Zum Mechanismus der Phytochromwirkung bei der Chloroplastenbewegung von Mougeotia

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Botanisches Institut der Universitat Erlangen-Niirnberg Zum Mechanismus der Phytochromwirkung bei der Chloroplastenbewegung von M ougeotia WOLFGANG HAUPT und HELGA DBEL Mit 3 Abbildungen Eingegangen am 11. November 1974 Summary Chloroplast movement which is under the control of a gradient of phytochrome P lr has been induced by 15 seconds of red light (R). Within 1 minute, onset of response can be ob- served. Far-red immediately stops this response from continuing longer than 1 minute; very probably, this time is even much shorter. Thus, withdrawal of P fr is perceived by the mo- tor apparatus of the cell as fast as appearance of P fr . Obviously, there are no long-living intermediates in the reaction chain connecting P lr with movement. It is assumed, therefore, that a biophysical membrane effect of P fr immediately controls the motor apparatus of the cell. Key words: Chloroplast movement, membrane effect, phytochrome gradient, Mougeotia. Einleitung Schnelle Phytochromreaktionen (<<short-term phenomena») sind von besonderem Interesse fur die Aufklarung der Primareffekte des aktiven Phytochroms (PII ·). Sol- che schnellen Reaktionen, die in Minuten oder gar Sekunden manifest werden (sie- he die Zusammenstellungen bei HAUPT, 1972, sowie WEISENSEEL und HAUPT, 1974), deuten auf physikalische Effekte als Primarreaktionen. Da Phytochrom mindestens teilweise an Membranen gebunden ist, sehr wahrscheinlich an das Plasmalemma, und da diese Membranbindung fur P r und Pfr verschieden ist (MARME et al., 1973), durften solche biophysikalischen Effekte in erster Linie plasmatische Membranen betreffen. Die lichtorientierte Drehung des Chloroplasten der Aige M ougeotia kann als ein solcher schneller Effekt betrachtet werden, da unter geeigneten Versuchsbedingun- gen erste Anzeichen der Reaktion bereits nach wenigen Minuten erkennbar werden (SCHONBOHM, 1973 b; SCHONBOHM und HAUPT, 1975; HAUPT und TRUMP, in Vor- bereitung). Mindestens ebenso schnell wird die Wasserpermeabilitat der Mougeotia- zelle unter dem Einflug von P fr erhoht (WEISENSEEL und SMEIBIDL). Es liegt daher sehr nahe, die Bewegung des Mougeotia-Chloroplasten als unmittelbare Foige bio- z. Pjlanzenphysiol. Bd. 75. S. 165-171. 1975.

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Botanisches Institut der Universitat Erlangen-Niirnberg

Zum Mechanismus der Phytochromwirkung bei der Chloroplastenbewegung von M ougeotia

WOLFGANG HAUPT und HELGA DBEL

Mit 3 Abbildungen

Eingegangen am 11. November 1974

Summary

Chloroplast movement which is under the control of a gradient of phytochrome Plr has been induced by 15 seconds of red light (R). Within 1 minute, onset of response can be ob­served. Far-red immediately stops this response from continuing longer than 1 minute; very probably, this time is even much shorter. Thus, withdrawal of Pfr is perceived by the mo­tor apparatus of the cell as fast as appearance of P fr . Obviously, there are no long-living intermediates in the reaction chain connecting Plr with movement. It is assumed, therefore, that a biophysical membrane effect of P fr immediately controls the motor apparatus of the cell.

Key words: Chloroplast movement, membrane effect, phytochrome gradient, Mougeotia.

Einleitung

Schnelle Phytochromreaktionen (<<short-term phenomena») sind von besonderem Interesse fur die Aufklarung der Primareffekte des aktiven Phytochroms (PII·). Sol­che schnellen Reaktionen, die in Minuten oder gar Sekunden manifest werden (sie­he die Zusammenstellungen bei HAUPT, 1972, sowie WEISENSEEL und HAUPT, 1974), deuten auf physikalische Effekte als Primarreaktionen. Da Phytochrom mindestens teilweise an Membranen gebunden ist, sehr wahrscheinlich an das Plasmalemma, und da diese Membranbindung fur P r und Pfr verschieden ist (MARME et al., 1973), durften solche biophysikalischen Effekte in erster Linie plasmatische Membranen betreffen.

Die lichtorientierte Drehung des Chloroplasten der Aige M ougeotia kann als ein solcher schneller Effekt betrachtet werden, da unter geeigneten Versuchsbedingun­gen erste Anzeichen der Reaktion bereits nach wenigen Minuten erkennbar werden (SCHONBOHM, 1973 b; SCHONBOHM und HAUPT, 1975; HAUPT und TRUMP, in Vor­bereitung). Mindestens ebenso schnell wird die Wasserpermeabilitat der Mougeotia­zelle unter dem Einflug von P fr erhoht (WEISENSEEL und SMEIBIDL). Es liegt daher sehr nahe, die Bewegung des Mougeotia-Chloroplasten als unmittelbare Foige bio-

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physikalischer Membraneffekte zu deuten, die ihrerseits davon abhangen, in wel­cher Form das Phytochrom vorliegt. Wenn diese Auffassung richtig ist, so sollte die Reaktion nicht nur nach Herstellen der aktiven Form Plr sofort einsetzen, sondern sie sollte ebenso auch momentan zum Stillstand kommen, sobald durch Dunkelrot­bestrahlung das Phytochrom in die inaktive Form P r zuriickverwandelt wird.

Eine Antwort auf die gestellte Frage kann dadurch gesucht werden, dag die Be­wegung des Chloroplasten nach HR-Induktion messend verfolgt wird, einerseits ungestort, andererseits nach Reversion des Plr ZU P r durch DR-Nachbestrahlung. Dber Versuche dieser Art, die die Hypothese einer unmittelbaren Phytochromwir­kung auf den Bewegungsapparat stiitzen, soli im folgenden berichtet werden.

Material und Methode

Als Versuchspflanze diente der Stamm von Mougeotia spec., der seit Jahren in Erlangen kultiviert wird (vgl. z. B. HAUPT, 1968). Vor Versuchsbeginn wurden die als Objekttrager­praparate vorbereiteten Algenfaden durch seitliche Belichtung veranlaBt, ihre Chloroplasten in Kantenstellung zu drehen (die Angaben "Kante" und "Flache" beziehen sich stets auf das mikroskopische Bild bei Betrachtung von oben). Nach kurzer mikroskopischer Kontrolle in unpolarisiertem grunem Sicherheitslicht, ob die Chloroplasten exakt Kantenstellung ein­genom men haben, konnten die Versuchsbelichtungen beginnen. Diese erfolgten im Mikro­skop (Leitz Dialux) mittels dessen Beleuchtungseinrichtung (Niedervoltlampe 12 V, 100 W). Fur H ellrot (HR) wurdc cin Interfcrcnzbandfilter von Schott AL 647 in den Strahlengang geschaltet, fur Dunkelrot (DR) ein entsprechendes Filter AL 703. HR wurde auBerdem durch eine Polarexfolie von Kii5EMANN linear polarisiert. Schliemich wurde Warmestrah­lung durch das Warmeschutzfilter der Mikroskopbeleuchtung ausgeschaltet. Die Quanten­stromdichten am Obiekt betrugen im polarisierten HR 38flEm-2s- l , im unpolarisierten DR 180 fl Em-2s-l • Das fur die mikroskopische Beobachtung und AU5wertung verwendete grune Sicherheitslicht wurde durch die bekannte Kombination der Glasfilter BG 18 (3 mm) + GG 14 (2 mm) erhalten, die Stromstarke wurde auf 3,5 A gedrosselt, die Leuchtfeldblende weit­gehend geschlossen und schliemich fur die Auswertung nach den Versuchsbelichtungen line­ar polarisiert mit dem E-Vektor parallel zur Langsachse der Zelle. Die Quantenstromdichte bet rug dann noch 0,4 .IlEm-2s- l . Damit war die Miiglichkeit einer Lichtwirkung auf das Pho­torezeptorsystem der Zelle auf ein Minimum reduziert.

Jeder Versuch bestand aus drei Bestrahlungsprogrammen: HR-Kontrolle, HR-DR-Ver­such, DR-Kontrolle. Bei 40facher VergriiBerung befand sich gerade eine Zelle gut sichtbar im Gesichtsfeld des Mikroskops, so da~ mit jedem Belichtungsprogramm nur eine einzige Zelle erfa~t und ausgewertet werden konnte. Zur Gewinnung statistisch brauchbarer Zahlen mu~ten daher die Belichtungen iiber mehrere Stunden verteilt werden. Um dabei systemati­sche Fehler miiglichst auszuschalten, wurde von Zelle zu Zelle mit dem Programm gewech­selt, bis die gewunschte Zahl von Zellen beobachtet und ausgewertet war (meist 10, 20 oder 40 Zellen).

Der Beginn der HR-Induktion wird als Zeitpunkt 0 bezeichnet; 15 Sekunden polarisiertes HR (E-Vektor quer zur Zelle) erwiesen sich fur eine Reaktion als saturierend und wurden generell als Induktion verwendet. Nach weiteren 15 Sekunden, d. h. zum Zeitpunkt 30 Se­kunden, begann die einminiitige DR-Nachbestrahlung im HR-DR-Vcrsuch, oder es wurde eine zusatzliche Dunkelpause von 3 Minuten eingeschoben, so daB die DR-Nachbestrahlung erst zum Zeitpunkt 3,5 Minuten einsetzte (vgl. die Schemata unter den Abbildungen). DR-Kontrollen begannen sinngema~ zum Zeitpunkt 30 Sekunden bzw. 3,5 Minuten. Unmit­telbar nach been deter DR-Bestrahlung erfolgte die erste Auswertung in Sicherheitslicht (sie-

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he unten); diese dauerte etwa 40 Sekunden, ihre zeitliche Mitte lag bei Zeitpunkt 2 bzw. 5 Minuten. Das Praparat blieb im Dunkeln weitere 8 Minuten auf dem Objekttisch des Mi­kroskops, so daG die Zelle zum Zeitpunkt 10 bzw. 13 Minuten ein zweites Mal ausgewertet werden konnte; lediglich in einem Versuch betrug dieses Intervall 28 statt 8 Minuten. Die HR-Kontrollen wurden zu den entsprechenden Zeiten ausgewertet.

~ .-Db B r--...

'- --...... ~ ~ Fliichenwert

F = .!. "" ...2.. x 100 5 L B

Abb. 1: Schematische Darstellung der Ermittlung des Flachenwerts (F). B gibt die Breite der Zelle, b die Breite des Chloroplast en an.

Fig. 1: Schematic draft of obtaining the relative area of the chloroplast (F).

Fiir die Auswertung wurde mittels der Zeicheneinrichtung von Leitz der UmriG der Zelle sowie die Begrenzung des Chloroplasten gezeichnet. Die Zeichenflache war mit Sicherheits­licht beleuchtet und gegen das Mikroskop abgeschirmt. Eine beginnende Drehung des Chlo­roplasten macht sich durch eine Verbreiterung des Chloroplastenprofils bemerkbar. Um die­se quantitativ zu erfassen, wurde die Zeichnung wie folgt vermessen (Abbildung 1): Die Lange der Zelle wurde in sechs gleiche Abschnitte unterteilt; entlang der hierbei entstehen­den fiinf Querlinien wurde die Breite der Zelle und die Breite des Chloroplastenprofils ge­messen, beide Werte zueinander ins Verhaltnis gesetzt und der Mittelwert aus den fiinf Ein­zelwerten einer Zelle gebildet (eine probeweise durchgefiihrte Vermessung entlang von elf Querlinien brachte keine genaueren Ergebnisse). Der so erhaltene «FUichenwert» wird in %

angegeben. Eine Drehung des Chloroplast en zwischen der ersten und zweiten Auswertung muG sich als VergroGerung des F!achenwertes darstellen. In der Anfangsphase der Drehung aus Kanten- in Flachenstellung muG die VergroGerung des flachenwertes ungefahr propor­tional zum Drehwinkel erfolgen, spater nimmt der Flachenwert wegen der Sinusabhangig­keit langsamer zu. Dies muG bei Extrapolationen beriicksichtigt werden.

Versuchsergebnisse

In einer erst en Versuchsserie wurde DR unmittelbar nach der HR-Induktion ein­gestrahlt und dessen Wirkung geprtift. Der in Abb. 2 dargestellte Versuch zeigt mehrere bemerkenswerte Ergebnisse. Vergleichen wir zunachst die 2-Minuten-Werte miteinander. Der HR-Wert Iiegt deutlich tiber der DR-KontroIIe und tiber dem HR-DR-Wert. Damit ist eindeutig erwiesen, daiS bereits innerhalb 2 Minuten nach Beginn der HR-Induktion die Reaktion in Gang gekommen ist. Diese Aussage kann noch prazisiert werden, wenn man berticksichtigt, daiS der HR-DR-Wert deutlich haher liegt aIs die DR-KontroIIe; die Differenz ist zwar im einzelnen Versuch nicht signifikant, tritt aber in allen Versuchswiederholungen einheitlich auf, so daiS an der Gtiltigkeit dieser Aussage insgesamt kein Zweifel bestehen kann. Da die sa­turierende DR-Bestrahlung bereits zum Zeitpunkt 1,5 Minuten abgeschlossen war,

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muB spates tens zu diesem Zeitpunkt die Induktion revertiert worden sein. Man darf also sicher aus diesem Versuch schlieBen, daB der geringfugig groBere Flachen­wert des HR-DR-Versuchs auf eine innerhalb der ersten Minute erfolgte Pfr-Wir­kung zuruckzufuhren ist.

Das entscheidende Ergebnis des Versuchs zeigt sich, wenn wir den Anstieg der Flachenwerte von der ersten zur zweiten Auswertung fur alle drei Bestrahlungspro­gramme vergleichen. N ach HR -Induktion nimmt der Flachenwert erwartungsge­maB stark zu. Der HR-DR-Wert steigt dagegen nur leicht an. Zwar ist dieser An­stieg in mehreren Versuchen hochsignifikant; doch zeigt die DR-Kontrolle den glei­chen Anstieg, beide Kurven laufen im Rahmen der Fehlergrenze stets parallel -vgl. auch die erste Spalte in Tabelle 1. Nach abgeschlossener DR-Bestrahlung macht sich also keine Nachwirkung der HR-Induktion mehr bemerkbar.

Der parallele Verlauf der Kurven fur den HR-DR-Versuch und fur die DR-Kon­trolle zwingt zu der Annahme, daB beiden Anstiegen des Flachenwerts die gleichen Ursa chen zugrunde liegen. Als solche Ursache muB eine schwache Induktionswir­kung des DR erwogen werden, obwohl dieses DR saturierend gegeben wurde. Al-

70

60

Ql

~ 50 c: Ql

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u :0

u...

40

30

0 15 sec Hellrot (R)

mmm 60 sec Dunkelrot o R - Kontr.

(FR)

ea Grim - Dunkel

0

x _----------x R- FR

e ______________ e FR- Kontr.

2 10 min

1 ----- ---- -- R- Kontr.

R-FR

mmt-- ---- ---- -- FR- Kontr.

Abb.2

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70

D 15 sec Hellrot (R) 0 R- Kontr.

60 IiliiliB I::::: 60 sec Dunkelrot (FR)

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50 _ Dunkel

R- FR x <11 0 ~ X

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v 40 ·0

FR - Kontr . • u.. • 30

5 13 min

1 ------ ----- -- --- R- Kontr .

R - FR

~- --- ----- --- FR- Kontr.

Abb.3

Abb. 2 und 3: Veranderung des FHichenwerts nach kurzer Bestrahlung mit Hellrot (R) und / oder Dunkelrot (FR). Das Bestrahlungsprogramm ist unter der Abszisse angegeben. R, FR und Griin (Sicherheitslicht) sind im Text naher charakterisiert. Jeder Punkt ist der Mit­tel wert von 20 (R) bzw. 40 Einzelwerten (FR, R-FR).

Fig. 2 and 3: Change of the relative chloroplast area F after short irradiations with red (R) and / or far-red (FR). The schedule of the irradiations (including green safelight) is gi­ven below the abscissa.

Tab. 1: Anstieg der Fl:ichenwerte in 8 Minuten (aus Abb. 2 und 3) . Angegeben sind die Mittelwerte der Differenzen zwischen beiden Messungen mit ihren mittleren Fehlern (in Klammern Anzahl Einzelzellen).

Induktion

HR HR-DR DR

Diffcrenz 10 min- 2 min

(Abb. 2)

20,6 ± 1,5 (20) 2,1 ± 0,3 (40) 1,8 ± 0,2 (40)

Differenz 13 min-5 min

(Abb. 3)

15,6 ± 1,0 (20) 2,3 ± 0,3 (40) 2,1 ± 0,3 (40)

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ternativ konnte auch das Sicherheitslicht trotz aller Vorsichtsmagnahmen ellle schwache Wirkung haben (vgl. auch SCHONBOHM und HAUPT, 1975).

In einem orientierenden Einzelversuch erfolgte die zweite Auswertung erst zum Zeit­punkt 30 statt 10 Minuten. Wieder laufen die Kurven fur HR-DR und DR-Kontrolle par­allel und sehr viel Hacher als die Kurve der HR-Induktion. Das Ergebnis der ersten Ver­suchsserie wird also bestatigt.

In den bisherigen Versuchen wurde der Chloroplast durch DR «angehalten», be­vor eine nennenswerte Bewegung einsetzen konnte. Wie macht sich die DR-Rever­sion geltend, wenn sie in die bereits in vollem Gang befindliche Bewegung ein­greift? Abb. 3 zeigt Versuche, in denen die DR-Bestrahlung erst von Zeitpunkt 3,5 bis 4,5 Minuten vorgenommen wurde. Zu dieser Zeit hat die HR-induzierte Bewe­gung schon zu einer sehr deutlichen Vergrogerung des Flachenwertes gefiihrt, wie sich aus der Abbildung entnehmen tifh. Wieder kommt die HR-Induktion sehr deutlich zum Ausdruck; der Anstieg ist zwischen der 5. und 13. Minute allerdings geringer als zwischen der 2. und 10., offensichtlich durch den oben erwahnten «Si­nusfehlef» bedingt. Der HR-DR-Wert der ersten Auswertung liegt erwartungsge­mag nahe beim HR-Wert, bleibt aber unter ihm, so dag also offensichtlich schon wahrend der DR-Bestrahlung mindestens eine Verlangsamung der Bewegung einge­treten ist. Auch hier steigt die HR-DR-Kurve zwischen der ersten und zweiten Auswertung noch etwas an, aber wieder erfolgt dieser Anstieg ziemlich genau par­allel zu demjenigen der DR-Kontrolle (vgl. auch Tab. 1). Eine Nachwirkung der HR-Induktion nach der ersten Auswertung macht sich also im HR-DR-Versuch nicht bemerkbar.

Diskussion

Indikator dafiir, wie schnell die HR-Induktion wirksam wird, ist das Revertie­rungsexperiment mit DR. In friiheren Versuchen hatte sich gezeigt, dag 5 Minuten nach HR-Bestrahlung die Induktion nicht mehr vollstandig durch DR gelOscht werden kann, dag aber unterhalb dieser 5 Minuten noch eine volle Revertierung moglich ist. In diesen Versuchen war allerdings nur der Endwert der Reaktion nach 45 Minuten als Prozentsatz derjenigen Zellen bestimmt worden, in denen der Chlo­roplast Flachenstellung eingenommen hat. Die genaue Vermessung des Chloropla­sten wahrend der Bewegung zeigt jetzt, dag Teilreaktionen der HR-Induktion be­reits innerhalb einer Minute sich der Phytochromkontrolle entzogen haben, d. h. dag ein Teil der Induktionswirkung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr DR-reversibel ist. Die Plr-Wirkung auf die Chloroplastenbewegung von Mougeotia mug daher in die Gruppe der schnellsten Phytochromreaktionen eingereiht werden.

Noch wichtiger ist das zweite Ergebnis unserer Untersuchungen: Die durch Ptr gesteuerte Bewegung hort augenblicklich auf, sob aid das Pfr beseitigt worden ist. Selbst bei grogter Skepsis kann mit Sicherheit jede Nachwirkung von Plr nach mehr als einer Minute definitiv ausgeschlossen werden. Damit werden gewisse Aus-

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sagen iiber die Reaktionskette moglich. Der Chloroplast orientiert sich in einem Gradienten von P tr. Die Kausalverkniipfung zwischen Prr und der Bewegung konnte durch noch unbekannte Zwischenreaktionen vermittelt werden. ]e gro~er die Zahl soIeher Zwischenreaktionen und je tinger deren Lebensdauer ist, desto langer sollte Plr nachwirken; d. h. fiir eine begrenzte Zeit sollten diese Zwischenreaktionen noch weiterlaufen und die Bewegung steuern konnen, wenn kein Plr mehr vorhanden ist. Da nach unseren Versuchen jedoch jede Nachwirkung spatestens nach einer Minute aufhort, diirfte die Zahl von Zwischenreaktionen zwischen Ph und Bewegungsme­chanismus sehr gering und iiberdies kurzlebig sein.

Zu gleichen Folgerungen kam WAGNER (1974) auf anderem Wege: Fiir die Bewe­gung werden mit guten Argumenten kontraktile Fibrillen als Motor angenommen (SCHONBOHM, 1973 a). Wird die Aktivitat dieser postulierten Fibrillen durch Cyto­chalasin B gehemmt, so wird hiermit die Bewegung reversibel blockiert. Eine Plr-

Wirkung kann sich jedoch noch spater entfalten, wenn die Cytochalasin-Hemmung wieder aufgehoben wird. Interessanterweise ist diese Pfr-Wirkung so lange DR-reversibel, wie die Fibrillenaktivitat durch Cytochalasin stillgelegt ist.

Sowohl die Versuche von WAGNER als auch unsere eigenen lassen sich am besten mit der Annahme deuten, da~ eine sehr enge Kausalverkniipfung zwischen Plr und dem Bewegungsapparat (vermutlich kontraktilen Fibrillen) besteht. Eine soIehe Kausalverkniipfung konnte iiber biophysikalische Membraneffekte verstanden wer­den. Es ergibt sich daraus die Frage, ob Plr den Membranflu~ von Ionen steuern kann, die als Cofaktoren fiir die Aktivitat kontraktiler Fibrillen wichtig sind (vgl. hierzu auch WAGNER, 1974).

Literatur

HAUPT, W.: Planta 53, 484-501 (1959). - Z. Pflanzenphysiol. 58, 331-346 (1968). - In: Phytochrome (K. MITRAKOS and W. SHROPSHIRE, ed.), pp. 350-368. Academic Press,

1972. HAUPT, W., und 1. SCHONFELD: Z. Bot. 51, 17-31 (1963). MARME, D., J. BOISARD, and W. R. BRIGGS: Proc. Nat. Acad. Sci. USA 70, 3861-3865

(1973). SCHONBOHM, E.: Ber. dt. Bot. Ges. 86, 407-422 (1973 a). - Ebenda 86, 423-430 (1973 b). SCHONBOHM, E., und W. HAUPT: Lichtorientierte Chloroplastenbewegung bei M ougeotia

spec. Film B 1146 des Inst. Wiss. Film, Gottingen 1975. WAGNER, G.: Proceed. Ann. Europ. Symp. Plant Morphogenesis, Antwerpen 1974, pp.

22-25. WEISENSEEL, M., and W. HAUPT: In: Membrane Transport in Plants (U. ZIMMERMANN and

J. DAINTY ed.), pp. 427-434. Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1974. WEISENSEEL, M., and E. SMEIBIDL: Z. Pflanzenphysiol. 70,420-431 (1973).

WOLFGANG HAUPT und HELGA OBEL, Botanisches Institut der Universitat Erlangen-Niirnberg, D-852 Erlangen, SchloEgarten 4.

Z. PJlanzenphysiol. Bd. 75. S. 165-171. 1975.