Zur Problematik des öffentlichen Notariats in Krain im Mittelalter

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Zur Problematik des öffentlichen Notariats in Krain im Mittelalter1

Von Dusan Kos

Bei der Klärung des Phänomens und der Rolle des öfFendichen Notariats in Krain stehen wir vor einer doppelten Au%abe: außer mit den allgemeinen rechtsgeschichdi-chen Problemen in einem Raum unter dem vorherrschenden germanischen Rechtssy-stem (fur höhere Schichten) werden wir mit einem Berührungsgebiet zwischen der me-diterranen (romanischen) und der alpinen (slawisch-germanischen) kulturellen und wirtschafdichen Einflußsphäre konfrontiert. Einerseits stellt sich die Frage nach der Durchsetzung von Veränderungen in der geistlichen Gerichtsbarkeit und Verwaltung im ösdichen Teil des Patriarchats Aquileia sowie nach dem Wirken der öffentlichen Notare in weldichen Belangen. Auf der anderen Seite gilt unser Interesse den Spuren des öffent-lichen Notariats in den Formularen der krainischen Urkunden aus dem 13. und 14. Jahrhundert, die infolge der geographischen Gegebenheiten lediglich eine Folge von rechdichen und allgemeinen kulturellen Einflüssen aus dem Westen auf das alltägliche Geschäftsleben und die urkundliche Praxis sein können. Besonderes Augenmerk gilt auch dem Auftreten, der Identifikation, Herkunft und Zuständigkeit sowie der Bedeu-tung der „fides publica" der krainischen öffentlichen Notare. Im Hinblick auf die inter-nationale Bedeutung des öfFendichen Notariats, das um das Jahr 1200 in Italien eine fe-ste Form erhielt, dann aber auch in den nichtromanischen Ländern2, muß bereits an die-

' Othmar Hageneder zum 70. Geburtstag. 2 Oswald R e d l i c h , Privaturkunden des Mittelalters (Urkundenlehre von W. Erben, L. Schmitz-

Kallenberg, O. Redlich, III., 1911) 209-231; Peter-Johannes S c h u l e r , Geschichte des südwestdeut-schen Notariats von seinen Anfangen bis zur Reichsnotariatsordnung von 1512 (Veröffend. des Ale-mann. Instituts Freiburg i. Br. 39, 1976); Karl Siegfried Bader , Rechtswahrzeichen in Notarsigneten (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte XI: Festschrift Hermann Bald zum 60. Geburtstag, herausg. von Klaus Ebert, 1978) 15 ff. Eine sehr nützliche Übersicht über das Notariat enthält der Sam-melband des VII. Diplomatikerkongresses in Valencia im Jahre 1986 mit einigen hervorragenden Ab-handlungen: Notariado publico y documento privado: de los origines al siglo XIV. Actas del VII. Con-greso Internacional de Diplomatica Valencia, 1986 (Valencia 1989); an dieser Stelle seien daraus Ab-handlungen angeführt, die Vergleiche mit dem krainischen Notariat erlauben: Peter R ü c k , Die Anfange des öffentlichen Notariats in der Schweiz (12.-14. Jh.) 843-877; Reinhard H ä r t e l , Notariat und Ro-manisierung. Das Urkundenwesen in Venetien und Istrien im Rahmen der politischen und der Kultur-geschichte (11.-13. Jh.) 879-926; Werner Köf l e r , Zum Vordringen des Notariats in Tirol, 1167-1175; Ivan Η l a v a f ek, Das öffentliche Notariat in den böhmischen Ländern von den Anfingen bis zu der hussitischen Revolution, 1177-1193; Peter-Johannes S c h u I e r, Fortleben des Notariats in Verwal-tung und Urkundenwesen im spätmittelalterlichen Deutschland, 1225-1258.

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ser Stelle hingewiesen werden auf die Unhaltbarkeit der bisher gültigen, jedoch nie be-wiesenen These, daß das öffentliche Notariat im Gebiet des heutigen Slowenien eine Be-sonderheit des venezianischen Istrien und teilweise des Küstenlandes mit dem Karst dar-stelle, während es im Landesinnern im Mittelalter eine Rarität gewesen sei3.

Die Zeugnisse des öffentlichen Notariats, die Notariatsinstrumente, stellten in Krain in ihrer klassischen Form eine Seltenheit dar. Es gab aber nicht wenige besiegelte Instru-mente, die etwa auch im durchaus romanischen Friaul und im venezianischen Istrien vorkommen4. Die moderne Bezeichnung solcher Urkunden ist nicht besonders aussage-kräftig. Der Terminus „instrumentum", der - zusammen mit dem Attribut „publicum" - das Notariatsinstrument bedeutete, kam in Krain selbständig bereits im 13. Jahrhun-den vor. Es bezeichnete jedoch nicht das Instrument (als solches meistens mit dem At-tribut „öffendich" oder „Aktaufzeichnung in öffendicher Form")5, sondern bis zum letz-ten Viertel des 13. Jahrhunderts die übliche Siegelurkunde. Das hing nicht von Her-kunft und Bildung des Schreibers ab, wurde dieser Ausdruck doch etwa zweimal vom ehemaligen Notar des Grafen Heinrich IV. von Andechs, Heinrich aus Zirklach (Cerklje), in den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts verwendet6, je einmal vom Klosterschreiber aus Sittich (Stifcna) im Jahre 12757 und von einem Klosterschreiber aus Landstraß (Kostan-jevica) im Jahre 12788. In allen Fällen handelte es sich um übliche Siegelurkunden. Noch länger wurde der Terminus inexakt im Verwaltungsschriftgut verwendet: in den Ver-zeichnissen der Freisinger Besitzungen in Krain und anderenorts aus dem zweiten Jahr-zehnt des 14. Jahrhunderts wurde die Siegelurkunde meistens als instrumentum, manch-mal als pnvilegium, recognicio oder littera (aperta, fideiussorum, reversalis) bezeichnet9.

Bis zum 14. Jahrhundert enthalten die Notar- bzw. Schreiberbezeichnungen in Krain keine näheren Angaben über die formale Ausbildung und Zuständigkeit: „Notar" war keine Bezeichnung fur eine Person mit Universitätsausbildung, was außerhalb Ita-

3 Unter den neueren Welken, die sich mit Instrumenten oder mit Siegelurkunden im heutigen slo-wenischen Gebiet befassen, sollen zwei erwähnt werden: ftir das öffentliche Notariat in Nordistrien, mit einem umfangreichen Verzeichnis (vorwiegend) italienischer Literatur Darko D a r o v e c , Notarjeva javna vera. Notarji in vicedomini ν Kopru, Izoli in Piranu ν obdobju beneike republike (Knjiinica An-nales 7, Koper-Capodistria 1994); fur Siegelurkunden in Krain DuJan K o s , Pismo, pisava, pisar. Prispe-vek k zgodovini kranjskih listin do leta 1300 (Gradivo in razprave Zgodovinskega arhiva Ljubljana 14, Ljubljana 1994). Altere Literatur über das Notariat ist spärlich: Sergij V i 1 f an , OdvetniStvo na Slovens-kem in ljubljanska odvetniika zbornica do razSiritve zborniinega obmodja na jugosiovansko Slovenijo. Pravnik, revija za pravno teorijo ter sodno, upravno in gospodarsko-pravno prakso 23 (1968) 24,34, 36, 46-47 (vor allem fur das 18. und 19. Jahrhundert); Sergij V i 1 f a n - Βοίο O t o r e p e c , Les archives no-tariales en Yougoslavie. Archivum 12 (1962) 105-120 (in der Abhandlung wird Slowenien nur auf S. 113-114 berührt).

4 Milko K o s , Aus der Geschichte der mittelalterlichen Urkunde Istriens (Studien zur älteren Ge-schichte Osteuropas 1, Festschrift fur Heinrich Felix Schmid. Wiener Archiv für Geschichte des Slawen-tums und Osteuropas - Veröffentlichungen des Instituts fur osteuropäische Geschichte und Südostfor-schung der Universität Wien II, 1956) 49 ff; Härtel, Notariat (wie Anm. 2) 892fF.; Oswald R e d l i c h , Siegelurkunde und Notariatsurkunde in den südöstlichen Alpenländern. Carinthia I 103 (1913) 25.

5 Franz S c h u m i , Urkunden- und Regestenbuch des Herzogthums Krain II. 1200-1269 (= URBKr) (Laibach 1884 u. 1887) 145 Nr. 186, 228 Nr. 291, 268 Nr. 345.

6 URBKr II, 45 Nr. 60, 49 Nr. 62, 105 Nr. 138, 205 Nr. 261; Joseph Z a h n , Codex diplomaticus Austriaco-Frisingensis (Fontes rerum Austriaca rum = FRA 11/31, 35, 36, 1870, 1871) 11/31, 146 Nr. 150.

7 Bozo O t o r e p e c , Gradivo za zgodovino Ljubljane ν srednjem veku (= GZL) VII/3. 8 GZLVII/5 . 9 FRA 11/36, 68-69, 79, 106-107, 131-138.

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liens nur bei den Titeln „magister" und „doctor" der Fall war. Auf der anderen Seite be-deutete „Schreiber" (scriba, scriptor, schreibet) nicht nur den Verfasser und Schreiber der Urkunde, sondern gegebenenfalls auch den Verwalter von auswärts gelegenen Herr-schaften (ζ. B. in der Freisinger oder Tirol-Görzer landesftirstlichen Verwaltung in Krain)10. Bis um die Mitte des 13. Jahrhunderts überwog bei den nichtitalienischen Schreibern der bescheidenere Titel scriba oder scriptor, seit der Mitte des 13. Jahrhun-derts aber „Notar", jedoch nur in lateinischen Urkunden. In deutschen Urkunden kommt gewöhnlich „Schreiber" vor". In italienischen Städten wird unter dem Terminus „Notar" bereits lange vor der Durchsetzung des öffendichen Notariats ein Schreiber mit einem bestimmten Grad der „fides publica" verstanden. Aus diesem Grunde bezeichne-ten sich alle in Krain wirkenden Schreiber italienischer Herkunft mit dem Titel „Notar". Der Titel rief ein höheres Ansehen hervor, folglich nannte sich „Notar" im Jahre 1301 ζ. B. sogar der Landstraßer Mönch und Schreiber Wernher, der keine besonderen Erfah-rungen mit Italien und mit dem öffendichen Notariat gemacht haben dürfte12.

Bis zur zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als die Patriarchen von Aquileia noch einen spürbaren politischen Einfluß ausübten, schlug sich die norditalienische Urkun-denpraxis nicht nur in den Urkunden nieder, sondern auch in vielen kulturellen und wirtschaftlichen Bereichen mit Ausnahme der Rechtsordnung, die in Krain österrei-chisch-bayerisch bzw. fur niedere Schichten slowenisch bestimmt war. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts entstanden außerhalb Krains, vor allem in Istrien, einige Urkunden des Krainer Hochadels, die als „charta" von istrischen und friulanischen Autoren verfaßt wurden. Der Krainer Adel war bei der Abfassung der Urkunden auf (geistliche) Empfan-ger und einheimische Kleriker angewiesen. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts entstan-den in der Kanzlei des Patriarchen reine Notariatsinstrumente, die um 1200 in Nordita-lien zusammen mit der Siegelurkunde endgültig die alte dispositive „charta" ersetzen. Die Patriarchen begannen sich hinsichdich der Urkundenabfassung an öfFendiche No-tare zu wenden, fur auswärtige Empfanger (in Krain, Kärnten usw.) ließen sie dagegen Siegelurkunden anfertigen. Als Besonderheit kam im 12. Jahrhundert das „breve recor-dationis" vor, das in Italien eine Beweisurkunde im Gegensatz zu der dispositiven „charta" darstellte13. Eine solche Urkunde entstand in Krain im Jahre 1160. Sie wurde vielleicht von einem friulanischen Amtmann verfäßt, dem Richter Jakob, der als Bevoll-mächtigter der friulanischen Empfänger nach Bischoflack (Skofja Loka) kam'4. Misch-formen zwischen der alten „charta", dem neuen Notariatsinstrument und der Siegelur-kunde entstanden im 13. Jahrhundert in Istrien, aber auch an den wesdichen und nörd-lichen Grenzen Krains15. Zweifelsohne handelt es sich dabei um eine Folge der Einflüsse

10 Pavle B l a z n i k , Skofja Loka in loiko gospostvo 973-1803 (Skofja Loka 1973) 41ff.; Josip Ζ ο η t a r, Kranjski deielni vicedom (Razprave SAZU, razred za zgod. in druib. vede V = Hauptmanov zbornik, Ljubljana 1966) 284 ff.

" Vgl. die Nomenklatur in der alemannischen Schweiz (Rück, Anfange, wie Anm. 2, 868-869). 12 Kos, Pismo (wie Anm. 3) 196-197, 204. " Härtel, Notariat (wie Anm. 2) 881 ff. Allgemeines über Notariatsinstrumente bei Redlich, Privat-

urkunden (wie Anm. 2) 209-232. 14 FRAII/31, 108-109 Nr. 110. Vgl. Redlich, Siegelurkunde (wie Anm. 4) 26. 15 Über mittelalterliche Urkunden in Istrien und über Notariatsinstrumente siehe Kos, Istrien (wie

Anm. 4) 49 ffi Über die Siegelinstrumente von Aquileia siehe Rainer P u s c h n i g , Das Urkundenwesen der Patriarchen von Aquileia (Hausarbeit am IÖG, 1933) 84-91; Über die Instrumente der Görzer Kanzlei siehe Karl S t a r z a c h e r , Beiträge zum Urkundenwesen der Grafen von Görz, besonders für die Zeit von 1271-1350 (Hausarbeit am IÖG, 1935) 13ff.

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aus Aquileia und der Praxis der professionellen Schreiber italienischer Herkunft, die im ösdichen Teil des Patriarchats wirkten16.

Nach 1200 treten als Träger der neuen Beurkundungspraxis gebildete Aquileienser Kanoniker auf, die zugleich als Pfarrer in Krain wirkten, und zwar zunächst und am deudichsten im Rahmen des neueingefiihrten schriftlichen geisdichen Gerichtsverfah-rens, war doch bereits vom 4. Laterankonzil (1215) die Forderung nach der Anwesen-heit einer „öffendichen Persönlichkeit", d. h. eines „notarius publicus", bei den geistli-chen Gerichtsverfahren gestellt worden17. Das öffendiche Notariat tritt daher am offen-kundigsten im Bereich der geisdichen Gerichtsbarkeit der Archidiakone und Offiziale her-vor, der wichtigsten Aufnahmestelle des öffendichen Notariats in Deutschland18. Nach dem Aussterben der Spanheimer als faktischer Landesherren 1269/1279 und nach den in den südösdichen Alpen eingetretenen Veränderungen hörte der norditalienische Ein-fluß auf das weldichen Urkundenwesen nicht auf. Die Herrschaft der Grafen von Tirol-Görz in Krain und Kärnten (1276—1335) bedeutet eine ein halbes Jahrhundert wäh-rende Verschmelzung von romanischen Wirtschafts- und Verwaltungsformen mit ger-manischen Rechtsformen zu einer eigenständigen, jedoch germanisch geprägten Ge-schäftspraxis, wie sie sich bereits etwa in (Süd-)Tirol durchgesetzt hatte19. Der urkundli-chen Romanisierung wurde durch Urkunden in deutscher Sprache Einhalt geboten. In ministerialischen Angelegenheiten und Besitzfragen wurde nach dem Gewohnheits-, Land-, Lehens- und Ministerialenrecht entschieden20. Im weldichen Urkundenwesen glichen sich die Siegelurkunden praktisch jenen in den nördlichen Ländern an. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts drang in die Krainer geisdiche Gerichtsbarkeit der Archidiakone das kanonische bzw. römische Recht ein, das ein mehrstufiges schriftliches Gerichtsverfahren vorsah: die Beweisführung, den eigentlichen Prozeß mit der Vertre-tung durch die Prokuratoren und die Appellation. Aus diesem Grunde kommen alle Ur-kunden, die einzelne Prozeßschritte betreffen, also keine endgültigen Entscheidungen wiedergeben, in diesem Zeitabschnitt aus dem geistlichen Bereich und weisen deutliche Merkmale des öffendichen Notariats auf.

Die frühesten deudichen Mischformen zwischen dem Instrument und der Siegelur-kunde enstanden in Innerkrain (Notranjska), wo es den Patriarchen gelang, ihre eigene Herrschaftsverwaltung mit gebildeten Amdeuten (oftmals Pfarrern und Klerikern aus der Umgebung) länger zu bewahren. Diese fertigten Urkunden auch für andere Auftrag-geber, meistens fur den ortsansässigen Adel, aus. Das früheste Exemplar stellt eine Sie-gelurkunde dar, die 1220 von einem unbekannten Notar fur Engelbrecht von Auersperg (Turjak) als Aussteller und die Heunburger Ministerialen aus Laas (Loz) als Empfänger verfaßt wurde. Die charakteristische Schrift, die typische monogrammatische und ver-bale Invocatio sowie die Anfuhrung von Zeugen durch interfuerunt vocati, der zu häufige

" Redlich, Siegelurkunde (wie Anm. 4) 23 ff, Härtel, Notariat (wie Anm. 2) 8 8 8 - 8 9 7 . 17 Const. 38, ed. Antonio G a r c i a y G a r c i a , Constitutiones Concilii quarti Lateranensis una

cum Commentariis glossatorum (Monumenta Iuris Canonici A/2, Cittä del Vaticano 1981) 80 Z. 4 - 7 . " Schuler, Fortleben (wie Anm. 2) 1226-1228. Vgl. auch Othmar H a g e n e d e r , Die geistliche

Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich (Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs 10 ,1967) 259 ff.

" Härtel, Notariat (wie Anm. 2) 901 ff. 20 Duian Kos , Imago iustitiae. Historiini sprehod skozi preiskovanje, sojenje in pravo pri

plemstvu ν poznem srednjem veku (Zbirka ZRC 3, Ljubljana 1994) 17-26 ; Kos, Pismo (wie Anm. 3) 3 0 - 3 2 .

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Gebrauch des Titels dominus für die Auersperger Ministerialen, denen dies in rechdicher Hinsicht nicht zustand, sowie die Bologneser Datierung und die vergessene Ankündi-gung des Siegels bezeugen die Herkunft und Ausbildung des Notars21. Auch die zweite Urkunde dieser Art stammt aus dem Innerkrainer Notarskreis - das Privileg der Grafen von Sternberg-Heunburg aus dem Jahre 1237 fiir ihre Ministerialen in Laas22. Die äu-ßere Form erinnert weniger an ein Instrument, deudichere Merkmale einer öffentlichen Notariatsurkunde sind aber in der Corroboratio enthalten, die auf die Nennung der Zeugen folgt (beides steht nach dem Datum), sowie die Besonderheiten der Schrift (Ab-kürzungen, Buchstabenform). Charakteristisch ist die Ankündigung der Zeugen (Inpre-sencia), die nach der Datierung eng am rechten Pergamentrand angeführt sind. Der Notar ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Pfarrer von Altenmarkt (Stari trg) oder von Zirknitz (Cerknica), der gewöhnlich aus dem Kapitel von Cividale stammte.

Seit den sechziger Jahren des 13. Jahrhunderts werden „Notare" in einigen Krainer Städten erwähnt. Zunächst in Stein (Kamnik), bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts die bedeutendste Stadt in Krain und seit den siebziger Jahren häufig Sitz der Krainer Archi-diakone. Aus diesem Grunde übte Stein immer eine Anziehungskraft auf angesehene Geisdiche aus, die in der archidiakonischen Gerichtsbarkeit wirkten. Auch die politi-schen Verhältnisse wirkten sich auf die Zahl des Verwaltungspersonals günstig aus, war die Stadt doch bis 1228 Mittelpunkt der Krainer Besitzungen der Andechser, seit 1229 Mittelpunkt der babenbergischen Herrschaft Stein und ihrer Quasi-Landesherrschaft zwischen 1232-1246. Eine der bekannten Persönlichkeiten aus dem italienischen Raum war der Geistliche und Notar Leonhard, der zwei adelige Schenkungsurkunden fiir das nahegelegene Kloster Michelstetten (Velesovo) verfaßte (1248, 1260)23. In derselben Zeit wirkte in Stein der professionelle Notar Salomon. Es steht fest, daß er im Jahre 1258 die Gerichtsurkunde fiir den Pfarrer von Laibach (Ljubljana) und Archidiakon Ludwig verfaßt hat24. Das Diktat dieser Urkunde ist fortgeschrittener als das der zeitge-nössischen Urkunden in Krain (etwa die „nos"-Urkunde, die Verben im Präsens und die Bologneser Datierung), was, zusammen mit dem Titel, von seiner Ausbildung als öffent-licher Notar zeugt, während der Personenname auf seine Herkunft hinweist. Auch sonst war der überwiegende Teil der Steiner Archidiakone und Pfarrer seit dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts als Urkundenverfässer tätig, in den Jahren 1280-1310 mit Sicher-heit wenigstens drei. Der erste ist Manfred della Torre (1287-1293), der Urkunden mit Elementen des Instruments verfaßte, etwa 1287 in Cividale, und im darauffolgenden Jahr in Laibach sogar eine Urkunde für den Kärntner Herzog25. Eine rege Tätigkeit ent-faltete auch Ulrich, zunächst Pfarrer in Goriach (Gorje), dann in Stein, der als Schul-meister ständigen Wohnsitz in Stein hatte. Dort fertigte er zwischen 1287 und 1312 die meisten (Siegel-) Urkunden fiir lokale Auftraggeber aus: Bezeugt sind wenigstens 1826.

21 URKBKr II, 25-26 Nr. 34. Über die Einflüsse des Instruments bei der Angabe von Zeugen und bei der Datierung in den Ostalpen siehe Redlich, Siegelurkunde (wie Anm. 4) 29-30.

22 URBKr II, 70-71 Nr. 96. 23 URBKr II, 123 Nr. 160, 213-214 Nr. 273. 24 URBKr II, 206-207 Nr. 265 - unter falschem Datum: 1259 XII 31. 25 Arhiv Republike Slovenije (= ARS, Archiv der Republik Slowenien), Urkunden des Klosters Min-

kendorf (= ARS MK), früher im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien (= HHStA), 1287 X 3. Cividale; Allgemeine chronologische Urkundenreihe (AUR) im HHStA, 1288 II 8. Laibach.

26 Kos, Pismo (wie Anm. 3) 206-208.

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Auch in Laibach lebten in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Schreiber des norditalienischen Kreises, die trotz der Ausfertigung von Siegelurkunden an der romani-schen Tradition festhielten. Der erste bekannte Schreiber war der ehemalige Kaplan des Patriarchen Berthold, der Laibacher Pfarrer und Krainer Archidiakon Magister Ludwig (1248—1265), der zwischen dem Jahre 1262 und 1265 als päpsdich delegierter Richter das Diktat mehrerer Gerichtsurkunden verfäßte. Ludwigs Autographen sind zwei Ur-kunden aus den Jahren 1262 (Konzept) und 126527. Dem Instrument am nächsten steht eine Schiedsurkunde aus dem Jahre 1262. Ihr Protokoll beginnt mit der Datierung und Intitulatio, es folgt Ludwigs Text, der durch zwei inserierte Urkunden von Papst Urban IV. und dem Freisinger Bischof Konrad II. unterbrochen wird28. Ludwig war sich seines Ansehens und seiner Beziehungen bewußt, wandte er doch in einigen Urkunden sogar die Devotionsformel an29.

Aber nur in der Kartause Freudental (Bistra) in Innerkrain (Notranjska) hatten ita-lienische Einflüsse die Entstehung eines „echten" Instruments bewirkt. Anfang des Jah-res 1265, kaum einige Jahre nach der Gründung des Klosters (1255/60) , entstand nach der Visitation eine Urkunde, die von zwei vom Kartäuser Generalkapitel entsandten und fur die Kartausen auf slawischem Gebiet zuständigen Visitatoren, beide Prioren aus der Lombardei, veranlaßt wurde30. Die Urkunde beginnt mit der Invocatio, es folgen die Datierung der Handlung (1264) , die Handlung, die Siegelankündigung und die zweite Datierung, die sich auf die Ausstellung der Urkunde (1265) bezieht. Die Urkunde wurde von einem der Visitatoren oder von ihrem Schreiber, oder sogar von einem unbe-kannten einheimischen Mönch verfaßt. Die Kartause war nämlich das einzige Krainer Kloster, das seit seiner Gründung enge Geschäftsbeziehungen mit Italien, Friaul und Istrien unterhielt. Kontakte zum Krainer Adel und zum Krainer Bürgertum waren da-gegen viel weniger intensiv. Das lag an der Zugehörigkeit zur italienischen Kartäuser-provinz Lombardei, von wo die ersten Mönche kamen. Die Autorenschaft der zweiten Freudentaler (Empfanger-)Urkunde, die von allen Urkunden bis 1300 einem Notariats-instrument am nächsten steht, entstand im Jahre 1299 in Laibach31. Sie weist noch deudicher auf ihre klösterliche Herkunft hin: sie ist in einer runden, einer Buchschrift ähnlichen Schrift mit deuüichen italienischen Elementen abgefaßt. Sie beginnt mit der Datierung (allerdings ohne die Bologneser Datierung!) und dem Hinweis auf die anwe-senden Zeugen. Am Ende der Urkunde sind diese und die Datierungsformel angeführt (Acta sunt hec in domo ... übt vocati sunt testes ...et alii multi testes autem wcati ad consensum ... ut ita fierent supradicta sunt isti). Die Herkunft des Ausstellers ist zusätzlich auf italienisch erklärt mit dem Adverb condam (in der Bedeutung „verstorben") und dem Namen des Vaters im Genitiv. Die Schreibweise Gorradus und Gueylsiberti anstatt ζ. B. Conradus bzw. Geiselberti sowie der um 1300 ganz ungewöhnliche Terminus terra Lebacensis sprechen für einen Italiener als Schreiber.

Die Urkundenpraxis in der Kartause Freudental begann sich erst in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit der Ausrichtung des Kartäuserordens gegen Osten zu verän-

27 FRA11/31, 233-234 Nr. 223, 263-264 Nr. 246. M FRA II/31, 230-233 Nr. 222. w FRA II/31, 224 Nr. 215, 233 Nr. 223. 30 Veröffeiulicht von Franz S c h u m i in: Archiv fur Heimatkunde 1 (Laibach 1882) 110-111

Nr. 42. 31 GZLX/12 .

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dem. Im Jahre 1335 ging Freudental, zusammen mit den Kartausen Seitz (Zice) und Gairach (JurkloSter), aus der lombardischen in die neugegründete deutsche (nach 1355 oberdeutsche) Provinz über, die sich in personeller und organisatorischer Hinsicht von Italien entfernte32. Im Urkundenwesen hatte das eine Anlehnung an die Siegelurkunde zur Folge. Die Mönche hielten jedoch die Geschäftskontakte zum Westen aufrecht, vor allem durch Testamente, die in Görz (Gorica), Capodistria (Köper) oder anderswo im Küstenland (Primorska) natürlich in Form von Notariatsinstrumenten verfaßt wur-den33. Das erste „Nicht-Aquileienser" Krainer Notariatsinstrument außerhalb einer fremden Kanzlei und fur einen Krainer Empfänger enstand im Jahre 1313 in demselben Kloster. Sein Autor war der ehemalige öffentliche Notar aus Capodistria Johannes Blaio-nus, der damals Novize in Freudental war. Nach dem istrischen Modell ist das Perga-ment hochformatig, vor der verbalen Invocatio ist ein achtstrahliger Stern eingezeichnet. Statt des Signets stehen zwischen dem Text und der Unterschrift von Johannes drei ei-genhändige Unterschriften der Funktionäre von Capodistria (der zwei Vizedome und des Podestä bzw. Hauptmanns), bezog sich die Handlung doch unmittelbar auf die Ein-wohner dieser Stadt34. Dennoch wies der überwiegende Teil der klösterlichen Krainer (Empfanger-)Urkunden seitdem nur wenige Merkmale eines Instruments auf. In der er-sten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden solche Urkunden vor allem in Vigann (Be-gunje) in Innerkrain, wo das Kloster eines seiner Herrschaftszentren hatte35. Die einhei-mischen Freudentaler Instrumente verschwanden in einer Umgebung, wo die Siegelur-kunde die Vorherrschaft hatte, aus der klösterlichen Urkundenpraxis. In der ersten Hälfte des 15- Jahrhunderts war der Klosterschreiber keine geeignete Person zum Abfas-sen von Urkunden in fremder Sachen, vor allem gilt dies fiir die Fälle, wo die „ fides pu-blica" absolut unabdingbar war. Aus diesem Grunde mußte etwa im Jahre 1433 der öf-fendiche Notar Heinrich Rauch aus Laibach nach Oberlaibach (Vrhnika) geholt wer-den, um in einem Instrument die Zeugenaussagen über den letzten Willen des Bischofs Gregor von Pedena aufzuzeichnen und zu beglaubigen. Letzterer war zwischen 1418 und 1433 Generalvikar von Aquileia und starb im Kloster Freudental36. Es handelte sich um einen bedeutenden Rechtsakt, der in romanischen Ländern die Anwesenheit eines öffendichen Notars voraussetzte, was in Krain nicht der Fall war. Bei der Heranziehung eines öffendichen Notars spielten der geisdiche Rang und das Ansehen des Verstorbenen eine entscheidende Rolle.

Seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts erfuhr die gesamte Urkundenpraxis in Krain unter dem verstärkten Einfluß aus dem Norden Veränderungen. Dies war eine Folge der Herrschaft der Tirol-Görzer über Krain, noch mehr aber der Besetzung Krains durch die

32 Joze Μ1 i η a ri c, Kartuziji Ziie in Jurkloiter. Ziika kamizija ok. 1160-1782, Jurkloitrska kartu-zijaok. 1170-1595 (Maribor 1991) 11-16.

33 Die wichtigsten Stifter und Testatoren der Kartause stammten auch im 15. Jahrhundert noch im-mer aus dem Küstenland. Vgl. ARS, 1459 X 2. Görz; ARS, Urkunden des Klosters Freudentai, früher im HHStA (= ARS BI), 1463 VII 16; ARS BI, 1467 VII 22. Capodistria; ARS BI, 1470 VII 2. Wippacher Kreuz (Vipavski kriz); ARS BI, 1472 XI 7. Göre; ARS BI, 1481 IX 30. Görz; ARS BI, 1497 V 11. St. Veith bei Wippach (Sentvid pri Vipavi).

34 ... Ego frater Iohannts Blaionus notarius infirascriptus nunc novicius in dicta domo... ( A R S B I , 1 3 1 3 VII 13. Freudental).

35 GZLXI/36, 37, 39. ARS BI, 1312 IX 12.; ARS BI, 1322 I 3. Vigann; ARS BI, 1327 10. Alten-markt; ARS BI, 1337. Freudental ARS BI, 1338. Vigann.

36 ARS BI, 1433 EX 23. Oberlaibach. Vgl. Joze Μ l i n a r i c , Kartuzija Bistra od 1255 do 1782 (Re-dovniitvo na Slovenskem I, Ljubljana 1984) 177.

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Habsburger (1335). Die geistlichen Notare waren auf die Aufzeichnung von internen Gerichtsakten beschränkt. Die westlichen Einflüsse wurden mit den Zuwanderern aus Österreich, Kärnten und der Steiermark durch reinere österreichisch-bayerische ersetzt. Auch infolge des Untergangs bedeutender Bankgesellschaften wie der Porger in Laibach, die tagtägliche Kontakte mit Italien pflegten37, schwanden die geschäftlichen Einflüsse immer mehr. Das geht deutlich aus den Urkunden der fuhrenden Laibacher Schreiber Rutlib (um 1291-1309) und Lienhard (um 1299-1314) hervor. Letzterer kommt oft als Zeuge in Urkunden vor, die er nicht selbst verfaßte, was von dem ziemlich großem An-sehen zeugt, das er innerhalb der Laibacher Kommune genoß38. Bis 1309 lebte er in Lai-bach in einem besonderen Haus mit einem Turm, das den höchsten Landesamdeuten vorbehalten und von Steuerzahlung befreit war. Dies bedeutet, daß er zweifelsohne auch Landesschreiber war; bis 1314 war er Stellvertreter des Vizedoms, später bekleidete er das Vizedom-Amt39. Noch immer kamen gebildete Schreiber aus dem Westen nach Lai-bach, sie waren jedoch nicht an der professionellen Urkundenausfertigung beteiligt, son-dern gingen einem anderen bürgerlichen Beruf nach. Zu den letzteren gehörten auch die von St. Peter (Sentpeter), die in ihrem Siegel ein Notarsignet als Wappen führten, was den Schluß zuläßt, daß sie einmal irgendwo öffentliche Notare gewesen waren; nach 1300, als sie sich in Laibach niedergelassen hatten, gaben sie jedoch ihren Hauptberuf auf. In der Mitte des 14. Jahrhunderts stiegen sie in der Adel auf und bekleideten mehr-mals das Amt des Krainer Landesvizedoms40.

In Krain bestanden die notariellen Einflüsse bis zum Ende des 14. Jahrhunderts fort, vor allem in geistlichen Kreisen, kamen die Krainer Pfarrer und Kleriker doch noch immer vorwiegend aus dem Bereich des Patriarchats. Ihre Ausbildung erhielten sie in Italien41. Außerhalb der Kanzlei des Patriarchen und der Freudentaler enstand 1314 ein Instrument, das nur bedingt zu den Krainer Instrumenten zu zählen ist. In diesem Jahr ließ Gerold, der Bischof von Cittanuova (Novi grad), einer der Aquileienser Vikare für die Ostgebiete des Patriarchats'12, in St. Margareten (Smarjeta) in Unterkrain (Do-lenjska) sein Testament aufsetzen. Die Urkunde besitzt alle Elemente eines Instruments, an welches jedoch noch Gerolds Siegel angehängt wurde43. Das Instrument wurde von Friedrich, Kaplan aus St. Margareten, ausgefertigt, der zwar in der Urkunde nirgends als

37 Duian Kos, Med gradom in mestom. Odnos kranjskega, slovenjdStajerskega in koroskcga plemstva do gradov in mest do zacetka 15. stoletja (Zbirka ZRC 1, Ljubljana 1994) 178-181.

58 Kos, Pismo (wie Anm. 3) 204-205 . 39 GZL 1/19. Vgl. noch Zontar, Vicedom (wie Anm. 10) 284-293 . 40 Uber die von St. Peter (Sentpeter) siehe Kos, Grad (wie Anm. 37) 179; Ferdo G es t r i n, Doneski

k zgodovini Ljubljane ν srednjem veku. Zgodovinski casopis 5 (1951) 203-204 ; Zontar, Vicedom (wie Anm. 10) 296.

41 Über die Pfarrer und Kleriker (Herkunft, Bildung und Stellen) in Krain zwischen dem 13. und dem 18. Jahrhundert in den friulanischen Archiven: Anton K o b l a r , Drobtinice iz furlanskih arhivov. Izvestja muzejskega drultva za Kranjsko (= 1MK) 1 (1891), 2 (1892), 3 (1893), 4 (1894) und im Artikel „Izpiski iz stare ordinacijske knjige" in IMK 6 (1896). Kirchliche Quellen wurden auch veröffentlicht von Vladimir L e v e c , Iz furlanskih arhivov. IMK 13 (1903) und Bozo O t o r e p e c , Gradivo za slo-vensko zgodovino ν arhivih in bibliotekah Vidma (Udine) 1270-1405 (SAZU, Viri za zgodovino Slo-vencev 14, Ljubljana 1995).

42 Josip G r u d e n , Cerkvene razmere med Slovenci ν petnajstem stoletju in ustanovitev ljubljanske äkofije (Ljubljana 1908) 5 - 6 .

43 GZL 1/21. Das Instrument ist nur in drei späteren Abschriften erhalten.

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Zur Problematik des öffentlichen Notariats in Krain im Mittelalter 65

„Notar", geschweige denn als „öffentlicher", erwähnt wird, obwohl er es seiner Ausbil-dung nach zweifellos war.

Allen diesen Instrumenten und verschiedenen lateinischen (selten deutschen) ge-mischten Siegelurkunden ist erstens eine romanische notarielle Herkunft gemeinsam. Auch in der Ausbildung und in der Berufsausübung der Notare ist die Bindung an den norditalienischen und istrischen Raum unverkennbar. Zweitens: die Herkunft des Emp-fängers bzw. Destinatars ist entweder istrisch oder norditalienisch oder aus Freudental. Die Krainer Destinare ließen sich keine Instrumente ausstellen, obwohl in Krain ständig Leute lebten, die des Notariatsinstruments kundig waren. Drittens: die zeitweise Aus-stellung von Instrumenten bei der Schriftproduktion geistlicher Würdenträger in ge-richtlichen Belangen etwa der Krainer Pfarrer, die jedoch bis zur Mitte des 14. Jahrhun-derts noch Italiener waren und keinen ständigen Wohnsitz in Krain nahmen. Deswegen bedeuten ihre Instrumente nicht, daß das öffentliche Notariat in der allgemeinen recht-lichen, notariellen und urkundlichen Praxis Krains Fuß faßte.

* * *

Ende der siebziger Jahre des 14. Jahrhunderts kam es in Krain bei der Aufnahme des öffentlichen Notariats zu einem Wendepunkt. Die Zahl der Instrumente nahm im Ver-gleich zu den Siegelurkunden deudich zu, obwohl ihr Anteil noch immer relativ gering war. Das Notariat hielt immer mit der Offizialatspraxis Schritt, faßte es doch nur in geisdichen Belangen Fuß. Der Zufluß von norditalienischen Notaren wurde jedoch durch Notare ersetzt, die vor allem aus den nördlichen, mitteleuropäischen Diözesen stammten. Die ersten Krainer öfFendichen Instrumente der Notare, die an den Univer-sitäten in Prag und in Deutschland ausgebildet worden waren, entstanden gegen Ende des 14. Jahrhunderts. Immer mehr Geisdiche verfugten über eine allgemeine und spe-zielle Universitätsausbildung, über einen akademischen Abschluß in Theologie und De-kretalenrecht. Die Symbiose der geisdichen Amter (Pfarrdienst) und der rechdich-nota-riellen Tätigkeit (öfFendiches Notariat) stellte nichts Ungewöhnliches dar: in den Jahren 1378 und 1381 fertigte der öffentliche Notar Simon aus Cilli (Celje) zwei Instrumente in Prag aus44. Diese interessante Persönlichkeit war im Jahre 1398 in ein Hexereidelikt und Kerzenordal (Gottesurteil) in einem Wirtshaus in Stein verwickelt. Als der General-vikar von Aquileia von diesem Delikt erfuhr, führte Simon zu seiner Verteidigung an, er hätte vormals in Prag studiert, wo er Kenntnis vom Kerzenordal erlangt hätte. Offen-sichdich war er dort auch im öffentlichen Notariat ausgebildet worden, worauf er als Kleriker der Diözese Aquileia heimgekehrt war, um bestimmte geisdiche Amter zu über-nehmen: im Jahre 1398 war er Präbendar des Klosters in Oberburg (Gornji Grad), davor aber sogar Pfarrer der dem Kloster inkorporierten Pfarre Kötsch (Hoce)45. Im großen und ganzen trugen den Hauptanteil bei der Urkundenabfässung und im geisdichen Dienst die Krainer Kleriker, die wegen der diözesanen Zugehörigkeit ihre Studien vor al-lem in Italien absolvierten.

Ausschlaggebend fur die Rezeption des Notariats in Krain war die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts allgemein geltende Forderung, daß alle geisdichen Prokuratoren, Schiedsrichter und Notare/Schreiber öffendiche Notare sein sollten46. Zur Verbreitung

" Die Urkunden aus dem Staatsarchiv in Prag, 1378 IV 3. Prag und 1381 III 26. Prag. 45 Bozo O t o r e p e c - Josip Ζ ο η t a r, Bozja sodba (ordal) sveie ν Kamniku leta 1398. Zgodovinski

casopis 27 (1973) 321-328; Otorepec, Gradivo (wie Anm. 41) Nr. 1391. 46 Schuler, Fortleben (wie Anm. 2) 1230.

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der öffentlichen Notare von Mitteleuropa aus ins Gebiet südlich der Alpen trugen im 15. Jahrhundert noch einige kirchlich-politische Momente bei: 1. Infolge des kirchlichen Schismas und der Reformbewegung in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts büßten die Päpste und die italienischen Kleriker den entscheidenenden Einfluß außerhalb Ita-liens ein. 2. Ahnliche Folgen hatte die Tatsache, daß nach sieben Jahrzehnten italieni-scher Vorherrschaft (1279-1350) erneut bedeutende nichtitalienische Fürsten auf den Stuhl von Aquileia gelangten47. 3. Fremde geistliche und bereits vor dem Jahre 1447 auch weldiche Fürsten nahmen Kleriker aus Mitteleuropa auf. Mit ihnen deromanisier-ten sie den Klerus im ösdichen Teil des Patriarchats. Dies geschah vor allem wegen des Konflikts mit Venedig im 14. und 15. Jahrhundert. Landesfiirsten und andere Inhaber der kirchlichen Patronate wie die Grafen von Ortenburg, die Grafen von Cilli u. a. prä-sentierten ihre Leute für vakante Stellen in zahlreichen Pfarren, über welche sie wenig-stens seit dem 14. Jahrhundert das Patronat ausübten48. Gerade bei den bedeutendsten dieser Pfarren traten öffendiche Notare aus nördlichen Diözesen zuerst auf (Radmanns-dorf/Radovljica, Laibach-St. Peter, Vodice/Woditz, St. Martin/Smartin, Aich/Dob, Stein/Kamnik, St. Marein/Smarje, St. Ruprecht/Sentrupert, Treffen/Trebnje, Reifnitz/ Ribnica). Darum liegt es nahe, daß der Laibacher Notar Heinrich Rauch im Jahre 1439 unter summarisch erwähnten Zeugen in seinem Instrument „Geistliche und Laien aus der Aquileienser, Passauer, Freisinger, Regensburger und Basier Diözese" aufzählt49. Da-bei hatte er krainische Kleriker, Präbendare, Kapläne und Notare im Sinn.

Die ersten bekannten Notariatsinstrumente und die Krainer öffentlichen Notare aus diesem Zeitabschnitt stehen im Zusammenhang mit dem Abt des Klosters Sittich, der im Jahre 1378 als delegierter päpstlicher Richter einen Klerikerstreit entschied: Die ein-schlägige Urkunde wurde vom öffendichen Notar Johann Walcher aus Wallsee, einem Kleriker der Konstanzer Diözese, ausgefertigt50. Derselbe verfaßte 1388 in Sittich noch eine Urkunde des Sitticher Abtes als päpsdicher Kommissär fur das Kloster Oberburg5'. Im Kloster Sittich wirkten zeitweise Notare, die bei anderen kirchlichen Institutionen aushalfen. Zugleich verfaßten sie die üblichen Siegelurkunden, Instrumente dagegen nur in geisdichen Belangen. Es scheint, daß einige öffentliche Notare vom Ende des 14. Jahrhunderts es nicht lange in Krain ausgehalten haben. Das war auch der Fall beim öffendichen Notar Johann von Chrudim, Kleriker der Diözese LitomiSl, der im Jahre 1384 in Sittich in einem Instrument eine Urkunde des Papstes Innozenz IV. für den Zi-sterzienserorden inserierte52. Fortan kam er in den Krainer Urkunden nicht mehr vor.

Nur fiir das Kloster Oberburg kann vorausgesetzt werden, daß es eigene öffentliche Notare bis zu seiner Auflösung in den sechziger Jahren des 15. Jahrhunderts im Dienst

47 Vgl. Gruden, Razmere (wie Anm. 42) 13-23. 48 Ebenda, 53-58. Über die Ausübung der Patronatsrechte in Krain im Mittelalter siehe Janez

Η ö fl e r, Ο prvih cerkvah in prazupnijah na Slovenskem. Prolegomena k historicni topografiji predjoze-finskih iupnij (Ljubljana 1986) 22-42. Eine gute Quelle fiir das 16. Jahrhundert stellen zwei Verzeich-nisse von Kirchen in Unterkrain und in der slowenischen Steiermark von Polidor Montagnana aus den Jahren 1592/1596 dar, die auch von Janez Η ö fl e r veröffentlicht wurden in „Trije popisi cerkva in kapel na Kranjskem in slovenskem Stajerskem s konca 16. stoletja" (SAZU, Viri za zgodovino Slovencev 6, Ljubljana 1982) 64-97.

49 GZL111/53. 50 Die Urkunde aus dem Nadskofijski arhiv Ljubljana (= NSAL, Erzbischöfliches Archiv Ljubljana),

1378 IV 12. Sittich. 51 NSAL, 1388 VI 28. Sittich. 52 Die Urkunde aus dem Archiv des Klosters Sittich, 1384 XII 14. Sittich.

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Zur Problematik des öffentlichen Notariats in Krain im Mittelalter 67

hatte. Bis um 1430 befand sich im Kloster der Sitz des Archidiakonats, den Patriarch Ludwig von Teck nach mehrjährigen Streitigkeiten den Mönchen entzog53. Die Aus-übung der archidiakonalen Gerichtsbarkeit hatte zur Folge, daß ein öffendicher Notar ständigen Sitz in Oberburg nahm. Bereits unter den Zeugen des im Jahre 1388 in Sittich ausgestellten Instruments wird ein öffentlicher Notar Magister Theoderich de Ztersteten erwähnt, neben ihm aber noch ein Magister Heinrich de Czersteten, Lizentiat und Kano-nikus in Merseburg in Wettin54. Beide waren Geistliche bzw. Amdeute aus Oberburg. Theoderich, Bakkalaureus des Kirchenrechts, war Pfarrer in Franz (Vransko), und zwar mindestens noch im Jahre 1414, wo er bei der Vidimierung einiger Urkunden auf der Oberen Cillier Burg in der Zeugenreihe auftrat55. Im Jahre 1401 ist im Kloster ein In-strument vom öffendichen Notar Fridreich von Greiffenberg geschrieben worden. Es handelt sich um ein Transsumpt einer päpstlichen Urkunde wegen der Pfarre Sachsen-feld/Zalec mit dem Oberburger Abt als Aussteller für den Patriarchen von Aquileia als Empfanger56.

öffendiche Notare blieben auch nach dem Entzug des Archidiakonats in Oberburg. Im Jahre 1438 tritt Magister Johannes aus Yssenhausen, ein Kleriker der Mainzer Di-özese, an die öffendichkeit, der eigenhändig eine Siegelurkunde über den Erhalt einer Klosterbesitzung ausfeitigte. Aus der Erklärung in der Corroboratio zum gezeichneten Signet erfahren wir, daß es sich dabei um ein Zeichen handle, dessen er sich als öffendi-cher Notar zur Beglaubigung aller Aufzeichnungen bedient habe57. Johannes blieb we-nigstens bis 1441 im Dienste des Klosters58. Im Jahre 1463 fertigte in Oberburg sein gleichnamiger Sohn ein Instrument über die Inkorporation des Klosters in das neue Bis-tum Laibach und über die Auflösung des Klosters aus59. Johannes d. J. blieb in Ober-burg als öffendicher Notar (nicht als Prokurator!) des Laibacher Bischofs und fertigte in den Jahren 1464 und 1465 noch zwei Instrumente aus, die von der Auflösung des Klo-sters handelten. Das erste wurde von einem zweiten bischöflichen Notar, Johannes Ges-seler aus Nördlingen (Diözese Augsburg), beglaubigt60. Dann wechselte er an den Hof des Bischofs Sigismund, wo er noch einige Instrumente in geistlichen Belangen (Trans-sumpte und Vidimus) verfäßt hat61. Im Jahre 1482 wird sein Sohn Lucas Yssenhausen erwähnt, ein Bürger aus Stein, der die notarielle Familientradition offensichdich nicht fortgesetzt hat62.

51 Gruden, Razmere (wie Anm. 42) 4. NSAL, 1388 VI 28. Sittich.

" Die Urkunden der Grafen von Cilli im ARS, früher im HHStA (= ARS CE) I, 1414 XI 9. Cilli (A 1); ARS C E II, 1414 XI9 . CÜli (A2). Otorepec, Gradivo (wie Anm. 41) Nr. 1348, 1349,1375,1384, 1404, 1413, 1414, 1441-1443. Koblar, Drobtinice (wie Anm. 41) in: IMK2, 73.

56 Das Abschrift der Urkunde in ARS, Sammlung der Abschriften von Franz S c h u m i : 1401VI 10. Oberburg (Schachtel 27, Nr. 637).

57 Und auch hab ich ... mit meyn selbs handt mich yn diesem prieff subscriber! und yn meynen tzai-chen, daz ich nuetzenyn dem nodyrampt geczeichen zue getzugnuesse aller obgeschriben sach ( N S A L , 1438 IV 4.).

" ARS C E II, 1441 IX 5. Agram (Zagreb). " NSAL, 1463 XI 8. Oberburg. Gruden, Razmere (wie Anm. 42) 48-51. 60 NSAL, 1464 VIII 21. Oberburg; NSAL, 1465 III 7. Oberburg. 61 NSAL, 1466 I 31. Laibach; NSAL, 1467 I 28. Laibach; NSAL, 1467 VIII 4. Cilli (Abschrift aus

dem 17. Jahrhundert); NSAL, 1468 VI 15. Laibach; ARS, 1474 XI 7. Laibach. 62 GZL VI/57.

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In krainischen Städten und Märkten traten öffentliche Notare einige Jahre nach der ersten Erwähnung in Sittich an die Öffendichkeit. Wesentlich weniger öffentliche No-tare wirkten in Oberkrain als in Unterkrain, die meisten aber in Laibach. Im Jahre 1390 fertigte der öffentliche Notar Veit, der aus Radmannsdorf stammte, ein Instrument auf Schloß Waidenberg bei Radmannsdorf aus63. Unter den Zeugen wird noch der öffentli-che Notar Laurenz von Lack (Skofja Loka) erwähnt, der jedoch zum Gefolge des anwe-senden Ortenburger Grafen Friedrich gehörte. Seinen Schützling hatte der Ortenburger Graf vormals auf Studien nach Italien geschickt. Spätestens im Jahre 1399 übte er seine Notarstätigkeit nicht mehr aus, sondern lebte als Pfandinhaber mit seiner Frau auf dem Ortenburger Schloß Pöllan (Poljane) (wenigstens bis 1406)M.

Der Notar Georg Klobutschitsch, der im Jahre 1500 im Kloster Michelstetten ein Instrument für die Kanoniker von Rudolfswert ausfertigte, war wahrscheinlich einer der Klosterkapläne. Sein Instrument ist in frühhumanistischer Schrift verfaßt und stellt eines der ersten derartigen Dokumente in Krain dar. Aufgrund von Klobutschitschs „päpsdicher Autorität" und dem Signet, das an die Schlüssel Petri erinnert (zwei ge-kreuzte Schlüssel65), kann man mit großer Wahrscheinlichkeit auf seine humanistische Bildung schließen66. In Stein und im ösdichen Oberkrain tauchte zeitweise ein öffentli-cher Notar und Pfarrer in Neul (Nevlje) auf, Georg Lecian, der in Aich ein Instrument ausfertigte, das (fälschlicherweise) in das Jahr 1437 datiert wurde67.

In Laibach treten öffentliche Notare im Jahre 1430 auf, als Heinrich von Stendal, Kleriker der Diözese Halberstadt und Notar des Bischofs Gregor von Pedena, eine Ur-kunde Papst Martins V. vidimierte68. Im Jahre 1444 verfaßte und fertigte Heinrich in Krainburg noch ein notarielles Vidimus einer Urkunde desselben Papstes aus69. Unun-terbrochen wirkte in Laibach mindestens zwischen 1430 und 1445 der öffentliche Notar Heinrich Rauch, Kleriker der Konstanzer Diözese, Bakkalaureus des kirchlichen Rechts und mit einer Einheimischen verheiratet70, der ein Instrument in Wippach (Vi-pava), zwei Siegelurkunden in St. Peter bei Laibach, ein instrumentales Vidimus mehre-rer landesfiirstlicher Urkunden fur die Laibacher Bürger verfaßte sowie seine Unter-schrift auf das Instrument von Georg Lecian setzte71. Einige von diesen Instrumenten ge-hören zu den relativ seltenen Dokumenten, die damals in Krain in weltlichen Belangen verfaßt wurden, einige sogar ohne Beteiligung von Klerikern. Im Instrument aus dem Jahre 1439 verwendete Heinrich für Krain nicht den Terminus „Land", sondern „Vater-land" (patria) - vielleicht ein Hinweis auf seine humanistische Bildung. Im zweiten

63 NSAL, 1467 128. Laibach (mit der inserierten Urkunde aus dem Jahre 1390X1 12. Waidenberg). M HHStA, 1399 VI 22.; ARS, 1406 IV 25. " Nach Bader (Rechtswahrzeichen, wie Anm. 2,31 -32) ist der Schlüssel ein beliebtes Motiv der Si-

gnete von Notaren mit päpstlicher Autorität. 66 Die Urkunde aus dem Archiv des Kollegiatkapitels in Rudolfswert (= KANM), zum Großteil im

NSAL als besonderer Fonds: 1500 VIII 18. Michelstetten (Fasz. VII, Nr. 9). 67 GZL X/54. Aufgrund der Angaben über die anwesenden Personen kann das Instrument in das

Ende des 15. Jahrhunderts datiert werden (Gruden, Razmere, wie Anm. 42, 76; Koblar, Drobtinice, wie Anm. 41, in: IMK 1, 9; IMK 2, 41-42, 47-48; IMK 3, 63, 66). Die Urkunde trägt eine falsche Datie-rung, oder es handelt sich um eine Fälschung.

68 ARS, 1430 III 27. Laibach. 69 ARS, 1444 V 15. Krainburg. Vgl. Gruden, Razmere (wie Anm. 42) 7-11. 70 GZL VII/79. 71 HHStA, 1430 VII 6. Wippach; die Urkunde aus dem Deutschordens-Zentralarchiv in Wien

(= DOZA), 1434 XI 30. St. Peter bei Laibach; GZL HI/53, GZL X/54.

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Zur Problematik des öffentlichen Notariats in Krain im Mittelalter 69

Viertel des 15. Jahrhunderts war er eine der bedeutendsten Notars- und Beglaubigungs-persönlichkeiten in der weiteren Umgebung von Laibach.

Im Jahre 1437 verfaßte der öffentliche Notar Johannes Kind aus Weitra (Passauer Diözese) in Laibach und Krainburg (Kranj) vier Instrumente kirchlich-gerichtlichen In-halts. Der Streit in dieser Angelegenheit zog sich hin bis Anfang 1438, als der Prokurator einer der Parteien, Augustin Frankenstein aus der Neiße (Breslauer Diözese), ein Instru-ment in Krainburg verfaßte72. In der dritten Urkunde von Johannes wird unter den Zeugen auch der öffentliche Notar Magister Johannes von Mauten (Muta) erwähnt, in der vierten der öffentliche Notar Friedrich und der Kaplan Heinrich von Budissin (Bautzen). Letzterer stammte aus der Meißner Diözese und lebte wenigstens bis 1451 in Krain, als er in Treffen eine besiegelte, jedoch signierte Urkunde über ein Benefiz ver-faßte73. Im Jahre 1460 fertigte Georg Paradis - Kleriker der Diözese Aquileia und seiner Abkunft nach sicherlich ein Laibacher - ein Instrument für den einflußreichen Laiba-cher Bürger Heinrich Stauthaimer aus74. Zweifelsohne lebten alle hier erwähnten öffent-lichen Notare in Krainburg bzw. in Laibach.

Das öffendiche Notariat als Organ der „ fides publica" gewann nach 1461 große Be-deutung in der neuen Kanzlei des Laibacher Bischofs und des Domkapitels, in der gleichzeitig mehrere Personen mit Notariatspraxis, d. h. öffendiche Notare, wirkten. Das Notariat in Laibach erlebte einen Aufschwung durch den vergrößerten Rechtsbe-darf am Diözesangericht und bei der Beglaubigung von geisdichen Urkunden. Eine Ausbildung als öffentlicher Notar hatte bereits der Dekan und Pfarrer Hermagor in St. Marein in Harland75. Zwischen 1466 und 1475 war Johannes d. J . aus Oberburg, der aus Yssenhausen stammte, führender Notar und persönlicher Schreiber des Bischofs Sigismund.

Eine regere Aktivität entfalteten die öffendichen Notare in Unterkrain. Dies war vor allem die Folge einer stärker verzweigten und strukturierten Kirchenorganisation mit mehreren Archidiakonatssitzen und der bedeutenden Klöster. Es war Pfarrer Michael in Weichselberg (Viinja Gora), öffendicher Notar und Kleriker der Diözese Aquileia, der 1393 ein Instrument im Auftrag des Sitticher Abtes Albrecht als päpsdichen Kommis-särs verfaßte; als Notar wirkte er mit Sicherheit noch im Jahre 140476. 1444 wird unter den Zeugen in einem Instrument des Notars Heinrich von Stendal ein gewisser Michael von Weichselberg erwähnt, der damalige Prokurator des Krainburger Pfarrers77. Viel-leicht handelte es sich dabei um ein und dieselbe Person, obwohl die Zeitdifferenz im-merhin fünfzig Jahre beträgt. Im Jahre 1496 war Johannes Klobutschitsch öffendicher Notar, wahrscheinlich ein Verwandter des bereits erwähnten Georg, einer der zahlrei-chen Geistlichen aus Weichselberg. Seine Tätigkeit als öffentlicher Notar ist jedoch nicht näher bekannt78.

In dem anscheinend unbedeutenden Markt Reifnitz, wo die Pfarrer infolge des alten Charakters als Urpfarre ohne weitere Rechtsgrundlage den Archidiakonat über die um-

72 DOZA, 1437 VI 1. Krainburg; DOZA, 1437 VIII 14. Laibach; DOZA, 1437 VIII 16. Laibach; DOZA, 1437 VIII 16. Laibach; DOZA, 1438 I 22. Krainburg.

73 HHStA, 1451 VII 17. Treffen. ;4 NSAL, 1460 I 23. Laibach (= GZL X/74). " NSAL, 1463 XI 8. Oberburg; NSAL, 1466 1 3 1 . Laibach; NSAL, 1475 IX 7. Laibach. 76 ARS, 1393 X 31. Sittich; DOZA, 1404 VII 5. „Tinez"; ARS, 1404 VII 30. Tüffer. ^ ARS, 1444 V 15. Krainburg. 78 Koblar, Drobtinice (wie Anm. 41) in: IMK 4, 27-28.

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liegenden Pfarren beanspruchten - die stillschweigende Anerkennung erfolgte im Jahre 1490 - wirkte bereits um das Jahr 1405 der öffentliche Notar Caspar von Reifnitz79. Die öffentlichen Notare von Reifnitz waren im 15. Jahrhundert sicherlich eng mit dem Ar-chidiakonat und seinem Gericht verbunden.

Auch in Stadt und Kloster Landstraß lebten im 15. Jahrhundert Personen, denen die Form des Instruments nicht fremd war40. Im Jahre 1460 nahm der öffentliche Notar Er-hard Star aus der Gurker Diözese an der Ernennung eines Prokurators teil und verfaßte darüber ein Instrument81. Im Jahre 1475 trat in Landstraß zum ersten Mal der öffentli-che Notar aus Mottling (Medika) Simon Jägerman auf, der eine Urkunde von Papst Bo-nifaz IX. vidimierte82. Das letzte mittelalterliche Instrument entstand in Landstraß im Jahre 1480, als der Archidiakon in der Windischen Mark in einem geisdichen Streit sein Urteil fällte; der öffendiche Notar war Andreas Raynal, ein Kleriker der Laibacher Diözese83.

Eine äußerst rege öffendiche Notariatstätigkeit entfaltete sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Rudolfswert, Ende des Jahrhunderts besonders im neugegrün-deten Kollegiatkapitel in der Stadt, wo bereits im Jahre 1399 der öffendiche Notar Ni-kolaus Nessaw, Kleriker der Diözese Kulmsee in Pomesanien, ein Instrument verfaßt hatte84. In diesem Falle handelte es sich um einen Gesandten, der einen Ausgleich in ei-ner geisdichen Angelegenheit herbeiführen sollte, findet man doch sonst bis in die sieb-ziger Jahre des 15. Jahrhunderts keine Spur von Notaren. Im Jahre 1470 schrieb der öf-fendiche Notar Caspar Fabiani, Kleriker und Priester aus Mottling (der zweite Möttlin-ger Notar im diesen Zeit!) ein Instrument in Rudolfswert, mit dem das Franziskanerklo-ster in der Stadt gegründet wurde85.

Im Jahre 1478 vidimierte in Laibach der öffentliche Notar Michael Sterlecker drei Urkunden fur die Laibacher Deutschordensritter86. Er wurde vor 1488 Pfarrer in St. Marein in Harland. 1491 vidimierte er dort mit einem Instrument eine Urkunde von Papst Innozenz IV.87. Nach der Gründung des Kollegiatkapitels in Rudolfswert (1493/ 1494) nahm die Zahl der in Rudolfswert lebenden Geistlichen zu. Michael, der im Jahre 1496 (zweiter) Kapiteldekan wurde, verfaßte nach 1494 noch einige besiegelte notarielle Vidimierungen, nach 1495 fertigte er aber kein Instrument mehr aus, was bedeutet, daß er nicht mehr als öffentlicher Notar wirkte88.

Im Jahre 1495 vidimierte der öffentliche Notar Thomas Sterlecker, Geistlicher aus St. Marein in Harland, mit einem Siegelinstrument die Urkunde Papst Alexanders VI. von 1494 über die Gründung des Kapitels89. Thomas war wahrscheinlich ein Verwandter

79 ARS, 1405 V 4. Reifnitz. 80 Vgl. ARS, 1436 IV 24. Landstraß; ARS (Archiv der Herrschaft Dol) Urkunde 1467 XI 1. (Ab-

schrift in Lage 40 -41 ) ; ARS, 1500 II 2. Landstraß. 81 ARS, 1460 V 5. Landstraß. 8 ; ARS, 1475 VII 11. Landstraß. 83 ARS, 1480 I 14. " ARS, 1399 XI 18. Rudolfswert. 85 Die Urkunde aus Franziskaner Archiv in Novo mesto, 1470 I 7. Rudolfswert. 86 DOZA, 1478 XI 16. Laibach. 87 Koblar, Drobtinice (wie Anm. 41) in: IMK 3, 248. ARS, 1491 XII 17. St. Marein. 88 Die Urkunden des ehemaligen Repertoriums XIV im HHStA, jetzt im ARS (= ARS XIV), 1494

II 29. Sittich. 8 ' KANM, 1495 I 16. Rudolfewert (Fasz. VII, Nr. 2).

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Zur Problematik des öffentlichen Notariats in Krain im Mittelalter 71

von Michael und später auch Kanoniker90. Nach 1495 engagierte das Kapitel für öffent-liche Notariatsurkunden vor allem Fabian Parol, einen Geisdichen aus der Pfarre St. Ru-precht, die dem Kapitel inkorporiert war. Im Jahre 1495 signierte er zum ersten Mal ein Instrument und verfaßte bis 1500 mehrere Instrumente in Belangen des Kollegiatkapi-tels, oder signierte sie wenigstens91. Im Jahre stellte der vierte öffendiche Notar aus Ru-dolfswert, Wilhelm Vitter, Kleriker der Augsburger Diözese, ein Instrument aus92. Im Jahre 1500 trat in Sterleckers Haus in Rudolfswert als fünfter öffendicher Notar Blasius Kobezler auf. Im darauffolgenden Jahr verfaßte er ein Instrument über die Beilegung ei-nes Streits93. Kobezler war Kleriker der Aquilienser (nicht der Laibacher oder einer deut-schen) Diözese, so wie der Autor eines sehr ähnlichen Instruments in frühhumanisti-scher Schrift aus Michelstetten Georg Klobutschitsch.

Bereits vor 1500 zeichneten sich in Krain neue Tendenzen ab. öffendiche Notare kamen in zunehmendem Maße wieder von italienischen Diözesen und Universitäten, besonders in der Zeit der Reformation, der sich die Landesfursten in den Ländern des Donau-Alpen-Raumes entschieden entgegensetzten. In Pfarren, Diözesen und anderen Einrichtungen, über die sie noch ihre Patronatsrechte ausübten, setzten sie nicht mehr Zuwanderer von den zahlreichen protestantischen Universitäten ein, sondern sie stütz-ten sich auf Personen, die in Italien und in Wien ausgebildet wurden. Nach den Kriegen mit italienischen politischen Akteuren am Anfang des 16. Jahrhunderts machten die Habsburger auch aus kirchlich-politischer Sicht den Weg frei fiir den Zuzug von Geist-lichen und öffendichen Notaren, die ihrer Hierarchie und Ausbildung nach „Kinder" des Patriarchats von Aquileia und der italienischen Universitäten waren. Darum nimmt es nicht wunder, daß erst in dieser Zeit in Krain öffendiche Notare auftreten, alle der Reihe nach Notare mit päpsdicher, manchmal auch mit zusätzlicher kaiserlicher Autori-tät, die aber nicht mehr exklusiv war94.

* * *

Bei den krainischen Instrumenten handelte es sich dem Inhalt nach zum Großteil um Vidimierungen und Transsumpte von Urkunden in geisdichen Belangen. Die Vidi-mierung machte das Wesen des ständigen öffendichen Notariats aus, d. h. hier benötigte man die notarielle „fides publica". Da das öffendiche Notariat in Krain bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts bei der Vidimierung keine Exklusivität genoß, kam die „fides pu-blica" auch jenen Stellen zu, die das Vertrauen wegen ihres Status und ihres Ansehens ge-nossen. In Krain handelte es sich dabei um kirchliche Visitatoren und einige Klöster. Die Urkunden weldicher Aussteller (Landesfursten) wurden vom Rechtsnachfolger be-glaubigt, erst kurz vor Ende des 15. Jahrhunderts auch von einer unabhängigen Rechts-oder Einzelperson, die jedoch über ein „authentisches Siegel" verfugen mußte.

90 Koblar, Drobtinice (wie Anm. 41) in: IMK 2, 76. ARS, 1514 XII 18. Rudolfswert. 91 KANM, 1495 III 21. St. Ruprecht (Fasz. XDC, Nr. 3); KANM, 1495 III 21. St. Ruprecht (Fasz.

XIX, Nr. 4). Das dritte Instrument aus demselben Jahr gilt heute als verloren. Es wurde in Form eines Auszugs von Adalbert K r a u s , Urkunden aus dem Archive des Collegiatcapitels zu Neustadl. Mitthei-lungen des Historischen Vereines für Krain 20 (1865) 40 Nr. 7. KANM, 1497 121. Rudolfewert (Fasz. XIX, Nr. 8); NSAL, 1497 VII 28.; KANM, 1500 VIII 18. Michelstetten (Fasz. VII, Nr. 9).

92 Kraus, Urkunden (wie Anm. 91) 39-40 Nr. 6. 93 Koblar, Drobtinice (wie Anm. 41) in: IMK 2, 75-76. KANM, 1501 II 15. (Fasz. III, Nr. 19). 94 Ζ. B. KANM, 1514 II 26. Rom (Fasz. VII, Nr. 20); ARS, 1514 XII 18. Rudolfewert; KANM,

1517X1 16. (Fasz. VIII, Nr. 1); KANM, 1531 I 20. (Fasz. VIII, Nr. 8).

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72 Duian Kos

Bis 1300 sind mir nur zwei Fälle einer klassischen Beglaubigung von Abschriften in Krain bekannt. Wenn man bedenkt, daß erst damals die ersten Privilegien für die Krai-ner Klöster, den Krainer Adel und die Krainer Städte verliehen wurden, so ist das durch-aus verständlich. Eine Urkunde aus der Zeit um 1250 stellt ein Vidimus dar, mit wel-chem die Abte von Sittich und Landstraß mit offensichtlich ausreichend authentischem Siegel die Abschrift der Urkunde König Konrads III. aus dem Jahre 1146 für das Kloster Rein beglaubigten95. Im Jahre 1297 wurde die Urkunde Ottos von Montpreis (Planina) für das Kloster Oberburg vom krainischen Landesvizedom, dem Steiner Schulmeister (und zugleich Pfarrer) Ulrich, und einem Adeligen vidimiert96. Die Kraft der Authenti-zität besaß nur das Siegel des krainischen Vizedoms.

In geistlichen Belangen wurde die Beglaubigungsfunktion einfach von Kapiteln übernommen, in denen sich eine größere Zahl von in Rechtssachen und Urkundenaus-fertigung ausgebildeten Klerikern und öffendichen Notaren versammelte. Da in Krain bis zur Gründung der Laibacher Diözese (1461) und des Rudolfswerter Kollegiatkapi-tels (1493/1494) keine derartigen Kollegien existierten, wurde die Beglaubigung zeit-weise von auswärtigen Kapiteln durchgeführt, etwa vom Kapitel von Aquileia97. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts begannen sich einige krainische Rechtspersonen in Aus-nahmefallen der Dienste der amdichen und professionellen Beglaubigungsstelle („locus credibilis") in Kroatien, des Agramer (Zagreber) Domkapitels, zu bedienen. Sein Siegel hatte volle Beweiskraft wie die der Könige („sigillum authenticum"). Diese Urkunden enthalten wegen der Beteiligung der öffendichen Notare bei der Handlung und Urkun-denausfertigung neben den Siegeln immer auch Signete98.

In geistlichen Belangen beglaubigten auch die Generalvikare der Patriarchen von Aquileia, vor allem die Bischöfe von Pedena und Cittanuova, die in Krain visitierten, wobei manchmal auch öffentliche Notare mitwirkten99. Eine besondere Stellung nah-men in diesen Angelegenheiten nach 1461 die Kanzlei des Laibacher Bischofs und das Domkapitel bzw. nach 1493/1494 das Kollegiatkapitel in Rudolfswert sowie die dort wirkenden öffentlichen Notare ein. Ihre Tätigkeit war auf die Aufträge des Bischofs bzw. Propstes (Dekans) beschränkt.

Die Reihe der Beglaubigungsstellen und -personen wurde nach 1400 durch die An-kunft von öffentlichen Notaren in krainischen Städten bzw. Benefizien und Pfarren er-weitert. In nichtgeistlichen Belangen betätigten sich die Notare zunächst in Laibach, wo Heinrich Rauch im Jahre 1439 vier Urkunden des Landesfiirsten fur die Laibacher Bür-ger in Form eines Instruments abschrieb. Das Instrument wurde vom Augustinerprior und vom Franziskanerguardian besiegelt, und zwar wegen größerer Authentizität, wie der Auftraggeber, der Stadtrichter, hervorhob100. In der Mitte des 15. Jahrhunderts be-gannen auch einige Laibacher Bürger Originale und Abschriften von Urkunden in frem-den Belangen zu beglaubigen. Ihre Vidimierungen waren meistens auf den Aussteller der ursprünglichen Urkunde beschränkt. Der erste von diesen Bürgern war der angesehene Laibacher Bürger Heinrich Stauthaimer, der als Aussteller und Beglaubiger der meisten

" URB Kr II, 140 Nr. 175 zu MGH D. Ko. III. 99. 96 GZL Di/8. 97 ARS, um 1367. " ARS, 1391 VI 11. 99 KANM, 1453 V 3. Sittich (Fasz. II, Nr. 1); NSAL, 1463 XI 8. Oberburg; GZL 111/75; NSAL,

1466 I 31. Laibach; NSAL, 1475 IX 7. Laibach. ,0° GZL HI/53.

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Zur Problematik des öffentlichen Notariats in Krain im Mittelalter 73

Laibacher Vidimierungen, vor allem für die Kartause Freudental bzw. für eines seiner Benefizien erwähnt wird101. Für letzteres hatte er als Stifter auch formales Recht. Die Laibacher Stadtbehörde vidimierte als Rechtsperson (Wir richter unnd ratte der stat Lai-bacH) in rein weltlichen Belangen erst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts: ζ. B. im Mai 1495 haben der Richter und der Rat der Stadt mit dem Richtersiegel das Testament ei-nes Laibacher Bürgers aus dem Monat März desselben Jahres beglaubigt102. Eine beson-dere An der Vidimierung stellte die Beglaubigung seitens eines Nachfolgers eines be-stimmten Stadtbeamten dar. Der erste mir bekannte Fall datiert in Laibach ins Jahr 1484, als der Stadtrichter die Bestätigungsurkunde seines Vorgängers für eine städtische Bruderschaft aus dem Jahre 1403 vidimierte und auch selbst besiegelte. Eine solche Be-glaubigung war auch logisch, erfolgte sie doch durch den Amtsnachfolger des Urhebers der Handlung (des Richters). Das Stadtsiegel wurde dabei nicht verwendet, obwohl der Richter nach dem amtlichen Verfahren im Stadtgericht beglaubigte103.

öffentliche Notare setzten sich bis zum Ausgang des Mittelalters in Krain nicht als Beglaubiger der Abschriften von Privilegien weldicher Fürsten und Könige durch, wel-che die Privilegien ihrer Vorgänger selbst beglaubigten. Ebenso zeichneten sie noch keine Testamente auf. Der Grund liegt im Erb- bzw. Landrecht, das im 15. Jahrhundert in Krain noch keine schriftliche testamentarische Fesdegung forderte104.

Das krainische öffendiche Notariat war demzufolge im Mittelalter eine mögliche, jedoch nicht institutionalisierte Rechtsform mit eingeschränkter Autonomie und mit dem Attribut „geisdich", kam sie doch - im Gegensatz zu einigen deutschen Städten -außerhalb der geistlichen Gerichts- und Verwaltungssphäre fast nicht vor. Eine große Ausnahme ist ihre Tätigkeit in der laikalen Sphäre bei der Urkundenausstellung ζ. B. für die Bürger, wo sie auch die („anonymen") Siegelurkunden verfaßt und geschrieben haben. Diese Frage braucht aber noch eine genauere Untersuchung. Wegen der zeitwei-sen Tätigkeitsverbote in weldichen Belangen (auch wegen der hohen Taxen) in den Al-penländern105 konnten sich die krainischen öffendichen Notare keine Existenz außer-halb der geistlichen Amter und Benefizien sichern. Deswegen nimmt es nicht wunder, daß der Sitticher Abt den Patriarchen von Aquileia im Jahre 1496 bat, ihn mit keinen Kommissionsgeschäften zu beauftragen, denn es fehle in Sittich an einheimischen öf-fentlichen Notaren, die Berufung von auswärtigen sei aber zu teuer106. Erst eine moder-nere Organisation der Stadtverwaltung ermöglichte die Einstellung eines öffendichen Notars als Syndicus, der den in Rechtssachen weniger beschlagenen Stadtschreiber er-setzte. In Krain geschah dies in der Regel erst kurz vor 1500. So bewahrte das öffendiche Notariat in Krain im Mittelalter den Charakter einer Nebentätigkeit, und zwar in geist-lichen Belangen, die nur im besonderen Auftrag ausgeübt wurde.

"" ARS BI, 1442 I 3. Laibach; ARS BI, 1449; ARS BI, 1449 III 24; ARS BI, 1449 X 1. Heinrich Stauthaimer war 1423 noch Richter in Bruck an der Leitha. Für sein Auftauchen in Krain bzw. in Ljubljana mag nach H. Weig] sein Bruder Friedrich, der zeitweise die Burgkapelle in Bischoflack inne-hatte, maßgebend gewesen sein: vgl. Herwig We i g 1, Friedrich Stauthaimer und die Pfarre Waidhofen an der Ybbs im frühen 15. Jahrhundert. Unsere Heimat65 (1994) 110 mit Anm. 22.

102 GZL VI/76. 103 GZL VI/59, GZL11/45. 104 Dusan Kos, Dediscine, dedno pravo in plemstvo na Kranjskem in slovenskem Stajerskem ν 13.

in 14. stoletju (Celjski zbormk 1994, Celje 1994) 35 ff. m Schuler, Fortleben (wie Anm. 2) 1232-1239. 106 Koblar, Drobtinice (wie Anm. 41) in: IMK 3, 192.

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