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© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2016; 92 (1) 1 Z FA Zeitschrift für Allgemeinmedizin German Journal of Family Medicine Januar 2016 – Seite 1-48 – 92. Jahrgang www.online-zfa.de 1 / 2016 Im Fokus MAAS-Global-D – Ist kommunikative Kompetenz messbar? Tod auf Rezept – Ist ärztliche Suizidassistenz ethisch vertretbar? Wer stellt eigentlich all die Patienten auf NOAKs ein? LOVAH – Junge Allgemeinmedizin in den Niederlanden Wie urteilen VERAH über ihre Arbeit? Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA), der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM), der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM), der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM) und der Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM) Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Society of Professors of Family Medicine, the Salzburg Society of Family Medicine, the Southtyrolean College of General Practitioners, the Tyrolean College of General Practitioners and the Vorarlberg Society of Family Medicine This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 4402 – Heft 1/2016 Deutscher Ärzte-Verlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln

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1

Z FAZeitschrift für Allgemeinmedizin

German Journal of Family Medicine

Januar 2016 – Seite 1-48 – 92. Jahrgang www.online-zfa.de

1 / 2016

Im Fokus

MAAS-Global-D – Ist kommunikative Kompetenz messbar?

Tod auf Rezept – Ist ärztliche Suizidassistenz ethisch vertretbar?

Wer stellt eigentlich all die Patienten auf NOAKs ein?

LOVAH – Junge Allgemeinmedizin in den Niederlanden

Wie urteilen VERAH über ihre Arbeit?

Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM),der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA), der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM), der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM), der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM) und der Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Society of Professors of Family Medicine, the Salzburg Society of Family Medicine, the Southtyrolean College of General Practitioners, the Tyrolean College of General Practitioners and the Vorarlberg Society of Family Medicine

This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO

DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 4402 – Heft 1/2016 Deutscher Ärzte-Verlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln

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Neue Herausforderungen für uns Hausärzte

Vor wenigen Tagen habe ich eine wunderschöne „Spät-herbstwanderung“ auf den Salzburger Untersberg ge-macht. Bei strahlend blau-em Himmel und angeneh-men Temperaturen konnte man sein Wiener Schnitzel problemlos im Freien auf der Sonnenterrasse der etwa auf 1800 m Seehöhe gelege-nen Hütte verzehren. Bis auf wenige Altschnee -flecken war der ganze Berg schneefrei. Kleiner Schön-heitsfehler der Idylle: Es ist

nicht Spätherbst sondern Ende Dezember!Nun lese ich in den DEGAM-Benefits dieser Ausgabe der

ZFA über die Infektionskrankheiten zurückkehrender Touris-ten, mit denen ich (zunehmend) auch in meiner hausärzt-lichen Praxis zu rechnen habe. An erster Stelle steht mit gut 70 von 1000 Krankheitsfällen bei Reiseheimkehrern die Malaria. Bald darauf folgt das Dengue-Fieber mit gut 30 von 1000 Fäl-len. Beide Erkrankungen sind klassische Tropenerkrankungen, die durch Stechmücken übertragen werden. Eine direkte Anste-ckung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Doch der Kli-mawandel wirft die Frage auf, ob diese Erkrankungen wieder in Europa „heimisch“ werden, und wir zukünftig nicht nur bei Fernreisenden, sondern auch bei Urlaubern in südeuropä -ischen Ländern an derartige Erkrankungen denken müssen.

Derzeit wird ein solches Szenario für die Malaria noch als unwahrscheinlich angesehen, weil es selbst bei einer weiteren Ausbreitung der Anophelesmücke in Mitteleuropa (einige Ar-ten sind in Deutschland bereits heimisch) am menschlichen Erregerreservoir fehlt, um eine weitere Verbreitung zu gewähr-leisten, und die Malaria-Plasmodien die Mücken nicht nur als Überträger sondern auch als Zwischenwirt für ihren kompli-zierten Lebenszyklus benötigen. Es müssen also neben der Kli-maerwärmung noch einige weitere Bedingungen für ein Wie-derauftreten autochthoner Malaria-Fälle erfüllt sein.

Anders ist es beim Dengue-Fieber: Die asiatische Tigermü-cke (Stegomyia albopicta) ist inzwischen in Südeuropa weit verbreitet und hat bereits zum Auftreten einzelner autochtho-ner Fälle von Dengue-Fieber geführt, sowohl in Kroatien als auch in Südfrankreich. Auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira wurden erstmals 2005 ägyptische Tigermücken (Ste-gomyia aegypti) nachgewiesen. 2012/13 kam es dann – wohl ausgelöst durch einen einzigen importierten Fall als „Erregerre-servoir“ – zu einem Ausbruch mit über 1000 Dengue-Fällen.

Gleichauf mit der Häufigkeit von Dengue-Fieber unter den Reiseheimkehrern liegt die Lambliasis. Die Erkrankung ist zwar im Vergleich zu Malaria und Dengue harmloser Natur, da sie

nie zum Tode führt, sie kann aber doch über Monate anhalten-de Verdauungsprobleme verursachen, die als Reizdarmsyn-drom verkannt werden.

Viel seltener sind dann schon Fälle von Schistosomiasis oder ein Befall mit den Larven des Hakenwurms (Larva migrans cutanea). Und damit natürlich nicht genug: An eine ganze Rei-he weiterer tropischer Erkrankungen, die aufgrund ihrer Sel-tenheit bei uns in der publizierten Statistik von EuroTravNet nicht vorkommen, muss bei Reiseheimkehrern gedacht wer-den. Wer hier genaueres erfahren möchte, sei auf die Webseite der International Society of Travel Medicine verwiesen (www.istm.org).

Auch die Flüchtlingskrise muss uns an Erkrankungen den-ken lassen, die bisher nur selten in der hausärztlichen Praxis zu sehen waren. Hierzu gehören vor allem Erkrankungen mangel-hafter Hygiene wie Pediculosis und Skabies, die auf die hygie-nisch problematischen Bedingungen auf der Flucht und in Flüchtlingsunterkünften zurückzuführen sind. Das Robert-Koch-Institut schätzt zwar die Gefahr für eine Übertragung ernsterer Erkrankungen wie Virus-Hepatitiden, HIV oder Tuber-kulose durch Flüchtlinge auf die einheimische Bevölkerung als sehr gering an, macht jedoch in einem epidemiologischen Bul-letin (www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/ 2015/ Ausgaben/38_15.pdf?__blob=publicationFile) auf mögliche Er-krankungen aufmerksam, die bei Flüchtlingen – je nach Her-kunftsland und Reiseroute – mit in Erwägung gezogen werden müssen. Hierzu gehört bei Fieber vor allem die Malaria, aber auch an Rickettsiosen, Rückfallfieber, Typhus, Amöben, Leishmaniose und Leptospirose muss gedacht werden. Das Bul-letin des RKI gibt Auskunft über das Vorkommen dieser Erkran-kungen in den Herkunftsländern.

Die Tuberkulose ist in vielen Herkunftsländern der Flücht-linge deutlich häufiger als in Deutschland. Der Ausschluss ei-ner Tuberkulose gehört daher zu den Hauptaufgaben einer Ein-gangsuntersuchung vor oder unmittelbar nach Aufnahme in eine Flüchtlingsunterkunft. Auch das Einschleppen von Polio-myelitis wird aufgrund der in der Ukraine nachgewiesenen Fäl-le für möglich erachtet. Hier – und auch bei anderen Erkran-kungen, für die von der STIKO empfohlene Schutzimpfungen verfügbar sind – sind wir Hausärzte aufgerufen, den Impfschutz sowohl der Flüchtlinge als auch der einheimischen Bevölke-rung zu überprüfen und ggf. zu vervollständigen.

So bringt das neue Jahr auch wieder einige neue Herausfor-derungen für uns mit, die wir zwar einerseits als Belastung, aber vielleicht auch im positiven Sinne als Bereicherung unserer umfangreichen und erfüllenden Tätigkeit betrachten können. Ich wünsche Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Sinne ein reiches neues Jahr und nun zunächst einmal viel Freude mit der ersten Ausgabe der ZFA im Jahr 2016.

HerzlichstIhr

Andreas Sönnichsen

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EDITORIAL / EDITORIAL 1................................................................

DANKSAGUNG / ACKNOWLEDGEMENT 3........................................

DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS 4..........................................

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPERKleingruppenunterricht in HausarztpraxenEine Erhebung zur DurchführbarkeitSmall Group Teaching in Family MedicineA Survey of PracticabilityChristin Grahmann, Jochen Gensichen, Nico Schneider, Sven Schulz 8.........................

MAAS-Global-D: Instrument zur Messung und Schulung kommunikativer sowie medizinischer KompetenzenMAAS-Global-D: Instrument for Rating and Training of Physicians’ Communication and Clinical CompetenciesFriederike Hammersen, Karola Böhmer, Jennifer von der Bey, Sarah Berger, Jost Steinhäuser 13......................................................................................

DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLEWie man Hoffnung sät in Sierra Leone Oldenburger Privatinitiative seit über 20 Jahren aktivNicole Gorris-Vollmer 19...............................................................................

Tod auf Rezept? Medizinethische Überlegungen zur ärztlichen SuizidassistenzDeath on Prescription? Reflections on Physician Assisted Suicide from the Viewpoint of Medical EthicsFlorian Bruns, Sandra Blumenthal, Gerrit Hohendorf 24.........................................

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPEREinsatz der Neuen oralen Antikoagulanzien in HausarztpraxenUse of New Oral Anticoagulants in Primary Care PracticesMarkus Bleckwenn, Karoline Dinkel, Klaus Weckbecker, Martin Mücke 28....................

DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLEGo Viral – Ansteckende BegeisterungEin Bericht vom LOVAH-Austausch und -Kongress 2015Go Viral – Contagious EnthusiasmA Report from Lovah Exchange and Congress 2015Solveig Carmienke, Konrad Schmidt, Hannah Haumann 33.....................................

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPERWie schätzen Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) den Nutzen ihrer Tätigkeit für die Patienten ein?How do Health Care Assistants in Family Practice (VERAH) Describe the Benefit of their Work for the Patients?Karola Mergenthal, Mareike Leifermann, Martin Beyer, Ferdinand M. Gerlach, Corina Güthlin 36.......................................................................................

LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR 41..................................

DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS 42.....................................

DEUTSCHER HAUSÄRZTEVERBAND / GERMAN ASSOCIATION OF FAMILY PHYSICIANS 47.......................

IMPRESSUM / IMPRINT 48.................................................................

Titelfoto: Andreas Sönnichsen

ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin

Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familien-medizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA), der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM), der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM),der Tiroler Gesellschaft für Allgemein-medizin (TGAM),der Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians,the Society of Professors of Family Medicine, the Salzburg Society of Family Medicine,the Southtyrolean College of General Practitioners,the Tyrolean College of General Practitioners,the Vorarlberg Society of Family Medicine

Herausgeber/EditorsM. M. Kochen, Freiburg (federführend)H. Kaduszkiewicz, KielW. Niebling, FreiburgS. Rabady, WindigsteigA. Sönnichsen, Witten

Internationaler Beirat/International Advisory Board J. Beasley, Madison/Wisconsin, USA; F. Buntinx, Leuven/Belgien; G.-J. Dinant, Maastricht/NL; M. Egger, Bern/CH; E. Garrett, Columbia/Missouri, USA; P. Glasziou, Robina/Australien; T. Greenhalgh, London/UK; P. Hjort-dahl, Oslo/Norwegen; E. Kahana, Cleve-land/Ohio, USA; A. Knottnerus, Maas-tricht/NL; J. Lexchin, Toronto/Ontario, Kanada; C. del Mar, Robina/Australien; J. de Maeseneer, Gent/Belgien; P. van Royen, Antwerpen/ Belgien; F. Sullivan, Dundee/Schottland, UK; C. van Weel, Nijmegen/NL; Y. Yaphe, Porto/Portugal

Koordination/Coordination J. Bluhme-Rasmussen

This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO

Dieselstraße 2, 50859 KölnPostfach/P.O. Box 40 02 54,50832 KölnTelefon/Phone: (0 22 34) 70 11-0www.aerzteverlag.dewww.online-zfa.de

INHALTSVERZEICHNIS / TABLE OF CONTENTS

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Danksagung an die Gutachter/innen der ZFA

Die kompetente und zeitaufwendige Ar-beit von Gutachterinnen und Gutach-tern ist für die wissenschaftliche Quali-tät und Weiterentwicklung der ZFA – Zeitschrift für Allgemeinmedizin von unschätzbarem Wert. Die Herausgeber (die selbst nicht gutachten dürfen) möchten sich daher bei den nachfol-gend genannten Kolleg/innen für ihr unermüdliches Engagement und ihre ehrenamtliche Unterstützung herzlich bedanken:

Heinz-Harald AbholzSimon AschoffViktoria BachmannErika BaumAntje BergmannJutta BleidornEva BlozikKlaus BöhmeDieter BorgersStefan BösnerSilke BrockmannJean-François Chenot

Norbert Donner-BanzhoffGünther EgidiMaren EhrhardtAntje ErlerMichael H. FreitagThomas FröhlichAndreas Graf LucknerMarkus GulichCorina GüthlinJörg HaasenritterJohannes HauswaldtFalk HoffmannBert HuengesJürgen in der SchmittenRalf JendykStefanie JoosHanna KaduszkiewiczIlja KarlReinhold Klein David KlempererThomas KühleinUwe KurzkeThomas LedigKlaus LindeMatthias Löber

Stefan LoddersManfred LohnsteinChristian LüdickeGabriela MarxAndy MaunKarola MergenthalAchim MortsieferJohannes PantelJosef PömslUwe PopertHorst PrautzschAnja RogauschGernot RüterJörg SchellingMartin SchererNorbert SchmackeGuido SchmiemannNils SchneiderJoachim SeffrinAnne SimmenrothJost SteinhäuserGudrun TheileMartin TräderTil UebelHans-Otto Wagner

DANKSAGUNG / ACKNOWLEDGEMENT

DEGAM-NEWSLETTERImmer gut informiert

Seit einigen Jahren verschickt die DEGAM-Bundesgeschäftsstelle exklusiv an die Mitglieder den

E-Mail-Newsletter DEGAM aktuell. Dieser Informationsdienst beinhaltet sowohl Neuigkeiten aus

dem Präsidium, den Sektionen und Arbeitsgemeinschaften sowie der Leitlinien-Geschäftsstelle

und der JADE als auch aktuelle Mitteilungen zu den Rubriken Personalia, Veranstaltungen

und Stellen ausschreibungen. Die bisher versandten Ausgaben können im passwortgeschützten

internen Bereich unter

www.degam.de

eingesehen werden. Sind auch Sie an den in der DEGAM aktuell diskutierten Themen und

Entwicklungen interessiert? Schicken Sie einfach eine E-Mail mit dem Betreff „DEGAM aktuell“ an:

[email protected]

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Infektionen bei zurückkehrenden Touristen – womit Sie (auch in der hausärztlichen Praxis) rechnen müssen Travel-associated Infections in Returning Tourists – What Do You have to Face, Also in Family Practice

Die Abbildung zeigt die Infektionen (2008–2012), die 32.136 erkrankte Tou-risten aus einem Netzwerk europäischer Länder ihren Ärzten präsentierten. Ob-wohl nichts revolutionär Neues, zeigen diese Zahlen, womit man auch in der hausärztlichen Praxis rechnen muss. Die geplante Fortführung der Datenerhe-

bung in 5-Jahres-Abständen signalisiert die künftigen Veränderungen: Voraus-gesagt ist u.a. die (in Einzelfällen bereits eingetretene) Wiederkehr der autoch-thonen Malaria und des Dengue-Fiebers nach Europa – verursacht durch den Kli-mawandel und höhere Durchschnitts-temperaturen.

Schlagenhauf P, Weld L, Goorhuis A, et al.

Travel-associated infection presenting in

Europe (2008–12): an analysis of Euro-

TravNet longitudinal, surveillance data,

and evaluation of the effect of the pre-tra-

vel consultation. Lancet Infect Dis 2015;

15: 55–64

Abbildung Top diagnoses in all ill travellers presenting to EuroTravNet clinics (N = 32.136) in 2008–12 [Schlagenhauf et al. 2015].

Colours: red bars are febrile illness, purple bars are gstrointestinal tract illness, light blue bars are dermatological illness, and dark blue bars are

infection attributable to more than one syndromic category. Travel reasons: B = business; I = immigration; M/V = missionary/volunteer; T = tourism;

VFR = visiting friends and relatives. Exposure regions: SSA = sub-Saharan Africa; SEA = southeast Asia; SCA = southcentral Asia; SA = South America;

EU = Europe; NA = north Africa

DEGAM-BenefitsDEGAM Benefits

Ausgewählt und verfasst von Prof. Dr. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP, Freiburg

DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

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Zolpidem ist ein kurzwirksames Hypnoti-kum aus der Gruppe der Imidazopyridine mit sedierenden und hypnotischen Ei-genschaften. Es ist zugelassen zur Kurz-zeitbehandlung von Schlafstörungen mit klinisch bedeutsamem Schweregrad.

Die schlaffördernde Wirkung wird ver-mittelt über die Benzodiazepinbindungs-stelle des zentral nervösen Gamma-Amino-buttersäure(GABA)-Rezeptorkomplexes. Wie Benzodiazepine führt Zolpidem zu ei-ner Affinitätssteigerung für GABA und ver-stärkt so die inhibitorische Wirkung von GABA im Zentralnervensystem.

Aufgrund von Fallberichten über ein-geschränkte Fahrtüchtigkeit und Ver-kehrsunfälle im Zusammenhang mit Zol-pidem hat die Europäische Arzneimittel-Agentur alle Daten zu Nutzen und Risiko Zolpidem-haltiger Arzneimittel bewertet.

Die Überprüfung hat ein positives Nut-zen-Risiko-Verhältnis bestätigt. Allerdings

wurde die Produktinformation geändert, um das bekannte Risiko einer Beeinträchti-gung der Verkehrstüchtigkeit und der geis-tigen Wachheit am Morgen nach der An-wendung von Zolpidem zu minimieren:• Die empfohlene Dosis von 10 mg pro Tag

bei Erwachsenen und 5 mg pro Tag bei äl-teren Menschen sowie bei Patienten mit Leberfunktionsstörung wurde beibehal-ten. Diese Dosis darf nicht überschrit-ten werden.

• Patienten sollten die niedrigste wirksame Dosis auf einmal unmittel-bar vor dem Schlafengehen einnehmen. Zolpidem sollte in derselben Nacht kein zweites Mal eingenommen werden.

• Zwischen der Anwendung von Zolpi-dem und Aktivitäten wie dem Führen eines Fahrzeugs oder dem Bedienen sonstiger Maschinen sollte ein zeitli-cher Abstand von mindestens acht Stunden liegen.

• Zolpidem sollte nicht zusammen mit anderen zentral wirksamen Arzneimit-teln, Alkohol oder illegalen Drogen eingenommen werden.

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). www.akdae.de/ Arzneimittelsicherheit

Neue Empfehlungen zu Zolpidem: Minimierung des Risikos einer beeinträchtigten Verkehrstüchtigkeit und geistigen Wachheit am Morgen nach der AnwendungNew Recommendations for Zolpidem: Minimizing the Risk of Impaired RoadWorthiness and Mental Alertness in the Morning After Taking the Drug

Abbildung: fotolia/molekuul.be

Gesichtstransplantation – eine respektable chirurgische LeistungFacial Transplantation – a Respectable Surgical Performance

Vor zehn Jahren wurde weltweit die ers-te Gesichtstransplantation durch einen französischen Kiefer- und Gesichtschi-rurgen an der Universität Amiens vor-genommen. Inzwischen ist dieser Ein-griff 28 Mal bei Patienten mit furcht-baren Zerstörungen durch Verletzungen oder Tumorerkrankungen geglückt.

Die Autoren der vorliegenden Über-sichtsarbeit sagen, dass Organtransplan-

tationen Leben retten – Gesichtstrans-plantationen aber das Leben total verän-dern können. Wer nun glaubt, die Ein-griffe hingen nur vom Geschick und der Erfahrung der Chirurgen ab, unterliegt allerdings einem Irrtum: Die betroffenen Personen benötigen eine lebenslange Im-munsuppression. Unter den 28 Fällen ist bislang allerdings noch keine chronische Abstoßungsreaktion vorgekommen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie die nachfolgenden Bilder se-hen – ich kann angesichts der Erfolge nur meine vorbehaltlose Hochachtung ausdrücken.

Khalifian S, Brazio PS, Mohan R, et al. Faci-al transplantation: the first 9 years. Lancet 2014; 384: 2153–63

Abbildung Gesichttransplantationen [Khalifian 2014]

DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

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Diabetiker mit eingeschränkter Nierenfunktion: Keine Angst vor MetforminDiabetics With Impaired Kidney Function: Don´t Be Afraid of Metformin

Mittel der Wahl für die Behandlung von Patienten mit Typ-2-Diabetes bleibt auch 2016 Metformin. Da die Substanz unverändert renal ausgeschieden wird, wurde bereits bei der Zulassung in den USA vor mehr als 20 Jahren die War-nung ausgesprochen, dass bei einer Ein-schränkung der Nierenfunktion die Ga-be wegen des Risikos einer Laktatazidose kontraindiziert sei. Wörtlich heißt es: „Kontraindikation bei Nierenerkran-kungen oder Funktionseinschränkun-gen – Serumkreatinin ≥ 1,5 mg/dl (Män-ner), ≥ 1,4 mg/dl (Frauen) oder ernied-rigte Kreatininclearance“.

Diese Maßgaben sind auch heute noch aktuell.

Ein Cochrane-Review aus dem Jahre 2010 schätzt die Inzidenz einer Laktat -azidose bei Metformingabe auf 1:23.000 – 30.000 Personenjahre – verglichen mit 1:18.000 – 21.000 Personenjahre bei an-deren Diabetesmedikamenten.

Kürzlich erschien eine Arbeit ame-rikanischer und britischer Kliniker, wel-che die großen medizinischen Daten-banken über einen Zeitraum von 64 Jah-ren nach Publikationen über „Metfor-min bei Patienten mit chronischer Nie-renerkrankung“ durchsucht haben. Ein-geschlossen wurden • 10 pharmakokinetische Studien,• 20 Fallserien,• 31 Beobachtungsstudien,• 3 Metaanalysen,• 1 Klinische Studie,• ausgeschlossen waren u.a. Übersich-

ten, Briefe an die Herausgeber oder Einzelfallberichte.

Die Ergebnisse dieser systemati-schen Übersicht zeigen, dass bei Personen mit geringer bis mäßig-gradiger Einschränkung der Nie-renfunktion (definiert als GFR zwischen 30–60 ml/min) die Lak-tatkonzentrationen nicht wesent-lich erhöht waren. Die Inzidenz einer Laktatazidose betrug über alle

eingeschlossenen Studien zwischen 3:100.000 und 10:100.000 Personenjah-re und lag damit nicht höher als bei Dia-betikern ohne Metforminbehandlung.

Abgesehen von der Tatsache, dass es bis heute keine randomisierte, kontrol-lierte Studie zu dieser Fragestellung gibt, ist die vorliegende Arbeit nicht die erste, die sich der Thematik widmet. Erst kürz-lich wurde eine Untersuchung aus Da-ten der britischen UK General Practice Database publiziert, die annähernd 224.000 mit Metformin therapierte Pa-tienten mit knapp 35.000 Kranken ver-glich, die andere Diabetesmedikamente einnahmen. Bei einer GFR unter 60 ml/min wurde eine Hazard Ratio von 6,37 (95%-Konfidenzintervall 1,48–27,5) festgestellt. Problematisch war aller-dings (neben den methodischen Fallstri-cken, die nicht-randomisierte Studien generell aufweisen können), dass bei über 25 % der Teilnehmer gar keine Nie-renfunktionswerte vorlagen. Zudem zeigt die weite Spanne des 95%-Kon-

fidenzintervalls eine geringe Präzision dieser Resultate.

Die Autoren schlagen für die tägli-che Praxis den in Tabelle 1 dargestellten Algorithmus vor. Zusätzlich ist es rat-sam, bei bestimmten Situationen erhöh-te Vorsicht walten lassen:• Paralleltherapie mit NSAR, die selbst

die Nierenfunktion einschränken kön-nen und (auch aus anderen, insbeson-dere kardiovaskulären Gründen) mög-lichst vermieden werden sollten

• Parallelbehandlung mit Diuretika, ACE-Hemmern bzw. Sartanen

• Behandlungsunterbrechung vor radio-logischen Untersuchungen mit jodhal-

tigen Kontrastmitteln (Nierenfunktions-kontrolle und ggf. Wiederaufnahme 48 Stunden nach Untersuchungs-ende).

Inzucchi SE, Lipska KJ, Mayo H, Bailey CJ, McGuire DK. Metformin in patients with type 2 diabetes and kidney disease: a sys-tematic review. JAMA 2014; 312: 2668–2675

Tabelle Possible Approach to Metformin Prescribing in the Setting of CKD. This strategy has not

been evaluated or validated in a clinical trial; there are no data to support its efficacy, safety, or

potential to improve clinical outcomes. [Inzucchi et al. 2014]

CKD Stage

1

2

3A

3B

4

5

CKD = chronic kidney disease; eGFR = estimated glomerular filtration rate

eGFR, mL/min per 1.73 m2

≥ 90

60–<90

45–<60

30–<45

15–<30

<15

Maximal Total Daily Dose, mg

2550

2550

2000

1000

Do not use

Do not use

Other Recommendations

Avoid if kidney function is or expected to become unstable. Consider more cautious follow-up of kidney function.

Do not initiate therapy at this stage but drug may be continued. Avoid if kidney function is or expected to become unstable. Consider more cautious follow-up of kidney function.

DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

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Die ambulant erworbene Lungenent-zündung (community-acquired pneu-monia; CAP) ist eine häufige, mitunter schwer verlaufende und hausärztlich be-deutsame Erkrankung, wie die nachfol-genden Zahlen aus Großbritannien ver-deutlichen:• 0,5 % bis 1 % aller Erwachsenen im UK

erleiden jährlich eine CAP.• 5–12 % aller erwachsenen Patienten,

die sich bei ihrem Hausarzt mit Symp-tomen eines tiefen respiratorischen In-fektes vorstellen, haben eine CAP.

• 22–42 % dieser Patienten werden sta-tionär eingewiesen – deren Letalität beträgt 5–14 %.

• Zwischen 1,2 und 10 % aller im Kran-kenhaus aufgenommenen Patienten sind bzw. werden intensivpflichtig (Le-talität dort > 30 %).

• Mehr als die Hälfte aller CAP-assoziier-ten Todesfälle ereignet sich bei Patien-ten > 84 Jahren.

Laut aktueller Leitlinienempfehlung (die AWMF-S3-Leitlinie ist seit dem 30.06.2014 abgelaufen) sollte man auf jeden Fall an eine stationäre Einweisung denken, wenn (besonders ältere) Patien-ten • verwirrt sind, • einen Blutdruck von systolisch < 90

mmHg bzw. diastolisch < 60 mmHg • und/oder eine Atemfrequenz > 30/min

aufweisen • bzw. unter chronischen Erkrankungen

(wie z.B. Diabetes mellitus, COPD, Al-

koholkrankheit oder Herzinsuffizienz) leiden.

Drängt sich keine Krankenhauseinwei-sung auf, sollte möglichst nur ein Anti-biotikum über fünf bis sieben Tage gege-ben werden (z.B. Amoxicillin, alternativ Doxycyclin oder ein Makrolid). Fluoro-chinolone sind nach Möglichkeit strikt zu vermeiden.

Schweizer Kliniker haben jetzt bei Pa-tienten, die mit CAP stationär aufgenom-men wurden, in einer randomisierten Doppelblindstudie überprüft, welchen Nutzen (neben einer Antibiose) eine täg-liche Gabe von Prednison hat. Die Idee ist übrigens nicht neu – Corticoide wur-den erstmals in den USA im Jahre 1955 (!) in einer unkontrollierten Studie einge-setzt und als nützlich eingestuft.

In der aktuellen Untersuchung wur-den 785 Patienten sieben Tage lang ent-weder mit einer Dosis von 50 mg Predni-son oral (n = 392) oder mit Placebo (n = 393) behandelt.• Der primäre Endpunkt, die mittlere

Zeit bis zur klinischen Stabilität, wurde unter dem Verum 1,4 Tage schneller als unter Placebo erreicht – ein statistisch hochsignifikantes Ergebnis.

• Die Zeit bis zur Entlassung verringerte sich (ebenfalls signifikant) unter Pred-nison um einen Tag.

• Unverändert blieben die Zahl der To-desfälle (16 vs. 13) oder die Pneumo-nie-assoziierten Komplikationen (11 vs. 22!).

• Unter dem Verum traten allerdings mehr insulinpflichtige Hyperglykämien auf (76 vs. 43; 95%-KI 1,96 [1,24 – 2,52]), bei einer so kurzen Corticoidtherapie in aller Regel kein gravierendes Problem.

Zwar handelte es sich bei dieser Studie um ins Krankenhaus eingewiesene und nicht um ambulant gebliebene Patien-ten. Der postulierte Mechanismus der Corticoidtherapie (Verminderung der lokalen und systemischen Entzün-dungsprozesse) hat allerdings nichts mit dem Krankenhaus zu tun und könnte ebenso CAP-Patienten zugutekommen, die zu Hause behandelt werden.

Bewiesen ist das natürlich nicht, noch nicht einmal untersucht (ein der-artiger Therapieansatz wäre off-label). Vielleicht wäre es überlegenswert, dass sich eine oder mehrere der allgemein-medizinischen Universitätsabteilungen um dieses Problem kümmern und dafür vielleicht auch Fördergelder einwerben könnten?

Blum CA, Nigro N, Briel M, et al. Adjunct prednisone therapy for patients with com-munity-acquired pneumonia: a multicen-tre, double-blind, randomised, placebo-controlled trial. Lancet 2015; 385: 1511–1518

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Corticosteroide bei ambulant erworbener PneumonieSteroids in Community-Aquired Pneumonia

Kußmaul-Zeichen (paradoxer Anstieg des Jugularvenendrucks mit der Einatmung) – auf VideoKussmaul’s Sign (Elevation of Jugular Venous Pressure During Inspiration) – Videotaped

Adolf Kußmaul (1822–1902) war Profes-sor der Medizin an den Universitäten Heidelberg, Erlangen, Freiburg und Straßburg. Unter dem Kußmaul-Zeichen versteht man die Dehnung der Jugular-venen ausgelöst durch den paradoxen Anstieg des Jugularvenendrucks mit der Einatmung.

Normalerweise führt ein inspirato-risch verminderter intrathorakaler Druck zu einem Anstieg des venösen Rückstroms zum rechten Herzen und zu einem reduzierten Jugularvenendruck – bei verringerter Füllung des rechten Ventrikels hingegen füllen sich die Jugu-larvenen.

Ursachen können z.B. eine konstrik-tive Perikarditis oder eine Trikuspidals-tenose sein.

Mansoor AM, Karlapudi SP. Kussmaul’s Sign. N Engl J Med 2015; 372: e3

Publikation und Video frei unter www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMicm1310957

DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS

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Kleingruppenunterricht in HausarztpraxenEine Erhebung zur Durchführbarkeit

Small Group Teaching in Family Medicine

A Survey of Practicability

Christin Grahmann, Jochen Gensichen, Nico Schneider, Sven Schulz

Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum JenaPeer reviewed article eingereicht: 15.04.2015, akzeptiert: 03.06.2015DOI 10.3238/zfa.2016.0008–0012

Hintergrund: Die Aufwertung der allgemeinmedizi-nischen Lehre erfordert eine Erhöhung der Ausbildungs-kapazitäten in den Hausarztpraxen. Mit dieser Pilotstudie sollen Voraussetzungen (soziodemografisch, strukturell, motivational) erfasst werden, unter denen Hausärzte Kleingruppenunterricht in ihrer Praxis durchführen wür-den.Methoden: Es handelt sich um eine explorative Quer-schnittsbefragung von 271 hausärztlich tätigen Lehrärz-ten des Universitätsklinikums Jena mit einem strukturier-ten, nicht validierten Fragebogen. Der Kleingruppen-unterricht wurde anhand eines definierten Szenarios be-schrieben. Die Motivation wurde mit dem modifizierten Fragebogen zur „Erfassung der aktuellen Lehrtätigkeit“ (QCM) nach Rheinberg (2001) erfasst. Die Auswertung erfolgte deskriptiv. Bivariate Zusammenhänge wurden ge-prüft.Ergebnisse: Kleingruppenunterricht würden 38 % (N = 43) von N = 113 der befragten Ärzte durchführen. Als limitierender Faktor wird Zeitmangel angegeben. Sowohl soziodemografische Merkmale (Alter, Ge-schlecht, Arbeitswochenstunden) als auch strukturelle Bedingungen (Praxisform, Größe des Praxisteams, An-zahl der Praxisräume pro Studierenden, Anzahl der Pa-tienten pro Quartal) zeigten keine signifikanten Zusam-menhänge. Eine mögliche Unterstützung stellen detail-lierte inhaltliche Vorgaben dar. Schlussfolgerungen: Gut strukturierte Lehrkonzepte könnten einen Ansatzpunkt für die Etablierbarkeit von Kleingruppenunterricht in Hausarztpraxen darstellen.

Schlüsselwörter: Kleingruppenunterricht; Allgemeinmedizin; Lehrpraxen; Approbationsordnung

Background: Because of the appreciation of family medicine, the training capacity must be increased. Small group teaching represents a possible learning situation in higher education. This survey explores, which conditions (socio-demographic, structural, motivational) are import-ant to conduct small group teaching in family medicine.Methods: It`s a cross-sectional survey of 271 family prac-titioners involved in undergraduate training at the Jena University Hospital with a non-validated questionnaire. The small group teaching is described in terms of a de-fined scenario. The motivation is measured by the modi-fied QCM (Questionnaire to assess current motivation in teaching and learning situations). The data analysis was descriptive, bivariate correlations were proved.Results: The small-group teaching would perform 38 % (N = 43 of 113 responses) of the practitioners we sur-veyed. Socio-demographic characteristics (age, gender, working hours per week) as well as structural conditions (practice form, size of the practice team, number of prac-tice rooms per student, number of patients per quarter) showed no significant correlation. A limiting factor was a lack of time. A possible support for small group teaching could be detailed content requirements.Conclusions: Well-structured concepts could establish small group teaching as a possible form of education in family practice.

Keywords: Small group teaching; Family Medicine, Teaching Surgeries; Medical Licensing Regulations

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER

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Hintergrund

Durch die Änderungen der Approbati-onsordnung für Ärzte erfährt das Fach Allgemeinmedizin eine Aufwertung in der medizinischen Lehre und Ausbil-dung. Die Umstrukturierungen stellen eine erhebliche Herausforderung für die universitäre Allgemeinmedizin dar, die die Ausbildungskapazitäten für Medizinstudierende in hausärzt-lichen Praxen in Zukunft deutlich aus-bauen muss [1]. Ein zusätzliches Lehr-format zu dem bisher durchgeführten 1:1-Unterricht könnte die Etablierung von Kleingruppenunterricht in Haus-arztpraxen darstellen.

Kleingruppenunterricht

Der Kleingruppenunterricht ist eine anerkannte Lernsituation in der Hoch-schulausbildung [2]. Die Studierenden werden ermutigt, eigenverantwortlich Lernziele zu erreichen, indem sie in-nerhalb der Gruppe interagieren und unterschiedliche Perspektiven ken-nenlernen und diskutieren [3]. Dabei werden grundsätzliche Fähigkeiten der Teamarbeit und Kommunikation ein-geübt. Der Tutor initiiert Lern- und Denkprozesse, wirkt richtungweisend und leitet zur Lösung des Lernziels. Dafür ist eine gut durchdachte Kon-zeption und Vorbereitung des Klein-gruppenunterrichts notwendig [4].

Weiterhin ist es wichtig, die richti-gen strukturellen Voraussetzungen für den Kleingruppenunterricht zu wäh-len [5]. Überträgt man das Modell des Kleingruppenunterrichts auf den am-bulanten Sektor, so zeigen sich weitere Einflussfaktoren. In der Literatur wird von einem „multifaktoriell bedingten Spannungsfeld“ gesprochen [6]. So er-weitert ein hoher Patientendurchlauf einerseits die Bandbreite der Erkran-kungen, andererseits werden die Inter-aktionen zwischen Student und Tutor aufgrund des Zeitmangels verringert [6]. Die Studierenden gezielt anzulei-ten und in ihrer klinischen Tätigkeiten zu überwachen, kann unter Zeitdruck schlechter gewährleistet werden. Zu-sätzlich müssen ausreichend räumli-che Kapazitäten vorhanden sein, da-mit die Studierenden selbstständig Anamnesen erheben oder körperliche Untersuchungen durchführen können [7].

Motivation des Lehrarztes

Die Motivation des Lehrarztes ist ein weiterer Einflussfaktor auf die Durch-führung von akademischer Lehre in der Praxis. Er ist einerseits in die Patien-tenversorgung eingespannt und muss andererseits den Studierendenunter-richt durchführen. Lehrarzttätigkeit und Medizindidaktik gehören jedoch nicht zur Ausbildung des Arztes [8]. Für Lehrärzte ist es bedeutsam, sich an der dezentralen akademischen Lehre zu be-teiligen [9]. Hauptmotive, sich in der Lehre zu engagieren, sind der Wunsch, Wissen und Erfahrungen weiterzuge-ben, die Lehre allgemein zu verbessern, das Fach Allgemeinmedizin zu fördern und Praxisnachfolger zu finden [9, 10]. Das Interesse, anderen helfen zu wol-len, wurde dabei deutlich höher bewer-tet als der finanzielle Aspekt. Die Moti-vation der Lehrärzte spielt eine ent-scheidende Rolle. Der „Fragebogen zur aktuellen Motivation in Lern- und Leis-tungssituationen (QCM)“ stellt eine einfache und schnelle Möglichkeit dar, die aktuelle Motivation zu messen [11].

Zielstellung

Mit dieser Pilotstudie sollen Vorausset-zungen (soziodemografisch, struktu-rell, motivational) erfasst werden, un-ter denen Hausärzte Kleingruppen-unterricht mit drei Studierenden in ih-rer Praxis durchführen würden.

Methoden

Durchführung der Befragung

Die Teilnehmer der Befragung, 271 hausärztlich tätige Lehrärzte des Uni-versitätsklinikums Jena, erhielten per Post den Fragebogen mit der Proban-deninformation, der Einverständnis-erklärung und der Datenschutzerklä-rung. Ein zuvor frankierter Rücksen-deumschlag wurde den Unterlagen beigelegt. Einschlusskriterien waren: 1. Akkreditierung als Lehrarztpraxis

für Allgemeinmedizin des Univer-sitätsklinikums Jena.

2. Mindestens zwei Jahre Erfahrung in ambulanter Tätigkeit nach Beendi-gung der Facharztweiterbildung.

3. Wahrnehmung des vollen Versor-gungsauftrags.

4. Orientierung an den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin.

5. Wahrnehmung einer haus- und fa-milienärztlichen Funktion mit re-gelmäßiger Hausbesuchstätigkeit, insbesondere die Betreuung des Pa-tienten im Kontext seiner Familie, aber auch die Langzeitbetreuung chronisch kranker Menschen.

6. Mindestausstattung der Praxis mit einem Ruhe-EKG, Spirometrie und Durchführung üblicher Laborunter-suchungen.

Ausschlusskriterium war das nicht Ausfüllen des Fragebogens.

Der Fragebogen erreichte die teil-nehmenden Lehrärzte Anfang Juni 2014. Mittels eines Anschreibens wur-den die Teilnehmer über den konkre-ten Ablauf der Studie informiert. Die Mitwirkung an der Untersuchung er-forderte eine schriftliche Einwilligung der Befragten. Hierfür lagen den Studi-enunterlagen zwei Einwilligungs-unterlagen bei, von denen eine unter-schrieben mit dem Fragebogen in ei-nem ebenfalls beiliegenden Brief-umschlag zurückgesendet werden musste. Nach zwei Wochen wurde durch eine Reminder-Karte erinnert, an der Studie teilzunehmen. Nach ins-gesamt vier Wochen wurde der Befra-gungszeitraum beendet.

Die Teilnahme war freiwillig und anonym. Ein zustimmendes Ethikvo-tum (4097–05/14) lag vor.

Fragebogen

Nach umfassender selektiver Literatur-recherche wurde ein strukturierter, nicht validierter Fragebogen mit insge-samt 39 Items erstellt. Im ersten Teil des Fragebogens wurden soziodemo-grafische Merkmale (Alter, Geschlecht, Arbeitswochenstunden) und struktu-relle Voraussetzungen in den Haus-arztpraxen (Praxisform, Größe des Pra-xisteams, Anzahl der Praxisräume pro Studierendem, Anzahl der Patienten pro Quartal) erfasst.

Im zweiten Teil wurde der durch-zuführende Kleingruppenunterricht anhand eines definierten Szenarios be-schrieben. Darin soll ein Seminar (90 Minuten, drei Studierende) mit Vor-stellung und Besprechung eines Pa-tientenfalls in der Kleingruppe gehal-ten werden. Die Frage: „Halten Sie als

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Lehrarzt den Kleingruppenunterricht mit drei Studierenden in ihrer Praxis für durchführbar?“ wurde mit einer 4-Punkt-Likert-Skala („Trifft zu“ = 1 bis „Trifft nicht zu“ = 4) erfasst. Weiterhin erfolgte eine Dichotomisierung („1“ und „2“ = Zustimmung vs. „3“ und „4“ = Ablehnung) der Ergebnisse, um eine bessere Kontrastierung der Ant-worten zu erreichen. Anschließend wurde nach hinderlichen Aspekten so-wie der gewünschten Unterstützung für die Durchführung des Kleingrup-penunterrichts gefragt.

Im dritten und letzten Teil wurde der „Fragebogen zur Erhebung der ak-tuellen Motivation zur Lehrtätigkeit“ (QCM) nach Rheinberg [12] verwen-det, der in der deutschsprachigen Ver-sion mittels TAT („thematischer Ap-perzeptionstest“) validiert wurde. Der QCM misst die Leistungsmotivations-aspekte „Interesse“, „Erfolgswahr-scheinlichkeit“, „Misserfolgsbefürch-tungen“ und „Herausforderung“. Auf das letzte Subitem wurde aufgrund niedriger Reliabilität verzichtet (Cron-bach α = 0,70) [13]. Die Subitems „In -teresse“, „Erfolgswahrscheinlichkeit“ und „Misserfolgsbefürchtungen“ wur-den mittels 7-Punkt-Likert-Skala (1 = „Trifft nicht zu; 7 = „Trifft voll zu“) er-fasst und vergleichende Summen -scores gebildet. Diese wurden an-schließend durch die Anzahl der jewei-ligen Items dividiert [12].

Statistische Auswertungen

Alle Daten wurden mit IBM SPSS Sta-tistics 22.0 deskriptiv ausgewertet und bivariate Zusammenhänge geprüft. Dabei galt für alle Tests ein Niveau von mindestens p < 0,05 als signifikant.

Ergebnisse

Soziodemografie: Von den 271 ver-schickten Fragebögen wurden 113 aus-gefüllt zurückgeschickt (Rücklaufra-te = 42 %). Weitere soziodemogra-fische Angaben siehe Tabelle 1.

Strukturelle Voraussetzungen in den Hausarztpraxen: Bei 71 % lag als Vertragsstruktur eine Einzelpra-xis vor, bei 20 % eine Gemeinschafts-praxis, bei 3 % ein MVZ und bei 6 % ei-ne Praxisgemeinschaft. 62 % von den in der Einzelpraxis tätigen Hausärzten

praktizierten allein in ihrer Praxis oh-ne weiteren angestellten Arzt, 29 % ar-beiteten zu zweit und 9 % waren in Praxen mit drei bis sechs Ärzten tätig. 5 % der Teilnehmer behandelten 500–749 Patienten pro Quartal, 17 % 750–999 Patienten pro Quartal, 28 % 1000–1249 Patienten pro Quartal, 26 % 1250–1500 Patienten pro Quartal und 24 % mehr als 1500 Patienten pro Quartal. Entsprechend der Frage nach der Anzahl der Praxisräume, die für Studierende zur Verfügung gestellt werden könnten, gaben 45 % bis zu ei-nem Praxisraum und 55 % zwei und mehr Praxisräume an.

„Aktuelle Motivation zur Lehrarzttätigkeit“ modifiziert nach Rheinberg [12]: Für das Item „Interesse“ ergab sich ein Score von 5,34; für „Erfolgswahrscheinlichkeit“ 4,93 und für „Misserfolgsbefürchtun-gen“ 2,25.

Durchführbarkeit des im Fra-gebogen beschriebenen Klein-gruppenunterrichts: Die Frage, ob der dargestellte Kleingruppenunter-richt in der eigenen Praxis durch-geführt werden könnte, beantworte-ten 36 % (N = 40) mit dem Item „Trifft nicht zu“, 26 % (N = 29) mit dem Item „Trifft eher nicht zu“, 15 % (N = 17) mit „Trifft eher zu“ und 23 % (N = 26) mit „Trifft zu“.

Aspekte, die für die Durch-führbarkeit des beschriebenen Kleingruppenunterrichts in der Hausarztpraxis hinderlich sind: Hier gaben 85 % Zeitmangel an, 36 %

fehlende räumliche Kapazität und 24 % eine zu hohe Belastung für den Patienten.

Von den Lehrärzten ge-wünschte Unterstützung, um den beschriebenen Kleingrup-penunterricht durchführen zu können: Hier wurden zu 60 % detail-lierte inhaltliche Vorgaben gefordert, zu 30 % didaktische Vorbereitungskur-se und zu 22 % eine bessere Ver-gütung.

Bivariate Korrelationsana-lysen: Die Subitems „Interesse“ (p = 0,000; Effektstärke D = 0,886) und „Erfolgswahrscheinlichkeit“ (p = 0,015; D = 0,483) korrelierten sig-nifikant mit der Durchführbarkeit des Kleingruppenunterrichts. Das Subitem „Misserfolgsbefürchtungen“ (p = 0,268; D = 0,217) zeigte keinen sig-nifikanten Zusammenhang. Ebenfalls ergaben sich keine signifikanten Zu-sammenhänge zwischen den soziode-mografischen Merkmalen sowie den strukturellen Voraussetzungen in Hausarztpraxen in Bezug auf die Durchführbarkeit des beschriebenen Kleingruppenunterrichts.

Diskussion

Insgesamt 38 % (N = 43 von insgesamt 113 Rückantworten) würden Klein-gruppenunterricht mit bis zu drei Stu-dierenden in der eigenen Praxis durch-führen. Detaillierte inhaltliche Vor-gaben wurden von den Lehrärzten ge-

Tabelle 1 Soziodemografie der befragten Lehrärzte

Grahmann et al.:Kleingruppenunterricht in Hausarztpraxen – eine Erhebung zur DurchführbarkeitSmall Group Teaching in Family Medicine – a Survey of Practicability

Männlich

Weiblich

Alter (in Jahren)

Arbeitswochenstunden (in Stunden)

Einwohnerzahl der Gemeinde, in der sich die Praxis befindet

< 5000

5 000–20.000

> 20.000

Dauer der Lehrarzttätigkeit (in Jahren)

Anzahl der als Lehrarzt betreuten Studierenden

MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung

Befragte Ärzte (N = 113)

49 (44 %)

63 (56 %)

MW = 52,65 (SD = 6,73)

MW = 48,56 (SD = 10,84)

33 (30 %)

27 (24 %)

52 (46 %)

MW = 8,05 (SD = 4,97)

MW = 12,66 (SD = 13,22)

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wünscht. Bessere finanzielle Honorie-rungen sind für die Lehrärzte weniger bedeutsam. Von den drei Motivations-faktoren korrelierten das „Interesse“ und die „Erfolgswahrscheinlichkeit“ signifikant mit der Durchführbarkeit des Kleingruppenunterrichts.

Soziodemografie der Lehrärzte

Hinsichtlich der Altersverteilung zeig-ten sich Übereinstimmungen mit Da-ten anderer Studien [10, 14] sowie mit den soziodemografischen Erhebungen der Bundesärztekammer [15]. Nur ca. ein Drittel der Lehrärzte hatten ein Al-ter unter 49 Jahre, was ein Hinweis da-für sein könnte, dass mehrheitlich be-rufserfahrene Ärzte/-innen eine Lehr-tätigkeit ausüben. Betrachtet man die Geschlechterverteilung, so zeigte sich ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Lehrärz-ten. Im Bundesdurchschnitt [15] lag das Verhältnis leicht auf Seiten der männlichen Allgemeinmediziner. Die Dauer der Lehrtätigkeit betrug im Mit-telwert acht Jahre und ist im Vergleich zu anderen Erhebungen [10] ähnlich.

Strukturelle Voraussetzungen in Hausarztpraxen

Mit einem Verhältnis von 71 % arbei-tete der überwiegende Anteil der be-fragten Teilnehmer in Einzelpraxen. Gerade für Ärzte in Einzelpraxen könnte die Betreuung von Studieren-den eine Möglichkeit darstellen, eine Verbindung zur akademischen Lehre herzustellen und Wissen auszutau-schen. Nicht nur die Studierenden ha-ben dadurch ein Benefit, sondern auch der Lehrarzt in der Aktualisierung und Weitergabe der eigenen Fähigkeiten. Auch die Rekrutierung eines Praxis-nachfolgers oder PJ’lers könnte dabei eine Rolle spielen [9]. Die Annahme, dass besonders Praxen mit mehr als ei-nen Arzt häufiger den beschriebenen Kleingruppenunterricht durchführen würden, konnte in der Befragung wi-derlegt werden.

Eine weitere, von uns untersuchte Voraussetzung, stellte die räumliche Kapazität der Hausarztpraxen dar. Ein eigenes Sprechzimmer für Studierende wird von jedem dritten Lehrarzt als re-levant beurteilt [9]. Nur ein Drittel der von uns befragten Ärzte sahen den

Platzmangel als hinderlichen Aspekt für die Durchführung des Kleingrup-penunterrichts an. Als limitierender Faktor wurde eher Zeitmangel im Pra-xisalltag angesehen. Die Ressource Zeit ist ein wichtiger Einflussfaktor im am-bulanten Sektor und kann die Qualität der Lehre mindern [6]. Dieses Span-nungsfeld kann durch höhere Patien-tenzahlen verschärft werden [16].

Ein weiterer Kritikpunkt war die höhere Belastung für die Patienten, der sich nur für 24 % der Lehrärzte als relevant darstellte. Studentischer Un-terricht in der Allgemeinmedizin wird von den Patienten angenommen und akzeptiert. Unterstützt wird diese An-nahme durch Ergebnisse einer anony-men Befragung von Patienten in Lehr-praxen. Diese zeigte, dass nur ins-gesamt 5 % der Befragten die Anwe-senheit eines Studierenden ablehnen. Betont wurde die Bedeutung einer rechtzeitigen und ergebnisoffenen Aufklärung über die Anwesenheit Stu-dierender [17].

Eine bessere Vergütung für die lehrbeauftragten Ärzte wurde von 22 % als entscheidend angegeben. Dies wird durch Ergebnisse früherer Befragung [9] bestätigt, die zeigten, dass die finanzielle Honorierung we-nig bedeutsam war.

Als Unterstützung wurden genaue inhaltliche Vorgaben durch das Insti-tut für Allgemeinmedizin gefordert. Diese könnten helfen, das Zeitmana-gement im Umgang mit den Studie-renden zu optimieren und die gefor-derten Lernziele zu erreichen.

Motivation der Lehrärzte entscheidend!

Die aktuelle Motivation für eine Lehr-tätigkeit in der eigenen Praxis wird, vergleichbar mit Daten einer anderen Studie [10], hauptsächlich durch das „Interesse“ begründet. Ebenfalls wird

die „Erfolgswahrscheinlichkeit“ im Gegensatz zu den „Misserfolgsbefürch-tungen“ als hoch bewertet. Die befrag-ten Hausärzte betrachten demnach ih-re aktuelle Lehrtätigkeit mit großer Wertschätzung und als eine bewältig-bare Aufgabe im Praxisalltag. In der Zusammenschau der zwei Faktoren könnte das ein Hinweis dafür sein, dass durch ein hohes Interesse an der Lehre mögliche, im Alltag auftretende Probleme leichter zu bewältigen sind. Diese Annahme wird durch eine hohe Signifikanz und Effektstärke in Korre-lation zur Durchführbarkeit zum Kleingruppenunterricht bestätigt.

Vergleicht man die Daten unserer Erhebung mit den Ergebnissen einer anspruchsvollen Problemlöseaufgabe in der Literatur 12 , so zeigt sich ein höherer Wert für „Interesse“ und ein niedrigerer Wert für „Erfolgswahr-scheinlichkeit“. Nur das Item „Miss-erfolgsbefürchtungen“ hat einen ähn-lich hohen Score. Zusammenfassend könnte man davon ausgehen, dass die von uns befragten Ärzte ein über-durchschnittliches Interesse für die Lehre aufweisen und diese als lösbare Aufgabe im Praxisalltag ansehen. Miss-erfolgsbefürchtungen, d.h. vorgege-bene Lernziele nicht zu erreichen, spielen eine eher untergeordnete Rol-le. Problematisch könnte man anmer-ken, dass auch bei Nichterreichen der Lernziele keine ernsthaften negativen Konsequenzen zu befürchten sind.

Limitationen

Folgende Limitationen müssen bei der Betrachtung der Ergebnisse berück-sichtigt werden: Es wurden nur Lehr-ärzte des Universitätsklinikums Jena in Thüringen befragt. Dadurch könnte ein Selektionsbias vorliegen. Eine Non-Responder-Analyse konnte auf-grund der Anonymisierung nicht durchgeführt werden. Der Fragebogen

Grahmann et al.:Kleingruppenunterricht in Hausarztpraxen – eine Erhebung zur DurchführbarkeitSmall Group Teaching in Family Medicine – a Survey of Practicability

… ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und momen-

tan in der Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin

im Programm „Strukturierte Weiterbildung Allgemeinmedizin“

am Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums

Jena. Nebenberuflich absolviert sie den Studiengang zum

Master of Business Administration in Health Care Management

an der Fachhochschule Jena.

Dr. med. Christin Grahmann …

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wurde vorab nicht validiert und fo-kussiert auf zukünftigen und rein hy-pothetischen Antworten. Weiterhin wurde der QCM von uns auf eine Lehr- statt Lernsituation angewandt. Die hier durchgeführte Anwendung stellt ein modifiziertes Gebiet dafür dar.

Schlussfolgerungen

Insgesamt gibt es nur wenige wissen-schaftliche Publikationen, die sich

mit der Fragestellung der Durchführ-barkeit von Kleingruppenunterricht in Hausarztpraxen auseinanderset-zen.

In diesem Kontext ist die hier vor-liegende Studie eine erste orientieren-de Untersuchung, ob und inwieweit Lehrärzte dieses neue Lehrformat um-setzen würden. Aufgrund der vorhan-denen Limitationen, insbesondere der zum Teil fehlenden Lehrerfahrungen bezüglich des Kleingruppenunter-richts, sind weitere Untersuchungen erforderlich.

Interessenkonflikte: keine angege-ben.

Dr. med. Sven Schulz

Institut für Allgemeinmedizin

Universitätsklinikum Jena

Bachstraße 18

07743 Jena

Tel.: 03641 939-5800

[email protected]

www.allgemeinmedizin.uni-jena.de/

Korrespondenzadresse

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Literatur

Grahmann et al.:Kleingruppenunterricht in Hausarztpraxen – eine Erhebung zur DurchführbarkeitSmall Group Teaching in Family Medicine – a Survey of Practicability

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13ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER

MAAS-Global-D: Instrument zur Messung und Schulung kommunikativer sowie medizinischer KompetenzenMAAS-Global-D: Instrument for Rating and Training of Physicians’ Communication and Clinical CompetenciesFriederike Hammersen1, Karola Böhmer1, Jennifer von der Bey1, Sarah Berger2, Jost Steinhäuser1

1 Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck 2 Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg Peer reviewed article eingereicht: 21.08.2015, akzeptiert: 09.10.2015 DOI 10.3238/zfa.2016.0013–0018

Hintergrund: Trotz umfangreicher Evidenz zu positiven Auswirkungen guter Arzt-Patient-Kommunikation erhält die Vermittlung ärztlicher Kommunikationsfähigkeiten wenig Aufmerksamkeit während der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin in Deutschland. Um hier zukünftig ein gezieltes Feedback zu Arzt-Patient-Konsulta-tionen geben zu können, Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen sowie Kommunikationsschulungen zu kon-zipieren, wird in diesem Beitrag die Übersetzung des aus den Niederlanden stammenden Instruments MAAS-Glo-bal (Maastricht History-taking and Advice Scoring list con-sisting of global items) zur Erfassung der kommunikativen sowie medizinischen Fähigkeiten von Ärzten vorgestellt. Methode: Die Übersetzung des MAAS-Global ins Deut-sche orientierte sich an Empfehlungen der Weltgesund-heitsorganisation. In einem Pretest wurde das Instrument anschließend in einer realen Arzt-Patienten-Konsultation erstmals getestet.Ergebnisse: Das Instrument ließ sich ohne größere Schwierigkeiten übersetzen. Die vergebenen Bewertun-gen von ungeübten Rater variierten stark. Schlussfolgerung: Mit dem MAAS-Global-D liegt eine deutsche Version des Instruments vor, die sowohl zur Messung von Kommunikationsfähigkeiten als auch für Kommunikationstrainings eingesetzt werden kann. Um mit dem MAAS-Global-D verlässliche Ergebnisse zu erhal-ten, sind Schulungen für die Rater sowie regelmäßige Übungs-Ratings zwingend erforderlich.

Schlüsselwörter: Kommunikationskompetenzen; Arzt-Patient-Kommunikation; Weiterbildung; Videobasiertes Feedback; MAAS-Global

Background: Despite substantial evidence about the positive effects of good doctor-patient communication, little attention has been paid to the training of communi-cation competencies in postgraduate medical training in Germany. Here, we present the translation of the Dutch instrument MAAS-Global (Maastricht History-taking and Advice Scoring list consisting of global items) to provide specific feedback on doctor-patient consultations, to indi-cate directions for possible improvement as well as to de-velop future communication training. With this instru-ment, communication competencies and clinical skills can be measured. Method: The translation of the rating scale was perform-ed according to recommendations by the World Health Organization. During a subsequent pre-testing, it was evaluated in German for the first time using a real consul-tation. Results: The instrument was translated without major problems. The untrained raters assessed the consultation with large variation.Conclusions: With the MAAS-Global-D, a German ver-sion of the instrument is now available. It can be used to measure communication competencies as well as respect-ive programmes. To obtain reliable results with the MAAS-Global-D, training for raters and continuous prac-tice ratings are required.

Keywords: Communication Competencies; Doctor-Patient Communication; Postgraduate Specialty Training; Video-Based Feedback; MAAS-Global

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Hintergrund

„Sprache in der Medizin wirkt wie ein Medikament“ [1] – Zahlreiche Studien belegen, dass sich eine gute Arzt-Patient-Kommunikation positiv auf Therapie-treue, Patientenzufriedenheit sowie die Optimierung des Verschreibungsverhal-tens auswirkt [2–5]. Trotz vorliegender Evidenz ist die Verankerung von Kom-munikationstraining in der Weiterbil-dung zum Facharzt für Allgemeinmedi-zin in Deutschland kein Standard. Die Unterrichtung in „verbaler Basisthera-pie“ in den obligatorischen Kursen zur psychosomatischen Grundversorgung behandelt zwar Aspekte von Kommuni-kation, kann jedoch kein explizites Kom-munikationstraining ersetzen. Die Be-deutung der jüngst als „Nischenthema“ [6] bezeichneten ärztlichen Kommunika-tion wurde beim Ärztetag 2015 diskutiert und führte zum Beschluss, ihr mehr Be-achtung und Förderung zukommen zu lassen [7]. Geschehen soll dies beispiels-weise durch supervidierte Kommunikati-onsübungen. Bereits 2009 wurden Kom-munikationsschulungen in einem Be-richt zur Situation in der Allgemeinmedi-zin von europäischen Weiterbildungs-experten empfohlen [8]. Während in den letzten Jahren Veränderungen im Be-reich der Kommunikationsschulung in der Ausbildung stattfanden und jüngst ein Mustercurriculum für das Medizin-studium bezüglich der Arzt-Patient-Kom-munikation angekündigt wurde [9], exis-tiert nach wie vor keine gezielte, flächen-deckende Schulung ärztlicher Kommuni-kationsfähigkeiten (KF) in der Weiterbil-dung zum Facharzt für Allgemeinmedi-zin. Neben der Verankerung von Kom-munikationsaspekten in den entspre-chenden Curricula wird gefordert, jene Kompetenzen auch zu überprüfen, um ihnen dadurch den angemessenen Stel-lenwert einzuräumen [6, 10].

An diesem Punkt knüpft der vorlie-gende Beitrag an: Um in Deutschland ebenfalls ein gezieltes Feedback zu Arzt-Patient-Konsultationen im hausärzt-lichen Setting geben zu können, das indi-viduelle Optimierungspotenzial zu iden-tifizieren sowie Kommunikationsschu-lungen zu konzipieren, wurde das MAAS-Global Instrument (Maastricht History-taking and Advice Scoring list consisting of global items) übersetzt und einem Pre-test unterzogen. Das Instrument wird im vorliegenden Artikel vorgestellt.

MAAS-Global Instrument

In den Niederlanden ist das Kommuni-kationstraining für Ärzte in Weiterbil-dung zum Facharzt für Allgemeinmedi-zin seit über zehn Jahren Bestandteil der Weiterbildung [11, 12]. Die KF werden dort mit dem MAAS-Global überprüft, welcher auf Studien zu effektiver Arzt-Patient-Kommunikation basiert [13]. Bekannt ist, dass für eine effektive Arzt-Patient-Kommunikation unterschiedli-che Fähigkeiten, situationsangepasste Verhaltensweisen sowie die Orientie-rung an Gesprächsphasen notwendig sind [14]. So können nicht besprochene Anliegen des Patienten (z.B. Symptome, Sorgen, Fragen zu Nebenwirkungen) mit der Nicht-Einnahme von Medikamen-ten bzw. Nicht-Adhärenz gegenüber der Therapie zusammenhängen [15]. Eine offene Gesprächshaltung, die Patienten zum (Weiter-)Sprechen ermutigt, und ärztliche Zusammenfassungen während des Gesprächs führen zu einem gestei-gerten Gewinn an relevanten Informa-tionen bezüglich Symptomen und Be-schwerden [16]. Augenkontakt kann fer-ner helfen, Emotionen des Patienten zu erkennen und das Überbringen wichti-ger Mitteilungen unterstützen [17]. Zu-sammenfassend führt effektive Kom-munikation zu einer signifikanten Ver-besserung der Effizienz, gesundheitli-chen Outcomes der Patienten sowie Zu-friedenheit von Patient und Arzt [14].

Bei Verwendung des MAAS-Global beurteilt ein Beobachter die in der Regel auf Video aufgezeichnete Arzt-Patient-Kommunikation. In der medizinischen Aus- und Weiterbildung sind Videoauf-nahmen zu Lehrzwecken und zur Quali-tätsverbesserung eine gängige, weit ver-breitete Methode [12, 18], denn die Möglichkeit des mehrmaligen Ansehens bringt diverse Vorteile: Das Verhalten kann mit dem Feedback Ersuchenden analysiert werden, die Feedbackgabe selbst wird gestärkt [19] sowie die Selbst-reflektion verbessert [10]. Im Gegensatz zu Checklisten, die lediglich die Präsenz bestimmten Verhaltens überprüfen, wird beim MAAS-Global zusätzlich die Ausprägungsstärke bewertet [19].

In den Niederlanden wird bereits während des Medizinstudiums eine ab-gewandelte Version des MAAS-Global Bewertungsbogens eingesetzt [12]. Der MAAS-Global muss während der Weiter-bildung in den Niederlanden wie eine

Art „Führerschein“ zur Kommunikation bestanden werden. Die Ärzte in Weiter-bildung müssen dafür die im MAAS-Glo-bal aufgeführten Fähigkeiten aufzeigen, wozu sie selbst aufgezeichnete Bera-tungsanlässe einreichen. Eine Auswahl von sechs dieser 20 Gespräche dient der Benotung der KF. Die Beurteilung an-hand mehrerer Videos pro Arzt trägt zu einem möglichst repräsentativen Bild seiner Gesprächsführung sowie zu einer repräsentativen Stichprobe der Bera-tungsanlässe im Fachgebiet bei [13]. Die Videos werden von einer bzw. in stritti-gen Fällen von zwei Personen bewertet. Neben dieser summativen (bestanden oder nicht) ist auch eine formative Be-wertung möglich, um beispielsweise das Erreichen von Teillernzielen zu überprü-fen. Aufbauend auf dieser Beurteilung entwickeln die Ärzte im weiteren Ver-lauf ihren eigenen Kommunikationsstil.

Das Instrument selbst besteht aus 17 Items und ist in drei Teile gegliedert: KF für jede Gesprächsphase, Allgemeine KF und Aspekte zu medizinischem Fachwis-sen (Tab. 1). In diesen Teilen kommen anhand von Items auf einer 7-stufigen Likert-Skala Bewertungen zustande und die Items werden durch Unterpunkte er-läutert. Da Kommunikation ein soziales Phänomen ist, welches über die reine In-formationsvermittlung hinaus auch zwischenmenschliche Interaktion bein-haltet [20], lässt sie sich nicht allgemein-gültig und widerspruchsfrei messen. Da-her sind genau definierte Kriterien not-wendig, anhand derer „gute“ Kom-munikation bestimmt wird. Zum MAAS-Global gehört aus diesem Grund zusätz-lich ein Handbuch zur Anwendung des Instruments.

Items des MAAS-Global

Kommunikationsfähigkeiten für jede Gesprächsphase

Zugrunde liegt dem Instrument die An-nahme, dass das Arzt-Patient-Gespräch aus verschiedenen Phasen besteht, die sich in den ersten sieben Items wider-spiegeln (Tab. 1).

Der Einstieg (Item 1) erfasst, inwie-fern der Arzt seinem Patienten die Mög-lichkeit gibt, sich zum Anlass der Bera-tung zu äußern sowie sogenannte orien-tierende Fragen stellt, ohne bereits die detaillierte Anamnese zu beginnen. Das

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Item 2 Folgetermin kommt nur zum Tra-gen, wenn es sich um einen solchen handelt. Im Idealfall werden die ur-sprünglichen Beschwerden und das bis-herige Prozedere noch einmal aufgegrif-fen sowie Erkundigungen nach der zwi-schenzeitlichen Adhärenz diesem ge-genüber und der Entwicklung der Be-schwerden angestellt.

Im Rahmen des Beratungsanlasses (Item 3) wiederholt und fasst der Arzt selbst explizit die Gründe für die Konsul-tation an diesem Tag und ggf. damit ein-hergehende Erwartungen zusammen, die der Patient vorzugsweise bereits während des Einstiegs hervorbrachte. Gleichzeitig dient das Item der Komplet-tierung der Erfassung des Beratungs-anlasses, bevor die körperliche Unter-

suchung (Item 4) beginnt. In dieser Ge-sprächsphase zeichnet sich eine gute ärztliche Gesprächsführung durch klare, dem Patienten gegenüber angemessene

Aufforderungen bei Wahrung eines res-pektvollen Tons aus. Gleichzeitig sollte der Arzt die durchgeführten Handlun-gen erläutern.

Unter Diagnose (Item 5) fällt, die Be-ziehung zwischen Befunden und Diag-nose (oder eventuell nur Hypothesen) darzulegen sowie ebenfalls, mit wel-chem konkreten Verlauf zu rechnen ist. An dieser Stelle soll der Patient auch um eine Rückmeldung gebeten werden. Ei-ne partizipative Behandlungsentschei-dung wird beim Management (Item 6) ge-troffen. Dies umfasst ferner, mögliche Alternativen, Risiken und die Umsetz-barkeit einer Therapie zu besprechen. Es wird zudem vereinbart, wer im Rahmen des Therapieplans zu welchem Zeit-punkt was erledigt. Auch hier soll der Pa-tient um Rückmeldung zum Besproche-nen gebeten werden.

Den letzten Abschnitt des Gesprächs (Item 7) stellt die Evaluation der Konsulta-

tion dar: Fragt der Arzt am Ende des Ge-sprächs nach der zufriedenstellenden Klärung des idealerweise noch einmal genannten Beratungsanlasses? Schließt der Arzt das Gespräch angemessen mit einem Ausblick ab?

Allgemeine Kommunikationsfähigkeiten

Darüber hinaus kommen während des gesamten Gesprächs allgemeine KF zum Tragen (sechs Items). Die Explora-

tion (Item 8) dreht sich um die Qualität der gestellten Fragen. Dies umfasst den Versuch des Arztes, die Patientenpers -pektive einzunehmen, um Gründe für den Besuch zu erfahren (z.B. Wie nimmt der Patient seine Beschwerden wahr?). Dabei sollte der Arzt gleichzei-tig eine einladende Gesprächshaltung einnehmen. Das Item steht in enger Verbindung zu Beratungsanlass, Diag-

nose und Management. Wurde bei letz-teren Items gefordert, dass der Arzt sei-nen Patienten um eine Rückmeldung bittet, so soll hier bewertet werden, wie diese Rückmeldungsaufforderung stattfindet. Auch die Beachtung und Reaktion auf nonverbales Verhalten des Patienten durch den Arzt fallen hierunter.

Das Item 9 Emotionen deckt ab, wie der Arzt, wenn der Patient Emotionen zeigt, verbal auf dessen Gefühle eingeht, d.h. sie explizit erfragt und reflektiert. Eine weitere KF betrifft das Vermitteln

von Informationen (Item 10). Bewertet wird, ob der Arzt die Informationen an-kündigt, nach Themenbereichen geglie-dert verständlich und in kleinen Men-gen darbietet sowie nachfragt, ob alles verstanden wurde.

Das Zusammenfassen (Item 11) ist wichtig, da dem Patienten durch ange-messene, präzise Zusammenfassungen während des gesamten Gesprächs deutlich wird, dass sein(e) Anliegen verstanden wurde(n). Der Arzt sollte hierbei eigene Formulierungen ver-wenden und dem Patienten die Mög-lichkeit geben, ihn zu korrigieren. Das Strukturieren des Gesprächs durch den Arzt wird in Item 12 erfasst. Der Arzt sorgt hiernach für eine ausgewogene Zeiteinteilung sowie einen logischen Ablauf der Gesprächsphasen, die er an-kündigt.

Das letzte Item (13) der allgemeinen Fähigkeiten, Empathie, erhebt das ärztli-

Tabelle 1 MAAS-Global-D Bewertungsbogen: Aufbau, Items und Bewertungskategorien

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Teil 1: Kommunikationsfähigkeiten für jede Gesprächsphase

1. Einstieg

2. Folgetermin

3. Beratungsanlass

4. Körperliche Untersuchung

5. Diagnose

6. Management

7. Evaluation der Konsultation

Teil 2: Allgemeine Kommunikationsfähigkeiten

8. Exploration

9. Emotionen

10. Vermitteln von Informationen

11. Zusammenfassen

12. Strukturieren

13. Empathie

Teil 3: Medizinische Aspekte**

14. Anamnese

15. Körperliche Aspekte

16. Diagnose

17. Management

* Die Bewertungsskala für die Items reicht von n.a = nicht anwendbar; 0 = nicht vorhan-den; 1 = hervorragend; 2 = gut; 3 = befriedigend; 4 = ausreichend; 5 = unbefriedigend bis 6 = schlecht. n.a. kann bei Item 2 und 4 vergeben werden, sofern die Items auf den vorliegenden Beratungsanlass nicht zutreffen.

** Die medizinischen Items werden nicht bewertet, wenn das Interesse lediglich auf den Kommunikationsfähigkeiten liegt.

Bewertung*

0 1 2 3 4 5 6

n.a 0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

n.a 0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

0 1 2 3 4 5 6

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che Interesse und die Anteilnahme am Patienten sowohl verbal als auch non-verbal. Die einladende, mitfühlende Haltung wird durch Gestik, Augenkon-takt, Tonlage und kurze verbale Ausdrü-cke deutlich.

Der medizinische Teil des Instru-ments behandelt vier weitere Items rund um die medizinische Expertise des Arz-tes (Tab. 1). Hierhin wird die medizi-nische Kompetenz des Arztes bewertet sowie, ob sich sein Handeln an entspre-chenden Leitlinien orientiert, sofern diese für das vorliegende Krankheitsbild existieren. Falls keine Leitlinien existie-ren, soll die persönliche Expertise des Raters der Bewertung zugrunde gelegt werden. Liegt das Erkenntnisinteresse rein auf den KF, wird der medizinische Teil des Instruments ausgelassen. Jene Items werden im Handbuch detailliert beschrieben [21].

Der MAAS-Global erlaubt somit, Grundfähigkeiten guter Kommunikati-on zu messen, eventuellen Verbes-serungsbedarf zu erkennen und klar zu definieren, in welchem Bereich die Ver-besserung erfolgen sollte.

Methode

Die Übersetzung der englischen MAAS-Global Version ins Deutsche orientierte sich an Empfehlungen der Weltgesund-heitsorganisation [22] mit zwei von-einander unabhängigen Übersetzungen des Instruments, kultureller Adaptie-rung und Rückübersetzung.

Der Originalautor sowie eine mit dem Instrument erfahrene Psychologin führten jeweils ein Train-the-Trainer-Seminar für Rater mit einem Pretest durch. Hierbei wurde unter anderem ein aufgezeichnetes Video eines realen Arzt-Patienten-Gesprächs bewertet, wobei die Rater zu diesem Zeitpunkt kaum Erfahrung mit dem Instrument hatten.

Ergebnisse

Die 13 Teilnehmer der zwei Schulungen waren deutsche Muttersprachler, zu 46 % (n = 6) weiblich und im Mittel 34,6 Jahre alt (22 Jahre – 61 Jahre). Sie repräsentierten die später potenziell mit dem Instrument arbeitenden Zielgrup-pen: Fachärzte für Allgemeinmedizin,

Wissenschaftler, Psychologen, Ärzte in Weiterbildung und Medizinstudierende.

Das Instrument (MAAS-Global) und das Benutzerhandbuch ließen sich ohne weiteres übersetzen [21]. Le-diglich die Bewertungsskala musste adaptiert werden (von 6 = hervor-ragend zu 1 = hervorragend, usw.). Die vergebenen Bewertungen der Rater va-riierten stark und unterscheiden sich somit auch von der Bewertungsemp-fehlung der Dozentin. Nach durch-schnittlich vier supervidierten Ratings glichen sich die Ergebnisse der Rater auf durch den/die Dozent/in akzep-tierte Werte an.

Diskussion

Der vorliegende Beitrag stellt die deut-sche Version eines niederländischen In-struments zur Messung ärztlicher Kom-munikationsfähigkeiten vor, den MAAS-Global-D. Die Ergebnisse der Ra-ter im Pretest weisen eine große Spann-weite auf, sodass die Übereinstimmung zwischen ungeübten Ratern eher gering ist. Durch weitere, gemeinsame Übungsratings inklusive anschließen-der Diskussion über die Notenvergabe können Unstimmigkeiten unter den Ratern geklärt werden, um einen mög-lichst gleichen Bewertungsmaßstab zu etablieren.

Vergleich mit bisherigem Forschungsstand

Eine gewisse Variabilität zwischen den Ratern weisen auch andere Studien auf, in denen mit dem MAAS-Global Bewer-tungsbogen geratet wurde [23, 24]. Dort wurde zudem festgestellt, dass mehrere Videos pro Arzt notwendig sind, um Ergebnisse mit einer angemes-senen Reproduzierbarkeit zu erhalten [18, 24]. In der empirischen Sozialfor-schung gehört eine ausführliche Beob-achterschulung, wie sie bereits mit wei-teren Übungsratings angesprochen wurde, zum Standard und ist Vorausset-zung für Inter-Coder-Reliabilität [25]. Die Empfehlung der niederländischen Autoren, mindestens sechs Videos ei-nes Arztes zu bewerten bevor Empfeh-lungen ausgesprochen werden, wurde für die deutschsprachige Version über-nommen.

Stärken und Schwächen der Arbeit

Eine Stärke des Übersetzungsprozesses liegt darin, dass nach einer anerkannten Methode vorgegangen wurde. Darüber hinaus fungierten die Schulungstermine als Pretest und deckten Mängel in der Rater-Übereinstimmung auf.

Wenngleich die Rateranzahl recht groß war, liegt eine Schwäche darin, dass sich die Videos, die in den Schulungen je-weils bewertet wurden, unterschieden haben (mit Ausnahme des einen, hier vorgestellten Videos). Interessant für die zukünftige Verwendung des Instruments ist, nach wie vielen gemeinsam bewerte-ten Konsultationen die Reliabilität unter den Ratern eine angemessene Höhe er-reicht. Zur Berechnung der Inter-Rater-Reliabilität bereits bei den Pretest-Ergeb-nissen hätten die Daten auf Ebene des in-dividuellen Raters vorliegen müssen. Demnach sollte die Form der Daten in weiteren Übungsratings die Berechnung eines Reliabilitätskoeffizienten für die In-ter-Rater-Reliabilität zulassen.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Zur Erfassung und Bewertung ärztlicher KF existiert bisher kein Goldstandard [10]. Mit dem MAAS-Global-D wurde nun ein geeignetes Instrument erarbei-tet, das sich in Kombination mit dem Handbuch auch als Grundlage für die Ableitung von Kommunikationstrai-nings für Ärzte einsetzen lässt. Ärzte und ihre Patienten stimmen nicht notwen-digerweise darin überein, was die be-sprochenen Inhalte während des Bera-tungsanlasses betrifft [3]. Dementspre-chend wird auch die Kommunikation als unterschiedlich zufriedenstellend er-lebt [26]. Eine gute, patientenzentrierte Kommunikation ist keineswegs selbst-verständlich und muss oft erlernt wer-den. Die Pretest-Ergebnisse verdeutlich-ten darüber hinaus: Auch die Bewertung von Kommunikation muss in einer Be-obachterschulung geübt werden. Für angehende Rater ist eine ausreichende Einführungsschulung inklusive mehre-rer gemeinsamer Übungs-Ratings ange-zeigt. Zum Zwecke der Übereinstim-mung zwischen den Ratern (Inter-Coder-Reliabilität) sollten diese nach dem niederländischen Vorbild zusätz-

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Friederike Hammersen

Institut für Allgemeinmedizin

Ratzeburger Allee 160

23562 Lübeck

Tel.: 0451 500-5973

[email protected]

Korrespondenzadresse

lich einmal jährlich eine Wieder-holungsschulung durchlaufen und auch auf ihre Intra-Coder-Reliabilität (zeitli-che Stabilität der Bewertungen eines Ra-ters) getestet werden [25].

Aus Sicht der Autoren könnte eine Schulung mit dem MAAS-Global-D die Train-the-Trainer-Seminare, die vieler-orts für Verbundweiterbildungsprojekte angeboten werden, ergänzen und dazu beitragen, dass das vermeintliche Ni-schenthema „Ärztliche Kommunikati-onsfähigkeiten“ essenzieller Bestandteil

der medizinischen Weiterbildung wird. Das Instrument sowie das erläuternde Handbuch stehen zum freien Download zur Verfügung [21].

Nächste Schritte werden beinhalten, die Schnittmengen zwischen dem MAAS-Global-D und bereits vorhande-nen, deutschsprachigen Leitfäden zum Thema Kommunikation z.B. „Kom-munikation im medizinischen Alltag“ der Ärztekammer Nordrhein [27], Kom-munikationskompetenzen im Nationa-len Kompetenzbasierten Lernzielkatalog

Medizin [28] sowie im jüngst angekün-digten „Nationalen longitudinalen Mustercurriculum Kommunikation in der Medizin“ [9] zu identifizieren.

Danksagung: Wir danken Paul Ram für die Erlaubnis, das MAAS-Global In-strument zu übersetzen, seine Schulung im Umgang mit diesem Instrument so-wie für seine wertvollen Rückmeldun-gen zu der deutschen Version des Instru-ments.

Interessenkonflikte: keine angege-ben.

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Literatur

Hammersen et al.:MAAS-Global-D: Instrument zur Messung und Schulung kommunikativer sowie medizinischer KompetenzenMAAS-Global-D: Instrument for Rating and Training of Physicians’ Communication and Clinical Competencies

… ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemein-

medizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus

Lübeck. Sie promoviert zum Thema Arzt-Patient-Kommunikati-

on und Antibiotikaverordnungen bei Atemwegsinfekten. Zuvor

studierte sie Public Health und Kommunikationswissenschaft

an der FU Berlin.

Friederike Hammersen …

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Hammersen et al.:MAAS-Global-D: Instrument zur Messung und Schulung kommunikativer sowie medizinischer KompetenzenMAAS-Global-D: Instrument for Rating and Training of Physicians’ Communication and Clinical Competencies

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Wie man Hoffnung sät in Sierra Leone Oldenburger Privatinitiative seit über 20 Jahren aktiv

Nicole Gorris-Vollmer

Wie alles begann …

Einem lang gehegten Traum ging Gisela Bednarek, Industriekauffrau aus Olden-burg, nach, als sie 1988 nach einer Fern-sehdokumentation auf gut Glück den Arzt Dr. Kobba in Sierra Leone an-schreibt und ihre Hilfe anbietet. Der Kontakt ist erfolgreich und Gisela Bed-narek schickt regelmäßig eigenes Geld, später auch Sachspenden für seine klei-ne private Ambulanz. 1990 lernt sie Mu-sa Bainda aus Sierra Leone kennen, ei-nen afrikanischen Studenten mit Sti-pendium für Deutschland. Mitten im

Rebellenkrieg gründen Gisela Bednarek und Musa Bainda dann 1994 ihr erstes eigenes Projekt: eine Schulklasse für 20 Flüchtlingskinder. Dies ist der Start für eine Vision, der beide inzwischen ihr ganzes Leben widmen: in Sierra Leone Zeichen der Hoffnung zu setzen.

Sierra Leone – arm und reich

Sierra Leone/Westafrika: Das kleine Land mit 6 Mio. Einwohnern landet auf den letzten Plätzen bei allen Indices be-treffend Einkommen, Infrastruktur, Bil-

dung und Gesundheit. Dabei verfügt es über erhebliche Bodenschätze wie Dia-manten, Gold, Erdöl und seltene Metal-le. Doch das ist auch ein Fluch: Die Aus-beutung dieser Schätze macht wenige Afrikaner sowie ausländische Investoren reich. Von der allgegenwärtigen Korrup-tion profitieren beide Seiten, weshalb deren Bekämpfung, Haupthindernis für die soziale Entwicklung breiterer Bevöl-kerungsschichten, nur halbherzig von-stattengeht. Die Gier nach Diamanten löste 1991 von Liberia ausgehend einen blutigen Rebellenkrieg aus, der erst 2002 nach Intervention der UNO beigelegt

Fachärztin für Allgemeinmedizin, Oldenburg Peer reviewed article eingereicht: 23.10.2015, akzeptiert: 05.11.2015 DOI 10.3238/zfa.2016.0019–0023

Als Gisela Bednarek 1994, mitten im Rebellenkrieg, nach Freetown reist, sucht sie für 20 Flüchtlingskinder eine Lehrerin. Gelernt wird unter einem Baum. Das ist die Geburtsstunde des Vereins „Hilfe direkt Oldenburg-Sierra Leone VIB e.V“. Der Mangel schaut aus je-dem Winkel und so wachsen die Aktivitäten in den Folgejahren kontinuierlich: Patenschaften, Gesundheitsstationen, Entbindungs-haus, Kleinkredite. Bis zum Kriegsende 2002 gibt es Rebellenüberfälle und Brandanschläge auf die Projekte, doch „Hilfe direkt“ macht weiter. Die Schule in der Hauptstadt Freetown ist auf 150 Kinder angewachsen und in der zweitgrößten Stadt Bo arbeitet das Gila-Hospital seit Ende 2011 für die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung. Doch mit Ebola kehrt erneut die Angst in die Gesell-schaft zurück, und die Versorgung der Menschen bricht weitgehend zusammen. Wie „Hilfe direkt“ diese Krise durchlebt, berichtet All-gemeinärztin Dr. Nicole Gorris-Vollmer, die als ärztliche Leiterin des Gila-Hospitals schon mehrfach vor Ort gearbeitet hat.

Team Hospital Bo mit Musa

Bainda und Gisela Bednarek

DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE

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werden konnte. Die seither friedliche Koexistenz der Bevölkerung, also von damaligen Mördern und Opfern, ist eine der beeindruckenden Erfahrungen, die Sierra Leone zu bieten hat. Ebenso har-monisch gestaltet sich das Zusammenle-ben der Religionen Islam und Christen-tum, die ihrerseits in unterschiedlichen Arten und kombiniert mit afrikani-schem Geisterglauben gelebt werden.

Projekte im Krieg

Nach der Schule unter dem Baum eröff-nen Gisela und Musa eine kleine von Krankenschwestern betriebene Gesund-heitsstation in Bo, der zweitgrößten Stadt des Landes; unterstützen ein Ge-burtshaus, vermitteln Patenschaften für Kriegsopfer und starten einige Dorfpro-jekte. Bis zum Ende des Rebellenkriegs 2002 werden mehrere Einrichtungen zerstört, ausgeraubt oder in Brand ge-steckt. Aller Rückschläge zum Trotz gründet sich der Verein „Hilfe direkt Ol-denburg-Sierra Leone VIB e. V.“, der die begonnenen Projekte weiter entwickelt.

Leuchtturmprojekte heute

Die Grassfield-Schule in Freetown, benannt nach dem Start auf der Wiese, unterrichtet nun 150 Kinder in Vorschu-le und Primary School bis Klasse 6. Die Schüler stammen zu 90 % aus armen Fa-milien, die vom Hunger bedroht sind. Daher betreibt „Hilfe direkt“ seit 2005

eine Schulkantine, die mittags warmes Essen an Schüler und Lehrer ausgibt. Die solide Ernährung und der große Einsatz der einheimischen Lehrer bewirkte, dass die Grassfield-Schule in der staatlichen Zentralprüfung bereits mehrere Jahre als beste Schule Westafrikas prämiert wur-de, obwohl die räumlichen Bedingun-gen und Lernmittel aufgrund knapper Ressourcen des Vereins äußerst be-schränkt sind. Schulbetrieb und Kantine werden ausschließlich durch Privat-spenden aus Oldenburg finanziert.

Die Kleinkredite für Frauen im Dorf Gerihun sind dagegen ein Projekt, das sich, 2005 gegründet, nach der An-schubfinanzierung vollständig selbst trägt. Die Kredite von 20–30 Euro pro Fa-milie werden nach Rückzahlung in 1–2 Jahren jeweils der nächsten Frauengrup-pe ausgegeben, wodurch aus ursprüng-lich 2.000 Euro Startkapital eine Exis-tenzgrundlage für mehrere Hundert Fa-milien geschaffen wurde. Gruppen à 20 Frauen betreiben nun Palmölhandel, Cassava-Anbau, Ziegen-, Schaf- und Hühnerzucht oder Batikwerkstätten. Dies ist ein Beispiel für gelungene sofor-tige Hilfe zur Selbsthilfe, die ohne Ver-luste in der geschlossenen Gemein-schaft eines Dorfes funktioniert. Die Früchte sind für alle sichtbar und so ist die Motivation zur Entwicklung neuer Anbau- und Handelsaktivitäten anhal-tend hoch.

Das größte und anspruchsvollste Projekt von „Hilfe direkt Oldenburg-Si-erra Leone“ ist das Gila-Hospital in Bo. Am Ort der abgebrannten kleinen

Gesundheitsstation sollte ein Zeichen der Hoffnung gesetzt werden.

Stein auf Stein zum Hospital

Die Realisierung erforderte dann jedoch einen dicken Geduldsfaden: Je nach Spendenstand wurde von Hand Stein auf Stein gesetzt und Beton gegossen. Baumaßnahmen in strukturschwachen Ländern sind keineswegs preiswert. Ganz im Gegenteil sind teure Importe notwendig und haben Fachlieferanten oft ein Monopol und diktieren damit die Preise. Wenn ein europäischer Akteur im Spiel ist, dem per se Reichtum unterstellt wird, steigert das den Preis weiter. Musa Bainda kennt die Preise zum Glück gut und verhandelt geschickt. „Hilfe direkt“ speist sich jedoch aus Privatspenden, Be-nefizkonzerten und lokalen Aktionen. So kam der Bau nur langsam voran; erst nach 5 Jahren Bauzeit stand der Rohbau des Hospitals. Aber Hartnäckigkeit zahlt sich aus: 2010 initiierten die Oldenbur-ger Krankenhäuser unter Führung des Klinikums die Patenschaft „5 für Bo“ und ermöglichten damit die Fertigstel-lung des Gila-Hospitals binnen Jahres-frist.

Klein aber fein

Im November 2011 ging das Gila-Hospi-tal in Betrieb. Ein stabiles Team von Krankenschwestern und Hebammen so-wie weiteren Mitarbeitern für Verwal-tung und Instandhaltung bildet seither die Basis der Gesundheitsversorgung. Bei der extrem geringen lokalen Arzt-dichte von etwa 1:50.000 Einwohnern und einer zentralen Zuordnung der we-nigen Ärzte durch die Regierung sind wir bisher auf Gastärzte aus Deutsch-land angewiesen. Kollegen aus dem ge-samten Bundesgebiet wechseln sich meist im Monatsrhythmus ab und machten das Gila-Hospital in kurzer Zeit zu einer in ganz Sierra Leone bekannten Einrichtung. Dies ist insofern bemer-kenswert, als das Haus mit nur 50 Betten vergleichsweise klein ist. Die Behand-lung der Patienten auf Augenhöhe un-terscheidet das Gila-Hospital von vielen landestypischen Häusern. Das Hospital verfügt neben der Station über eine Am-bulanz, die erste Anlaufstelle für alle Pa-tienten, einen Kreißsaal, einen kleinen Musa Bainda verteilt Bonbons an Kinder

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Operationssaal, ein Tropenlabor, Sono-grafie und EKG. Für operative Eingriffe steht ein einheimischer Chirurg in Ruf-bereitschaft. Die hauseigene Apotheke führt qualitätsgeprüfte Arzneimittel, ein großes Plus in einem Land, in dem bis zu 90 % der Medikamente Fälschungen sind. Einsatzärzte aus Deutschland woh-nen im Dachgeschoss in einer gemeinsa-men Wohnung mit dem Projektleiter Musa Bainda.

Gastärzte aus Deutschland

Die Anforderungen an unsere Gastärzte sind beachtlich: Der Arztkollege bzw. die Arztkollegin ist in der Regel alleiniger Ansprechpartner für alle auftauchenden medizinischen Fragestellungen. Kon-siliarische Hilfe in Form von Fachärzten gibt es in Bo praktisch nicht und in der Hauptstadt Freetown auch nur sehr be-grenzt. Begüterte Patienten haben Zu-gang zu exklusiveren Häusern der Ar-mee oder ausländischer Investoren. Sie fliegen auch gern zur Behandlung ins Ausland. Die Allgemeinbevölkerung hat diese Möglichkeiten natürlich nicht und ist sehr dankbar für eine solide Grundversorgung. Beim ersten Einsatz staunt man als deutsche Ärztin, wie viel man mit einfachen Mitteln bewirken kann. Die Krankheitsbilder sind sehr vielfältig, vor allem was die Dramatik betrifft. So wird eine junge Frau mit ei-nem Hämoglobin von 3 g/dl nach per-forierter Tubargravidität auf dem Motor-rad gebracht, aber es kommen auch Pa-tienten mit der Beschwerde „I had a sleep less night“. Der Rückenschmerz ei-nes Stammesältesten ist natürlich stets ein Notfall. Da ist dann Diplomatie ge-fragt, denn der Respekt vor der Kultur des Landes ist immens wichtig. Malaria ist Tagesgeschäft, ebenso andere Infek-tionen, aber auch Bluthochdruck und Diabetes, Gelenkerkrankungen, Verlet-zungen sowie alle Fragen rund um die Reproduktivität spielen eine große Rolle. Geburten werden von den Hebammen in Eigenregie durchgeführt, sie beherr-schen auch die Indikationsstellung zur Sectio, die der lokale Chirurg Dr. Manah selbstverständlich durchführen kann. Ohne Arzt finden die Mütterberatungen statt, ein Ernährungsprogramm für un-terernährte Säuglinge sowie die Famili-enplanung mit Ausgabe von Kontrazep-tiva und Einlage von subkutanen Hor-

monimplantaten. Dieses breite Spek-trum an Versorgung konnte das Hospital Bo innerhalb von zwei Jahren Betrieb aufbauen. Dann kam Ebola.

Umgang mit Ebola

Von der Weltöffentlichkeit zunächst nicht als Bedrohung wahrgenommen, war Ebola für Bo bereits im Frühjahr 2014 als Gefahr präsent, da von hier re-gelmäßiger Personenverkehr nach Gui-nea besteht, wo die Seuche Anfang 2014 ausbrach. Unser Team schützte sich notdürftig mit OP-Einmalkitteln, Mundschutz und Handschuhen sowie Temperaturmessung vor dem Eingang des Hospitals. Patienten mit Fieber wurden in das 70 km entfernte Kenema geschickt, wo in einem bestehenden S3-Forschungslabor für Lassa-Fieber das erste Ebola-Testlabor des Landes einge-richtet wurde. Die einfachen Schutz-maßnahmen bewirkten immerhin, dass unser Krankenhaus in der An-fangsphase der Epidemie weiter arbei-ten konnte. Anders als in vielen ande-ren Gesundheitseinrichtungen haben wir keinen einzigen Ebola-Krankheits-fall im Haus gehabt, weder bei Patien-ten noch beim Personal, was sicher auch an der von Anfang an erhöhten Vorsicht lag. Im August 2014, als die Krankheitszahlen auch in der Region Bo in die Höhe schnellten, mussten wir unser Hospital schließen. Die Gefahr

für Patienten und Personal war zu groß, zumal wir keinerlei Zugang zum Kauf neuer Schutzkleidung hatten. Die Lager in Sierra Leone waren allein der Versor-gung der Ebola-Stationen vorbehalten. Nicht einmal Handschuhe oder Mund-schutz waren für uns erhältlich. Hier wird die Ungleichbehandlung von gro-ßen und kleinen Hilfsorganisationen spürbar, wie wir sie immer wieder erle-ben. Dabei können kleine vor Ort eta -blierte Initiativen sehr effizient sein, wie der weitere Umgang unseres Teams mit Ebola zeigt.

Neue Aufgaben in der Epidemie

Unser Team vor Ort, geführt von Musa Bainda, legt angesichts der galoppieren-den Ebola-Epidemie nicht die Hände in den Schoß. Es nutzt seine Kenntnisse über Land und Leute und kooperiert mit den großen Hilfsorganisationen Welt-hungerhilfe und Action Medeor. Land-wirtschaft und Warenhandel brechen ein und verstärken die Not im Land. Mu-sa Bainda und sein Team besuchen Fa-milien von Ebola-Opfern, Waisenhäuser und abgeschiedene Dörfer, verteilen Nahrungsmittel und Medikamente. Pa-rallel informieren die Krankenschwes-tern über Ebola. Bei aller Anspannung findet Musa Bainda immer wieder Zeit, Bonbons an erwartungsvolle Kinder zu verteilen, die durch die Schließung aller

Gisela Bednarek vor Außenstelle Mile 91/Medikamentendepot

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Schulen und wiederkehrenden Ebola-Hausarrest verunsichert sind. Als Ange-hörige des eigenen Volkes, die sich um das Wohl der Bedürftigen kümmern, fin-det das Team Gehör und hat sicher dazu beigetragen, dass die Epidemie in der Re-gion Bo vergleichsweise rasch, im März 2015, zum Stillstand kam.

Ein Pionierprojekt in diesem Zusam-menhang ist das Post-Ebola-Care-Center (PECC) Bo, das unter Leitung von „Hilfe direkt“ mit der Welthungerhilfe und Action Medeor Anfang 2015 eröffnet

wurde, um überlebenden Ebola Opfern Zuflucht zu gewähren, die aufgrund ihrer Erkrankung von ihren Familien abge-lehnt und ausgeschlossen werden. Hin-tergrund ist der verbreitete Glaube an bö-se Geister im Zusammenhang mit der Krankheit sowie die Angst vor Anste-ckung. Im PECC erhalten die Ebola-Über-lebenden Verpflegung, Schulungen so-wie medizinische und psychologische Betreuung. Vom PECC aus wird versucht, den Kontakt zu den Familien anzubah-nen und ihre Vorbehalte abzubauen. Ne-ben der sozialen Ablehnung ist das häufi-ge Post-Ebolasyndrom (PES) mit Gelenk-schmerzen, Sehstörungen und Fatigue ein weiteres Hindernis für Überlebende, in ihr Leben vor der Krankheit zurück-zukehren. Das PES, das auch nach frühe-ren Ebola-Ausbrüchen beschrieben wur-de, ist bisher unzureichend untersucht, sodass derzeit lediglich symptomatische Behandlung möglich ist.

Kollaps des Gesundheitssystems

Eine allgemein wenig in der Öffent-lichkeit beachtete Katastrophe im Zusammenhang mit der Ebola-Epide-mie in Westafrika besteht darin, dass infolge einer hohen Rate an Ebola erkrankter Krankenschwestern und Ärzte (881 Erkrankte und 513 Todes-fälle allein in Sierra Leone) quasi das gesamte Gesundheitssystem außer-halb der Ebola-Stationen zusammen-

brach. Die Mütter- und Kindersterb-lichkeit stieg rasant, aber auch viele andere zuvor weithin behandelbare Krankheiten forderten Todesopfer. Diese sind in keiner Statistik geführt. Daher war unser Team vor Ort be-strebt, das Hospital bei Abebben der Epidemie so schnell wie möglich wie-der zu öffnen.

Wiedereröffnung des Gila-Hospitals

Auch an dieser Stelle haben wir erlebt, dass uns finanzielle Mittel aus offiziellen Ebola-Hilfsgeldern verwehrt blieben. Selbst im Anschluss an einen Fernseh-beitrag, der auf Wunsch des ZDF zum Thementag Ebola mit „Hilfe direkt“ in Oldenburg gedreht wurde, erhielten wir aus der bundesweiten Spendensumme nicht einen Cent. Und auch die Koope-

rationspartner, denen sich unser Per-sonal während der Epidemie zur Ver-fügung gestellt hatte, erübrigten für das Hospital keine weiteren Mittel. Die An-schubfinanzierung zur Wiedereröff-nung des Gila-Hospitals kam vielmehr allein aus Oldenburg. Dr. Dirk Tenzer, Geschäftsführer des Klinikums Olden-burg, reaktivierte die Patenschaft „5 für Bo“. Mit einem großen Spendenlauf Ol-denburg-Groningen und weiteren Ak-tionen kam die erforderliche Summe zu-sammen.

Nachdem wir aus Oldenburg per Container in Eigenregie Nachschub an Desinfektionsmitteln, Schutzkleidung und anderes medizinisches Verbrauchs-material nach Sierra Leone verschifft hatten und die Ebola-Epidemie sich auf wenige Hot Spots um die Hauptstadt Freetown zurückgezogen hatte, öffnete das Gila-Hospital am 1. Juni 2015 er-neut. Ein Arzt konnte so schnell nicht gewonnen werden und so konzentrie-ren sich die Schwestern und Hebammen bisher auf die Gesundheit von Müttern und Kindern mit Schwerpunkt Geburts-hilfe. Täglich werden im Gila-Hospital wieder Kinder geboren, mit der Mög-lichkeit der Sectio bei Komplikationen. Die Mütter- und Kindersterblichkeit im Hause geht gegen Null. Zum Schutz des Personals wurden bisher alle Schwange-ren zuvor auf Symptome wie Fieber ge-prüft und bei Unklarheit zur Ebolates-tung bei „Ärzte ohne Grenzen“ in Bo weiter vermittelt. Diese Station wird al-lerdings in Kürze geschlossen. Die Mög-lichkeit eigener Ebola-Testung mit neu entwickelten Schnelltests ist uns derzeit noch nicht möglich.

Ende der Epidemie

Der derzeit letzte Ebolafall in Sierra Leo-ne datiert vom 13. September 2015 und trat im Distrikt Bombali im Norden des Landes nahe der Grenze zu Guinea auf, das weiterhin neue Fälle verzeichnet. Ein über ganz Westafrika verbreitetes Überwachungsnetzwerk versucht, neue Fälle aufzuspüren, alle Kontaktpersonen zu überwachen sowie im Rahmen einer Phase-2-Studie mit dem neuen Ebo-laimpfstoff rVSV-ZEBOV zu immunisie-ren. Es besteht Anlass zur Hoffnung, dass die bisher schlimmste Ebola-Epide-mie der Geschichte Westafrikas mit ca. 28.400 Erkrankten (Sierra Leone 14.000)

Dr. Nicole Gorris-Vollmer mit Patient Abu

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Dr. med. Nicole Gorris-Vollmer

Ärztin für Allgemeinmedizin

Waffenplatz 1

26122 Oldenburg

[email protected]

www.hilfe-direkt.info

www.praxis-gorris.de

Korrespondenzadresseund 11.300 Todesfällen (Sierra Leone 4.000) bald besiegt sein wird. Jedoch muss, so der Konsens unter Experten, in Westafrika mit neuen Ausbrüchen ge-rechnet werden. Die Regenzeit dieses Sommers war ungewöhnlich heftig mit der schwersten Überschwemmung, die seit Jahren vor allem die Hauptstadt

Freetown getroffen hat. Dieses Land braucht dringend unsere Unterstüt-zung, um nach der Ebolaepidemie wie-der aufzustehen.

Ende Oktober reist der erste deut-sche Arzt nach Ebola, Dr. Eberhard For-kel aus Hamburg, nach Bo. Er blickt ne-ben seiner langjährigen deutschen Pra-

xistätigkeit auf umfangreiche Erfahrung in Afrika zurück. Unter seiner Leitung wird nun die Patientenversorgung wie-der in vollem Umfang aufgebaut. Wir hoffen, auch in Zukunft ausreichend Kollegen und Kolleginnen mit hoher Kompetenz und Motivation für diese Aufgabe zu finden. Solange Ebola im Land war, galt für Ärzte nach Rückkehr in Deutschland die dringende Empfeh-lung einer dreiwöchigen Arbeitskarenz, entsprechend der Inkubationszeit. Diese wird jedoch fallen, wenn Sierra Leone als Ebola-frei erklärt wird. Zwei Inkuba-tionszeiten, also 42 Tage nach dem letz-ten Fall, sind hierfür notwendig (die WHO erklärte Sierra Leone offizell am 8.11.2015 für Ebola-frei, Anm. der Hrsg.).

Interessierte Kollegen informiert die Autorin und Allgemeinärztin, Dr. Nicole Gorris-Vollmer, gern. Sie war selbst bis-her dreimal in Bo im Einsatz und leitet von deutscher Seite den medizinischen Betrieb des Hospitals.

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Vorbereitung auf einen Arbeitseinsatz im Ausland

Silvia GolembiewskiWer im Ausland medizinisch arbeiten möchte, findet sich einer Bandbreite an Krank-

heitsbildern ausgesetzt, die im deutschen Arbeitsalltag kaum noch relevant sind. Mala-

ria wird zur täglichen Aufgabe, parasitäre Erkrankungen sind stets zu vermuten und

die kindliche Mangel- und Fehlernährung mit allen einhergehenden Infektionen ist

täglich präsent.

Die „Akademie für Globale Gesundheit und Entwicklung“ (AGGE) bietet daher Vor-

bereitungskurse in Tropenmedizin und Public Health für medizinische Fachkräfte an,

sowie auf Anfrage auch Counselings zur Arbeit in Westafrika im Kontext von Ebola. Alle

Kurstermine sowie allgemeine Informationen zu den Ausreise- und Einsatzmöglichkei-

ten finden sich online auf der Homepage der Akademie: www.agge-akademie.de

Die AGGE ist ein Zusammenschluss der Fortbildungsangebote zu Tropenmedizin und

Public Health des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission e.V. (Difäm) in Tübingen,

des Instituts für Public Health der Universität Heidelberg und des Missionsärztlichen

Institut Würzburg.

Kontakt

Silvia Golembiewski, Koordinatorin der AGGE

Mohlstraße 26, 72074 Tübingen

[email protected], www.agge-akademie.de

Ständig aktualisierte Veranstaltungstermine von den „Tagen der Allgemeinmedizin“ finden Sie unter

www.tag-der-allgemeinmedizin.de

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Tod auf Rezept? Medizinethische Überlegungen zur ärztlichen SuizidassistenzDeath on Prescription? Reflections on Physician Assisted Suicide from the Viewpoint of Medical EthicsFlorian Bruns1, Sandra Blumenthal2, Gerrit Hohendorf3

1 Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin 2 Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Berlin, und Doktorandin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 3 Institut für Geschichte und Ethik der Medizin und Abteilung für Klinische Toxikologie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München Peer reviewed article eingereicht: 07.10.2015, akzeptiert: 03.12.2015 DOI 10.3238/zfa.2016.0024–0027

Zusammenfassung: Im Nachgang der Debatte um den ärztlich assistierten Suizid widmet sich unser Beitrag der ärztlichen Handlungspraxis am Lebensende. Die wenigen vorhandenen Daten deuten darauf hin, dass Hausärzte nur selten Suizidassistenz leisten. Nach einem Blick auf die aktuelle Rechtslage erläutern wir, welche medizinethi-schen Argumente gegen eine gesetzliche Liberalisierung der Suizidbeihilfe sprechen. Da Sterbebegleitung zu den genuin hausärztlichen Aufgaben zählt, plädieren wir au-ßerdem für eine stärkere Sichtbarkeit der Allgemeinmedi-zin in der Diskussion über ärztliches Handeln am Lebens-ende und den Umgang mit Sterbewünschen von Patien-ten.

Schlüsselwörter: Ärztlich assistierter Suizid; Medizinethik; Sterbebegleitung; Allgemeinmedizin

Summary: Following the recent debate on physician as-sisted suicide in Germany we take a look at physicians’ end-of-life practices. The few existing data suggest that family practitioners only rarely provide assisted suicide. At first, we outline the current legal situation. Secondly, we argue why we consider an official approval of physician assisted suicide a danger for both medical ethos and so-cial solidarity. Since end-of-life care is a domain of the family practitioner we advocate a stronger involvement of family medicine in the discussion about physician assisted suicide.

Keywords: Physician Assisted Suicide; Medical Ethics; End-of-Life Care; Family Medicine

Hintergrund

Der Umgang mit suizidalen Patienten stellt Hausärzte# vor besondere Heraus-forderungen. Der Besuch beim Haus-arzt ist oft der letzte Arztkontakt im Le-ben eines suizidwilligen Menschen: Et-wa jeder zweite Suizident hatte in den vier Wochen vor seinem selbst gewähl-ten Tod Kontakt zu einem Arzt der Pri-märversorgung [1]. Einen Ausschnitt aus dieser Problematik bilden Patien-ten, die ihren Arzt mit der Bitte um Beihilfe zum Suizid konfrontieren. Empirische Daten zeigen, dass die

Mehrzahl solcher Wünsche nach Sui-zidassistenz durch die Angst vor Auto-nomieverlust, Abhängigkeit und Pfle-gebedürftigkeit auf dem Boden einer schweren Erkrankung motiviert ist. Subjektiv nicht erträgliches körper-liches Leiden spielt quantitativ dem-gegenüber eine geringere Rolle [2, 3]. Das hausärztliche Verhalten gegen-über Patienten, die den Wunsch nach Suizidassistenz äußern, ist bislang kaum untersucht. Die wenigen vor-handenen Studien zur Situation in Deutschland deuten auf eine eher zu-rückhaltende Handhabung der Suizid-assistenz durch Hausärzte hin. Nur ei-ne Minderheit, so das Ergebnis einer Göttinger Studie aus dem Jahr 2002,

würde tatsächlich Suizidbeihilfe leis-ten, wobei die prinzipielle Akzeptanz einer solchen Maßnahme höher ist [4]. Eine ähnliche Diskrepanz zwischen grundsätzlicher Bereitschaft zur Sui-zidassistenz und weitgehender Ableh-nung in praxi scheint für die deutsche Ärzteschaft insgesamt zu gelten. In ei-ner nicht repräsentativen Umfrage un-ter Ärzten aller Fachrichtungen (darun-ter 14 % Allgemeinmediziner) konnten sich 40 % theoretisch vorstellen, ärztli-che Suizidassistenz zu leisten, nur 0,3 % haben dies jedoch bereits prakti-ziert. 42 % konnten sich eine ärztliche Suizidassistenz unter keinen Umstän-den vorstellen, 18 % waren unent-schieden [5]. Eine Befragung der Deut-

# Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die getrennte Erwähnung beider Geschlechter verzichtet. Es sind stets beide Geschlechter gemeint.

DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE

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schen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie ergab, dass von 775 be-fragten Onkologen lediglich 1 % in ih-rem bisherigen Berufsleben einem Pa-tienten ein Rezept für Medikamente zur Selbsttötung ausgestellt haben. 13 % wurden bereits einmal mit einer solchen Bitte konfrontiert [6].

In Deutschland bieten einzig der Verein „Sterbehilfe Deutschland“ (StHD) sowie einzelne Ärzte oder Laien professionelle Suizidbeihilfe an. Da der Deutsche Bundestag am 6. Novem-ber 2015 ein Verbot der geschäftsmäßi-gen Förderung der Suizidbeihilfe be-schlossen hat, ist im Bereich der orga-nisierten Sterbehilfe mit Veränderun-gen zu rechnen. StHD hat ausweislich der publizierten Berichtsbände zwi-schen 2011 und 2014 in Deutschland 118 suizidwilligen Menschen bei der Selbsttötung geholfen [7: 9]. Wie viele Menschen darüber hinaus die Suizid-beihilfe einzelner Personen oder aus-ländischer Sterbehilfeorganisationen in Anspruch genommen haben, ist nicht exakt zu bestimmen.

Der Wunsch eines Patienten nach Suizidassistenz stellt Ärzte vor große moralische aber auch juristische He-rausforderungen. Wir werden im Fol-genden einige grundsätzliche medizin -ethische Überlegungen zum ärztlich assistierten Suizid anstellen und darü-ber hinaus mögliche Implikationen für die Allgemeinmedizin diskutieren.

Strafrecht versus Standesrecht

Äußern Patienten den Wunsch nach ärztlicher Beihilfe zum Suizid, tun sich neben ethischen auch juristische Fra-gen auf, die durch eine widersprüchli-che Rechtslage nicht einfacher wer-den. Anders als die sogenannte „aktive Sterbehilfe“, die als Tötung auf Verlan-gen einen Straftatbestand darstellt (§ 216 StGB), ist die Beihilfe zum Suizid in Deutschland – anders als in den meisten europäischen Ländern – nicht unter Strafe gestellt. Voraussetzung für die Straflosigkeit ist, dass die Tat frei-verantwortlich erfolgt und die Tatherr-schaft im Moment der Selbsttötung –

im medizinischen Kontext etwa die Einnahme eines tödlichen Medika-ments oder das Starten einer Infusion – allein beim Suizidenten liegt [8]. Psy-chische Erkrankungen können die Freiverantwortlichkeit des Suizidenten einschränken. Während bei der Selbst-tötung anwesende Angehörige oder Ärzte früher regelmäßig als Garanten des Lebens der Suizidenten angesehen wurden, die spätestens bei Eintreten der Bewusstlosigkeit zur Lebensret-tung verpflichtet seien, geht heute die unter Juristen überwiegend vertretene Meinung von einer prinzipiellen Straf-losigkeit der Beihilfe zum freiverant-wortlichen Suizid aus [9: 40].

Im Kontrast dazu steht eine 2011 vom Deutschen Ärztetag in Kiel be-schlossene Änderung der Muster-berufsordnung für Ärzte, nach der Ärz-ten die Beihilfe zum Suizid erstmals ausdrücklich untersagt ist.* Über den dadurch entstandenen Gegensatz zwi-schen Strafrecht und Berufsrecht wird bis heute intensiv diskutiert, zumal nur die Hälfte aller Landesärztekam-mern das Verbot der Suizidbeihilfe in dieser strikten Formulierung über-nommen haben.

Unstrittig und 2010 durch ein Ur-teil des Bundesgerichtshofs bestätigt ist die Zulässigkeit der sogenannten passiven Sterbehilfe durch Unterlas-sen, Begrenzen oder Beenden einer Be-handlung, sofern dies dem Patienten-willen entspricht.** Unter dieser Be-dingung ebenfalls erlaubt ist die Gabe potenziell lebensverkürzender Medi-kamente mit dem alleinigen Ziel der Symptomlinderung (sogenannte „in-direkte Sterbehilfe“), gegebenenfalls auch in Form einer palliativen Sedie-rung. Diese Formen ärztlicher Sterbe-begleitung – Symptomlinderung sowie Behandlungsverzicht bei fehlender In-dikation oder entsprechendem Patien-tenwillen – sind inzwischen im statio-nären wie ambulanten Bereich weit verbreitet. Nichtsdestotrotz treten auch hierbei immer noch erhebliche Unsicherheiten auf, etwa wenn es um die Ermittlung des mutmaßlichen Pa-tientenwillens geht oder die medizini-sche Indikation für bestimmte Maß-nahmen am Lebensende zu klären ist.

Bewertung ärztlicher Suizid-beihilfe aus ethischer Sicht

Die moralische Bewertung der Selbst-tötung und der Beihilfe hierzu beschäf-tigt die Ethik seit der Antike [10]. Man-chen gilt der Suizid als Zeichen persönli-cher Freiheit, gleichsam als letzter Aus-druck von unbeschränkter Autonomie und Unabhängigkeit des gesunden ebenso wie des kranken Menschen. Der Kantischen Philosophie folgend sehen andere in der Selbsttötung gerade eine radikale Absage an die eigene Freiheit, da der Mensch mit seinem Leben und seiner Zukunft zugleich die Grundlage seiner Freiheit zerstöre. So unterschied-lich die Meinungen über den Suizid auch sind, so wenig wird doch bestrit-ten, dass er stets auch als soziales Phä-nomen zu betrachten ist. Kaum jemand stirbt für sich allein, und in vielen Fäl-len lässt ein Suizid traumatisierte Ange-hörige oder anderweitig Involvierte mit quälenden Fragen zurück. Ob diese Be-gleitfolgen ein moralisches Urteil über den Suizidenten und seine Tat rechtfer-tigen, lässt sich keineswegs pauschal be-antworten. Entscheidend für die ethi-sche Beurteilung der ärztlichen Suizid-assistenz ist denn auch weniger die Selbsttötung an sich, sondern die Tatsa-che, dass hier ein ärztlicher „Helfer“ hinzutritt, der die Handlung unter-stützt, anleitet und dadurch zumindest implizit auch gutheißt [11: 347]. Eine ärztliche Intervention bedarf stets einer medizinischen Indikation, die nur durch einen Arzt zu stellen ist. Der Pa-tientenwille allein kann keine ärztliche Handlung begründen. Um eine Indika-tion zur ärztlichen Suizidassistenz stel-len zu können, wäre die Übernahme und Bestätigung der negativen Lebens-bewertung des Patienten durch den Arzt unvermeidlich. Die Autonomie des Pa-tienten, die oft zur Verteidigung ärzt-licher Suizidbeihilfe ins Feld geführt wird, trägt zur Indikationsstellung nichts bei [12]. Erst die Umwandlung der Selbsteinschätzung des Suizidenten in eine medizinische Indikation würde die formale Voraussetzung für eine ärzt-liche Handlung schaffen. Alternativ könnte der Arzt versuchen, die Indikati-on objektiv aus der Situation des Patien-

*„Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ § 16 der Musterberufsordnung für Ärzte in der Fassung des 118. Ärztetages 2015 in Frankfurt am Main, abrufbar unter www.bundesaerztekammer.de.

** Vgl. die Leitsätze im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.6.2010, BGH 2 StR 454/09.

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ten abzuleiten, indem er diese Situation als nicht lebenswert einstuft. In beiden Fällen stünde am Ende aber ein aus ethi-scher Sicht grundsätzlich problemati-sches Urteil über den Wert bzw. den Un-wert menschlichen Lebens.

Hinzu kommt die Gefahr, dass al-lein die fachliche Autorität und der Ex-pertenstatus eines Arztes, der sich zur Suizidassistenz bereit erklärt, die Motive des sterbewilligen Patienten verstärken bzw. eventuelle letzte Zweifel beseitigen könnten [11: 348].

Die Befürworter des ärztlich assis-tierten Suizids begründen ihre Haltung in erster Linie mit der Achtung vor der Selbstbestimmung des Patienten. Gleichzeitig knüpfen auch sie die Sui-zidbeihilfe an bestimmte Voraussetzun-gen wie etwa das Vorliegen einer tödli-chen Erkrankung. Doch wie selbst-bestimmt ist ein Suizid, der am Ende auf die Zustimmung und die Dienste eines Arztes angewiesen ist? Es ist ein Wider-spruch, die Suizidassistenz als För-derung der Patientenautonomie zu be-zeichnen, sie aber gleichzeitig von ei-nem ärztlichen Urteil bzw. bestimmten Diagnosen abhängig zu machen [13: 130–132].

Nicht zuletzt gilt es, die gesellschaft-liche Dimension ärztlicher Suizidbeihil-fe zu beachten. Wer den Suizid als nach-vollziehbaren Akt deklariert, wer ihn gar per Gesetz zur wählbaren ärztlichen Leistung macht, sendet ein fatales Sig-nal an alte, schwache oder depressive Patienten. Wie ließe sich ausschließen, dass Menschen in Lebenskrisen, die zweifeln, ob ihr Leben noch einen Wert hat und ob sie anderen nicht nur noch zur Last fallen, dann nicht erst recht in die Verzweiflung getrieben würden?

Diese und andere Bedenken gegen eine Liberalisierung der ärztlichen Sui-zidbeihilfe müssen nicht in ein katego-risches Verbot münden. Es sind Situa-tionen denkbar, in denen es angesichts unerträglichen körperlichen Leidens moralisch vertretbar sein mag, Patien-ten, die von ihrer Selbsttötungsabsicht nicht abgebracht werden können, auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Für die-sen Handlungsspielraum plädiert etwa der Deutsche Ethikrat. Wenn ein Arzt die Suizidhilfe in solchen Ausnahmefäl-len nach gründlicher Überlegung vor seinem Gewissen rechtfertigen kann, sollte dies weder straf- noch berufs-rechtlich geahndet werden. Einen An-

spruch auf ausdrückliche Legitimation solcher Einzelfälle durch den Gesetz-geber verneint der Ethikrat. Ärztliche Suizidassistenz würde damit zu einer therapeutischen Option und damit zur Normalität erklärt [14].

Nicht nur Patienten, auch Ärzte gilt es, vor einer solchen Normalität zu schützen. Der Impuls, angesichts eige-ner therapeutischer Ohnmacht das Le-ben des Patienten zur Disposition zu stellen, führt auf einen gefährlichen Weg – auch dann, wenn der Kranke selbst der Impulsgeber sein sollte. Das am 6. November 2015 vom Deutschen Bundestag beschlossene Verbot der ge-schäftsmäßigen Förderung der Suizid-beihilfe geht einen Mittelweg: Es er-teilt dem auf Wiederholung und Regel-mäßigkeit ausgerichteten Suizidhilfe-angebot von Sterbehilfeorganisatio-nen und einzelnen Sterbehelfern eine Absage und soll so einer gesellschaftli-chen Normalisierung von Suizidbeihil-fe entgegenwirken. Zugleich werden Angehörige und nahestehende Per-sonen von der Strafbarkeit der Suizid-beihilfe ausgenommen. Ärzten, die im Rahmen einer vertrauensvollen Arzt-Patient-Beziehung trotz der oben ge-nannten prinzipiellen Gegenargumen-te in Einzelfällen die Suizidbeihilfe in Erwägung ziehen, bleibt Raum für in-dividuelle Gewissensentscheidungen [13: 47–58].

In der Medizinethik ist die Patien-tenautonomie zwar ein wichtiges, aber kein absolutes Prinzip. Sie ist stets ge-genüber anderen Prinzipien, wie etwa dem ärztlichen Nichtschadensgebot (primum nil nocere), abzuwägen. Auch das Gerechtigkeits- bzw. Gleichbehand-lungsgebot wäre im Kontext ärztlicher Suizidbeihilfe zu berücksichtigen. Pa-tienten, die körperlich oder geistig nicht mehr in der Lage sind, eine Suizid-handlung zu begehen, etwa weil sie das Glas mit der tödlichen Substanz nicht mehr selbst trinken können, wären zu-mindest formal benachteiligt. Solche Fälle zögen unweigerlich die Forderung nach sich, auch die aktive Sterbehilfe, also die Tötung durch Ärzte, zu legalisie-ren, um auch gelähmten oder anderwei-tig beeinträchtigten Menschen ihren Todeswunsch erfüllen zu können. An dieser Stelle tritt die kaum zu verhin-dernde Ausweitungstendenz einer wei-teren Liberalisierung der ärztlichen Sui-zidassistenz deutlich hervor.

Es zeigt sich zudem, dass gerade die-jenigen Patienten, auf die in der öffent-lichen Debatte um den ärztlich assistier-ten Suizid in erster Linie verwiesen wird, nämlich Patienten am Lebens-ende mit schwer behandelbaren Symp-tomen, vergleichsweise selten Suizid-beihilfe nachfragen oder in Anspruch nehmen. Daten aus Oregon, wo Ärzte Medikamente zur Selbsttötung ver-schreiben dürfen, belegen, dass es vor allem psychosoziale Motive sind, mit denen Betroffene ihren geplanten Sui-zid begründen. Dazu zählen der Verlust von Lebensperspektiven, die Angst, an-deren zur Last zu fallen oder die Sorge vor Autonomieverlust. Die unzurei-chende Kontrolle von Schmerzen oder die Angst davor findet sich dagegen deutlich seltener als Motiv [2]. Kritisch diskutiert werden auch die möglichen Auswirkungen des sogenannten „Death with Dignity Acts“ auf vulnerable Be-völkerungsgruppen [15].

Unter den Menschen, die in Deutschland auf Sterbehilfevereine zu-gehen, leidet ebenfalls nur eine Min-derheit an palliativmedizinisch unzu-reichend behandelbaren Symptomen oder befindet sich in Todesnähe. Häufi-ger finden sich Motive wie Angst vor Pflegebedürftigkeit, die Ablehnung un-würdiger Zustände in Alters- und Pfle-geheimen, Hoffnungslosigkeit, Ein-samkeit oder eine generelle Lebens-müdigkeit [3, 7].

Zur Rolle des Hausarztes am Lebensende

Bislang fehlt es an hausärztlichen Per-spektiven zur ärztlichen Suizidbeihilfe. Dabei sind es vor allem Hausärzte, die Menschen beim Sterben begleiten, sei es in häuslicher Umgebung oder – zuneh-mend häufiger – in Pflegeheimen [16, 17]. Mehr als bisher und unabhängig vom Problem der Suizidbeihilfe sollte herausgestellt werden, dass der von den Befürwortern einer liberalen Regelung oft zitierte „Qualtod“ [18] glücklicher-weise eine Ausnahme darstellt [19: 25]. Diese Tatsache wieder stärker im öffent-lichen Bewusstsein zu verankern, könn-te dazu beitragen, Ängste in der Bevöl-kerung abzubauen und dem Eindruck entgegenzuwirken, ein Sterben ohne Leiden sei nur mit vorzeitiger Lebens-beendigung möglich.

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Dr. med. Florian Bruns, M.A.

Institut für Geschichte der Medizin und

Ethik in der Medizin

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Thielallee 71

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Telefon: 030 450529045

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Korrespondenzadresse

Trotzdem muss die in den letzten zehn Jahren vielfach schon deutlich ver-besserte, qualifizierte multiprofessionel-le Palliativbetreuung durch miteinander vernetzte Pflegende, primär behandeln-de Ärzte (und wo nötig Spezialisten) künftig weiter entwickelt und lückenlos verfügbar werden, im ambulanten wie im stationären Bereich und insbesonde-re auch in Heimeinrichtungen.

Insgesamt findet die Perspektive der Hausärzte, obwohl gerade sie die ganz-heitliche Betreuung älterer, chronisch kranker, nicht selten lebensmüder Pa-

tienten sicherstellen, in der öffent-lichen Debatte über den ärztlich assis-tierten Suizid zu wenig Berücksichti-gung [20]. Mit ihrer häufigen Kenntnis des psychosozialen Hintergrunds der Patienten kommt Hausärzten zudem ei-ne wichtige Rolle in der Suizidpräventi-on zu.

Angesichts dessen besteht unseres Erachtens nicht allein weiterer For-schungsbedarf zur hausärztlichen Handlungspraxis am Lebensende. Wir sehen auch die Notwendigkeit, die Be-deutung des hausärztlichen Wissens

und Wirkens bei der Betreuung Sterben-der vermehrt ins öffentliche Bewusst-sein zu rücken. Auch nach der Entschei-dung des Deutschen Bundestages, die geschäftsmäßige Förderung der Selbst-tötung zu verbieten, wird die Auseinan-dersetzung über ärztliches Handeln am Lebensende und den Umgang mit Ster-bewünschen von Patienten wichtig und notwendig sein.

Interessenkonflikte: keine angege-ben.

1. Luoma JB. Contact with mental health and primary care providers before suici-de: a review of the evidence. Am J Psy-chiatry 2002; 159: 909–916

2. Oregon Health Authority. Death with Dignity Act Annual Reports. Years 1–16 (1999–2014). https://public.health. oregon.gov/ProviderPartnerResources/EvaluationResearch/DeathwithDignity Act/Pages/ar-index.aspx (letzter Zugriff am 20.11.2015)

3. Hohendorf G. Auf der schiefen Ebene: Zur Praxis von Sterbehilfeorganisatio-nen in Deutschland. Z Lebensr 2014; 23: 52–57

4. Maitra RT, Harfst A, Bjerre LM, Kochen MM, Becker A. Do german general practitioners support euthanasia? Re-sults of a nation-wide questionnaire survey. Eur J Gen Pract 2005; 11: 94–100

5. Schildmann J, Dahmen B, Vollmann J. Ärztliche Handlungspraxis am Lebensende. Ergebnisse einer Quer-schnittsumfrage in Deutschland. Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: e1–e6

6. Freund M, Lüftner D, Wilhelm M (Hrsg.). Ärztlich assistierte Selbst-tötung. Umfrage zur ärztlichen Versor-gung von Krebspatienten. Ethische Überlegungen und Stellungnahme. Berlin: Vorstand der Deutschen Gesell-schaft für Hämatologie und Onkologie, 2015

7. Kusch R, Spittler JF. Der Ausklang. Leit-faden für Selbstbestimmung am Le-bensende. Norderstedt: Books on De-mand, 2014

8. Hillenkamp T. Suizidbeihilfe im Nah-feld – Der strafrechtliche Hintergrund. In: Anderheiden M, Eckart WU (Hrsg.). Handbuch Sterben und Menschenwür-de. Band 2. Berlin: Walter de Gruyter, 2012: 1033–1053

9. Gavela K. Ärztlich assistierter Suizid und organisierte Sterbehilfe. Heidel-berg: Springer, 2013

10. Höffe O. Der Tod von eigener Hand: Ein philosophischer Blick auf ein existen-tielles Problem. In: Bormann FJ, Bora-sio GD (Hrsg.). Sterben. Dimensionen eines anthropologischen Grundphäno-mens. Berlin: Walter de Gruyter, 2012: 411–427

11. Maio G. Mittelpunkt Mensch: Ethik in der Medizin. Stuttgart: Schattauer, 2012

12. Sahm S. Autonomie, ärztliche Indikati-on und Entscheidungsfindung. Das Spannungsfeld medizinischer Ent-scheidung. In: Charbonnier R, Dörner K, Simon S (Hrsg.). Medizinische Indi-kation und Patientenwille. Behand-lungsentscheidungen in der Intensiv-medizin und am Lebensende. Stuttgart: Schattauer, 2008: 121–131

13. Spaemann R, Hohendorf G, Oduncu FS. Vom guten Sterben. Warum es kei-nen assistierten Tod geben darf. Frei-burg: Herder; 2015

14. Deutscher Ethikrat. Zur Regelung der Suizidbeihilfe in einer offenen Gesell-schaft: Deutscher Ethikrat empfiehlt gesetzliche Stärkung der Suizidpräven-tion. Ad-hoc-Empfehlung. Berlin, 18.12.2014. www.ethikrat.org/dateien/pdf/empfehlung-suizidbeihilfe.pdf (letzter Zugriff am 20.11.2015)

15. Finlay IG, George R. Legal physician-as-sisted suicide in Oregon and The Net-herlands: evidence concerning the im-pact on patients in vulnerable groups – another perspective on Oregon’s data. J Med Ethics 2011; 37: 171–174

16. Götze H, Perner A, Gansera L, Brähler E. „Da kann man nicht auf die Uhr gu-cken“ – Interviews mit Hausärzten zur ambulanten Palliativversorgung von Tumorpatienten. Gesundheitswesen 2013; 75: 351–355

17. van Oorschot B, Schweitzer S. Ambu-lante Versorgung von Tumorpatienten im finalen Stadium. Dtsch Med Wo-chenschr 2003; 128: 2295–2299

18. Hintze P. Kein Zwang zum Qualtod (13.11.2014). www.sueddeutsche.de/news/leben/gesellschaft-peter-hintze-kein-zwang-zum-qualtod-dpa.urn-news ml-dpa-com-20090101–141113–99– 02637 (letzter Zugriff am 20.11.2015)

19. Borasio GD. Über das Sterben. Mün-chen: C.H. Beck, 2011

20. Abholz HH. Warum ist die Allgemein-medizin notwendig und was benötigt sie? Z Allg Med 2015; 91: 160–165

Literatur

... war als Arzt in der Inneren Medizin und in der Klinischen

Ethikberatung tätig. Seit 2012 arbeitet er als wissenschaftlicher

Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in

der Medizin an der Berliner Charité.

Dr. med. Florian Bruns, M.A. ...

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Einsatz der Neuen oralen Antikoagulanzien in HausarztpraxenUse of New Oral Anticoagulants in Primary Care PracticesMarkus Bleckwenn1, Karoline Dinkel1, Klaus Weckbecker1, Martin Mücke1,2,3

1 Institut für Hausarztmedizin, Medizinische Fakultät der Universität Bonn 2 Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Bonn 3 Zentrum für Seltene Erkrankungen Bonn (ZSEB), Universitätsklinikum Bonn Peer reviewed article eingereicht: 23.10.2015, akzeptiert: 02.12.2015 DOI 10.3238/zfa.2016.0028–0032

Hintergrund: Mit Einführung der Neuen oralen Antikoagu-lanzien (NOAK) im Jahr 2008 stehen für die Prävention von thromboembolischen Erkrankungen Alternativen zu den klas-sischen Vitamin-K-Antagonisten (VKA) zur Verfügung. Die vorliegende Studie überprüft anhand von Verordnungsdaten den Umgang der Hausärzte mit der neuen Substanzgruppe.Methoden: In zwölf Hausarztpraxen wurden 375 Patien-tenakten retrospektiv ausgewertet, bei denen innerhalb der letzten vier Jahre ein NOAK verordnet wurde. Bei den direkt auf ein NOAK eingestellten Patienten wurden der einge-setzte Wirkstoff und die Tagesdosis dokumentiert. Bei ei-nem Wechsel der Antikoagulation wurde die Einstellungs-qualität auf ein VKA bestimmt. Bei allen Patienten wurde nachvollzogen, wer die Ersteinstellung bzw. den Wechsel auf ein NOAK durchgeführt hatte.Ergebnisse: Es wurden 353 Patienten in die Studie einge-schlossen. Die meisten Patienten wurden direkt auf ein NOAK eingestellt. Die Ersteinstellung wurde häufig im stationären Setting durchgeführt. Bei 15 % wurde ein Wechsel von einem VKA zu einem NOAK vollzogen. Vor dem Wechsel lag bei 73 % eine labile Einstellung vor. Der Wechsel der Antikoagula-tion wurde überwiegend von Hausärzten initiiert. In fast allen untersuchten Fällen lag jedoch mindestens ein Grund (92 %), z.B. Alter/Multimorbidität, gegen den Einsatz eines NOAK vor.Schlussfolgerungen: Die NOAKs wurden häufig direkt oder bei Problemen unter VKA eingesetzt. Jedoch lagen bei vielen Patienten Gründe gegen den Einsatz dieser Wirkstoffgruppe vor. Daher sollten vor Therapiebeginn bzw. -wechsel sämtliche Möglichkeiten, wie die Optimie-rung einer VKA-Therapie, besprochen werden.

Schlüsselwörter: Antikoagulation; Hausarztpraxis; Vitamin-K-Antagonisten, Neue orale Antikoagulanzien; Vorhofflimmern

Background: With the introduction of new oral anti-coagulants (NOAC) in 2008 alternatives to the classical vitamin K antagonists (VKA) for the prevention of throm-boembolic disorders are available. Based on prescription data the present study examined handling of family prac-titioners with the new group of substances.Methods: In 12 primary care practices we retrospec-tively analysed 375 patient records whether a NOAC was prescribed within the last 4 years. We documented the active ingredient used and the daily dose where pa-tients received directly a prescription of NOACs. When changing the setting of anticoagulation quality was de-termined on a VKA. In all patients we looked at doctors who had carried out the initial setting or change to a NOAC.Results: 353 patients were included in the study. Most patients were directly set on a NOAC. The initial setting has been performed frequently in an inpatient setting. At 14 %, a change from a VKA to a NOAC was performed. Before changing 73 % were in an unstable setting. The change of anticoagulation was initiated mainly by family practitioners. In almost all cases there was at least one argument (92 %) against the use of a NOAC.Conclusions: NOACs were often used directly or when problems with VKA existed. However, we found reasons against the use of this drug class in many patients. Con-sequently, all options, such as the optimization of VKA therapy should be discussed before the start of therapy or change.

Keywords: Anticoagulation; Family Practice; Vitamin K Antagonists, New Oral Anticoagulants; Atrial Fibrillation

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER

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Hintergrund

Orale Antikoagulanzien werden zur Pri-mär- und Sekundärprophylaxe von thromboembolischen Erkrankungen ver-ordnet [1]. Bis zur Einführung der Neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) stan-den für die orale Antikoagulation (OAK) ausschließlich Vitamin-K-Antagonisten (VKA) zur Verfügung. 2008 wurden als erste Vertreter der NOAKs die Substanzen Dabigatran und Rivaroxaban zugelassen, dann folgten Apixaban 2012 und Edoxa-ban 2015. Bisher wurde kaum wissen-schaftlich untersucht, wie die Hausärzte die NOAKs einsetzten.

Durch die Einführung weiterer Anti-koagulanzien entsteht für die behandeln-den Ärzte die neue Situation, das für den Patienten optimale Antikoagulans aus-zuwählen. Bei den Fachgesellschaften be-steht Einigkeit darüber, dass Patienten, die seit Jahren stabil auf Phenprocoumon eingestellt sind, nicht von einem Thera-piewechsel profitieren würden [2–5]. Da-neben gibt es jedoch auch Patienten, bei denen es unter einer Therapie mit Phen-procoumon immer wieder zu INR-Schwankungen (Gerinnungseinstellung in der Einheit International Normalized Ratio) kommt oder Nebenwirkungen wie beispielsweise Blutungen auftreten. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinme-dizin und Familienmedizin (DEGAM) empfiehlt in diesen Fällen einen Wechsel von Phenprocoumon zu einem neuen Antikoagulans zu erwägen [2]. Jedoch be-steht in der Umstellungsphase ein erhöh-tes Risiko sowohl für Blutungen als auch für Thromboembolien. Ein Wechsel zu den NOAKs sollte auch nur dann erfol-gen, wenn keine Kontraindikationen vor-liegen. Diese sind das Vorhandensein ei-ner mechanischen Herzklappe, der Ein-satz einer dualen Thrombozytenaggrega-tionshemmung und eine schwere Nieren- oder Leberinsuffizienz [2]. Auch eine feh-lende Compliance unter VKA oder das Auftreten von Blutungen unter VKA im Zielbereich sind Gründe gegen den Ein-satz eines NOAK.

Bei den Patienten, die bisher keine Antikoagulation hatten, müssen die Ärzte sich zwischen dem Einsatz von Phenpro-coumon oder einem der neuen Anti-koagulanzien entscheiden. Die meisten Fachgesellschaften tendieren dabei zum Einsatz der NOAKs [3–5].

In der vorliegenden Studie sollte an-hand der Verordnungen geprüft werden,

wie Hausärzte die NOAKs einsetzen. Da-bei wurden folgende Fragestellungen un-tersucht:• Wie häufig werden NOAKs direkt einge-

setzt und wie oft wurde zuvor ein Vita-min-K-Antagonist zur Antikoagulation verwendet?

• Welche Qualität der Gerinnungseinstel-lung lag vor dem Wechsel von einem Vi-tamin-K-Antagonisten auf ein NOAK bei therapiebedürftigen Patienten vor?

• Wie häufig wird die Ein- bzw. Umstel-lung auf ein NOAK von Klinik- bzw. von Hausärzten initiiert?

• Welche Präparate wurden bei den NOAKs bevorzugt angewendet?

Methoden

Im Rahmen einer nicht-interventionel-len Beobachtungsstudie wurden nach ei-nem positiven Votum der Ethikkommis-sion der Universität Bonn 375 Patienten-akten retrospektiv ausgewertet. Dabei nahmen 22 Lehrärzte vom Institut für Hausarztmedizin der Universität Bonn aus insgesamt zwölf Hausarztpraxen teil.

Im Zeitraum von August 2014 bis Mai 2015 wurden Patienten eingeschlossen, die von 2011–2014 eines der drei NOAKs Rivaroxaban, Dabigatran oder Apixaban verordnet bekommen haben. Dazu wur-de zunächst mithilfe folgender Parameter eine Patientenliste mit der Praxissoftware erstellt: Verordnungen = Rivaroxaban oder Dabigatran oder Apixaban + Verord-nungszeitraum = 2011–2014. Die Patien-ten der erstellten Liste wurden einzeln im Praxissystem aufgerufen. Dabei wurde zu-nächst überprüft, ob eine Verordnung ei-

nes der drei Antikoagulanzien im unter-suchten Zeitraum vorlag. Wenn ein Pa-tient im Untersuchungszeitraum ein VKA eingenommen hatte, wurden zusätzlich die INR-Werte aus der elektronischen Ak-te entnommen. Wenn notwendig, wurde für die Datenerhebung auch die Papierak-te hinzugenommen. Die Daten aus den zugehörigen Patientenakten wurden nach vorausgehender Aufklärung und Einwilligung der Patienten unter Beach-tung des Datenschutzes anonymisiert ausgewertet.

Bei allen Patienten, bei denen eine Antikoagulation mit einem VKA vor der Umstellung auf ein NOAK durchgeführt wurde, wurde die Qualität der Einstellung vor dem Wechsel mit der traditionellen Methode (Anteil der Messungen inner-halb des Zielbereichs) überprüft [6]. Eine labile Einstellung wurde dokumentiert, wenn < 60 % der Messwerte im Ziel-bereich lagen [7]. Um die Qualität der Ein-stellung zwischen den Patienten besser vergleichen zu können, wurde bei allen Patienten die INR-Einstellung der letzten sechs Monate vor dem Präparatewechsel ausgewertet. Für diesen Zeitraum muss-ten mindestens vier INR-Werte in der Pa-tientenakte vorliegen. Außerdem sollte mit der Gabe eines VKA bereits vier Wo-chen vor Beginn des Beobachtungszeit-raumes begonnen worden sein, um Ver-fälschungen der Ergebnisse durch die ty-pischen INR-Schwankungen in der Ein-dosierungsphase zu vermeiden. Konnten diese Voraussetzungen nicht festgestellt werden, wurde der Patient für die Auswer-tung nicht berücksichtigt.

Bei den Patienten, die bereits zu The-rapiebeginn ein NOAK erhielten, wurde

Tabelle 1 Multimorbidität und Schlaganfallrisiko des Patientenkollektivs (n = 353)

Bleckwenn et al.:Einsatz der Neuen oralen Antikoagulanzien in HausarztpraxenUse of New Oral Anticoagulants in Primary Care Practices

Alter (in Jahren, M, SD)

Weibliches Geschlecht (%)

Anzahl Diagnosen (M, SD)

Anzahl an Medikamenten (gesamt, M, SD)

Hypertonie (%)

Diabetes mellitus (%)

Apoplex/TIA (%)

Koronare Herzkrankheit (%)

Herzinsuffizienz (%)

pAVK (%)

M = Mittelwert; SD = Standardabweichung; pAVK = periphere arterielle Verschlusskrankheit; TIA = Transitorische ischämische Attacke

73,3 (± 13,6)

48

3,4 (± 1,5)

4,9 (± 2,7)

70

33

20

33

20

5

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der Wirkstoff sowie die verordnete Tages-dosis notiert. Für alle untersuchten Pa-tienten wurden der Therapiegrund sowie die Komedikation dokumentiert. Außer-dem wurden alle für die Antikoagulation relevanten Komorbiditäten (Herzinsuffi-zienz; Hypertonie; Hyperlipidämie; Dia-betes mellitus; Vorhofflimmern; korona-re Herzerkrankung; Thrombose/Embolie; periphere arterielle Verschlusskrankheit; transitorische ischämische Attacke/Apo-plex; maligne Erkrankung) in die Daten-erhebung mit aufgenommen. Bei dem gleichzeitigen Auftreten von zwei oder mehr der aufgeführten Erkrankungen ha-ben wir die Patienten nach der Definition von van den Akker [8] als multimorbide eingestuft. Bei allen Verordnungen wur-den die Hausärzte gefragt, wer eine Erst -einstellung bzw. einen Wechsel veranlasst hatte. Die statistische Analyse wurde mit der Statistik- und Analysesoftware SPSS (SPSS 22, SPSS Inc., Chicago, IL, USA) durchgeführt.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 375 Patientenakten gesichtet; davon konnten jedoch 22 Pa-tienten nicht in die Studie eingeschlossen werden:• Drei Patienten lehnten die Einwilligung

zur Teilnahme an der Studie ab.• Bei sechs Patienten lagen außer einer

einmaligen Verschreibung eines NOAK keine weiteren Daten vor, da es sich um eine einmalige vertretungsweise Be-handlung gehandelt hatte.

13 Patienten erfüllten die Einschlusskrite-rien nicht:• Bei neun Patienten war die Dauer der

VKA-Einnahme zu kurz. • Bei vier Patienten lagen zu wenige INR-

Werte für eine Auswertung vor.

Bei einer Antikoagulation mit einem VKA wurde in 98 % der Fälle das Präparat Phenprocoumon eingesetzt. Das interna-

tional überwiegend eingesetzte Warfarin kam bei 2 % der untersuchten Patienten zum Einsatz. Der Zielbereich lag bei 98 % der untersuchten Patienten in einem INR-Bereich von 2,0–3,0. 2 % der Patien-ten hatten einen Ziel-INR von 2,5–3,5.

Von den 353 eingeschlossenen Pa-tienten erhielten 301 Patienten (85 %) di-rekt ein NOAK. Bei 52 Patienten (15 %) wurde ein Präparatewechsel von Phen-procoumon auf ein NOAK durchgeführt. Das Durchschnittsalter der eingeschlosse-nen Patienten betrug 73,3 Jahre mit ei-nem Frauenanteil von 48 %. Die Alters-spanne der Patienten lag zwischen 22 und 97 Jahren. Der Großteil der Patienten (88 %) ließ sich als multimorbide einstu-fen (Tab. 1).

Die häufigsten Indikationen für eine Antikoagulation waren das Vorhofflim-mern (72 %), die Thrombose/Embolie (18 %) und die Thromboembolieprophy-laxe bei elektiven Hüft-/Knie-OPs (5 %). Die dabei verwendeten NOAKs waren Ri-varoxaban: 248 Patienten (70 %), Dabiga-tran: 79 Patienten (22 %) und Apixaban: 26 Patienten (8 %). In 167 Fällen (47 %)

bekamen die Patienten eine reduzierte Dosis: Rivaroxaban: 105 (42 %), Dabiga-tran: 50 (63 %) und Apixaban: 12 (46 %). Die Verordnung der reduzierten Dosen wurde von den Hausärzten: 61 (36 %), Krankenhäusern: 90 (54 %) und Fachärz-ten: 16 (10 %) durchgeführt. Bei den Pa-tienten mit einer reduzierten Dosis lag bei 18 (11 %) eine mittelschwerer bzw. schwerer Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance < 50 ml/min) vor.

Bei einem Präparatewechsel von ei-nem VKA zu einem NOAK lag in 73 % al-ler Fälle eine labile INR-Einstellung vor. Die Patienten wurden vor dem Wechsel im Durchschnitt über 3,6±2,9 Jahre mit einem VKA antikoaguliert. Die häufigsten Gründe für den Wechsel waren eine schlechte Einstellbarkeit mit einem VKA trotz guter Compliance (29 %), das Auf-treten eines Blutungsereignisses (ohne Angabe des Schweregrades) unter einer VKA-Therapie (19 %), eine anstehende OP (17 %) sowie eine mangelnde Compli-ance (15 %). Ein Wechsel von einem VKA zu einem NOAK wurde überwiegend durch den behandelnden Hausarzt durchgeführt (Tab.2). Fünf Patienten (10 %) wurde nach dem Wechsel zu ei-nem NOAK erneut auf ein VKA einge-stellt.

Die direkte Einstellung erfolgte vor al-lem im stationären Setting (Tab. 2). In 30 Behandlungsfällen (10 %) wurde nach der Ersteinstellung auf ein NOAK der Wechsel auf ein VKA durchgeführt. Wer den zweiten Präparatewechsel durch-geführt hat und welche Gründe dafür vorlagen, wurde in unserer Studie nicht dokumentiert.

Bei der Betrachtung des Patientenkol-lektivs in unserer Studie fiel auf, dass un-ter Berücksichtigung der DEGAM-Leit-linie bei fast allen Teilnehmern (92 %) mindestens ein Grund gegen den Einsatz eines NOAK vorlag (Tab. 3).

Diskussion

Die Patienten wurden überwiegend im Krankenhaus/vom Facharzt direkt auf eines der NOAKs eingestellt. Die Haus-ärzte setzen die NOAKs vorwiegend dann ein, wenn eine labile Einstellung unter Phenprocoumon vorlag oder Komplikationen auftraten.

Dabei scheinen die Klinikärzte sich an den Leitlinienempfehlungen zu ori-entieren und den Einsatz eines NOAK zu

Tabelle 2 Ort der Durchführung eines Wechsels der Antikoagulation von einem VKA zu einem

NOAK (n = 52) und der direkten Einstellung auf ein NOAK (n = 301)

Tabelle 3 Vorliegen von Gründen gegen

den Einsatz [2] eines NOAK

Bleckwenn et al.:Einsatz der Neuen oralen Antikoagulanzien in HausarztpraxenUse of New Oral Anticoagulants in Primary Care Practices

Wechsel VKA/NOAK (n (%))

Direkte Einstellung NOAK (n (%))

Hausarzt

37 (71 %)

81 (27 %)

Krankenhaus

12 (23 %)

187 (62 %)

Spezialist

3 (6 %)

33 (11 %)

Alter > 80 Jahre (%)

Körpergewicht < 60 kg (%)

Niereninsuffizienz (%)

Polymedikation (%)

Unsichere Therapietreue (%)

TAH-Einnahme (%)

NSAR-Einnahme (%)

Multimorbidität (%)

Z.n. Magenulkus/ Magenblutung (%)

TAH = Thrombozytenaggregationshemmer; NSAR = Nichtsteroidales Antirheumatikum; Multimorbidität = ≥ 2 chronische Erkrankungen; Polymedikation = ≥ 3 Dauermedikamente

38

Nicht untersucht

9

82

Nicht untersucht

10

12

88

Nicht untersucht

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31

Dr. med. Markus Bleckwenn

Institut für Hausarztmedizin, Universitäts-

klinikum Bonn,

Sigmund-Freud-Straße 25

53127 Bonn

Tel.: 0228 287-11156

[email protected]

Korrespondenzadresse

präferieren. Daneben sparen die Klini-ken durch die Möglichkeit des schnellen An- und Absetzens der NOAKs Zeit. Da-bei scheinen die NOAKs „kontrollier-barer“ als die VKA zu sein. Jedoch ist weiterhin kein Antidot für die NOAKs zugelassen und es gibt keinen Labor-parameter, der die Wirksamkeit der NOAKs anzeigt.

In unserer Studie zeigte sich bei den Verordnungen eine deutliche Tendenz zum Einsatz von Rivaroxaban. Dies könnte daran liegen, dass Rivaroxaban im Gegensatz zu den anderen beiden untersuchten Präparaten nur einmal täglich vom Patienten eingenommen werden muss. Außerdem ist der deutli-che Unterschied in den Verschreibungs-zahlen ein Hinweis dafür, dass die Mar-ketingstrategie bei Rivaroxaban am er-folgreichsten war. Bei der dokumentier-ten Tagesdosierung fällt jedoch auf, dass in fast der Hälfte der Fälle eine reduzierte Dosis von den Hausärzten verordnet worden ist. Dies könnte ein Hinweis da-für sein, dass den Hausärzten das mögli-che Komplikationsrisiko durch Alter und Multimorbidität bekannt ist und sie durch eine geringere Dosierung das Risi-ko verringern möchten. Jedoch ist die einzige zwingende Indikation für die Verordnung einer reduzierten Dosis das Vorhandensein einer mittelschweren bzw. schweren Niereninsuffizienz (Krea-tinin-Clearance < 50 ml/min). Dieses Kriterium erfüllten jedoch nur 11 % der von uns untersuchten Patienten. Dahin-ter könnte zudem ein Sicherheitsgedan-ke stecken, dass sich z.B. eine Nierenin-suffizienz durch einen Infekt wie eine Gastroenteritis akut verschlechtern könnte. Die Entscheidung, aus reinen Sicherheitsgründen eine Volldosierung bei alten Patienten zu vermeiden, ist je-doch nicht durch die Zulassungskrite-rien der Präparate abgedeckt und damit off-label.

Die Entscheidung für den Einsatz ei-nes NOAK wurde häufig nicht vom

Hausarzt getroffen. Allerdings wurde in 10 % der Fälle ein erneuter Wechsel auf ein VKA durchgeführt. Gründe dafür könnten wiederum Sicherheitsbeden-ken oder Probleme unter der Einnahme eines NOAK gewesen sein.

Generell sind die Patienten in Deutschland [9] im Vergleich zu ande-ren Ländern, wie den USA [10], unter der Therapie mit einem VKA gut eingestellt. Daher gibt es bei den meisten Patienten keinen Grund für einen Präparatewech-sel. In unserer Studie wurden überwie-gend ältere Patienten mit einem NOAK behandelt. Gerade bei diesen Patienten liegen häufig Gründe gegen die Einnah-men eines NOAK vor. Demzufolge wäre vor einem Präparatewechsel ein Opti-mierungsversuch der Therapie mit Phenprocoumon sinnvoll. In einer pol-nischen Studie konnte durch die An-wendung eines Algorithmus, der eine Vielzahl von genetischen und kli-nischen Faktoren bei den Patienten be-rücksichtigt, die Einstellbarkeit auf ein VKA verbessert werden [11]. Allerdings konnte ein Vorteil für einen routine-mäßigen Einsatz von Gentests bei Ein-stellung auf ein VKA bisher noch nicht gezeigt werden [12]. Dazu sind weitere prospektive Studien notwendig. Eine weitere Möglichkeit zur Optimierung der Therapie stellt eine Verbesserung der Betreuung von Patienten mit einem VKA dar. Belegen lässt sich dies durch ei-ne deutsche Studie, in der gezeigt wer-den konnte, dass eine intensive medizi-nisch-pharmazeutische Betreuung die Qualität der VKA-Einstellung erhöht [13]. Die Anzahl an Komplikationen wurde hingegen durch die bessere Be-treuung nicht beeinflusst. Auch eine konsequente selbstständige Messung der Blutgerinnung (INR-Selbstmanage-ment) eignet sich zur Optimierung der Antikoagulation [14]. Dabei konnte das Embolierisiko, vor allem bei jüngeren Patienten, durch die Selbstmessung ge-genüber der Messung in der Arztpraxis

signifikant gesenkt werden. Durch eine Verbesserung der Einstellungsqualität könnte das Nutzen-Risiko-Verhältnis der VKA noch günstiger ausfallen und evtl. den NOAKs überlegen sein.

Stärken und Schwächen der Arbeit

Bei unserer Studie haben wir bewusst auf eine Untersuchung aller Patienten mit einer oralen Antikoagulation verzichtet. Diese wurden in größeren Kohorten be-reits untersucht [9]. Daher haben wir den Fokus auf die Verordnung der NOAKs ge-setzt, um noch detaillierter die einzelnen Aspekte der Behandlung zu durchleuch-ten. Durch die Auswahl der Patienten nach der Verordnung eines NOAK im Computersystem der Praxen wurden die-jenigen Patienten nicht erfasst, bei de-nen z.B. bei Hausbesuchen ausschließ-lich eine schriftliche Verordnung der NOAKs ohne Speicherung im Praxissys-tem durchgeführt wurde. Bei den Infor-mationen über den Patienten und seine orale Antikoagulation bzw. Therapie-wechsel waren wir auf die Qualität der Arztdokumentation und seine Erinne-rungsfähigkeit über den untersuchten Fall (Recall-Bias) angewiesen.

Schlussfolgerung

Die NOAKs wurden häufig direkt oder bei Problemen unter VKA eingesetzt, ob-wohl bei vielen Patienten Gründe gegen die Verordnung vorlagen. Daher sollten vor Therapiebeginn bzw. -wechsel ge-meinsam mit dem Patienten sämtliche Möglichkeiten, wie der Versuch einer Optimierung der Gerinnungseinstel-lung, besprochen werden.

Danksagung: Wir möchten uns bei al-len Hausarztpraxen für ihre Studienteil-nahme bedanken.

Interessenkonflikte: keine angege-ben.

Bleckwenn et al.:Einsatz der Neuen oralen Antikoagulanzien in HausarztpraxenUse of New Oral Anticoagulants in Primary Care Practices

… ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Hausarzt-

medizin der Universität Bonn und niedergelassen in einer Ge-

meinschaftspraxis in Linz am Rhein. Wissenschaftlicher Schwer-

punkt ist die kardiovaskuläre Prävention in der Hausarztpraxis.

Dr. med. Markus Bleckwenn …

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Literatur

Bleckwenn et al.:Einsatz der Neuen oralen Antikoagulanzien in HausarztpraxenUse of New Oral Anticoagulants in Primary Care Practices

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Go Viral – Ansteckende BegeisterungEin Bericht vom LOVAH-Austausch und -Kongress 2015

Go Viral – Contagious Enthusiasm

A Report from Lovah Exchange and Congress 2015

Solveig Carmienke1,4, Konrad Schmidt2,4, Hannah Haumann3,4

1 Praxis F. Langguth, Hausarztpraxis und diabetologische Schwerpunktpraxis, Halle2 Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Jena, Friedrich-Schiller-Universität Jena3 Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Essen, Medizinische Fakultät Universität Duisburg-Essen, Essen4 AG Internationales der Jungen Allgemeinmedizin Deutschland (JADE)DOI 10.3238/zfa.2016.0033–0035

Zusammenfassung: Für die weitere Professionalisierung der Allgemeinmedizin ist eine umfassende Fort- und Wei-terbildung essenziell. Helfen könnte dabei das Lernen von europäischen Gesundheitssystemen mit einer starken Pri-märversorgung (im vorliegenden Fall die Teilnahme an ei-nem internationalen Austausch des Vasco da Gama Move-ments [VdGM]). Die Landelijke Organisatie Van Aspirant Huisartse (LOVAH) ist das niederländische Pendant der Jungen Allgemeinmedizin Deutschland (JADE). LOVAH bietet alle 18 Monate einen Kongress ausschließlich für junge Hausärzte (Ärzte in Weiterbildung sowie Fachärzte bis fünf Jahre nach der Anerkennung) mit regelmäßigem Kurzaustausch für junge Allgemeinmediziner aus ganz Europa an. Die teilnehmenden Autoren erlebten ein gut etabliertes System der Primärversorgung, in dem Haus-ärzte eine zentrale Rolle in der ambulanten Versorgung einnehmen. Sie werden durch ein multiprofessionelles und eigenständig agierendes Praxisteam unterstützt. Der LOVAH-Kongress ist fachlich und organisatorisch hoch-wertig, Beiträge von forschenden jungen Hausärzten sind dabei ein beeindruckend selbstverständlicher Bestandteil. Der Besuch des LOVAH-Kongresses und des LOVAH-Aus-tauschs bietet Inspirationen für die zukünftige Entwick-lung der Allgemeinmedizin und der jungen Allgemeinme-dizin in Deutschland.

Schlüsselwörter: internationaler Austausch; Weiterbildung; Professionalisierung

Summary: Profound educational programs for future and young family practitioners are an essential part in further professionalizing primary care. Learning from other European health care systems especially those in which family practitioners (FPs) function as gatekeepers is essential (in this case by attending an international ex-change offered by the Vasco da Gama Movement [VdGM]). The Landelijke Organisatie Van Aspirant Huis-artse (LOVAH) is the Dutch association for young and fu-ture FPs, likesome the Junge Allgemeinmedizin (JADE) in Germany. Every 18 months, LOVAH holds a congress for young and future FPs and offers a pre-conference ex-change for young FPs from across Europe. The participat-ing authors experienced a well established health care system in which FPs function as gatekeepers and play an important role in ambulatory care. FPs are supported by a multiprofessional team as an independent part of patient care. The LOVAH congress was of high professional and organizational quality. We were especially impressed by the many presentations of research projects by young FPs. Attending the LOVAH congress and the LOVAH ex-change was an inspiring and worthwhile experience and might serve as a vision for the future development of the young FP movement and activity in Germany.

Keywords: International Exchange; Vocational Training; Professionalising

DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE

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„Go Viral“ ist auf den Kongressschil-dern, Flyern und der Website [1] zu le-sen – und Thema des LOVAH-Kongres-ses (Landelijke Organisatie Van Aspi-rant Huisartse) [2], dem Jahreskongress der niederländischen jungen All-gemeinmedizin. Ansteckend wirkt die Atmosphäre von 1000 jungen und zu-künftigen Allgemeinmedizinern – Ärz-te in Weiterbildung und Fachärzte bis fünf Jahre nach dem Facharzt-abschluss. Sie strahlen aus, dass sie stolz darauf sind, Hausärzte zu sein oder zu werden und eine zentrale Rolle im niederländischen Gesundheitssys-tem einzunehmen. Hausärzte sind in den Niederlanden „Torhüter“, d.h. die erste Anlaufstelle für Patienten mit al-len medizinischen Problemen, selbst im Notfall [4, 5]. Ein anderer Fachspe-zialist kann nur mit einer Überweisung vom Hausarzt gesehen werden. Wir las-sen uns infizieren ... und die Inkubati-onszeit beträgt nur wenige Augenbli-cke, da schon der im Vorfeld der Konfe-renz stattfindende LOVAH-Austausch als Infektionsvektor fungiert. Alle an-derthalb Jahre haben beim LOVAH-Austausch junge ausländische All-gemeinmediziner aus Europa die Gele-genheit, für einen Tag die niederlän-dische Hausarztpraxis zu erleben – bis auf Anreise und Verpflegungskosten voll gesponsert.

Wir erlebten, dass der Hausarzt von einem multiprofessionellem Team unterstützt wird – eine/ein Praxisassis-tentin/Praxisassistent übernimmt den Patientenempfang, die Blutabnah-men, die Terminkoordination und führt dafür selbstständig eine Triage der Patienten durch. Dies geschieht oft telefonisch mit Unterstützung eines ausführlichen Triagetools. Mit dessen Hilfe werden die vom Patienten ge-schilderten Symptome nach einem Ampelsystem eingestuft – rot für dringlich, gelb für subakut und grün für elektive Terminvergaben. Dieses Tool erlaubt so auch Personal mit mo-derater medizinischer Vorbildung eine fundierte Triage und wurde von der niederländischen Gesellschaft für All-gemeinmedizin (NHG; Nederlands huisarten Genootschap) explizit für die Primärversorgung entwickelt [6]. Termine werden für den Hausarzt, aber auch für die/den Nurse und die/den Nurse Consultant vergeben. Eine/ein Nurse hat einen Bachelor-Abschluss

der Pflegewissenschaften und sieht i.d.R. chronisch kranke Patienten (Dia-betes mellitus, Hypertonie, Hypercho-lesterinämie, COPD) zur Lebensstilbe-ratung und Therapieüberwachung. Letztere führt die/der Nurse größten-teils selbstständig durch, formal unter Supervision des Hausarztes [6, 7]. Ein/eine Nurse consultant hat in der Regel einen Masterabschluss im Bereich Pfle-gewissenschaften, kann eigenständig Basisdiagnostik inklusive Basislabor durchführen, im gewissen Umfang Therapieentscheidungen treffen, die u.a. auch die Verschreibung von Medi-kamenten umfassen. Die Konsultatio-nen werden formal durch den Haus-arzt via elektronischer Patientenakte supervidiert. Während des Notdiens-tes kann eine/ein Nurse consultant den Hausarzt ersetzen, formal muss auch hier der Hausarzt für Rückspra-chen zur Verfügung stehen. Nach un-serem Eindruck haben Hausärzte durch diese Organisationsstruktur hinreichend Zeit für komplexe medizi-nische Patientenfälle, inkl. der psy-chosozialen Probleme. Die Konsultati-onszeiten liegen zwischen 15–20 Mi-nuten pro Patient, bei allerdings deut-lich längeren Sprechzeiten im Ver-gleich zu deutschen Hausarztpraxen (etwa 7–8 Stunden pro Tag). In einigen Praxen arbeiten auch Sozialarbeiter oder Psychologen mit. Zusätzlich be-teiligt sich die Kommune stark an der Gesundheitsversorgung. So gibt es z.B. einen extra Facharzt (consultatiebu-reau arts), der ausschließlich für die präventive Vorsorgeuntersuchung für Kinder und Jugendliche sowie deren Impfversorgung zuständig ist.

Der Jahreskongress der jungen All-gemeinmediziner beeindruckte durch seine Vielfältigkeit. Drei Plenarvorträ-ge, drei Blöcke mit parallel stattfinden-den Vorträgen oder Workshops zu je-weils drei Themen, davon eine stets in

Englisch. Junge Allgemeinmediziner er-halten in diesem Rahmen die Gelegen-heit, ihre eigenen Forschungsergebnis-se vorzustellen. Die landessprachlichen Plenarvorträge sowie die Podiumsdis-kussionen wurden sogar für die ins-gesamt 25 ausländischen Gäste von ei-nem ambitionierten Kollegen ins Engli-sche gedolmetscht. Die Workshop-The-men waren fachlich auf einem hohem Niveau und deckten ein breites Spek-trum ab – von Interventionen zur Re-duktion der Antibiotikaverschrei-bungsrate bei fiebernden Kindern über Selbstachtsamkeit für den Hausarzt bis hin zu Expeditionsmedizin. Abgerun-det wurde dieses Programm durch eine spannende und anregende Podiumsdis-kussion zum Thema „Evidenz der Grip-peschutzimpfung bei gesunden über 60-Jährigen“. Prof. em. Henry Verbrugh (Mikrobiologie) vom niederländischen Gesundheitsrat vertrat die Pro-Seite, PhD Joost Zaat, Hausarzt und Co-Chef-redakteur der „Nederlands Tijdschrift voor Geneeskunde“, die Contra-Seite. Das Publikum konnte live über Twitter abstimmen, wie sehr die Argumente der Kontrahenten überzeugten.

Auffällig war die Offenheit der Teil-nehmer für die entstehenden diagnos-tischen Möglichkeiten durch die digi-tale Entwicklung, wie Apps und Gad-gets zum Selbst- und Therapiemonito-ring von Patienten bis hin zur teleme-dizinischen Überwachung von kardia-len Risikopatienten. Interessant war hierbei der eher unkritische und wenig diskutierte Umgang mit biologischem Datamining durch die digitale Ent-wicklung. Hinzuzufügen ist auch, dass der LOVAH-Kongress nicht frei von Pharma-Werbung ist. Auffällig ist je-doch die Förderung der akademischen Kompetenz des Nachwuchses bzw. des-sen kritischen Fähigkeiten – die NHG vergibt jährlich einen Forschungspreis für die beste Forschungsarbeit und ei-

… ist die Verbindung der JADE zu internationalen Fachgesellschaften wie dem Vas-

co da Gama Movement und der WONCA. Dr. med. Solveig Carmienke ist Fachärz-

tin für Allgemeinmedizin und koordiniert als Nationale Austauschkoordinatorin die

Austauschangebote des Vasco da Gama Movements (VdGM). Dr. med Hannah

Haumann ist Ärztin in Weiterbildung für Allgemeinmedizin und hat seit 2014 das

Sprecheramt Internationales der JADE inne und ist VdGM-Abgeordnete für

Deutschland für das VdGM Europe Council. Dr. med. Konrad Schmidt ist Facharzt

für Allgemeinmedizin und ehemaliger nationaler Austauschkoordinator.

Die AG Internationales der Jungen Allgemeinmedizin (JADE) …

Carmienke, Schmidt, Haumann:Go Viral – Ansteckende BegeisterungGo Viral – Contagious Enthusiasm

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nen Preis für die beste Frage, die einen jungen Allgemeinarzt in der Hausarzt-praxis umtreibt.

Fazit

Die niederländische Hausarztpraxis und den LOVAH-Kongress einmal zu er-leben lohnt sich. Für uns war die Teil-nahme inspirierend und hat uns eine Vision für die Hausarztpraxis und Ge-staltung der JADE-Konferenzen der Zu-kunft geliefert. Die AG Internationales der JADE wird über die nächste Bewer-bungsmöglichkeit berichten – sowohl über das JADE-Forum, als über die Re-gionalgruppenverteiler. Alle jungen deutschen Kollegen sollten die Chance bekommen, auch infiziert zu werden!

Interessenkonflikte: Konrad Schmidt und Solveig Carmienke haben Zahlun-gen für Reisen/Unterkunft/Treffen von Landelijke Organisatie Van Aspirant Huisartsen (LOVAH) erhalten; Hannah Haumann hat keine Interessenkonflikte angegeben.

Dr. med. Solveig Carmienke

Praxis F. Langguth

Hausarztpraxis und

diabetologische Schwerpunktpraxis

An der Peterskirche 16d

06120 Halle

[email protected]

Korrespondenzadresse1. www.nhg.org/actueel/nieuws/im

pressie-van-het-lovah-congres -2015-go-viral (letzter Zugriff am 04.05.2015)

2. www.lovah.nl (letzter Zugriff am 31.04.2015)

3. www.nhg.org (letzter Zugriff am 04.05.2015)

4. Faber MJ, Burgers JS, Westert GP. A sustainable primary care system: les-

Literatur

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6. www.cibg.nl (letzter Zugriff am 21.04.2015)

7. internationalapn.org/2013/09/ 27/netherlands (letzter Zugriff am 21.04.2015)

Heinz Mack Vier lyrische Farben

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Wie schätzen Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) den Nutzen ihrer Tätigkeit für die Patienten ein?How do Health Care Assistants in Family Practice (VERAH) Describe the Benefit of their Work for the Patients?Karola Mergenthal, Mareike Leifermann, Martin Beyer, Ferdinand M. Gerlach, Corina Güthlin

Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main Peer reviewed article eingereicht: 05.08.2015, akzeptiert: 03.09.2015 DOI 10.3238/zfa.2016.0036–0040

Hintergrund: Der Einsatz von VERAH (Versorgungsassis-tentinnen in der Hausarztpraxis) stellt im Rahmen der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) ein Konzept dar, mit dem insbesondere die Versorgung von chronisch kranken Patienten verbessert werden soll. Im Rahmen der Evaluation der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73 b SGB V in Baden-Württemberg (2013–2016) wur-den die potenziellen Auswirkungen für Patienten u.a. auch aus Sicht von VERAH selbst untersucht. Methoden: 87 VERAH erstellten Tätigkeitsprotokolle, in denen sie jeweils bis zu 60 Patientenkontakte protokollier-ten (N = 4.367). Nach je 15 Kontakten füllten sie einen kurzen Zusatzbogen aus, indem sie die Patientenkontakte Revue passieren ließen und mittels Freitextangaben die Vorteile ihrer Tätigkeit für die Patienten beschreiben soll-ten. Die Auswertung der Freitexte erfolgte durch die Ana-lyse der Inhalte.Ergebnisse: Aus VERAH-Sicht sind durch die Versor-gungsanteile der VERAH die Patienten besser über ihre Er-krankung und Therapie informiert und können dadurch besser mit ihrer Erkrankung umgehen; VERAH motivieren Patienten, aktiv an der Behandlung teilzuhaben, wodurch sich die Compliance erhöhen kann. Durch ihre Unterstüt-zung bei der Koordination und Organisation der Behand-lung sehen VERAH einen besseren Zugang der Patienten zum Gesundheitssystem. Vor allem bei immobilen Patien-ten sehen VERAH Vorteile, wenn sie diese Patienten bei Hausbesuchen betreuen und sie beim Erhalt ihrer häusli-chen Selbstständigkeit unterstützen. VERAH sehen sich als zusätzliche Vertrauens- und Ansprechperson im Praxis-team, der die Patienten auf einer niedrigschwelligen Ebe-ne begegnen.

Background: In family practice (FP)-centered health care, the employment of VERAHs (health care assistants in family practice) is hoped to improve care for chronically ill patients in particular. As part of the evaluation of FP-cen-tered health care (in accordance with §73b SGB V in Baden Wuerttemberg (2013–2016)), the consequences for patients were assessed from the point of view of the VERAH themselves.Methods: 87 VERAHs prepared activity logs in which they recorded details of up to 60 encounters with pa-tients (N = 4.367). Following every 15 encounters, they filled out an additional form in which they reviewed their contacts with patients and described in free text the ad-vantages of their work for them. The texts were evaluated by means of content analysis.Results: From the point of view of VERAHs, patients benefit from their work by being better informed with re-gard to their illness and therapy and thus being in a better position to deal with their illness. VERAHs motivate patients to participate actively in their treatment which can lead to an improvement in compliance. VERAHs reck-on their support in the coordination and organization of treatment provides patients with improved access to the health care system. By visiting patients at home, immo-bile individuals benefit in particular as they can maintain their independence at home for longer periods. VERAHs also regard themselves as additional confidants and con-tact persons within the practice team whom patients can speak to freely. Conclusions: From the perspective of VERAHs, patients profit in numerous ways from their support. The advan-tages that can be achieved by creating supportive inter-

ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER

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Einleitung

Die „Versorgungsassistentin* in der Hausarztpraxis (VERAH)“ übernimmt eine wichtige Rolle bei der Versorgung von chronisch kranken, multimorbiden Patienten im Rahmen der Hausarztzen-trierten Versorgung (HzV) [1]. Bei der Qualifizierung zur VERAH handelt es sich um eine Weiterbildung speziell für Medizinische Fachangestellte (MFA) in der Hausarztpraxis (siehe www.verah.de). Vor dem Hintergrund der Zunahme chronischer Erkrankungen und Multi-morbidität sowie absehbaren Versor-gungsengpässen in einigen Regionen Deutschlands, wird schon seit 2007 die stärkere Einbindung von nichtärzt-lichen Gesundheitsberufen in die Pri-märversorgung als eine Möglichkeit dis-kutiert [2], um dem veränderten Bedarf an hausärztlicher Versorgung im deut-schen Gesundheitswesen zu begegnen.

Gefördert wird der Einsatz von VERAH in der HzV seit 2008 mittels ei-ner pauschalierten, finanziellen Vergü-tung. Nachdem im Oktober 2013 zu-nächst mit der Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal ein Rahmen vereinbart wurde [3], ist seit 01.01.2015 eine pauschalierte Vergütung des Ein-satzes von VERAH oder Nichtärztlichen Praxisassistentinnen (NäPa) auch in der Regelversorgung möglich [4].

Innerhalb der HzV stellt der Einsatz der VERAH ein teamorientiertes Kon-zept dar, das auf einer Aufgabenvertei-lung zwischen Hausärzten, VERAH und MFA einer Praxis beruht und in ei-

ner verbesserten Versorgung von chro-nisch kranken Patienten resultieren soll [5].

Häufig wird nach den Wirkungen der VERAH-Tätigkeit aus Sicht der Pa-tienten gefragt. Angesichts der Schwie-rigkeiten einer Befragung der Patienten, die von einer VERAH betreut werden (ei-ne solche Befragung wird von uns der-zeit durchgeführt), haben wir im Rah-men der Tätigkeitsanalyse diese Frage auch aus Sicht der VERAH erhoben. In-nerhalb des Projekts „Evaluation der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73 b SGB V in Baden-Württem-berg (2013–2016)“ wurden daher poten-zielle Vorteile für die Patienten aus Sicht der VERAH untersucht.

Methoden

Mithilfe von Tätigkeitsprotokollen do-kumentierten VERAH in Baden-Würt-temberg ihre Kontakte mit HzV-Patien-ten. Jede VERAH protokollierte ab ei-nem definierten Zeitpunkt (zwischen Februar und April 2014) konsekutiv je-den Patientenkontakt (in der Praxis und bei Hausbesuchen), bis möglichst 60 Protokolle vorlagen. 87 VERAH doku-mentierten dabei 4.367 Tätigkeitspro-tokolle (ein Protokoll entsprach einem Patientenkontakt) bei insgesamt 3.898 Patienten [6]. Neben der Benennung von Tätigkeiten dokumentierten sie nach jeweils 15 Tätigkeitsprotokollen in Freitexten zusätzlich, von welchen Tä-tigkeiten die Patienten aus ihrer Sicht am stärksten profitierten und welche

Vorteile die Patienten durch diese Tätig-keit beziehen. Hierzu sollten sie die letz-ten 15 Tätigkeitsprotokolle Revue pas-sieren lassen und bis zu drei Tätigkeiten bzw. Vorteile angeben (maximal 874 Freitextangaben möglich).

Soziodemografische Angaben (zu den betreuten Patienten und den VERAH) so-wie Praxisstrukturdaten vervollständig-ten die Erhebung.

Die Freitextangaben wurden einer quantitativen Inhaltsanalyse unterzo-gen. Anhand der inhaltlichen Nennun-gen erstellten zwei Codierer (ML, KM) ein Kategorienschema und codierten nach Konsensusbildung entsprechend alle Freitextangaben zu den Kategorien. Die Kategorien wurden anschließend ausgezählt. Die Auswertung erfolgte mithilfe von MAXQDA 10.

Ergebnisse

Es liegen 655 Freitextangaben von 87 VERAH aus 81 Hausarztpraxen vor.

Charakteristika der VERAH, der Praxen und der Patienten

Das Durchschnittsalter der MFA betrug 41,5 Jahre und sie hatten durchschnitt-lich 19,4 Jahre Berufserfahrung, wobei sie seit 14 Jahren in der jeweiligen Praxis be-schäftigt waren. Etwa zwei Drittel (63 %) der VERAH hatten ihre Qualifizierung vor mehr als drei Jahren absolviert. In den Praxen waren durchschnittlich 2,2 Ärzte und 4,9 MFA beschäftigt, und sie wurden zu 84 % von Hausärzten, zu 16 % von

Schlussfolgerungen: Aus VERAH-Sicht profitieren die Patienten auf vielfältige Weise durch ihre Unterstützung. Die von VERAH beschriebenen Vorteile sind bereits im Chronic Care-Modell beschrieben, das für verbesserte Er-gebnisse einen informierten und aktivierten Patienten for-dert. Gerade für ältere, immobile Patienten kann durch den teamorientierten VERAH-Einsatz die hausärztliche Ver-sorgung auch in Zukunft sichergestellt werden.

Schlüsselwörter: VERAH; Medizinische Fachangestellte; Haus-arztzentrierte Versorgung; Hausarztpraxis; Primärversorgung

actions between a informed activated patient and pro- active practice teams is already described in the chronic care model. The work of VERAHs can further help safe-guard primary care in the future, particularly for elderly, immobile patients.

Keywords: Health Care Assistant; FP-Centered Health Care; Family Practice; Primary Care

* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die getrennte Erwähnung beider Geschlechter verzichtet. Für die Berufsgruppe der MFA/VERAH, die überwiegend aus Frauen besteht, wird die weibliche Form gewählt. Es sind immer gleichermaßen beide Geschlechter angesprochen.

Mergenthal et al.:Wie schätzen Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) den Nutzen ihrer Tätigkeit für die Patienten ein?How do Health Care Assistants in Family Practice (VERAH) Describe the Benefit of their Work for the Patients?

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hausärztlich tätigen Internisten geführt. Am häufigsten (43 %) handelte es sich um ländliche Kleinstadtpraxen (16 % Großstadt, 19 % größere Kleinstadt, 22 % dörfliche Siedlungen).

Die von den VERAH betreuten Pa-tienten waren im Durchschnitt 66,6 Jah-re alt, ein Fünftel (20,8 %) war über 80 Jahre alt; 11 % hatten eine Pflegestufe und 5 % waren in einem Alten- oder Pflegeheim untergebracht.

Einige Freitextangaben wurden mehrfach codiert, sodass insgesamt 981 Codierungen den folgenden Kategorien zugeteilt werden konnten:• Bessere Informiertheit durch Beratung

(n = 213)• Bessere medizinische Versorgung (n =

153)• Psychosoziale Hilfen und Zugang zum

Gesundheitssystem (n = 147)• Motivation (n = 98)• Hausbesuche (n = 61) und Erhalt der

Selbstständigkeit (n = 21)• Zusätzliche Ansprechperson in der

Praxis, zu der Patienten Vertrauen ha-ben (n = 50)

Bessere Informiertheit durch Beratung

Aus Sicht der VERAH profitieren Patien-ten von Beratungstätigkeiten in unter-schiedlichen Bereichen wie z.B. im Rah-men des Medikamentenmanagements (n = 71). VERAH besprechen gemein-sam mit dem Patienten Medikamenten-pläne, erklären Einnahmeschemata, ra-battierte Medikamente oder Nebenwir-kungen. Sie vergleichen die eingenom-mene Medikation mit dem Einnahme-plan und passen diesen ggf. nach Rück-sprache mit dem Arzt an.

„Patienten haben sehr häufig Schwie-

rigkeiten, was den Medikamentenplan/die

Einnahme angeht. Mit ein wenig Geduld

und Zeit kann man helfen. Durch das Er-

klären, was für Medikamente eingenommen

werden und die Erstellung eines neuen Me-

dikamentenplans im Beisein der Patienten,

wird es übersichtlicher.“ (V18)

VERAH sehen die Beratung inner-halb des Impfmanagements (n = 47) als positiven Beitrag zur Informiertheit von Patienten an. Sie geben Informationen zu Reiseimpfungen, zu Impfnutzen und -risiken sowie zu Impfauffrischungen.

Zusätzlich nennen die VERAH Bera-tungen bezüglich gesünderer Lebens-führung (n = 20). Patienten bekommen

von ihnen z.B. hinsichtlich Bewegung, Ernährung und Rauchverhalten konkre-te Tipps.

„Lebensführung: durch ganz konkrete

Informationen und Tipps oder Infos über

Kursangebote der jeweiligen Krankenkasse

oder VHS. Motivation zur Ernährungs-

umstellung im Anschluss an eine Diabeti-

kerschulung.“ (V22)

Aus VERAH-Sicht sind die Patienten durch Beratungen besser über ihre Krankheit informiert. Sie verstehen z.B. besser, wie sie sich auf ihre (chronische) Erkrankung einstellen und damit aus-einandersetzen können (n = 13).

„Patienten lernen besser, sich mit ihrer

Krankheit auseinanderzusetzen: Sind da-

durch motivierter regelmäßig ihre Medika-

mente einzunehmen oder regelmäßig La-

borkontrollen durchzuführen.“ (V11)

Bessere medizinische Versorgung

VERAH geben an, dass Patienten nach ihrer Einschätzung im Rahmen von di-agnostischen und medizinischen Tätig-keiten besonders vom Wundmanage-ment (n = 39) und Routine- und Kon-trolluntersuchungen (n = 47) profitie-ren. Durch das professionelle Versorgen von chronischen Wunden, durch regel-mäßige Kontrollen oder Verbandswech-sel erfahren die Patienten aus VERAH-Sicht eine optimale Wundbetreuung.

„Verbandswechsel wird korrekter aus-

geführt. Durch das Wundmanagement im

Kurs kann ich Wunden und Verbände bes-

ser beurteilen und anlegen.“ (V18)

Durch ihre Beratung- und Betreu-ungsleistung tragen VERAH dazu bei, dass sie mit den Patienten in regelmäßi-gem Austausch über die Erkrankung bleiben, sie über ihre Krankheitsverläufe und Laborwerte informieren sowie zu weiteren Kontrollterminen motivieren.

„Kontrolle von Blutdruck und Medika-

menten-Plan, immer aktuelle Medikamen-

ten-Einnahme, Veränderungen bei Blut-

druck besser kontrollierbar.“ (V35)

Psychosoziale Hilfen und Zugang zum Gesundheitssystem

Die Patienten profitieren aus VERAH-Sicht von einer umfassenden Organisa-tion, die soziale und medizinische As-pekte einbezieht. VERAH führen Case Management durch (n = 24), organisie-ren den Zugang zu verschiedenen Ein-richtungen im Gesundheitswesen (n =

23) wie Kliniken, Reha-Kliniken oder Fachärzten. Sie unterstützen und bera-ten die Patienten bei Pflege- oder Reha-Anträgen (n = 15), kümmern sich um die Förderung und den Erhalt der Selbst-ständigkeit (n = 15), indem sie die (auch häusliche) Situation der Patienten ein-schätzen, vorhandene Ressourcen för-dern oder Unterstützung organisieren.

„Pflegestufe beantragen (ältere Patien-

ten haben oft Hemmungen selbst tätig zu

werden). Ängste und Sorgen zu Hause be-

sprechen können, abseits der Praxishektik.“

(V76)

Weiterhin organisieren sie Heil- und Hilfsmittel (n = 12), kümmern sich um den Zugang zu Pflegeeinrichtungen/Pflegestufen (n = 14) und betreuen den gesamten Behandlungsprozess organi-satorisch (n = 12).

„Führung der Patienten durch Sprech-

stunde, Ansprechpartner für alle anstehen-

den Fragen, Kasse, Physiotherapeuten, etc.

Man kann in Ruhe auf sämtliche Belange

eingehen und ggf. Hilfestellung für weitere

Lösungen zeigen.“ (V49)

Motivation

VERAH motivieren Patienten, regel-mäßig Untersuchungen wahrzuneh-men (n = 36), regelmäßig ihre Medika-mente einzunehmen (n = 20), zu einer gesünderen Lebensführung/Ernährung (n = 17) und Impftermine (n = 4) wahr-zunehmen. Die teilnehmenden VERAH berichten, dass Gespräche mit dem Pa-tienten und die enge persönliche Be-treuung zur allgemeinen Motivation beitragen (n = 6).

„Patienten sind motivierter zur regel-

mäßigen Routinekontrolle in die Praxis zu

kommen.“ (V73)

Hausbesuche und Unterstützung beim Erhalt der Selbstständigkeit

VERAH geben an, dass durch ihre Haus-besuche besonders ältere, immobile Pa-tienten entlastet werden, da sie nicht in die Hausarztpraxis kommen müssen (n = 21). Beim Hausbesuch können VERAH das häusliche Umfeld der Pa-tienten begutachten (n = 4), z.B. „Stol-perfallen“ identifizieren, beseitigen und das Sturzrisiko minimieren.

„Hausbesuchspatienten erhalten

schneller Hilfe, wie z.B. häusliche Pflege.

Man erkennt, wann der Patient sich nicht

mehr optimal selbst versorgen kann.“ (V13)

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Gerade bei Hausbesuchen unter-stützt die VERAH Patienten beim Erhalt der Selbstständigkeit. VERAH nutzen ih-re Netzwerke, um Kontakte für die Pa-tienten herzustellen, z.B. zu Pflegediens-ten oder anderen Hilfsmaßnahmen mit dem Ziel, dass die Patienten länger selbstständig und selbstbestimmt zu Hause wohnen können.

„Netzwerke nutzen, Hilfe zur Selbsthil-

fe […] Selbstständigkeit und Selbstbestim-

mung der Patienten bewahren …“ (V76)

„Zugang zum Gesundheitssystem, Ab-

sprache mit dem Pflegedienst, welche Mög-

lichkeiten zur Stabilisierung und Verbes-

serung es gibt. Patient wird in der Selbst-

ständigkeit in der häuslichen Umgebung

unterstützt.“ (V49)

Zusätzliche Ansprechperson in der Praxis, zu der Patienten Vertrauen haben

Aus VERAH-Sicht profitieren die Patien-ten durch eine zusätzliche Ansprech-partnerin. So wenden sich die Patienten teilweise direkt an die VERAH, bevor sie einen Arzttermin vereinbaren. Patien-ten trauen sich bei ihr eher „heikle“ The-men (z.B. Inkontinenz) anzusprechen, als beim Arzt.

„Auch nehme ich ihr durch das Gespräch

das Schamgefühl: Durch Übungen (z.B. Be-

ckenbodengymnastik) kann das Problem we-

niger oder sogar ganz weg sein.“ (V46)

Die Hemmschwelle ist geringer und den VERAH werden Sorgen und Nöte der Patienten, vermeintliche „Kleinigkeiten“, eher berichtet. Die VERAH hat dann die Möglichkeit Ängste abzubauen und dem Arzt wichtige Themen zu übermitteln.

„Gespräche mit Patienten verlaufen auf

einer anderen Ebene, z.B. Patient sagt, dass es

ihm schlechter geht, was er nicht unbedingt

dem Arzt gegenüber äußern wird.“ (V80)

„VERAH werden oft noch andere Dinge

gefragt […] Patient für uns oft zugänglicher:

vertrauen uns. Sagen uns Dinge, die sie dem

Arzt nicht sagen. Patienten bestellen oft die

VERAH zum Hausbesuch.“ (V72)

Diskussion

Beratung, Unterstützung, Motivation

VERAH ergänzen die Informationen, die Patienten über die Krankheit und Be-handlung in der Hausarztpraxis erhal-ten. Damit die Behandlung gerade von chronisch kranken Patienten erfolgreich sein kann, muss der Patient aktiv an der Behandlung mitwirken (Chronic Care-Modell) [7]. Durch ihren Einsatz stärken VERAH gerade diesen Aspekt eines Pa-tienten: Er soll mittels Information und Beratung in die Lage versetzt werden, so weit wie möglich die Verantwortung für sich und sein Verhalten zu übernehmen. Auch das im Chronic Care-Modell be-schriebene „pro-aktive Versorgungs-team“ findet sich in den Freitextanga-ben wieder, da VERAH z.B. Medikamen-tenpläne kontrollieren und in Abspra-che mit dem Hausarzt anpassen. Infor-mierte Patienten zeigen zudem eine hö-here Compliance [8].

Aus Sicht der VERAH können die Pa-tienten von deren beratender, motivie-render und unterstützender Tätigkeit in vielen Belangen profitieren wie z.B. beim Medikamentenmanagement. Mit der An-zahl der eingenommenen Medikamente steigt das Risiko von unerwünschten Ne-ben-/Wechselwirkungen [9] und gerade in hausärztlichen Praxen findet ein Groß-teil der Arzneimittelverordnungen statt [10]. VERAH übernehmen insbesondere für verunsicherte Patienten die Rolle der zusätzlichen Informantinnen. Sie erklä-ren Einnahmeschemata und beseitigen Unsicherheiten z.B. bei unterschiedli-chen Medikamentennamen.

Hausbesuche und Erhalt der Selbstständigkeit

VERAH sehen sich als Mittler zwischen den Patienten und anderen Einrichtun-gen im Gesundheitswesen wie z.B. Pfle-geeinrichtungen und unterstützen vor al-

lem immobile Patienten beim Erhalt ihrer Selbstständigkeit im häuslichen Umfeld.

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Immobilität. Für diese Patien-ten wird es immer schwieriger, die Haus-arztpraxis aufzusuchen. Mit der abseh-bar steigenden Zahl an älteren und im-mobilen Patienten werden aufsuchende Versorgungsstrukturen immer wichti-ger. In der SESAM-3-Studie zeigten die Ergebnisse, dass 42 % der Hausbesuche geplante Routinebesuche zur Betreuung chronisch kranker Patienten waren [11], die bei gesundheitlich stabilen, je-doch immobilen Patienten an MFA und VERAH delegiert wurden [12].

VERAH sehen den Vorteil bei der Be-treuung der Hausbesuchspatienten da-rin, dass sie sich Zeit nehmen können und die häusliche Situation der Patien-ten eruieren, ihnen Hilfemöglichkeiten aufzeigen und damit die Selbstständig-keit der Patienten erhalten können. Ge-rade für ältere, immobile Patienten wird die Lebensqualität durch den Erhalt der Autonomie und Unabhängigkeit be-stimmt [13].

Wichtige zusätzliche Vertrauens-person in der Hausarztpraxis

VERAH nehmen aus ihrer Sicht eine wichtige zusätzliche Vertrauensposition ein. Bei einer Befragung im Rahmen des Gesundheitsmonitors 2013 gaben bis zu 70 % der Befragten an, dass Erklärun-gen, die Gesundheitsfachkräfte geben, meist besser verstanden wurden, als die Erklärungen der Ärzte [14].

In vielen Ländern sind die nichtärzt-lichen Gesundheitsberufe wesentlich stärker in die Versorgung eingebunden als in Deutschland [15]. Im Zuge der epi-demiologischen Veränderungen des Krankheitsspektrums und des Versor-gungsbedarfes wird auch in diesen Län-dern die stärkere Einbindung von „ge-ring“ qualifizierten Fachkräften (ohne Studium, z.T. nur nach Schulung) im Gesundheitswesen vorangetrieben [16]. Sie übernehmen z.B. im US-amerikani-schen Gesundheitssystem die Über-wachung von Patientenlisten (zu be-stimmten Erkrankungen), die Doku-mentation von krankheitsrelevanten Symptomen oder Ereignissen als Vor-bereitung des Arzt-Patienten-Kontaktes und führen Patienten-Coachings durch, um z.B. die korrekte Medikamentenein-nahme sicherzustellen [16].

Mergenthal et al.:Wie schätzen Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) den Nutzen ihrer Tätigkeit für die Patienten ein?How do Health Care Assistants in Family Practice (VERAH) Describe the Benefit of their Work for the Patients?

… ist Gesundheitswissenschaftlerin (Master of Science für Pu-

blic Health) und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für

Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich Versorgungsforschung mit

Hauptinteresse in der Forschung für und mit Medizinischen

Fachangestellten in der Hausarztpraxis.

Karola Mergenthal, M. Sc. Public Health …

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Limitationen

Die Rekrutierung erfolgte über Anschrei-ben direkt an die VERAH in allen HzV-Praxen in Baden-Württemberg, einge-schlossen wurde sukzessiv jede interes-sierte Praxis, bis eine ausreichende Zahl (90) vorhanden war, sodass davon aus-gegangen werden kann, dass besonders motivierte VERAH teilgenommen ha-ben. Insgesamt war in der Studie ein gro-ßer Dokumentationsaufwand zu bewäl-tigen, sodass auch gerade in Bezug auf die Zusatzbefragung viele Blätter leer zu-rückgegeben wurden. Mit dieser Form der Datenerhebung wurde lediglich die subjektive Sichtweise der teilnehmen-den VERAH erfasst, eine Übertragung der Ergebnisse auf alle nichtärztlichen Berufsgruppen oder alle Hausarztpraxen ist nicht möglich.

Schlussfolgerungen

Aus Sicht der befragten VERAH profitie-ren Patienten dadurch, dass sie besser

über ihre Erkrankung informiert sind, sie besser damit umgehen können und aktiver an der Versorgung teilhaben können. Die von VERAH subjektiv be-schriebenen Vorteile für die meist chro-nisch kranken Patienten finden sich in der Theorie des Chronic Care-Modells wieder: Durch eine proaktive Interakti-on kommt es zu verbesserten Ergebnis-sen. VERAH tragen dazu bei, dass Patien-ten in diesem Sinne informierter und ak-tiver eingebunden sind.

Immobile, ältere Patienten profitie-ren durch die Unterstützung bei der Ko-ordination und Organisation der Be-handlung, wenn diese bei Hausbesu-chen betreut und beim Erhalt ihrer häuslichen Selbstständigkeit unterstützt werden. Gerade für diese Patientengrup-pe ist dadurch die Versorgung durch die Hausarztpraxis als Team auch in Zu-kunft sichergestellt.

Die erwarteten Veränderungen im hausärztlichen Versorgungsbedarf und die Komplexität der Versorgung von chronisch kranken Patienten erfordern eine Ausweitung des Tätigkeitsspek-

trums der nichtärztlichen Gesundheits-berufe. Hausarztpraxen als Teams, in de-nen VERAH und MFA Aufgaben über-nehmen, die bislang von Ärzten wahrge-nommen wurden, sollten Ziel weiterer Forschungsprojekte sein.

Interessenkonflikte: keine angege-ben.

Karola Mergenthal, M. Sc. Public Health

Institut für Allgemeinmedizin

Goethe-Universität Frankfurt am Main

Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt am Main

Tel.: 069 6301-6281

[email protected]

furt.de

Korrespondenzadresse

1. Mergenthal K, Beyer M, Güthlin C, Gerlach FM. Evaluation des VERAH-Einsatzes in der Hausarztzentrierten Versorgung in Baden-Württemberg. Z Evid Fortbild Qual Gesundheitswesen 2013; 107: 386–393

2. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR). Kooperation und Verantwor-tung. Voraussetzungen einer zielorien-tierten Gesundheitsversorgung. Baden-Baden: Nomos, 2007

3. Kassenärztliche Bundesvereinigung/GKV Spitzenverband. Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistun-gen an nichtärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versor-gung gemäß § 28 Abs. 1 S. 3 SGB V. Dtsch Arztebl 2013; 110: A-1757

4. Bewertungsausschuss. Beschluss des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SBG V in seiner 339. Sitzung; 2014. www.kbv.de/media/sp/2015_01_ 01_BA_339.Si._BeschlussEEG_EBM_ Hausaerzte_PFG_Zuschlag_nurTeilA. pdf (letzter Zugriff am 27.07.2015)

5. Fortbildungskommission Allgemein-medizin. Aufgaben der VERAH in den Verträgen zur hausarztzentrierten Ver-sorgung in Baden-Württemberg; 2010.

www.hausarzt-bw.de/upload/upload/Aufgaben_der_VERAH.pdf (letzter Zu-griff am 23.07.2015)

6. Laux G, Szecsenyi J, Mergenthal K, et al. Hausarztzentrierte Versorgung in Baden-Württemberg. Bundesgesund-heitsbl 2015; 58: 398–407

7. Wagner EH, Austin BT, von Korff M. Or-ganizing care for patients with chronic illness. Milbank Quart 1996; 74: 511–544

8. Schäfer C. Patientencompliance – Mes-sung, Typologie, Erfolgsfaktoren. Ber-lin, Heidelberg, Springer, 2011

9. Schwabe U, Paffrath D. Arzneiverord-nungs-Report 2014. Berlin, Heidelberg, Springer, 2014

10. Mahler C, Freund T, Baldauf A, et al. Das strukturierte Medikamentenmana-gement in der Hausarztpraxis – ein Bei-trag zur Förderung der Arzneimittelthe-rapiesicherheit. Z Evid Fortbild Qual Gesundheitswesen 2014; 108: 258–269

11. Voigt K, Liebnitzky J, Riemenschneider H, et al. Beratungsanlässe bei all-gemeinärztlichen Hausbesuchen. Z Allg Med 2011; 87: 65–71

12. Voigt K, Klement A, Bojanowski S, Bo-dendieck E, Bergmann A. Delegation von Hausbesuchen: wer macht was und

wie wird das organisiert? Ärztebl Sach-sen 2013: 318–320

13. Weltgesundheitsorganisation (WHO). Aktiv Altern; 2012. http://apps.who. int/iris/bitstream/10665/67215/2/ WHO_NMH_NPH_02.8_ger.pdf?ua=1 (letzter Zugriff am 27.07.2015)

14. Wessels, M. Die Übertragung von Heil-kunde: Erwartungen von Patienten zu den Auswirkungen arztentlastender Strukturen auf die Sicherstellung der Versorgung; 2013. http://gesundheits-monitor.de/uploads/tx_itao_downlo-ad/201305-NL.pdf (letzter Zugriff am 01.08.2015)

15. Freund T, Everett C, Griffiths P, Hudon C, Naccarella L, Laurant M. Skill mix, roles and remuneration in the primary care workforce: who are the healthcare professionals in the primary care teams across the world? Int J Nurs Stud 2015; 52: 727–743

16. Bodenheimer T, Willard-Grace R, Gho-rob A. Expanding the roles of medical assistants: who does what in primary care? JAMA Intern Med 2014; 174: 1025–1026

Literatur

Mergenthal et al.:Wie schätzen Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) den Nutzen ihrer Tätigkeit für die Patienten ein?How do Health Care Assistants in Family Practice (VERAH) Describe the Benefit of their Work for the Patients?

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Nolte SH. Das „Impfparadogma“ – und mögliche Auswege. Z Allg Med 2015; 91: 463–466

Leserbrief von Dr. Philipp Conradi

Die Zeitschrift für Allgemeinmedizin hat einen bemerkenswerten Artikel ver-öffentlicht. Stephan Nolte beschreibt Schadwirkungen durch allgemein übli-che Immunisierungen. Er stellt Schutz-impfungen und die Abwesenheit von Zielerkrankungen in einen Zusammen-hang mit dem Auftreten anderer Infek-tionen sowie neurologischer und immu-nologischer Erkrankungen.

Gleich zu Beginn meine Kritik: An dieser Stelle hätte ich mir mehr epi-demiologische Fakten gewünscht und dass der Autor diese bitte in seinem Schlusswort liefern möge.

Ausgangspunkt der Argumentation ist die Beobachtung, dass sich die Kin-dersterblichkeit in Guinea-Bissau nach Einführung der DPT-Impfung verdop-pelt hatte. Dieses Phänomen wurde laut Autor von der WHO nachanalysiert

und letztendlich bestätigt. Ähnliche Untersuchungen sind in den Industrie-nationen schwierig, unter anderem deswegen, weil bei den hohen Durch-impfungsraten für eine Vielzahl von unterschiedlichen Zielkrankheiten und der allgemein sehr niedrigen Kinder-sterblichkeit kausale Zusammenhänge nicht von vornherein zu erkennen sind. Nolte verweist jedoch auf eine amerikanische Beobachtungsstudie an mehr als 300.000 Kindern, die einen Gesundheitsvorteil für willkürlich un-geimpfte Kinder aufzeigt.

Mit Veröffentlichung dieses Artikels wurde die Diskussion über Nutzen und Risiken von Impfungen erneut eröffnet. Als Haus- und Familienärzte sehen wir eine Zunahme von autoimmunologisch bedingten Erkrankungen wie Typ-1-Dia-betes, Asthma, Multipler Sklerose und anderer Krankheiten und Gesundheits-phänomene, deren Ursache wir nicht kennen, die uns aber sehr beunruhigen

sollten. Noltes Ausführungen legen es nahe, dass Immunisierungen als Ursa-che für die Zunahme dieser Krankheiten infrage kommen und er fordert kon-sequenterweise, dass ,,... wir die Impf-routine kritisch und für jede Zielerkran-kung einzeln hinterfragen.“

Der Artikel von Stephan Nolte ruft nach einer Stellungnahme durch die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinme-dizin.

Interessenkonflikt: Als impfender Hausarzt verdiene ich mit jeder Impfung sieben Euro brutto.

LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

DEGAM im Netz

www.degam.dewww.degam-leitlinien.dewww.degam-patienteninfo.dewww.tag-der-allgemeinmedizin.dewww.degam2016.dewww.online-zfa.dewww.degam-famulaturboerse.dewww.facebook.com/degam.allgemeinmedizin

Dr. med. Philipp Conradi

Facharzt für Allgemeinmedizin

Otto-Dix-Ring 98

01219 Dresden

Tel.: 0351 2752457

Korrespondenzadresse

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Kongress zur Familienmedizin in Düsseldorf betont die Bedeutung von Hausarztpraxen im Netz der Versorger

Über 60 Teilnehmende aus Praxis und Wissenschaft trafen sich in Düsseldorf, um über Hausarztpraxen und ihre Rolle in der Versorgung von Familien im Quartier zu diskutieren. In Vorträgen und Workshops wurde zum einen die Frage, wie Familienmedizin gemeinde-orientiert und interdisziplinär umge-setzt werden kann, anhand von Beispie-len für Projekte und vernetzte Versor-gungsmodelle diskutiert. Zum anderen standen die Familien und ihre Bedarfe an gesundheitlicher Versorgung im Vor-dergrund. Beleuchtet wurden Unterstüt-zungsmöglichkeiten zu Beginn des Le-bens, Fragen der psychosozialen Unter-stützung mithilfe von Sozialpädagogen, quartiersbasierte Modelle zur Unterstüt-zung von Menschen mit Demenz, Hil-fen bei häuslicher Gewalt wie auch bei der häuslichen Versorgung chronisch kranker und pflegebedürftiger Familien-mitglieder. Das Potenzial einer familien-medizinischen Orientierung schilderten Hausärzte in Fallbeispielen aus ihren Praxen. Sie erleben den Zusammenhang von Gesundheit, Krankheit und Familie tagtäglich. In ihrem Stadtteil oder ihrer Gemeinde können Hausärzte zusam-men mit anderen Berufsgruppen im Ge-

sundheits- und Sozialwesen aus großen Gemeinschaftspraxen heraus mehr und erfolgreicher Einfluss auf die Gesund-heit in der Gemeinde nehmen, legte Jan DeMaeseneer, Professor für Allgemein-medizin der Universität Gent und Haus-arzt in einem Gesundheitszentrum in Belgien, dar.

„Dabei kommt der interdisziplinä-ren Zusammenarbeit zukünftig eine viel wichtigere Rolle als bisher zu“, sagt Prof. Dr. Stefan Wilm, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitäts-klinikum Düsseldorf. „Hausärzte und ihre Fachangestellten-Teams können zusammen mit Sozialarbeitern, Bewe-gungstherapeuten, Ernährungsbera-tern, Pflegenden und Selbsthilfegrup-pen besser auf die Bedürfnisse der Fami-lien in der Gemeinde eingehen.“ Die Fa-milie im Fokus erlaubt es, problemati-schen Entwicklungen vorzubeugen, auf die familiäre Situation abgestimmte Be-handlungsoptionen anzubieten und systemische Aspekte mit zu berücksich-tigen. „Dabei verstehen wir unter Fami-lie viel mehr als die klassische Kernfami-lie, nämlich auch Patchworkfamilien, neue Formen von Lebensgemeinschaf-ten und ethische Sorgegemeinschaf-

ten“, so Prof. Wilm. Erforderlich sei in der Versorgung von Patienten ein erwei-terter Blick, der soziale Ereignisse, die nicht unmittelbar mit medizinischen Befunden einhergehen, in Diagnose und Therapieplanung mit einbezieht. Ohne interdisziplinäre Zusammenarbeit und den Aufbau von Netzwerken, um insbesondere psychosozialen Problem-lagen begegnen zu können, werde die Aufgabe nicht zu bewältigen sein, fasst Wilm die Ergebnisse zusammen.

Ziel des Kongresses war es auch, Ver-treter der Familienmedizin zusammen-zuführen und entsprechende For-schungsansätze zu entwickeln. Denn noch immer liegen zu wenig Forschungs-arbeiten zur Familienmedizin in Deutsch-land vor. Die Fachveranstaltung fand in Kooperation mit der DEGAM statt. Die Diskussion wird auf dem 4. Kongress für Familienmedizin am 21. September 2017 in Düsseldorf fortgesetzt.

Gründung der Deutschen Forschungsgruppe Pneumologie in der Primärversorgung (DFPP) – die deutsche Sektion der International Primary Care Respiratory GroupAntonius Schneider1, Andreas Hellmann2 , Michael Weber3, Jörg Schelling4

Seit vielen Jahren ist die Internatio-nal Primary Care Respiratory Group (IPCRG) als internationaler Zusam-menschluss von Allgemeinärzten ak-tiv, die sich sowohl im universitären als auch im niedergelassenen Bereich durch Forschung für die Verbes-serung der Versorgung von Patienten mit Atemwegserkrankungen einset-

zen (www.theipcrg.org). Hierbei han-delt es sich um einen Zusammen-schluss von oft sehr forschungsstar-ken allgemeinmedizinischen Depart-ments mit den universitär assoziier-ten Lehrpraxen. Dementsprechend trifft man auf den Kongressen eine bunte Mischung aus Wissenschaft-lern und niedergelassenen Ärztinnen

und Ärzten mit „special interest in airway diseases“.

Die Mitgliedschaft bei der IPCRG ist als individuelles Mitglied (associate member) und als voll stimmberechtigtes Mitglied möglich. Letzteres beinhaltet die Repräsentation in Form eines natio-nalen Zusammenschlusses zu einem Forschungsverbund. Mittlerweile sind

1 Institut für Allgemeinmedizin, Klinikum rechts der Isar / TU München2 Lungenfacharztpraxis Augsburg am Diakonissenkrankenhaus Augsburg3 Lungenfacharztpraxis Starnberg4 Institut für Allgemeinmedizin, Klinikum der Universität München / LMU

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Jubiläumskongress in Frankfurt: Call for Abstracts beginnt

Am 18. Januar 2016 beginnt die Ein-reichung von Abstracts für den 50. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, der vom 29. Sep-tember bis 1. Oktober 2016 in Frank-furt am Main stattfindet. Das Pro-

grammkomitee freut sich auf Einrei-chungen zu den Themen „50 Jahre DEGAM: Rück- und Ausblick“, „Inno-vative Versorgungsformen“, „Nach-wuchsförderung und Forschung in der Aus- und Weiterbildung“, „Evi-

denzbasierte und patientenzentrierte Versorgung chronisch Kranker“ und „Primärversorgung im Team“. Die Abstracteinreichung ist bis zum 30. April 2016 unter www.degam2016.de geöffnet.

24 Länder in IPCRG vertreten, unter an-derem England, Holland, Kanada, USA, aber auch kleinere bzw. weniger wirt-schaftsstarke Länder wie z.B. Pakistan und Sri Lanka. Seit vielen Jahren wurden deutsche Forscher wiederholt aufgeru-fen, sich als stimmberechtigtes Mitglied zu etablieren. Dies fiel jedoch bislang schwer, da sich zum einen das For-schungsinteresse zu Atemwegserkran-kungen auf nur wenige Abteilungen für Allgemeinmedizin in Deutschland kon-zentrierte. Zum anderen ist auch unter den niedergelassenen Hausärzten die Konzentration an „Ärzten mit special in-

terest“ zu gering.Aufgrund von Forschungskoope-

rationen niedergelassener Pneumolo-gen mit dem Institut für Allgemeinme-dizin der TU München [1–5] erfolgten auf den einschlägigen Tagungen der Pneumologen wiederholte Kontakte. Seitens der niedergelassenen Pneumo-logen stieß die Idee der Gründung ei-ner Forschungsplattform für nieder-gelassene Ärzte auf großes Interesse, da die Themen von ICPRG viel stärker die Belange der ambulant tätigen Pneumo-logen repräsentieren als die teilweise als „elfenbeinturmhaft“ erlebten Kon-gresse der universitären Pneumologie. Auf der Tagung des Berufsverbands der Pneumologen (Pneumologische Pra-xistage) in Berlin wurde daher am 12. Juni 2015 die „Deutsche Forschungs-gruppe Pneumologie in der Primärver-sorgung“ (DFPP e.V.), als englischer Na-me „German Primary Care Respiratory Group“ (GPCRG), gegründet. In die-sem Verbund haben sich niedergelasse-

ne Lungenfachärzte, Hausärzte und Wissenschaftler zusammengeschlos-sen, um durch Versorgungsforschung die Diagnostik und Therapie von Pa-tienten mit Atemwegserkrankungen im niedergelassenen Bereich zu verbes-sern. Vorsitzender ist Prof. Dr. Antoni-us Schneider, stellvertretender Vorsit-zender ist der Pneumologe Dr. Andreas Hellmann. Schatzmeister ist Prof. Dr. Jörg Schelling, LMU München, und Schriftführer ist der Pneumologe Dr. Michael Weber. Damit ist der Vorstand paritätisch von Hausärzten und Pneu-mologen besetzt.

Forschungsziele des DFPP sind Klä-rungen von Schnittstellenfragen, die Weiterentwicklung von Selbstmanage-mentprogrammen für Patienten, Ent-wicklung von diagnostischen Fragebö-gen, Implementierung von Nikotin-entwöhnungsprogrammen, zudem auch die Klärung von klinischen Fra-gestellungen rund um die Themen Asthma, COPD, Atemwegsinfektionen u.v.a.m. Wichtig ist, dass die For-schungsfragestellungen und Projekte nicht als Top-Down-Prozesse gestellt und umgesetzt werden, sondern dass darauf Wert gelegt wird, dass die Ideen auch aus der Praxis kommen und die Projekte für die Praxis entwickelt wer-den. Ein Neuland ist, dass im besten Sinne mit „Praxis“ sowohl hausärzt-liche als auch lungenfachärztliche Pra-xen gemeint sind. Wir erhoffen uns von diesem Zusammenschluss eine in-terdisziplinäre Umsetzung von Versor-gungsforschung. Die Mitgliedsbeiträge sind mit jährlich 50 Euro bewusst ge-

ring gehalten, um einen niederschwel-ligen Zugang zu ermöglichen. Will-kommen sind alle Hausärzte, Fachärzte und Wissenschaftler mit Interesse an den Themengebieten. Bei Interesse schreiben Sie uns am besten per E-Mail direkt an: [email protected]. Oder schauen Sie einfach auf unsere Website: www.dfpp.org.

1. Schneider A, Ay M, Faderl B, Linde K, Wagenpfeil S. Diagnostic accuracy of clinical symptoms in obstructive air-way diseases varied within different health care sectors. J Clin Epidemiol 2012; 65: 846–54

2. Schneider A, Schwarzbach J, Faderl B, Welker L, Karsch-Volk M, Jorres RA. FENO measurement and sputum analysis for diagnosing asthma in cli-nical practice. Respir Med 2013; 107: 209–16

3. Schneider A, Faderl B, Schwarzbach J, Welker L, Karsch-Volk M, Jorres RA. Prognostic value of bronchial pro-vocation and FENO measurement for asthma diagnosis – results of a delayed type of diagnostic study. Respir Med 2014; 108: 34–40

4. Schneider A, Schwarzbach J, Faderl B, Hautmann H, Jörres RA. Whole-body plethysmography in suspected asth-ma – a prospective study of its added diagnostic value in 302 patients. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 405–11

5. Schneider A, Wagenpfeil G, Jorres RA, Wagenpfeil S. Influence of the practice setting on diagnostic pre-diction rules using FENO measure-ment in combination with clinical signs and symptoms of asthma. BMJ Open 2015; 5: e009676

Literatur

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Offener Brief: Allgemeinmedizin/Familienmedizin in Deutschland bis zum Jahre 2025Standpunktpapier der „Freyburger Gruppe Senioren der Allgemeinmedizin“

Einleitung

25 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands blicken wir auf ein mo-dernes, hochentwickeltes deutsches Gesundheitswesen. Wir glauben, ge-stützt auf unsere persönliche berufliche und wissenschaftliche Arbeit, dass auch die Fachrichtung Allgemeinmedizin ei-nen wichtigen Anteil dazu beigetragen hat.Das soll auch in Zukunft so bleiben. Kei-ne andere Fachrichtung ist dabei jedoch so abhängig von der gesellschaftlichen, gesundheitspolitischen und gesamt-medizinischen Entwicklung wie die All-gemeinmedizin. Der Hausarzt muss alle Veränderungen sensibel und sorgfältig beobachten und in seiner täglichen Ar-beit berücksichtigen. Dabei ist er sowohl auf die gesundheitspolitische Unterstüt-zung wie auf die optimale Zusammenar-beit mit allen anderen medizinischen Fachrichtungen angewiesen.

Tendenzprognosen

Wir sehen unter Beachtung des Positi-onspapiers 2012 der Deutschen Gesell-schaft für Allgemeinmedizin und Fami-lienmedizin (DEGAM) für die zukünfti-ge Entwicklung der gesundheitlichen Betreuung in Deutschland in den kom-menden 10 Jahren vor allem folgende wichtige Tendenzen.

In der Allgemeinmedizin

1. Anhaltender Nachwuchsmangel, be-sonders auf dem Land;

2. hoher Anteil von Ärztinnen in der Hausarztfunktion, dadurch auch ho-her Bedarf an Teilzeitarbeit, Tätigkeit in gemeinschaftlicher Berufsaus-übung, Kinderbetreuung und ande-ren sozialen Unterstützungen;

3. steigender medizinisch-sozialer Inte-grationsbedarf in der Bevölkerung mittels der sprechenden Medizin der Hausärzt/innen, trotz Internet und Telemedizin, insbesondere bei älteren und chronisch kranken Bürgern;

4. Kompetenzverlust durch Mängel in der Aus-, Weiter- und Fortbildung;

5. abnehmende Leistungsfähigkeit und sinkende Arbeitsfreude (insbesondere durch mangelnde Zeit für das Gespräch mit den Patienten, fehlende gesell-schaftliche Anerkennung, überborden-de Bürokratie, Kontrolldruck und Re-gressangst, aber auch als Angleichung an allgemeine Trends zu mehr Freizeit).

In der Gesamtmedizin

1. Relative Einschränkung der finanziel-len und personellen Ressourcen für das Gesundheitswesen;

2. noch stärkere Konzentration auf soge-nannte Volkskrankheiten, auf Unfäl-le, alte und neue Infektionen und ma-ligne Erkrankungen, insbesondere aber auch auf psychische und psycho-somatische Erkrankungen (z.B. Burn-out, Depressionen, Mobbing, ADHS) einschließlich Suchterkrankungen;

3. weitere Zunahme reparativer chirur-gischer und genetischer sowie kosme-tischer Eingriffe;

4. Diskrepanz zwischen der Zahl medizi-nischer Spitzenleistungen und der Masse der täglich geforderten Leistun-gen (hierzu Diskussionen über Spar-zwänge und Priorisierung).

Im gesellschaftlichen Umfeld

1. Zunehmende Sensibilität der Gesell-schaft (steigendes Anspruchsverhal-ten, „Spaßgesellschaft“, Politikver-drossenheit, Wahlmüdigkeit, Gleich-gültigkeit, familiärer Zerfall, hohe Kri-minalität, fehlende oder fehlgeleitete Spiritualität);

2. Zunahme des Migrationsdrucks und seiner Probleme;

3. weiteres Klaffen der Schere zwischen Arm und Reich;

4. weitere Zunahme der mittleren Le-benserwartung;

5. Fortschreiten der Urbanisierung (Tra-bantenstädte, relative Slums, Versor-gungsprobleme und objektive Verein-samung auf dem Land):

6. weiter fortschreitende Globalisie-rung;

7. neue Erfolge in der weiteren Entwick-lung der Technik, insbesondere der Informationstechnik, auf allen Gebie-ten (z.B. selbstfahrende Autos);

8. stärkere Ausprägung der negativen Seiten von Fernsehen, Internet, sozia-len Netzen und anderen IT-Produkten (dadurch z.B. Vorurteile, Pseudowis-sen, überspannte Erwartungen, Ver-einsamung, Förderung der Brutalität);

9. Digitalisierung der Kommunikation und ihre qualitative Verarmung bei gleichzeitiger Informationsüberflu-tung („digitale Demenz“).

Maßnahmeprognosen

Zur Anpassung an die geschilderten zu erwartenden Veränderungen und zur Abfederung negativer Entwicklungen halten wir die nachfolgenden Maßnah-men für erforderlich, um auch zukünftig eine optimale hausärztliche Betreuung zu sichern.

In der Allgemeinmedizin/ Familienmedizin

1. Weiterentwicklung des/der Facharz-tes/Fachärztin für Allgemeinmedizin zum/zur modernen Facharzt/Fachärz-tin für Familienmedizin durch Erwei-terung des individualmedizinischen Ansatzes von Prävention, Diagnostik und Therapie um die vollen gruppen-medizinischen Aspekte (vgl. Nord-amerika: Family medicine): der/die Facharzt/Fachärztin für Familien-medizin als Zentrum einer effektiven und kostengünstigen Grundbetreu-ung;

2. intensive theoretische Durchdrin-gung und klare Zielformulierung der Familienmedizin (unter anderem un-

Vonseiten des DEGAM-Präsidi-ums besteht weitgehende Über-einstimmung mit den im Folgen-den formulierten Anliegen.

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ter Berücksichtigung von Unter-, Über- und Fehlversorgung in Präven-tion, Diagnostik, Therapie und Nach-sorge);

3. anpassende Gestaltung der verschie-denen familienärztlichen Organisati-onsformen (z.B. Einzelpraxis, Berufs-ausübungsgemeinschaft, MVZ, LGZ, Ärztenetze) zu lokalen Zentren team-orientierter familienärztlicher Tätig-keit;

4. wirksame, aber die Privatsphäre der Bürger schützende Datenvernetzung aller am Betreuungsprozess Mitwir-kenden bei zentraler Rolle des Haus-arztes;

5. ständige Berücksichtigung der sich ändernden Demografie und Morbidi-tät (z.B. erhöhte psychisch-psycho-therapeutische, geriatrische und pal-liativmedizinische Kompetenz, Be-herrschung von Impfwesen, lnfekto-logie u.a.m.);

6. Weiterentwicklung der familienmedi-zinischen Arbeitsmethodik und ihres Equipments (z.B. für geeignete Scree-nings, verfeinerte Diagnostik, Thera-pie Multimorbider);

7. Implementierung aller alltagstaugli-chen diagnostisch-therapeutischen Handlungsempfehlungen (s. DEGAM);

8. intensivierte methodisch evaluierte Prävention;

9. Mitwirkung bei der Schaffung von facheigenen IT-Systemen, die primär auf die Betreuungsfunktion des Haus-arztes zugeschnitten sind (z.B. bild-hafte Darstellung der Alters-, Morbidi-täts- und Letalitätsstruktur der eige-nen Klientel, Verbindung mit Recall-systemen, automatischer Verord-nungskontrolle auf mögliche Arznei-mittelwechselwirkungen und Kontra-indikationen u.a.);

10. eigenes speziell für die Hausarztpra-xis entwickeltes Qualitätsmanage-mentsystem;

11. Qualifizierung der Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten/Arzthelferin zu Ambulanz- bzw. Sprechstundenschwestern, u.a. mit NÄPA-Kompetenz (NÄPA = Nicht-ärztliche Praxisassistentin);

12. Vertiefung der Fortbildung durch Hospitationen in Krankenhäusern und spezialärztlichen Praxen, De-monstrationen und Übungen, Er-fahrungsaustausche, Balintgruppen, Nutzung aller Medien u.a.m. („Fort-bildung muss Spaß machen!“).

In der Gesamtmedizin

Für folgende Problemkreise wird die Un-terstützung durch die Vertreter aller an-deren medizinischen Fachgebiete und der Hochschulen für erforderlich gehal-ten:1. Ziel des Medizinstudiums muss der/

die nach entsprechender Weiterbil-dung voll als Hausarzt/Hausärztin einsetzbare Facharzt/Fachärztin für Familienmedizin sein. Dieses Primat der Ausbildung muss u.a. durch Lehr-stühle für Allgemeinmedizin/Famili-enmedizin an allen Hochschulen ein-schließlich suffizienter Netzwerke von Lehrpraxen gewährleistet sein;

2. obligatorischer Abschnitt „Hausärztli-che Betreuung“ von 4 Monaten im PJ;

3. Sicherung ausreichender allgemein-medizinischer/familienmedizinischer Weiterbildung in allen Bundeslän-dern und Regionen durch komplexe, die gesamte Weiterbildungszeit um-fassende Weiterbildungsverbünde und -verträge unter führender Ein-beziehung allgemeinärztlicher/fami-lienärztlicher Mentoren;

4. Optimierung der allgemeinmedizi-nischen/familienmedizinischen Wei-terbildung durch weitere obligatori-sche (vielfach ambulante) Bildungs-abschnitte, z.B. HNO, Dermatologie, Pädiatrie, Psychiatrie/Psychothera-pie, Orthopädie, Urologie mit ent-sprechend hohem finanziellen Anreiz für die Mentoren;

5. hohe Praxisrelevanz der allgemeinme-dizinischen/familienmedizinischen Weiterbildung in den spezialisierten Abschnitten;

6. Beseitigung des bestehenden Dualis-mus von nichtspezialisierten Internis-ten als Hausärzte.

In der Gesundheitspolitik

Nachfolgend sind notwendige Maßnah-men zur Beseitigung von Problemen der Allgemeinmedizin/Familienmedizin auf-gezeigt, die der Initiierung, Unterstüt-zung oder Begleitung durch Gremien der Gesundheitspolitik bedürfen:1. Verstärkte Gesundheitssystemfor-

schung unter Einbeziehung der All-gemeinmedizin (z.B. DEGAM) zur ernsthaften vorurteilsfreien Prüfung von Modellen verschiedenster (auch staatlicher) Organisationsformen des

Gesundheitswesens (z.B. im Vergleich mit skandinavischen Ländern);

2. bundeseinheitliche Planung, Leitung und Durchführung der Gesundheits-politik;

3. drastische Reduzierung der Zahl der Krankenkassen und sonstigen Leis-tungsträger und ihre strenge Kontrol-le durch exekutive und legislative Or-gane;

4. Einführung einer unumgänglich not-wendigen einheitlichen Solidarver-sicherung;

5. Realisierung einer obligatorischen Jahres-Einschreibung für alle Ver-sicherten beim Hausarzt (Grundlage effektiver, kostengünstiger und ver-antwortungsvoller hausärztlicher, insbesondere auch präventiver Be-treuung); daraus abgeleitet ein bundes- und kasseneinheitliches ver-einfachtes Vergütungsrecht;

6. optimierte barrierefreie Zusammenar-beit zwischen Hausärzten, ambulan-ten Spezialisten und stationären Ein-richtungen;

7. massive Stärkung der personellen Ressourcen, auch für das Gesund-heits- und Sozialwesen, durch extrem vertiefte und forcierte Familienpoli-tik (lohnende (!) finanzielle Unter-stützung ab Geburt, Stärkung des ge-sellschaftlichen Ansehens und der Akzeptanz, besonders von Familien mit mehreren Kindern, günstige Ar-beitsplatzregelungen für Schwangere und Mütter/Väter, Karriereför-derungsprogramme in akademi-schen Berufen usw.); Anpassung des Bildungssystems, Prüfung von Mög-lichkeiten zur Nutzung des Arbeits-kräftepotenzials von Arbeitslosen, auch zur personellen Stärkung im ge-sundheitlich-sozialen und im kom-munalen Bereich;

8. Aufwertung des Gesundheitswesens auf allen gesellschaftlichen Ebenen einschließlich der Medien und er-höhte Aufmerksamkeit für die Leis-tungen der Allgemeinärzt/innen/Fa-milienärzt/innen zur Förderung ei-nes positiven Bildes beim Bürger („Mehr Vertrauen – mehr Heilung!“); Anerkennung der besonderen Situa-tion der Landärzt/innen (z.B. deut-lich spürbare finanzielle Zuschläge, Stärkung der Verantwortung der kommunalen Organe für die Rah-menbedingungen gesundheitlicher Betreuung);

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Dr. med. Dipl.-Phys. Hanno Grethe

Karlsbader Straße 81

09465 Sehmatal-Sehma

Tel./Fax: 03733 66290

Korrespondenzadresse9. Juristische Entzerrung und Entkramp-fung des Betreuungsprozesses; eindeu-tige, klare, knappe Regelungen, Prü-fung staatlicher Haftungssysteme u.Ä.

Wir erwarten von den Verantwortlichen die Einleitung der z.T. längst fälligen Schritte zur Zukunftssicherung einer qualifizierten, effektiven und öko-nomisch günstigen familienärztlichen Betreuung.

Freyburger GruppeDr. med. Günther BorgwardtDr. sc. med. Manfred DückertDr. med. Ingrid GermerDr. med. Dipl.-Phys. Hanno Grethe (Sprecher)Dr. sc. med. Ernst GüntherDr. med. Helga KielsteinPD Dr. med. habil. Christian KöhlerDr. sc. med. Konstantin KuminekDr. med. Horst Scholz

DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS

DEGAM-Leitlinien frei im Netz

Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

stehen frei im Internet zur Verfügung. Die wissenschaftlich fundierten und vor der Veröffent-

lichung in Praxen erprobten DEGAM-Leitlinien richten sich nicht nur an Hausärzte, sondern

auch an Patienten und Praxismitarbeiter. Neben der Langversion gibt es eine Kurzfassung als

laminierte, zweiseitige Tischkarte im A5-Format. Mehrere tausend Leitlinien-Sets werden in

Praxen und Universitäten in der täglichen Arbeit mit Patienten eingesetzt. Alle Module können

auf der DEGAM-Leitlinien-Homepage (www.degam-leitlinien.de) oder auf der Homepage

der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften,

http://leitlinien.net/) bei Bedarf heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Kontakt:

Philipp Leson

DEGAM-Bundesgeschäftsstelle

Friedrichstraße 133

10117 Berlin

Tel.: 030 209669800

Fax: 030 209669899

E-Mail: [email protected]

Homepage: www.degam.de

Dr. med. Anne Barzel

DEGAM-Geschäftsstelle Leitlinien

c/o Institut für Allgemeinmedizin

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistraße 52

20246 Hamburg

Tel.: 040 741059769

Fax: 040 741053681

E-Mail: [email protected]

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Niederlassung? Vielleicht, aber ich hätte da noch so viele Fragen …

Mit Grauen erinnert sich Claudia Kahle an die Zeit rund um ihre Niederlas-sung: „Ich fühlte mich allein gelassen, musste mir alle Informationen müh-sam zusammensuchen. Die Unterstüt-zung durch Ärztekammer oder Kassen-ärztliche Vereinigung war unvollstän-dig und beantwortete nicht meine drängendsten Fragen.“ Ähnliches er-lebte auch Sabine Frohnes: „Da ich die Praxis meiner Mutter übernahm, konnte diese mir vieles erläutern, aber ich hätte mir mehr Informationen von Kolleginnen und Kollegen in ähn-lichen Lebenssituationen gewünscht.“

Beide fanden solche kollegiale Un-terstützung schließlich über die Ver-netzung in der JADE*, dem Listserver** und ähnlichen Foren. Aus dem regel-mäßigen Austausch von Informatio-nen und Erfahrungen entstand über die letzten Jahre eine feste Gruppe von jungen Kolleginnen und Kollegen, die sich intensiv mit verschiedenen Fragen rund um die Niederlassung beschäfti-gen.

Zwei von ihnen sind Ruben Bernau und Timo Schumacher. Sie hatten be-reits während ihrer Weiterbildungszeit gemeinsam mit Hans-Michael Müh-lenfeld, Weiterbilder und Vorsitzender des Instituts für hausärztliche Fortbil-dung im Deutschen Hausärzteverband (IhF) die inzwischen sehr erfolgreichen Seminare „Freude mit Formularen“ und „Freude mit Attesten“ entwickelt.

„Am Anfang trafen wir uns aus ei-genem Antrieb“, berichtet Ruben Ber-nau. „Wir besuchten uns gegenseitig, um unsere Arbeitsweisen und Praxen

kennenzulernen. Wir waren erstaunt, wie verschieden unsere Betriebe funk-tionierten. Gleichzeitig schlugen wir uns mit ähnlichen Problemen und Fra-gen herum.“ Die Gruppe fing an, die gesammelten Informationen und Checklisten zusammenzutragen, zu sichten und sortieren. „Ein riesiger Da-tenhaufen mit den wichtigsten Infor-mationen, die uns allen die Niederlas-sung leichter gemacht hätten, war ent-standen. Wir haben uns dann die Frage gestellt, wie wir diese wertvollen Infor-mationen an andere niederlassungs-willige Kolleginnen und Kollegen wei-terreichen können.“

Forum Ärzte in Weiterbildung

2014 gründete der Deutsche Hausärzte-verband das „Forum Ärzte in Weiterbil-dung“, bestehend aus jeweils einer Ärz-tin oder einem Arzt in Weiterbildung aus jedem Landesverband. So sollte dem hausärztlichen Nachwuchs eine starke Stimme innerhalb des Verban-des gegeben werden. Zweck und Aufga-be des Forums ist es insbesondere, die Rahmenbedingungen der Facharztwei-terbildung zu verbessern. Gründungs-mitglied und Sprecher des Forums, Ga-briel Rogalli, erkannte zusammen mit Hans-Michael Mühlenfeld schnell die Chancen einer Zusammenarbeit. „Wie der Zufall es wollte, fuhren wir zusam-men zur practica. Auf dieser Fahrt wur-de die Idee einer bis dato einzigartigen Modulreihe geboren.“ So bekam die Gruppe im Deutschen Hausärztever-

band einen organisatorischen Rahmen für ihre weitere Arbeit.

Sie begannen damit, Workshops im Modulcharakter zu entwerfen, in de-nen die wichtigsten Informationen rund um die Niederlassung kompakt und praxisnah vermittelt werden. Hier-bei sollen alle Aspekte der Niederlas-sung abgedeckt werden – mit so unter-schiedlichen Themen wie zum Beispiel „Nicht warten – starten! Praxisfinanzie-rung und Versicherungen“, „Das Genie beherrscht das Chaos – Praxisorganisa-tion“, oder „Mein Team und ich – Per-sonalführung“ und viele weitere. Ab 2016 werden die sogenannten „Werk-zeugkasten“-Workshops über das IhF im Deutschen Hausärzteverband bun-desweit angeboten.

„In vielen Bereichen gibt es kein richtig oder falsch, sondern jeder muss seinen eigenen Weg finden“, so Timo Schumacher aus Niedersachsen. „Wichtig war uns in der Arbeitsgruppe daher, dass die Vielfalt unserer Erfah-rungen abgebildet wird. Daher referie-ren wir immer als Team.“ Die Mitglie-der bringen verschiedenste Erfahrun-gen ein – sie leben und arbeiten mit Kindern oder ohne, in der Einzelpra-xis oder in der BAG mit zwei oder drei Mitgliedern, in ländlichen Regionen oder in der Stadt, in verschiedenen Bundesländern etc. Gemeinsam ist ih-nen die Begeisterung für die hausärzt-liche Arbeit. „Es ist mir wichtig, diese Begeisterung weiter zu geben und den jungen Kolleginnen und Kollegen die Angst vor der Niederlassung zu neh-men“, beschreibt Ruth Deecke ihre Motivation. Jana Husemann, die sich 2015 niedergelassen hat, ergänzt: „Hätte ich dieses Angebot nur schon vor der Niederlassung gehabt, es hätte mir viele Unsicherheiten erspart.“

Weitere Informationen werden in Kürze über die Webseite des Deutschen Hausärzteverbandes sowie des IhF zu erhalten sein, erster Termin 2016 ist der IhF-Kongress in Mannheim am 26./27.2. 2016.

*JADe: Junge Allgemeinmedizin Deutschland, ein bundesweiter Zusammenschluss von ÄiW, die sich auf regel-mäßigen lokalen und bundesweiten Treffen, außerdem im Internet über ein Forum austauschen (www.jungeallgemeinmedizin.de). **Listserver Allgemeinmedizin: Eine Mailingliste der DEGAM, die dem kollegialen Austausch (nicht nur) zu fachlichen Themen dient (www.degam.de/allgemeinmed-listserver.html).

DEUTSCHER HAUSÄRZTEVERBAND / GERMAN ASSOCIATION OF FAMILY PHYSICIANS

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Herausgebende Gesellschaft / Publishing InstitutionDeutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), DEGAM-Bundesgeschäftsstelle Friedrichstraße 133, 10117 Berlinwww.degam.deMitherausgebende Gesellschaften / Affiliations Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA; www.gha-info.de); Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM; www.oegam.at/c1/page.asp?id=35);Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SüGAM; www.suegam.it); Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM; www.tgam.at);Vorarlberger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (VGAM)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Society of Professors of Family Medicine, the Salzburg Society of Family Medicine, the Southtyrolean College of General Practitioners, the Tyrolean College of General Practitioners and the Vorarlberg Society of Family Medicine

Herausgeber / EditorsProf. Dr. med. Hanna Kaduszkiewicz Institut für Allgemeinmedizin Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Medizinische Fakultät Michaelisstraße 5, Haus 17, 24105 Kiel [email protected]

Prof. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin Abt. Allgemeinmedizin (Emeritus) Universitätsmedizin Göttingen Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Ludwigstraße 37, 79104 Freiburg [email protected]

Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling Facharzt für Allgemeinmedizin Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Schwarzwaldstraße 69, 79822 Titisee-Neustadt [email protected]

Dr. med. Susanne Rabady Ärztin für Allgemeinmedizin Paracelsus Medizinische Privatuniversität Landstraße 2, A-3841 Windigsteig [email protected]

Prof. Dr. med. Andreas SönnichsenFacharzt für Innere Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Straße 50, 58448 Witten [email protected]

Verantwortlicher Redakteur i. S. d. P. / Editor in ChiefProf. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Allgemeinmedizin Abt. Allgemeinmedizin (Emeritus) Universitätsmedizin Göttingen Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Ludwigstraße 37, 79104 Freiburg [email protected]

Internationaler Beirat / International Advisory BoardJ. Beasley, Madison/Wisconsin, USA; F. Buntinx, Leuven/Belgien; G.-J. Dinant, Maastricht/NLM. Egger, Bern/CH ; E. Garrett, Columbia/ Missouri, USA; P. Glasziou, Robina/AustralienT. Greenhalgh, London/UK; P. Hjortdahl, Oslo/Norwegen; E. Kahana, Cleveland/Ohio, USAA. Knottnerus, Maastricht/NL; J. Lexchin, Toronto/Ontario, Kanada; C. del Mar, Robina/Aust-ralien; J. de Maeseneer, Gent/BelgienP. van Royen, Antwerpen/Belgien; F. Sullivan, Dun-dee/Schottland, UK; C. van Weel, Nijmegen/NL; Y. Yaphe, Porto/Portugal

Verlag / PublisherDeutscher Ärzte-Verlag GmbHDieselstr. 2, 50859 Köln, Postfach 40 02 65, 50832 KölnTel.: +49 2234 7011-0 www.aerzteverlag.de

Geschäftsfühung / Board of DirectorsNorbert A. Froitzheim (Verleger), Jürgen Führer

Leitung Produktbereich / Leader Product DivisionKatrin Groos

Produktmanagement / Product ManagerMarie-Luise Bertram, Tel.: +49 2234 [email protected]

Lektorat / Editorial OfficeJürgen Bluhme-RasmussenTel.: +49 2234 7011-512 [email protected]

Internetwww.online-zfa.de

Abonnementservice / Subscription ServiceTel.: +49 2234 7011-520, Fax: +49 2234 7011-6314, [email protected]

Erscheinungsweise / Frequency11-mal jährlich, Jahresbezugspreis Inland € 114,00, Ausland € 141,60 Ermäßigter Preis für Studenten jährlich € 84,00 (Inland), € 111,60 (Ausland) Einzelheftpreis € 10,40 Preise inkl. Porto und 7 % MwSt. Die Kündigungsfrist beträgt 6 Wochen zum Ende des Kalenderjahres. Gerichtsstand Köln. Für Mitglieder der DEGAM. ist der Bezug im Mit-gliedsbeitrag enthalten.

Verantwortlich für den Anzeigenteil / Advertising CoordinatorMarga Pinsdorf, Tel. +49 2234 7011-243, [email protected]

Verkaufsleiter Medizin / Head of Sales MedicineEric Henquinet, Tel. +49 172 2363754, [email protected]

Sales ManagementPetra Paul, Tel. +49 2234 70 11-239, [email protected]

Verlagsrepräsentanten Industrieanzeigen / Commercial Advertising RepresentativesNord/Ost: Götz Kneiseler, Tel. +49 30 88682873, Mobil +49 172 3103383, [email protected]/Süd: Hardy Lorenz, Tel. +49 6131 219490, Mobil +49 172 2363730,[email protected]

Non-Health: Eric Le Gall, Tel. +49 2202 9649510, Mobil +49 172 2575333, [email protected]

Herstellung / Production DepartmentBernd Schunk, Tel. +49 2234 7011-280, [email protected] Krauth, Tel. +49 2234 7011-278, [email protected]

Layout / LayoutMichael Nardella

Druck / PrintDruckerei farbo print+media GmbH, Bischofsweg 48, 50969 Köln

Bankverbindungen / AccountDeutsche Apotheker- und Arztebank, Köln, Kto. 010 1107410 (BLZ 370 606 15), IBAN: DE 2830 0606 0101 0110 7410, BIC: DAAEDEDD, Postbank Koln 192 50-506 (BLZ 370 100 50), IBAN: DE 8337 0100 5000 1925 0506, BIC: PBNKDEFF

Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 8, gültig ab 1.1.2016 Auflage lt. IVW 2. Quartal 2015 Druckauflage: 7.200 Ex. Verbreitete Auflage: 6.527 Ex. Verkaufte Auflage: 6.432 Ex.92. JahrgangISSN print 1433-6251ISSN online 1439-9229This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/LIVIVO.

Urheber- und Verlagsrecht / Copyright and Right of PublicationDiese Publikation ist urheberrechtlich geschützt und alle Rechte sind vorbehalten. Sie darf daher außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ohne vorherige, ausdrückliche, schriftliche Genehmi-gung des Verlages weder vervielfältigt noch über-setzt oder transferiert werden, sei es im Ganzen, in Teilen oder irgendeiner anderen Form.Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handels-namen und sonstigen Kennzeichen in dieser Publika-tion berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese frei benutzt werden dürfen. Zumeist handelt es sich da-bei um Marken und sonstige geschützte Kennzeichen, auch wenn sie nicht als solche bezeichnet sind.

Haftungsausschluss / DisclaimerDie in dieser Publikation dargestellten Inhalte die-nen ausschließlich der allgemeinen Information und stellen weder Empfehlungen noch Handlungs-anleitungen dar. Sie dürfen daher keinesfalls unge-prüft zur Grundlage eigenständiger Behandlungen oder medizinischer Eingriffe gemacht werden. Der Benutzer ist ausdrücklich aufgefordert, selbst die in dieser Publikation dargestellten Inhalte zu prüfen, um sich in eigener Verantwortung zu versichern, dass diese vollständig sind sowie dem aktuellen Er-kenntnisstand entsprechen und im Zweifel einen Spezialisten zu konsultieren.Verfasser und Verlag übernehmen keinerlei Verant-wortung oder Gewährleistung für die Vollständig-keit, Richtigkeit und Aktualität der in dieser Publi-kation dargestellten Informationen. Haftungs-ansprüche, die sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der in dieser Publikation dargestell-ten Inhalte oder Teilen davon verursacht werden, sind ausgeschlossen, sofern kein nachweislich vor-sätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden von Verfasser und/oder Verlag vorliegt.

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Z FAZeitschrift für Allgemeinmedizin

German Journal of Family Medicine

Januar 2016 – Seite 1–48 – 92. Jahrgang www.online-zfa.de

Page 51: ZFA 01 2016 - online-zfa.de · Karola Mergenthal, Mareike Leifermann, Martin Beyer, Ferdinand M. Gerlach, ... Guido Schmiemann Nils Schneider Joachim Seffrin Anne Simmenroth Jost

© Deutscher Ärzteverlag | ZFA | Z Allg Med | 2016; 92 (1) ■

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