaft  verändern kann.  Ihr Workshop «Awakening the Dreamer» (den Träumenden wecken) wurde 2011 in 60 Ländern und in dreizehn Sprachen durchgeführt. Partnerorganisationen wie «Generati-on Waking Up» versuchen,  junge Menschen auf der ganzen Welt für eine ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Welt zu mobilisieren. Sozial engagierte Spiri-tualität hat nichts mit Weltfremdheit zu tun, im Gegen-teil. Wir sind alle miteinander verbunden, auch mit der Natur. Was wir anderen antun, hat Konsequenzen für uns selbst. Was wir der Erde antun, tun wir uns selbst an. Die Achuar könnten nicht überleben, würden sie diesen Gesetzen nicht folgen. Wir können es auch nicht. Es wird höchste Zeit, aufzuwachen.  MKwww.pachamama.org, www.generationwakingup.org

Kurzmitteilungen

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Horizonte erweitern

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Agenda

8. September SAFE-Seminar:

Neutrinopower - Grundlage für die Energie der Zukunft? Vortrag und Diskussion mit Prof.Dr.-Ing. Konstantin Meyl

Ausschreibung und Anmeldung unter www.safeswiss.ch/veranstaltungen

Die Energiefrage ist brisanter denn je. Prof. Meyl befasst sich schon seit 20 Jahren mit einer überall und jederzeit in beliebiger Menge verfügbaren Energieressource: Neutrinopower.Schon vor 100 Jahren hat Nikola Tesla eine damals unbekannte kosmische Strahlung energetisch genutzt. 1936 vermutete Wolf-gang Pauli beim Betazerfall ein masseloses und ladungsfreies, aber energietragendes Teilchen und benannte es Neutrino. Nach heutigem Wissen ist das Neutrino eine

überall im Kosmos in grosser Menge vorhandene Strahlung, deren Existenz auch von der Schulphysik nicht mehr in Zweifel gezogen wird.Die heutige Physik kann zwar die Tatsache, dass Neutrinos eine Energiequelle darstellen, nicht leugnen, dennoch geht sie überwiegend davon aus, dass eine technische Nutzung zur Zeit nicht vorstellbar sei. Doch der Erdkern macht uns vor, dass dem nicht so ist.  (vgl. Film über die wachsende Erde:  «Und sie bewegt sich doch!» You Tube).

22. September Tag der offenen Tür13 bis 19.30 Uhr, Schwengiweg 12,  4438 LangenbruckProjekte im Fokus – Forschen, Entwickeln, Bilden in der Praxis16 Uhr Vortrag «Peak Oil», Dr. D. Ganser, SIPER, Baselab 18 Uhr Musik mit «Trio Matto»www.oekozentrum.ch

Das Ökozentrum öffnet seine Türen für die Öffentlichkeit. Anlass zum Fest geben der Neubau der Forschungshalle, die energetische Sanierung der bestehenden Gebäude und der frische grafische Auftritt. In seinem 33. Jahr ist das Kompetenz-zentrum für nachhaltige Entwicklung und Zukunftstechnologien neu gerüstet.Auf dem Programm steht die Vorstellung faszinierender Projekte, die Einblick in die

Welt der Forschung, Entwicklung und Bildung im Bereich erneuerbare Energien und Res-sourcen geben und zum selber Ausprobieren einladen. Dr. Daniele Ganser spricht um 16 Uhr zum Thema «Peak Oil» – das globale Maximum der Erdölförderung. Für das leib-liche Wohl ist mit regionalen Köstlichkeiten zu fairen Preisen gesorgt. Das «Trio Matto» spielt ab 18 Uhr und rundet den Tag ab. Die Anreise mit dem ÖV wird empfohlen. 

4. Oktober Mobilitätsplanung bei Wohnsiedlungen –

Ansätze für die 2000 Watt-Gesellschaft Donnerstag 4. Oktober 2012www.hsr.ch/Tagungen.9886.0.html

Der Wohnungsmarkt ist im Wandel. Mit dem Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft rückt auch die wohnungsbezogene Mobilität ins Zentrum. Die Qualität der Erreichbarkeit und Mobilitätsangebote vor Ort sind entschei-dende Faktoren für die Zufriedenheit mit dem Wohnort. Für Liegenschaftsverwaltungen sind dies neben allgemeiner Kundenorientierung, Energieeffizienz und Klimaschutz gute

Gründe, den Mobilitätsbelangen der Bewoh-ner künftig mehr Beachtung zu schenken. Auch ökonomische Überlegungen legen nahe, bei der Erneuerung von Siedlungen z.B. auf die (nachträgliche) Erstellung von teuren Parkplätzen zu verzichten.Ziel der Tagung ist es, den aktuellen Stand des Themas aufzuzeigen und mit interes-santen Praxisbeispielen die Diskussion fortzuführen.

24. bis 28. Oktober Modelle für eine zukünftige Friedenskultur 24. bis 28. Oktober 2012Zentrum der Einheit, Schweibenalp 3855 Brienz, Tel. 033 952 2000 www.greenphoenixglobally.org

Wir glauben, dass die notwendigen Veränderungen auf der Erde durch gemeinschaftliche Lebensmodelle geschehen werden. In diesen Modellen werden unter verschiedensten Bedingungen und Grössenordnungen Lösungen in den Bereichen Zusammenleben, Ökologie, Ökonomie und spirituelles Bewusstsein unter realen Lebensumständen getestet. Der dritte Green Phoenix Kongress auf der Schweibenalp bei Brienz fokussiert auf die Kooperation unter und das Lernen von Gemeinschaften. 

Dazu wurden Vertreter von vier verschie-denen Gemeinschaftstypen einladen: ländliche, städtische und virtuelle Ge-meinschaften sowie Gemeinschaften aus Krisengebieten,  unter anderen:Ländliche: Damanhur (Italien), Tamera (Portugal), Findhorn (Schottland)Städtische: Heilhaus Kassel, Transition Town urban Initiative Baselaus Krisengebieten: Otepic (Kenia), Favela da paz (Sao Paolo, Brasilien)Virtuelle: Tahiti Project, The Shift Network, Global Ecovillages Network, Global Campus.

27. Oktober Nacht der 1000 FragenAltstadt von Bielwww.1000fragen-biel.chEintritt Frei

Alles Markt? Ist die Zukunft kaufbar? Der moderne Markt ist alles bestimmend: Nicht nur Waren werden vermarktet, auch Bildung, Religion, Gesundheit. Auch Beziehungen? Die Nacht der 1000 Fragen geht in Dutzen-den Veranstaltungen diesen Fragen nach.

Was essen wir morgen? Noch nie haben Schweizer verhältnismässig so wenig Geld für Lebensmittel ausgegeben. Welche Fol-

gen hat dies für unsere Landwirtschaft? Ein Podium um 20 Uhr in der Volkshochschule (Ring 12) mit prominenten Gästen will dieser Frage auf den Grund gehen.

Der Herausgeber des Zeitpunkt lädt Sie um 23 Uhr ins Restaurant Les Caves (Obergasse 24) zur Frage: Wo bleibt das Geld? Denn es gibt heute mehr Geld als je in der Geschichte, warum ist es trotzdem überall knapp? 

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78  Zeitpunkt 121

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Bemerkungen: 

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Zeitpunkt 121  7�

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Handorgel, Hackbrett, Bläser, Perkussion. Infos: www.stimmeundchor.de Tel. 052 222 72 63

Familienrekonstruktion  -  Biographiearbeit mit Barbara Schmidt, www.beratungen-gallus-berg.ch

Singen zaubert Freude ins Herz. Lieder und Tänze aus verschiedenen Ländern und Religi-onen. Kurshotel Idyll Gais/AR, 9.-11. November 2012 (Freitag 18 Uhr bis Sonntag 14 Uhr). Mo-nika Stocker, Tel. 071 333 12 80, [email protected]

Kreatives Schreiben www.handgeschrieben.de

Schamanische Trommelabende in Zumikon. Heilkreise  im Zyklus der Jahreszeiten. Freitag abends ab Oktober mit Gabriela Maria Meier, voiceart.ch, 044 392 03 01

Mantra-Yoga Wochenende mit Sundaram, ausgebildeter Musiker und Bhajansänger. Inten-sive Klangarbeit, Mantrasingen, Meditation und Mantrayogastunden. Herzöffnend, kraftvoll, heil-sam. 30.11.-2.12.12, Villa Unspunnen, Wilderswil (BE). Info: [email protected] Tel. 079 880 78 84. www.sundaram.de

Langzeit-Schreibwerkstatt 2012-13 Zürich: 3./4. Nov. bis 16./17. März, Solothurn: 9./10. Nov. bis 21./22. März je 5 Wochenenden, Kurskosten 750.- Mit Sprache und Ideen spielen, Geschichten finden, über Form und Inhalt reden. Kurt Schwob, Sprachwerker, Tel. 032 622 45 73 [email protected] www.schreiben-und-reden.ch

«Magier: Weisheit und Intuition.» Männer-Seminar mit Schwitzhütte vom 14.-16. Sept. 12 ob Illgau SZ. www.maenner-initiation.ch - 041 371 02 47.

Vortrag von Rolf Kron, prakt. Arzt/Homöo-path aus Kaufering/DE zu Risiken + Neben-wirkungen von Impfungen. Mit reichhaltigen Daten  und  Beobachtungen  aus  langjähriger Praxis  gibt  R.  Kron  den  Zuhörer-Innen  Gele-genheit ihre persönliche Entscheidung bewusst zu treffen. 10. November 2012, 9.30 bis 11.30 Uhr in Winterthur, Hotel Krone, Marktgasse 49. Anmeldung: Nele Pintelon, klass. Homöopathie,  052 202 66 11

Kesslerhaus: Lernen und Leben der beson-deren Art. Das Kesslerhaus  ist eine Gemein-schaft von neugierigen Menschen, die interes-sante Themen und Referenten zu sich einladen 8./9.Sept. Geldseminar mit Peter Koenig: Zufrie-den mit Geld? Zu Frieden mit Geld!19.Okt.  Vortrag Evolutionäres zum Thema «Älter werden» mit Susanne Triner20./21.Okt. «Das grosse Finale» Susanne Triner  Einführungsseminar  Evolutionär älter werden27./28.Okt. «Die Kraft der Intuition» mit Georg Jost. Intuition ist mehr als nur ein Bauchgefühl!

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80  Zeitpunkt 121

Leserbriefe

neIn sagen «ERBEn – der ungerechte lohn der Geburt», ZP 120Die  Sache  mit  der  Versklavung  unserer Gesellschaft ist ja sehr alt und ich glaube, dass uns zu allererst von allen Seiten ab-gewöhnt wird, NEIN! zu sagen. Das fängt im Elternhaus an und endet auf dem Amt bei  der  Steuererklärung... Das  elementare Recht, als freier Mensch zu allem und jedem NEIN! sagen zu dürfen, ist aus den Köpfen wegradiert.

Hin und wieder taucht es im Privatleben auf, wenn der Geburtstag der Erbtante ab-gesagt wird, jedoch auch das ist selten. 

Ein Jeder weiss aber, dass NEIN! sagen gut tut. Kaum jemend macht sich klar, woran das liegt. Ich sage es euch: Es ist der Hauch der Freiheit, über sich und seine Lebenszeit selbst  zu  entscheiden.  Lernen wir wieder NEIN! zu sagen, auch zu denen, die glau-ben, uns führen zu müssen! Den Parteien und Politikern.

Schaut rein bei www.NEIN-Idee.de  Michael König, D­Harsefeld

beItrag ans allgemeInwOhl «ERBEn – der ungerechte lohn der Geburt», ZP 120 Immer wieder – jetzt im Artikel von Herrn Rottenfusser – taucht die Zins- und Zinses-zinsrechnung mit  dem Beispiel  eines  vor 2000  Jahren  zu  fünf  Prozent  angelegten Rappens auf. Diesmal zur Begründung ei-ner Erbschaftssteuer.

Dabei wird die Steuerbelastung  für das Einkommen  und  das  Vermögen  in  der Schweiz ausgeblendet, die dafür sorgt, dass die fünf Prozent (in den letzten Jahren wohl 

eher  drei  Prozent)  gar  nicht  zum Tragen kommen. 

Die Beispiele aus dem Steuerrechner zei-gen, dass bei  einem Vermögen von zehn Millionen und  einer Verzinsung  von  fünf Prozent die Steuerlast bereits 45,8 Prozent ausmacht. Bei grösseren Vermögen steigen die Sätze an und erreichen bald einmal mehr als die Hälfte des Vermögenseinkommens.

Wer ein grosses Vermögen und das da-raus  erzielte  Einkommen  ehrlich  versteu-ert, leistet bereits zu Lebzeiten wesentliche Beiträge ans Allgemeinwohl. Das sollte in der Diskussion nicht unterschlagen werden. Auch die Überlegung, was an Einkommens- und Vermögenssteuern nach deren Reduk-tion durch eine Erbschaftssteuer wegfallen würde, wäre mit einzubeziehen.

H.J.

prOfIteur schleIerhaft«Hinter dem Schleier der Propaganda», ZP 120

Der Beitrag ist interessant, obwohl man als Leser die Angaben natürlich nicht überprü-fen  kann.   Es  fragt  sich  jedoch, wer  von diesem Besuch mehr profitiert hat: die deut-schen Journalisten oder Ahmadinedschad? Nachdenklich  stimmt,  dass  die  Leugnung des Holocaust durch Ahmadinedschad mit keinem Wort erwähnt wird. Zudem ist für uns  Europäer  heutzutage  das  Primat  der Religion  im Staat  einfach nicht mehr vor-stellbar.  Jörg Kuhn, Reinach Bl

Zu enger blIckwInkel urin – Dünger der Zukunft, ZP 120

Die Vorzüge der Verwendung von Urin als Dünger werden überzeugend beschrieben, aber doch mit sehr engem Blickwinkel: Fä-kalien sind ein ebenso guter Dünger (wer-den z. B. in Japan noch so verwendet) und Komposttoiletten  sind  mittlerweile  auch in  Europa bekannt  und werden  industri-ell hergestellt; der Künstler Hundertwasser hat schon 1973 Humustoiletten propagiert 

und gebaut. Da befremdet es etwas, wenn der Autor Beat Rölli zu der No-Mix-Toilet-te  schreibt:  „Der Urin  läuft  getrennt  vom restlichen Abwasser in einen Sammeltank, die Fäkalien werden – wie gehabt – hin-ten  weggespült.“  Da  ist  ja  nur  der  Urin von der  in  unserer Gesellschaft  üblichen „aus  den Augen,  aus  dem  Sinn“-Mentali-tät ausgenommen. In einer ganzheitlichen Kreislaufwirtschaft, wie  sie  der Autor  als Permakultur-Experte  anstrebt, müsste das Ziel sein, Urin UND Fäkalien nicht mehr mit viel Trinkwasser erst zu verdünnen, dann zu reinigen und dann in unsere Flüsse zu spü-len. Er müsste also vielleicht den Dialog mit der Kompostklo-Fraktion suchen, um eine wirklich überzeugende Lösung anzubieten, vielleicht auch eine, die weniger High Tech ist als die teure No-Mix-Toilette.

Jan Suter, Basel

mehr Zur cO2-kOmpensatIOn, bItte

«Schädlicher Ablasshandel», ZP 120Ich  bin  begeisterter  Zeitpunktleser.  Zeit-weise vermisse ich aber die differenzierte Auseinandersetzung mit einem Thema. In der neuen Ausgabe versuchen Sie die CO2-Kompensation in einer Nebenspalte abzu-handeln,  was  dem  Thema  einfach  nicht gerecht wird.

Aus Erfahrung wissen wir, dass die Leu-te kompensieren, die  sowieso  schon  sen-sibilisiert sind. Diese Menschen versuchen zumindest  für  Europareisen  den  Zug  zu nehmen. Alle  anderen  suchen nach Aus-reden, um die Kosten für ihren CO2-Abfall nicht übernehmen zu müssen. Wir sind uns eigentlich auch alle einig, dass diese Kosten besser mit einer Taxe zu erledigen wären, was aber politisch nicht durchsetzbar ist.

Des Weiteren hilft der Kompensationsme-chanismus in der Projektförderung, dort wo eben Geld fehlt. 

Ja,  es muss  ganz dringend  auf Qualität geachtet werden, man darf deswegen aber nicht das ganze Verfahren verurteilen. Nein, 

[email protected]

Lesen Sie: durchschaut !www.glaskugel-gesellschaft.ch

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Leserbriefe

Ein Wochenende in der Casa Santo Stefano

Der Zeitpunkt verlost fünf Wochenen-den für zwei Personen im wunderschö-nen Albergo Santo Stefano in Miglieglia (mit zwei Übernachtungen und Frühstück) im Wert von je Fr. 300.-.

Miglieglia  liegt auf 700 Metern am Fuss des Aussichtsbergs Monte Lema im Mal-cantone im Tessin. Man muss schon sehr viel  Stress mitbringen,  um  in  dem ein-fachen und stilvollen Haus mit seinen 14 Zimmern  nicht  entspannen und  in  die Natur eintauchen zu können. 

Angeli und Christian Wehrli, Zeitpunkt-Leser  der  ersten  Stunde,  sind  engagierte Gastgeber  und  bieten  in  der  Casa  Santo Stefano auch ein interessantes Seminarpro-gramm (siehe Prospekt auf Seite 67). 

Zur Teilnahme an der Verlosung retour-nieren Sie bitte bis zum 31. Oktober die Kar-te im Umschlag. Die fünf GewinnerInnen werden persönlich benachrichtigt und die Preise sind ab anfangs März 2013 einlösbar, auch unter der Woche. 

Wir wünschen Ihnen viel Glück.

Der 

nächste Zeitpunkt

Ruhe bitte

Immer tiefer dringt die rastlose Welt 

in unser Leben, bis in die Zellen unseres 

Körpers. Dabei ist er so gebaut, dass er im 

entspannten Zustand am besten funktio-

niert. Der Umgang mit Produktionsdruck, 

Informationsüberflutung und die Kulti-

vierung von Ruheinseln wird damit zur 

Überlebensfrage. 

Antworten im nächsten 

Zeitpunkt, Ende Oktober

Kompensation (Emissionszertifikate) hat mit der Kyoto-Verpflichtung und dem  «heisse Luft»-Markt (Emissionrechte) nichts zu tun. Qualität findet man vor allem im freiwilligen Markt mit Gold Standard.

Ich wünsche mir, dass Sie das Thema in-tellektueller und weniger populistisch an-gehen als bisher. Zumindest wird die CO2-Kompensation bis  ins Detail  geprüft  und kann bei guten Anbietern eine bewiesene Additionalität vorweisen (was z.B. die Arbeit der Schweizerischen Energie-Stiftung nicht kann).   Jeroen loosli, Therwil

tauschkreIse brauchen kredItfunktIOn

neues Clearingsystem für Komplementärwährungen, ZP 119

Das Ermöglichen nur von Tausch (eigentlich Kauf) innerhalb eines Tauschkreises genügt nicht. Wenn ein Teilnehmer im Teilnehmer-kreis kein geeignetes Angebot finden kann oder wenn  er  sich  nur mit  zweitrangiger Ware begnügen müsste, kann er seine Gut-haben nicht verwenden und weitergeben. 

Sie  liegen brach und sind für die Tausch-kreis-Wirtschaft  blockiert.  Dies  bedeutet eine Unterbrechung des Wirtschaftskreis-laufes  im Tauschkreis,  sehr  zum Nachteil aller Teilnehmer. Das Angebot bleibt gering und wenig  attraktiv,  und der  Tauschkreis kann die in ihn gesetzten Erwartungen nur unbefriedigend erfüllen.

Das  Einführen  einer Kreditfunktion  er-möglicht  einem  Kreditnehmer,  anstelle seines  Kreditgebers  Käufe  vorzunehmen und  so  die Wirtschaft  im Tauschkreis  in Schwung zu halten. Das Angebot kann sich erweitern und attraktiver werden. 

Die Bedingungen für eine Kreditfunktion und ihre Abwicklung müssen sorgfältig ge-plant werden. Vor allem ist sicherzustellen, dass Kreditnehmer sich nicht um die Rück-zahlung der Kredite drücken können. 

Eberhard Knöller, Bern

eIn anderer blIckwInkel Einfamilienhäuser verbieten, ZP 120

Man darf nicht nur die wirtschaftliche Sei-te solcher Lebensweisen betrachten. Meine 

drei Kinder schätzen noch heute, die Vor-teile einer solchen Wohnart erlebt zu haben. Zudem ist der Gemüsegarten mein grosses Hobby. Dies ist volkswirtschaftlich absolut kein Unsinn und macht viel Freude. Unsere Tochter wohnte eine Zeit lang im unteren Stockwerk. Zudem haben wir viele Gäste, und auch die Schwiegermutter kann jeweils problemlos bei uns verweilen.

Das grosse Problem aus volkswirtschaft-licher Sicht ist die Überbevölkerung in un-serem Land. Es kommen nicht nur ausge-bildete Menschen in die Schweiz, sondern leider  auch andere, die  erstens unser  So-zialwerk missbrauchen und  zweitens  die zahlbaren Wohnungen besetzen. Es müsste ja eigentlich im Sinne des Zeitpunkt sein, dass man in unserem Land nur 6 Millionen Einwohner hätte, die dann aber nicht we-gen eines Einfamilienhauses an den Pranger gestellt werden, anstatt masslose Zuwande-rung zu akzeptieren, die es unseren jungen Leuten fast unmöglich macht, eine finanzier-bare Familienbleibe zu finden.

otto Gerber, Wädenswil

[email protected]

VerlOsung !

Page 82: Zeitpunkt 121

82  Zeitpunkt 121

Die Trompeten von Jericho  von Christoph Pfluger

Motto: Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemand-em den Bart zu versengen.

Lichtenberg

an den 12. September wird man sich noch lange erinnern. An diesem Tag des Jahres 2012 wird das deutsche Ver-fassungsgericht  über  die  Rechtmässig-keit des Europäischen Stabilitäts-Mecha-

nismus ESM befinden. Nachdem das hohe Gericht die Politik in dieser Sache bereits zu einem gemässigten Tempo gerufen hat,  ist die Spannung gross. Wenn die Richter den ESM durchwinken, geht die grosse Umverteilung in Europa los und Deutschland wird sein AAA-Rating – das jetzt schon unter Beobachtung steht – verlieren. Und in der Republik wird man sich revolutionäre Fragen stellen – wo die Macht im Staate liegt, beim Volk oder bei der Regierung. (Die richtige Antwort lautet natürlich: bei den «Märkten», d.h. den Grossvermögen.)

Wenn das Gericht den Vertrag, der dem Gouver-neursrat des ESM praktisch unbeschränkten Zugriff auf nationales Steuersubstrat ermöglicht, jedoch ab-lehnt, dann ist der Euro noch toter als er jetzt schon ist. Und dann ist fertig lustig. 

Dann wird der Bankia-Moment die Finanzplätze dieser Welt ergreifen.  (Bankia  ist die  spanische Bank,  die während  Jahren  versuchte,  ihre  Schein-werte in Immobilien in der Bilanz zu halten, bis sie vom Staat mit 90 Mrd. Euro gerettet werden musste.) Auf 30’000 Milliarden Euro, ungefähr die Hälfte des weltweiten Bruttosozialprodukts, schätzt das Labora-toire Européen d’Anticipation Politique LEAP das Vo-lumen der Scheinvermögen. Dabei handelt es sich vor allem um überbewertete Immobilien, uneinbringliche Staatspapiere und Derivate in fallenden Märkten. Di-ese Scheinwerte halten zwar die Bilanzen kosmetisch im Gleichgewicht,  sind aber bei Bedarf nicht  zum Nennwert zu liquidieren. Wenn diese Scheinvermö-gen über den ESM nicht mit echten Werten unterfüt-tert werden, droht der Tag der Wahrheit. Es könnte der 12. September sein.

Nur: Ich glaube nicht, dass ein deutsches Gericht im globalen Kräftespiel die Kompetenz zu einer der-art bedeutungsvollen Entscheidung hat. Die Richter werden wohl ein sibyllinisches Urteil fällen, das ein letztes Weiterwursteln mit Einschränkungen zulässt. Dann findet der 12. September halt an einem ande-ren Datum statt. Allzu weit in der Zukunft kann es nicht liegen.

In  den USA  laufen  einerseits  die  Steuererleich-terungen  von Bush  aus  und  andrerseits  stehen  in diesem Herbst  gesetzlich  vorgeschriebene Budget-kürzungen von 1000 Milliarden Dollar quer durch den ganzen Haushalt an. Das ist auch für die ame-rikanische Wirtschaft,  die  seit  Ausbruch der Krise 2008 auf den Staat angewiesen ist, viel Geld. Fazit des LEAP: «Während die ganze Welt die ‹griechische Maus›  in heller Aufregung durch das Wohnzimmer jagt und die angelsächsischen Politiker und Medien mit dem Gerede vom ‹Ende des Euros› Nebelkerzen werfen,  kommt  gerade durch den  Flur  ein  Elefant herein, den noch niemand bemerken will.»

Von den Zentralbanken ist auch keine Hilfe zu erwarten. Was haben die in den letzten Jahren nicht für Unsummen in die Märkte geworfen! Mit welchem Effekt? Für einen Dollar Wachstum, so schreibt die Zeitschrift «Market Watch», müssen drei Dollar Schul-den gemacht werden. Kein Wunder, verschärft sich die Krise. 

Und dann gibt es noch das Säbelrasseln im Nahen Osten. Der Erstschlag gegen den Iran wurde geübt. Die Rhetorik von Israels Premier Netanyahu lässt ihm kaum noch eine andere Wahl, als ihn auszuführen, wenn er nicht sein Gesicht und seinen Posten verlie-ren will. Ein Krieg gegen den Iran könnte der eine Krieg zu viel sein.

Wenn  das  Laboratoire  Européen  d’Anticipation Politique LEAP für die Monate September und Ok-tober die mauerbrechenden Trompeten von Jericho hört, darf man sie nicht aus lauter Krisenmüdigkeit überhören.  «Der  Schock des Herbst  2008 wird  im Vergleich zu dem, was uns in den nächsten Monaten bevorsteht, wie ein kleines Sommergewitter erschei-nen», schreibt das LEAP in seinem neusten Bulletin. «Wir haben noch nie seit 2006, als wir mit unseren Arbeiten zur umfassenden weltweiten Krise began-nen, ein Zusammentreffen einer solchen Reihe von Faktoren grundlegender Bedeutung von so hoher Sprengkraft innerhalb einer so kurzen Zeitspanne konstatieren müssen. Entsprechend müssen wir nun im Rahmen unseres Bemühens, regelmässig einen ‹Krisenwetterbericht›  herauszugeben,  die  höchste Warnstufe  ausrufen.» Man darf die warmen Win-terkleider also getrost etwas früher aus dem Mot-tenschrank holen. 

Brennende Bärte

Der Vertrag ist ein System, unter dem die Treuen immer gebun-den, die Treulosen immer frei sind.Robert Gilbert Vansittart