Zu jung oder zu alt für eine Lehre? Altersdiskriminierung ...Zu jung oder zu alt für eine Lehre?...

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ZAF (2012) 45:79–98 DOI 10.1007/s12651-011-0093-3 RESEARCH PAPER Zu jung oder zu alt für eine Lehre? Altersdiskriminierung bei der Ausbildungsplatzvergabe Christian Imdorf Angenommen: 29. August 2011 / Online publiziert: 20. September 2011 © Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2011 Zusammenfassung Zwei konträre Sachverhalte prägen ge- genwärtig die Problematisierung des Alters beim Eintritt in die duale Berufsausbildung: Einerseits stellen Ausbildungs- betriebe zunehmend ältere Auszubildende ein, andererseits erhalten zu alte Bewerber Probleme, überhaupt noch einen Ausbildungsplatz zu finden. Die Studie fragt nach den be- trieblichen Beweggründen, bei der Auswahl von Auszubil- denden die untere Altersgrenze nicht zu tief zu halten und gleichzeitig eine obere Altersgrenze durchzusetzen. Mit Be- zugnahme auf die französische Soziologie der Konventio- nen und einem daran orientierten Modell der Personalselek- tion wurde diese Frage sekundäranalytisch untersucht. Da- zu wurden Experteninterviews mit Ausbildungsverantwort- lichen aus 60 Deutschschweizer Kleinbetrieben argumenta- tionsanalytisch ausgewertet. Die Resultate belegen, dass ein verzögerter Lehrbeginn mehrheitlich positiv beurteilt wird, und dass manche Betriebe Bewerber abweisen, die als zu alt gelten. Die Netzwerkkonvention der betrieblichen Koor- dination führt zu Vorbehalten gegenüber zu jungen Auszu- bildenden im Hinblick auf gelingende Kundenbeziehungen. Älteren Bewerbern wird dagegen auf dem Hintergrund der häuslichen Konvention die soziale Passung in die Betriebe abgesprochen. Zudem erwarten Betriebe bei älteren Auszu- bildenden unter Bezugnahme auf die Marktkonvention ein erhöhtes Lehrabbruchsrisiko mit Kostenfolgen. Die rekon- struierte Altersdiskriminierung bei der betrieblichen Aus- bildungsstellenvergabe lässt darauf schließen, dass sowohl der verzögerte Eintritt von Schulabgängern in Ausbildung Zusätzliche Information ist in der online Version dieses Beitrags (doi:10.1007/s12651-011-0093-3) enthalten. C. Imdorf ( ) Institut für Soziologie, Universität Basel, Petersgraben 27, 4051 Basel, Schweiz e-mail: [email protected] als auch die Probleme älterer Bewerber bei der Lehrstellen- suche durch multiple betriebliche Koordinationsanforderun- gen mitbedingt sind. Schlüsselwörter Ausbildungsbetriebe · Lehrlingsselektion · Konventionen · Alter · Diskriminierung JEL Klassifikationen J71 · M51 · M53 · Z13 Too-young or too-old for an apprenticeship? Age discrimination in hiring apprentices Abstract Two contrary effects determine how age influ- ences access to apprenticeships: on the one hand, training companies increasingly hire older apprentices. On the other hand applicants who are too old, face difficulty in finding an apprenticeship place at all. The paper analysis the select- ing companies’ motives in setting both the upper and lower age limits for new recruits. Referring to a conceptual frame- work of personnel selection drawn from the French sociol- ogy of conventions, the research question is investigated us- ing secondary data analysis. Expert interviews with person- nel managers in 60 small businesses from German-speaking Switzerland were interpreted using argument analysis. The findings show that most of the analysed training companies favour applicants who have not directly left school, but have usually spent one year in some kind of tiding-over arrange- ment. Despite this preference for ‘older’ candidates a sig- nificant minority of companies turns down applicants who have already reached a certain age. The network conven- tion of workplace coordination gives rise to reservations to- wards too-young apprentices with regard to customer rela- tions. In contrast, firms turn down older applicants because they believe they do not socially ‘fit in’, which can be in- terpreted through the domestic convention of coordination.

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ZAF (2012) 45:79–98DOI 10.1007/s12651-011-0093-3

R E S E A R C H PA P E R

Zu jung oder zu alt für eine Lehre? Altersdiskriminierungbei der Ausbildungsplatzvergabe

Christian Imdorf

Angenommen: 29. August 2011 / Online publiziert: 20. September 2011© Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2011

Zusammenfassung Zwei konträre Sachverhalte prägen ge-genwärtig die Problematisierung des Alters beim Eintritt indie duale Berufsausbildung: Einerseits stellen Ausbildungs-betriebe zunehmend ältere Auszubildende ein, andererseitserhalten zu alte Bewerber Probleme, überhaupt noch einenAusbildungsplatz zu finden. Die Studie fragt nach den be-trieblichen Beweggründen, bei der Auswahl von Auszubil-denden die untere Altersgrenze nicht zu tief zu halten undgleichzeitig eine obere Altersgrenze durchzusetzen. Mit Be-zugnahme auf die französische Soziologie der Konventio-nen und einem daran orientierten Modell der Personalselek-tion wurde diese Frage sekundäranalytisch untersucht. Da-zu wurden Experteninterviews mit Ausbildungsverantwort-lichen aus 60 Deutschschweizer Kleinbetrieben argumenta-tionsanalytisch ausgewertet. Die Resultate belegen, dass einverzögerter Lehrbeginn mehrheitlich positiv beurteilt wird,und dass manche Betriebe Bewerber abweisen, die als zualt gelten. Die Netzwerkkonvention der betrieblichen Koor-dination führt zu Vorbehalten gegenüber zu jungen Auszu-bildenden im Hinblick auf gelingende Kundenbeziehungen.Älteren Bewerbern wird dagegen auf dem Hintergrund derhäuslichen Konvention die soziale Passung in die Betriebeabgesprochen. Zudem erwarten Betriebe bei älteren Auszu-bildenden unter Bezugnahme auf die Marktkonvention einerhöhtes Lehrabbruchsrisiko mit Kostenfolgen. Die rekon-struierte Altersdiskriminierung bei der betrieblichen Aus-bildungsstellenvergabe lässt darauf schließen, dass sowohlder verzögerte Eintritt von Schulabgängern in Ausbildung

Zusätzliche Information ist in der online Version dieses Beitrags(doi:10.1007/s12651-011-0093-3) enthalten.

C. Imdorf (�)Institut für Soziologie, Universität Basel, Petersgraben 27,4051 Basel, Schweize-mail: [email protected]

als auch die Probleme älterer Bewerber bei der Lehrstellen-suche durch multiple betriebliche Koordinationsanforderun-gen mitbedingt sind.

Schlüsselwörter Ausbildungsbetriebe ·Lehrlingsselektion · Konventionen · Alter · Diskriminierung

JEL Klassifikationen J71 · M51 · M53 · Z13

Too-young or too-old for an apprenticeship?Age discrimination in hiring apprentices

Abstract Two contrary effects determine how age influ-ences access to apprenticeships: on the one hand, trainingcompanies increasingly hire older apprentices. On the otherhand applicants who are too old, face difficulty in findingan apprenticeship place at all. The paper analysis the select-ing companies’ motives in setting both the upper and lowerage limits for new recruits. Referring to a conceptual frame-work of personnel selection drawn from the French sociol-ogy of conventions, the research question is investigated us-ing secondary data analysis. Expert interviews with person-nel managers in 60 small businesses from German-speakingSwitzerland were interpreted using argument analysis. Thefindings show that most of the analysed training companiesfavour applicants who have not directly left school, but haveusually spent one year in some kind of tiding-over arrange-ment. Despite this preference for ‘older’ candidates a sig-nificant minority of companies turns down applicants whohave already reached a certain age. The network conven-tion of workplace coordination gives rise to reservations to-wards too-young apprentices with regard to customer rela-tions. In contrast, firms turn down older applicants becausethey believe they do not socially ‘fit in’, which can be in-terpreted through the domestic convention of coordination.

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These applicants are associated with a higher dropout risk,which would additionally entail costs to the firm in termsof the market convention. Having revealed the operationsof age discrimination in hiring apprentices, the paper con-cludes that both the school leavers’ delayed start of trainingas well as the problems faced by older job applicants to ac-cess apprenticeships are in part caused by training compa-nies and their multiple requirements for social coordination.

Keywords Training company · Apprentice selection ·Conventions · Age · Discrimination

1 Einleitung

In der Schweiz und in Deutschland ist die duale Ausbildungin Betrieb und Berufsschule die überwiegende Form derBerufsausbildung. Aufgrund ihres direkten Bezugs zur Ar-beitswelt gilt diese Form der Ausbildung als ein Erfolgsmo-dell, das im internationalen Vergleich durch tiefe Jugendar-beitslosigkeitsquoten besticht. Zahlreiche Untersuchungenzeigen jedoch, dass in den letzten Jahrzehnten der Übergangvon der Sekundarstufe I in die Berufsausbildung für vieleAusbildungssuchende schwieriger geworden ist (für einenÜberblick vgl. Hupka-Brunner et al. 2011). Das Risiko einesverzögerten Übergangs in die betriebliche Berufsausbildungist für Jugendliche mit unzureichenden schulischen Quali-fikationen (also mit Hauptschul- oder fehlendem Schulab-schluss), für Frauen sowie für Ausbildungssuchende mit Mi-grationshintergrund besonders hoch. Als benachteiligt wer-den dabei Personen aufgefasst, die im Vergleich zu ihren Al-tersgenossen bei der Versorgung mit Ausbildungsplätzen imNachteil sind (BIBB 2010: 251). Das Alter der Ausbildungs-platzsuchenden wurde bisher jedoch selten als eigenständi-ger Risikofaktor des Übergangs in Ausbildung bedacht unduntersucht. Dies erstaunt, denn inzwischen liegen hierzu ei-nige bemerkenswerte empirische Befunde vor.

Das Mindestalter für den Eintritt in die duale Berufs-ausbildung ist institutionell durch den Beginn der Schul-pflicht, die Vollzeitschulpflicht sowie arbeitsgesetzliche Be-stimmungen geregelt. Es liegt sowohl in der Schweiz alsauch in Deutschland bei ca. 16 Jahren.1 BildungsstatistischeDaten belegen jedoch eine zunehmende Verzögerung desAusbildungsbeginns, der heute in beiden Ländern deutlichüber der institutionell vorgegebenen Altersnorm liegt. Das

1Die Vollzeitschulpflicht, die – je nach Bundesland – bis zum Ab-schluss des 9. oder 10. Schuljahres dauert, sowie der Beginn der Schul-pflicht zwischen dem fünften und siebten Altersjahr regeln in Deutsch-land und der Schweiz die untere Altersgrenze eines möglichen Ein-tritts in die duale Ausbildung. Dazu kommen arbeitsgesetzliche Be-stimmungen zum Mindestalter beim Abschluss von Ausbildungsver-trägen (Deutschland: 15 Jahre; Schweiz: 16 Jahre).

Durchschnittsalter aller Ausbildungsanfängerinnen2 lag imJahr 2006 in der Schweiz bei 18 Jahren (Ohne Autor 2008)und in Deutschland bei 19,3 Jahren (Beicht et al. 2007). Dasim Durchschnitt höhere Alter der Ausbildungsanfänger inDeutschland dürfte sich durch den im Vergleich zur Schweizgrößeren Lehrstellenmangel der vergangenen Dekade undder damit zusammenhängenden Expansion des Übergangs-systems erklären (ausführlicher dazu Seibert et al. 2009:598).

Während sich der Beginn der Ausbildung für Jugendlichezunehmend verzögert, bekunden auch ältere Lehrstellensu-chende Probleme bei der Suche nach einem Ausbildungs-platz. Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz sin-ken nach mehr als zweijähriger Ausbildungsplatzsuche dieChancen auf eine betriebliche Ausbildung markant (Beichtund Eberhard 2009: 89; Hupka-Brunner et al. 2010: 22f.). Inder Schweiz betrifft das bereits Jugendliche, die älter als 19Jahre sind, Für Deutschland ist bekannt, dass Bewerber, dieüber 20 Jahre alt sind, erheblich schlechtere Chancen haben,einen Ausbildungsplatz zu finden (BIBB 2010: 80).

Somit lassen sich zwei auf den ersten Blick konträreSachverhalte konstatieren: Während die Ausbildungsbetrie-be immer weniger jüngere Auszubildende einstellen, findenetwas ältere Bewerber nur schwer einen Ausbildungsplatz.Die Verzögerung des Eintritts in die duale Ausbildung beigleichzeitig verminderten Chancen, ab einem gewissen Al-ter noch einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu erhalten,bedeutet für die Ausbildungssuchenden ein limitiertes bio-graphisches Zeitfenster für einen erfolgreichen Eintritt in ei-ne Ausbildung.

Ziel des vorliegenden Artikels ist es, theoretisch sowieempirisch zu klären, ob und wie die bildungsstatistischdokumentierten unteren und oberen Altersgrenzen für denÜbergang in die Ausbildung mit der Ausbildungsplatzver-gabe der Betriebe zusammenhängen. Dabei interessiert, auswelchen betrieblichen Beweggründen das Bewerbermerk-mal Alter, welches die Selektionsverantwortlichen bereitsden Bewerbungsdossiers entnehmen können, bei der Aus-wahl der Auszubildenden berücksichtigt wird. Der Autorschlägt vor, die betrieblichen Motive mit der französischenSoziologie der Konventionen zu theoretisieren. Altersanga-ben könnten – so die theoretische Annahme – auf dem Hin-tergrund selektionsrelevanter Konventionen der Arbeit in-terpretiert werden, den wesentlichen Beziehungs- und Ko-ordinationsprinzipien in Arbeits- und Ausbildungsorganisa-tionen. Diese Prinzipien gewährleisten die Abstimmung dergegenseitigen Erwartungen und Anforderungen zwischenden betrieblichen Akteuren und den (zukünftigen) Auszu-bildenden, weshalb sie im Selektionsprozess die Beurtei-lung der Bewerber anleiten. Als Rechtfertigungsprinzipien

2Mit männlichen oder weiblichen Gruppenbezeichnungen sind nach-folgend jeweils beide Geschlechtergruppen gemeint, sofern der Kon-text nicht auf eine bestimmte Gruppe schließen lässt.

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ermöglichen sie zugleich die Begründung und Legitimationder Personalauswahl. Falls sich das Alter aus betrieblicherSicht als selektionsrelevant erweist, stellt sich somit die Fra-ge, auf welche Konventionen der Arbeit Betriebe konkretBezug nehmen, um diesem Auswahlkriterium Sinn zuzu-weisen und es damit zu rechtfertigen. Die Daten der Schwei-zer Studie ‚Lehrlingsselektion in kleinen und mittleren Be-trieben‘ (Imdorf 2010b) ermöglichen eine empirische Klä-rung dieser Frage.

Der Aufsatz ist folgendermaßen gegliedert: Im Anschlussan einen kurzen Überblick über bisherige Erklärungsansätzeder Altersdiskriminierung bei der Stellen- und Ausbildungs-stellenvergabe und ihrer Begrenzungen (Abschn. 2) wird indie konventionensoziologische Betrachtung der Personalse-lektion eingeführt und die betriebliche Bedeutung des Aus-wahlkriteriums Alter darin verortet (Abschn. 3). Nach ei-ner kurzen Darstellung der Stichprobe, der erhobenen Da-ten sowie der Datenanalyse (Abschn. 4) werden die empiri-schen Ergebnisse aus der Schweiz zu betrieblichen Präferen-zen für Bewerber zu Ungunsten von direkten Schulabgän-gern sowie zu Ungunsten von als zu alt geltenden Bewer-bern präsentiert. Der Aufsatz schließt mit einer Diskussionder zentralen Konventionen der Arbeit, mit denen Betrie-be die Durchsetzung von Altersgrenzen bei der Vergabe ih-rer Ausbildungsplätze rechtfertigen. Abschließend wird dasPotential des konventionentheoretischen Interpretationsrah-mens für die Analyse der Ausbildungsplatzvergabe reflek-tiert (Abschn. 5).

2 Erklärungsansätze für die Relevanz des Alters beider (Ausbildungs-) Stellenvergabe

Die Gründe für die hohe Relevanz des Alters für eine erfolg-reiche Ausbildungsplatzsuche sind bisher weitgehend uner-forscht. Als mögliche Ursachen für die Zunahme ‚älterer‘Ausbildungsanfänger werden unter Anderem konjunkturel-le Gründe diskutiert. Eine relative Angebotsverknappungkann einen Rückstau der Lehrstellenbewerber und eine zu-nehmende Beanspruchung des Übergangssystems bewirken(Erni und Fleischmann 2006; Ulrich und Eberhard 2008).Eine alternative Erklärung betont, dass gestiegene Arbeits-und Ausbildungsanforderungen es für einen Teil der Be-triebe als zweckmäßig erscheinen lässt, in einigen Beru-fen vermehrt volljährige Ausbildungsplatzbewerber zu be-rücksichtigen. Das höhere Ausbildungsalter erklärt sich inDeutschland hingegen nur zu einem geringen Teil durch einebetriebliche Präferenz für Jugendliche mit Fachhochschul-oder Hochschulreife als Auszubildende (Ulrich und Eber-hard 2008: 40). Auch in der Schweiz lässt sich die Verzöge-rung des Übergangs von der Schule in die Ausbildung nichtmit schulischen Nachteilen der ‚jüngeren‘ Bewerber erklä-ren (Erni und Fleischmann 2006).

Für die Schweiz gibt es vereinzelt Hinweise darauf, dassdie Betriebe durch ihre Selektionspraxis aktiv eine untereAltersgrenze durchsetzen, die über den institutionell vorge-gebenen Altersnormen liegt. Gemäß dem ‚Schweizer Lehr-stellenbarometer‘ haben im Frühjahr 2006 12% der Aus-bildungsbetriebe den Wunsch geäußert, dass Schulabgängerzwischen Schulabschluss und Lehrbeginn ein Zusatzjahr ab-solvieren, dies insbesondere in den Verkaufs- und Heilbe-rufen (BBT 2006: 42). Auch eine Expertenbefragung un-ter Westschweizer Betrieben hat ergeben, dass ein Trendbesteht, zehn und mehr Schuljahre als Basis für den Ein-tritt in die berufliche Grundbildung zu fordern bzw. ,älte-re’ Lehrstellenbewerber zu bevorzugen (Erni und Fleisch-mann 2006). Insbesondere für Berufe mit Kundenkontakt(z.B. im Einzelhandel) verbinden die Betriebe mit einem hö-heren Eintrittsalter eine höhere ‚Reife‘ der Auszubildenden,die sich in ausgeprägteren Arbeitstugenden und höheren So-zialkompetenzen äußert (ebd.).

Die vereinzelten betrieblichen Stellungnahmen verlan-gen nach weiteren empirischen Belegen und einem ange-messenen Interpretationsrahmen, der erklärt, warum undwie das Kriterium Alter im betrieblichen Auswahlprozessrelevant werden kann. Untersuchungen zur altersspezifi-schen Personalauswahl beziehen sich in der Regel auf öko-nomische Erklärungsmodelle. Betriebliche Einstellungsent-scheidungen werden zum einen als eine Profit maximierendeAntwort auf unterschiedliches Humankapital-Angebot in-terpretiert. Gemäß der Humankapitaltheorie (Becker 1993)korreliert das Alter einer Person mit deren Bildungsressour-cen und Arbeitserfahrung, was eine Verbindung von (hö-herem) Alter und (höherer) Produktivität erlaubt (Garner-Moyer 2003: 80; Kitching 2006: 877). Auch wenn die Ar-beitgeber in der Regel nicht wissen, wie Produktivität undAlter bei einzelnen Bewerbern konkret zusammenhängen,so erlaubt das Alter dennoch eine Abschätzung der Produk-tivität auf Basis von Erfahrungswerten (im Sinne der statis-tischen Diskriminierung vgl. Riach und Rich 2007).

Dass altersspezifische Produktivitätsannahmen auch beider Selektion von Auszubildenden relevant sein könnten,ist angesichts der vergleichbaren Schulbildungsdauer sowieder fehlenden Arbeitserfahrung von Schulabgängern aller-dings fragwürdig. Das Problem ökonomischer Erklärungs-ansätze besteht zudem darin, dass ihre Prämisse, wonachalle Bewerber mit einer individuellen Produktivität bzw.Kompetenz ausgestattet sind, die komplexen sozialen Be-züge eines Betriebs vernachlässigt, die ebenso zum wirt-schaftlichen Erfolg beitragen (Kirschenman und Necker-man 1991: 231). Gemeint ist zum einen das soziale Bezie-hungsgeflecht innerhalb eines Betriebs, d.h. die horizonta-len betrieblichen Sozialbeziehungen innerhalb der Beleg-schaft (Kitching 2006: 877). Modelle der sozialen Schlie-ßung (Roscigno et al. 2007) gehen davon aus, dass Diskri-minierung bei der Stellenvergabe vorwiegend durch parti-

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kularistische Interessen der betrieblichen Belegschaft verur-sacht ist. Die Personalverantwortlichen respektieren solchePartikularinteressen, wenn sie nach Personen suchen, die so-zial möglichst gut zur Belegschaft ‚passen‘, um Kohäsionund Harmonie der bestehenden Arbeitsgemeinschaft zu si-chern und sozialen Spannungen vorzubeugen (Hohn 1988).Kitching (2006) berichtet exemplarisch von einem Personal-manager, der auf die Einstellung älterer Mitarbeiter verzich-tete, weil er befürchtete, diese würden nicht in die Kulturdes jungen Unternehmens passen. Personalverantwortlichesind darüber hinaus daran interessiert, Personen einzustel-len, von denen sie erwarten, dass sie sich der betrieblichenAnleitung und Führung weder entziehen noch widersetzenwerden, die sich also möglichst reibungsfrei ‚managen‘ las-sen (Kitching 2006: 877). Vor diesem Hintergrund werdenältere Bewerber problematisiert, weil sie eventuell nicht ge-willt sein könnten, die Autorität junger bzw. jüngerer Vor-gesetzter zu anerkennen.

Neben den horizontalen und vertikalen innerbetrieb-lichen Sozialbeziehungen gilt es auch die betrieblichenMarkt- und Kundenbeziehungen bei der Analyse von Alters-diskriminierung zu berücksichtigen. Gemäß Becker (1971:75–76) kann die Kundschaft bei der Bewertung eines Pro-dukts oder einer Dienstleistung Merkmale des Verkaufsper-sonals wie Geschlecht, race oder auch das Alter mitberück-sichtigen und auf dieser Grundlage ein Angebot meiden.Solche angenommenen Präferenzen der Kunden können diePersonalauswahl entsprechend beeinflussen, wie empirischeStudien belegen (Kitching 2006: 877f; Sargeant 2006: 83;Riach und Rich 2007).

Das betriebliche Selektionskalkül ‚Produktivität‘ lässtsich unter Berücksichtigung solcher Überlegungen auch alsResultat funktionierender und profitabler Sozial- und Kun-denbeziehungen am Arbeitsplatz, und nicht ausschließlichals Funktion individueller Kompetenzen im Sinne der Hu-mankapitaltheorie verstehen (Shih 2002: 102). Das Altervon Bewerbern kann angesichts der sozialen Erfordernis-se von Ausbildungsbetrieben bei der Vergabe von Ausbil-dungsplätzen demnach auch als soziologisch bedeutsam er-achtet werden. Die Berücksichtigung betriebsrelevanter So-zialbeziehungen erfordert somit ein soziologisches Modellder (Ausbildungs-) Stellenvergabe.

3 Das betriebliche Auswahlkriterium Alter auskonventionensoziologischer Perspektive

3.1 Die Soziologie der Konventionen

Die bisherigen Erklärungsansätze – Humankapitaltheorie,soziale Schließung und Kontrolle, Kundenbindungsstrategi-en – verweisen auf unterschiedliche theoretische und diszi-plinäre Modelle der Personalauswahl. Die französische So-ziologie der Konventionen erlaubt deren Integration in ein

transdisziplinäres Modell der (Ausbildungs-) Stellenverga-be auf Basis einer pragmatischen, situativen Handlungstheo-rie. Die Theorie der Konventionen verbindet ursprünglichdie Analyse ökonomischer Institutionen mit einer pragmati-schen Soziologie (Diaz-Bone und Thévenot 2010) mit demZiel, Wirtschaftshandeln als soziales Handeln zu analysie-ren. Indem die Grenzziehungen zwischen den Wirtschafts-wissenschaft und der Soziologie überbrückt werden, solles nach Eymard-Duvernay et al. (2010) möglich werden,drei Fragestellungen, die in den Wirtschaftswissenschaftentraditionell getrennt behandelt werden, zusammen zu brin-gen: die Frage der Rationalität, der Koordination, sowiedes Werturteils für das Wirtschaftshandeln. Die menschlicheRationalität wird zuallererst als interpretativ (und nicht pri-mär als kalkulierend) gedacht. Ein Akteur interpretiert mitHilfe von konventionsbasierten Kategorien die Situation unddas Handeln der Anderen, um seine Handlungen zu koor-dinieren. Die Konventionen, auf die er sich dabei bezieht,orientieren sich zum Teil an kollektiven, auf unterschiedli-che Formen des Gemeinwohls ausgerichtete Werte, die nichtauf individuelle Präferenzen reduziert werden können. DasForschungsinteresse der Économie des conventions3 ist aufdiese gelingende Koordination wirtschaftlicher Akteure un-ter Bedingung von Unsicherheit in Bezug auf die Handlun-gen und Erwartungen anderer Akteure gerichtet.

Zentral ist dabei die Annahme von Konventionen, die alsReaktion auf solche Unsicherheit entstehen und deren Hand-habung ermöglichen (Salais und Storper 1992). Einige derVertreter der Économie des conventions heben mit Bezugauf Lewis (1969) den Charakter von Konventionen als einenMechanismus der Bewältigung von Handlungsunsicherheitin Koordinationssituationen hervor. Andere wiederum beto-nen die kognitive Funktion der Konvention für die Evaluati-on von Situationen (Diaz-Bone 2009a: 238).

In der ersten Leseart erlauben Konventionen, sozialesHandeln unter Unsicherheit in voraussagbarer Art und Wei-te zu organisieren und zu koordinieren. Gemäss der De-finition von Lewis (1969: 42) liegt eine Konvention vor,wenn beim Auftreten eines bestimmten Koordinationspro-blems jedes Gruppenmitglied (a) einer bestimmten Regula-rität folgt und (b) von jedem anderen Gruppenmitglied er-wartet, dass es das gleiche tut, sowie (c) jedes Gruppenmit-glied es vorzieht, der Regularität zu folgen, sofern auch dieanderen es tun, weil so eine Lösung des Koordinationspro-blems erreicht werden kann. Einmal etabliert ermöglicht ei-ne Konvention nach Lewis ein stabiles, sich selbst perpe-tuierendes System von Präferenzen, Erwartungen und Hal-

3Économie des conventions (‚Ökonomie der Konventionen‘) ist die ur-sprüngliche Bezeichnung des hier präsentierten Ansatzes. Obwohl ineinem interdisziplinären Feld entwickelt, hat der Ansatz inzwischen inder (Wirtschafts-)Soziologie einen besonders großen Einfluss, weshalbDiaz-Bone und Thévenot (2010) für die Bezeichnung ‚Soziologie derKonventionen‘ plädieren.

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tungen, das in der Lage ist, unbegrenzt lange fortzubeste-hen (ebd.). Konventionen beinhalten demnach ein geteiltes(stillschweigendes oder bewusstes) Einverständnis darüber,auf welcher normativen Basis kollektives Handeln realisiertwerden soll (Biggart und Beamish 2003).4 Wenn Interaktio-nen erfolgreich und immer wieder in vergleichbaren Situa-tionen erfolgen, dann werden die Handlungsmuster zu in-korporierten Routinen (Storper und Salais 1997: 16).

In der zweiten Leseart dienen Konventionen als selbst-verständliche Schablonen zur Interpretation von Situationensowie zur Beurteilung und Planung situationsangemessenerHandlungen. Im Sinne soziokultureller Schemata tragen sienun zur Bildung einer gemeinsamen Perspektive bei, umkünftige Friktionen und Konflikte in der gegenseitigen In-teraktion zu vermeiden und kollektives Handeln zu koor-dinieren (Dodier 2010).5 In dieses zweite Verständnis vonKonventionen lässt sich auch der Beitrag von Luc Boltanskiund Laurent Thévenot einordnen, die mit dem Grundlagen-werk ‚De la justification‘ (deutsche Übersetzung: Boltanskiund Thévenot 2007) den transdisziplinären Ansatz der Éco-nomie des conventions mitbegründet haben. Ihr Beitrag hebtden Wert von Konventionen als Rechtfertigungsordnungenund -ressourcen für die Schlichtung alltäglicher Konfliktehervor. Weil Konventionen damit auch die Legitimation vonEntscheidungen ermöglichen, ist die Rechtfertigungstheorievon Boltanski und Thévenot für das weiter unten skizzier-te Modell der Ausbildungsplatzvergabe von besonderer Be-deutung.

Boltanski und Thévenot haben dabei verschiedene Wer-tigkeitsordnungen und Rechtfertigungsprinzipien des Wirt-schaftssystems (Konkurrenz, Effizienz, Tradition, Solidari-tät u.a.) ausführlich beschrieben. Die Économie des conven-tions bezieht das Konzept der Konvention darauf und ent-nimmt ihrer Rechtfertigungstheorie gleichzeitig das prag-matische Modell eines Akteurs, der über die reflexive Kom-petenz verfügt, Probleme der Handlungskoordination in Ar-beitsorganisationen durch eine Bezugnahme auf Konven-tionen zu bewältigen (Diaz-Bone 2009a: 236).6 Die Be-

4Konventionen werden dabei nicht als dem Handeln äußerliche Institu-tionen gedacht. Sie sind in das Handeln vielmehr ‚eingelagert‘. Sie ent-stehen als pragmatische Lösungen zunächst situativ und können sicherst von da aus verfestigen (Diaz-Bone 2009b: 39). Die Konventionen-theorie wird dennoch als eigenständiger institutionentheoretischer An-satz betrachtet. Institutionen werden als Bündel von verstetigten Kon-ventionen aufgefasst, welches als pragmatische Lösung ökonomischer(oder anderer) Probleme entstanden ist und seither als normal gilt (Big-gart und Beamish 2003: 458).5Der hier vertretene Konventionsbegriff unterscheidet sich von einereinfachen Sitte im Weberschen Sinne oder von einem fait social imSinne Durkheims (Diaz-Bone und Thévenot 2010). Im Gegensatz da-zu sucht das Konzept der Konventionen nach Querverbindungen zwi-schen universalistischen, kulturellen und pragmatischen sozialwissen-schaftlichen Modellen der sozialen Koordination (Dodier 2010).6Damit vertritt die Theorie ein Akteurmodell, das dem hier interes-sierenden betrieblichen Selektionsgeschehen in besonderem Maße ge-

griffe ‚Rechtfertigungsordnung‘, ‚Wertigkeitsordnung‘ und‚Konvention‘ repräsentieren dabei gleichermaßen das zen-trale Konzept der Économie des conventions, auch wennsie jeweils verschiedene Aspekte hervorheben (Diaz-Bone2009b: 39).

3.2 Ein konventionensoziologisches Modellder Personalselektion

Die Soziologie der Konventionen bietet einen umfassen-den heuristischen Rahmen für eine empirische Untersu-chung der Frage, weshalb sich Betriebe bei der Ausbil-dungsstellenvergabe neben individuellen Leistungsmerkma-len auch für die Altersangaben der Bewerber interessieren.Das hier vertretene Selektionsmodell (vgl. ausführlicher da-zu Imdorf 2008: 119ff) nutzt diesen Rahmen, um die Aus-bildungsplatzvergabe aus betrieblicher Perspektive umfas-send zu verstehen und gleichzeitig die Grenzen ökonomi-scher Modelle zu überwinden, die die Relevanz betrieblicherSozialbeziehungen für die Personalauswahl unberücksich-tigt lassen. (Ausbildungs-) Betriebe stellen konventionen-soziologisch kompromissfähige Einrichtungen dar, welchedie multiplen, teilweise konfligierenden Koordinationsprin-zipien von Arbeitsorganisationen vermitteln und integrieren(Thévenot 2001: 411). Personalpolitik stellt dabei ein Mitteldar, die Spannungen zwischen den verschiedenen Konven-tionen im Betrieb zu kompensieren und damit zu handha-ben.

Ein Hauptproblem bei der Auswahl von Auszubilden-den besteht darin, unter Bedingungen von Zeitknappheit undzum Teil fehlendem Personalfachwissen, also in Situatio-nen von großer Unsicherheit, das betriebliche Ausbildungs-stellenprofil auf pragmatische Weise mit meist unbekanntenjugendlichen Bewerbern zu matchen. Die hinsichtlich derschulischen, beruflichen, arbeitsförmigen und sozialen Pas-sung multidimensionalen Koordinationsanforderungen ei-nes Ausbildungsplatzes kann kein Bewerber annähernd per-fekt erfüllen. Weil ‚der perfekte Kandidat‘ nicht gefundenwerden kann brechen Betriebe ihre Suchbemühungen früh-zeitig ab, sobald ein Kandidat gefunden ist, der die multi-plen Anforderungen einigermaßen befriedigt (im Sinne dessatisficing, vgl. Simon 1957: 169). Das heißt es wird zu-gunsten eines Kandidaten entschieden, von dem erwartetwerden kann, dass er im Rahmen des Ausbildungsverhält-nisses keine anhaltenden betrieblichen Störungen hervorru-fen wird. Das matching von Bewerber und Stelle erfordertdarüber hinaus, dass das Resultat der Selektion in den be-triebsrelevanten Öffentlichkeiten auf Akzeptanz stößt. Das

recht wird, da es die (betriebs-) politische Urteilsfähigkeit von Per-sonen betont. Als Akteure gelten in den nachfolgenden Analysen dieSelektionsverantwortlichen, die mikropolitische Entscheide fällen undrechtfertigen.

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kritikfähige Publikum eines Kleinbetriebs setzt sich einer-seits aus der Kundschaft und den Geschäftspartnern zusam-men. Gleichzeitig gilt es auch Protest ‚innerhalb der eige-nen Mauern‘, also unter den Mitarbeitern zu vermeiden, umderen Kooperation und Arbeitsmotivation mittelfristig zu si-chern. Um vor diesen Öffentlichkeiten legitime Personalent-scheide zu treffen, bedürfen Betriebe geeigneter Formen derRechtfertigung.

Boltanski und Thévenot (2007) haben verschiedeneRechtfertigungsordnungen rekonstruiert, die das Wahrneh-men, Urteilen und Handeln situativ mit Sinn ausstatten undes Personalverantwortlichen ermöglichen, ihre Entscheidezu legitimieren. Damit werden Konventionen bei der Per-sonalauswahl nicht nur als entscheidungsleitend aufgefasst;sie ermöglichen gleichzeitig die Rechtfertigung der Aus-wahl. Eine als fair erachtete (Personal-) Entscheidung wirddabei durch Konventionen ermöglicht, die das Wohl einesGemeinwesens befördern (Imdorf 2010a: 203). Mit Boltan-ski und Thévenot (2007: 93ff) lassen sich verschiedene Ge-meinwesen unterscheiden, die jeweils auf einer spezifischenKoordinations- und Rechtfertigungspraxis des menschli-chen Zusammenlebens basieren, und die sich durch eine jeeigene Wertigkeitsordnung auszeichnen (Diaz-Bone 2009a:239). Sobald ein Gemeinwesen eine eigene Objektivität re-klamiert, die es gestattet, die Wertigkeit bzw. ‚Qualität‘ ei-ner Person zu ermitteln, sprechen Boltanski und Thévenot(2007) von einer ‚Welt‘. Die Konvention einer solchen Weltdient nun als eine Äquivalenznorm, die es erlaubt, mehre-re Personen miteinander zu vergleichen. Personen, die sichim Hinblick auf die Koordinationsanforderungen einer be-stimmten Welt in besonderem Masse bewähren, wird, in derSprache von Boltanski und Thévenot (2007), ‚Größe‘ imHinblick auf diese Welt zugesprochen.

Auf Basis der Soziologie der Konventionen, welche dievielfältigen leistungsbezogenen und sozialen Facetten derbetrieblichen Personalselektion angemessen zu integrierenvermag, lässt sich die Bedeutung des Alters im Rahmen be-trieblicher Matching- und Rechtfertigungsprozesse nun ver-tieft untersuchen. Das bereits aus den Bewerbungsunterla-gen ersichtliche Alter dient den Selektionsverantwortlichendabei als kostengünstiges Signal für die erforderlichen Qua-lität(en) der Ausbildungsstellenbewerber im Hinblick aufdie spezifischen Koordinationsanforderungen eines betrieb-lichen Ausbildungsverhältnisses. Als zentral für die Hand-lungskoordination in Arbeitsorganisationen des Wirtschafts-systems werden in der Forschungsliteratur gegenwärtig vierKonventionen diskutiert: die industrielle Konvention, dieMarktkonvention, die häusliche Konvention sowie die Netz-werkkonvention. Aus Sicht des Ausbildungssystems gilt eszusätzlich die von Boltanski und Thévenot (2007: 254ff)beschriebene Konvention der ‚staatsbürgerlichen Welt‘ zuberücksichtigen, um die Ausbildungsplatzvergabe angemes-sen zu verstehen. Im Hinblick auf die Auswahl von Auszu-bildenden lässt sich nun für jede durch diese Konventionen

konstituierten ‚Welten‘ nach der Bedeutung des Alters alsSelektionskriterium fragen.

3.3 Konventionen eines betrieblichenAusbildungsverhältnisses und die Relevanz des Alters7

Die industrielle Konvention stärkt das Prinzip der Effizi-enz in der betrieblichen Handlungskoordination. Um Res-sourcen möglichst produktiv zu nutzen, orientieren sich dieHandlungsabläufe an einer effizienten Arbeitsorganisation.Die Arbeitsbeziehungen sind planbar und die Arbeitsme-thoden und Produkte idealerweise standardisiert. In die-ser in ökonomischen Theorien wohlbekannten ‚industriel-len Welt‘, in der sich die Qualität der Mitarbeiter an de-ren ‚Produktivität‘ misst, ist bei der Selektion von Auszu-bildenden die Erwartung bedeutsam, dass sie die künftigenProduktionsabläufe aufgrund ihrer Fähigkeiten, Fertigkei-ten und körperlichen Voraussetzung unterstützen und nichtstören werden. Anderweitige industrielle Koordinationsan-forderungen, an denen Ausbildungsplatzanwärter gemessenwerden, sind Arbeitstugenden wie Pünktlichkeit, Regelmä-ßigkeit oder Ordnung. Hinsichtlich der Bedeutung, die demAlter bei der Ausbildungsplatzvergabe zugestanden wird,stellt sich die Frage, inwiefern dieses für Produktivitäts-annahmen in der industriellen Welt als relevant betrachtetwird.

Die Marktkonvention hebt dagegen die Beziehungsprin-zipien des Preises und der Konkurrenz hervor. Die Art derBeziehung zwischen den Akteuren ist strategisch und ih-re Koordination orientiert sich auf opportunistische Weisean der Marktlage. Eine Mitarbeiterin gilt in dieser Welt als‚groß‘, wenn sie ein nachgefragtes Gut mit knappem Ange-bot bereithält. Für die Auswahl von Auszubildenden bedeu-tet die Marktkonvention, dass ein künftiger Auszubildenderdem Betrieb keine unnötigen Kosten verursachen soll. Zumeinen existieren hier betriebliche Überlegungen die nahe le-gen, keine Jugendlichen einzustellen, die die Ausbildungfrühzeitig abbrechen könnten, da dies einer betrieblichenFehlinvestition gleichkäme (etwa bei unzureichenden schu-lischen Voraussetzungen, die dazu führen, dass die Mindest-anforderungen der Berufsschule nicht erfüllt werden kön-nen, vgl. Imdorf 2009). Zum anderen können Auszubilden-de beim Kontakt mit der Kundschaft aufgrund askriptiverMerkmale (im Sinne der Kundendiskriminierung nach Be-cker 1971) ihren eigentlichen Marktwert erhalten. Im Hin-blick auf die Erfordernisse dieser ‚Welt des Marktes‘ giltes zu fragen, ob Ausbildungsbetriebe bei Bewerber einesbestimmten Alters einen Ausbildungsabbruch bereits anti-zipieren, oder ob das Alter als relevant für die Kundenbin-dung gesehen wird, weil Kunden Abneigungen gegenüber

7Die nachfolgende Skizze der Konventionen der Arbeit orientiert sichan Diaz-Bone (2009a: 242f.).

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besonders ‚jungen‘ oder aber ‚älteren‘ Auszubildenden ha-ben könnten.

Basierend auf der häuslichen Konvention erlangt einePerson ‚Qualität‘, wenn ihr aufgrund von sozialer Nähe, Be-kanntschaft, Verwandtschaft oder persönlicher BeziehungenVertrauen entgegengebracht wird. Die Beziehungserwartun-gen orientieren sich an den Koordinationsformen der tra-ditionell strukturierten Familie, etwa an altersspezifischenAutoritäts- und Abhängigkeitsverhältnissen. Die ‚Betriebs-familie‘ vermittelt die Loyalität der Mitarbeiter gegenüberder Organisation und stabilisiert damit die soziale Basis ei-nes Betriebs (Hohn und Windolf 1988: 187). Diese sozialeKohäsion ist Voraussetzung für eine rationale Konfliktregu-lierung und damit auch für eine hohe betriebliche Produk-tivität. Sie kann jedoch durch Altersdifferenzen wie auchdurch geschlechtliche oder ethnische Heterogenität emp-findlich beeinträchtigt werden (ebd.: 188). Die Selektionvon Auszubildenden in dieser ‚häuslichen Welt‘ ist bestrebt,konfliktfreie horizontale und vertikale Sozialbeziehungenim Betrieb zu garantieren. Es stellt sich deshalb die Frage,inwiefern das Alter von Bewerbern mit antizipierten Störun-gen solcher innerbetrieblicher Sozialbeziehungen in Verbin-dung gebracht wird.

Boltanski und Chiapello (2003) konnten zudem eineNetzwerkkonvention in spätmodernen Arbeitsorganisationenrekonstruieren. Diese weist Personen dann ‚Größe‘ zu, wennsie Netzwerke bilden, über Flexibilität, Mobilität und Risi-kobereitschaft verfügen und sich als ‚projektfähig‘ erwei-sen. Im Unterschied zur familienweltlichen Beziehungsformwerden Beziehungen in der netzwerk- bzw. ‚projektförmi-gen Welt‘ flexibel und befristet gelebt. Dies trifft unter an-derem auf Kundenbeziehungen zu, die im Unterschied zuden innerbetrieblichen Sozialbeziehungen nur von mittlererDauer sind. Eine gelingende Kundenbindung beruht in die-sem Fall nicht auf dem Koordinationsprinzip der marktför-migen Welt, das einer Mitarbeiterin unabhängig ihrer Hand-lungskompetenz aufgrund eines askriptiven, von der Kund-schaft präferierten Merkmals ‚Größe‘ zuweist. Insbesonderedann, wenn die Qualität der Kundenbeziehung von adäqua-ten ‚Sozialkompetenzen‘ der Mitarbeiterin abhängt, wird ih-re ‚Qualität‘ durch die Netzwerkkonvention bestimmt. DasÄquivalenzprinzip für die Beurteilung und den Vergleichvon Personen in dieser Welt stellt gemäß Boltanski (2007)unter anderem die Fähigkeit dar, die eigene Isolation zuüberwinden und neue Beziehungen mit anderen Akteureneinzugehen. Vom betrieblichen Ausschluss gefährdet sindPersonen, „die sich nicht einzubringen wissen, weil sie (. . . )nicht kommunizieren können, weil sie verschlossen sind“(ebd.: 10). Im Hinblick auf das Alter als Auswahlkriteriuminteressiert hier, ob dieses mit kommunikativen und kontakt-fördernden Kompetenzen assoziiert wird, die für das Knüp-fen und Erhalten von Kundenbeziehungen als relevant er-achtet werden.

Zusätzlich zu den bisher ausgeführten vier Konventio-nen der Arbeit muss schließlich die für das Ausbildungs-system zentrale staatsbürgerliche Konvention berücksichtigtwerden, die auf einem Kollektivinteresse beruht. Diese Kon-vention reklamiert einen Gesellschaftsvertrag, der das ei-gensüchtige Handeln der Betriebe durch ein Bekenntnis zurWahrung des sozialen Friedens einschränkt (Imdorf 2008:126). Bei der Gestaltung von Beziehungen rückt das Prin-zip der Chancengleichheit in den Vordergrund. Da der Staatdie betriebliche Lehrlingsauswahl im Unterschied zur Ge-staltung des Ausbildungsverhältnisses kaum reguliert, ver-mag die staatsbürgerliche Konvention die Vergabe von Aus-bildungsplätzen in der Regel nur schwach zu strukturieren.Es stellt sich die Frage, ob Betriebe diese Konvention auchfreiwillig vertreten und Bewerbern zu einer Ausbildung ver-helfen, die aufgrund ihres Alters als benachteiligt eingestuftwerden.

Die skizzierten Konventionen der Arbeit und der Aus-bildung können als wesentliche Beziehungs- und Koordi-nationsprinzipien von Ausbildungsorganisationen betrach-tet werden. Betriebe lassen sich dabei nach unterschiedli-chen Konfigurationen von Konventionen unterscheiden, diefür die Koordination ihres sozialen Zusammenhalts von be-sonderer Bedeutung sind. Diese Konventionen gewährleis-ten auch die Abstimmung der gegenseitigen Erwartungenzwischen den betrieblichen Akteuren und den (zukünftigen)Auszubildenden. Sie leiten daher die Beurteilung der Be-werber an. Als Rechtfertigungsprinzipien ermöglichen siezugleich die Begründung und die Legitimation der Perso-nalauswahl.

Im Folgenden soll mit einer qualitativen Studie aus derSchweiz geklärt werden, für welche ‚Welten‘ eines Ausbil-dungsbetriebs das Alter der Ausbildungsanwärter ein Selek-tionskriterium darstellt, und welche ausbildungsrelevantenQualitäten mit den jeweiligen Wertigkeitsordnungen in Ver-bindung gebracht werden. Ziel der empirischen Analyse istes, am Auswahlkriterium Alter das Spektrum an selektions-relevanten Konventionen aufzuzeigen und das vorgeschla-gene Modell der Ausbildungsplatzvergabe empirisch abzu-sichern. Sofern sich eine Relevanz der propagierten Kon-ventionen nachweisen lässt, belegen sie betriebliche Moti-ve, die den Ausschluss von als zu jung oder als zu alt gel-tenden Auszubildenden zur Folge haben und die eingangsproblematisierten Entwicklungen auf dem Ausbildungsstel-lenmarkt möglicherweise mitbedingen.

4 Daten und methodisches Vorgehen

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird auf die Da-ten des Schweizer Forschungsprojekts ‚Lehrlingsselektionin kleinen und mittleren Betrieben‘ aus dem Jahr 2005

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zurückgegriffen.8 Nachfolgend werden Stichprobe, Daten-sammlung und Auswertungsstrategie, auf denen die in Ab-schn. 5 präsentierten Resultate beruhen, kurz beschrieben.Ausführliche Angaben zu Merkmalen der Stichprobe sowiezum methodischen Vorgehen finden sich im Methodenbe-richt der Studie (siehe Imdorf 2010b: Online Ressource 1).

Stichprobe. Es wurde die Ausbildungsplatzvergabe inDeutschschweizer Ausbildungsbetrieben kleiner und mitt-lerer Größe untersucht, da diese in der Schweiz annähernd90% der Ausbildungsplätze stellen. Die Betriebe wurden in-direkt über das Nachverfolgen einzelner Bewerbungen vonJugendlichen rekrutiert, die sich ohne Erfolg auf folgendeAusbildungsberufe beworben hatten (in Klammern sind je-weils die Anzahl Betriebe pro Beruf angegeben, die aus-wertbare Angaben zum Selektionskriterium Alter gelieferthaben)9: Dentalassistent/in (12), medizinische/r Praxisas-sistent/in (10), Automechanikerin oder Automonteur (9),Autolackierer/in (15), sowie kaufmännische Ausbildungen(14). Diese Berufe boten sich einerseits an, weil sie bil-dungsstatistisch relevante Ausbildungsberufe repräsentie-ren, die typischerweise in Klein- und Mittelbetrieben ange-boten werden. Zum anderen unterscheiden sie sich in ihremschulischen Anforderungsprofil, in ihrer Geschlechtstypik,sowie in der Zugänglichkeit für Jugendliche mit Migrati-onshintergrund.10 Alle Berufe sind zudem ab dem 16. Al-tersjahr erlernbar. In der erreichten Betriebsstichprobe sindKleinbetriebe (mit max. 50 Angestellten) mit annähernd80% überproportional vertreten (Kleinbetriebe haben in derSchweiz im Jahr 2005 66% aller Ausbildungsplätze angebo-ten). Entsprechend erlaubt die Stichprobe eine Hypothesen-bildung für diese Betriebstypen unter Berücksichtigung dergewählten Bereiche (öffentliche und persönliche Dienstleis-tungen sowie Autoreparatur-Branche).

Datenerhebung. In den rekrutierten Ausbildungsbetrie-ben führte der Autor mit den Selektionsverantwortlichenhalbstrukturierte Experteninterviews (Froschauer und Lue-ger 2002) durch. Der Interviewleitfaden umfasste, nebeneinleitenden Informationsfragen zur interviewten Person so-wie zum Betrieb, Fragen zur betriebsüblichen Lehrstellen-vergabe. In diesem Zusammenhang wurde danach gefragt,welche Voraussetzungen eine erfolgreiche schriftliche Be-werbung erfüllen muss und weshalb diese Voraussetzungen

8Das im Nationalen Forschungsprogramm ‚Integration und Aus-schluss‘ durch den Schweizerischen Nationalfonds geförderte Projektam Heilpädagogischen Institut der Universität Fribourg untersuchte inder Zeit von 2004–2006 die betrieblichen Logiken bei der Besetzungberuflicher Ausbildungsplätze in Deutschschweizer Betrieben.9Die nachfolgenden Schweizer Berufsbezeichnungen widerspiegelndie gewählten Ausbildungsberufe im Jahr 2004. Inzwischen wurdenmehrere dieser Berufe modernisiert und umbenannt.10Anfänglich galt das besondere Interesse der Untersuchung der Fra-ge, inwiefern die Bewerbermerkmale Nationalität, Geschlecht sowiedie Schulbiographie bei der betrieblichen Ausbildungsplatzvergabe re-levant werden.

für den Betrieb von Bedeutung sind. Dabei wurde die Re-levanz des Alters als Kriterium der Vorauswahl schriftlicherBewerbungen explizit erfragt. 60 Betriebe gaben Stellung-nahmen zu diesem Thema ab.11 In 42 Fällen wurde die unte-re und in 48 Fällen die obere Altersgrenze thematisiert. Ausder retrospektiven Befragung zu betrieblichen Selektions-prozessen resultieren Rechtfertigungen der Selektionsver-antwortlichen. Die organisationstheoretische Prämisse, wo-nach Organisationen keine Entscheide treffen, die sie späterin ihrer Umwelt nicht rechtfertigen können, impliziert da-bei eine Abhängigkeit von realen Entscheidungssituationenund nachträglichem Legitimationshandeln (den empirischgreifbaren und analysierbaren Rechtfertigungsreden). Da-mit lässt sich von Rechtfertigungen teilweise auf vergange-ne Entscheidungsprozesse schließen. Methodisch kommt esdaher nicht darauf an, Rechtfertigungen zu vermeiden, son-dern es gilt sie durch das Forschungsdesign und die Befra-gungsmethoden zu ermöglichen (Radtke 1996: 117). Zumeinen setzt bereits die Anwesenheit und Aufmerksamkeit ei-nes ‚fremden‘ Wissenschaftlers die Befragten unter Druck,das eigene Selektionshandeln zu legitimieren. Zum anderenwurde der Rechtfertigungsdruck in der vorliegenden Unter-suchung zusätzlich erhöht, indem die Selektionsverantwort-lichen nach den Gründen für die Ablehnung von realen, demInterviewer bekannten Bewerberinnen befragt wurden.

Datenanalyse. Das transkribierte Datenmaterial der In-terviews wurde vorerst mittels altersrelevanter Suchbegrif-fe deduktiv nach Textstellen codiert, die im Hinblick aufdie Fragestellungen bedeutsam waren. Die in diesen Text-stellen enthaltenen Rechtfertigungsreden wurden dann einerArgumentationsanalyse nach Toulmin (1996) unterzogen,wie sie Radtke (1996) für sozialwissenschaftliche Verwen-dungszwecke vorgeschlagen hat. Die Argumentationsanaly-se ist hier die Methode der Wahl, da Antworten auf die Fra-ge, weshalb das Alter bei der Ausbildungsplatzvergabe alswichtig erachtet wird, in der Regel im Modus von Argumen-tationen erfolgen, die beim Adressaten die Zustimmung zueiner bestimmten Schlussfolgerung erzeugen sollen (Radtke1996, 115). In der empirischen Analyse solcher Schlussfol-gerungen gilt es, die Prämisse – die sogenannte Schlussregel– zu erschließen, die die Darstellung einer bereits getrof-fenen Selektion als richtige Entscheidung erlaubt. Mit Be-zugnahme auf die Soziologie der Konventionen können diebetrieblichen Koordinationsanforderungen als ein geteiltesund plausibles Wissen verstanden werden, auf das sich dieSelektionsverantwortlichen im Sinne von Schlussregeln be-ziehen, wenn sie ihr Entscheidungshandeln nachträglich mitArgumenten untermauern. Das Argumentationsschema von

11Die Frage nach der Relevanz des Alters wurde erst im Verlauf derDatenerhebung systematisch in den Interviewleitfaden aufgenommen,nachdem sich dessen Bedeutung für die Ausbildungsstellenvergabeherauskristallisiert hatte.

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Tab. 1 Positive Beurteilungeneines verzögertenAusbildungsbeginns undPro-Argumente nach Branche

Branche Positive Beurteilung derVerzögerung

Pro-Argumente(Mehrfachnennungen möglich)

Arzt- und Zahnarztpraxen in 16 von 17 Fällen Persönliche ‚Reife‘ (9)

Förderlich für Patientenbeziehung (6)

Qualität in der ‚industriellen Welt‘ (3)

Schicksale ertragen (2)

Betriebliche Sozialintegration (1)

Verwaltungsabteilungen von KMU in 10 von 13 Fällen Persönliche ‚Reife‘ (9)

Betriebliche Sozialintegration (5)

Autogaragen und Lackierereien in 8 von 12 Fällen Persönliche ‚Reife‘ (6)

Soziales Engagement des Betriebs (1)

Toulmin (1996) bietet sich dabei als Werkzeug an, um dieArgumentations- und Begründungsmuster in Interviewtex-ten methodengeleitet offen zu legen.12 Es erlaubt eine Un-tersuchung, ob und wie von wahrgenommenen Alterskate-gorien unter Bezugnahme auf bestimmte Konventionen derArbeit (im Sinne von Schlussregeln)13 auf die Konklusiongeschlossen wird, dass eine solcherart klassifizierte Personfür eine Ausbildung im untersuchten Betrieb (nicht) in Fragekommt (ausführlicher zum argumentationsanalytischen Vor-gehen Imdorf 2010b).

5 Empirische Resultate

Die Aussagen der Selektionsverantwortlichen zur Relevanzdes Alters bei der Lehrstellenvergabe lassen sich danach un-terscheiden, ob sie eine untere oder eine obere Altersgrenzeder Selektion implizieren. Abschnitt 5.1 analysiert, inwie-weit Ausbildungsbetriebe Präferenz für ‚ältere‘ Bewerberhaben. Abschnitt 5.2 untersucht dagegen betriebliche Prä-ferenzen für ‚jüngere‘ Ausbildungsplatznachfrager.

5.1 Betriebliche Präferenzen für ‚ältere‘ Bewerber zuUngunsten von direkten Schulabgängern

Tabelle 1 zeigt, wie sich die 42 Stellungnahmen zur unte-ren Altersgrenze bei der Ausbildungsstellenvergabe auf die

12Im Sinne bewährter Lösungen und handlungsleitender Theorien desAlltags lassen sich Argumentationsmuster auch den sozialen Deu-tungsmustern zuordnen. Die hier präferierte Argumentationsanalysewird einer Deutungsmusteranalyse vorgezogen, weil sie die Struktu-ren einer Entscheidung angemessener zu operationalisieren und damitdas für die Entscheidung notwendige Begründungswissen präziser zuidentifizieren vermag.13Nicht alle Begründungen des Selektionskriteriums Alter im analy-sierten Interviewmaterial ließen sich klar einer Konvention der Arbeitzuordnen, da zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch keine konventio-nensoziologische Analyse vorgesehen und die Befragungsstrategie ent-sprechend nicht auf eine systematische Aufdeckung von handlungsre-gulierenden Konventionen ausgerichtet war. Entsprechend handelt sichbei den nachfolgenden Resultaten um Ergebnisse einer Sekundäran-alyse.

Branchen verteilen und in wie vielen Stellungnahmen einverzögerter Übergang in die Berufslehre als positiv beurteiltwurde. Die dritte Spalte gibt einen Überblick über die wich-tigsten Argumente, mit denen die positive Beurteilung einesverzögerten Ausbildungsbeginns begründet wurde.

Gemäß der tabellarischen Übersicht wurde in einer Mehr-heit der betrieblichen Stellungnahmen (in 34 von 42 Fällen)ein verzögerter Lehrbeginn als positiv bewertet. Eine solcheWertung war in den untersuchten Arzt- und Zahnarztpra-xen besonders ausgeprägt. Wie die Liste der Pro-Argumentezeigt, wurde über alle Branchen hinweg mit der gesteiger-ten ‚Reife‘ der Jugendlichen bei einem verzögerten Lehr-beginn argumentiert. Die Worte des Geschäftsführers einesKarrosseriewerks [53]14 summieren die dominante Sicht-weise: „Objektiv sage ich, jedes Jahr, welches ein Jünglingspäter in die Lehre kommt, macht ihn ein Jahr reifer“.

Zum einen wurde auf die Persönlichkeitsentwicklungwährend der Pubertät hingewiesen. Personen, die etwas äl-ter als sechzehn seien, hätten „einen Teil der Pubertät schonhinter sich“, was „in einer Lehre noch eine riesige Rol-le“ spiele (Ausbildungsleiter, Autogarage [41]). Ein wesent-licher Reifesprung wurde dabei wiederholt im Anschlussan das fünfzehnte Altersjahr konstatiert, also ausgerech-net dann, wenn sich die Jugendlichen während des neuntenSchuljahres auf Lehrstellen zu bewerben beginnen: „Zwi-schen sechzehn, frisch ab Schule und siebzehn, das ist ein-fach eine Welt (. . . ) das sind Sprünge, die sie da machen,die Jugendlichen“ (Hausarzt, Arztpraxis [9]). Daher werdenJugendliche bevorzugt, die nach neun Schuljahren „nochein Zwischenjahr, oder entweder ein zehntes Schuljahr oderirgendwie einen Fremdsprachenaufenthalt“ machen, da siesich in diesem Alter, „noch sehr verändern oder entwickeln“

14Die betrieblichen Stellungnahmen werden jeweils mit einer [Be-triebsnummer] den untersuchten Ausbildungsbetrieben zugeordnet. ImAnhang sind in Tab. 3 sämtliche bei der Analyse berücksichtigten 60Ausbildungsbetriebe nach Betriebsnummer aufgelistet. Tabelle 3 gibtzusätzlich Auskunft zu Betriebsart, Betriebsgröße, Ausbildungsberufsowie zur eingegangenen Anzahl Bewerbungen pro Lehrstelle.

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würden (Geschäftsleiter, Medienvertrieb [34]). Der Verwal-ter einer Autogarage [45] argumentierte ähnlich und fühl-te sich in seiner Meinung durch einen Kollegen bestätigt,dem wiederholt auffiel, dass seine Auszubildenden währendeines schulischen Zusatzjahres eine außerordentliche Ent-wicklung durchgemacht haben. Ein Zahnarzt [11] betonteschließlich die Ambiguität der Beurteilung ‚junger‘ Schüle-rinnen, die dazu verleite, dass er mit seinem Selektionsent-scheid jeweils zuwarte:

„Wenn die noch ein Jahr jünger sind, ist es vielschwieriger sie zu beurteilen. In diesem Jahr passierteinfach noch sehr viel. Allzu jung ist schwierig, oder,und ich möchte mich dann einfach jeweils noch nichtentscheiden“.

Zum anderen wurde ein Zusatzjahr zwischen Schulabgangund Ausbildungsbeginn mit mehr Lebenserfahrung assozi-iert. Jugendliche, die „schon ein wenig älter“ seien, wür-den „schon eine Erfahrung mit(bringen), die kommen nichteinfach direkt aus der Schule“ (Personalfachfrau, Zahnarzt-praxis [17]). Ein Zahnarzt [16] empfand es zudem als „an-genehmer“, jemanden mit siebzehn oder achtzehn Jahreneinzustellen („sie haben mehr Erfahrung, sie haben mehrLebenserfahrung“). Er akzeptiert daher gerne Bewerberin-nen, die ein zehntes Schuljahr absolviert oder gar eine Leh-re abgebrochen haben, sofern dies ihre berufliche Orien-tierung fördert. Unter ‚mehr Lebenserfahrung‘ lassen sichauch die Argumente zweier (Zahn-) Ärzte [9; 21] subsu-mieren, die es jeweils schätzen, wenn eine Jugendliche be-reits einmal „fort von zu Hause“ gewesen war bzw. „schonmal außerhalb der Familie gelebt“ habe. Als „reif“ befandman auf einer Gemeindeverwaltung [27] Jugendliche, die„gefestigter“ seien, klarer wüssten, was sie wollten undsich mehr einsetzten. Als „unreif“ gilt dagegen, wer „ir-gendwie so kein Ziel hat“, bzw. „dieses Hoch und Run-ter“, bis ein Auszubildender merken würde, „dass er eigent-lich muss, und dass nicht wir müssen, dass er an die Säckemuss“ (Gemeindeschreiber-Stellvertreter). Die Stellungnah-men belegen wiederholt, dass eine so verstandene Reife beiAbgängern des 9. Schuljahrs als noch unzureichend heraus-gebildet beurteilt wird.

Bisher wurde deutlich, dass Informationen zum Alterund zu beanspruchten Angeboten des Übergangssystems beider Sortierung von Bewerbungsunterlagen verwertet wer-den, weil sie von den Selektionsverantwortlichen als Hin-weise auf die ‚Reife‘ der Jugendlichen – verstanden als Ziel-strebigkeit, Selbstverantwortung und Motivation – gedeutetwerden. Solche Aussagen lassen jedoch noch keinen Rück-schluss auf selektionsrelevante Konventionen der Arbeit zu.Sobald man aber in Interviews explizit nach der betrieb-lichen Bedeutsamkeit dieser problematisierten Persönlich-keitsentwicklung fragt, lassen sich die Konventionen rekon-struieren, die es im Sinne von Schlussregeln erlauben, von

der Annahme einer ‚ungenügenden altersspezifischen Reife‘auf ein problematisches Ausbildungsverhältnis zu schließenund damit ein ‚zu junges‘ Alter zu einem betriebsrelevantenSelektionskriterium zu erheben. Hinter dem alltagstheore-tischen Reifekonzept verbergen sich dabei unterschiedlicheAnnahmen darüber, wie der altersspezifische Entwicklungs-stand der Jugendlichen für ein gelingendes Ausbildungsver-hältnis relevant werden könnte.

In zwei Arztpraxen [2; 9] wurde darauf verwiesen, dassder Praxisalltag, der die Jugendlichen früh mit Krankheits-bildern und dem Tod konfrontiere, eine gewisse psychi-sche Stabilität – eine Qualität der häuslichen Welt – erfor-dere. Einzelne Stellungnahmen von Arztpraxen verweisenzudem auf die Bedeutung von ‚Reife‘ in der industriellenWelt der Betriebe, wo eine effiziente, zuverlässige und ver-antwortungsvolle Verrichtung beruflicher Tätigkeiten ver-langt wird. Hingewiesen wurde etwa auf die erforderlicheSelbstsicherheit beim Verabreichen von Spritzen (Med. Pra-xisassistentin [5]), auf die Verantwortungsübernahme, dieein Beruf verlange, „wo es um Menschenleben gehen kann“(Med. Praxisassistentin [1]), oder auf die organisatorischenFähigkeiten, die die telefonische Triage von Patienten in ei-ner Arztpraxis [3] erfordere, wie der folgende Interviewaus-schnitt belegt:

Interviewer: Was bedeutet das, dass sie [die Bewerbe-rinnen] reif sind?Medizinische Praxisassistentin: Ja, ein gewisses Auf-treten, nicht allzu unsicher. (. . . ) stimmlich ist auchnoch ein KriteriumÄrztin: Ja, das Telefon ist wichtig, oderMedizinische Praxisassistentin: Ziemlich, ja. Einehatte zum Beispiel eine ganz leise Stimme, bei derhaben wir gesagt, das können wir uns nicht vorstellenÄrztin: Sie müssen einfach insofern eine gewisse Rei-fe haben, weil sie Anrufe entgegen nehmen müssen.Und dann müssen sie eine Situation einschätzen kön-nen, oder. Ist jetzt das jemand, der eben äh, etwasDringendes hat und zufrieden ist, wenn er einen Ter-min in fünf Tagen bekommt? Sie müssen auch mitschwierigen Leuten umgehen können. Manchmal gehtes nur schon zehn Minuten bis jemand irgendeinenTermin hat, der ihm passt und so. Oder der ist unge-halten. Und das braucht einfach eine gewisse Reife,eine gewisses Selbstvertrauen auch, dass nicht geradebei der ersten Kritik jemand sofort am Boden zerstörtist, denke ich.

Das Interviewzitat zeigt zudem anschaulich, dass „eine ge-wisse Reife“ auch für die Kommunikation mit (schwierigen)Patienten als zentral erachtet wird, womit die Qualität, sichbefristet und selbstsicher auf Beziehungen mit Klienten bzw.

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Kunden einzulassen, in den Vordergrund rückt. Dem pflich-tet auch der Verwalter einer Zahnklinik [13] bei: „Also nor-malerweise finde ich auch, also, wenn sie ganz jung sind,das bringt nichts. Man muss natürlich sehen, man ist dannauch vom ersten Tag dann auch mit Leuten konfrontiert, Te-lefon, Patienten, und da finde ich, muss man ein gewissesAlter haben“. Wenn „eine ein Jahr älter sei“, so ein weitererZahnarzt [12], sei sie „auch rein vom Umgang (her) ein we-nig erwachsener“, was „in unserem Umfeld, mit all diesenLeuten (. . . ) nicht negativ“ ist. Ein anderer Zahnarzt [15]verdeutlichte, was dies im Berufsalltag bedeutet:

„Man muss ein wenig offen (sein), man muss den Kon-takt haben, man muss vielleicht einmal einen Patien-ten setzen, oder du musst vielleicht, wenn er dich maletwas fragt, Auskunft geben, ohne gerade rot zu wer-den. Also, es braucht einfach ein wenig Reife“.

Die diversen Stellungnahmen belegen anschaulich, dass‚Reife‘ in den privaten Arzt- und Zahnarztpraxen eine Quali-tät für die berufliche Beziehungsarbeit mit den Patienten undihren Angehörigen darstellt, der die Netzwerkkonvention derBeziehungsgestaltung zu Grunde liegt. Ein ‚zu junges‘ Alterder Kandidatinnen wird von den Selektionsverantwortlichenals Hinweis gedeutet, dass „die jungen Frauen“ noch nichtimstande sein könnten, mit Patienten selbstsicher („ohne rotzu werden“) zu kommunizieren, mit ihnen den Kontakt zusuchen und offen zu sein. Dagegen enthält das analysiertMaterial keine Hinweise darauf, dass Betriebe das Alterder Auszubildenden im Hinblick auf funktionierende Kun-denbeziehungen vor dem Hintergrund der Marktkonventi-on problematisieren würden. Es wird nicht befürchtet, dassKunden einen Betrieb meiden könnten, weil sie sich (imSinne der Beckerschen Kundendiskriminierung) ‚am jungenAlter‘ von Auszubildenden stören.

Von Betrieben, die eine unzureichende ‚Reife‘ von alszu jung geltenden Kandidatinnen im Hinblick auf die Be-ziehungsarbeit mit den Kunden bzw. Patienten problemati-sierten, lassen sich solche unterscheiden, die ,ältere’ Aus-zubildende präferieren, weil sie eine konstante Begleitungihrer Auszubildenden durch eine einzige Betreuungsperson– ein Merkmal der traditionellen häuslichen Welt, die in die-sen Betrieben geschwächt ist – nicht gewährleisten können.In diesen Ausbildungsorganisationen erweist sich die Netz-werkkonvention auch für funktionierende innerbetrieblicheSozialbeziehungen als bedeutsam. Exemplarisch war in ei-ner Arztpraxis [10] mit vorwiegend Teilzeitarbeitskräftendie Rede davon, dass eine Auszubildende „schon ein wenigPersönlichkeit“ haben müsse, „nicht sechzehn oder fünfzehnist“ und „sich selbst organisieren kann“, da es mit den vielenTeilzeitleuten unmöglich sei, eine qualifizierte Fachkraft be-reitzustellen, die „konstant die ganze Woche bei einem ist,auch nicht im ersten Lehrjahr“. Als problematisch erweisensich hier als ‚unreif‘ bzw. als zu jung geltende Jugendliche,

weil sie einer engen, auf einer häuslichen Konvention be-ruhenden Anleitung und Führung bedürfen, die der Ausbil-dungsbetrieb gerade nicht anbieten kann oder will. Ähnli-ches gilt auch für einen untersuchten Ausbildungsverbund[30], in welchem sich mehrere Betriebe ein Ausbildungs-verhältnis teilen. Der Ausbildungskoordinator suchte „so einwenig reifere, interessiertere Leute (. . . ), weil sie jedes Jahreigentlich den Betrieb wechseln“, womit er auf die Flexi-bilität von Auszubildenden verweist. In der projektförmigenWelt eines Ausbildungsverbundes absolvieren Auszubilden-de ihre Ausbildungszeit nicht mehr an einem einzigen Ort,sondern sie rotieren im Jahresrhythmus zwischen verschie-denen Betrieben. Deshalb sind Personen erwünscht, die inder Lage sind, betriebliche Sozialbeziehungen befristet ein-zugehen, was eher von ‚älteren‘ als von ‚jüngeren‘ Jugend-lichen erwartet wird (Imdorf und Leemann 2011). Währendim Ausbildungsverbund das Erfordernis nach flexiblen ho-rizontalen Sozialbeziehungen ein Bewerbungshindernis für‚zu junge‘ Jugendliche bedeutet, wurde im ersten Fall de-ren Passung in die vertikale soziale Beziehungsstruktur ei-nes Betriebs mit vielen Teilzeitstellen in Frage gestellt. Bei-de Fälle zeigen, dass in der projektförmigen Welt die Quali-tät der Auszubildenden an einem Mindestalter festgemachtwird.

Auch in den untersuchten Autogaragen und Autolackie-rereien gab es mehrere Hinweise darauf, dass die Betriebeeinen verzögerten Ausbildungsbeginn begrüßen, weil älte-re Jugendliche als ‚reifer‘ erachtet werden. Das Interview-material lässt eine Rekonstruktion dominanter Konventio-nen, die den jeweiligen Reifeargumenten zugrunde liegen,in dieser Branche jedoch nicht zu. Aufschlussreich war ei-ne zum verbreiteten Reifediskurs alternative Argumentationeiner Autolackiererei [50], die sich aus sozialem Engage-ment der Förderung und Ausbildung benachteiligter Jugend-licher verschrieben hat und aus diesem Grund Bewerber fürdie engere Auswahl berücksichtigte, die bereits ein schuli-sches Zusatzjahr gemacht oder eine Lehre abgebrochen hat-ten. Hier bezog sich der interviewte Geschäftsinhaber aufdie staatsbürgerliche Konvention, um ein höheres Alter beiAusbildungsbeginn zu rechtfertigen.

Fasst man die betrieblichen Stellungnahmen zur Fragedes verzögerten Eintritts in die Berufslehre im Anschluss andie obligatorische Schulzeit zusammen, so zeigt sich, dassmancher Ausbildungsbetrieb diese Verzögerung als vorteil-haft für das Ausbildungsverhältnis sowie für die eigene Ar-beitsorganisation beurteilt. Hinter dem Argument der ‚Rei-fe‘ von Jugendlichen, die nicht schon mit sechzehn eineLehre beginnen, lassen sich dabei in unterschiedlichem Maßdie in Abschn. 3.2 ausgeführten Konventionen der Selek-tion rekonstruieren. Während einige betriebliche Stellung-nahmen auf die Bedeutung von ‚Reife‘ in der industriellenWelt verweisen, sprechen insbesondere die Argumentatio-nen aus den Arzt- und Zahnarztpraxen für die Relevanz von

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Tab. 2 Negative Beurteilungen ‚älterer‘ Bewerber und betriebliche Kontra/Pro-Argumente nach Branche

Branche Negative Beurteilung‚älterer‘ Bewerbera

Argumente gegen ‚ältere‘Bewerber

Argumente für ‚ältere‘Bewerber

Arzt- und Zahnarztpraxen in 10 von 13 Fällen Betriebliche Sozialintegration (5) Berufliche Erfahrung (1)

Risiko Lehrabbruch (3) Wille, Motivation (1)

Altersnorm (2)

Verwaltungen von KMU in 6 von 14 Fällen Betriebliche Sozialintegration (3) Soziales Engagement (2)

Jüngeren eine Chance geben (2) Sie wissen, was sie wollen (1)

Autogaragen und Lackierereien in 6 von 21 Fällen Betriebliche Sozialintegration (3) Späte Berufsorientierung (3)

Risiko Lehrabbruch (2) Biographische Erfahrung (3)

Berufl. Sozialisation erschwert (1) Berufliche Erfahrung (2) Kann Auto fahren (2)

aBerücksichtigt wurden Argumentationen, die sich auf Bewerber bis zu einem Alter von 25 Jahren bezogen haben. Die Betriebe haben vereinzeltauch 30-jährige und ältere Bewerber problematisiert, welche die hier interessierende Problemgruppe nicht mehr angemessen repräsentieren

‚Reife‘ für gelingende Kunden- bzw. Patientenbeziehungenin der projektförmigen Welt. Die Netzwerkkonvention die-ser Welt strukturiert auch die innerbetrieblichen Sozialbe-ziehungen von Arbeitsorganisationen, die keine konstanteBetreuung eines Auszubildenden anbieten, und in denen dasAlter in der Selektion u.a. als Indikator für eine gelingendeSozialintegration und Führbarkeit gewertet wird.

5.2 Betriebliche Präferenzen zu Ungunsten von als zu altgeltenden Bewerbern

Wie sich die 48 Stellungnahmen zur Beurteilung von ‚älte-ren‘ Bewerbern auf die Branchen verteilen und wie oft sol-che Personen in den untersuchten Selektionsprozessen alsnegativ beurteilt wurden, gibt Tab. 2 wieder. Sie gibt zudemeinen Überblick über die wichtigsten Argumente, die gegensowie für ‚ältere‘ Bewerber bei der Ausbildungsstellenver-gabe vorgebracht wurden.

Der Tab. 2 ist zu entnehmen, dass ‚ältere‘ Bewerberinnenin fast der Hälfte der untersuchten Betriebe (in 22 von 48Betrieben) eingeschränkte Chancen auf einen Ausbildungs-platz haben, insbesondere aber in den untersuchten Arzt-und Zahnarztpraxen. Das Autogewerbe zeigt sich ihnen ge-genüber dagegen offener. Als branchenübergreifendes Argu-ment gegen die Einstellung ‚älterer‘ Bewerber erweist sichdie betriebliche Sozialintegration, die bei ihnen in Frage ge-stellt wird. Befürchtet wird zudem, dass sie ihre Ausbildungabbrechen könnten.

‚Ältere‘ Auszubildende könnten die bewährte formaleHierarchie eines Ausbildungsverhältnisses in Frage stellen,denn in der häuslichen Welt eines Betriebs legitimiert sichdie Autorität des Ausbilders qua Alter. So hatte man sichin einer Arztpraxis [1] angesichts der Bewerbung einer über20-Jährigen, „die fast gleich alt“ wie die Ausbilderin war,gefragt, ob sich eine solche Person von Letzterer noch „et-was sagen lässt“. Ein Zahnarzt [19] gab als „gewisse Reiz-schwelle“ ein Alter von „über zwanzig“ bei Lehrbeginn an,

da es problematisch werde, „sobald die Ausbilderinnen jün-ger sind“ als die Auszubildenden. Der Inhaber einer Auto-garage [40] vertrat die Meinung, dass ein Auszubildenderdie Ausbildung mit fünfundzwanzig abgeschlossen (und so-mit spätestens mit 22 Jahren begonnen) haben sollte. Da-mit sei die Bedingung am ehesten gegeben, „dass jemandden Faden zu mir [dem vorgesetzten Automechaniker] fin-det“. In einem Karrosseriewerk [60] wurde schließlich aufdem Hintergrund einer negativen betrieblichen Erfahrungdie Frage des Alters mit dem Geschlecht einer ehemaligenAuszubildenden verknüpft. Der Personalchef argumentier-te, dass dieses „Mädchen, das wir angestellt hatten als Lehr-ling Autolackierer“ mit achtzehn Jahren „sicher schon mehrLebenserfahrung“ als „ein Sechzehnjähriger“ mitgebrachthabe. Nachdem es mit der jungen Frau während der Aus-bildung nach wiederkehrenden Problemen zu einem Disputkam („da sagte sie: ‚Entweder der Malerchef oder ich‘ “),wurde das Lehrverhältnis aufgelöst. Der Konflikt wurde mitdem Alter der Auszubildenden gedeutet: „Weil sie ebenschon achtzehn war, fand sie, dass sie nicht alles machenmüsse als Lehrling“ [60].

Solche die Unterordnung und Führbarkeit von Auszubil-denden betreffende Argumente gegen ältere Bewerber hebenfunktionierende vertikale Sozialbeziehungen in der häusli-chen Welt als Selektionskalkül hervor. Dagegen lassen an-derweitige Stellungnahmen auf die betriebliche Antizipationeiner erschwerten sozialen Passung ‚älterer‘ Auszubildenderin das horizontale Beziehungsgefüge der häuslichen Weltschließen. Eine Zahnärztin [22] befand, dass Personen, dienach der Schule „zu viele Sprachaufenthalte“ absolviert hät-ten und zu viel herumgereist seien, „wahrscheinlich schwie-riger zu integrieren“ seien und sich schwer ins Team einfü-gen ließen. Und der Geschäftsführer eines kleinen Internet-Dienstleisters [25] mit relativ junger Belegschaft („wir sindein relativ junges Team, wir sind im Durchschnittsalter etwafünfundzwanzig“) sprach sich gegen Bewerbungen aus „von

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Leuten, die älter sind als wir selbst“, da man nicht wisse, „obdas funktionieren würde“.

Einzelnen Stellungnahmen ist zu entnehmen, dass Perso-nalverantwortliche eine gelingende betriebliche Sozialinte-gration im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses in Fra-ge stellen, sobald die Bewerber von den Ausbildungsver-antwortlichen als erwachsen wahrgenommen werden. EineGemeindeverwaltung [27] stellte auf dem Hintergrund einernegativen Erfahrung mit einer ‚älteren‘ Auszubildenden nurnoch Abgänger des neunten oder zehnten Schuljahres ein:

„Wir haben einmal eine Ältere genommen, und dasging dermaßen in die Hose. Das geht nicht, die passtdann einfach auch nicht in dieses Lehrlingswesen hin-ein. Die ist abgehoben. Eigentlich ist sie Lehrling undtrotzdem schon erwachsen, oder ganz erwachsen, wieman das auch immer nennen will. Und davon sindwir abgekommen (. . . ). Sie war dann auch nicht in-tegriert (. . . ) (Gemeindeschreiber-Stellvertreter, kauf-männische Ausbildung).

Auch der Personalleiter einer zweiten Gemeindeverwaltung[28] war es gewohnt, „junge Lehrlinge auszubilden“, under konnte sich ein Ausbildungsverhältnis schwer vorstellen,„wenn es eine erwachsene Person wäre“. Denn das sei „so-fort wieder ein anderes Verhältnis“, das „wahrscheinlich dasZwischenmenschliche (. . . ) ein wenig etwas ändern“ wür-de. Der Besitzer einer Autogarage [42] vermutete in diesemZusammenhang eher Probleme bei Frauen als bei Männern.Während er sich flexibel zeigen würde, „wenn ein Dreißig-jähriger kommt und eine Lehre machen will“, hat er die obe-re Altersgrenze bei den Frauen bei „neunzehn“ festgesetzt.Auf dem Hintergrund der Überzeugung, dass „Mädchen na-türlich einfach reifer (sind) als die Jungen“ – eine erfah-rungsbasierte Annahme, die auch in manchen anderen Be-trieben geteilt wird – begründete er seine geschlechterspe-zifischen Altersbegrenzungen mit dem Argument: „So einachtzehnjähriges Mädchen ist eine Frau. Ein achtzehnjähri-ger Junge ist noch ein Bub“. Damit bezieht er sich auf die fa-milienweltliche Konvention eines Ausbildungsbetriebs, wo-nach Auszubildende als Kinder zu gelten haben. Nur sielassen es in der häuslichen Welt eines Betriebs zu, durcherwachsene Ausbilder beruflich und betrieblich geformt zuwerden.

Neben der Infragestellung der vertikalen und horizonta-len Sozialintegration im Ausbildungsbetrieb wurde von ei-nigen Betrieben auch vermutet, dass bei ‚älteren‘ Auszu-bildenden ein erhöhtes Lehrabbruchrisiko vorliegen könnte,womit ihr betrieblicher Gewinn in der Welt des Marktes inFrage steht. ‚Ältere‘ Bewerber werden manchmal mit ehe-maligen Lehrabbrechern gleichgesetzt: „Wenn ja eine mitzwanzig so etwas anfängt, hat sie vorher schon etwa ei-ne zwei [Ausbildungen] abgebrochen. Das ist nicht ein gu-tes Argument, damit wir sie nehmen“ (Zahnarztpraxis [19]).

Der Zahnarzt antizipiert bei einer solchen Person, „dass sieetwas, wenn etwas nicht gerade läuft, nicht fertig macht“.Auch der Geschäftsführer einer Autolackiererei [58] setzteeinen ‚älteren‘ Bewerber mit einem Lehrabbrecher gleich,mit einer Person, „die den Bettel einfach zu schnell hin-schmeißt“, die zu schnell aufgibt, und zu wenig „Biss“ ha-be, um „diese drei Jährchen“ durchzuziehen. Deshalb neh-me man „lieber einen Jüngeren, der das [den Lackiererbe-ruf] gerade von Anfang an lernt. (. . . ) Und ich sage jetzteinmal, der Schnitt ist zwischen siebzehn achtzehn, so be-ginnen sie bei uns“. Der Ausbilder einer Autogarage mitLackiererei [55] wurde „nach oben, so ab zweiundzwanzig[Jahren] schon stutzig“. Er befürchtete, dass die Lehre ab-gebrochen werden könnte, weil ein solcher Bewerber „nochnicht weiß, was er überhaupt will“. Vergleichbar argumen-tierte ein Zahnarzt [20], indem er seine Präferenz für einejunge Auszubildende betonte, „die eigentlich einen gradlini-gen Weg gemacht hat, und bald weiß, was sie will“. Deshalbwürden Bewerbungen von 19- bis 20-Jährigen „und dar-über“ wieder zurückgeschickt. In einer Arztpraxis [4] wurdeeine ‚ältere‘ Bewerberin vom leitenden Arzt als „nicht mehrformbar“ eingestuft. „Zu viel Frust (. . . ) und zu viel Kon-fliktstoff“ könnten in einem solchen Fall in einem Lehrab-bruch resultieren und ein „gutes Kosten-Nutzenverhältnis“der Ausbildung in Frage stellen.

Vorbehalte in der häuslichen Welt (insbesondere hin-sichtlich sozialer Passung und Führbarkeit) sowie antizipier-te Ausbildungsabbrüche in der Welt des Marktes motivierenAusbildungsbetriebe dazu, bei der Ausbildungsplatzverga-be ‚jüngere‘ Bewerber zu bevorzugen. Es gibt aber auch Be-triebe, die ‚ältere‘ Bewerber bewusst berücksichtigen. In derindustriellen Welt wird etwa deren berufliche Erfahrung undMotivation gewürdigt [17; 21; 48; 50], sowie – im Auto-gewerbe – der Sachverhalt, dass volljährige AuszubildendeAuto fahren könnten, wovon die Garagenbetriebe profitieren[38; 44]. Mehrere Betriebe werten zudem eine wohlüber-legte späte Berufsorientierung als positiv [25; 37; 48; 51]und drei Autolackierer [46; 49; 57] äußerten vor dem Hin-tergrund ihrer eigenen verzögerten AusbildungsbiographieVerständnis für ‚ältere‘ Bewerber. Zwei Betriebe [36; 49]begründen die Berücksichtigung ‚älterer‘ Bewerber schließ-lich mit dem sozialen Engagement des Betriebs, also un-ter Bezugnahme auf die staatsbürgerliche Konvention. DasAufrufen dieser Konvention ermöglicht jedoch keine kla-re Vorhersage des Selektionsentscheids von Betrieben. Soplädierte der Leiter eines Karrosseriewerks [52] unter Beru-fung auf die gleiche Konvention für die Bevorzugung jün-gerer Kandidaten: „Weil die Schulabgänger, (. . . ) die ha-ben die erste Chance, weil derjenige, der eine (Ausbildung)abbricht, der nimmt jemandem die Chance weg, einzustei-gen“. Mit der staatsbürgerlichen Konvention wurde zudemin den Verwaltungsabteilungen zweier Produktionsbetrieben[26; 29] gegen ‚ältere‘ Bewerber argumentiert, die sich für

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eine Zweitausbildung beworben hatten. Diese Betriebe woll-ten lieber jüngeren Jugendlichen eine Chance zur Erstausbil-dung geben.

6 Konklusion

Im vorliegenden Artikel wurde untersucht, ob und wes-halb Ausbildungsbetriebe das Alter von Bewerbern um eineAusbildungsstelle als Selektionskriterium verwenden. Da-bei interessierte, auf welche Konventionen der Arbeit – imSinne zentraler Beziehungs- und Koordinationsprinzipienvon Arbeits- und Ausbildungsorganisationen – sich Ausbil-dungsbetriebe beziehen, um aus Altersangaben in Bewer-bungsdossiers auf ausbildungsrelevante Qualitäten von Be-werbern zu schließen und damit das Alter als Selektionskri-terium zu rechtfertigen.

Die Rechtfertigungsreden der Selektionsverantwortli-chen haben gezeigt, dass die untersuchten Ausbildungsbe-triebe des Kleingewerbes mehrheitlich Bewerber befürwor-ten, die nicht direkt von der Schule abgegangen sind, son-dern in der Regel ein Jahr im Übergangssystem verbrachthaben. Trotz dieser Präferenz für ‚ältere‘ Bewerber hat sicheine beachtliche Minderheit der Betriebe gegen Bewerberausgesprochen, die ein bestimmtes Alter bereits überschrit-ten haben (im untersuchten Schweizer Kontext handelt essich oft um Personen, die älter als 19-jährig sind). Da-bei zeigen sich auffällige Branchenunterschiede: Für dieuntersuchten Arzt- und Zahnarztpraxen des persönlichenDienstleistungsgewerbes konnte eine ausgeprägte Ableh-nung von ‚zu jungen‘ und ‚zu alten‘ Auszubildenden belegtwerden. Im Vergleich dazu besetzt das Gewerbe der Au-toreparaturbetriebe seine Ausbildungsplätze altersheteroge-ner.

Bei der inhaltlichen Begründung des Alters als Aus-wahlkriterium von Auszubildenden rechtfertigen die Betrie-be die Durchsetzung von unteren und oberen Altersgren-zen mit Bezugnahme auf spezifische Konventionen der Ar-beit. Jugendlichen, die nicht schon mit sechzehn, dem ge-setzlichen Mindestalter, eine Lehre beginnen, sondern einbis zwei Jahre später, gelten aus Sicht mancher Betriebeals ‚reifer‘. Mit ‚Reife‘ assoziieren die Ausbildungsverant-wortlichen mit Bezug auf die Netzwerkkonvention Qualitä-ten, die insbesondere der projektförmigen Welt ihrer Betrie-be zugute kommen. ‚Reif‘ sind demnach Jugendliche, diees verstehen, sich flexibel und kontaktfreudig auf Patienten-und Kundenbeziehungen einzulassen sowie jene, die unterarbeitsorganisatorischen Bedingungen, die keine konstanteAnleitung und Betreuung ermöglichen, genügend Selbstor-ganisation bei gleichzeitiger ‚Führbarkeit‘ versprechen. DieBedeutung des Alters für die projektförmige Welt von Aus-bildungsbetrieben wurde insbesondere in den untersuchten

Arzt- und Zahnarztpraxen sowie in den kaufmännischen Ab-teilungen deutlich. Dagegen gab es in den Reparaturbetrie-ben des Autogewerbes kaum Hinweise auf die Selektionsre-levanz der Netzwerkkonvention im Zusammenhang mit demAlter.

Die betrieblichen Rechtfertigungen gegen eine Anstel-lung ‚älterer‘ Lehrstellensuchender beziehen sich dagegenauf zwei andere Konventionen der Arbeit. Die untersuchtenBetriebe äußerten teilweise Vorbehalte gegenüber ‚älteren‘Auszubildenden, weil diese als schwer integrier- und führ-bar gelten. Es wird befürchtet, dass ihre Sozialintegration inder häuslichen Welt der Betriebe misslingen könnte (häusli-che Konvention). Dies kommt auch in einer anekdotischenStellungnahme eines deutschen Geschäftsführers bei Erniund Fleischmann (2006) zum Ausdruck, wonach Betriebean ‚älteren‘ Bewerbern kritisieren würden, dass sich diesenicht mehr ‚formen‘ ließen. ‚Ältere‘ Personen auf Ausbil-dungsstellensuche stehen zudem im Verdacht, dass sie dieAusbildung nicht durchhalten könnten. Betriebe unterstellenihnen mit Bezugnahme auf die Marktkonvention ein erhöh-tes Risiko des Ausbildungsabbruchs mit betrieblichen Fol-gekosten. Beide Rechtfertigungsmodi lassen sich in den un-tersuchten Kleinbetrieben branchenübergreifend rekonstru-ieren.

Während das Alter von Ausbildungsstellensuchendenvor dem Hintergrund der häuslichen und der marktwirt-schaftlichen Konvention sowie der Netzwerkkonvention ei-ne grundlegende Bedeutung bei der Sortierung von Be-werbungsunterlagen erhält, erweisen sich die Auswirkun-gen der industriellen und der staatsbürgerlichen Kon-vention als weniger systematisch. Generell fällt die ehermoderate Relevanz des Alters in der industriellen Weltvon Ausbildungsbetrieben auf. Offenbar spielt das Alterfür einen effizienten und planbaren Einsatz der Auszu-bildenden im betrieblichen Produktionsprozess eine nach-rangige Rolle. Leistungswille, Pünktlichkeit und ander-weitige für diese Welt charakteristische Arbeitstugendenscheinen weniger als eine Frage des Alters wahrgenom-men zu werden. Die Konvention der staatsbürgerlichenWelt schließlich, die eine Vermeidung von Benachteili-gung bei der Ausbildungsplatzvergabe impliziert, wird vonden Betrieben flexibel gehandhabt, um sowohl den Ein-als auch den Ausschluss von als zu jung oder als zualt geltenden Bewerbern zu rechtfertigen. Einigen Betrie-ben ist es wichtig, dass ‚jüngeren‘ Bewerbern keine Aus-bildungsstellen streitig gemacht werden; andere wieder-um sind bestrebt, ‚älteren‘ Bewerberinnen eine Chance zugeben.

Die aufgezeigten Befunde beruhen auf Daten zu mehr-heitlich kleinen Ausbildungsbetrieben ausgewählter Bran-chen. Ob die aufgezeigte Relevanz des Alters auch bei derVergabe von Ausbildungsplätzen in Großbetrieben oder inanderen Branchen zum Tragen kommt, müsste gesondert

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untersucht werden. Insbesondere die Bedeutung des Altersfür die Ausbildungsplatzvergabe in der Großindustrie, diefür den deutschen Ausbildungsmarkt bedeutsamer ist als fürden schweizerischen, kann hier nicht beurteilt werden. Esgibt aber Hinweise, dass neben Ausbildungsverbünden (Im-dorf und Leemann 2011) auch Großbetriebe flexible Aus-zubildende präferieren (Grob 2004), womit sich die Netz-werkkonvention in diesen Betrieben als bedeutsam erweisenkönnte.

Abschließend soll das Potential des konventionentheore-tischen Interpretationsrahmens für das Verständnis der Aus-bildungsstellenvergabe beurteilt werden. Die Soziologie derKonventionen erlaubt es, die Komplexität von Personalaus-wahlprozessen angemessen zu erfassen. Sie vermag wesent-liche betriebliche Motive und Normen der Selektion zu spe-zifizieren und stellt damit vorerst einen ertragreichen heu-ristischen Rahmen für die Sortierung und Interpretation desInterviewmaterials zur Verfügung. Durch die Hervorhebungunterschiedlicher betrieblicher Koordinationsprinzipien er-möglicht der Ansatz eine konsequente Theoretisierung derPersonalselektion aus Sicht der Betriebe. Konventionen ver-weisen somit auf unterschiedliche betriebliche Motive hin-ter der Verwertung von Altersangaben im Selektionsprozess.Somit lassen sich altersspezifische Übergangsprobleme indie Ausbildung konsequent aus der Perspektive der Ausbil-dungsbetriebe verstehen.

Die heuristische Natur des verwendeten Ansatzes hataber auch ihre Grenzen. Bei den propagierten multiplenWelten, die Arbeits- und Ausbildungsorganisationen kon-stituieren, handelt es sich um komplexe soziale Konstruk-te. Sie sind Ausdruck diachroner und lokaler Wirklichkeits-konstruktionen betrieblicher Akteure und als solche nichteinfach zu messen. Um von einem heuristischen Modell zueiner Theorie der Personalselektion zu gelangen, sollte dasModell aber auch einer quantitativen Überprüfung standhal-ten. Erforderlich wären daher angemessene Indikatoren fürdie verschiedenen ‚Welten‘ und deren Konventionen. Ver-schiedene Organisationstypen (Klein- und Großbetriebe un-terschiedlicher Branchen, Verbundbetriebe, außerbetriebli-che Ausbildungsstätten etc.) ließen sich sodann nach denzentralen Konventionen ihrer Koordination klassifizieren.Dies würde die Untersuchung von Konventionen der Aus-bildungsplatzvergabe ermöglichen, die in besonderem Maßzu einer Diskriminierung nach Alter und anderen askripti-ven Merkmalen führen.

Damit ist eine theoretische Stärke der Soziologie derKonventionen angesprochen: Sie erlaubt es, Organisationenunter Berücksichtigung ihrer sozialen Existenzbedingungenzu konzipieren. Damit ist sie in der Lage, Phänomene, diealltagssprachlich als Diskriminierung bei der Stellenverga-be bezeichnet werden, aus betrieblicher Perspektive ange-messen zu verstehen (vgl. ausführlich Imdorf 2010a). Ge-

meinhin wird von Diskriminierung bei der Stellenvergabegesprochen, wenn ein Arbeits- oder Ausbildungsplatz auf-grund askriptiver Merkmale wie Geschlecht, Nationalitätoder Alter und nicht aufgrund der Leistungsfähigkeit einerPerson vergeben wird. Dabei bleibt meist ungeklärt, was un-ter Leistungsfähigkeit konkret zu verstehen ist. In der Regelbezieht sich der Leistungsdiskurs aber implizit auf die Leis-tungsanforderungen der industriellen Welt einer Arbeitsor-ganisation. Eine auf diese Welt bezogene Leistungsgerech-tigkeit ist dann nicht mehr gegeben, sobald sich bei derStellenvergabe die Konventionen und die darauf gründenden(Verhaltens-) Erwartungen anderweitiger ‚Welten‘ durch-setzen, also die betrieblichen Kalküle von Sozialintegrati-on, Kundenbindung und risikoarmer Ausbildungsinvestiti-on. Die vorliegenden Befunde belegen, dass Ausbildungs-betriebe das Bewerbermerkmal Alter primär als Indikatorim Hinblick auf diese drei Kalküle nutzen, und nur nach-rangig als Erwartungswert für die ‚industrielle‘ Leistungs-fähigkeit. Altersdiskriminierung ist damit nicht die Folgeeiner (unzulässigen) askriptiven Leistungszuschreibung inder industriellen Welt. Sie ist vielmehr das Resultat vonZuschreibungsprozessen in der häuslichen, projekt- odermarkförmigen Welt von Arbeits- und Ausbildungsorganis-ationen.

Wie folgenreich die präsentierten betrieblichen Diskrimi-nierungsprozesse im Hinblick auf die Ausbildungschancenvon als zu jung oder als zu alt geltenden Ausbildungsstel-lenbewerbern tatsächlich sind, kann die vorliegende Stu-die allerdings nicht beantworten. Dazu sind Bewerberex-perimente (Pager 2007; Riach und Rich 2007) erforder-lich, mit denen Betriebe, die Ausbildungsstellen anbie-ten, quantitativ auf Altersdiskriminierung getestet werdenkönnen.

Kurzfassung

Zwei konträre Sachverhalte prägen gegenwärtig die Pro-blematisierung des Alters beim Eintritt in die duale Be-rufsausbildung: Einerseits stellen Ausbildungsbetriebe zu-nehmend ältere Auszubildende ein, andererseits erhaltenzu alte Bewerber Probleme, überhaupt noch einen Ausbil-dungsplatz zu finden. Die vorliegende Studie fragt nachden betrieblichen Beweggründen, bei der Auswahl von Aus-zubildenden die untere Altersgrenze nicht zu tief zu hal-ten und gleichzeitig eine obere Altersgrenze durchzuset-zen.

Mit Bezugnahme auf die französische Soziologie derKonventionen und einem daran orientierten Modell der Per-sonalselektion wurde untersucht, ob und weshalb Ausbil-dungsbetriebe das Alter von Bewerbern um eine Ausbil-dungsstelle als Selektionskriterium verwenden. Die Sozio-

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logie der Konventionen erlaubt es, die Komplexität vonPersonalauswahlprozessen angemessen zu erfassen. Durchdie Hervorhebung unterschiedlicher betrieblicher Koordi-nationsprinzipien ermöglicht der Ansatz eine konsequenteTheoretisierung der Personalselektion aus Sicht der Betrie-be. Dabei interessierte, auf welche Konventionen der Arbeit– im Sinne zentraler Beziehungs- und Koordinationsprin-zipien von Arbeits- und Ausbildungsorganisationen – sichAusbildungsbetriebe beziehen, um aus Altersangaben in Be-werbungsdossiers auf ausbildungsrelevante Qualitäten vonBewerbern zu schließen und damit das Alter als Selektions-kriterium zu rechtfertigen. Zur Klärung der Forschungsfra-ge wurden Experteninterviews mit Ausbildungsverantwort-lichen aus 60 Deutschschweizer Kleinbetrieben argumenta-tionsanalytisch ausgewertet.

Die analysierten Rechtfertigungsreden der Selektionsver-antwortlichen haben gezeigt, dass die untersuchten Aus-bildungsbetriebe des Kleingewerbes mehrheitlich Bewerberbefürworten, die nicht direkt von der Schule abgegangensind, sondern in der Regel ein Jahr im Übergangssystemverbracht haben. Trotz dieser Präferenz für ‚ältere‘ Bewer-ber hat sich eine beachtliche Minderheit der Betriebe gegenBewerber ausgesprochen, die ein bestimmtes Alter bereitsüberschritten haben. Dabei zeigen sich auffällige Branchen-unterschiede: Für die untersuchten Arzt- und Zahnarztpra-xen des persönlichen Dienstleistungsgewerbes konnte eineausgeprägte Ablehnung von ,zu jungen’ und ,zu alten’ Aus-zubildenden belegt werden. Im Vergleich dazu besetzt dasGewerbe der Autoreparaturbetriebe seine Ausbildungsplät-ze altersheterogener.

Bei der inhaltlichen Begründung des Alters als Aus-wahlkriterium von Auszubildenden rechtfertigen die Betrie-be die Durchsetzung von unteren und oberen Altersgren-zen mit Bezugnahme auf spezifische Konventionen der Ar-beit. Jugendlichen, die nicht schon mit sechzehn, dem ge-setzlichen Mindestalter, eine Lehre beginnen, sondern einbis zwei Jahre später, gelten aus Sicht mancher Betriebeals ,reifer’. Mit ,Reife’ assoziieren die Ausbildungsverant-wortlichen mit Bezug auf die Netzwerkkonvention Qualitä-ten, die insbesondere der projektförmigen Welt ihrer Betrie-be zugute kommen. ,Reif’ sind demnach Jugendliche, diees verstehen, sich flexibel und kontaktfreudig auf Patienten-und Kundenbeziehungen einzulassen sowie jene, die unterarbeitsorganisatorischen Bedingungen, die keine konstanteAnleitung und Betreuung ermöglichen, genügend Selbstor-ganisation bei gleichzeitiger ,Führbarkeit’ versprechen. DieBedeutung des Alters für die projektförmige Welt von Aus-bildungsbetrieben wurde insbesondere in den untersuchtenArzt- und Zahnarztpraxen sowie in den kaufmännischen Ab-teilungen deutlich. Dagegen gab es in den Reparaturbetrie-ben des Autogewerbes kaum Hinweise auf die Selektionsre-levanz der Netzwerkkonvention im Zusammenhang mit demAlter.

Die betrieblichen Rechtfertigungen gegen eine Anstel-lung ,älterer’ Lehrstellensuchender beziehen sich dagegenauf zwei andere Konventionen der Arbeit. Die untersuch-ten Betriebe äußerten teilweise Vorbehalte gegenüber ,älte-ren’ Auszubildenden, weil diese als schwer integrier- undführbar gelten. Es wird befürchtet, dass ihre Sozialintegra-tion in der häuslichen Welt der Betriebe misslingen könnte(häusliche Konvention). ,Ältere’ Personen auf Ausbildungs-stellensuche stehen zudem im Verdacht, dass sie die Aus-bildung nicht durchhalten könnten. Betriebe unterstellen ih-nen mit Bezugnahme auf die Marktkonvention ein erhöh-tes Risiko des Ausbildungsabbruchs mit betrieblichen Fol-gekosten. Beide Rechtfertigungsmodi lassen sich in den un-tersuchten Kleinbetrieben branchenübergreifend rekonstru-ieren.

Während das Alter von Ausbildungsstellensuchenden vordem Hintergrund der häuslichen und der marktwirtschaftli-chen Konvention sowie der Netzwerkkonvention eine grund-legende Bedeutung bei der Sortierung von Bewerbungsun-terlagen erhält, erweisen sich die Auswirkungen der indus-triellen und der staatsbürgerlichen Konvention als wenigersystematisch. Generell fällt die eher moderate Relevanz desAlters in der industriellen Welt von Ausbildungsbetriebenauf. Offenbar spielt das Alter für einen effizienten und plan-baren Einsatz der Auszubildenden im betrieblichen Produk-tionsprozess eine nachrangige Rolle. Leistungswille, Pünkt-lichkeit und anderweitige für diese Welt charakteristischeArbeitstugenden scheinen weniger als eine Frage des Al-ters wahrgenommen zu werden. Die Konvention der staats-bürgerlichen Welt schließlich, die eine Vermeidung von Be-nachteiligung bei der Ausbildungsplatzvergabe impliziert,wird von den Betrieben flexibel gehandhabt, um sowohl denEin- als auch den Ausschluss von als zu jung oder als zualt geltenden Bewerbern zu rechtfertigen. Einigen Betrie-ben ist es wichtig, dass ‚jüngeren‘ Bewerbern keine Aus-bildungsstellen streitig gemacht werden; andere wiederumsind bestrebt, ‚älteren‘ Bewerberinnen eine Chance zu ge-ben.

Die Soziologie der Konventionen hat es erlaubt, Arbeits-organisationen unter Berücksichtigung ihrer sozialen Exis-tenzbedingungen zu konzipieren. Damit ist sie in der Lage,Phänomene, die alltagssprachlich als Diskriminierung beider Stellenvergabe bezeichnet werden, aus betrieblicher Per-spektive angemessen zu verstehen. Die rekonstruierte Al-tersdiskriminierung bei der betrieblichen Ausbildungsstel-lenvergabe lässt darauf schließen, dass sowohl der verzöger-te Eintritt von Schulabgängern in Ausbildung als auch dieProbleme älterer Bewerber bei der Lehrstellensuche durchmultiple betriebliche Koordinationsanforderungen mitbe-dingt sind.

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Executive summary

Two contrary effects determine how age influences accessto apprenticeships: on the one hand, training companies in-creasingly hire older apprentices. On the other hand appli-cants who are too old, face difficulty in finding any appren-ticeship place at all. The paper investigates the selectingcompanies’ motives in setting both the upper and lower agelimits for new recruits using a conceptual framework drawnfrom the French sociology of conventions.

The sociology of conventions allows the analysis to cap-ture the complexity of firms’ personnel selection processes.By highlighting different principles of coordination of thefirm this approach permits a comprehensive theorizing ofrecruitment and selection from the perspective of the firm.Of special interest are the conventions of work and train-ing: the network convention, the domestic convention, themarket convention, the industrial convention and the civicconvention. These conventions are understood as the cen-tral principles of social relations and coordination in workand training organisations. Companies refer to them whenthey infer training relevant qualities of candidates fromage information provided in their application documents.To investigate the research question, expert interviews withpersonnel managers in 60 small businesses from German-speaking Switzerland were interpreted using argument anal-ysis.

The justifications provided by the personnel managersshow that most of the analysed small and medium sizedtraining companies favour applicants who have not directlyleft school, but have usually spent one year in some kind oftiding-over arrangement. Despite this preference for ‘older’candidates a significant minority of companies turns downapplicants who have already reached a certain age. Thereare striking sectoral differences: the medical and dental pri-vate surgeries investigated in the research rejected both ‘tooyoung’ and ’too old’ apprentices. In contrast, the sector ofauto repair shops filled their apprenticeship places moreheterogeneously with respect to the age of their appren-tices.

Companies, which enforce a lower or upper age limitto select apprentices, justify the use of age as a criterionwith reference to specific conventions of work. Young peo-ple who do not start their apprenticeship at the legal age ofsixteen, but one or two years later, are considered more ma-ture (reif ) in the eyes of some companies. Referring to thenetwork convention, the training managers associate ’matu-rity’ with networking qualities. Young people are consideredmature if they know how to deal with patients and clients ina flexible and sociable way. Young people are furthermoreperceived as mature, when they are self-organized enoughto work without constant guidance and individual supportbut are still young enough to be directed. The importance

of age based on the network convention of training compa-nies was particularly apparent in the examined medical anddental surgeries, as well as in the commercial departmentsof training companies. By contrast, there was little evidencefor the importance of this convention in the car repair indus-try in relation to the age of apprentices.

Personnel managers justify not hiring ‘older apprentices’in terms of two different conventions of work. First, theyconsidered that ’older students’ were both difficult to inte-grate and to manage in the work place. The training man-agers fear that their social integration may fail in the domes-tic sphere of the companies (domestic convention). Secondpersonnel managers suspect ,too-old’ people who are look-ing for an apprenticeship of not being able to keep up withthe training. Referring to the market convention some com-panies ascribe an increased risk of training dropout to ‘olderyouth’ with consequential costs to the firm. Both modes ofjustification can be reconstructed across different industriesin the small businesses under investigation.

It is through the network convention, the domestic con-vention and the market convention that we see the impor-tance of age as selection criterion for apprenticeships. Otherconventions of work contribute less to age discrimination inthe hiring of apprentices. Especially the industrial and thecivic convention prove to be of less systematic significance.The relevance of age is considered to be only moderate intraining companies when it comes to their ‘industrial mode’of coordination (industrial convention). Apparently age ofapplicants is not a reliable predictor of efficient and con-sistent input at work. Candidates’ will to work, punctual-ity and other perceived work virtues seem to be weighedirrespective of age. The civic convention, finally, which im-plies equal treatment in hiring, is handled flexibly to justifyboth the inclusion and the exclusion of applicants considered‘too-young’ or ‘too-old’ respectively. Whereas some com-panies are concerned that ‘young applicants’ should get achance to start an apprenticeship, others rather aim to inte-grate ‘older applicants’.

The sociology of conventions allows for theoreticallyconstructing work organizations by taking into account thesocial conditions of their reproduction. The approach en-ables us to understand from a company’s perspective phe-nomena that are colloquially referred to as discrimination injob assignment. The paper concludes that both the schoolleavers’ delayed start of training as well as the problemsfaced by older job applicants to access apprenticeships arein part caused by training companies and their multiple re-quirements for social coordination.

Danksagung Der Autor bedankt sich herzlich bei Dirk Verdicchiofür das hilfreiche inhaltliche und sprachliche Lektorat sowie bei zweianonymen Gutachtern und der Herausgeberschaft für die äußerst kon-struktive Kritik einer früheren Version des vorliegenden Artikels.

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Anhang

Tab. 3 Untersuchte Betriebe nach Art, Anzahl Mitarbeiter, Ausbildungsberuf, und Anzahl Bewerbungen

[Nr.]Betrieb

Betriebsart AnzahlMitarbeiter

Ausbildungsberuf(offene Lehrstelle)

AnzahlBewerbungena

1 Arztpraxis 11–20 Medizinische/r Praxisassistent/in 41–60

2 Arztpraxis 1–10 Medizinische/r Praxisassistent/in –

3 Arztpraxis 1–10 Medizinische/r Praxisassistent/in 41–60

4 Arztpraxis 1–10 Medizinische/r Praxisassistent/in 26–40

5 Arztpraxis 1–10 Medizinische/r Praxisassistent/in 16–25

6 Klinik 21–50 Medizinische/r Praxisassistent/in 101–150

7 Arztpraxis 1–10 Medizinische/r Praxisassistent/in 26–40

8 Kinderarztpraxis 1–10 Medizinische/r Praxisassistent/in 26–40

9 Arztpraxis 1–10 Medizinische/r Praxisassistent/in 26–40

10 Arztpraxis 1–10 Medizinische/r Praxisassistent/in 101–150

11 Zahnarztpraxis 1–10 Dentalassistent/in –

12 Zahnarztpraxis 21–50 Dentalassistent/in –

13 Zahnklinik 21–50 Dentalassistent/in –

14 Zahnarztpraxis 1–10 Dentalassistent/in 7–15

15 Zahnarztpraxis 1–10 Dentalassistent/in 11–15

16 Zahnarztpraxis 11–20 Dentalassistent/in 26–40

17 Zahnarztpraxis 1–10 Dentalassistent/in 41–60

18 Zahnarztpraxis 11–20 Dentalassistent/in 41–60

19 Zahnarztpraxis 11–20 Dentalassistent/in 26–40

20 Zahnarztpraxis 11–20 Dentalassistent/in 41–60

21 Zahnarztpraxis 21–50 Dentalassistent/in 16–25

22 Zahnarztpraxis 1–10 Dentalassistent/in 101–150

23 KMU Landwirtschaft 101–250 Kauffrau/Kaufmann 61–100

24 KMU Kunststoffindustrie 51–100 Kauffrau/Kaufmann 61–100

25 KMU Internet-Lösungen 1–10 Kauffrau/Kaufmann 26–40

26 KMU Schmierstoffhersteller 101–250 Kauffrau/Kaufmann 16–25

27 Gemeindeverwaltung 21–50 Kauffrau/Kaufmann 26–40

28 Gemeindeverwaltung 11–20 Kauffrau/Kaufmann 16–25

29 KMU Verpackungsindustrie 101–250 Kauffrau/Kaufmann 41–60

30 Ausbildungsverbund 21–50 Kauffrau/Kaufmann >150

31 spezielle Ausbildungsfirma 101–250 Büroassistent/in –

32 Kranken- u. Pflegheim 251–500 Kauffrau/Kaufmann 26–40

33 KMU Fensterbau 21–50 Büroassistent/in 41–60

34 KMU Medienvertrieb 1–10 Kauffrau/Kaufmann 61–100

35 Pensionskasse 51–100 Kauffrau/Kaufmann 61–100

36 Kirchenverwaltung 11–20 Kauffrau/Kaufmann 16–25

37 Autogarage 21–50 Automonteur/-mechaniker/in 41–60

38 Autogarage 11–20 Automonteur/-mechaniker/in 16–25

39 Autogarage 51–100 Automechaniker/in 61–100

40 Autogarage 1–10 Automonteur/in 0–6

41 Autogarage 11–20 Automechaniker/in 7–15

42 Autogarage 1–10 Automonteur/in 41–60

43 Autogarage 51–100 Automonteur/-mechaniker/in >150

44 Autogarage 1–10 Automonteur/in 101–150

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Zu jung oder zu alt für eine Lehre? Altersdiskriminierung bei der Ausbildungsplatzvergabe 97

Tab. 3 (Fortsetzung)

[Nr.]Betrieb

Betriebsart AnzahlMitarbeiter

Ausbildungsberuf(offene Lehrstelle)

AnzahlBewerbungena

45 Autogarage 11–20 Automonteur/-mechaniker/in –

46 Karrosseriewerk 1–10 Autolackierer/in –

47 Karrosseriewerk 11–20 Autolackierer/in –

48 Autogarage 21–50 Autolackierer/in 16–25

49 Lackiererei 1–10 Autolackierer/in 7–15

50 Lackiererei 11–20 Autolackierer/in 41–60

51 Autogarage 51–100 Autolackierer/in 41–60

52 Karrosseriewerk 11–20 Autolackierer/in 101–150

53 Karrosseriewerk 11–20 Autolackierer/in 61–100

54 Autogarage 51–100 Autolackierer/in 61–100

55 Autogarage 101–250 Autolackierer/in 26–40

56 Karrosseriewerk 21–50 Autolackierer/in 41–60

57 Lackiererei 1–10 Autolackierer/in 0–6

58 Lackiererei 1–10 Autolackierer/in 26–40

59 Karrosseriewerk 11–20 Autolackierer/in 7–15

60 Karrosseriewerk 11–20 Autolackierer/in 7–15

aAnzahl Bewerbungen für die im Interview diskutierte Lehrstelle (vgl. Spalte Ausbildungsberuf)

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Christian Imdorf graduated from the University of Fribourg with asocial work major and a minor in special education in the year 2000.He received his Ph.D. in educational sciences as a member of the doc-torate program ‘Shifting Gender Culture’ at the Universities of Bernand Fribourg. His dissertation work focused on school qualificationsand vocational integration in Switzerland. From 2006 to 2009 he con-ducted postdoctoral studies at research facilities in Frankfurt, Aix-en-Provence and Glasgow. He joined the Institute of Sociology at the Uni-versity of Basel in 2010 where he holds a SNSF Professorships of theSwiss National Science Foundation (SNSF) since June 2011. His cur-rent research interests lie in the selection mechanisms of the educationsystem in general and of the vocational training system in particular.