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I JACQUEC PICCARD ZUR TIEFSTEN TIEFE Die Tauchfahrten des Bathyskaphs 8 Triesten Mit einer Einleitung und weiteren Beiträgen von Robert C. Dietz, , 42 Abbildungen auf Kunstdrucktafeln und 3 Zeimnungen im Text Einmalige Sonderausgabe von >TI ooo Meter unter dem Meeresspiegel' F.A.BROCKHAU5 . WIESBADEN 1962

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I J A C Q U E C P I C C A R D

Z U R TIEFSTEN TIEFE

Die Tauchfahrten des Bathyskaphs 8 Triesten

Mit einer Einleitung und weiteren Beiträgen von Robert C. Dietz, ,

42 Abbildungen auf Kunstdrucktafeln und 3 Zeimnungen im Text

Einmalige Sonderausgabe von

>TI ooo Meter unter dem Meeresspiegel'

F . A . B R O C K H A U 5 . WIESBADEN

1962

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Titel der amsiikanisdien Odghalaurgrbe "Sevrn Mller Down., G. P. Puhim'r Sons, N m York ,<in

Dbersrtsung aus dem Amcnkantsmcn von Margarrt Auer Um9dd.8 und Einbind n a h Enhnirf von Albert Falk (Atelier Sdiulenburg-Purkhardt)

Das moderne Sahbuh, Band i

V. Nr. W 58%

@ 196% Iacquar Pfccard und Robert S . DIeU Prlnied in Gcmrny

Alle Redite vorbchaltm. O h m aurdiiidilidie Gcnehmigvng des Verlages 1st es niht gertsttct, das Bvdi oder Teile daraus photomedimirdi zu verviclfillti~en (Photokoplc, hUkiobpic1

Satz: L. C. Wittidi. Damrtadt Dnidi: ELEKTRA. Reprogzafisdier Betrieb, Kjcld Höjring. Fisnkfuri a. M.

Meinem Vater der das Bathyskaph erfunden

gebaut und erprobt hat

Meiner Mutter und meiner Frau deren

mutige Selbstverleugnung unsere Arbeit

ermöglicht hat

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ROBERT S. D I E T Z

M e i n e erste Begegnung mit dem Schweizer Jacques Piccard im Frühling 1955 schien damals nicht sonderlich bedeutsam. Als ich ihm in London meine Karte vom Forschungsamt der ameri- kanischen Marine überreichte, war er wohl höflich, aber sichtlich bestrebt, mich wieder loszuwerden. Später am gleichen Tage sagte er in Browns Hotel im Londoner Bezirk Mayfair zu mir: .Wissen Sie, ich sah nur das Wort attachi - die französische Bezeichnung für einen attache de presse, einen Journalisten. Ich habe wenig Zeit für Interviews."

Ein Hindernis bildete die Sprache. Da ich schlechter französisch sprach als er englisch, verständigten wir uns in einem Gemisch von beidem, wobei das Englische vorherrschend war. Ich erklärte ihm genau, wer ich war. *Ich bin Zivilist und stehe als Wissenschaftler im Dienst der Marine. Mir geht es um die wissenschaftliche Ver- wend~ngsmö~lichkeit der ,Trieste< für die Marine der Vereinigten Staaten. Es ist meine Aufgabe, in Europa Informationen auszu- tauschen und die Zusammenarbeit auf geophysikalischem Gebiet zu fördern, insbesondere in der Ozeanographie und bei Tauchunter- nehmen. Die ,Trieste< fällt also durchaus in diesen Bereich.<

Wir waren eben von einem Vortrag gekommen, den Sir Robert Davis, der Verfasser einer Monographie über das Tauchen, in der Royal Society of Arts gehalten hatte. Auch Piccard hatte kurz über das Bathyskaph gesprochen. Anlaß dazu bot eine Ausstellung neuer Geräte. die von der Industrie für das Fernsehen unter Wasser herausgebracht worden waren. Man hatte auch ein altes Modell des unglücklichen Unterseeboots ~Affray. vorgeführt, das in der Hurd- Tiefe des englischen Kanals gesunken war. Das Modell eines ande-

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ren Unterseeboots war ebenfalls zu sehen, das eben erst wesentliche Teile des Kometflugzeugs nYoke Peterx bergen geholfen hatte, nachdem dieses vor Elba 150 m tief im Meer versunken war. Die aufgefundenen Bruchstüde zeigten, daß die rätselhaften Unglticks- fälle zweier britischer Düsenflugzeuge überwiegendauf Ermüdungs- erscheinungen des Metalls zurückzuführen waren.

Der Name Piccard war mir natürlich bekannt. Wem wäre er es nicht gewesen! Ich erinnerte mich an die Ballonflüge der Schweizer Zwillinge, die einander mit ihrer hohen Stirn und der zerzausten Löwenmähne aufs Haar glichen. Mir war auch das kurze Aben- teuer von Auguste Piccards FNRS 2, dem Urbild eines Tiefsee- bootes, vertraut. das jetzt abgeändert als FNRS 3 der französischen Marine als Bathyskaph dient. Danqhatte Jacques mit seinem Vater die .Triestea gebaut.

Wir unterhielten uns über dieses neue Bathyskaph, das damals in Italien auf dem Trockenen lag, während Jacques auf der Suche nach Geldmitteln für eine neue Reihe von Tauchfahrten war. Jacques erläuterte mir, daß er sich bemüht habe, die Marine der USA dafür zu interessieren. aber wenig Entgegenkommen gefunden habe. *Die ,Triestec liegt nur 32 km von Neapel, dem Hauptstützpunkt der großen sechsten amerikanischen Flotte, entfernt; doch während der letzten drei Jahre ist nur einer eurer Offiziere sie ansehen gekom- men. Jetzt treffen wir uns hier in London. Das ist erfreulich..

Er erwähnte, daß er und sein Vater erst im letzten Jahr der Vational Science Foundation einen Vorschlag gemacht und ange- boten hatten, mit den amerikanischen Ozeanographen zusammen- zuarbeiten: sie hätten auch angeregt, im Puerto-Rico-Graben eine Reihe von Tauchfahrten zu unternehmen. .Ich bedauere, daß unser Anerbieten abgelehnt worden ist., sagte Jacques. *Ihr Land ist doch in der Ozeanographie führend.*

Was mich an jenem Abend am stärksten beeindmckte, war sein gelassenes Selbstvertrauen. Die Oberzeugung, die aus seinen leb- haften dunklen Augen leuchtete. verriet vielleicht noch mehr, als seine Worte es taten, mit welcher Hingabe er sich für das Tiefsee- tauchen einsetzte. Die ~Trieste- war für ihn ein beseeltes Wesen. Er berichtete liebevoll aber sachlich von den 15 Tauchfahrten, bei denen die nTrieste- bis zum Grund des Mittelmeeres vorgedrungen war. Dann erläuterte er, wie sie arbeitete, und beschrieb Einzel-

neirrii der Konstruktion, woz~i er seine großen ausdrucksvollen zu Hilfe nahm. In den Gesprächspausen hielt er die Hände

lose &altet, so daß sich die Innenflächen nicht berührten, die Spit- „,der langen schlanken Finger aber fest aneinandergepreßt waren.

konnte verstehen, daß Jacques Piccard hochstehende Persönlich- keiten zu beeindrucken vermochte und sie mit seiner eigenen leiden- schaftlichen Begeisterung anste&te.

.Würden Sie gerne die ,Trieste< in Italien, in Castellammare di Stabia besuchen?. fragte Jacques.

und ob ich das wollte! . . . Einige Wochen später traf ich Piccard im Hotel Quisisana bei

Castellammare di Stabia, das wie ein Vogelnest an der Flanke des Monte Faito auf der Halbinsel von Sorrent klebt. Während wir durch die Schiffswerft Navalmeccanica, die noch. die Spuren des Krieges zeigte, gingen, um zur >Trieste* zu gelangen, meinte Jacques: .Wie Sie wissen, ist mein Vater Gelehrter. Er war einer der ersten Physiker, die sich für kosmische Strahlen interessierten. Ihn bewegte die Frage: Wie kann man am besten die Partikel unter- suchen, die mit hoher Geschwindigkeit aus dem Weltraum kom- men? Natürlich dadurch, daß man in die Stratosphäre steigt und über die untere Lufthülle zu gelangen sucht. Es genügte nicht, auf den schneebedeckten Gipfel der Jungfrau zu klettern. Daher ersann und baute er einen Ballon, derihn bisineineHöhevon16900m trug. Damit hat er die Druckkabine in die Luftschiffahrt eingeführt. Jetzt haben wir gewissermaßen einen Ballon gebaut,mit dem dieozeano- graphen bis ganz auf den Grund des Meeres tauchen werden..

So einfach war das. Wünschte man irgendwohin zu fahren und etwas auszukundschaften, baute man ein Gerät dazu. Das Bathy- skaph ist in seinem Grundplan wirklich so wundervoll einfach wie der Gedanke, der den Anstoß zu seinem Bau gab.

Es war tatsächlich ein Ballon. Doch anstatt sich in die Luft zu erheben, stieg er ins Meer hinab. Der Vergleich mit einem Ballon oder einem kleinen, unstarren Luftschiff drängt sich unausweichlich auf. Beide arbeiten gemäß dem klassischen Archimedischen Prinzip, nach dem ein Körper, der in Gas oder Flüssigkeiten eintaucht, einen Auftrieb erhalt, der gleich dem Gewicht des verdrängten Mediums ist. Ist das Gewicht des Körpers geringer als das dieses Mediums, wird er steigen; ist es größer, wird er sinken.

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Damit die Kabine oder Gondel kräftig genug war, dem zermal- menden Druck sogenannter abyssischer Tiefen standzuhalten, mußte sie notwendigerweise schwer sein und daher sinken. Auguste Piccard fragte sich nun, welcher Stoff, der leichter als Wasser ist, sich eignete, den Schwimmkörper des Bathyskaphs zu füllen. Alle Gase ließen sich zu leicht zusammenpressen und waren daher für große Tiefen unbrauchbar. Metallisches Lithium oder Salmiakgeist boten wohl eine Möglichkeit, hatten aber zu viele Nachteile. Bei seiner Suche nach einer leichten Substanz, die nur wenig kompres- sibel ist, verfiel er schließlich auf Benzin, das überall zur Verfügung steht.

Die mTrieste= glich daher einem kleinen, unstarren, mit Benzin gefüllten Luftschiff von 105 mq Fassung. (Später wurde ihr Volumen auf 129 mv vergrößert.) Damnter hing eine dickwandige Stahlkugel von 10 t Gewicht (später ersetzt durch eine Kugel von 13 t). Durch eine untere Offnung konnte Wasser in den Schwimmkörper ein- dringen und wieder ausfließen und dadurch der Druck des Benzins dem des umgebenden Meerwassers angeglichen werden. Ein dünn- wandiger Schwimmkörper genügte, da in keiner Tiefe ein Druck- unterschied vorhanden war. Benzin schwimmt auf dem Wasser und mischt sich nicht mit ihm, es kann also aus dem Schwimmkörper nicht entweihen.

An Stelle des Sandballasts eines Ballons sollte das Bathyskaph einige Tonnen Eisenkügelchen verwenden. Dieser Eisenschrot ließ das Fahrzeug sinken, sobald die zwei Luftkammern an den Enden geflutet wurden; warf man den Ballast ab, stieg es wieder. Aus einer besonderen Kammer des Schwimmkörpers konnte man etwas Benzin durch ein Ventil ablassen, so daß sich das Bathyskaph anstatt leichter auch schwerer machen ließ.

Sollte etwas schiefgehen, wünscht der Pilot natürlich aufzu- tauchen. Um dies mit vollkommener Sicherheit zu gewährleisten, hatte es Auguste Piccard so eingerichtet, daß der Eisenballast von einem Elektromagneten gehalten wurde, der die Kügelchen zu einem festen Zapfen verbackte, wenn er eingeschaltet war. Wurde der Strom unterbrochen oder setzte er aus irgendeinem Grund aus, so floß der Ballast automatisch aus wie Sand in einem Stundenglas. Jede Strompanne führte daher unweigerlich das Boot an die Ober- fläche zurück.

rn einem Winkel von Piccards Werkstatt versteckt, stand ein paar etwa 3 m lange Pontons, die an Skier erinnerten. Sie war„ aus dünnem Aluminiumblech hergestellt und konnten mit Riemen an die Füße geschnallt werden. Ich erfuhr bald, daß diese merkwürdigen Gebilde eine kleine Erfindung waren, die sich so nebenbei in der Entwicklung des Bathyskaphs ergeben hatte. Man konnte mit ihnen auf dem Wasser spazierenlaufen. .Wissen Sie, i& spare viel Zeit, wenn ich einfach auf ,Skiern< zur >Trieste. hinausfahren kann, sobald sie weitab vom Kai vor Anker liegt. statt mich jedesmal mit einem Boot hinüberrudern zu lassen*, er- zählte mir Jacques. .Die Klappen, die Sie an der Unterseite der Pontons sehen, dienen der Fortbewegung in einer Richtung wie Steigfelle bei Skiern. Wenn ich eines Tages Zeit dazu habe, kann ich sie vielleicht abändern, so daß sie noch besser laufen.*

Als Jacques Piccard mich durch den langen Einsteigschacht und die Tür, die dem Verschluß eines Panzerschranks ähnelte, in die Kugel von 2 m lnnendurchmesser geleitete, fragte ich mich, wie er das mit seinen 2 m Größe fertigbrachte. Der enge Raum war voll- gestopft mit Gestellen, auf denen Instmmente und Schalttafeln angebracht waren. Ich kam mir vor, als sei ich in das Werk einer riesigen Schweizer Uhr hineingeraten. Da es mich immer dazu drängt, an Knöpfen zu drehen, faltete ich absichtlich die Hände. Als er mir die technischen Einrichtungen der .Triestes erklärte, merkte ich deutlich, wie sehr sie für ihn eine persönliche Schöpfung war. Nichts war mit einer Aufschrift versehen. Nur Jacques Piccard wußte, was jeder Hebel und Schalter bewirkte und warum.

Hier sah ich ein Tauchboot, das einem Privatmann gehörte und gründlich durchdacht war. Vater und Sohn hatten es in gemein- samer Arbeit erbaut. Der Vater hatte als Physiker die Ideen und Berechnungen geliefert, und der Sohn hatte als Konstrukteur, der sich besonders auf o~eano~raphische Fragen verstand, den Plan verwirklicht. Nach einer Reihe erfolgreicher Tauchfahrten, die 1953 bis zu einer Tiefe von 3150 m durchgeführt wurden, kehrte Auguste Piccard in sein stilles Studierzimmer in Chexbres zurück, von dem er den Genfer See überblickte, um dort über vielleicht noch wunder- lichere Unterwasserfahrzeuge nachzugrübeln. Jacques war nun für den praktischen Einsatz verantwortlich, er arbeitete unter ständiger Leitung seines Vaters, wenn er auch fern von ihm weilte.

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Auf der gleichen Linie bewegten sich die Unternehmen der fran- zösischen Marine mit bemannten Tiefsee-Tauchbooten. Die Fran- zosen hatten Auguste Piccards FNRS 2 in FNRS 3 umgebaut und besaßen damit das einzige andere Bathyskaph der Welt. Die ~Trieste- war in einer wenig günstigen Lage, den Wettstreit auf- zunehmen. Mit den spärlichen Geldmitteln aus privaten Quellen konnten die Piccards jedes Jahr nur wenige Male in der unmittel- baren Umgebung von Castellammare tauchen. Jacques war nicht einmal in der Lage gewesen, ein Echolot zu kaufen, das ein sehr wichtiges Instrument ist, um sanft auf dem Meeresgrund aufsetzen zu können.

Es war geradezu erfrischend, zu erleben, daß ein einzelner Mann die .Unverfrorenheit- hatte, ein Tiefseeboot zu besitzen und zu betreiben. Das war sonst überall Aufgabe der Manne. Jedermann weiß, daß Unterseeboote von zuständigen Regiemngsstellen, von technischen Stäben, von Haupt- und Nebenvertragsfirmen gebaut werden. Man nimmt nicht an, daß Vorstöße in technisches Neuland außerhalb von Laboratorien gelingen, die über reichliche Mittel, über Elektronengehirne und über Techniker verfügen, die in allen Sätteln gerecht sind und in mühevoller Kleinarbeit Denkschriften verfassen mit Worten wie *Erkenntnis*, .aktivieren. und *in endgültige Form bringen-. Die moderne technische Produktion er- fordert angeblich so viel gelehrtes Wissen, daß für rEdisons- in einer Hinterhofwerkstatt keine Möglichkeit besteht.

Zweifellos war Jacques Piccard ein rAnachronismus* - eine *Ein-Mann-Organisation. ohne Sekretäre und Assistenten.

Das Bathyskaph ist an die Zeit gebunden. In den verwickelten Formeln, nach denen beim Au€- und Absteigen die Geschwindigkeit geregelt wird, spielt die Zeit eine wesentliche Rolle. Sich in der Zeit- einteilung zu irren kann ein Unglück heraufbeschwören. Bei geöff- neten Silos fließen in jeder Sekunde genau 10 kg Ballast aus jeder Uffnung. Es liegt ein seltsamer Widersinn darin, daß für dieses Boot. das dazu bestimmt ist, in das zeitlose Reich der Tiefsee hinab- zusteigen, Zeit so entscheidend sein soll. Der Abgrund des Ozeans entzieht sich dem astronomischen Zeitmaß; er kennt keine Tage, keine Jahreszeiten. Ist eine Uhr dort einmal stehengeblieben, kann sie nie wieder richtig eingestellt werden.

In dem drei Seiten langen, mit Maschine geschriebenen Brief, in

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dem die piccards im Jahre Zuvor der National Science Foundatio~~ den tinsatz der mTriestea angeboten hatten, stellten sie schlicht fest: *zu erwähnen wäre noch, daß das Bathyskaph das einzige vor- handene Mittel ist, das dem Menschen unmittelbare Beobachtungen in großen Tiefen gestattet.. Diese kurze und bündige Feststellung war eine unbestreitbare Tatsache. In den letzten zehn Jahren haben die zwei mächtigsten Nationen der Erde Milliarden Dollars für Raketenversuche ausgegeben in der Hoffnung, am Ende einen Men- schen zur unmittelbaren Beobachtung auf den Mond zu schicken.

Gegensatz dazu ist es zwei Bürgern des Binnenlandes Schweiz nur privater Unterstützung gelungen, ein Fahrzeug zu bauen, das den Menschen zu der tiefsten Stelle des Ozeans bringt.

Jacques Piccard lenkte wieKapitänNemoimRoman JulesVernes' ein merkwürdig gebautes Unterseeboot, das den Menschen an einen Ort beförderte, wo er noch nie gewesen war. Auch mich ergriff Piccards anstdende Begeisterung. Wie sich erwies, sollte diese Begegnung nur der Anfang einer engen Zusammenarbeit mit der bTrieste. und ihrem Führer werden. Ich vereinbarte eine Reise nach den Vereinigten Staaten. Gemeinsam wollten wir dort für die Ver- wendung des Bathyskaphs eintreten. Zuerst galt es, Gordon Lill und Arthur Maxwell vom Office of Naua1 Research (Forschungsamt der Marine) -kurz ONR genannt - aufzusuchen, denn deren Auf- gabe war es, in der geophysikalischen Abteilung des Amts die ozeanographischen Untersuchungen zu fördern.

Natürlich taugte die rTrieste. überhaupt nicht dazu, als Kriegs- schiff eingesetzt zu werden. Aber auf ozeanographischem Gebiet war ihre Leistungsfähigkeit unbegrenzt, und die beste Marine der Welt mußte unbedingt auch in der Ozeanographie führend sein. Zudem konnte die Unterseebootabteilung durch dieses Tiefseeboot eine Menge über die technische Bewältigung hohen Drucks erfah- ren. Genauso wie das Flugzeug immer höher steigen und schneller werden muß, soll das Unterseeboot geräuschloser fahren und vor allem tiefer gehen.

Die Marine hörte uns tatsächlich an. Nun begannen sich die Er- eignisse aber keineswegs zu überstürzen. Man hatte noch keinen ähnlichen Fall behandelt. In der Marine ist vielerlei vereint, sie setzt sich aus einer Menge von Persönlichkeiten und Schiffen zusammen. Es braucht Zeit, bis ein neuer Gedanke richtig gewertet wird und

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sich durchsetzt. Der Marine lag viel daran, den Ozean in seinen I. K A P I T E L Tiefen zu erforschen. In der kurzen Zeit von wenigen Jahrzehnten war die Obertläche der Meere - die einige hundert Jahre lang ge- nügt hatte, England vor einer Invasion zu bewahren - zu einer Brücke und einem Hauptverkehrsweg geworden. Nun kam allmäh- lich der gesamte Raum des Meeres zur Geltung. Die Welt nent- I D E ~ S C H A U P L A T Z D E R E R E I G N I S S E deckte- notgedrungen die Ozeanographie. U N D D I E C R O S S E A U F G A B E

Robert C. Dietz La Jolla, Kalifomien I N e u e dringende Erfordernisse zwingen den Men-

schen, sich wieder dem Meer zuzuwenden, aus dem alles Leben stammt. Wenn der Mensch hoffen will, das Geheimnis seiner dunk- len Herkunft zu lösen, muß er zur .Mutter See. zurückkehren, um die endgültigen Antworten zu finden. Das leuchtet ein.

Eines Tages werden wir vielleicht erfahren, daß der erste Keim seinen Lebensfunken von der Hitze eines unterseeischen Vulkans erhielt, von der die reichlich im Meerwasser gelösten Ionen neu gruppiert wurden. Vielleicht war der hohe Druck in der Tiefe der Katalysator für diese lebenswichtige chemische Reaktion. Nur wenige leugnen, daß wir durch unsere Ahnenformen mit dem Meer verbunden sind; unser salzhaltiges Blut, die Kiemenspalten im menschlichen Embryo - dies und vieles andere spiegelt die Evolu- tion wider und verrät, daß die Entstehungsgeschichte des Menschen im Meer begann.

Die beunruhigende Ankündigung der Statistiker, daß die Ernäh- rung mit der Be~ölkerun~szunahme der Erde nicht Schritt halten kann, veranlaßt überdies den Menschen, sein Augenmerk dem Meer zuzuwenden, um neue Nahrungsquellen zu erschließen. DerMensch hat auch erkannt, daß die Ozeane ein sehr wichtiger und beherr- schender Faktor für das Wetter sind - eine Art Thermostat für den ganzen Erdball. Wenn der Mensch das ständig wechselnde Wetter Zu steuern oder auch nur vorherzusagen hoffen will, muß er über die See gründlicher und genauer Bescheid wissen.

Da wir uns zu Landbewohnern entwickelt haben, neigen wir dazu, uns die Erde als einen Festlandplaneten vorzustellen. Doch

Weltraum aus betrachtet, sind die Kontinente lediglich Inseln

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I N H A L T

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Schauplatz der Ereignisse und die große Aufgabe

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dakari948

Die schwierigen Jahre . . . . . . . . . . . . . . . L

. . . . . . . . . Die ersten Tauchfahrten der aTriesteu 5

. . . . . . . . . . . Die WissenschaH bricht das Siegel 5

. . . . . . . . . . . . . . . . . . Tauchfahrt 27 1

Ein anderer Ozean . eine andere Welt . . . . . . . . . . . 86

Unternehmen Nekton . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

. . . . . . . . . . . . i i ooo Meter unter dem Meeresspiegel 135

Tiefseeboote von Morgen . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Das Meer. Bekanntes undUnbekanntes . . . . . . . . . . . . 174

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Namen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . 213

A B B I L D U N G E N

. . . . . . . . . . . . TAFEL 1 Jacques Piccard TAFEL 2 Professor Auguste Piccard . . . . . . . . TAFEL 3 Das Innere der Kabine 1957 . . . . . . . . TAFEL 4 Die FNRS 2 wird zu Wasser gelassen . . . . TAFEL 5 Die nTrieste~ im Golf von Neapel . . . . . TAFEL 6!7 Vor Capri im Sommer 1957 . . . . . . . TAFEL 8 Vor Capri im Sommer 1957 . . . . . . . . TAFEL 9 Der Meeresgrund vor Capri . . . . . . . . TAFEL 10 Schnecken und Muscheln vom Giund des Mittelmee

TAFEL I1 Die nTriestei~ wird in Castellammare verladen . TAFEI 12 Ankunft in San Diego . . . . . . . . . . TAFEL 13 Prinz Victor Emanuel und Jacques Piccard . . R

nitrer. Dietz und Walsh . . . . . . . . TAFEL 14li5 Die ~Trieste- mit der amerikanischen und der sdi'

rer Flagge vor San Diego . . . . . . . . TAFEL 16 Die ~Triesteu wird nach einer Tauchfahrt gereinigt .

. . . . TAEL 17 Auf dem Grund des Pazifik vor San Diego

. . . . . . TAFEL 18119 Herstellung der Krupp-Tauchkugel

TAFEL 20 Die drei Einzelteile der Kugel werden sorgf'ältig ru- . . . . . . . . . . . . . . sammengeklebt 105

TAEEL 21 Ultraschallkontrolle während der Fertigung der Krupp- Tauchkugel ..Die fertige Tauchkugel wird an Jacquer

. . . . . . . . . . . . . . Piccard übergeben 120

. . . . . . TAFEL 22/23 Die Inneneinrichtung der neuen Kugel lZOil21

. . . . . . . T A ~ E L 24 Der Schwimmkörper wird verlängert 121 .. . . . . . TAFEL 25 Die Triestee wird nach Guam verladen 128

TAFEL 26 Montage in Guam . . . . . . . . . . . . . 129

TAFEL 27 Die r>Trieste« wird in Guam zu Wasser gelassen . . 144

. . . . TAFEL 28 Jacques Piccard beim Einfüllen des Benzins 145

TAFEL 29 Riickkehr aus 7025 m Tiefe . . . . . . . . . . 160

TAFEL 30 Rückkehr aus 10916 m Tiefe . . . . . . . . . 161

TAFEL 31 Präsident Eisenhower. Jacques Piccard und Leutnant Walsh . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

. . . . . TAFEL 32 Auch Frau Piccard bekommt einen Orden 177

Bildautoien: lohn Laundis ( B l d Star): Taf . 1; Tronronr . Neapel: Taf . 2; france 501r: Tat . OfKcial Photograph US-Navy: Taf . 1. ii. Zr. 13. i l l x s . 21. 21. 2" 2, . 28; Official Photograph US-Governmcnt: Tal . 3%; Di Dornmico. Capri: Ta1 . 617. 8; larques ~lccard: Taf . 9 . i r :

Dr . G . Botteron. Lausanne: Tai . 10; Foto Krupp: Tai . i8 . ip. 20 . 2%; Ateliers dc Construc- lionr M4~nniquer . Vevey: Taf . 22. 13; Llfc Magazin .: Tif . ~9 . 30; Fublic Information - Nevr Section . San Diego: Tal . 12; Ohne ~ n g a b r n : ~ a f . 7 . i 6 .

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Auguste Piccard I UBER DEN WOLKEN, UNTER DEN WELLEN I

304 Seifen, 54 Tafdlbilder, ap Zeidrnungen im ~ e r t .

Ganzleinen DM 14,-.

"Es ist ein Gewinn und ein Vergniigen. dem Professor einmal bei seinem

Planen und Verwirklichen iiber die Sdiulter sehen zu kUnnen. Sdicht und

lebendig zwglelch, die Schwierigkeiten und Mißerfolge nicht verschweigend.

schildert Piccard vor allem den Werdegang des Bathyskaphs, die früher saudion

eingehender dargestellten Stratosphärenüiige nur kurz rekapitulierend.

Nennen wir ihn ruhig, wie e im schönen Vorwort zu dem reidi iUusMerten

Buch geschieht, einen Meister: sein Geist, der allem aufgesdossen ist, was

mit der Natur und Wissenschaft im Zusammenhang steht, ergießt siaudi In

frudttbarer und vielfXitiger Aktivität." Basler voL.bLitf

Piewe de Latil I VOM NAUTILUS ZUM BATHYSKAPH I

r6o Seiten, 18 Tnfelbilder, 4 Zeidrnungen. Halbleinen DM 480.

(Reihe #Reisen und Abenteuern) I I

Von den ersten V e r s u h iiber J& Vmie und seinen Professor Aronnax

bis zu Piccardo Bathyskaph reidit die Schilderung der Gesdiiauditte der

Tauaudierei. die immer von der Sehnsucht des Mmsdien nadi unbekannten

Tiefen afiillt war. Es ist nicht die Tat eines einzelnen, die hier besdirieben

wird, es ist eine Kette von Gesdiehnirsen, die sich fast dwdi die ganze

Geschichte der Menschheit zieht.

F . A . B R O C K H A U S . W I E S B A D E N