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1 3 FACHBEITRAG Eingang des Beitrages: 14.10.2013 / Eingang des überarbeiteten Beitrages: 18.2.2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Zum Einfluss der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers auf die effektive Wärmeleitfähigkeit Heiko Huber · Ulvi Arslan · Ingo Sass Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie DOI 10.1007/s00767-014-0263-7 The influence of Darcy velocity on the effective thermal conductivity Abstract By means of experimental investigation with a custom-built laboratory test station for measuring thermal conduction and convection, the increase in effective ther- mal conductivity due to the Darcy velocity in geothermal systems was investigated. The applicability of the database to in-situ geothermal systems was tested via extensive in- vestigation at geothermal field sites. The increase in effec- tive thermal conductivity due to groundwater flow was de- termined for sands of low, medium and high permeability. As a result of the study, additional recommendations have been developed for the design of groundwater-influenced geothermal systems which can complement the present di- rective (VDI-4640-1, 2010). Keywords Geothermics · Heat transport · Experimental investigation · Effective thermal conductivity Einleitung Der Mehrphasenkörper Boden besteht aus fester Phase, flüs- siger Phase und Gasphase. Wärmetransport erfolgt in jeder dieser Phasen über verschiedene Mechanismen wie Kon- duktion (Wärmeleitung), Konvektion (Wärmeströmung) und Radiation (Wärmestrahlung) und dem Austausch zwi- schen den Phasen. Sowohl bei der Erkundung des Untergrundes über Feld- und Laborversuche als auch bei der numerischen Modellierung wird der Untergrund üblicherweise nicht als Mehrphasenmedium abgebildet, sondern als Einphasenme- dium vereinfacht. Die Wärmetransportmechanismen der einzelnen Phasen werden nicht unabhängig voneinander Zusammenfassung Durch experimentelle Laboruntersu- chungen in einem hierzu entwickelten Wärmeleitungs- und Wärmeströmungslaborversuchsstand wurde der Einfluss der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers auf die Zu- nahme der effektiven Wärmeleitfähigkeit von grundwas- serdurchströmten geothermischen Systemen untersucht. Mithilfe von umfangreichen Felduntersuchungen konn- te die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf geothermische Systeme unter In-situ-Bedingungen festgestellt werden. Anhand der Ergebnisse wurden Empfehlungen zur Be- rechnungsgrundlage für die Auslegung geothermischer Systeme unter Berücksichtigung der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers entwickelt. Die Zunahme der effektiven Wärmeleitfähigkeit von Sanden in Abhängigkeit der Fil- tergeschwindigkeit des Grundwassers wurde ergänzend zu aktuellen Empfehlungen (VDI-4640-1, 2010) für schwach wasserführende, wasserführende und stark wasserführende Sande erfasst. Dr.-Ing. H. Huber () CDM Smith Consult GmbH, Neue Bergstraße 13, 64665 Alsbach, Deutschland E-Mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr.-Ing. U. Arslan Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen, TU Darmstadt, Petersenstraße 12, 64287 Darmstadt, Deutschland E-Mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. I. Sass Institut für Angewandte Geowissenschaften, TU Darmstadt, Schnittspahnstraße 9, 64287 Darmstadt, Deutschland E-Mail: [email protected]

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Fachbeitrag

Eingang des Beitrages: 14.10.2013 / Eingang des überarbeiteten Beitrages: 18.2.2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Zum Einfluss der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers auf die effektive Wärmeleitfähigkeit

Heiko Huber · Ulvi Arslan · Ingo Sass

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion HydrogeologieDOI 10.1007/s00767-014-0263-7

The influence of Darcy velocity on the effective thermal conductivity

Abstract By means of experimental investigation with a custom-built laboratory test station for measuring thermal conduction and convection, the increase in effective ther-mal conductivity due to the Darcy velocity in geothermal systems was investigated. The applicability of the database to in-situ geothermal systems was tested via extensive in-vestigation at geothermal field sites. The increase in effec-tive thermal conductivity due to groundwater flow was de-termined for sands of low, medium and high permeability. As a result of the study, additional recommendations have been developed for the design of groundwater-influenced geothermal systems which can complement the present di-rective (VDI-4640-1, 2010).

Keywords Geothermics · Heat transport · Experimental investigation · Effective thermal conductivity

Einleitung

Der Mehrphasenkörper Boden besteht aus fester Phase, flüs-siger Phase und Gasphase. Wärmetransport erfolgt in jeder dieser Phasen über verschiedene Mechanismen wie Kon-duktion (Wärmeleitung), Konvektion (Wärmeströmung) und Radiation (Wärmestrahlung) und dem Austausch zwi-schen den Phasen.

Sowohl bei der Erkundung des Untergrundes über Feld- und Laborversuche als auch bei der numerischen Modellierung wird der Untergrund üblicherweise nicht als Mehrphasenmedium abgebildet, sondern als Einphasenme-dium vereinfacht. Die Wärmetransportmechanismen der einzelnen Phasen werden nicht unabhängig voneinander

Zusammenfassung Durch experimentelle Laboruntersu-chungen in einem hierzu entwickelten Wärmeleitungs- und Wärmeströmungslaborversuchsstand wurde der Einfluss der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers auf die Zu-nahme der effektiven Wärmeleitfähigkeit von grundwas-serdurchströmten geothermischen Systemen untersucht. Mithilfe von umfangreichen Felduntersuchungen konn-te die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf geothermische Systeme unter In-situ-Bedingungen festgestellt werden. Anhand der Ergebnisse wurden Empfehlungen zur Be-rechnungsgrundlage für die Auslegung geothermischer Systeme unter Berücksichtigung der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers entwickelt. Die Zunahme der effektiven Wärmeleitfähigkeit von Sanden in Abhängigkeit der Fil-tergeschwindigkeit des Grundwassers wurde ergänzend zu aktuellen Empfehlungen (VDI-4640-1, 2010) für schwach wasserführende, wasserführende und stark wasserführende Sande erfasst.

Dr.-Ing. H. Huber ()CDM Smith Consult GmbH,Neue Bergstraße 13, 64665 Alsbach, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Univ.-Prof. Dr.-Ing. U. ArslanInstitut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen, TU Darmstadt, Petersenstraße 12,64287 Darmstadt, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Univ.-Prof. Dr. I. SassInstitut für Angewandte Geowissenschaften, TU Darmstadt,Schnittspahnstraße 9, 64287 Darmstadt, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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erfasst, sondern zu effektiven (oder scheinbaren) Werten wie der effektiven Wärmeleitfähigkeit zusammengefasst. Gerade für grundwasserdurchströmte geothermische Sys-teme sind die Berücksichtigung der einzelnen Wärmetrans-portmechanismen der flüssigen Phase, (der Gasphase) und der festen Phase sowie deren Wechselwirkungen für zuver-lässige Berechnungsergebnisse von großer Bedeutung.

Durch verschiedene numerische Studien wurde die Zunahme der effektiven Wärmeleitfähigkeit geothermi-scher Systeme in Abhängigkeit der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers untersucht. Demnach ist der Anteil an konvektiv übertragener Wärme am Gesamtwärmetransport schon ab einer Filtergeschwindigkeit des Grundwassers von etwa 0,01 m d−1 erheblich (Witte & van Gelder 2006; Pan-nike et al. 2006; Hähnlein et al. 2010).

Temperaturmessungen im Feld zur Bestimmung der effektiven Wärmeleitfähigkeit wurden durch Palmer et al. (1992), Markle et al. (2006) und Otto (2010) durchgeführt. Experimentell gewonnene Messdaten über den Anteil kon-vektiv übertragener Wärme am Gesamtwärmetransport in Abhängigkeit der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers sind jedoch in nicht ausreichender Form vorhanden.

Zur Optimierung der Dimensionierung von geothermi-schen Systemen wurde deshalb durch umfangreiche expe-rimentelle Labor- und Felduntersuchungen der Einfluss der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers auf die Zunahme der effektiven Wärmeleitfähigkeit geothermischer Systeme untersucht. Basierend auf den Ergebnissen wurden Empfeh-lungen zur Dimensionierung geothermischer Systeme unter Berücksichtigung der Filtergeschwindigkeit des Grundwas-sers entwickelt.

Laboruntersuchungen

Zur Untersuchung der Zunahme der effektiven Wärme-leitfähigkeit geothermischer Systeme in Abhängigkeit der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers unter klar defi-nierten Randbedingungen und unter verschiedenen vorge-gebenen Filtergeschwindigkeiten, thermischen Lastfällen und verschiedenen Einbaukonfigurationen wurde ein groß-maßstäblicher Wärmeleitungs- und Wärmeströmungslabor-versuchsstand entwickelt.

Der Laborversuchsstand wurde mit Innenmaßen von 297 cm/64 cm/71 cm (L/B/H) errichtet. Im Versuchsstand können verschiedene geologische und hydrogeologische Verhältnisse modelliert und durch die massive Konstruk-tion sogar gespannte Grundwasserverhältnisse eingestellt werden. Veranschaulichende Systemskizzen sind in Huber (2013) enthalten.

In etwa 1/3 der Länge des Versuchsstandes in Fließ-richtung ist eine vertikale Linienquelle installiert, mit der eine konstante thermische Last auf den eingebauten Boden

aufgebracht werden kann. Die resultierende Temperaturän-derung infolge der thermischen Last kann mithilfe von 33 Pt 100 Widerstandsthermometern erfasst werden. Die Ther-moelemente sind vorrangig innerhalb des eingebauten San-des in einer horizontalen Sensorebene in etwa der Mitte der Höhe des Versuchsstandes angeordnet.

Innerhalb von 42 Versuchsszenarien mit einer Dauer von jeweils mindestens zwei Tagen wurden das eingebaute Sediment, die Leistung der thermischen Last und die Fil-tergeschwindigkeit variiert. Abbildung 1 zeigt exemplarisch die ermittelten Temperaturfahnen einer Versuchsreihe, in der der Versuchsstand mit Grobsand befüllt war. In die-ser Versuchsreihe wurde die thermische Last konstant auf 23,3 W m−1 gehalten, während die Filtergeschwindigkeit v zwischen 0 m d−1 und 1,4 m d−1 variiert wurde. Dargestellt sind die Temperaturfahnen jeweils 6 h, 12 h und 24 h nach Beginn der Aufbringung der thermischen Last unter Her-vorhebung der 20,1 °C und der 20,5 °C Isothermen. Neben der räumlichen Ausbreitung der Temperaturfahnen über die Zeit wurde auch die Steigung der Temperatur an der Lini-enquelle in Abhängigkeit der angelegten Filtergeschwindig-keit des Grundwassers bestimmt. Mithilfe der Kelvinschen Linienquellentheorie konnte anhand der ermittelten Tempe-ratursteigungen an der Linienquelle die effektive Wärme-leitfähigkeit des geothermischen Systems in Abhängigkeit der angelegten Filtergeschwindigkeit bestimmt werden (Huber 2013).

Felduntersuchungen

Um die Übertragbarkeit der Ergebnisse der Laboruntersu-chungen auf reale geothermische Systeme zu untersuchen, wurden hydrogeologische und geothermische Feldversuche durchgeführt. Hierzu wurden an einem Projektstandort in Berlin Strausberg vier Erdwärmesonden mit den Bezeich-nungen EWS 5 bis EWS 8 mit einer einheitlichen Länge von 50 m errichtet und über die gesamte Sondenlänge mit Glasfaserkabeln ausgestattet.

Weiterhin wurden am Projektstandort vier Bohrungen mit einem Durchmesser von 170 mm im Spülbohrver-fahren abgeteuft und zu Grundwassermessstellen mit den Bezeichnungen B 1 bis B 4 ausgebaut. Die Grundwasser-messstellen weisen Tiefen von 31 m (B 1) bis 37 m (B 4) auf. Die Rohrtouren sind als Voll- und Filterrohre DN 80 in PVC ausgeführt. Die Filterstrecke an der Basis der Grundwassermessstellen variiert zwischen 3 m (B 1–B 3) und 6 m (B 4). Die Filterschlitzweite beträgt einheitlich 0,3 mm, während der Filterkies eine Körnung von 1 mm bis 2 mm aufweist. Die vier Grundwassermessstellen wur-den entsprechend der erwarteten Grundwasserfließrichtung im Zu- (B 2, B 3 und B 4) und Abstrom (B 1) der Erd-wärmesonde EWS 6 mit Abständen von 1,7 m bis 7,9 m

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Hydrogeologische Feldversuche

Nach Fertigstellung der Grundwassermessstellen wur-den vor Ort zwei Langzeitpumpversuche (PV 1 und PV 2) durchgeführt. Die Dauer der Versuche betrug jeweils fünf

zur EWS 6 abgeteuft (Abb. 2). Die angetroffenen geolo-gischen Verhältnisse sind in Abbildung 3 dargestellt. Das Grundwasser wurde unterhalb der oberen Geschiebemer-gelschicht gespannt mit einer Energiehöhe von 10,8 m u. GOK (69,4 mNN) angetroffen.

EWS 6

Abb. 2 Lageplan und Foto des Projektstandortes Strausberg

Abb. 1 Ausbreitung der Temperaturfahnen in Abhängigkeit der Filtergeschwindigkeit

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liegen in derselben Größenordnung wie die Ergebnisse einer zuvor am Projektstandort in gleicher Tiefe durchgeführten Grundwasserfluss-Visualisierung an der Grundwassermess-stelle B 0 (Abb. 2). Es wird angenommen, dass die an der Grundwassermessstelle B 2 gemessene natürliche Filterge-schwindigkeit des Grundwassers der Filtergeschwindigkeit an der 2,7 m entfernten Erdwärmesonde EWS 6 entspricht.

Sowohl in GFV 2 als auch GFV 3 sind die ermittelten Grundwasserfließrichtungen mehrerer Tiefenprofile gegen-über der natürlichen Grundwasserfließrichtung (GFV 1) um annähernd 180° gedreht und deuten in Richtung des Förderbrunnens (etwa Nord-Nordost). In GFV 3 und sehr ausgeprägt in GFV 2 sind neben diesen beeinflussten Grund-wasserfließrichtungen auch Tiefenprofile, deren Grundwas-serfließrichtung unbeeinflusst von der Grundwasserentnahme entsprechend GFV 1 nach Süden und Süd-Westen deuten. Dies verdeutlicht, dass die Fließrichtung durch die Pumpver-suche nicht über die gesamte Aquifermächtigkeit beeinflusst wird. Vielmehr bilden sich bevorzugte Wasserwegsamkeiten innerhalb der wasserführenden Schicht aus.

Die ermittelten Filtergeschwindigkeitsprofile der GFV 2 und der GFV 3 zeigen qualitativ den gleichen Verlauf über die Filterstrecke (Abb. 4). Während die in GFV 1 bestimm-ten Filtergeschwindigkeiten über den Messtiefenbereich kaum variieren, zeigen sich bei den Filtergeschwindigkeits-profilen über die Tiefe der GFV 2 und der GFV 3 jedoch deutliche Geschwindigkeitsmaxima in Tiefenbereichen von 34, 34,5 und 35,65 m u. GOK. Diese Geschwindigkeitsma-xima sind auf bevorzugte Wasserwegsamkeiten innerhalb des Grundwasserleiters zurückzuführen.

Mit den Filtergeschwindigkeiten im Tiefenbereich der Filterstrecke der Grundwassermessstelle B 2 konnte auf die Grundwasserfließgeschwindigkeit an der Erdwärmesonde

Tage. Hierbei wurde Grundwasser mit einer konstanten Förderrate von 3,4 m3 h−1 (PV 1) bzw. 7,5 m3 h−1 (PV 2) aus der Grundwassermessstelle B 4 entzogen. Innerhalb der (quasi-) stationären Phase der Pumpversuche wurde anhand der gemessenen Energiehöhen des gespannten Grund-wassers der hydraulische Gradient an der Erdwärmesonde EWS 6 zu 0,017 (PV 1) und zu 0,029 (PV 2) ermittelt. Die Durchlässigkeit der wasserführenden Schicht wurde sowohl in der instationären Phase als auch im stationären Zustand bestimmt. Die Ergebnisse variieren innerhalb der Versuche zwischen 2,5 · 10−5 m s−1 und 1,0 · 10−4 m s−1.

An der Grundwassermessstelle B 2 wurden drei Grund-wasserfluss-Visualisierungen (GFV) durch Phrealog durch-geführt. Ziel der Untersuchungen war es, die über die Filterstrecke tiefenbezogene Grundwasserfließgeschwin-digkeit und -richtung unter natürlichen sowie künstlich veränderten Bedingungen während der Pumpversuche in unmittelbarer Umgebung der Erdwärmesonde EWS 6 zu ermitteln. Hierfür wurde eine GFV (GFV 1) unter natür-lichem hydraulischen Gradienten durchgeführt, während jeweils eine weitere GFV in der (quasi-) stationären Phase des Pumpversuchs PV 1 (GFV 2) und des Pumpversuchs PV 2 (GFV 3) unter künstlich erhöhter Grundwasserfließge-schwindigkeit durchgeführt wurden.

In GFV 1 wurde die natürliche Grundwasserfließge-schwindigkeit und -richtung in fünf Tiefenpositionen inner-halb der Filterstrecke zwischen 34 m u. GOK und 35,8 m u. GOK bestimmt. Die ermittelte Grundwasserfließrichtung liegt im gewichteten Mittel bei Süden (175°) und stimmt in etwa mit der erwarteten Fließrichtung nach der hydrogeolo-gischen Karte überein. Die ermittelten Filtergeschwindig-keiten liegen zwischen 0,09 m d−1 und 0,51 m d−1 mit einem gewichteten Mittelwert von 0,28 m d−1. Diese Ergebnisse

Abb. 3 Tiefenbezogene effektive Wärmeleitfähigkeit in EGRT 1, EGRT 2 und EGRT 3

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Während GRT 1 und EGRT 1 bei natürlicher Grundwas-serfließgeschwindigkeit durchgeführt wurden, wurden GRT 2 und EGRT 2 im stationären Bereich des Pumpversuchs PV 1 und GRT 3 und EGRT 3 im quasistationären Zustand des Pumpversuchs PV 2 unter künstlich erhöhter Grundwas-serfließgeschwindigkeit ausgeführt. Durch die zeitgleiche Erfassung der tiefenbezogenen Grundwasserfließgeschwin-digkeit mittels Grundwasserfluss-Visualisierung konnte die tiefenbezogene Zunahme der effektiven Wärmeleitfähigkeit in Abhängigkeit der anliegenden Filtergeschwindigkeit des Grundwassers untersucht werden.

Die innerhalb der EGRTs ermittelten tiefenbezogenen effektiven Wärmeleitfähigkeiten verlaufen qualitativ ähn-lich zueinander; sie zeigen mehr oder minder ausgeprägte Wärmeleitfähigkeitsspitzen in denselben Tiefenbereichen (Abb. 3). In Abhängigkeit der anliegenden Filtergeschwin-digkeit steigt die ermittelte durchschnittliche effektive Wärmeleitfähigkeit von 2,11 W m−1 K−1 in EGRT 1 um 12,3 % auf 2,37 W m−1 K−1 in EGRT 2 und um 18,0 % auf 2,49 W m−1 K−1 in EGRT 3 (Tab. 1).

Innerhalb der oberen 5 m u. GOK zeigt sich bei allen drei Tests eine hohe Wärmeleitfähigkeit, die auf den Einfluss der Außentemperaturen zurückzuführen ist.

Innerhalb der oberen Geschiebemergelschicht lässt sich bei allen drei Tests eine deutliche Spitze der effektiven Wärme-leitfähigkeit in einer Tiefe von etwa 15 m u. GOK erkennen. Diese Spitze ist wahrscheinlich auf Heterogenitäten innerhalb der Geschiebemergelschicht, wie zum Beispiel ein Bereich höherer Dichte oder eine Wasserwegsamkeit, zurückzuführen.

An der Basis der oberen Geschiebemergelschicht zeigt sich innerhalb des wasserführenden Sand, Kohle (etwa 21,5 m u. GOK) eine deutliche Spitze der effektiven Wärmeleitfähig-

EWS 6 rückgeschlossen werden. Die an der Erdwärme-sonde EWS 6 im Tiefenbereich zwischen 34 m u. GOK und 35,8 m u. GOK anliegenden mittleren Filtergeschwindig-keiten betrugen demnach 0,39 m d−1 während PV 1 und 0,7 m d−1 während PV 2. Die Zunahmen der mittleren Filter-geschwindigkeiten aus GFV 2 und GFV 3 gegenüber GFV 1 stimmen mit den ermittelten Zunahmen der hydraulischen Gradienten in PV 1 und PV 2 gegenüber dem natürlichen Gradienten überein.

Geothermische Feldversuche

An der Erdwärmesonde EWS 6 wurden im Zeitraum zwischen Juli 2011 und November 2011 drei Geother-mal-Response-Tests (GRT) in Kombination mit Enhanced-Geothermal-Response-Tests (EGRT) durchgeführt. Die Heizleistung wurde dabei mithilfe der GRT-Einheit auf das Wärmeträgerfluid von EWS 6 eingebracht und die zeitliche Entwicklung der Temperatur am Sondenein- und Sonden-austritt gemessen. Zeitgleich wurde mithilfe der EGRT-Ein-heit die Temperaturentwicklung über die Tiefe der EWS 6 mittels faseroptischer Temperaturmessung bestimmt. Wäh-rend durch einen GRT die Wärmeleitfähigkeit eines geo-thermischen Systems lediglich als integraler Wert über die Tiefe bestimmt werden kann, kann durch einen EGRT die Wärmeleitfähigkeit eines geothermischen Systems über die Erdwärmesondenlänge ermittelt werden. Der Vorteil einer Kombination aus GRT und EGRT besteht darin, dass die Wärmeleitfähigkeit eines geothermischen Systems mit zwei unabhängigen, unterschiedlichen Messsystemen bestimmt und verglichen werden kann.

Abb. 4 Ermittelte Grundwasser-fließgeschwindigkeiten an B 2 aus GFV 1, GFV 2 und GFV 3

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sonde EWS 6 ermittelten Grundwasserfließgeschwindig-keiten und den ermittelten effektiven Wärmeleitfähigkeiten. Durch die künstlich erhöhte Filtergeschwindigkeit des Grundwassers konnte eine maximale Zunahme der effek-tiven Wärmeleitfähigkeit von 32,2 % erreicht werden. Ins-gesamt bestätigen die Ergebnisse, dass die experimentelle Vorgehensweise in sich konsistent war. Der Feldversuchs-stand Strausberg liefert zuverlässige Daten zu effektiven Wärmeleitfähigkeiten eines geothermischen Systems in Abhängigkeit der Grundwasserfließgeschwindigkeit. Somit können die im Laborversuchsstand gewonnenen Erkennt-nisse auf reale geothermische Systeme übertragen werden.

Zusammenfassend zeigten sich aus den Labor- und Feld-untersuchungen für die untersuchten Korngrößenbereiche (Mittelsand, Grobsand und Sand, Kies) deutliche Zunahmen der effektiven Wärmeleitfähigkeit mit der Filtergeschwin-digkeit des Grundwassers. Die Bandbreite der untersuchten Korngrößenbereiche wurde mittels numerischer Untersu-chungen auf die Korngrößenbereiche Ton, Schluff, Fein-sand und Kies erweitert (Huber 2013). Hierbei wurde das verwendete numerische Modell anhand der experimentell gewonnenen Datenbasis kalibriert und validiert. Die Ergeb-nisse sind in Form von prozentualen Zunahmen der effekti-ven Wärmeleitfähigkeit für Mittel- und Grobsand durch die Laboruntersuchungen, für Sand, Kies durch die Feldunter-suchungen und für Feinsand und Kies durch die zusätzlich durchgeführten numerischen Untersuchungen zusammen-fassend in Abbildung 5 dargestellt.

keit in allen drei EGRTs. Dies ist sowohl bei natürlichen Abflussverhältnissen als auch während der Pumpversuche zu erkennen und könnte mit dem an der Unterkante des Geschie-bemergels entlangströmenden gespannten Grundwassers begründet werden. Innerhalb des wasserführenden Kies, Sand (25 m u. GOK bis 46,2 m u. GOK) zeigt sich im Ver-gleich der Versuche aufgrund des hier bevorzugt strömenden Grundwassers die größte Zunahme der effektiven Wärmeleit-fähigkeit von bis zu 21,9 %. In den Tiefenbereichen 29,5 m u. GOK und 34 m u. GOK sind besonders im EGRT 3 deutliche Maxima der effektiven Wärmeleitfähigkeit zu erkennen, die auf bevorzugte Wasserwegsamkeiten innerhalb des wasser-führenden Sand, Kies zurückzuführen sind. Die Tiefenberei-che der Wärmeleitfähigkeitsmaxima korrelieren gut mit den Geschwindigkeitsmaxima der GFV 2 und GFV 3. Im Tiefen-bereich von 34 m u. GOK zeigt sich eine Erhöhung der ermit-telten effektiven Wärmeleitfähigkeit um bis zu 32,2 %.

Im Tiefenbereich zwischen etwa 42 m u. GOK und 50 m u. GOK nimmt dem zufolge die effektive Wärmeleit-fähigkeit deutlich ab. Dies ist dadurch zu begründen, dass sich aufgrund der gering durchlässigen Geschiebemergel-schicht in 46,2 m u. GOK kein ausgeprägter Grundwasser-fluss in diesem Bereich einstellt.

Ergebnisse und Zusammenfassung

Innerhalb der durchgeführten Felduntersuchungen zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang der an der Erdwärme-

Tab. 1 Vergleich der effektiven Wärmeleitfähigkeit am Projektstandort Strausberg; v = FiltergeschwindigkeitFeldversuch Tiefenbereich [m u. GOK] Effektive Wärmeleitfähigkeit λ [W m−1 K−1] (Zuwachs)

Test 1 (v = 0,28 m d−1) Test 2 (v = 0,39 m d−1) Test 3 (v = 0,7 m d−1)Lockergesteine GRT 0–50 2,12 (Referenz) 2,27 (7,1 %) 2,30 (8,5 %)

EGRT 0–50 2,11 (Referenz) 2,37 (12,3 %) 2,49 (18 %)EGRT 21–46,2 2,10 (Referenz) 2,38 (13,3 %) 2,56 (21,9 %)EGRT 34 2,11 (Referenz) 2,46 (16,6 %) 2,79 (32,2 %)

Abb. 5 Zunahme der effek-tiven Wärmeleitfähigkeit von Böden in Abhängigkeit der Filtergeschwindigkeit

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Huber, H.: Experimentelle und numerische Untersuchungen zum Wär-metransportverhalten oberflächennaher, durchströmter Böden. Dissertation, Mitteilungen des Instituts für Werkstoffe und Mecha-nik im Bauwesen, Heft 40, Darmstadt (2013)

Markle, J.M., Schincariol, R.A., Sass, J.H., Molson, J.W.: Characte-rizing the two-dimensional thermal conductivity distribution in a sand and gravel aquifer. Soil Sci. Soc. Am. J. 70(4), 1281–1294 (2006)

Otto, R.: Zur Bestimmung von Wärmeleitfähigkeiten der oberflä-chennahen Lockergesteinsschichtenfolge in Norddeutschland. In: Deutsche Geophysikalische Gesellschaft: Tagungsband zur 70. Jahrestagung der DGG in Bochum, RU Bochum, S. 73 (2010)

Palmer, C.D., Blowes, D.W., Frind, E.O., Molson, J.W.: Thermal-ener-gy storage in an unconfined aquifer. 1. Field injection experiment. Water Resour. Res. 28(10), 2845–2856 (1992)

Pannike, S., Kölling, M., Schulz, H.D., Panteleit, B., Reichling, J., Scheps, V.: Auswirkung hydrogeologischer Kenngrößen auf die Kältefahnen von Erdwärmesondenanlagen in Lockersedimenten. Grundwasser. 11(1), 6–18 (2006)

VDI-4640-1: Thermische Nutzung des Untergrunds – Grundlagen, Genehmigungen, Umweltaspekte. Beuth, Berlin (2010)

Witte, H.J.L., van Gelder, A.J.: Geothermal response tests using con-trolled multi-power level heating and cooling pulses (MPL-HCP): quantifying ground water effects on heat transport around a bore-hole heat exchanger. In: Proceedings of Ecostock, the 10th Inter-national Conference on Thermal Energy Storage, New Jersey, USA (2006)

Bei der Abschätzung von effektiven Wärmeleitfähigkei-ten über Tabellenwerke wird nach dem Stand der Technik der Einfluss der Filtergeschwindigkeit des Grundwassers nicht berücksichtigt (VDI-4640-1 2010). Basierend auf den gewonnenen Ergebnissen der Laboruntersuchungen, der Felduntersuchungen und der numerischen Untersu-chungen konnten durch eine Erweiterung der aktuellen Tabellenwerke Empfehlungen zur Berücksichtigung des Einflusses der Filtergeschwindigkeit des Grundwasser auf die Wärmeleitfähigkeit des Untergrundes gegeben werden (Tab. 2). Somit ist es bei der Anwendung in der Ingenieur-praxis möglich, nicht nur zwischen Wärmeleitfähigkeiten für trockenen, feuchten oder wassergesättigten Sand zu dif-ferenzieren, sondern auch effektive Wärmeleitfähigkeiten schwach wasserführender, wasserführender und stark was-serführender Sande zu unterscheiden (Huber 2013).

Literatur

Hähnlein, S., Molina-Giraldo, N., Blum, P., Bayer, P., Grathwohl, P.: Ausbreitung von Kältefahnen im Grundwasser bei Erdwärmeson-den. Grundwasser. 15(2), 123–133 (2010)

Tab. 2 Empfehlungen für effektive Wärmeleitfähigkeiten von wasserführenden SandenGesteinstyp (in Analogie zu VDI-4640-1 2010, hier lediglich Lockergesteine dargestellt)

Filtergeschwindigkeit v [m d−1]

Wärmeleitfähigkeit λ BemerkungBandbreite [W m−1 K−1]

empfohlener Rechen-wert [W m−1 K−1]

Locker-gesteine

Sand, trocken – 0,3–0,9 0,4 Gemäß VDI-4640-1 (2010)Sand, feucht – 1,0–1,9 1,4 Gemäß VDI-4640-1 (2010)Sand, wassergesättigt Keine Angaben 2,0–3,0 2,4 Gemäß VDI-4640-1 (2010)Sand, schwach wasserführend 0–0,3 2,0–3,75 2,7 Steigerung: 0–25 %a

Sand, wasserführend 0,3–0,6 2,5–4,5 3,3 Steigerung: 25–50 %a

Sand, stark wasserführend 0,6–1,0 3,2–6,0 4,2 Steigerung: 50–100 %a

Die Begrifflichkeiten „trocken“, „feucht“ und „wassergesättigt“ wurden aus VDI-4640-1 (2010) übernommen. Genaue Definitionen dieser Begrifflichkeiten werden in VDI-4640-1 (2010) nicht gegebenaDie Steigerungen beziehen sich auf die in VDI-4640-1 (2010) angegebenen Wärmeleitfähigkeiten eines wassergesättigten Sandes