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308 Heinz-Dieter Hardes, Heiko Wickert: Zum Risikocharakter variabler Beteiligungsformen Heinz-Dieter Hardes, Heiko Wickert * Zum Risikocharakter variabler Beteiligungsformen – Überlegungen aus arbeitsökonomischer Sicht ** Im vorliegenden Beitrag werden vertragstheoretische Überlegungen zur Kon- zeption von anreizorientierten Entgeltverträgen dargestellt, mit Komponenten variab- ler Beteiligungsentgelte – neben fixierten Basisentgelten. Das begriffliche Verständ- nis monetärer Beteiligungsentgelte schließt dabei sowohl Formen periodischer Er- folgsbeteiligungen wie auch langfristige Kapitalbeteiligungen von Mitarbeitern und Führungskräften ein. Der Beitrag konzentriert sich auf einen in der Literatur bisher vernachlässigten Aspekt, insbesondere auf Risikoüberlegungen im Bezug zu variablen Bonussystemen, Mitarbeiter-Aktien-Programmen und Aktienoptionsplänen für Füh- rungskräfte. Auf der Basis der vertragstheoretischen Grundlagen werden mehrere anwendungsbezogene Folgerungen zur Gestaltung betrieblicher Beteiligungsentgelte abgeleitet. Incentive Compensation-Schemes and Risk-Sharing Considerations This article depicts contract-theoretical considerations for the conception of incentive-oriented employment contracts with both variable pay components and fixed base remuneration. In this context variable pay is understood as periodical per- formance-related pay as well as long-term share ownership of employees and executives. The article focuses on risk considerations regarding profit- and gain- sharing schemes, employee share ownership and executive stock-option plans. The risk aspects of variable pay have been neglected in the literature so far. The con- tract-theoretical framework provides several practice-oriented suggestions for the conceptual design of financial participation systems. Key words: Financial participation, principal-agent-theory, risk-sharing, profit- sharing, gainsharing, employee share ownership, stock options ____________________________________________________________________ * Prof. Dr. Heinz-Dieter Hardes, Jg. 1944, Professor an der Universität Trier, FB IV – Volks- wirtschaftslehre, Schwerpunkt: Arbeit/Personal/Organisation, 54286 Trier. Dipl.-Volksw. Heiko Wickert, Jg. 1971, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Trier, FB IV – Volkswirtschaftslehre, Schwerpunkt: Arbeit/Personal/Organisation, 54286 Trier. ** Unser Dank für wertvolle Hinweise gilt den Gutachtern der ZfP. Artikel eingegangen: 19.2.2001 revidierte Fassung akzeptiert nach doppelt-blindem Begutachtungsverfahren: 26.4.2002.

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308 Heinz-Dieter Hardes, Heiko Wickert: Zum Risikocharakter variabler Beteiligungsformen

Heinz-Dieter Hardes, Heiko Wickert*

Zum Risikocharakter variabler Beteiligungsformen – Überlegungen aus arbeitsökonomischer Sicht**

Im vorliegenden Beitrag werden vertragstheoretische Überlegungen zur Kon-zeption von anreizorientierten Entgeltverträgen dargestellt, mit Komponenten variab-ler Beteiligungsentgelte – neben fixierten Basisentgelten. Das begriffliche Verständ-nis monetärer Beteiligungsentgelte schließt dabei sowohl Formen periodischer Er-folgsbeteiligungen wie auch langfristige Kapitalbeteiligungen von Mitarbeitern und Führungskräften ein. Der Beitrag konzentriert sich auf einen in der Literatur bisher vernachlässigten Aspekt, insbesondere auf Risikoüberlegungen im Bezug zu variablen Bonussystemen, Mitarbeiter-Aktien-Programmen und Aktienoptionsplänen für Füh-rungskräfte. Auf der Basis der vertragstheoretischen Grundlagen werden mehrere anwendungsbezogene Folgerungen zur Gestaltung betrieblicher Beteiligungsentgelte abgeleitet.

Incentive Compensation-Schemes and Risk-Sharing Considerations This article depicts contract-theoretical considerations for the conception of

incentive-oriented employment contracts with both variable pay components and fixed base remuneration. In this context variable pay is understood as periodical per-formance-related pay as well as long-term share ownership of employees and executives. The article focuses on risk considerations regarding profit- and gain-sharing schemes, employee share ownership and executive stock-option plans. The risk aspects of variable pay have been neglected in the literature so far. The con-tract-theoretical framework provides several practice-oriented suggestions for the conceptual design of financial participation systems.

Key words: Financial participation, principal-agent-theory, risk-sharing, profit-sharing, gainsharing, employee share ownership, stock options

____________________________________________________________________ * Prof. Dr. Heinz-Dieter Hardes, Jg. 1944, Professor an der Universität Trier, FB IV – Volks-

wirtschaftslehre, Schwerpunkt: Arbeit/Personal/Organisation, 54286 Trier.

Dipl.-Volksw. Heiko Wickert, Jg. 1971, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Trier, FB IV – Volkswirtschaftslehre, Schwerpunkt: Arbeit/Personal/Organisation, 54286 Trier.

** Unser Dank für wertvolle Hinweise gilt den Gutachtern der ZfP.

Artikel eingegangen: 19.2.2001 revidierte Fassung akzeptiert nach doppelt-blindem Begutachtungsverfahren: 26.4.2002.

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 309

1. Einführung

Betriebliche Entgeltformen mit fixierten Basisentgelten sowie Komponenten va-riabler Erfolgs- oder Kapitalbeteiligungen werden vor allem von produktivitätsstar-ken Unternehmen als monetäre Anreizentgelte für Mitarbeiter bzw. Führungskräfte eingesetzt. Wenn z.B. eine Erfolgsbeteiligung als Zusatzentgelt der Mitarbeiter ange-boten wird, so besteht nach der principle-agent-Theorie ein trade off zwischen An-reizgestaltung einerseits und effizienter Risikoverteilung andererseits: Während aus Anreizgründen eine hohe Erfolgsbeteiligung rational erscheint, verlangt eine effizien-te Risikoteilung eher eine geringere Beteiligung der Mitarbeiter. Der folgende Beitrag betrifft dieses Spannungsfeld der Gestaltung monetärer Anreize in Form variabler Be-teiligungsentgelte, wobei die Risikoaspekte hier im Vordergrund stehen. In der Fach-literatur wurden die Risikoprobleme von Beteiligungsentgelten bisher weitgehend vernachlässigt, da sich nur wenige Beiträge zu diesem Thema finden lassen.1

Unsere Überlegungen basieren zunächst auf einem knappen Rekurs der ver-tragstheoretischen Grundlagen betrieblicher Beteiligungsentgelte (Abschnitt 2). Da-bei verwenden wir den Begriff der variablen Beteiligungsentgelte als Oberbegriff verschiedener Programme von Erfolgs- und Kapitalbeteiligungssystemen, da letztere als investive Form der variablen Ergebnisbeteiligung von Unternehmen betrachtet werden können, zumeist in Abhängigkeit von aktienbasierten Plänen von Mitarbeiter-Aktien für betriebliche Kernbelegschaften oder Aktienoptionen für Führungskräfte mit strategischem Einflusspotential mit Bezug zur Wertentwicklung eines Unterneh-mens. Wegen der bisher spärlichen Literaturbeiträge zu Risikoproblemen variabler Beteiligungsentgelte haben unsere Überlegungen zwangsläufig einen ad hoc formu-lierten Charakter; sie sind daraufhin ausgerichtet, die vertragstheoretischen Grundla-gen zu anwendungsbezogenen Transfers der betrieblichen Entgeltpolitik zu verwen-den, um daraus relevante Folgerungen für die Praxis der Gestaltung von variablen Beteiligungsentgelten abzuleiten. Die Überlegungen bzw. Folgerungen werden sich auf verschiedene Formen von teilvariablen Beteiligungsentgelten beziehen, zunächst auf periodische Bonussysteme oder Erfolgsbeteiligungen der Mitarbeiter (Abschnitt 3), sodann auf zwei Formen von Kapitalbeteiligungen, hierzu Mitarbeiter-Aktienprogramme (MAP) und Aktienoptionspläne (AOP) für Führungskräfte (Ab-schnitt 4).

2. Grundlegende vertragstheoretische Konzepte

Die vertragstheoretischen Grundlagen betreffen zwei Basiskonzepte, theoretische Überlegungen „relationaler Arbeitsbeziehungen“ mit unvollständi-

gen Arbeitsverträgen,

1 „Although the classic definitions emphasize the importance of both effort and risk considera-tions, much of the agency-based compensation research has tended to overlook risk consid-erations.“ (Bloom/Milkovich 1998, 283).

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principle-agent-Theorien mit asymmetrischen Informationen im Verhältnis der individuellen Arbeitsbeziehungen zwischen Mitarbeitern der Kernbelegschaften und Arbeitgebern sowie der Beziehungen zwischen Management (agents) und Eigentümern eines Unternehmens mit der Trennung von Eigentum und Kontrol-le. Asymmetrische Informationen, transaktionsspezifische Investitionen mit Poten-

tialen opportunistischer Verhaltensweisen der agents (der Vertragsparteien) sowie a-symmetrische Risikopräferenzen der jeweiligen Vertragsparteien bilden insoweit die grundlegenden Prinzipien. Das vertragstheoretische Grundproblem aus der Sicht der principles besteht darin, verstecktes Handeln der agents bzw. opportunistisches Ver-halten möglichst durch effiziente Anreizverträge einzuschränken.

Individuelle Arbeitsbeziehungen von Mitarbeitern der Kernbelegschaften und ihrer Arbeitgeber beruhen i. d. R. auf unbefristeten Arbeitsverträgen mit zwei explizi-ten Hauptpflichten der Vertragsparteien, der persönlichen Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Erfüllung von Arbeitsauf-

gaben, die zunächst bei Vertragsabschluss noch offen bleiben; der Zahlung des vereinbarten oder des marktüblichen Entgelts.

Die Vereinbarungen der individuellen Arbeitsverträge erfolgen „ex ante“, vor der konkreten Umsetzung der wechselseitigen Verpflichtungen der Akteure. Bereits Simon (1951, 293 f.) beschrieb Arbeitsverträge als offene, asymmetrische Autoritäts-beziehungen: Die ex post-Umsetzung und Bestimmung der konkreten Arbeitsaufga-ben, die konkrete Disposition der Tätigkeiten, bleibt der Weisungsbefugnis des Ar-beitgebers bzw. des betrieblichen Managements vorbehalten. Damit sind im Regelfall bei unbefristeten Arbeitsbeziehungen der Mitarbeiter von Kernbelegschaften in den Unternehmen zunächst drei relevante Merkmale von relationalen Vertragsbeziehun-gen gegeben: Vertragsabschluß und Ausführung von Arbeitsverträgen liegen zeitlich ausein-

ander. Lediglich die gegenseitigen Hauptpflichten der Vertragsparteien in den Arbeits-

beziehungen sind explizit bestimmt. Diese expliziten Vertragselemente regeln die jeweiligen individuellen Arbeits-

beziehungen nicht vollständig; offen bleiben konkrete Arbeitsaufgaben, künftige Aufstiegsmöglichkeiten und Entgeltentwicklungen der Arbeitnehmer sowie be-triebliche Trainings- und Weiterbildungsaktivitäten etc.

Weitere relevante Merkmale dieser Art von Arbeitsbeziehungen betreffen transaktionsspezifische Investitionen der Vertragsparteien, so dass nachvertrag-

liche Probleme opportunistischen Verhaltens bestehen.2

2 Opportunistisches Verhalten bedeutet eine bewusste Schädigung der Gegenseite durch ver-steckte Handlungen oder Drohungen vertraglicher Kündigungen. Im Prinzip resultieren bei-derseitige Abhängigkeiten bzw. vertragliche Bindungen zur Fortsetzung der Arbeitsbeziehun-gen.

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 311

Abb. 1: Merkmale relationaler Vertragsbeziehungen zwischen Mitarbeitern der Kernbelegschaften und den Arbeitgebern

Bei transaktionsspezifischen Aufwendungen in den Arbeitsbeziehungen sind explizite Arbeitsverträge mit umfassenden Regelungen nicht möglich, so dass ex post-Handlungen der Akteure nicht vollständig formalisiert und geregelt werden kön-nen. Damit die vertraglichen Beziehungen längerfristig eingehalten werden, sind ei-nerseits wechselseitige Vorteile – sprich: materielle und immaterielle Anreize – er-forderlich, andererseits im Regelfall von Risikoaversion der Vertragsparteien auch Teilungen der Risiken aus der Vertragserfüllung.

Bei unbefristeten, unvollständig geregelten Arbeitsbeziehungen sind ferner in-formelle Normen der wechselseitigen Kooperation zwischen den Vertragspartei-en förderlich, als informelle Mechanismen des Vertrauens zur Vermeidung von einseitigen Vorteilen bzw. Schädigungen im ex post-Handeln der vertraglichen Akteure. Zur Förderung von sich-selbst-durchsetzenden Mechanismen in offenen Ar-

beitsbeziehungen dienen vor allem personalpolitische Maßnahmenbündel zur Schaf-fung von Vertrauens- bzw. Organisationskapital. Dieses spezifische Vertrauenskapi-tal kann auch als Organisations- oder Unternehmenskultur bezeichnet werden (vgl. Kreps 1990, 93 ff., Richter/Furubotn 1999, 179 f.), ein System von richtungsgebun-denen, gleichsinnigen Regeln für angemessenes Verhalten und gleichgerichtete Maß-nahmen in Unternehmen (vgl. Abb. 1).

Die herkömmliche arbeitsvertragliche Gestaltung von Entgeltleistungen des Ar-beitgebers betraf im Wesentlichen fixierte Entgeltbeträge. Ein vertragliches Entgeltri-

offene Arbeitsbeziehungen ex post

Vertragsabschluss ex ante

unbefristete Verträge

Explizite Regelungen der Hauptpflichten der Vertragsparteien Arbeitnehmer: Erfüllung von Arbeitsaufgaben

nach Anweisungen des Arbeit-gebers bzw. des Managements

Arbeitgeber: Zahlung des vereinbarten oder

marktüblichen Entgelts

Regelfall: unvollständige Verträge

Handlungsspielräume der Akteure

Transaktionsspezifische Aufwendungen

Folge: Probleme nachvertraglichen opportu-nistischen Verhaltens, beiderseitige Ab-hängigkeiten: Teilung von Vorteilen aus der Fort-setzung der Arbeitsbeziehungen und Be-reitschaften zur Risikoteilung

Informelle Normen des wechselseitigen Ver-trauens und der Kooperation

Bündel von abgestimmten Maßnahmen der Per-sonalpolitik der Unternehmen, Schaffung von Organisations- oder Unternehmenskultur

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siko der Mitarbeiter sollte ausgeschlossen werden, das wirtschaftliche Risiko von Produktions- und Ertragsschwankungen sollte ausschließlich von den Arbeitgebern (Eigentümern der Unternehmen) übernommen werden. Ein wichtiger Grund für diese Zuordnung von Risiken kann u.a. daraus abgeleitet werden, dass die Bereitschaft der Vertragsparteien zur Übernahme wirtschaftlicher Ertragsrisiken prinzipiell als asym-metrisch gilt. Die Annahme asymmetrischer Risikopräferenzen lässt sich insbesonde-re dadurch begründen, dass das Humanvermögen der Arbeitnehmer regelmäßig rela-tiv weniger fungibel und mobil sein wird als das Kapitalvermögen der Unterneh-menseigner, das – vor allem bei Kapitalgesellschaften – an den Finanzmärkten schneller mobilisiert und stärker diversifiziert werden kann (Nalbantian 1987, 9 ff.; Milgrom/Roberts 1992, 213 f.).

Neuere vertragstheoretische Ansätze, die auch auf die Arbeitsbeziehungen an-wendbar sind, liefert die principle-agent-Theorie3 (vgl. Arrow 1985, 37 ff.). Sie hebt – neben den bereits erwähnten Aspekten der Risikoproblematik – insbesondere die Informationsstrukturen im Vorfeld bzw. ex post in den nachvertraglichen Handlun-gen der Akteure hervor, hier vor allem das Problem versteckter Handlungen („hidden action“)4 eines Arbeitnehmers. Der Fall von hidden action in den Arbeitsbeziehungen liegt vor, wenn die Input-Leistungen (die Leistungsintensität) eines Mitarbeiters vom Arbeitgeber bzw. vom Management nicht exakt zu beobachten sind, bzw. der Output oder das gemeinsame Unternehmensergebnis nicht individuellen Mitarbeitern zuge-rechnet werden kann. Die Informations- oder Kontrollprobleme bei nachvertraglichen versteckten Handlungen eines agents gelten vor allem in Fällen relationaler Arbeits-beziehungen von Mitarbeitern der Kernbelegschaft, bei vorherrschenden komplexen Arbeitsaufgaben und qualifizierter Teamarbeit. In den vielfachen Fällen von hidden action in den ex post-Arbeitsbeziehungen bestehen Möglichkeiten eines „moral ha-zard“-Verhaltens der Mitarbeiter (vgl. Milgrom/Roberts 1992, 136 ff.). Die theoreti-schen Ansätze verweisen hierzu auf prinzipielle Notwendigkeiten von monetären (und immateriellen) Anreizeffekten (anreizkompatiblen Entgeltverträgen), um bei leis-tungsoffenem, verstecktem Handeln der Mitarbeiter moral hazard zu verhindern oder zu verringern. In dem vertragstheoretischen Bezugsrahmen zur agency-Problematik in den Arbeitsbeziehungen werden drei allgemeine Annahmen kombiniert:

3 Die principle-agent-Theorie unterstellt Vertragsbeziehungen mit bilateralen Abhängigkeiten und Informationsproblemen bei der Delegation unvollständig spezifizierter Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse. Jensen/Meckling (1976, 308) definieren eine principle agent-Beziehung: „[...] as a contract under which one more persons (the principals(s)) engage an-other person (the agent) to perform some services on their behalf which involves delegations of some decision making authority to the agent.“

4 Analog ist der Fall von hidden informaton zu betrachten, wenn ein agent im Auftrag seines Vertragspartners Entscheidungen zu treffen hat und über einen Informationsvorsprung verfügt (vgl. Arrow 1985, 39 f.). Die Informationsprobleme in der ex post-Umsetzung der Vertrags-beziehungen ermöglichen ein selektives Informationsverhalten der agents (Tuschke 1999, 27).

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Asymmetrische Informationsstrukturen bewirken die skizzierten Kontrollprob-leme des Arbeitgebers bzw. des Managements.

Die Arbeitnehmer haben im Allgemeinen eine relativ geringere Risikobereit-schaft als die principles (asymmetrische Risikostrukturen).

Die Unternehmensergebnisse gelten als unsicher mit Bezug zu den Leistungen der Arbeitnehmer. Unsicherheiten werden in den formalisierten Basismodellen aus der Sicht der

principles (Arbeitgeber) als ein stochastisches Problem betrachtet; der Unterneh-menserfolg hängt einerseits von exogenen Markt- und Konjunkturrisiken, andererseits von den Leistungsintensitäten der Mitarbeiter, den endogenen Leistungsrisiken, ab. Allein die endogenen Leistungsrisiken in den nachvertraglichen Arbeitsbeziehungen können durch monetäre Anreize der Entgeltvereinbarungen beeinflusst werden. Hier-zu werden als optimale Lösungen der Anreiz- bzw. Risikoprobleme teil-variable Ent-geltverträge mit zwei Komponenten vorgeschlagen, mit fixierten Basisentgelten und variablen erfolgs- oder leistungsabhängigen Beteiligungsentgelten.

Die Komponente fixierter Basisentgelte soll dabei den Sicherheitsansprüchen re-lativ risikoaverser Arbeitnehmer entsprechen und sich an den alternativen, marktübli-chen Mindestentgelten in anderen Unternehmen orientieren. Die Anteile der variab-len Entgelte (die „Beteiligungsintensität“ der Entgeltverträge) sollten nach dem agen-cy-theoretischen Bezugsrahmen die folgenden allgemeinen Kriterien berücksichtigen: 1. Je höher die Ergebnisverantwortlichkeit oder die hierarchische Position der Mit-

arbeiter, desto höher und bedeutsamer sollte die variable Beteiligungskomponente in den individuellen Entgeltverträgen sein.

2. Variable Beteiligungsentgelte bedeuten zeitliche Schwankungen von Entgeltteilen, also Risiken zeitvariabler Entgelte. Wenn die Unternehmensergebnisse größere Schwankungen oder Unsicherheiten aufweisen, sollte die variable Komponente der Gesamtentgelte geringer sein. Neben dem Ausmaß der Schwankungsrisiken des Unternehmenserfolgs sollte die subjektive Risikobereitschaft der Mitarbeiter berücksichtigt werden: Je geringer die relative Risikobereitschaft der Mitarbeiter einzuschätzen ist, um so niedriger sollte im Prinzip der Anteil variabler Entgelte sein.

3. Schließlich: Soweit höhere Leistungsintensitäten der Mitarbeiter höhere(n) psy-chische und physische Anstrengungen („Disnutzen“) erfordern, sollten relativ ge-ringere Anreizentgelte eingesetzt werden (Richter/Furubotn 1999, 212; Hope 1999, 212 ff., Murphy 1999, 2520f.).

Der Fokus der folgenden Abschnitte betrifft vorrangig die Risikoaspekte von va-riablen Entgeltformen, also den zweiten Aspekt der vorgenannten Kriterien. Mit Be-zug zu dem ersten Aspekt, den Entscheidungsspielräumen oder der hierarchischen Position von Arbeitnehmern, bilden die oberen Führungskräfte eine besondere Ziel-gruppe. Im ersten Schritt der nachfolgenden Überlegungen werden zunächst Risiko-faktoren von Formen periodischer Beteiligungsentgelte untersucht – variabler Bonus-systeme oder erfolgsabhängiger Sonderentgelte –, die in der Realität vor allem den

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Mitarbeitern von produktivitäts- oder ertragsstarken Unternehmen als anreizorientier-te Zusatzentgelte angeboten werden.

Variable Bonus- oder periodische Sonderentgelte werden i. d. R. in Abhängig-keit finanzwirtschaftlicher Erfolgsgrößen im Zeitverlauf differieren. Die periodischen Schwankungen der Zusatzentgelte bilden hier den Schwerpunkt der Risikoüberlegun-gen. Später werden investive Beteiligungsformen, aktienbasierte Kapitalbeteiligungen von Mitarbeitern der Kernbelegschaften sowie Führungskräften, behandelt. Eine spe-zifische Risikoproblematik von Aktienbeteiligungen der Mitarbeiter betrifft vor allem die Kumulation von Kapital- und Beschäftigungsrisiken, die in den vermögenspoliti-schen Diskussionen kritisiert wurde. Aktienbasierte Beteiligungsentgelte für obere Führungskräfte haben in den börsennotierten Kapitalgesellschaften in Deutschland seit den späten 90er Jahren eine größere Verbreitung erfahren, im Besonderen variab-le Beteiligungsentgelte in Form von Aktienoptionen und Aktienbeteiligungen. Akti-enoptionen haben bei den Führungskräften spezifische Funktionen als Mechanismen zur Abstimmung der strategischen Ausrichtung der Unternehmenspolitik mit den In-teressen der Kapitaleigentümer.

3. Betriebliche Erfolgsbeteiligungen und effiziente Risikoteilungen

Teil-variable Entgeltverträge nach dem zuvor erläuterten vertragstheoretischen Bezugsrahmen enthalten im Prinzip zwei Komponenten, fixierte Basis- oder Mindestentgelte als schwankungsfreie, ergebnisunabhängige

Komponente sowie periodisch schwankende Bonus- oder Sonderentgelte in Abhängigkeit von Er-

folgsgrößen des Unternehmens oder von Unternehmensbereichen.5 Variable Beteiligungsentgelte bedeuten aus der Sicht der Mitarbeiter im Zeitver-

lauf schwankende Entgeltbestandteile, die sich mit der zeitlichen Varianz der unter-nehmensbezogenen Bezugsgrößen verändern. Die relevanten Risiken der periodi-schen Entgeltschwankungen betreffen nach den vertragstheoretischen Grundlagen ei-nerseits objektive Risiken von periodischen Schwankungen in den Bezugsgrößen so-wie andererseits die personenbezogenen subjektiven Risikoeinstellungen der Mitar-beiter.

3.1 Risiken periodisch variabler Zusatzentgelte

Die objektiven Risiken hinsichtlich der Entwicklung der Bezugsgrößen von be-trieblichen Erfolgsbeteiligungen lassen sich nach exogenen sowie unternehmensspe-zifischen Risiken differenzieren. Die Liste der möglichen exogenen marktbedingten

5 Periodische Erfolgsgrößen können aggregierte finanzwirtschaftliche Indikatoren der Umsatz- oder der Gewinn- bzw. Renditeentwicklung eines Unternehmens sein. Alternativ können auch disaggregierte Input-Größen bereichsbezogener Leistungsindikatoren, beispielsweise der Produktivitätsentwicklung oder der Input-Beiträge von Unternehmensbereichen, als Bezugs-größen verwendet werden.

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Risikofaktoren erscheint vielfältig6, die vereinfachende Annahme eines zyklischen, stochastischen Risikos bleibt unrealistisch. Denn die exogenen Marktrisiken werden sich nach Unternehmensgrößen, nach Wirtschaftsbranchen und Regionen unterschei-den. Neue Unternehmen der Technologiebranchen werden größere Schwankungsbrei-ten aufweisen als stärker diversifizierte Großunternehmen. Eine erhöhte Varianz des periodischen Unternehmenserfolgs führt sodann bei formelmäßigen, linearen Zu-sammenhängen zu entsprechenden Schwankungen der Bonus- oder Sonderentgelte. Diese exogenen Risiken können Enttäuschungen bei den Mitarbeitern bewirken, wenn variable Bonus- oder Sonderentgelte – entgegen den subjektiven Leistungen – ausbleiben.

Abb. 2: Risiken variabler, periodischer Beteiligungsentgelte

Risikoaspekte periodischer Entgeltschwankungen der Mitarbeiter

Unternehmensspezifische Faktoren der Erfolgsentwicklung haben demgegen-über endogene Ursachen, sie sind definitionsgemäß stärker von den Input-Aufwendungen der Mitarbeiter abhängig und beziehen sich somit auf die jeweiligen Abhängigkeiten des aggregierten Unternehmenserfolgs von den kollektiven Leistun-gen im Unternehmen oder von strategischen Entscheidungen der jeweiligen Unter-nehmenspolitik. Unternehmensspezifische Erfolgsrisiken betreffen demnach im Prin-zip abweichende Entwicklungen der Erfolgsgrößen der Unternehmen mit Beteili-gungsentgelten in Relation zu Vergleichsunternehmen der branchen- oder regionsbe-zogenen Umgebung; diese werden als endogene, beeinflussbare Erfolgsrisiken be-zeichnet (vgl. Abb. 2). Die Beeinflussbarkeit der Entwicklung des aggregierten Un-ternehmenserfolgs dürfte sich mit abnehmender Erfolgsverantwortlichkeit der Mitar-

6 Beispielhaft sei auf zyklische Absatzschwankungen, branchenweite Strukturveränderungen u.a. verwiesen.

objektive Risikofaktoren

subjektive Risikoneigungen

Exogene Schwankungen von Bezugs-größen

Endogene unter-nehmensspezif. Faktoren der Be-zugsgrößen

Unterschiede nach Mitarbeiter-gruppen

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beiter verringern. Folglich werden die endogenen Leistungs-Erfolgs-Risiken umso größer sein, je aggregierter die Bezugsgrößen der Beteiligungsentgelte der Mitarbei-ter ausgestaltet sind. Gemäß der agency-Theorie sollte daher das Anreizpotential mo-netärer Erfolgsbeteiligungen positiv mit der Erfolgsverantwortlichkeit bzw. hierarchi-schen Position der Mitarbeiter verknüpft werden.

Zu den subjektiven Risikoeinstellungen der Mitarbeiter: Die vertragstheoreti-schen Basisannahmen von asymmetrischen Risikoneigungen in den Arbeitsbeziehun-gen unterstellen eine relative Aversion der Arbeitnehmer gegenüber Entgeltschwan-kungen (im Vergleich zu fixierten Gesamtentgelten). Variable Beteiligungsentgelte bedeuten – gegenüber herkömmlichen Arbeitsverträgen – ein „risk sharing“ in den betrieblichen Arbeitsbeziehungen. Bei Annahme relativer Risikoscheu der Mitarbei-ter gegenüber Entgeltschwankungen erfordert eine freiwillige Akzeptanz variabler Beteiligungsentgelte folglich subjektive Erwartungen von „Risikoprämien“, also Er-wartungen von positiven Zusatzentgelten über längerfristige Zeiträume. Zum Aus-gleich des subjektiven Risikos von variablen Entgeltteilen werden die jeweiligen Mit-arbeiter wahrscheinliche Gesamtentgelte erwarten, die – über mehrere Zeitperioden betrachtet – eine Vergleichsgröße fixierter Entgeltsummen übertreffen (vgl. Nalbanti-an 1987, 9 f.; Milgrom/Roberts 1992, 210).

Der vertragstheoretische Bezugsrahmen impliziert ferner, dass die subjektive Komponente der personenbezogenen Risikoeinstellungen der Mitarbeiter in den Be-teiligungsintensitäten, also: in dem Ausmaß der Anteile variabler Entgeltkomponen-ten in den Entgeltverträgen der Mitarbeiter, Berücksichtigung finden. Sofern die sub-jektiven Risikoeinstellungen der Mitarbeiter differieren (vgl. Abb.2), sollten somit die Anteilsparameter der Erfolgsbeteiligung je nach den subjektiven Einstellungen unterschiedlich gestaltet werden.

3.2 Risikoprämien variabler Zusatzentgelte und exogene Risikofaktoren

Aufgrund des Erfordernisses von Risikoprämien als Kompensation für Entgelt-schwankungen sollten Unternehmen mit variablen periodischen Erfolgsbeteiligungen – im Folgenden als Beteiligungsunternehmen bezeichnet – demnach im Regelfall re-lativ höhere Entgeltbeträge an die Mitarbeiter zahlen, im Vergleich zu Unternehmen ohne Beteiligungsentgelte.

Die vorliegenden empirischen Untersuchungen verweisen auf einen entspre-chenden Realitätsbezug der These, dass Mitarbeiter mit variablen Erfolgsbeteiligun-gen überwiegend Risikoprämien in Form positiver Zusatzentgelte erhalten. Denn Be-teiligungsunternehmen bilden i. d. R. eine typische Auswahl von produktivitätsstar-ken Unternehmen mit überproportionalen Entgelten der Mitarbeiter. Untersuchungen auf der Basis des IAB-Betriebspanels haben für Deutschland empirische Merkmale

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von Beteiligungsunternehmen7 im Querschnittsvergleich zu Nicht-Beteiligungs-unternehmen ermittelt. Nach dieser Untersuchung sind Betriebe mit Mitarbeiterbetei-ligungen (im Bezugsjahr 1998) häufiger Großunternehmen mit relativ qualifizierten Personalstrukturen und relativ höheren Arbeitsproduktivitäten sowie vergleichsweise stärkeren Innovationsaktivitäten (vgl. Möller 2000, 570 f.) (vgl. Abb. 3).

Abb. 3: Typische empirische Merkmale von Betrieben mit einer Mitarbeiterbeteiligung

Legende: betriebliche WS = Umsätze – Vorleistungen; (+) kennzeichnet positive empirische Zusammenhänge der Größen

Ähnliche Merkmale von Beteiligungsunternehmen wurden auch in Untersu-chungen für europäische Nachbarländer mit größeren Häufigkeiten von monetären Beteiligungsentgelten ermittelt.8 Somit lassen sich die empirischen Ergebnisse verall-gemeinern: Beteiligungsunternehmen stellen in empirischer Sicht eher eine Auswahl von Unternehmen mit positiven Produktivitäts- und Erfolgsgrößen dar, die häufig ü-berproportionale Entgelte – im Vergleich zu den Nicht-Beteiligungsunternehmen – zahlen. Diese empirischen Beobachtungen lassen sich als Belege dafür deuten, dass Unternehmen mit variablen Entgeltverträgen der Mitarbeiter eher eine Art von zu-sätzlichen Risikoprämien in Form von betrieblichen Bonus- oder Sonderentgelten zahlen. Folglich werden Mitarbeiter mit variablen Beteiligungsentgelten häufig empi-risch begründete Erwartungen in Richtung positiver Chancen von betrieblichen Zu-

7 In der Untersuchung von Möller wird nicht zwischen den Systemformen der Erfolgs- und Ka-pitalbeteiligung unterschieden. Die empirischen Aussagen gelten daher nicht exklusiv für Un-ternehmen mit periodischen Erfolgsbeteiligungen.

8 vgl. z.B. Festing et al. 1999; Poutsma/Huijgen 1999.

betriebliche Produktivität

= )(.

)(

MArMitarbeitebeschäft

WSungWertschöpf

betriebliche Innovations-

intensität

qualifizierte Personal- struktur

Einführungsentscheidung bezüglich einer finanziellen Mitarbeiterbetei-

ligung

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

Betriebsgröße

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satzentgelten entwickeln, so dass die Risiken zeitlicher Entgeltschwankungen eher akzeptiert werden können.

Sofern hingegen höhere exogene Erfolgsrisiken von Beteiligungsunternehmen durch branchen- oder marktbezogene Risikofaktoren vorliegen – etwa im Fall von branchenbezogenen Strukturkrisen – sollten nach den oben erläuterten vertragstheo-retischen Normen die Anteile der variablen Entgeltkomponenten der jeweiligen Mit-arbeiter stärker begrenzt werden. Auch eine höhere Volatilität der Erfolgsentwicklun-gen – beispielsweise bei jungen KMU – sollte demnach eine geringere Beteiligungs-intensität dieser Unternehmensgruppe erfordern (vgl. Bloom/Milkovich 1998; 285 f.).

Folgerungen: 1. Monetäre Beteiligungsentgelte können aus der Sicht der Mitarbeiter vorteilhaft

und daher akzeptabel sein, wenn typische Erfolgsmerkmale von Beteiligungsun-ternehmen Erwartungen positiver Zusatzentgelte als Ausgleich von Entgelt-schwankungen stützen.

2. Andererseits: Relativ hohe exogene Marktrisiken und Volatilitäten der Erfolgs-größen aufgrund von exogenen Risikofaktoren erfordern geringere Beteiligungsin-tensitäten von Mitarbeitern (relativ geringere Anteile von variablen Entgeltteilen versus fixierten Basisentgelten).

3.3 Output- versus inputorientierte Bezugsgrößen

Monetäre Beteiligungssysteme sollen im Grundsatz eine möglichst effiziente Balance zwischen den Kriterien von Leistungsanreizen und risk sharing bewirken (vgl. Milgrom/Roberts 1992, 208 f.; Bloom/Milkovich 1998, 284 ff.). In dieser Hin-sicht bildet die Auswahl von Bezugsgrößen der variablen Beteiligungsentgelte ein wichtiges Kriterium der konzeptionellen Gestaltung monetärer Mitarbeiterbeteiligun-gen. Hierbei kann zwischen output- (Erfolgs-) und inputorientierten Indikatoren un-terschieden werden. Die erstgenannten Größen bestehen im Wesentlichen aus be-triebs- oder finanzwirtschaftlichen Kennzahlen, welche den wirtschaftlichen Erfolg der periodischen Unternehmensaktivitäten abbilden. Inputorientierte Bezugsgrößen liefern hingegen unternehmensinterne Leistungsindikatoren, welche die Inputs, die Leistungen der Arbeitnehmer, direkter erfassen.9 Entscheidendes begriffliches Ab-grenzungskriterium zwischen den output- und inputorientierten Bezugsgrößen ist die unterschiedliche Sensitivität auf exogene Markteinflüsse, welche beim Typus output- oder erfolgsbezogener Bezugsgrößen stärker ist. Folglich haben inputorientierte Bo-nussysteme (gain sharing) aus der Sicht der Mitarbeiter i. d. R. Risikovorteile, da sie

9 Inputorientierte Bezugsgrößen verwenden Beteiligungssysteme, die in der angelsächsischen Literatur als „gain sharing“ bezeichnet werden. Gain sharing-Systeme enthalten vorzugsweise endogen beeinflussbare Indikatoren wie betriebliche Produktivitätsmaße oder Kosteneinspa-rungen sowie analoge Maße auf der Basis von Zielvereinbarungen mit den Mitarbeitern.

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 319

exogene markt- oder branchenbezogene Schwankungen des Unternehmenserfolgs als Bezugsgrößen von variablen Entgelten eher ausschließen.10

Im Vergleich zu reinen Bonussystemen folgen erfolgs- oder gewinnorientierte Beteiligungssysteme hingegen konsequenter dem Prinzip der finanziellen Risikotei-lung: Nur wenn Unternehmen positive Ergebnisse oder Gewinne aus ordentlicher Ge-schäftstätigkeit erzielen, werden Zusatzentgelte als Erfolgsboni gezahlt. Reine Er-folgs- oder Gewinnbeteiligungen der Arbeitnehmer haben somit weitergehende Ziele. Statt um direkte Leistungseffekte geht es eher um Partnerschaft, Mitunternehmertum und indirekte Effekte der personalpolitischen Bindung von Mitarbeitern. Für eine Er-folgs- oder Gewinnorientierung von Beteiligungsentgelten sprechen ferner betriebsin-terne Kommunikationsziele aus der Sicht des Managements: Den Mitarbeitern soll die wirtschaftliche Situation des Unternehmens vermittelt und deutlich gemacht wer-den.11

Wenn einerseits Vorteile einer effizienten Risikoteilung eher für inputorientierte variable Bonussysteme sprechen, andererseits jedoch die finanzielle Performance des Unternehmens als die maßgebliche Grundlage von variablen Erfolgsbeteiligungen der Mitarbeiter gilt, mögen kombinierte Bezugsgrößen mit Input- und Outputindikatoren eine sinnvolle Mischung bilden. Inputbezogene Beteiligungsentgelte zielen stärker auf direkte Handlungs- oder Leistungseffekte der Mitarbeiter, am finanziellen Erfolg des Unternehmens ausgerichtete variable Beteiligungen hingegen stärker auf Unter-nehmer-Denken und indirekte personalpolitische Verhaltenseffekte bei den Mitarbei-tern. Kombinierte Bezugsgrößen dürfen allerdings nicht zu widersprüchlichen Effek-ten in der Umsetzung führen, wenn etwa exogen verursachte negative Erfolgsdaten positive endogene Leistungsgrößen der Mitarbeiter hinfällig machen können. Frustra-tionseffekte wären eine wahrscheinliche Folge. Um inkonsistente Effekte kombinier-ter Bezugsgrößen zu vermeiden, können die jeweiligen Bonussysteme gesplittet wer-den: Positive Ergebnis- oder Erfolgsdaten des Unternehmens führen dann zu einem Teilbonus variabler Sonderentgelte, während positive Input-Daten gleichfalls einen inputbezogenen variablen Teilbonus der Mitarbeiter ermöglichen. Der geteilte, addi-tive Charakter kombinierter Teilsysteme von Bonusentgelten vermeidet die mögli-chen Entgeltrisiken gegensätzlicher Entwicklungen der Bezugsgrößen.

10 Entsprechend ordnen Milkovich/Newman (1999) Entgeltverträge nach Risikoerwägungen aus der Sicht der Mitarbeiter: Gain sharing-Systeme gelten demnach als weniger risikobehaftet im Vergleich zu Erfolgs- oder Gewinnbeteiligungssystemen, weil letztere stärker durch exogene Marktrisiken beeinflusst sind (Milkovich/Newman 1999, 282 f.). Demnach finden sich in den USA gain sharing-Systeme vorrangig in produzierenden Unternehmensbereichen, d.h. bei Mitarbeitergruppen mit vermutlich relativ hoher Risikoaversion. Reine input- oder leistungs-bezogene Bonussysteme führen zu zeitlich variablen Entgeltkomponenten der Mitarbeiter, die vornehmlich mit endogenen, beeinflussbaren Einkommensrisiken verknüpft sind.

11 Eine entsprechende Begründung findet sich explizit in der Broschüre eines deutschen Stahl-unternehmens zur Einführung eines erfolgsabhängigen Beteiligungssystems.

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320 Heinz-Dieter Hardes, Heiko Wickert: Zum Risikocharakter variabler Beteiligungsformen

Folgerungen: 3. Inputorientierte Bonussysteme sind im Prinzip eher geeignet, variable Beteili-

gungsentgelte der Mitarbeiter nach endogenen, unternehmensintern beeinflussba-ren Bezugsgrößen auszurichten und externe Marktrisiken einzuschränken.

4. Reine Erfolgs- oder Gewinnbeteiligungen haben hingegen weitergehende Ziele der finanziellen Anreizgestaltung und Risikoteilung. Statt direkter Handlungs- und Leistungseffekte bei den Mitarbeitern geht es hier eher um Ziele der unterneh-mensbezogenen Kooperation und indirekte Effekte der Personalbindung.

5. Kombinierte oder mehrdimensionale input- und ergebnisorientierte Systeme von variablen Beteiligungsentgelten berücksichtigen sowohl (aggregierte) Leistungs-beiträge der Mitarbeiter wie auch die aggregierte finanzielle Performance des Un-ternehmens. Mehrdimensionale, leistungsspezifische Bezugsgrößen sollten insbe-sondere die Kommunikation von strategischen Zielen des Unternehmens fördern, dieses ohne inkonsistente Signale zu erzeugen.

Ferner ist eine Wahl zwischen aggregierten Bezugsgrößen des Gesamtunter-nehmens oder disaggregierten Größen von Unternehmensbereichen vorzunehmen. Während Output- oder Erfolgsgrößen i. d. R. als aggregierte Indikatoren zur Messung der wirtschaftlichen Unternehmensergebnisse dienen, können inputorientierte Größen auch als disaggregierte Größen der Unternehmensbereiche und als zusätzliche Ziel-größen verwendet werden. Disaggregierte, bereichsbezogene Zielgrößen haben grundsätzliche Vorteile bezüglich der Leistungs- und Steuerungsfunktion der Mitar-beiter. Denn endogene, spezifische Risiken von Fehlverhalten oder free rider-Aktivitäten der Mitarbeiter werden gezielter beeinflusst, so dass kollektive, bereichs-übergreifende Leistungsrisiken stärker eingegrenzt werden können, da sich die Beein-flussbarkeit bzw. Kontrolle der Leistungsinputs regelmäßig mit der Größe bzw. der Höhe der Organisationsebene verringert.12 Gleichwohl können disaggregierte, mehr-dimensionale Ziel- und Bezugsgrößen von Beteiligungsentgelten die Gefahr man-gelnder Transparenz und eine höhere Wahrscheinlichkeit von Inkonsistenzen bewir-ken. Mehrdimensionale Zielgrößen sollten daher in ihrer Anzahl stark beschränkt werden, um die unternehmensinterne Kommunikation von relevanten Beteiligungs-zielen zu erleichtern (vgl. Zenger/Marshall 2000, 152). Bereichspezifische Zielgrößen bedürfen deshalb einer strategischen Abstimmung mit den Zielen des Unterneh-mens.13

12 “Group-based pay plans linked to performance measures at a lower organizational level will have greater incentive intensity than plans linked to performance measures at a higher organ-izational level.” (Zenger/Marshall 2000, 151).

13 Die Literatur liefert unter dem Begriff der „balanced scorecard“-Systeme einen Bezugsrah-men zur strategischen Abstimmung bereichsspezifischer Zielgrößen (vgl. Kaplan/Norton 1997; Weber/Schäffer 2000).

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 321

3.4 Differenzierungen der Risikoteilung nach subjektiven Merkmalen Nach dem Basiskonzept der agency-Theorie haben effiziente, teil-variable Ent-

geltverträge auch die subjektiven Risikoeinstellungen der Mitarbeiter gegenüber zeit-lich schwankenden Entgeltkomponenten zu berücksichtigen. Die effiziente Balance der Anreiz- und Risikoaspekte hängt somit von personenbezogenen Merkmalen der Mitarbeiter ab. Je stärker die Risikoaversion der Mitarbeiter, desto geringer sollten die Anteile (Intensitäten) von variablen Beteiligungsentgelten sein (vgl. Weitz-man/Kruse 1990, 101; Hardes/Uhly 1996, 74 f.). Aus diesem vertragstheoretischen Grundsatz lassen sich daher Differenzierungen teil-variabler Entgelte ableiten. Sofern sich die personenbezogenen relativen Risikobereitschaften von periodischen Varian-zen der Entgelte unter den Gruppen der Mitarbeiter systematisch unterscheiden, soll-ten folglich die Relationen variabler und fixer Entgeltkomponenten nach Mitarbeiter-gruppen unterschiedlich gestaltet werden. Höhere Anteile fixierter Entgeltteile be-rücksichtigen relativ geringere Risikotoleranzen gegenüber Einkommensschwan-kungen, z.B. bei älteren Mitarbeitern, geringer qualifizierten Arbeitnehmern und Mitarbeitern unterer Einkommensgruppen und mit geringem Vermögen (vgl. Har-des/Wickert 2000, S. 61 ff.). Die betriebsspezifischen Erfahrungen der Mitarbeiter mit Einkommensschwankungen bei variablen Entgeltverträgen im längerfristigen Zeitraum hingegen dürften die Risikoneigungen positiv beeinflussen.

Insofern die Einstellungen zu zeitlich variablen Entgelten personenbezogene, indivi-duelle Merkmale mit unterschiedlichen Ausprägungen darstellen, erfordern effektive Ent-geltverträge demnach individuelle Wahlmöglichkeiten der Mitarbeiter zwischen unter-schiedlichen Beteiligungsintensitäten. Das Risiko variabler Beteiligungsentgelte kann durch entsprechende Wahloptionen bezüglich der Zusammensetzung der Entgeltformen nach den jeweiligen personenbezogenen Risikoneigungen relativ „abgesichert“ werden.

Relative Absicherungen bieten ferner nicht-lineare Entgeltverträge: Reine „suc-cess sharing“-Pläne schließen monetäre Verlustbeteiligungen der Mitarbeiter aus, da sie – wie im Regelfall der praktischen Umsetzung von Bonussystemen – lediglich va-riable Zusatzentgelte im Fall positiver finanzieller Performance des Unternehmens vorsehen. Success sharing-Pläne berücksichtigen somit stärker die Basisannahme der asymmetrischen Risikobereitschaft der Akteure der Arbeitsbeziehungen als lineare risk sharing-Pläne mit negativen Beteiligungsentgelten oder Entgeltabzügen bei nega-tiven Unternehmensergebnissen (vgl. Milkovich/Newman 1999, 282 f.).

Folgerungen: 6. Wenn die Annahme asymmetrischer Risikopräferenzen im Vergleich zwischen

Unternehmenseignern und Mitarbeitern zutrifft, dann sind success sharing-Systeme, die eine Verlustbeteiligung der Arbeitnehmer ausschließen, als relativ effizientere Beteiligungssysteme zu betrachten – im Vergleich zu Systemen mit Verlustbeteiligungen der Arbeitnehmer.

7. Wenn die relativen Risikoeinstellungen der Mitarbeiter gegenüber Einkommens-schwankungen nach personenbezogenen Merkmalen differieren, dann spricht das Prinzip der effizienten Risikoteilung für Wahlmöglichkeiten der Mitarbeiter hin-sichtlich der Anteile variabler Entgeltkomponenten und fixierter Basisentgelte.

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322 Heinz-Dieter Hardes, Heiko Wickert: Zum Risikocharakter variabler Beteiligungsformen

Die Überlegungen zu den periodischen Erfolgsbeteiligungen werden anschlie-ßend für längerfristige Beteiligungssysteme börsennotierter Kapitalgesellschaften fortgesetzt. Hierzu werden marktbezogene investive Beteiligungsformen untersucht, im Besonderen Aktienbeteiligungen von Mitarbeitern der Kernbelegschaften und Ak-tienoptionen für Führungskräfte. Erfolgsbeteiligungen haben i. d. R. periodische Be-zugsgrößen vergangener Zeitperioden. Sie gelten vielfach wegen eines Mangels an Zukunftsbezügen als nachteilig im Vergleich zu marktbasierten investiven Kapitalbe-teiligungen der Mitarbeiter, welche die Erwartungen der externen Akteure der Fi-nanzmärkte in die zukünftigen Unternehmensentwicklungen berücksichtigen. Markt-basierte Aktienpläne von Mitarbeitern bzw. Führungskräften haben den Charakter in-vestiver Beteiligungsformen mit variablen Renditen in Abhängigkeit der volatilen Kurs- und Dividendenentwicklung der Anteilswerte.14 Aus der Sicht der Mitarbeiter (Führungskräfte) werden Aktienpläne daher auch als variable, somit risikobehaftete Anlagen oder Zusatzentgelte (Aktienoptionen) verstanden, oft mit längerfristigen Bindungen an das jeweilige Unternehmen.

4. Marktbasierte Beteiligungsformen börsennotierter Unternehmen

In diesem Abschnitt sollen zunächst die Risikoaspekte von Belegschafts- oder Mitarbeiter-Aktien betrachtet werden, welche die traditionelle Form der Kapitalbetei-ligung von Arbeitnehmern in börsennotierten Großunternehmen bilden. Nach einer statistischen Übersicht zur Verbreitung von Kapitalbeteiligungen der Mitarbeiter gab es in Deutschland ca. 400 Beteiligungsunternehmen mit Belegschaftsaktien-Programmen mit ca. 1,8 Mio. Mitarbeiter-Aktionären (im Jahr 1999). Fast 80 Prozent aller Arbeitnehmer mit Kapitalbeteiligungen ihrer Unternehmen hatten Belegschafts-aktien, so dass diese ohne Zweifel eine relativ häufige nationale Form der Kapitalbe-teiligung von Arbeitnehmern darstellen.15

4.1 Mitarbeiter-Aktien als traditionelle Variante der Kapitalbeteiligung

Im Fall von unternehmensinternen Beteiligungen am Aktienkapital erhalten Mitarbeiter-Aktionäre eine doppelte Rolle, hauptsächlich als Arbeitnehmer, des Wei-teren als (i. d. R. marginale) Anteilseigner ihres Beschäftiger-Unternehmens. Im Vor-dergrund der internen Kapitalbeteiligung steht das Ziel der investiven Vermögensbil-dung bzw. des Vorsorgesparens der Mitarbeiter, meist durch begünstigte periodische Angebote des Aktienerwerbs oder auch durch Ausgabe von Gratisaktien. Trotz einer marginalen periodischen Zunahme von Anteilswerten können sich für langjährige Mitarbeiter bei regelmäßigem Erwerb der Belegschaftsaktien und kumulativer Kapi-

14 Marktbasierte Aktienpläne bilden – in der Terminologie von Williamson – hybride Anreiz-formen mit markt- und unternehmensbezogenen Elementen der Gestaltung (Tuschke 1999, 53 ff.).

15 vgl. hierzu die statistische Übersicht der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft (AGP) (http://www.agpev.de/sonstige/Tabelle.htm).

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 323

talbildung erhebliche Vermögenswerte ergeben. Im Kern erfolgt eine längerfristige Erfolgs- und Substanzwertbeteiligung der Teilnehmer an Programmen, die sich ge-zielt an Mitarbeiter großer, börsennotierter Unternehmen richten, mit variablen exo-genen und unternehmensspezifischen Kursrisiken sowie intendierten Bindungen der internen Kapitalanlagen.16 Die Wertentwicklung der Mitarbeiter-Aktien unterliegt da-her vor allem den längerfristigen exogenen sowie endogenen Kursrisiken der Beteili-gungspapiere des Arbeitgeber-Unternehmens. Die Risikoerwägungen verändern sich insoweit gegenüber dem letzten Abschnitt. Statt der periodischen Schwankungen von Entgeltteilen stehen hier längerfristige Anlagerisiken der Wertentwicklung des eige-nen Unternehmens im Vordergrund, mit längerfristigen variablen Renditechancen und Anlagerisiken, ohne eine Diversifizierung des spezifischen Portefeuilles des Be-teiligungskapitals.

Im Folgenden werden Aktienpläne von Beteiligungsunternehmen unterstellt, welche den Mitarbeitern Optionen eines periodischen Erwerbs von bestimmten Akti-enpaketen der jeweiligen Unternehmen gegen Spar- oder Eigenbeiträge zur investi-ven Vermögensbildung anbieten. Der Erwerb der Aktien kann vom Unternehmen be-günstigt werden. Bei den gegebenen Kursrisiken der Beteiligungswerte an den Fi-nanzmärkten sowie bei längerfristigen Beschränkungen der Fungibilität der Mitarbei-ter-Aktien wird sich eine subjektive Risikoaversion gegenüber volatilen Vermögens-werten oder eine hohe Liquiditätspräferenz von Arbeitnehmer-Haushalten negativ auf die Bereitschaft zur Teilnahme an den Programmangeboten zur Aktienbeteiligung auswirken, insbesondere bei Arbeitnehmern mit geringem verfügbarem Einkommen, also geringen Sparneigungen und -fähigkeiten, sowie hohen Zeitpräferenzen der kurzfristigen Einkommensverwendung (geringen Neigungen zum Vorsorgesparen). Die Teilnahmebereitschaft an freiwilligen Aktienplänen für die Mitarbeiter wird da-her nach subjektiven Merkmalen der Liquiditätspräferenz oder der Aversion gegen-über Vermögensrisiken unterschiedlich sein, vor allem nach Einkommens- oder Qua-lifikationsgruppen der Arbeitnehmer: Die Zugehörigkeit zu unteren Einkommens-gruppen sowie Gruppen mit niedrigen Ausbildungsabschlüssen wird die Teilnahme-bereitschaft i. d. R. reduzieren. Zudem: Die subjektiven Risikotoleranzen gegenüber Schwankungen der Vermögenswerte werden sich systematisch mit der Höhe der Geld- und Realvermögen der Arbeitnehmer unterscheiden, da die objektiven Risiken der Wertschwankungen allgemein Personen mit geringem Vermögen stärker belasten. Die freiwillige Anlage- und Teilnahmebereitschaft bei Aktienplänen der Beteili-gungsunternehmen wird daher nicht vollständig sein; die Teilnehmer bilden i. d. R.

16 Denn die marktbezogene Fungibilität der Mitarbeiter-Aktien wird häufig durch mehrjährige Bindungsfristen eingeschränkt. Diese Verfügungsbeschränkung betrifft seit 2002 nur noch die siebenjährige Sperrfrist als Voraussetzung für die Gewährung einer Arbeitnehmersparzulage im Rahmen des Vermögensbildungsgesetzes. Die Haltefrist von 6 Jahren als Bedingung für die steuerliche Förderung von Beteiligungstiteln auf Basis des §19a des Einkommenssteuer-gesetzes ist hingegen zum Jahreswechsel 2001/2002 entfallen.

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324 Heinz-Dieter Hardes, Heiko Wickert: Zum Risikocharakter variabler Beteiligungsformen

eine nach personenbezogenen Merkmalen strukturierte Auswahl der betrieblichen Arbeitnehmer.

Abb. 4: Einflussfaktoren der Teilnahmebereitschaft an Mitarbeiter-Aktien-Programmen (MAP)

Im Besonderen wird die Gruppe von Mitarbeitern, die sich der Stammbeleg-schaft eines Beteiligungsunternehmens zugehörig fühlen, eine überproportionale Be-reitschaft zum Erwerb von Mitarbeiter-Aktien entwickeln. Der Erfolg von Aktienbe-teiligungen, gemessen an deren Teilnehmerquoten, hängt wesentlich vom unterneh-mensinternen Klima, dem Bewusstsein der Mitarbeiter um eine Partnerschaftskultur von Beteiligungsunternehmen sowie den kommunikativen Aktivitäten des Unterneh-mens ab, um betriebliche Loyalitäten und Personalbindungen von Mitarbeitern zu er-reichen. Die Bereitschaft zum Erwerb von Aktien des eigenen Unternehmens wird daher durch eine längerfristige Betriebszugehörigkeit von Mitarbeitern der Kernbe-legschaften gefördert und durch eigene positive Erfahrungen mit Beteiligungswerten in der Vergangenheit beeinflusst (vgl. Abb. 4).

Im unterstellten Fall der Eigenfinanzierung (oder der Kofinanzierung) des Er-werbs von Aktienbeteiligungen sind Anlagebeträge aus dem Nettoeinkommen oder aus liquidem Vermögen der Mitarbeiter erforderlich, eventuell gestützt durch Darle-hen oder Bezugsvergünstigungen des Arbeitgeber-Unternehmens. Die subjektive Be-reitschaft und Fähigkeit zur investiven Vermögensanlage wird i. d. R. bei Sonderent-gelten höher einzuschätzen sein als bei laufenden Einkommen, da diese weniger durch fixierte Ausgabenpläne der Arbeitnehmer-Haushalte gebunden sind. Aus ver-fügbaren Sonderentgelten oder liquiden Vermögensquellen können daher höhere Mit-tel der Eigenfinanzierung von Mitarbeiter-Beteiligungen aufgebracht werden. Eine Verknüpfung von periodischen Sonderentgelten und jeweiligen Angeboten des Er-

Faktoren der Teilnahme-bereitschaft der Mitarbeiter

Sonder-entgelte versus lau-fende Ent-gelte

Stamm-belegschaft versus Rand-belegschaft

subjektive Erfahrungen mit Aktienbeteiligungen

Höhe des verfügbaren Haushaltseinkommens der Arbeitnehmer

partnerschaftliche Betei-ligungskultur des Unter-nehmens

subjektive Präferenzen der Vermögensbildung bzw. Vorsorge

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 325

werbs von Mitarbeiter-Aktien in Beteiligungsunternehmen kann somit sinnvoll sein, um die Bereitschaft zur Programmteilnahme zu fördern.17

Die objektiven exogenen, marktbedingten Vermögensrisiken von Kursverlusten sind bei volatilen Finanzmärkten in allgemeinen Baissezeiten erheblich. Diese exoge-nen Risiken sind vor allem in kurzfristiger Perspektive höher einzuschätzen als in längerfristigen Zeiträumen, so dass Mitarbeiter mit kurzfristigen Liquiditätsinteressen bzw. kurzfristigen Sparzielen die Risiken möglicher Wertverluste stärker gewichten müssen. Ein längerfristiger Zeithorizont von Anteilseignern wird hingegen eher dazu beitragen, die kurzfristigen marktbedingten Wertverluste auszugleichen.18 Daher kann angenommen werden, dass bei einem längerfristigen Zeithorizont der Anlagen eine Relativierung der exogenen Risiken der Kursschwankungen eintreten wird. Auch die subjektiven Risikoneigungen der Anleger werden bei längerfristiger Anlagebereit-schaft geringer sein, weil die Verlustrisiken wegen der allgemeinen Zeitpräferenz kurzfristiger, gegenwartsnaher Zeitperioden weniger gewichtet werden, analog der geringeren Gewichtung der Renditen längerfristig entfernter Zeiträume aus der Sicht der Gegenwart. Dennoch bleibt zu beachten: Aktienbeteiligungen der Mitarbeiter in herkömmlicher Form haben – im Gegensatz zu den Aktienoptionen – ein symmetri-sches Profil von Erfolgschancen und Verlustrisiken; sie liefern kein reines success sharing der Mitarbeiter.

Die unternehmensspezifischen Risiken von Wertverlusten der Mitarbeiter-Aktien werden hingegen auch längerfristig bedeutsam sein, zumal wenn bei längeren Haltefristen und eingeschränkter Fungibilität der Anteilspapiere eine längerfristige Bindung der internen Kapitalbeteiligung verlangt wird. Zu den besonderen unter-nehmensspezifischen Risiken der Mitarbeiter-Aktionäre gehören Insolvenzrisiken, welche die Mitarbeiter in ihrer doppelten Rolle treffen, die drohende Kündigung der Arbeitsbeziehungen einerseits und die Vermögensverluste andererseits. Das Argu-ment des doppelten Risikos, der Kumulation von unternehmensbezogenen Beschäfti-gungs- und Vermögensrisiken, wurde traditionell von den Gewerkschaften gegen be-

17 Beteiligungsunternehmen in Frankreich bieten häufig sog. „Unternehmenssparpläne“ zur Vermögensbildung der Mitarbeiter mit mehreren Anlagemöglichkeiten interner und externer Art an. Deren Finanzierungsquellen bilden u a. periodische Erfolgsbeteiligungen in Form der obligatorischen „Participation„- und freiwilligen „Intéressement“-Systeme. In Großbritannien können die Mitarbeiter bei Teilnahme an bestimmten Aktienplänen in ähnlicher Weise variab-le Eigenbeiträge mit dem Erwerb von Aktien des eigenen Unternehmens verknüpfen („All-employee share ownership plans“ (AESOP-Systeme)).

18 Anzunehmen ist auch, dass in längerfristigen Zeiträumen die exogenen Marktrisiken eher ab-nehmen, während die systematischen, unternehmensspezifischen Ursachen der Kursentwick-lungen relativ stärker zu gewichten sind. Die historischen Erfahrungen lassen zudem auf rela-tiv günstige Anlagerenditen von Aktienbeteiligungen schließen.

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triebliche Konzepte der Vermögensbildung von Arbeitnehmern verwendet (Deutscher Gewerkschaftsbund 1998, 12 f.).19

Abb. 5: Maßnahmen eines Unternehmens zur Erhöhung bzw. Ausweitung der Beteiligungsbereit-schaft bei MAP

Allerdings: Nach den empirischen Beobachtungen zur Verbreitung von Beleg-schaftsaktien gehören vorzugsweise Arbeitskräfte der betrieblichen Stammbeleg-schaften von börsennotierten Großunternehmen zu den Mitarbeiter-Aktionären in Deutschland. Deren Beschäftigungsbeziehungen dürften allgemein relativ gesichert erscheinen, so dass dieses unternehmensspezifische Risiko der Insolvenz eher einzel-ne extreme Fallbeispiele von Großunternehmen betreffen dürfte.20

Aus der Sicht von Beteiligungsunternehmen sind gezielte Maßnahmen möglich, um die Bereitschaft von Mitarbeitern zu beeinflussen, Anteilspapiere des eigenen Un-

19 Weitere Einwände der Gewerkschaften zu Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungen beziehen sich auf die fehlenden Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung sowie auch auf tarifpolitische In-teressenkonflikte. Bisher fehlen akzeptierte Regelungen zur Klärung der betrieblichen Mitbe-stimmungsverfahren bei der Einführung von Beteiligungssystemen. Die Gewerkschaften be-fürchten daher mangelnde Möglichkeiten der inhaltlichen Mitgestaltung bzw. Einflussnahme. Tarifvertragliche Rahmenregelungen könnten dann die Unterstützung von betrieblichen Be-teiligungssystemen durch die Gewerkschaften fördern. Im Übrigen bestehen offenbar Vorbe-halte wegen der zwischenbetrieblichen Unterschiede spezifischer Beteiligungsprogramme, die letztlich die Vertretungs- und Verhandlungsmacht der Tarifparteien schwächen könnten (Deutscher Gewerkschaftsbund 1998, 12 ff.).

20 Der spektakuläre Fall des US-Unternehmens Enron bildet ein solches Beispiel, in dem die Kontrollmechanismen gegenüber dem Management des Energieunternehmens offensichtlich versagt haben.

Maßnahmen eines Unternehmens bei ge-gebener Beteiligungs-struktur

Rentabilität des MAP verbessern

Risikofaktoren der Vermögensentwicklung reduzieren

Insbesondere geeignet zur Verstärkung der individuellen Anlagebereitschaft.

Insbesondere geeignet zur Ausweitung des Teilnehmerkreises.

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ternehmens zu erwerben und zu halten (vgl. Abb. 5). Diese Maßnahmen können dar-auf ausgerichtet sein, die Rentabilität des Aktienerwerbs zu begünstigen sowie die Risikobedingungen zu verbessern.

Die Erwerbsneigung und die Haltebereitschaft der Mitarbeiter können beein-flusst werden durch Zuschüsse des Unternehmens zur Finanzierung des Aktienerwerbs bzw. Vor-

zugspreise für Mitarbeiter, Ausgabe von Gratisaktien als Zusatzleistungen für Mitarbeiter-Aktionäre, zinsbegünstigte Arbeitgeberdarlehen zur Erleichterung der Finanzierungsmög-

lichkeiten des Erwerbs von Aktienpaketen, Prämienbegünstigungen für längerfristige Haltebereitschaften u.a.

Folgerungen: 8. Die Risiken herkömmlicher MAP betreffen weniger deren Merkmal als variable

Zusatzentgelte, sondern vor allem die Kursschwankungen der Beteiligungswerte bei volatilen Finanzmärkten sowie bei eingeschränkter Verfügbarkeit der Anteils-papiere. Wegen der Kursrisiken an den Finanzmärkten unterscheidet sich das Be-teiligungsverhalten nach personenbezogenen Merkmalen der Mitarbeiter. Über-proportionale Beteiligungsbereitschaft besteht bei längerfristigen Vorsorgezielen von Mitgliedern der Stammbelegschaft großer Unternehmen mit positiven Pro-grammerfahrungen in der Vergangenheit.

9. Beteiligungsunternehmen, welche die Bereitschaft der Mitarbeiter zum Erwerb von Aktien fördern, können die Beteiligungsbereitschaft über Rentabilitätsfakto-ren beeinflussen oder über Maßnahmen zur Verbesserung der Risikobedingungen fördern. Letztere können eher dazu geeignet sein, neue, bisher relativ risikoaverse Mitarbeitergruppen zur Aktienbeteiligung zu bewegen.

Diese finanzierungs- und rentabilitätsstützenden Maßnahmen können gezielt – gerade auch in Zeiten schwacher Börsenentwicklungen – eingesetzt werden, um die Teilnahmebereitschaft der Mitarbeiter zu fördern. Wenn jedoch die Beteiligungsun-ternehmen stärker interessiert sind, die Teilnahme auch von risikoaversen Mitarbei-tern an Aktienbeteiligungen zu erreichen, sind eher besondere Programme erforder-lich, um die Kursrisiken der Mitarbeiter-Aktien zu verringern21 (vgl. Abb. 5).

21 Verschiedene Großunternehmen (u.a. Daimler Chrysler AG, E.ON AG, VW AG) haben neu-erdings den Mitarbeitern unternehmensexterne Wertpapierfonds als zusätzliche (ergänzende) Angebote der Vermögensbildung eröffnet. Externe Fondsanlagen vermeiden die interne Bin-dung der Anlagen im eigenen Unternehmen und vermindern die Insolvenzrisiken; sie bieten durch die Mobilität und Diversifikation der Anlagen auch Chancen größerer Anlagerenditen. Allerdings werden die personalwirtschaftlichen Bindungen der Mitarbeiter an das arbeitge-bende Unternehmen gelockert.

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4.2 Mitarbeiter-Aktien-Programme mit günstigeren Risikostrukturen

In diesem Abschnitt werden wir eine neuere Form der Mitarbeiterkapitalbeteili-gung kurz vorstellen und deren Risikoaspekte beurteilen, die Variante der „Leveraged Employee Stock Ownership Plans“ (LESOP-Programme). In Deutschland bietet ein Konzern diese Variante als Alternative zu einem herkömmlichen MAP.22 Die Beson-derheiten dieses innovativen Beteiligungsmodells betreffen a) einerseits begünstigte Finanzierungsmodalitäten der Mitarbeiter zum Erwerb von

Aktien des eigenen Unternehmens, die zu einem Hebeleffekt („leverage“) mit ü-berproportionalem Renditepotential führen,

b) andererseits eine spezifische Form der Absicherung der Mitarbeiter-Aktionäre ge-genüber Kursverlusten der Anteilspapiere an den Kapitalmärkten.

Zu (a): Die Finanzierungsmittel zum Erwerb der Aktienpakete durch die Mitar-beiter werden zu größeren Anteilen durch die Bereitstellung eines Darlehens des Ar-beitgeber-Unternehmens zu attraktiven Zinskonditionen begünstigt. Dadurch wird ei-ne Beteiligung am Aktienkapital des eigenen Unternehmens erleichtert, da lediglich ein relativ geringer Eigenbeitrag der Beschäftigten zur Finanzierung des Aktiener-werbs erforderlich ist. Demnach kann ein sog. Hebeleffekt eintreten, ein überpropor-tionales Renditepotential aus einer günstigen Kursentwicklung der Unternehmensak-tien und den Dividendenzahlungen, bezogen auf den vergleichsweise geringen Ein-satz an eigenen Finanzierungsleistungen.23

Zu (b): Das Chancen-Verlustrisiko-Profil der Kursschwankungen der Mitarbei-ter-Aktien wird durch den Einsatz von Kapitalmarktinstrumenten (z.B. Put-Optionen) verändert, so dass der Kapitaleinsatz der Mitarbeiter faktisch eine Nominalwert-Garantie erhält. Die Put-Optionen führen zu einem asymmetrischen Chancen-Risiko-Profil über die Programmlaufzeit, zu einem reinen success sharing der Mitarbeiter-Aktionäre.

Aus agency-theoretischer Perspektive dürfte eine solche Begrenzung der markt-bezogenen Kursrisiken für die begünstigten Mitarbeiter begründet sein. Denn die ein-zelnen Mitarbeiter besitzen in aller Regel keine unmittelbaren Handlungskompeten-zen zur (tendenziellen) Beeinflussung der Entwicklung der Aktienkurse, so dass die Kursverlustrisiken aus der Sicht der Mitarbeiter weitgehend exogenen, also unbeein-flussbaren, Charakter haben werden. Die Anreizwirkungen von Aktienbeteiligungen der Mitarbeiter dürften wegen der mangelnden Beeinflussbarkeit der Kapitalmarkt-entwicklung weniger in einer direkten Verstärkung der individuellen Leistungsinten-sitäten der Mitarbeiter liegen. Vielmehr sind durch die Aktienbeteiligung eher indi-

22 Die Continental AG bietet den Mitarbeitern seit dem Jahr 1995 zwei Varianten von MAP an, neben einem herkömmlichen Angebot von Belegschaftsaktien auch eine Variante des LESOP-Modells (vgl. Fiedler-Winter 1998, 96 f./Continental AG (Hg.) 1999, 3 f.).

23 Das Darlehen ist am Ende einer allerdings verkürzten Programmlaufzeit (im Fallbeispiel: zwei Jahre) zurückzuzahlen, wahlweise in einer Summe oder in Raten.

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rekte personalwirtschaftliche Bindungs- und Identifikationseffekte mit dem arbeitge-benden Unternehmen zu erwarten, welche die Bereitschaft der Mitarbeiter zu einem längerfristigen Kooperationsverhalten fördern. Diese positiven Signal- und Anreizef-fekte bei den Mitarbeitern können durch eine (befristete) Absicherung der Mitarbei-ter-Aktien vor weitgehend exogen bewirkten Kursverlusten funktional verbessert werden. Denn nach den agency-theoretischen Grundlagen haben sich die Anreiz- bzw. Risikostrukturen von Entgeltverträgen mit variablen Chancen- bzw. Verlustrisi-ken nach den individuellen Erfolgsverantwortlichkeiten der Mitarbeiter auszurichten. Bei geringer unmittelbarer Verantwortlichkeit der Mitarbeiter für die Kursentwick-lung der Unternehmensanteile sollte demnach die Intensität der Kursschwankungsri-siken für Mitarbeiter begrenzt werden.

Die vorteilhaften Risikostrukturen des LESOP-Programms dürften die Teilnah-mebereitschaft der berechtigten Mitarbeiter positiv beeinflussen. Eine Falluntersu-chung zum vorerwähnten Unternehmensbeispiel, die im Rahmen eines Studienpro-jekts an der Universität Trier durchgeführt wurde, erhärtet die vorstehende These: Für viele begünstigte Mitarbeiter war die Begrenzung der Kursrisiken das wichtigste Mo-tiv ihrer Teilnahme am LESOP-Programm des Unternehmens. Im direkten Vergleich zum parallelen Angebot eines traditionellen Programms von Belegschaftsaktien war die Teilnehmerquote des LESOP-Programms signifikant höher.

Die unter (a) und (b) beschriebenen Besonderheiten von LESOP-Programmen bedeuten, dass diese neuen Varianten von Mitarbeiter-Aktien eine Art der „Annähe-rung“ an typische Programmmerkmale von Aktienoptionsplänen (AOP) beinhalten. Denn auch AOP sind durch asymmetrische Chancen-Verlustrisiken-Profile sowie durch fehlende oder geringe Eigenbeiträge der Begünstigten gekennzeichnet. Der nachfolgende Abschnitt betrifft nunmehr Risikoüberlegungen im Zusammenhang mit AOP.

Folgerung: 10. LESOP-Programme bilden eine neuere Variante von Mitarbeiter-Aktien-

beteiligungen mit begünstigten Finanzierungskonditionen und verbesserten Risi-kostrukturen. Die Risikobegrenzung der Mitarbeiter durch eine Nominalwert-Sicherung der Anlagemittel erscheint funktional aus agency-theoretischer Sicht; sie dürfte die Teilnahmebereitschaft der Mitarbeiter an Aktienbeteiligungen ihres Unternehmens wesentlich erhöhen.

4.3 Aktienoptionspläne

Aktienoptionspläne (AOP) bilden neuere Entgeltinstrumente, im Besonderen für Führungskräfte von börsennotierten Unternehmen; deren Häufigkeit hat sich seit der gesetzlichen Neuregelung durch das KonTraG in Deutschland (seit Mai 1998) unter den Unternehmen des DAX- bzw. NEMAX-Index erheblich erhöht (vgl. Deutsches Aktieninstitut 1998, 17; Deutsches Aktieninstitut/Hewitt Associates 2001, 17).

AOP lassen sich als gezielte strategische Entgeltverträge für Führungskräfte be-schreiben, deren variable Komponenten – neben einem Basisentgelt – von der länger-

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fristigen Wertentwicklung der Aktienkurse des jeweiligen Unternehmens abhängen: Die begünstigten Führungskräfte erhalten befristete Bezugsrechte zu einem künftigen Erwerb von bestimmten Aktienpaketen zu ex ante fixierten Ausübungskursen, um sie zu einer wertorientierten Unternehmensführung im Sinne des shareholder-value-Konzepts zu veranlassen. Das Prinzip des monetären Anreizes: Je günstiger sich die Aktienwerte des Unternehmens ex post im Vergleich zum vorher bestimmten Aus-übungskurs entwickeln, desto höher werden die variablen Entgeltkomponenten der Führungskräfte sein. Die Kurswerte der Aktien gelten als objektivierte, von den Fi-nanzmarktakteuren beeinflusste Größen der abdiskontierten zukünftigen Ertragswerte der Unternehmen. Statt vergangenheitsbezogener, rechnerischer Ertragsgrößen aus den Unternehmensbilanzen dienen demnach Marktwerte als strategische Bezugsgrö-ßen, als Ausdruck der Erwartungen von relevanten Finanzmarktakteuren zur Ertrags-entwicklung des jeweiligen Unternehmens. Die hauptsächliche Begründung entspre-chender variabler Entgeltverträge folgt dem agency-theoretischen Konzept; mittels AOP sollen die Interessen zwischen externen Kapitaleigentümern und den agents (dem Management) harmonisiert werden. Neben den entgeltbezogenen Anreizen zu einer strategischen Unternehmensführung nach dem shareholder-value-Konzept geht es auch um personal- sowie finanzwirtschaftliche Ziele, vor allem die Akquisition und/oder Bindung von Führungskräften durch zusätzliche Entgeltchancen sowie de-ren günstige Finanzierungsmöglichkeiten.

Im Folgenden steht die vertragstheoretische Betrachtungsweise der Anreiz- bzw. Risikoeffekte von AOP im Vordergrund. Wegen des strategischen Anreizcharakters wird zunächst unterstellt, dass sich die AOP auf einen Begünstigtenkreis von (obe-ren) Führungskräften beschränken.24 Sodann werden besondere Anreizfunktionen und Risikoeffekte bei jungen technologie-intensiven Unternehmen der sog. New Econo-my betrachtet, einer Unternehmensgruppe mit relativ hoher Volatilität der Marktper-formance einerseits und einem vergleichsweise breiten Berechtigtenkreis anderer-seits.

AOP als variable Zusatzentgelte von Führungskräften: Vertragstheoretische Effizienz- und Risikofaktoren

Nach dem agency-theoretischen Basiskonzept zielen AOP vor allem auf eine strategische, wertorientierte Unternehmensführung im Sinne der Eigentümer von bör-sennotierten Firmen. Mögliche Zielkonflikte resultieren aus den Aktionsspielräumen des Managements (hidden action-Modell). Durch variable Beteiligungsentgelte, die sich an der längerfristigen Entwicklung der Marktwerte der Unternehmen orientieren, soll im Prinzip eine Ausrichtung der Interessen der agents an einer dauerhaften Wert-

24 Eine Ausweitung des Teilnehmerkreises von AOP kann überdies, wie z.B. bei der Volkswa-gen AG, auch durch emotional-psychologische Motive begründet sein, indem durch die Opti-onsgewährung an alle Mitarbeiter eine Signalwirkung intendiert ist, die das Gefühl einer un-ternehmensweiten Erfolgsgemeinschaft erzeugen soll (vgl. Hartz 2001, 100f./176 f.).

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orientierung der Unternehmenspolitik erreicht werden. Um die Anreizeffizienz zu be-urteilen, muss folglich geprüft werden, ob durch AOP eine entsprechende Harmoni-sierung der beiderseitigen Interessen bewirkt und ob die längerfristige Entwicklung des unternehmensspezifischen Aktienkurses durch die Art der Unternehmensführung maßgeblich beeinflusst werden kann. Die Prüfung der Anreizeffizienz hat besonders die objektiven sowie subjektiven Risikofaktoren variabler Entgeltverträge mittels AOP zu berücksichtigen.

Die theoretische Grundannahme der (relativen) subjektiven Risikoaversion wird auch mit Bezug zur Gruppe der Führungskräfte unterstellt: Führungskräfte bestim-men maßgeblich die Aktivitäten der Unternehmenspolitik, sie besitzen Informations-vorteile gegenüber externen Eigentümern. Die agents setzen ihr unternehmensspezifi-sches Humankapital ein, das für die Dauer der Arbeitsbeziehungen gebunden ist. Wegen der Bindung des spezifischen Humankapitals der Führungskräfte – im Ver-gleich zur Fungibilität und Diversifikation der Vermögensportefeuilles individueller Eigentümer – wird die Annahme einer relativen Risikoaversion durch die Bindung des unternehmensspezifischen Humankapitals der Führungskräfte begründet. Indes-sen: AOP kennzeichnen Risiken variabler Zusatzentgelte mit einem asymmetrischen Chancen-Verlustrisiko-Profil (Achleitner/Wichels 2000, 12). Im Gegensatz zu den Aktionären des jeweiligen Unternehmens können die Optionsinhaber keine Wertver-luste erleiden, wenn es zu einer längerfristig negativen Kursentwicklung kommt; un-terhalb des ex ante bestimmten Ausübungskurses werden die Optionen wertlos, denn die jeweiligen Aktien können ex post zu einem günstigeren Kurs erworben werden. Die Aktienoptionen sind dann „out of money“, ein erwartetes Zusatzentgelt der Füh-rungskräfte entfällt. Der Asymmetrie-Charakter von Aktienoptionen impliziert somit positive Chancen eines variablen, kapitalmarktabhängigen Zusatzentgelts bei günsti-gen Kurserwartungen, ohne Risiken eines Wertverlustes des Kapitalvermögens. Das monetäre Verlustrisiko der begünstigten Führungskräfte wird ausgeschlossen – an-ders als bei den externen Kapitaleigentümern. Insofern führen AOP nicht zu einem symmetrischen risk sharing, folglich nicht zu einer perfekten Interessenharmonisie-rung in den principal-agent-Beziehungen.

Die relevanten Anreize und Risiken variabler Zusatzentgelte der begünstigten Führungskräfte ergeben sich aus der Beteiligungsintensität in Relation zum fixierten Basisentgelt, sprich: dem re-

lativen Umfang der Aktienoptionen, und der unternehmensspezifischen Volatilität der Kursschwankungen der Eigentü-

meranteile an den Kapitalmärkten. Die Chancen variabler Zusatzentgelte der Begünstigten werden eingeschränkt

durch Eigeninvestments der Führungskräfte als Voraussetzung für den Erhalt von Op-

tionen, Sperrfristen (vesting periods) bis zur Ausübung der Option sowie gegebenen-

falls längere Haltefristen der Aktien nach Optionsausübung.

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Die Schwankungsrisiken der Aktienkurse unterliegen i.d.R. systematischen Be-wegungen der allgemeinen Marktentwicklung, firmenspezifischen Performance-schwankungen und exogenen, meist kurzfristigen Zufallsfaktoren. Insoweit objektiv-exogene Determinanten die Entwicklung der Aktienkurse eines Unternehmens mit-bestimmen, sind exogene Risiken oder Verzerrungen der Anreizeffekte anzunehmen; absolute Ausübungsbedingungen der AOP widersprechen dann den Kriterien unter-nehmensspezifischer Verantwortlichkeit.25 In der Fachliteratur werden daher vielfach relative Ausübungskonditionen zur Neutralisierung systematischer Markt- oder Bran-chenrisiken befürwortet (vgl. Aggarwal/Samwick 1999, 102; Wenger/Knoll/Kaserer 1999, 36; Winter 2000, 43 f.). Allerdings: Die Indexierung der Ausübungsbedingun-gen führt zu einer Entkoppelung der Renditeerwartungen der Kapitaleigentümer und der Ausübungsgewinne von AOP beim Management. Die Verminderung bzw. Ver-meidung exogener Kursrisiken dient zwar einerseits im Prinzip der Anreizeffizienz von AOP, sie verfehlt jedoch andererseits den Anspruch (einer) perfekten Interessen-harmonisierung zwischen externen Eigentümern und dem Management entsprechend der principal-agent-Theorie (Kramarsch 1999, 67 f.).26

Die aufgezeigten trade offs zwischen der Beeinflussbarkeit der endogenen Un-ternehmensentwicklung durch die Führungskräfte und der agency-theoretischen Harmonisierung der Interessen von Eigentümern und Management lassen schließen, dass perfekte Lösungen des risk sharing durch AOP kaum gelingen. Lediglich second best-Lösungen der agency-Problematik von variablen Entgeltverträgen für Führungs-kräfte mittels AOP erscheinen möglich: Bei Widersprüchlichkeiten der Gestaltung der Ausübungsbedingungen von AOP spricht die Logik daher eher für kombinierte Gestaltungsformen der Ausübungskonditionen, sowohl für relative als auch absolute Bezugsgrößen, eventuell ergänzt durch endogene, kapitalmarktunabhängige Erfolgs-ziele.27

Eine andere Form der Interessen-Harmonisierung zwischen principals und a-gents bilden konditionierte Aktienoptionen, deren Zuteilung von bestimmten Eigenin-vestments der begünstigten Führungskräfte in Aktien des jeweiligen Unternehmens

25 Hohe empirische Korrelationen der Aktienkursverläufe börsennotierter Unternehmen lassen schließen, dass die unternehmensspezifischen Einflussfaktoren – einschließlich der Manage-mentleistungen – sich kaum allein in der Kursentwicklung der Aktien eines bestimmten Un-ternehmens niederschlagen. Dann könnte es für das Management eines Unternehmens „...durchaus sinnvoll sein, sich zurückzulehnen und auf einen Börsenaufschwung zu hoffen.“ (Winter 1998, 1129). In Phasen eines Börsenaufschwungs verdienen alle Manager mit Akti-enoptionen.

26 Ähnliche Argumente der Entkoppelung der Interessen von agents und Eigentümern gelten bei AOP, in denen die Ausübungsberechtigung von Aktienoptionen in Abhängigkeit von der Er-füllung endogener, kapitalmarktunabhängiger Erfolgsziele des Unternehmens gestaltet wird.

27 Der geltende AOP der BASF AG für die oberen Führungskräfte enthält entsprechend kombi-nierte Ausübungsbedingungen der Aktienoptionen mit jeweiligen Teilrechten von Aktienop-tionen (vgl. Brinkkötter 2000).

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abhängig ist. Die Gewährung und Verfügbarkeit von Aktienoptionen bestimmten Umfangs hängt dann von der Voraussetzung proportionaler Eigentümerrechte des Managements als Aktionäre des Unternehmens ab. Der vorherige eigenfinanzierte Erwerb von Aktien erfordert einen entsprechenden Eigenbeitrag des Managements aus liquidem Vermögen oder Einkommensteilen, so dass der Bezug von Optionen durch eigene individuelle Anlageentscheidungen der berechtigten Führungskräfte er-möglicht wird und die Rollenidentität mit den Aktionären stärker gefördert wird – ähnlich den MAP.28 Durch die Voraussetzung von Eigeninvestments kann die indivi-duelle Risikobereitschaft der Führungskräfte zur Anlage in Aktien des eigenen Un-ternehmens erhöht werden. Denn Aktienoptionen werden von Seiten vieler Füh-rungskräfte als Chancen positiver Zusatzentgelte verstanden, da die Optionsrechte nach den internationalen Erfahrungen häufig im Zeitraum der Berechtigung zeitnah liquidiert werden.29

Wenn demnach AOP in der Praxis vornehmlich als variable Sonderentgelte sei-tens der Begünstigten verstanden werden, mag ein Interesse der agents an der kurz-fristigen Liquidierung der durch die Optionsausübung erworbenen Aktien bestehen. Den monetären Interessen stehen jedoch intendierte längerfristige personalpolitische Bindungen der Begünstigten von AOP durch Wartefristen30 sowie (mögliche) Halte-fristen der durch die Optionen bezogenen Aktien des Unternehmens entgegen. Diese Bindungen der agents dienen zugleich der Ausrichtung der unternehmenswertorien-tierten Anreizeffekte von AOP: Die finanziellen Interessen der agents sollen funktio-nal mit einem strategischen, längerfristigen Zeithorizont abgestimmt werden. Eine

28 Das Eigeninvestment der Begünstigten kann auch als eine Maßnahme gegen Vorwürfe der fi-nanziellen „Selbstbedienung“ des Managements durch AOP betrachtet werden. Die Gewäh-rung von nackten Optionen wurde in Deutschland durch das KonTraG von 1998 ermöglicht; diese setzen – im Gegensatz zur vorherigen Umsetzung mittels Options- und Wandelschuld-verschreibungen – keine Eigenbeiträge der Begünstigten voraus. Dennoch haben einzelne deutsche DAX-Unternehmen Eigeninvestments mit der Teilnahme an AOP gekoppelt (z.B. BASF AG, E.ON AG, Bayer AG).

29 In einer Untersuchung für Großbritannien aus dem Jahr 1999 in 316 britischen Beteiligungs-unternehmen konnte ermittelt werden, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle (63%) im Rahmen der steuerlich geförderten AOP (Company Share Option Plans) unmittelbar nach den Optionsausübung eine Weiterveräußerung der Aktien erfolgte (vgl. http://www.proshare.org/ Research/cos.asp). Murphy (1999, 2534) berichtet, dass Führungskräfte in den USA im Ver-lauf der 90er Jahre erhebliche Zuwächse an Aktienoptionen erhielten, gleichzeitig wurden de-ren Anteile am Aktienvermögen des eigenen Unternehmens reduziert. Diese Beobachtungen lassen schließen, dass Aktienoptionen verstärkt ausgeübt wurden, ohne dass die Begünstigten den längerfristigen Besitz an Aktien ihres Unternehmens erhöhten. Die Zusatzentgelte aus Aktienoptionen wurden also entweder zu diversifizierten Vermögensanlagen oder zu Kon-sumausgaben verwendet.

30 Das KonTraG verlangt gesetzliche Mindestwartefristen von zwei Jahren bis zur Verfügungs-berechtigung von Aktienoptionen.

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längerfristige Bindung kann allerdings die subjektive Risikoaversion der Begünstig-ten erhöhen.

Subjektive Risikoaversionen des Managements – gestützt durch längerfristige Bindungen des subjektiven firmenspezifischen Humankapitals – können sich in ver-schiedenen Ausweichstrategien des Managements zur Reduktion ihrer Einkommens- und Beschäftigungsrisiken äußern. In der Unternehmenspraxis würde z.B. eine starke Diversifikation der Geschäftsaktivitäten dazu beitragen, die spezifischen Unterneh-mensrisiken und folglich die Risiken variabler Entgeltverträge zu mindern. Sofern „...conglomerate mergers [...] are often associated with negative shareholder re-turns...“ (Bloom/Milkovich 1998, 286), können die Renditeinteressen der Aktionäre beeinträchtigt werden. Weiterhin kann sich das Management gezielt vor subjektiven Arbeitsplatzrisiken im Fall von Übernahmen schützen, indem es die externen gover-nance-Mechanismen der Kapitalmärkte durch die Etablierung von „freundlichen“ Ak-tionärsgruppen (z.B. Mitarbeiter-Aktionäre) schwächt (vgl. Bloom/Milkovich 1998, 285 f.).31 Nach vorliegenden empirischen Befunden können jedoch hierdurch substan-tielle Kursrückgänge der Aktien des jeweiligen Unternehmens ausgelöst werden, zu Lasten der Anteilseigner (vgl. Walsh/Seward 1990, 440). Überdies mag für Manager in Unternehmen mit AOP ein Anreiz für eine restriktive Dividendenpolitik bestehen, weil Liquiditätsabflüsse den Firmen- und somit zugleich den Optionswert schmälern. Das Bestreben des Managements zur Gewinnthesaurierung32 dürfte mit steigenden Risikotransfers durch AOP wachsen, wodurch schließlich die Verzinsung der Eigen-kapitalgeber (Aktionäre) gemindert werden kann (vgl. Kramarsch 1999, 67; Winter, 2000 52 f.). Insgesamt lassen die vorstehenden Argumente schließen, dass eine effi-ziente Gestaltung von AOP möglichst eine Balance zwischen Anreizeffekten einer-seits und Risikoproblemen andererseits berücksichtigen müssen, damit dysfunktionale Ausweichreaktionen des Managements möglichst gering gehalten werden können.

Spezifische Risikofaktoren von AOP bei New Economy-Unternehmen

Die Abgrenzung der Unternehmen der New Economy wird hier idealtypisch vor-genommen: Es handelt sich häufig um junge Unternehmen in wissens- und techno-logieintensiven Branchen, wie z.B. im Bereich Internet-Aktivitäten und Biotechno-logie. Ferner: Diese Firmen haben i.d.R. relativ geringere Unternehmensgrößen im Vergleich zu Unternehmen traditioneller Branchen; vornehmlich jüngere Technolo-gie-Unternehmen bilden börsennotierte Gesellschaften spezifischer Aktienmarkt-

31 Hebestreit (2000, 192 ff.) kann anhand einer Fallstudie einer französischen Bank belegen, dass Solidarisierungseffekte der Mitarbeiter-Aktionäre mit der Unternehmensleitung maßgeblich zur Abwehr eines Übernahmeversuchs durch ein anderes Kreditinstitut beigetragen haben.

32 Die Inhaber von Aktienoptionen erwerben als solche keine Ansprüche auf Dividendenzahlun-gen, anders als die Aktionäre des Unternehmens. Hieraus resultieren Anreize der Optionsin-haber (agents), die Dividendenzahlungen einzuschränken. Vielmehr sind stärkere Anreize zu Aktienrückkäufen wegen positiver Kurseffekte anzunehmen.

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segmente („Neuer Markt“-Unternehmen). Diese Unternehmen haben wegen ihrer Know how-Intensität einen relativ qualifizierten Personalbedarf und einen hohen Be-darf an eigenen Finanzierungsmitteln in Relation zu den Umsätzen, insbesondere auch um vergleichsweise höhere, risikohaftere FuE-Investitionen durchführen zu können (vgl. Scherer 2000, 62). Dem Charakter der jungen, technologieintensiven Unternehmen der New Economy entspricht ein typisches, eher unstetiges Entwick-lungsprofil im Zeitverlauf mit ungewissen Erfolgspotentialen bei zunächst hohen ob-jektiven firmenspezifischen Risikofaktoren. Die überproportionalen Erfolgschancen bzw. wirtschaftlichen Risiken schlagen sich in heterogenen Merkmalen der Differen-zierung zwischen den einzelnen Unternehmen mit höheren Insolvenz- und Bestands-risiken der Unternehmen nieder, sowie in höheren Volatilitäten der Ertragsentwick-lungen und der jeweiligen Aktienkurse an den Finanzmärkten. Gemäß der agency-Theorie sind folglich bei überproportionalen objektiven finanzwirtschaftlichen Risi-ken dieser Unternehmen allgemein geringere Beteiligungsintensitäten, sprich: gerin-gere Anteile variabler Entgeltverträge der agents, zu erwarten. Denn mit höheren Kursrisiken und Erwartungsunsicherheiten der Finanzmarktakteure sowie höheren In-solvenzrisiken der jungen Unternehmen raten agency-theoretische Überlegungen eher zu einer Verringerung der Risikointensitäten variabler Entgelte, um Fehlanreize mit afunktionalen Ausweichreaktionen der jeweiligen Führungskräfte zu verhindern.33

Die Beobachtungen zur Häufigkeit und Gestaltung von AOP bei technologiein-tensiven Unternehmen des Neuen Marktes deuten hingegen in eine andere Richtung: Diese Unternehmen haben AOP oft in extensiver Weise implementiert; viele Unter-nehmen gewähren Aktienoptionen an breite Mitarbeiterkreise, die variablen Entgelte mittels Aktienoptionen machen eher höhere Relationen zu den Basisentgelten der Mitarbeiter aus. Dieser extensive Einsatz von AOP bei Neuer Markt-Unternehmen er-scheint bemerkenswert, wenn man berücksichtigt, dass AOP aus agency-theoretischer Sicht der Unternehmenseigner relativ aufwändige Entgeltinstrumente bilden34, die aus arbeitsökonomischer Sicht nur lohnend sind, wenn positive Anreiz- und Produktivi-tätseffekte zu erwarten sind (vgl. Murphy 1999, 2511). Hinzu kommt, dass diese Un-ternehmen nach vorliegenden Erkenntnissen eines Studienprojekts relativ häufiger standardisierte Formen von AOP verwenden, mit geringeren Häufigkeiten von Ge-staltungsparametern der Risikobegrenzung (z.B. indexierte Ausübungshürden).35 Wie kann dieser offenkundige Widerspruch zur agency-Theorie begründet werden?

33 „[...] among higher-risk firms, greater use of incentive pay should be negatively related to firm performance.“ (Bloom/Milkovich 1998, 286).

34 Der Ertragswert der Aktienoptionen aus der Sicht der Begünstigten ist allgemein geringer als die Opportunitätskosten der Unternehmenseigner (Murphy 1999, 2511).

35 Dieser Befund bildet u.a. ein Ergebnis einer postalischen Befragung unter DAX-30- und NEMAX-50-Unternehmen im Rahmen eines Studienprojekts an der Universität Trier im Sommersemester 2000 (vgl. http://www.uni-trier.de/uni/fb4/vwl-apo/PBSF2000/aop/index.htm).

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Eine theoriekonforme Erklärung mag in der subjektiven Risikobereitschaft der Mitarbeiter dieser Unternehmensgruppe liegen. Die Toleranzen der betreffenden Mit-arbeiter gegenüber den speziellen Unternehmensrisiken oder den Risiken variabler Entgeltverträge mögen deutlich stärker ausgeprägt sein als bei vergleichbaren Mitar-beitergruppen in Unternehmen traditioneller Branchen. Bereits die Bereitschaft zum Eintritt in junge Unternehmen der New Economy dürfte daher unterschiedliche Ein-stellungen der Beschäftigten signalisieren; andererseits kumulieren jedoch auch die überproportionalen Insolvenz- und Arbeitsplatzrisiken dieser Arbeitnehmer, so dass gleichfalls eine höhere subjektive Risikobereitschaft erforderlich wird. Überdies sind spezifische unternehmenspolitische Vorteile aus personal- und finanzwirtschaftlicher Sicht anzunehmen. Denn die jungen Technologie-Unternehmen befinden sich in ei-nem intensiven Personalwettbewerb mit den Großunternehmen traditioneller Bran-chen, die i.d.R. höhere Basisentgelte zahlen können, und ausländischen Konkurrenz-unternehmen.

Folgerungen: 11. AOP gelten als strategische monetäre Anreizsysteme vornehmlich für Führungs-

kräfte zur Verringerung von Zielkonflikten in den principal-agent-Beziehungen; die Asymmetrien zwischen den Akteuren lassen allerdings kaum eine perfekte In-teressenparallelisierung mittels AOP erwarten. Als präferierte Gestaltungsformen resultieren z. B. kombinierte Bezugsgrößen für die Optionsausübung sowie be-grenzte Formen des Eigeninvestments der Berechtigten in Form von Aktien des jeweiligen Unternehmens.

12. Junge technologie-intensive Unternehmen der New Economy verwenden beson-ders aus personal- und finanzwirtschaftlichen Gründen die Instrumente variabler Entgeltverträge mittels AOP relativ extensiv, obwohl agency-theoretische Überle-gungen eher das Gegenteil erwarten lassen.

Der extensive Einsatz von AOP in börsennotierten Unternehmen der New Eco-nomy lässt sich daher vornehmlich durch zwei besondere Vorteile erklären: Aus per-sonalwirtschaftlicher Sicht erleichtern AOP als Bestandteil der Vergütung die Rekru-tierung und Bindung von hochqualifizierten Mitarbeitern im Personalwettbewerb der Unternehmen. Selektions- und Signaleffekte der Rekrutierung qualifizierter, risikobe-reiter Mitarbeiter dürften hier besonders relevant sein (vgl. Scherer 2000, 62 f.; Tuschke 2002, 52 ff.). Zugleich bewirkt eine relative Substitution fixierter Entgelt-komponenten durch Aktienoptionen aus finanzwirtschaftlicher Perspektive eine Schonung der Unternehmensliquidität, weil mehr oder weniger große Entgeltbestand-teile über die Kapitalmärkte finanziert werden.

Revisionen von AOP (flexiblen Entgeltverträgen) nach unerwarteten Baisse-Entwicklungen der Aktienmärkte?

Die Jahre 2000/2001 führten an den Aktienmärkten zu substantiellen Wertver-lusten der Anteilspapiere einer Vielzahl von börsennotierten Gesellschaften über na-hezu alle Branchen; die Aktienkurse waren abwärts gerichtet, die Technologiewerte

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 337

verliefen dabei deutlich schlechter als die Standardwerte an den internationalen Fi-nanzmärkten. Die Baisse-Entwicklung führte vielfach zu einem drastischen Absinken der Kursnotierungen unter die in AOP vereinbarten (absoluten) Bezugskurse. Die vor der Baisse gewährten Aktienoptionen gerieten dadurch „out of money“, d.h. die betreffenden Aktien der Unternehmen können jetzt und in mittelfristiger Zukunft zu einem geringeren Börsenkurs erworben werden als zu den Bezugskursen der AOP. Die aktuellen monetären Anreizfunktionen von AOP können dadurch entfallen. Wie mögen betroffene Unternehmen auf diese Entwertungen der monetären Anreize ihrer AOP reagieren?

Die Beobachtungen deuten auf differenzierte Anpassungsreaktionen hin: Etab-lierte Großunternehmen neigen offenbar zu abwartendem Verhalten, während einige Unternehmen der New Economy mit Standardformen von AOP zu Revisionen der flexiblen Entgeltverträge tendieren. Das unterschiedliche Anpassungsverhalten beider Unternehmensgruppen erscheint nach den vorhergehenden Abschnitten im Prinzip verständlich: Die Aktienoptionen der etablierten Unternehmen sind i.d.R. für die Gruppe der Führungskräfte reserviert und besitzen eher den Charakter eines Zusatz-entgelts. In New Economy-Unternehmen werden AOP hingegen extensiv genutzt und dienen zudem als Substitute für Teile vergleichbarer fixierter Basiseinkommen (o.V. 2001, 16). Die objektiven Risiken variabler Entgeltteile sind bei relativ hohen Schwankungen der Aktienkurse der New Economy vergleichsweise größer. Diese Unternehmen dürften daher gezielte Anpassungsmaßnahmen vornehmen, um die Ri-sikostrukturen ihrer Entgeltverträge mittels AOP zu verändern. Eine mögliche Anpas-sung könnte z.B. eine Anhebung der fixen Entgeltkomponenten bedeuten, um die Ri-sikointensitäten der variablen Entgeltteile zu verringern. Diese Reaktion wird aller-dings für kapitalschwache Firmen wegen der höheren Liquiditätsabflüsse kaum um-setzbar sein. Diese Firmen dürften daher andere Anpassungen ihrer AOP vorneh-men36, z.B. „repricing“-Strategien ihrer variablen Entgeltverträge, um die Anreiz-funktionen der Optionen nach Baisse-Entwicklung der Märkte wiederherzustellen. Eine solche Maßnahme des repricing der Optionen bezeichnet Absenkungen der Aus-übungskurse („strike prices“) der Bezugsrechte unter die ex post-Marktwerte der je-weiligen Aktien, damit die Aktienoptionen während der Programmlaufzeiten ihren Wert nicht verlieren (Pirchegger 2002, 90 f.).

Die vertragstheoretische Deutung dieser repricing-Maßnahmen zur Reduktion der Entgeltrisiken im ex post-Verlauf der Verträge erscheint nicht eindeutig: Falls nämlich während der Laufzeit unvollkommener Anreizverträge neue Informationen über ex ante nicht vorhersehbare exogene Ereignisse bzw. Marktrisiken auftreten, können vertragliche ex post-Anpassungen die Anreizwirkungen revidierter Entgelt-

36 Denkbar wäre z.B. eine Verlängerung der Ausübungszeiträume von Aktienoptionen, um die Wahrscheinlichkeiten von Wertverlusten nach der aktuellen Baisse-Phase der Aktienmärkte zu reduzieren. Die kürzerfristige Verfügbarkeit der Aktienoptionen würde dadurch allerdings gemindert.

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verträge der agents aus der Sicht der principals verbessern. Denn die Beachtung von ex ante nicht verfügbaren Informationen kann den Einfluss nicht kontrollierbarer Entgeltrisiken vermindern. Andererseits: Gibt es während der Laufzeiten der Entgelt-verträge mittels AOP durch negative firmenspezifische Kursentwicklungen auch Sig-nale über das Leistungsverhalten der agents sind Nachverhandlungen für die princi-pals eher afunktional. Denn ein repricing würde eine ex post-“Belohnung“ von nega-tivem Leistungsverhalten der agents bedeuten, mit Konsequenzen für Fehlanreize ü-ber die vertraglichen Restlaufzeiten (Pirchegger 2002, 104 f.). Die Anreizfunktion der variablen Entgelte für eine wertorientierte Unternehmenspolitik würde dadurch ge-schwächt. Ein repricing von AOP darf nicht zur Kompensation einer verfehlten Ge-schäftspolitik genutzt werden. Die nachvertragliche Risikoverminderung variabler Entgeltverträge durch repricing-Maßnahmen der AOP lässt sich im ersten Fall als vertragliche Revision aufgrund einer Korrektur der Markterwartungen deuten. Sie verweist darauf, dass die ursprünglichen Entgeltverträge mittels AOP auf fehlerhaf-ten, allzu optimistischen Markterwartungen beruhten. Die Revisionen belegen inso-weit, dass AOP – aus vertraglicher Sicht betrachtet – imperfekte Entgeltverträge mit unsicheren Erwartungen für die längerfristige Zukunft bilden. Bestimmte Formen des repricing von AOP lassen zudem schließen, dass die jeweiligen Gestaltungsformen mit der Wahl unrealisierbarer Bezugskurse eher fehlspezifiziert waren. Die objekti-ven Marktrisiken der ex ante-Entgeltverträge wurden nicht hinreichend durch andere Gestaltungsformen der AOP (etwa relative Ausübungshürden und längerfristige Aus-übungszeiträume) abgesichert. Diese Diagnose mag im speziellen für einzelne Unter-nehmen der New Economy und deren AOP gelten.

Folgerung: 13. Nachvertragliche Revisionen von AOP nach Baisse-Phasen der Finanzmärkte be-

legen den imperfekten Charakter der ex ante-Entgeltverträge. Die vertragstheoreti-sche Deutung lässt auf Erwartungsfehler der Akteure und fehlspezifizierte Gestal-tungsformen von AOP schließen.

5. Fazit

Die vorstehenden Überlegungen zur Gestaltung variabler Beteiligungsentgelte wurden aus vertrags- und agency-theoretischen Basiskonzepten entwickelt, um an-schließend eine Reihe von Folgerungen zur betrieblichen Praxis monetärer Beteili-gungsformen abzuleiten. Die Folgerungen betrafen drei Varianten von variablen Ent-gelten, periodische Bonussysteme (Erfolgsbeteiligungen) von Mitarbeitern sowie Ka-pitalbeteiligungen börsennotierter Unternehmen, MAP, vornehmlich für betriebliche Kernbelegschaften, und AOP, insbesondere für Führungskräfte.

Jährliche Bonussysteme bilden Entgeltverträge mit variablen Zusatzentgelten, i.d.R. mit Risikoprämien relativ produktivitätsstarker Beteiligungsunternehmen. Mo-netäre Anreizeffekte und Risiken betreffen hier teilvariable periodische Entgelt-schwankungen, in Abhängigkeit von unternehmensbezogenen Performancegrößen.

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 3, 2002 339

Marktbasierte Aktienbeteiligungen von Mitarbeitern und Führungskräften unter-liegen Wertschwankungen der Anteilspapiere an den Finanzmärkten, mit längerfristi-gen variablen Renditechancen und objektiven, marktbeeinflussten Kursrisiken. Zu ei-ner größeren Teilnahmebereitschaft der Mitarbeiter sind vorzugsweise Programme mit geringeren Kursverlustrisiken zu empfehlen; die traditionellen MAP könnten dann in Analogie zu den AOP der Führungskräfte als succes sharing-Systeme – im Sinne variabler Zusatzentgelte ohne Opportunitätskosten in Form von Einbußen an Basisentgelten – entwickelt werden.

Insgesamt hat dieser Beitrag versucht, den Risikocharakter variabler Entgeltver-träge in verschiedenen Beteiligungsformen der Mitarbeiter bzw. Führungskräfte her-auszuarbeiten. Die Chancen variabler Zusatzentgelte blieben jeweils nicht ohne ver-schiedene Elemente eines risk sharing. Ohne Zweifel haben die jüngeren Erfahrungen zu einer größeren Sensitivität vieler Mitarbeiter gegenüber den Risiken variabler Ent-geltverträge beigetragen. Aus der Sicht der Entgeltpolitik der Beteiligungsunterneh-men, die häufig eine überproportionale Arbeitsproduktivität und weitere Unterneh-mensmerkmale einer qualifizierten Personalstruktur und hoher Wissensinnovation aufweisen, dürfte der Bedarf an Vertrauenskapital der Berechtigten mit einer größe-ren Sensitivität gegenüber den Risiken variabler Entgeltverträge gestiegen sein. Die Entgeltpolitik der Beteiligungsunternehmen sollte daher verstärkt als Element eines Bündels gleichgerichteter Maßnahmen einer spezifischen Unternehmenspolitik be-trachtet werden. Beteiligungsunternehmen bedürfen einer besonderen Organisations- und Vertrauenskultur, mit einer gezielten Förderung der unternehmensinternen Kommunikation und Maßnahmen zu Gunsten eines Vertrauensklimas im Unterneh-men. Variable Beteiligungsentgelte sollten folglich als Teil einer umfassenderen Un-ternehmenskultur betrachtet werden.

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