Zukunftsfond: Pensionskassengelder für Start-ups

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Pensionskassengelder für Start-ups DIE SCHWEIZ IST IN VIELEN BEREICHEN TOP – ABER NICHT BEIM UNTERNEHMERGEIST. EIN ZUKUNFTSFONDS, DER DIE VERSORGUNG VON JUNGUNTERNEHMEN MIT WAGNISKAPITAL VERBES- SERN SOLL, WILL NUN ABHILFE SCHAFFEN. PUNKTmagazin DURCHSCHNITT 52 WIRTSCHAFT

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Pensionskassengelder für Start-ups

DIE SCHWEIZ IST IN

VIELEN BEREICHEN TOP –

ABER NICHT BEIM

UNTERNEHMERGEIST.

EIN ZUKUNFTSFONDS, DER

DIE VERSORGUNG VON

JUNGUNTERNEHMEN MIT

WAGNISKAPITAL VERBES-

SERN SOLL, WILL NUN

ABHILFE SCHAFFEN.

PUNKTmagazin DURCHSCHNITT

52

WIRTSCHAFT

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Text BARBARA KALHAMMER

Seit den 1990er-Jahren bewegt sich die Spar-

quote der Haushalte hierzulande zwischen

16 und 18 Prozent, die gesamtwirtschaftli-

che Sparquote beträgt gar über 30 Prozent des

Volkseinkommens. Diese Werte haben sich

auch in den letzten Jahren nur wenig verän-

dert – obwohl Ersparnisse wegen der tiefen

Zinsen kaum noch Renditen abwerfen. Das

Nullzinsumfeld betrifft vor allem Pensions-

kassen, die, seit die zweite Säule 1985 für ob-

ligatorisch erklärt wurde, mehr als 850 Mil-

liarden Franken angehäuft haben. Um keine

unnötigen Risiken einzugehen, werden die-

se Vermögen seit jeher konservativ angelegt:

Gemäss einer Studie der Credit Suisse beträgt

der Anteil der Obligationen rund 35 Pro-

zent, während Aktien 29 und Immobilien 17

Prozent ausmachen. Mit diesem Anlagemix

war es zwischen 2009 und 2012 möglich, ei-

ne durchschnittliche Jahresrendite von etwas

mehr als vier Prozent zu erzielen.

Doch nun stehen die Pensionskassen

vor einem Dilemma. «Die Aufhebung des Eu-

ro-Mindestkurses durch die SNB und die da-

mit einhergehenden Negativzinsen wirken

sich auch auf die Sparvermögen aus», schreibt

der Unternehmensarchitekt Roger Basler.

Vermögen schmelzen, statt Rendite abzuwer-

fen. Dies führt dazu, dass Pensionskassen

mittlerweile darüber nachdenken, einen Teil

des Geldes in Bar zu verwalten. Dieses Sicher-

heitsdenken ist zwar verständlich, hat jedoch

einen negativen Nebeneffekt: Statt dass das

Kapital investiert wird und zur Steigerung

der Wirtschaftsleistung beitragen kann, liegt

es nutzlos in Tresoren. «Die grossen Erspar-

nisse des Landes werden nicht mehr in direkt

produktive wertschöpfende Investitionen im

Land kanalisiert», bemängelt eine Studie der

Universität Basel.

Dabei gibt es zahlreiche Jungunter-

nehmen, die dieses Kapital gut gebrauchen

könnten. Die Schweiz mit ihren zahlrei-

chen weltweit tätigen Konzernen gilt zwar als

sehr wettbewerbsfähig, doch an Unterneh-

mergeist mangelt es: Nur gerade sieben Pro-

zent sind hierzulande unternehmerisch tä-

tig. Mitschuld an diesem Wert sind auch die

Schwierigkeiten bei der Finanzierung.

Mangelndes institutionelles Kapital

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr hier-

zulande nur gerade 457 Millionen Franken

in Start-ups investiert. Dabei spielt gemäss

Thomas Heimann von der Seca (Swiss Priva-

te Equity & Corporate Finance Association)

auch das Sicherheitsdenken der Pensionskas-

sen eine Rolle: «Grundsätzlich gibt es in Euro-

pa zu wenig institutionelles Kapital von Vor-

sorgeeinrichtungen oder Versicherungen für

Startups.» Gerade diese Investitionen hätten

für die Jungunternehmen den Vorteil, lang-

fristig und in substanziellem Umfang ver-

fügbar zu sein. Heimann bemängelt, dass oft

einseitig von Risiko gesprochen wird. Doch

wo Risiken sind, sind auch Chancen. Er gibt

zu bedenken, dass es Risiko per se nicht gibt,

sondern es davon abhängt, wie man damit

umgeht. Heute werden jedoch infolge behörd-

licher Reglementierung nur Anlagen mit ver-

meintlich geringerem Risiko getätigt.

Von den Finanzierungsphasen, die

ein junges Unternehmen durchläuft, ist die

erste Runde meist die einfachste: Es gibt

zahlreiche Preise und Wettbewerbe, die den

Start ermöglichen, oft helfen auch Freun-

de und Familie aus. «Doch sobald es um Fi-

nanzierungen zwischen zwei und zehn Mil-

lionen Franken geht, wird es kritisch», sagt

Heimann. In einer Studie der Jungunter-

nehmer-Plattform CTI Invest beklagen sich

acht von zehn Gründern in der Schweiz da-

rüber, dass die erforderlichen Gelder nur

schwer oder mit grösstem Aufwand zu be-

schaffen seien. Hier schliesst sich der Kreis

zu den Pensionskassen, die aktuell nur gera-

de 0,02 Prozent ihres Vermögens als Wagnis-

kapital, oder eben Chancenkapital, zur Verfü-

gung stellen. In den USA ist es ein Vielfaches

mehr: Die dortigen Pensionskassen inves-

tieren satte fünf Prozent via Venture Capital

(VC) Funds in Jungunternehmen.

Zukunftsfonds auf gutem Weg

Eine Erhöhung des Wagniskapitalanteils bei

Pensionskassen ist das erklärte Ziel des Zu-

kunftsfonds, den Henri B. Meier, ehemali-

ger Finanzchef von Roche, initiiert hat. So-

wohl Ständerat wie Nationalrat haben einer

entsprechenden Motion bereits zugestimmt,

nun beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe des

Bundes damit, den gesetzlichen Rahmen da-

für zu schaffen. Zu den Massnahmen zählt

beispielsweise die Ausklammerung der Zu-

kunftsfonds-Investitionen aus der jährlichen

Deckungsgradberechnung oder deren Anla-

gezugehörigkeit unter die Aktienquote.

Da Direktinvestitionen in Jungun-

ternehmen viel Know-how erfordern, an-

spruchsvoll und zugleich risikobehaftet sind,

würden sie nicht von den jeweiligen Pensi-

onskassenmanagern vorgenommen – das Ri-

siko wäre für die einzelnen Unternehmen zu

gross –, sondern in einem Zukunftsfonds ge-

bündelt. Dieser Dachfonds würde von fach-

kundigen Managern mit Leistungsausweis

geführt, die einzelnen Pensionskassen wür-

den entsprechend ihrer Grösse einen gewis-

sen Anteil des Dachfonds halten. Zentral für

den Erfolg eines solchen Zukunftsfonds ist

gemäss Heimann eine hinreichend grosse

Diversifikation über verschiedene Entwick-

lungsphasen der Unternehmen wie auch

über mehrere Branchen. Da die Pensionskas-

sen ihre Kräfte bündeln würden, wäre auch

mit wenig Einsatz viel zu holen. «Selbst wenn

die Hälfte aller Pensionskassen zu Beginn le-

diglich ein halbes Prozent der Neugelder in

den Zukunftsfonds investierten, kämen pro

Jahr rund 175 Millionen Franken zusam-

men», zitiert Startupticker Patrick Burger-

meister, der bei der von Henri B. Meier ge-

gründeten VC-Gesellschaft BioMedPartners

arbeitet. Die Ökonomen der Universität Ba-

sel rechnen bis 2030 mit Investitionen in

Höhe von 40 Milliarden Franken.

Von diesen Geldern würden nicht

nur die hiesigen Start-ups profitieren, son-

dern auch ausländische Unternehmen und

Forscher, die auf der Suche nach einem in-

novativen Standort sind. Um das Potenzi-

al der Forscher und Unternehmen in der

Schweiz voll auszuschöpfen und das Wohl-

standsniveau zu halten, sei die Schaffung ei-

nes Zukunftsfonds unumgänglich, schliesst

die Studie der Universität Basel.

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