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Zu dem Begr~ff «Falsche Freunde» und seiner praktischen Anwendung am Sprachenpaar Deutsch-Spanisch IRENE DOVAL RrrxÁ Universidad de Santiago dc Compostela 1. Einleitung Der Terminus ‘falsehe Fi-cunde’ erscheint Fremdsprachenlchrern und Uberset- zern vertraut, denn sic stcllen emes der graviercndsten Probleme auf dem Gebiet der Ubei-sctzung ¡md Interfei-enz mit dei- Mnttersprache dar. Voi-láufig kann man dic falschcn Freunde als zu zwei Sprachen gehórende Wórter mit gleichen oder áhnli- chen Signifikanten, aher unterschiedlichen Signifxkaíen definieren. Der Anfánger neigt in diesen Fallen dan, das entsprechende Wort mit dem Aquivalent seiner N4uttersprache zu íibersctzen ¡md l~uft somit Gefahr, vollkommen falscite Inhalte zu vermitteln. Mit Ausdrucken wie «Montag fállt dic Klassc aus» sind wir, dic Dcutsch als Fremdsprache jebren, vertraut. Dic lnterferenz mit der Muttersprache, hervorgerufen durch das spanische Wort clase, fúhrte zu der falsehen Benutzung des deutschen Substantivs Klasse anstatt Unterricht. Angesichts dci- Schwierigkei- ten ist es nicht verwunderlich, dal3 dei- Frage iminer mehr Aufmerksamkeit von sei- ten des Fremdsprachenunterrichts, der kontra.stiven Linguistik und dei- Ubersetzung gcsclicnkt wird. In diescm Beitrag werden anhand ciner Auswahl von Beispicien aus dem Deutschen und Spanischen dic pragmatisehen, terminologisehen und titeo- rctischen Aspekte des Phánomens ‘falsehe Fi-cunde dargelegt. Gleichzeitig wird dabei dic Relcvanz bestimmter ¡Criterien fui- ihre Detinition betrachtet. In den europáischen Sprachen lassen sicb in fast alíen Bereichen interkultu- reIle und interlinguale Annáherungen fcststellen. Der Grund dafur ist das gemeinsame kulturelle Erbe aus dem Griechisehen und Lateinischen und der direktc jahrhundertelange Kontakt zwisciten benaehbarten Lándern. Das Latein war dic wichtigste Quelle, dic den curopáischen Sprachen dic gemeinsame Revista de Filología Alemana, n/’ 6, 277-289. Servicio de Publicaciones UCM. Madrid, 1998

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Zu dem Begr~ff «Falsche Freunde» und seinerpraktischen Anwendung am Sprachenpaar

Deutsch-Spanisch

IRENE DOVAL RrrxÁUniversidad de Santiago dc Compostela

1. Einleitung

Der Terminus ‘falsehe Fi-cunde’ erscheint Fremdsprachenlchrern und Uberset-zern vertraut,denn sic stcllen emes der graviercndsten Probleme auf dem Gebiet derUbei-sctzung ¡md Interfei-enz mit dei- Mnttersprache dar. Voi-láufig kann man dicfalschcn Freunde als zu zwei Sprachen gehórendeWórter mit gleichen oder áhnli-chen Signifikanten, aher unterschiedlichen Signifxkaíen definieren. Der Anfángerneigt in diesen Fallen dan, das entsprechende Wort mit dem Aquivalent seinerN4uttersprache zu íibersctzen ¡md l~uft somit Gefahr, vollkommen falscite Inhaltezu vermitteln. Mit Ausdrucken wie «Montag fállt dic Klassc aus» sind wir, dicDcutsch als Fremdsprache jebren, vertraut. Dic lnterferenz mit der Muttersprache,hervorgerufen durch das spanische Wort clase, fúhrte zu der falsehen Benutzungdes deutschen Substantivs Klasse anstatt Unterricht. Angesichts dci- Schwierigkei-ten ist es nicht verwunderlich, dal3 dei- Frage iminer mehr Aufmerksamkeit von sei-ten des Fremdsprachenunterrichts,der kontra.stiven Linguistik und dei- Ubersetzunggcsclicnkt wird. In diescm Beitrag werden anhand ciner Auswahl von Beispicienaus dem Deutschen und Spanischen dic pragmatisehen, terminologisehen und titeo-rctischen Aspekte des Phánomens ‘falsehe Fi-cunde dargelegt. Gleichzeitig wirddabei dic Relcvanz bestimmter ¡Criterien fui- ihre Detinition betrachtet.

In den europáischen Sprachen lassen sicb in fast alíen Bereichen interkultu-reIle und interlinguale Annáherungen fcststellen. Der Grund dafur ist dasgemeinsame kulturelle Erbe aus dem Griechisehen und Lateinischen und derdirektc jahrhundertelange Kontakt zwisciten benaehbarten Lándern. Das Lateinwar dic wichtigste Quelle, dic den curopáischen Sprachen dic gemeinsame

Revista de Filología Alemana, n/’ 6, 277-289. Servicio de Publicaciones UCM. Madrid, 1998

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Lexik lieferte. Viele Wdrter wie ctwa Universitáu, Professor, Tempel, Format,Dokunient, Garande bestátigen dies. AuBerdem diente es als Vermittier fUi-cinen Grofiteil von gemeinsamen 1-lellenismen wie anacoreta/Anachoret, jera’-quía/Hierarúhie, amnistla/Ainnesde, dic vom Gricchischen ms latcmische liber-nommen und anschliel3end in den von den Rómern besetzten Gebieten verbrei-tet wurden. Aus dem Lateinisehen stammen vicIe Begriffc der Religion,Bildung, Literatur, des Handwerks, des Militárs, I-faushalts-, Staats- und Rechts-wcsens (Alvermann, 1994: 84). Eme seitr wichtigeRolle bei dci- Entstchung dci-gemeinsamen europiiischen Lexik spielte auch dic Christianisierung im Mittcl-alter, deren Einflul3 sogar bis nach Skandinavicn und ms Baltikum reichte,wofur tB. schwcdisch mission, deutsch Mission, latcinisch niissio cm Beleg ist.

Im 17. Jahrhundert trat das Latcinischc seine Stellung an das Franzósiseheab. Vor allem im gcscllschaftlichcn Leben, in der Bekleidung, Kosmctik, Ca-stronomie, im Theater, in der Dicittung, Diplomatie und im Verkehr flossen dic-sc franzósischen Internationalismen cm. Aus dieser Zcit stammcn in vicieneuropáischen Sprachen vorkommendc Wiirtcr wic Xciiiit IIre, Marmelade, Gar-¿¡erobe, Ba(kon, ParfíÁm, Terrasse.

lm 19. Jahrhundert trat aufgrund dci- industriellen Revolution und desKolonialismus cinc neuc europáischc Spraehe in den Vordergrund, das Engli-sche. Diese Sprachc erreichte un Verlaufe unseres Jahrhunderts cinc irumerbedeutendere Stcllung aufgrund der Weitcrcntwicklung der Medien, dic zueinem immer schncllcren und globaleren Informationsaustausch beigetragenhaben. Durch dic Vcrbesscrung dci- Infrastruktur und des Lebensnívcausnimmt auch dci- kulttírcllc, ékonomische und politisehe Austausch zwischenden Lándern kontinuierlich zu, und durch das zum tibcrwiegcnden Teil ausdem Englisehen stammende Vokabular wird dic lnternationalisierung immcrweitcr vorangetrieben)

Diese gemeinsame kulturellc Tradition schuf Platz fúr cine groBe Zahí vonInternafiorialismen2, d.h. mr cine gemeinsame Lcxik in vcrschiedenen Spra-chen. Diese Lcxik hat in jeder Sprachc cinc cigene scmantische Entwicklungcrlebt: Sic wurde in ihrcm Gebrauch cntwcdcr cingesehránkt, crweitert oderversehoben, wodurch das Vokabular trotz der gemeinsamen Hcrkunft irgcnd-wann untcrschicdliche Bedeutungen annahm.

Man solíte auch nicht andere europáische Sprachen vergcssen, dic Quelle Wr zahireicheInternationalismen waren, wie z.B. das Italienisehe im Bereich der Musik und des Bankwescns.Auch andere Wdrtcr aul3ercuropáischer l-lerkunfl siod den meisten europáischen Sprachengemeinsam: Es sei hier nuran dic vicien arabisehen Befriffe erinnert, dic wiihrend des MittelaltersSur Zeil der Kreuzztge imponiert wurden (sE. Alto/ial, Zenit. Ka/lee, Admira!). aher auch axisdem Persischen (sE. Basa,; Kiosk ond Magie), aus dem l-Iebráischen (Balsarn) oder Kakao auscinermexikaniscben Sprache.

Etir den Tenninus siehe P. Braun, «Internationalismen - gleiche Wortschitze in europái-schen Sprachen», Muttersprache 96, 1986, 368-373 und auch Braun/Schaeder/Volmert 1990,sowte Alvermano 1994. 84-95.

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Dic Ursacite, warum in jeder cinzelnen Sprache, im Gcgensatz zu dci- Aus-gangssprache, diese Verscitiebung, Erweiterung oder Einscitránkung der Hedeu-tung stattfand, láBt sich nur, nach Meinung Mario Wandrnszkas (1977: 55), mitHilfe des Zufalís erkliii-en: man kónne dic Entsteitung der falsehen Fi-cunde nurdurch dic zufálligen Bedeutungsvcrschicbungcn inneritalb zwcicr Sprachenerkláren, dei-en Ergebnis zufálligerweise cine Homonymie mit verseitiedenenBedeutungen in den beiden Sprachcn war Gauger (1982: 79) tibernahm dieseIdee des ‘Zufalís’ von Wandruszka, obwohl ci- selbst den Begriff der ‘Kontin-genz’. im Sinne von Kontingenz dci- Signifikanten zu ihren Signifikaten, bevor-zugte. Das crkláre, so Gauger, dM3 lateiniseh largus in vicien curopáisehen Spra-chen (it. largo ‘brcit’, fr. large, engí. large ‘groB’, port. largo ‘breit, weit) seineBedcutung behalten hat und nur im Spanischen dic Bcdeutung von ‘Lánge’ ange-nommcn und das ui-sprungliche Wort luengo fast voilstiindig verdriingt hat.Zulctzt wcist Gauger (1982: 78) auf den subjektiven Charakter dcr falsehenFreunde hin: cm falscher Freund cntstchc nur in Bczug aufjemanden, existierealso zwischen den zwei Sprachen nicht tatsáchlich, sondcrn betreife immercínenbestimmten Sprecher. Es sci cine individuelle Realisicrung erfoi-derlicit, damitaus eincm potentiellen Falsehen- Freunde-Paar cm realer falseherFrcund cntste-he, dcnn nieht jedes mégliche Paar stelle ftir jeden Sprcciter cm Problem dar.

2. «Falsehe Freunde»: Eme Begriffs bestimmung

Obgleich das Phánomen sciton friliter bekannt war und noch heute Samm-lungen von Wórtern aus vorigen Jahrhunderten vorhanden sind (Haschka,1989: 149, Milan, 1989: 385), wurde derTerminus ‘falsche Fi-cunde’ in seinerfranzósischcn Form ‘Jata amis’, wie er immer noch in vicien Lándern geláufigist, 1928 von Maxime Kocssler und Jules Dcrocquigny in ihrem Werk LesJaraamis ou les trahisons du vocabulaire anglais gepx4igt. Dei- Begriff ‘faux amis’konntc sich gegen alíe anderen, darunter auch ‘mots-sosies’, ‘mots-fréres’‘faux fréres’, ‘deceptive cognates’, ‘falsos gemelos’, durchsctzcn. Zum cinenist er in dic kontrastivc Linguistik cingegangen, zum anderen lóste ci- cineLawinc von Lchntibersetzungcn aus, so daB in anderen Spracitcn Entsprcchun-gen, wie ‘falsos amigos’, ‘falsche Fi-cunde’, ‘false friends’ gebildct wordcnsind. Koesslcr und Dcrocquigny haben dic falsehen Freunde folgendermaBendcfiniert:

Des mots qui se correspondent d’une langue á lautre par létymologie et par lafoire, mais qui, ayant ¿volué au 5cm dc deux langues et partant de deux civilisa-tions différentes, ont pris des sens différentsi

Da diese 1. Auflage von 1928 nicht zugánglich ist, wird bier nach Gauger (1982: 79)zitiers, bei dem keine weitere bibliographiscbe Angabe vorhanden ist.

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Diese ursprtingliche Definition des Terminus wurde im Lauf dci- Zeit immcrmehr erweitert, wodurch alíe Kritcricn von Koesslcr und Deroequigny in Fragegestellt wurden. Man versuchte mit diesem Begriff dic Gesamtheit der dureh denSpracherwerb und dic Ubcrsetzung zwischen zwei Sprachen cntstandcnen lexika-lisehen Interferenzen zu crfassen. Im folgenden wird dic Angemessenheit jenerKriterien diskutiert und anhand dcutschcr und spanischer Beispiele erláutert.

2.1. Das etymologische Prunmip

Nach der Definition von Koessler und Derocquigny ist dic etymologiseheVerwandtschaft dic Voraussetzurxg flir das Bestehen cines Paares falschcrFi-cunde. In den folgenden Auflagen hielten sic an dcm crwáhnten Prinzip festund schlosscn somil dic zufilíligen homonymischcn Fálle zwisehcn zwci Sprachen,wie dt. Lilí! ital. caldo, dt. Stufe/ span. estufa, dt. Mappe/ span. mapa aus. Eini-ge spátcrc Wissensehaftler haben darauf hingcwicscn, daB diese etymologischcEmnschránkung bei dem Vergleich mit anderen Sprachen nicht zutreffcnd sei,denn Koesslcr und Derocquigny haben sich nur auf das Sprachcnpaar Englisch¡ FranzOsisch bezogen, wo dic meisten der falsehen Freunde cm gemeinsaíneslateinisehes Etymon aufwcisen.

Gunther Hacnsch (1956, 16) sehlágt in der Einlcitung zu seiner Zusam-menstellung von falsehen Freunden Franzdsisch ¡ Dcutsch cine andere Defini-tion vor, dic das etymologische Kriterium nichí berticksichtigt:

(liejenigen fraí,zésischen Wdrter, dic in der gleichen oder einer sehr iihnlichenFonn im Deutschen vieltach als Ercmdwórtcr vorkommen, dic aher ini Eranzdsi-schcn cine ganz andere Bedeutung haben.

Expliziter ául3crl sich dazu Mario Wandruszka (1977: 53). Em falseherFrcund entstehe durch interlinguale Homonymien, durch zufállige Gleichklán-ge zwischcn den Sprachen, dic manchmal auf dasselbe Etymon zuríickzufúhrenswen (lat. sentire, fr. sentir, span. sentir, ¡tal. sentile) und manchmal auch nichtwie bci ital. caldo! dt. ¡¿alt (Wandruszka, 1977: 59).

Hans-N4artin Gauger (1982: 78) lál3t das etymologische Kritcrium fúr dicDefinition der falsehen Fi-cunde ebenfalís autier achí:

«Falsehe Freunde» ita l,cxikalischen4 sind Wdrter der fremden Sprache, dic manerlemí oder erlerní hat, dic Wdrtern der cigenen Sprache matericlí mehr oderweniger áhnlich sind, aber cine mehr oder weniger versehiedene Bedeutunghaben.

Vgl. unten, deno er meint, dal3 auch auBcrhalb des Iexikalischen Bercics fa]sche Freundevorbanden dad.

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Gauger mcint, dM3 diese etymologische Verwandtschaft nicht notwendigzum Bcgriff geitóre, auch wcnn dic Mehriteit dei- falsciten Fi-cunde cinc gemein-same Herkunft itabe. Er besteht darauf, daB dci- Begriff strikt synchronisch defi-nicrt werden solle und nicitt historisch, wie es diejenigen taten, dic den Tcrmi-nus gcprágt haben.

Helmut Kuhnel (1979: 5), dcm Wotjak (1984: 116) im wesentliciten folgt,nimmt hingegen dic gemeinsame Etymologie der Paare ais notwendige Voraus-setzung wieder auf, dcnn dic falsehen Fi-cunde seico Wdrtcr, dic «durch gleicheHerkunft oder Entlehnung [... ¡ in beiden Sprachen in gleichcr oder seitr áhnli-cher Form existieren [...], aber im Laufe dei- spracitlichen Entwicklung in dereincn oder anderen Sprachc cine abweichcnde Bedeutung angenommen haben».

Das etymoiogischc Prinzip scheint mii- fui- dic Definition der falschen Fi-cun-de uncntbehrlich zu sein, wcil námlich dic zufálLig formal áhnliciten Wortpaarekcmne semantisehen Gemeinsamkeiten aufweisen, und daher auch keine Interfc-renzen beim Ubcrsetzcn verursachen. Somit i-eduziert sich dic Suche nach fal-sehen Freunden auf cm reines Wortspiel, aus dem man keinerlci didaktisehenNutzen ziehen kann.

Mit Recht sagtMilan (1989: 396), dal3 «sicit dic Zusammcnstellung vonJauxam¡s-Paaren als cine blofle formale Spiclerei erweiscn wurdc», wenn diesesPrinzip nicht bcrticksichtigt wird. Ftir das Zustandekommen von Interferenzenreicht es nicht, daB zwei Wñrtei- zweier vcrschiedcner Sprachcn durch reinenZufalí quasi zu Homonymen werden. Diese Homonymc sind nur dic Ursachefur Fehíer, wcnn sic in einem vergleicitbaren Kontext erseiteinen und dci- Spre-cher cinc Verbindung in irgendeiner Weise zwischen den beiden hcrstellt; das istoffensichtlich nicitt der Falí bei den von Wotjak (1984: 116) als Arbitrarismenbczeichncten Wortpaaren Stufe/estufó, Grijft/griJo, Mappc/mapa, dic in ganzuntcrschiedliciten Kontextcn vorkommcn.

2.2. Dic jbrmale Áhnlichkeií

Das Prinzip dci- formalen Aitnlichkeit von Wortpaarcn ti-itt fast in alíen Dcfi-nitionen dci- falsehen Fi-cunde auf. Auf ihm beruht dic Entstchung des Pitáno-mcns, aber gleichzcitig wurde daflir kcin operatives Kritcrium entwickclt.Solange dies nicht geschicht und wir einzig und allein nach unserem Geftiitlentscheidcn mussen, welche Wórter ~hnlich sind und wclche nicht, wird diesesKriterium notwcndigerweise zu einem gewissen Temí mit Subjcktivitát bcitaftetseín. So haben wir neben Pillen mit offcnsicittlicher formaler Ahniichkeit5 wieKonkurrenz/eoncurrencia, Karte/carta andere, bei denen dic Ahnlichkeit nicht

Vgl. Milan (1989: 395), der mehrere Móglichkeiten ifircine objektivcre Definitionvon for-majenÁhnlichkeiten vorschlágt. Siehe aucb Watjak, 1984: 113.

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so eindeutig ist wie z.B. bci Risi/co/riesgo, redigieren/redactaí; Prozedur/proce-dimiento, und wo man entscheiden mñf3tc, ob dic formale Ahnlichkeit fúr dicBildung cines falsehen Fi-cundes ausreicht.

Trotz atledem wird dieses Ki-iterium von den meisten Autoren, dic sicit mitdem Phanomen ‘falsche Fi-cunde’ bcfaBt haben, akzeptiert. Dic cinzige Ausnah-mc stellt Gauger (1982: 81-82) dar, der sogar auf dic fonnale Ahnlichkeit alsnotwendige Voraussetzung vcrzichtet und unter dic falschcn Fi-cunde Falle vonPolysemie zwischcn zwei Sprachen ohne irgendeine formale Ahnlichkeit sub-sumicrt. Ganger erklárt, dM3 cine dci- Gruppen von falsehen Freunden entsteht,wcnn «in der cinen Sprache zwei oder mchr Bedeutungen auf zwei oder mehrmaterielí versehiedene Wórter vcrtcilt sind, wáhrend sic in der anderen durchctn cinziges Wort, materielí gesehen, ausgedrtickt wcrden». Damit verweist erauf Falle wie span. espera:, cm Vcrbmit zwei versehiedenen Bedeutungen, demim Deutschen dic zwei versehiedenen Verben hoifen und warten cntsprcchen,oder span. sueño, im Gcgensatz zum Deutschcn Schlaf/Trauín. Den umgekehr-ten Fail findct man z.B. bei dt. Ring, neben span. anillo/sort¡ja. Gauger crwei-ten den Bcgriff sogar noch: ».. es kann sich auch um cine einheitlichc Beden-tung handein, dic in der anderen Sprache gleichsam vertcilt erschcint». Damiterfalit ci- auch polysemische Pille, bci denen cine Sprache zu ciner Differenzic-rung zwingt und dic andere nicht. Beispiele daflir sind span. pez/pescado nebendt. Fisch oder umgekehrt dt. gefallenlschmecken im Gegensaiz zu span. gustar

Ich pffidiere daftir, diese Pille von Polysemie oder ungleicher semantischerVertcilung in zwci Sprachcn, von denen es cinc Vielzahí in jedcm Sprachcnpaargibt, auBerhalb des Konzepts dci- falsehen Freunde zu betrachten, denn das Kri-terium dcr formalen Áhnlichkeit ist dic Voraussewung fur jede Defmnition vonfalschen Freunden und stellt dic gemeinsame Basis dar, auf der dic móglichenInterferenzen bcruhenf Selbstvcrstándlich treten vicIe andere versehiedenartigescmantische Interferenzen auf, was aberkein Grund daftir 5cm kann, sic alíe mitder Falschen-Frcunde-Erschcinung abzudcckcn.

2.3. Dic sernantisehe Eunschránkung

a) Formelle falschc Fi-cunde

Dci- genanntcn urspriinglichcn Definition von falsehen Fi-cunden zufolgewird nur auf semantische Interferenzen hingewicsen, wcnn beide Wórtei- dci-verglichenen Sprachcn nicht in alíen Sememen íibercinstimmcn. Trotzdem

Dieselbe Mcinung vertritt dic Mehrheit der Autoren, dic diese Korrcspondenzen ohne for-male Xhnlichkcit im Phiinomen ‘faische Freunde’ nicht ciuschtieBcn; dazu vgt. Hascbka t989,150.

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haben spáterc Linguisten auch in áhnlichcn, aber nicht identiscitenWéi-tcm vor-itandene formale Interferenzen in das Konzept dci- falsehen Fi-cunde mit einbe-zogen. Damit ist dei- Begriff ‘falscite Fi-cunde nicitt nur auf dic semantiscitenErsciteinungen beschi-ánkt, sondcrn umfaBt aucit pitonologische, oi-thographi-sche, morphoiogiscite und syntaktische Pitánomene.

Dei- erstc, dei-dieseErweitcrung emnftiiti-t, war Haensch (1956: 16), dei- Wbr-ter einbezieht, dic in beiden Sprachcn die gleiche Wurzel haben, aber Untcr-schiede in dci- Schreibung oder in dci- Endung aufweiscn und somit Feitier zulas-sen kdnnen. Das ist z.B. dei- Pali bei dt. ostentativ gegenuber fr. ostentatoire, dt.paradox gegenilber fr. paradoxal. Inncritalb dieser formalen falsciten Fi-cundefinden sich auch Wórtei-, dic trotz ihrei- Ahnlichkeit chi andercs Genus iii dereinen oder anderen Spracite haben, wie etwa dt. die Ziffer, die Geste im Gegen-satz zu fi-. le chiffre, le geste.7

Auch Kulinei (1979: 5-6) fñitrt in seiner detaillierten Klassifikation dci- fal-seiten Fi-cunde dic ‘strukturellen falsehen Fi-cunde’ cm, zu denen Wortpaaregeitóren, dic sich aufgi-und ihrer Bildung oder jitrer phonetisciten Strukturvoneinander unterscheiden. Aul3erdcm ist ci- dci- Meinung, daI3 selbst soicheWortpaare falschc Fi-cunde sind, dic sicit durcit cinc unterschiedliche Rek-tion(!), untcrschicdliche Schreibweise oder untersehiedimeites Gcsciticcht in dei-cinen oder anderen Sprache differcnzicren lassen.

Wotjak (1984: 126-9), dci- im Grande dic Klassifikation von Kúhnel tiber-nimmt, bezeichnct als ‘struktureil-formaic falscite Fi-cunde’ diejenigen, beidenen zwar formale Divergenzen, aber keine semantisciten Differenzcn auftre-ten. Inncrhalb dieser untcrsciteidct cr folgende Untergruppen:

— ‘morphcmatischc falsehe Frcunde’ (Divergenzen bci den grammatischenMoi-phcmen, z.B. atheistisch/ateo, synchron/sincrónico)

— ‘oi-thoepische falsehe Freunde’ (unterseitiedimehe Schreibung oder pito-netisehe Realisicrung: amnistla/Amnestie, Diktatur/dictadura)

— ‘katcgorialiscitc falsehe Fi-cunde’ (untcrschiedlichc Wortklassc in jederSprachc: Desperado/desesperado, das Bravo/bravo)

— ‘intrakategorialischc kische Freunde’ (Geschlechcsunterschiede: dasAquarelí/la acuarela, die Analyse/el análisis, die Minute/el minuto odcrDivergenzen im Numerus: die Mathemotik/las matemáticas, dieBrille/las gafas)‘akzentuale falscite Fi-cunde’ (untcrschiediiche Akzentuicrung: Akade-mie/academia, Epocbe/época. Orgie/orgía).

0cm folgt Hans-Wilhelm Klein in seiner Klassifizierung der falsehen Fi-cunde, der cineOruppe mit formalen Korrcspondenzen im Dcutschen iwd Franzósisehen, aber mit Orthographie-und Genus untersehieden, aufgestellt bat.

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Das Einbeziehcn dieser Phánomenc in den Bcgriff dci- falsehen Fi-cunde láBtsich damit rcchtfertigcn, dal3 sic cine Fehíerquelle bei dci- Ubcrsetzung und beidcm Fremdsprachcnerwerb darstellen. Obwohl dies zutrifft, ist diese grenzenlo-se Begriffscrweiterung meiner Auffassung nach nicht angebracht, denn so wíir-de das Phánomen seine Konturen verlieren. Es kat1n nicht darum gehen, alíemóglichen interlingualen Interferenzen in einem Begriff zusammenzufassen.Sinnvoller ist es, das Konzcpt so zu belassen. wic es geprágt wurde, ausschlieB-lich bczogen auf dic Semantik, und alíe diese formalen Divergenzen in eincmcigenstándigen Forschungsgcbict zu betrachtcn.

b) Komrnunikativc falsehe Fi-cunde

Eme weitcrc tiJberschrcitung des semantisehen Kriteriums findet sich auchim Vorschlag Wotjaks, der indic Gruppc der falsehen Fi-cunde auch dic von ihmals ‘kommunikative falsche Freunde’ bczcichnetcn einschlicBt. Es handele sichum Wortpaare, zwischen denen keinc wcsentlichen semantischen, sondcrn nurstilistische und Gebrauchsdiffcrcnzicrungen auftreten.

Wotjak stellt richtig fest, dM3 konkrct im Sprachenpaar Dcutsch/Spanischdic Wórter mit lateinischcr Herkunft, dic den Grol3tcil dci- falschcn Freunde bit-den, oit cm untersehiedlichcs Gebrauchsniveau haben. Im Dcutschcn gehórtendiese Frcmdwérter oft ausschlicf3lich zur Bildungs- oder Fachsprache, wáhrendim Spanischen der Abstand zur Allgcmeinspraehe vid geringer oder oft niehtvorhanden sci. Aus diesem Grund miissc man mit diesen lexikalischen Einhei-ten, dic cine formale und initaltliche Kongruenz besitzen, vorsichtig sein, dcnnim Dcutschen ist es háufig koínmunikativ und stilistisch angebrachtcr. das spa-nischc Wort mit dem cntsprcchenden dcutschen Erbwort und nicht mit demFrcmdwort zu tibcrsetzcn.

Trotz dieser Argumente Wotjaks wtirde ich diese Pille aus der Gruppe dei-falschen Freunde ausschlicBcn. Es geht im Grunde nur darum, daB dicAbgrenzungen zwischen Allgemcinsprache und Fachterminologic in den bci-den Sprachcn untcrschiedlich verlaufen. Falle wie AnuJmie/anemia diirfennicht ftir semantische faLsche Fi-cunde gehalten werden, dcnn sic sind seman-tisch identisch. Ocr cinzige Unterschied bestcht darin, daI3 das Deutsche tibercm in der Allgcmeinsprache verwendctes Wort Blutarrnut verfíigt, wáhrenddas spanische anemia zugleich das Wort der Fach- und dci- Allgemeinsprachcíst.

Sic wcisen kcinerlei feststellbare semantische Divergenzen auf, sondcrnsind Internationalismen mit Unterschicden im Gebrauch. Sehr wichtig istes bci den Internationalismen, auf diese situations- und kontextbezogencVerwenduugsweise hinzuweiscn, denn es existieren beztiglich dci- Gebrauchs-adáquatheit Divergenzen, dic sehr wichtige Intcrfercnzqucllcn darstellen. Siclassen sich in Anlehnung an Braun/Schaeder/Volmcrt (1990) wic folgt syste-matisieren:

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Zu ¿¡cm Begriff «falsc’ie Freunde» und seinerpraktischen... 285

1) Diacitroniscite Varianten: Fin Wort ist in dci- cinen Sprache veraltet, inder anderen ganz gebráuchlicit und aktuell. Hierber geitóren vieleFremdwórtcr, dic verdcutscht wurden und durcit diese deutschenNeuprágungen fast vóllig vcrdi-ángt wurdcn, z. 13.: Abdikation, Destitu-don wirken heute im Dcutschcn veraltet und sind durcit Abdanlcung,Absnzung praktisch ersetzt worden.

2) Diastratisehe Varianten: Sic gehóren in jcdcr Spracite zu verseitiedenenSprachebenen. Das kommt itáufig im Sprachcnpaar Deutsch/Spanischvor, weil dic deutschen Fremdwórtcr meistens héheren Stiiebenen als diccntsprechendcn spanischen Wñrtci- ang gehóren, z.B. dt. Absenz, Akkla-.mation, propagieren sind bildungssprachlich im Oegensatz su span.ausencia, aclamación, propagar

3) Diatopisehe Varianten: Das Wort wird in ciner Spracitc nur dialcktal, indci- anderen dagegen standardsprachiich vcrwcndet, wie span. ahoga-do, dessen deutsche Entsprcchung Advokat auf Osterreich bescitránktist.

4) diakonnotativc Varianten: In ciner Sprache hat das Wort keine Konnota-tion, in dei- anderen dagegen wird es pejorativ gebraucitt. Em Beispieldaflir ist d. Propaganda, das cinc negative ¡Connotation wegcn seinerUbcrverwendung im Dritten Reich itat, im Gegensatz zum span. propa-ganda, das meistcns in neutraler Bedeutung gebraucht wird und dessengenaucres deutscites Aquivalcnt Werbung wáre.

5) Diatechnische Varianten: In der cinen Sprache gehórt das Woi-t zurFachsprachc, in dcr anderen zur Allgcmcmnsprache. Fin sehr haufigerPali im Sprachcnpaar Deutsch/Spanisch sind viele nur in dci- Facitspra-che verwendete deutsche Fi-emdwórter, wofur in dci- Aligcmemnsprachecm Erbwoi-t existiert. Im Spanisciten aber gehórt das Facitwort auchgleichzeitig zur Allgcmeinspracitc. So etwa viele medizinische Fachbe-griffc, wie Ancimie, Appendizitis, Pneumonie, dic im Spanischen zumAjlgenicinwortschatz gehóren, wáhrcnd das Deutsche auJ3crdem UberBlutarmut, Blinddarm- und Lungenentúndung in dei- Allgemeinspraciteverftigt.

6) Dianormative Varianten: In der cinen Sprache gehóren sic zum ricittigcnSprachgebrauch und in dci- anderen nicht: óstcri-.Jaktisch/s pan. Jácúco.

‘7) Diafrequente Varianten: In dci- cinen Sprachc werden sie háufig und inder anderen selten verwendet: dt. inJantil/span. unfrnntil

3. Dic Gliederung der falschen Freunde

Dem vorgeschlagcncn Sehema folgend, bescitránkcn wir unsere Uberlegun-gen zu den falschen Freunden aufjene Falle, dic dic drei Voraussetzungcn (for-male Ahnlichkeit, etymologischc Verwandtschaft und semantisehe Abweichun-

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gen) erfúllenA Nach den semantischen Bezicitungen, dic zwischen den Elemen-ten des Wortpaarcs entstchen, kónnen wir folgende Klassifizicrung vorneh-men

3.1. ‘Totale falsche Freunde sind solche iexikalischcn Einheiten,’0 dic cineáhnlichc Form in beiden Sprachen haben, aber keine gemeinsame Bcdeutung(Semcm). Dadurch entstcht zwischen ihncn cinc exklusive Beziehung, wie fol-gendes Sehema verdcutlicht:

Beispiele daflir sind dt. Dirigent (=Leitcr cines Orclicsters) gegentiber span.dirigente, fidel (=hciter, lustig)/ fiel (=treu), luxuriós (=komfortabcl, tippig)/lujurioso, Statisí (=stumme Figur im Theater)/ estadista (=Staatsmann), Kon-¡¿urs (=Bankrott)/ concurso (=Wcttbewcrb), Firma (=Bctrieb)/ Firma(=Untcrschrift) und vicIe andere.

3.2. ‘Particlle falsehe Freunde’ sind solche lexikalischcn Einheiten, beidenen cine Ubercinstimmung des Initaits in ciner oder mchrcrcn Bedeutungen,Sememen, vorliegt, aber nicht in alíen. Einigc Sememe dci- cinen Sprache wer-den nicht durch den cntsprcchenden Begriff in der anderen Sprache abgedcckt,wodurch partielle Úbereinstimmungen und partielle semantischc Abweichun-gen entstehen. Dieser Kategorie, dic sich weiter in zwei Gruppen untcrglicdemlál3t, gehóren dic meisten der falschen Freunde zwischen den beiden behandel-ten Sprachcn an.

In diesem Zusammenhang lassen wir auch dic Klassifikation von Carlo Milan (1989:388und ff.) auBer Eetracht, in der er sic als «intralinguale faux amis» bezeichnet, dic in derselbenSprachc in unterschiedlichcn Zeitabschnitten entstehen wtirden (diachroniscLie intralinguale fauxamis) oder in demselben Zeilabschnitt Wórter von cinfacher Verwcchsclung wiiren (synchroni-sehe intralinguale faux amis) , wie vierteljáhriglvierreljáhrlich, real/reelí.

Es war Haensch, der alserster diese Klassitikation annahm und dem Klein, Ktihnel und dicmeisten, dic sich dem Thema widmeten, folgten.

Der Terminus wurde von Gerd Wotjak tibemommen, der bis jetzt den treffendstenVorschlag ffir dic Definition und Klassifizierung der falsehen Freunde gemacht hat. Er gcht vomAnsatz ibn Ktihnels aus und verdeutlicbt es durch konkrete Beispiele am SprachenpaarDcutsch/Spanisch. Wotjak be-zeichnet hier schon prilziser als lexikaliscbe Einheiten, was dicanderen nur Wórter nanníen.

SPRACHE A

Seniem 1

SPRACHE B

Semem 2

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Zu ¿¡cm Begr~ff «falseheFreunde» und seinerpraktischen... 287

a) Inncrhalb dieser faischen Freunde untcrsciteidct man jene Falle, beidenen dic lexikalischen Einheitcn cine inklusive Bcziehung cingehen, d.it. cmWort in dei- cinen Sprache ist semantisch umfangreicher erweitert als in dei-anderen. Hier stehen eincm spanisciten Wort meitrere bedeutungsdiffercnziei-tcWórtcr im Deutschen gegenuber. Nehmen wir Ms Beispiel das Spaniscite con-currencia, das auf deutscit erstens Ubereinstimmung heiBt, zweitcns Zulauf¼‘rsammlungund drittens Konkurrenz. Das spanische Wort hat also drei Seme-me, von denen nur cins demmaterielí áhnlichcn dcutschenWort cntspricht. Schwie-rigkciten ergeben sicit daraus nur fUi- dic Spanischsprechenden, dic Deutsch lcr-nen, weil dic Bedeutung des Worts concurrencia im Deutschen auf drci Wórtervertcilt findet. In diesem Falí liegt dic «falsehe Freundschaft» nur in der Rich-tung Spanisch —* Deutsch vor, denn fúr dic Dcutscitsprcchenden ist kcin Pro-blcm, dcm limen schon bekannten Wort dic neuen Sememe itinzuzufiligen.

Em áhnlicher Falí findet sich im spanischen Wort cadaver, das im Dcutschcnnicht nur Kadaver, sondcm vor allein auch Leiche mcint. Konkrct im Sprachcn-paar Deutseh/Spanisch iiberwiegcn dic spanischen Wói-tci- mit eincm gi-ól3erensemantischen Feid, wogegen das Deutsche cm eingeschránkteres Fremdworthat, das nonnalci-weise cher cm tecitnischer Bcgriff ist. Das láI3t sich dadurcherklárcn, dal3 das Deutsche ncbcn dem Fremdwort cm Ei-bwort besitzt, das imalígemeinen Sprachgebrauch verwcndet wird. Beispicle daflir kónnen Filíe wicdí. Klient 5cm, nur fUi- dic Kunden von bcstimmten freien Berufen benutzt,gegenuber dem span. cliente, das im alígemeinen Spracitgebrauch verwcndetwird und dic Bedeutung des deutschcn Wortes Kunde itat. Weitere Beispiele, indenen der deutsche Bcgriff eingescitránkter ist, wáren: vagívago, Visite/visita,moderieren/nioderar, Junkturijuntura usw.

Seltener sind dic Fálle, bci denen der deutsche Bcgriff ei-weitert ist, wic etwadas Wortpaar i-aft¡niert/refinado, wo aul3cr dci- gemeinsamen Bedeutung dasdeutsche Wort im Gcgcnsatz zum spaniscitcn refinado noch im Sinne von ‘hin-terlistig, ‘clever’ gebraucht wird oder Protokoll, das nicht nur ‘protocolo’, son-dcrn auch ‘acta’ meint.

b) Ebenfalís zo diesen ‘partiellen falsehen Freunden’ gchdren Wortpaare,dic neben ciner gemeinsamen Bedcutung, jedes fUi- sich, aucit cine spczifische

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haben, dic das andere nicht kcnnt. Zu nennen wárc da z. 13. das deutsche WortKonJerenz, das wic das spanische Wort confetencia dic Bcdeutung von ‘Prcsse-konferenz’ hat, aber auch noch dic spczifizische von ‘Lehrcrkonfcrenz’, wáh-rend das spanische Wort noch dic Bedcutung von Vortrag annimmt.

SPRACHE A

Semcn¡ it S<~2 1 Seniem 3

SPRACHE B______________________-m

3.3. Pscudofremdsprachige Wórrcr: Zu der letztcn Gruppe der falsehenFreunde záhíen jene Falle, bei denen dei- Fremdsprachcnlcrncr meint, cm Wortdci- anderen Sprache miásse aufgrund seiner áui3eren Form und seiner Bedeu-tung materielí mit dem entsprechenden der cigenen Sprache identiseh oderáhnlich sei. So crkennt der Dcutschsprcchcnde háufig cm lateinisches, franzó-sisches oder englischcs Lehnwort wiedcr und iibcrtrágt es mechanisch msSpanische. Damit ergibt sich bei soicher materieller Úbertragung zumcist cmím Spanischen nicht existierendes Wort.’’ Hierfiir kann man beispielweise ÓI(aceite), Kasenne (cuartel), Rosine (pasa). Lawune (avalancha), Re/eral(exposición) nennen. Besonders durch dic deutschen Anglizismen entstchcnzahireiche pseudofremdsprachige Wórtcr. Obwohl im aligemeinen das Deutscheschr vid mchr englische Lehnwórter als das Spanische aufnimmt, hat derDeutschsprechendc dic Tendcnz, diese Wórter als internationalismen wicder-zuerkennen und sic ms Spanischc zu transferiercn, obwohl sic dort nicht cxi-srícren; Fálle wie Computer/oi-denador, Party¡fiesta oder Filmípelículavcrdeutlichcn dies.

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Es war auch Haensch (1956, 16), der als erster diesen Falí indas Konzept der falschenFreunde cinflihrteer weist damit auf jene deutschcn Begriffc. von denen man vermuten kónnte,daB sic durch ibre lateinischc Herkunfr irn Franzósischcn vorhanden sind, aber tatsíichlich keinefranzósisehe Enisprechung haben. Das st der Falí bei dt. lahil, dcssen franzósisehe Ubersetzunginstable isí und kein *labile

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Zn ,Iem Begriff «ft¡Ls¿he Freunde» und seinerprakliscl en... 289

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