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WACHSTUM ERLEBEN KAPITEL 6 ZUSAMMEN WACHSEN. DIE WIEDERVEREINIGUNG DER DEUTSCHEN KALIINDUSTRIE 1989–1997 227 K+S GRUPPE WACHSTUM ERLEBEN KAPITEL 6 ZUSAMMEN WACHSEN. DIE WIEDERVEREINIGUNG DER DEUTSCHEN KALIINDUSTRIE 1989–1997 Kapitel 6 ZUSAMMEN WACHSEN. DIE WIEDERVEREINIGUNG DER DEUTSCHEN KALIINDUSTRIE (1989–1997) 9. November 1989: Mit der Maueröffnung begann eine neue Ära der deutschen Geschichte. Die Wiedervereinigung bot der deutschen Kaliindustrie die einmalige Chance, gemeinsam eine neue Startposition im internationalen Wettbewerb einzunehmen. Die ost- und west- deutsche Kaliindustrie entwickelten zusammen mit der Treuhandanstalt ein zukunftsweisendes Konzept, um unter gemeinsamer Führung und Nutzung der besten deutschen Lagerstätten auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein. Dieses Konzept der „wirtschaftlichen und sozialen Vernunft“ fand breite Zustimmung auch bei Gewerkschaften und Politik. Im Zuge der Privatisierung der ostdeutschen Kaliindustrie vereinigten „Mitteldeutsche Kali AG“ und „Kali und Salz AG“ ihre Kali- und Steinsalzaktivitäten in der „Kali und Salz GmbH“. Bis 1997 investierte das neue Unternehmen mehr als eine Milliarde Mark in die Modernisierung vor allem der ostdeutschen Kaliwerke. 7.500 Arbeitsplätze in Ost- und Westdeutschland wurden gesichert, davon gut 3.000 in den neuen Bundesländern. Die Kalifusion wurde zu einer der erfolgreichsten Privatisierungen der Treuhandanstalt. Mauerfall: Neue Ära in der deutschen Geschichte und tief greifende politische und wirtschaftliche Umwälzungen in Osteuropa Übergang: Aus dem VEB Kombinat Kali wird die „Mitteldeutsche Kali AG“ Einbruch: Dramatischer Rückgang der Kalinachfrage, Überkapazitäten und Preisverfall Stilllegungen: Werksschließungen in der ost- und westdeutschen Kaliindustrie sind unvermeidbar Gemeinsame Zukunft: Die Zusammenführung der ost- und westdeutschen Kaliindustrie eröffnet neue wirtschaftliche Chancen im internationalen Wettbewerb Geschäftsplan: Zukunftsweisendes und wirtschaftliches Konzept von Treuhandanstalt und deutscher Kaliindustrie zur nachhaltigen Sicherung von 7.500 Arbeitsplätzen Erfolg: Orientierung an technischen und betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten, realistische Einschätzung der Marktchancen sowie soziale Verantwortung lässt Kalifusion zu einer der gelungensten Privatisierung in Ostdeutschland werden

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Kapitel 6

ZUSAMMEN WACHSEN.DIE WIEDERVEREINIGUNG DER DEUTSCHEN KALIINDUSTRIE(1989–1997)

9. November 1989: Mit der Maueröffnung begann eine neue Ära der deutschen Geschichte.Die Wiedervereinigung bot der deutschen Kaliindustrie die einmalige Chance, gemeinsameine neue Startposition im internationalen Wettbewerb einzunehmen. Die ost- und west-deutsche Kaliindustrie entwickelten zusammen mit der Treuhandanstalt ein zukunftsweisendesKonzept, um unter gemeinsamer Führung und Nutzung der besten deutschen Lagerstättenauf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein. Dieses Konzept der „wirtschaftlichen und sozialen Vernunft“ fand breite Zustimmung auch bei Gewerkschaften und Politik. Im Zugeder Privatisierung der ostdeutschen Kaliindustrie vereinigten „Mitteldeutsche Kali AG“ und„Kali und Salz AG“ ihre Kali- und Steinsalzaktivitäten in der „Kali und Salz GmbH“. Bis 1997investierte das neue Unternehmen mehr als eine Milliarde Mark in die Modernisierung vor allem der ostdeutschen Kaliwerke. 7.500 Arbeitsplätze in Ost- und Westdeutschland wurdengesichert, davon gut 3.000 in den neuen Bundesländern. Die Kalifusion wurde zu einer dererfolgreichsten Privatisierungen der Treuhandanstalt.

Mauerfall: Neue Ära in der deutschen Geschichte und tief greifende politische und wirtschaftliche Umwälzungen in Osteuropa

Übergang: Aus dem VEB Kombinat Kali wird die „Mitteldeutsche Kali AG“

Einbruch: Dramatischer Rückgang der Kalinachfrage, Überkapazitäten und Preisverfall

Stilllegungen: Werksschließungen in der ost- und westdeutschen Kaliindustrie sind unvermeidbar

Gemeinsame Zukunft: Die Zusammenführung der ost- und westdeutschen Kaliindustrie eröffnet neue wirtschaftliche Chancen im internationalen Wettbewerb

Geschäftsplan: Zukunftsweisendes und wirtschaftliches Konzept von Treuhandanstalt und deutscher Kaliindustrie zur nachhaltigen Sicherung von 7.500 Arbeitsplätzen

Erfolg: Orientierung an technischen und betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten, realistische Einschätzung der Marktchancen sowie soziale Verantwortung lässt Kalifusion zu einer der gelungensten Privatisierung in Ostdeutschland werden

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VOM ZUSAMMENBRUCH DES KALIMARKTS BIS ZUR KALIFUSION (1989–1992)

oben Der sowjetische Staats- undParteichef Michail Gorbatschow wäh-rend seines Besuchs in der Bundes-republik Deutschland im Juni 1989

links „Wir sind das Volk“. Mehrerehunderttausend DDR-Bürger demon-strierten im Oktober 1989 bei „Mon-tagsdemonstrationen“ in Leipzig fürpolitische Reformen, Reisefreiheit,das Recht auf freie Meinungsäuße-rung und freie Wahlen.

Glasnost und Perestroika: Der Zusammenbruch des osteuropäischen und russischen Kalimarkts

1986 verkündete der neue Generalsekretär des Zentralkomiteesder KPdSU, Michail Gorbatschow, sein Programm von Glasnost(Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) für die UdSSR. Mitder Abkehr vom alten staatssozialistischen Plansystem und derHinwendung zu marktwirtschaftlichen Strukturen löste er einentief greifenden Wandel der sowjetischen Wirtschaft und damitder Wirtschaft des gesamten „Ostblocks“ aus. Damit leitete Gorbatschow – eigentlich unbeabsichtigt – innerhalb wenigerJahre die Auflösung des gesamten COMECON ein, des staats-sozialistischen Wirtschaftsraums. Das hatte Folgen für die übrigeWelt – auch für die DDR und deren Kaliindustrie.

An den Standorten der DDR-Kaliindustrie wuchs bereits1988 die Kritik am staatlichen Druck zur Planerfüllung, der

Der Gebirgsschlag von Völkershausen

Am 13. März 1989 kam es in der Kali-grube „Ernst Thälmann“ (Merkers) zumstärksten Gebirgsschlag, der bislang welt-weit im Kalibergbau registriert wurde.Dieses Erdbeben mit der Stärke 5,7 aufder Richterskala zerstörte oder beschä-digte innerhalb von zwölf Sekundenmehr als 80 Prozent aller Gebäude desOrtes Völkershausen. Zahlreiche histo-rische Gebäude, darunter die Kirche unddas Schloss, mussten anschließend abge-rissen werden. Die Bodenerschütterungenwaren noch in mehr als 300 KilometernEntfernung zu spüren.

Überraschend kam dieser Gebirgs-schlag nicht: Bereits vorher hatte die Kaliund Salz AG aufgrund ihrer seismischenMessungen die DDR-Regierung über dieBundesregierung eindringlich gewarnt,dass ein Gebirgsschlag bevorstehe. Bergmännische Mängel – gefördert undsanktioniert von den DDR-Bergbehörden

(siehe Kapitel 5, Seite 186) – führten zu dem Unglück, denn die Stützpfeilerder Bergwerke in Thüringen waren zuschwach dimensioniert. Als noch Fehlerbeim Sprengen hinzukamen, brachen dieStützpfeiler zusammen. Schockiert vondem schweren Beben akzeptierten dieostdeutschen Offiziellen zunächst ihreVerantwortlichkeit für das Beben. Schnellaber besann man sich und schob – wiebeim Gebirgsschlag 1975 – die Schuldauf die Salzabwasserversenkung der Kaliund Salz in den Plattendolomit des Werra-Gebiets und forderte Entschädigungen.Die ständige deutsch-deutsche Kommis-sion, die sich mit Fragen des Kaliberg-baus im Werra-Revier beiderseits derGrenze beschäftigte, kam zu keinemgemeinsamen Untersuchungsergebnis.Die Positionen standen sich unversöhn-lich gegenüber. Nach der deutschen Wiedervereinigung erwies es sich, dass

wie schon 1975 zu schmal dimensioniertePfeiler die Ursache des Gebirgsschlagsgewesen waren.

Um aus dieser DDR-Altlast einenähnlichen Gebirgsschlag für die Zukunftzu vermeiden, bauen in dem 1993 still-gelegten Bergwerk Merkers bis heuterund 250 Bergleute in staatlichem Auf-trag jährlich etwa zwei Millionen TonnenSalz ab, um mit ihm gefährdete Hohl-räume zu verfüllen und die langfristigeStandfestigkeit des gesamten Grubenfel-des Merkers zu sichern. Bis 2005 wurdenin Merkers durch Versatz von 21,5 Millio-nen Tonnen Rohsalz die Gebirgsschlags-gefahr bereits deutlich reduziert und dieam meisten gefährdeten Bereiche gesi-chert. Die Verwahrungsarbeiten werdenmit entsprechendem Aufwand für denSteuerzahler noch Jahre andauern.

Menschen und Maschinen ständig überforderte. Zunehmend und offen wie nie zuvor in der DDR formulierten die Menschenihre Unzufriedenheit mit ihrer persönlichen Situation, ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen. Sie kritisierten das Staats-versagen, das auch in dem schweren Gebirgsschlag von Völkers-hausen im März 1989 erneut offenkundig geworden war. EndeNovember 1989 kam es im ehemaligen „Musterbetrieb“ Zielitzzu Arbeitsniederlegungen. Die Zielitzer Kalikumpel forderteneine Reduzierung der familienunfreundlichen Wochenend-schichten, bessere Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhungen.Das Ansehen der DDR-Führung bröckelte – nicht nur in der Kaliindustrie.

links Der Gebirgsschlag von 1989 richtete in Völkershausen verheerende Zerstörungen an.

rechts Die Verwahrungsarbeiten in Merkers schützen vor Gebirgs-schlägen.

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Angesichts der Forderungen der Gewerkschaft„Solidarnosz“ in Polen, der Reformen in derUdSSR und der damit eingeläuteten raschenAuflösung des „Ostblocks“ demonstrierten imSeptember und Oktober 1989 bei den Leipziger„Montagsdemonstrationen“ zuletzt 300.000Menschen friedlich für Reisefreiheit und Refor-men in der DDR. Erich Honecker wurde am 18. Oktober 1989 als SED-Generalsekretär vonEgon Krenz abgelöst. Ende Oktober 1989 musstedie DDR-Führung schließlich einsehen, dassihr Land wirtschaftlich am Ende war und sich„der unmittelbar bevorstehenden Zahlungs-unfähigkeit“ gegenübersah, so eine interneAnalyse für das Politbüro: Nur eine „grund-sätzliche Änderung der Wirtschaftspolitik

der DDR“ und ein „konstruktives Konzept derZusammenarbeit mit der BRD“ könne die DDRnoch retten.

Am Abend des 9. November 1989 öffnete die DDR ihre Grenzen – dies war derAnfang vom Ende des ostdeutschen Staates.Die Bilder von der Grenzöffnung in Berlin gingen um die Welt, aber auch auf der mittel-alterlichen Werrabrücke zwischen Philippsthalund Vacha, deren Sperrung mehr als 40 Jahrelang die benachbarten Kaliwerke in Thüringenund Hessen getrennt hatte, trafen sich dieMenschen, tanzten, lagen sich in den Armenund weinten. Heute erinnert die Brücke inVacha unter dem Namen „Brücke der Einheit“an diese friedliche Revolution.

Ende 1989 wurde in der DDR die Führungsrolleder SED abgeschafft – im Staat und auch in derKaliindustrie. Nach heftigen Diskussionen imDezember 1989 streikten im Januar 1990 dieBischofferoder Bergleute erfolgreich für Lohn-erhöhungen. Allerdings war absehbar, dass dieser Lohn nicht im Werk erarbeitet werdenkonnte. Es wurde erst wieder produziert, nach-dem das Kalikombinat im März 1990 mit derwestdeutschen Industriegewerkschaft Bergbauund Energie (IG BE) einen neuen Tarifvertragabgeschlossen hatte. Am 31. Mai 1990 wurdevon der DDR-Führung ein neuer, vorerst nochprovisorischer Vorstand für das Kalikombinatbestellt.

Mit den Grenzöffnungen in Ungarn, Polenund schließlich der DDR im Jahr 1989 wurdendie dortigen Planwirtschaftssysteme und Indus-trien unvorbereitet mit der Konkurrenz amWeltmarkt konfrontiert. Weil die Staaten nichtmehr stützend eingriffen, brachen ganze Bran-chen zusammen und Millionen von Arbeits-plätzen gingen verloren. Auch für die Land-wirtschaft des ehemaligen Ostblocks waren die Folgen dramatisch, denn die landwirtschaft-lichen Betriebe mussten nach dem Ende der sozialistischen Planwirtschaft ihren Dünger zu deutlich höheren Weltmarktpreisen kaufenund in einer konvertierbaren Währung bezah-len. Dazu waren sie aber nicht in der Lage, undsie sollten es noch für weitere Jahre nicht sein.

oben Egon Krenz (rechts), Mitglied im Zentralkomitee der SED wurde am 18. Oktober 1989 zum Nachfolger vonErich Honecker (links) als SED-General-sekretär gewählt.

rechts Auf der Werrabrücke zwischenPhilippsthal und Vacha diente im November 1989 ein Bauwagen als Abfertigungsschalter für DDR-Bürger, die nach der Grenzöffnung in den Westen reisen wollten.

links Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl(rechts) und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (links) reisten im Juli 1990 zu einem Arbeitsbesuch nach Archys im Kaukasus, um mit demsowjetischen Staatspräsidenten MichailGorbatschow (Mitte) über die Modalitätender Vereinigung der beiden deutschenStaaten zu sprechen.

rechts Die mit einem großen Maschinen-park ausgestatteten Produktionsgenossen-schaften des Ostblocks waren nach dempolitischen und wirtschaftlichen Umbruchnicht mehr in der Lage, die notwendigenMengen an Kalidünger einzukaufen.

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Innerhalb weniger Jahre sank daher der Kali-absatz in Osteuropa und der Sowjetunion von9,9 Millionen Tonnen K2O (1988) auf 2,4 Mil-lionen Tonnen (1993). Auch der Kaliverbrauchauf dem Gebiet der ehemaligen DDR ging inner-halb von nur drei Jahren von 580.000 auf nurnoch rund 100.000 Tonnen K2O zurück. DerHeimatmarkt der ostdeutschen und der sow-jetischen Kaliproduzenten in Russland undWeißrussland war also innerhalb kürzester Zeitzusammengebrochen. Die landwirtschaftlichenProduktionsgenossenschaften (LPG) kämpftenebenso um ihr Überleben wie die ostdeutscheKaliindustrie.

1991 zerbrach die UdSSR und an ihreStelle trat die „Gemeinschaft UnabhängigerStaaten“ (GUS). Nach wie vor mussten die ehe-mals sowjetischen Kaliunternehmen Devisenerwirtschaften, die die GUS-Staaten zur Schul-dentilgung oder für den Ankauf von Getreide dringend benötigten. Die russische und weiß-russische Kaliindustrie suchte sich neue Absatz-märkte und drängte mit extremen Dumping-preisen auf die ohnehin seit Jahren stagnieren-den Kali-Exportmärkte. Dies traf besonders

die westeuropäische Kaliindustrie. Auf Drängender in der „Association des Producteurs Euro-peens de Potasse“ (APEP) organisierten west-europäischen Kaliproduzenten verfügte die Europäische Gemeinschaft 1992 zwar Anti-Dumping-Maßnahmen. Diese wurden abervon den osteuropäischen Produzenten wo immer möglich umgangen. Die durch denNachfragerückgang entstandenen Überkapa-zitäten der Kaliindustrie und der durch denGUS-Export verschärfte Preiskampf sorgten für einen beispiellosen Preisverfall auf demKali-Weltmarkt. Während die weltweite Pro-duktionskapazität rund 36 Millionen TonnenK2O betrug, sank der Absatz 1993 auf 20,9 Millionen Tonnen – fast ein Drittel weniger als 1988.

Aufgrund der EU-Agrarreformen mitihren Flächenstilllegungen und der drastischenAbsenkung der Agrarinterventionspreise sankder Kaliabsatz auch in Westeuropa zwischen1988 und 1993 um fast 30 Prozent. Damit ver-lor die Kali und Salz AG etwa 20 Prozent ihresAbsatzes in Europa. Die ostdeutsche Kaliindus-trie traf die Kalikrise unvergleichlich härter: Sie büßte im gleichen Zeitraum mehr als 75Prozent ihres europäischen Absatzes vor allemim Gebiet des sich auflösenden Ostblocks ein.Eine wichtige Ursache war die Währungsum-stellung. Mit der Einführung der D-Mark imZuge der Wirtschafts-, Währungs- und Sozial-union von Bundesrepublik und DDR am 1. Juli1990 musste der Osthandel in „harter Währung“erfolgen, statt in den bisherigen Verrechnungs-einheiten, und die Kosten mussten in D-Markausgewiesen und kalkuliert werden.

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Die Gründung von Treuhand und Mitteldeutscher Kali AG

Am 1. März 1990 beschloss der Ministerrat der DDR auf Vorschlag des „Runden Tisches“ –einer Vertretung aller demokratischen Kräfte inden Jahren des Umbruchs in der DDR 1989/90sowie der SED – die Gründung der „Anstalt zurtreuhänderischen Verwaltung des Volkseigen-tums“. Die „Treuhandanstalt“ (THA) sollte alseine Art Staatsholding zunächst die Kombinateentflechten und anschließend die Nachfolge-unternehmen in Kapitalgesellschaften umwan-deln, die allerdings in „Volkseigentum“ bleibensollten. Um einen befürchteten Ausverkauf derDDR-Wirtschaft zu verhindern, durften Unter-nehmen aus dem Westen zunächst nur Minder-heitsbeteiligungen erwerben.

Bei der Volkskammerwahl am 18. März1990, der ersten und letzten demokratischenWahl zur Volkskammer der DDR, siegte die„Allianz für Deutschland“ unter Führung derCDU, die 40,8 Prozent der Stimmen erhielt,während die SPD nur auf knapp 22 Prozentkam. Lothar de Maizière bildete eine große Koalition aus „Allianz“, SPD und Liberalen

und wurde am 12. April 1990 zum Minister-präsidenten gewählt. Seine Regierung betriebdie Wiedervereinigung mit Westdeutschlandund änderte die Wirtschaftspolitik grundlegendin Richtung Privatisierung. So beschloss dieVolkskammer am 18. Mai 1990 den Vertragüber die Wirtschafts-, Währungs- und Sozial-union mit der Bundesrepublik, der zum 1. Juli1990 in Kraft trat.

Mit dem Treuhandgesetz vom 17. Juni1990, das die Regierung de Maizière bereits vorder Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion vom 1. Juli 1990 in enger Abstimmung mit der Bundesregierung entworfen hatte, änderte sich der Auftrag der Treuhand entsprechendder neuen Wirtschaftspolitik grundlegend: Sie sollte nun nicht mehr die Staatsbetriebeverwalten, sondern „das volkseigene Vermö-gen privatisieren“ und – wenn möglich – „sanierungsfähige Betriebe zu wettbewerbs-fähigen Unternehmen“ entwickeln, um dieDDR-Wirtschaft „an die Erfordernisse desMarktes“ anzupassen. Die Treuhand-Aktien-

rechts 1991 zerbrach die UdSSR. Elf frühere Sowjetrepubliken gründeten am 21. Dezember 1991 in der kasachi-schen Hauptstadt Alma Ata die Gemein-schaft Unabhängiger Staaten (GUS). Auf dem Bild (v.l.n.r.) die Präsidenten Leonid Krawtschuk (Ukraine), NursultanNasarbajew (Kasachstan), Boris Jelzin(Russland) und Stanislaw Schuschkje-witsch (Weißrussland).

links Am 18. Mai 1990 unterzeichneten die Finanzminister der Bundesrepublik,Dr. Theo Waigel (rechts), und der DDR,Walter Romberg (links), in Bonn denStaatsvertrag über die Wirtschafts-, Wäh-rungs- und Sozialunion beider deutschenStaaten. Im Hintergrund BundeskanzlerDr. Helmut Kohl (Mitte) und DDR-Minis-terpräsident Lothar de Maizière (2.v.l.).

oben rechts Die Gesprächsteilnehmerdes ersten „Runden Tisches“ in Ost-Berlin am 7. Dezember 1989 beschlossendie Auflösung des Amtes für NationaleSicherheit, des ehemaligen Ministeriumsfür Staatssicherheit („Stasi“) und Wahlenzur Volkskammer.

unten rechts Eine große Menschenmengebejubelte am Abend des 10. November1989 vor und auf der Mauer am Branden-burger Tor in Berlin die Öffnung derdeutsch-deutschen Grenze.

Kaliabsatz in Europa und der GUS 1988–1993 (Angaben in Millionen Tonnen K2O)

Osteuropa ehem. UdSSR/GUS Westeuropa

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Die Arbeit der Treuhand

Optimisten in Westdeutschland und vieleOstdeutsche rechneten zunächst mit einem Wert der staatlichen DDR-Unter-nehmen von 600 Milliarden D-Mark. Tat-sächlich war die DDR-Industrie allerdingsweit weniger wert als anfangs angenom-men. Viele Betriebe waren abgewirtschaf-tet, die Anlagen veraltet, herunterge-kommen und unproduktiv. Hinzu kam,dass das Management nicht in den „kapi-talistischen“ Kategorien von Wettbewerb,Kosten und Gewinn, sondern im Systemvon Planerfüllung dachte. Nur ein sehrkleiner Teil der DDR-Wirtschaft war amWeltmarkt tatsächlich konkurrenzfähig.

Nach der Wirtschafts-, Währungs-und Sozialunion der beiden deutschenStaaten am 1. Juli 1990 mussten alle Gesellschaften mit Hilfe von Fachleutenaus der Bundesrepublik DM-Eröffnungs-bilanzen erstellen. Damit lagen erstmalseinigermaßen verlässliche Zahlen zurSubstanz auf dem Tisch. Als die TreuhandMitte 1992 mit ihrer eigenen Eröffnungs-bilanz erstmals realistische Zahlen für die

ganze ehemalige DDR vorlegte, präsen-tierte sie ein Defizit von rund 250 Milliar-den D-Mark. Am Ende waren es rund230 Milliarden D-Mark Schulden, die inden „Erblastentilgungsfond“ des Bundesübergingen. Zusammen mit dem „FondDeutsche Einheit“ liefen 386 MilliardenMark Schulden auf. Finanziert wurde dasDefizit über Anleihen, die die Treuhandweltweit platzierte. Die Treuhand privati-sierte bis Ende 1994 rund 15.000 Betriebe.Dabei übernahm sie die Kosten für dienotwendigen Investitionen, den Sozial-plan und einen Verlustausgleich, je nach wirtschaftlicher Lage des jeweiligenUnternehmens zu einem großen Teil oder sogar vollständig. In diesem Rahmenwurden etwa 80 Prozent der Schuldender DDR-Unternehmen von der Bundes-republik übernommen.

Für die zu privatisierenden Unter-nehmen versuchte die Treuhand, Käuferzu finden, deren Konzept, Kompetenzund Vertrauenswürdigkeit am überzeu-gendsten waren. Dazu gehörten auch

Zusagen über rund 895.000 Arbeitsplätze,deren Zahl am Ende sogar überschrittenwurde. Neben dem Zusammenschlussder Mitteldeutschen Kali AG (MdK) mitder Kali und Salz AG gehörten die Priva-tisierungen der Stromwirtschaft (Käufer:PreussenElektra, RWE und Bayernwerk),der Interhotel AG (sie ging an eine Investorengruppe), der Werften (Käufer:Bremer Vulkan), der Raffinerien von Leuna und Minol (Käufer: Elf Aquitaine),der Eko-Stahl in Eisenhüttenstadt (Käufer:Arcelor), der mitteldeutschen Großchemie(Käufer: DOW) des DDR-Waggonbaus(Käufer: Advent International) und desChemiewerks Schwarzheide (Käufer:BASF) zu den großen Privatisierungen.

Zum 31. Dezember 1994 wurdedie Treuhand aufgelöst. Ihre Nachfolgeübernahm ab 1. Januar 1995 die „Bundes-anstalt für vereinigungsbedingte Sonder-aufgaben“ (BvS). Sie führte die letztenPrivatisierungen durch und wickelte denRest der fast 40.000 Privatisierungs-verträge ab.

gesellschaften sollten die „Effizienz und Wett-bewerbsfähigkeit“ ihrer Unternehmen sicher-stellen. Die Treuhand wurde allerdings erstnach der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 zu einer handlungsfähigenInstitution ausgebaut.

Mit Blick auf den Übergang zur Markt-wirtschaft wurden das bisherige Kombinat Kaliin eine Reihe von Kapitalgesellschaften im Besitz der Treuhand umgewandelt und Teiledes Geschäfts in Tochtergesellschaften verlagert.Einzelne Standorte, die sich für konkurrenz-fähig hielten, wie Zielitz oder die thüringischenWerra-Werke, versuchten, ihre Betriebe eigen-ständig fortzuführen. Die Zielitzer Bergleutehatten schnell auf die neuen Möglichkeitenreagiert, die durch die Entflechtung der zuvorzentral geleiteten Kombinate entstanden: Bereitsam 5. März 1990 beschloss die Leitung des Kali-werks Zielitz die Gründung einer Aktiengesell-schaft. Am 1. Juni 1990 wurde die „ZielitzerKali AG“ realisiert. Am gleichen Tag gründetedie Treuhand die Mitteldeutsche Kali AG (MdK)mit Sitz in Sondershausen. Die Werra-WerkeMerkers und Unterbreizbach schlossen sich zur Kali Werra AG zusammen und im Südharzwurde die Kali Südharz AG gegründet. DieseArt der Umwandlung im ehemaligen Kalikom-binat bot kaum Aussicht auf wirtschaftlichesÜberleben. Daher kam es vor allem zwischen

der Zielitzer Kali AG und ihrer Muttergesell-schaft MdK zu Spannungen.

Nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde die Treuhand hand-lungsfähiger. Dies hatte auch Auswirkungenauf die Kaliindustrie in Ostdeutschland: Am14. Dezember 1990 ersetzte der Treuhand-Aufsichtsrat den bisherigen, vorläufigen Vor-stand der MdK durch einen ordentlichen Vor-stand. Wie bei der Treuhand selbst, sollten auchin der MdK Fachleute aus dem Westen den Einfluss der „alten Seilschaften“ zurückdrängenund die Neuausrichtung des ehemaligen DDR-Kalibergbaus gestalten. Vorstandssprecher wurde der ehemalige BundesbankdirektorFriedhelm Teusch, Vorsitzender des Aufsichts-rats der ehemalige hessische Wirtschaftsminis-ter Professor Dr. Ulrich Steger (SPD). Arbeits-direktor im Vorstand wurde Peter Backhaus vonder Essener STEAG. Von der Kali und Salz AGkam der bereits pensionierte Alwin Potthoff,im Vorstand verantwortlich für Gruben und Lagerstätten. Mit Dr. Willi Heim und HelmutKlucke wurden zwei ehemalige Vorstandsmit-glieder von Kali und Salz in den Aufsichtsratgewählt, die Gewerkschaft IG BE stellte mitManfred Kopke den stellvertretenden Aufsichts-ratsvorsitzenden. Damit gewannen MdK-Vorstand und Aufsichtsrat wichtiges markt-wirtschaftliches Know-how im Bereich Kali.

von links nach rechtsRund 2.000 Beschäftigte der Metall- undElektroindustrie aus Berlin und Brandenburgdemonstrieren am 28. November 1990 vordem Sitz der Treuhandanstalt in Berlin für dieSanierung ihrer Betriebe und für den Erhaltihrer Arbeitsplätze.

Arbeiter auf dem Gelände der Leuna-Werke AGin Merseburg. Am 23. Juli 1992 wurde dasUnternehmen an ein deutsch-französischesKonsortium unter Führung von Elf Aquitaineverkauft.

Grenzstreifen an der Berliner Treuhandanstaltim Frühjahr 1990. Das Gebäude der Treuhand(im Hintergrund links) wurde 1935–1936 alsReichsluftfahrtministerium gebaut, später wares „Haus der Ministerien“ der DDR und 1990zog die Treuhand ein. Seit 1999 ist es Sitz desBundesfinanzministeriums.

Friedhelm Teusch, Vorstandssprecher der Mitteldeutschen Kali AG, Ressort Finanzen (1990–1993)

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Neuorganisation der MdK und Personalabbau

Die wirtschaftliche Lage des neuen Unterneh-mens erschien angesichts der Weltmarktsitua-tion bedrückend. Die MdK war – wie alle ehe-maligen DDR-Betriebe – hoch verschuldet undhatte ihre Märkte im Osten weitgehend ver-loren. Nun rächte es sich, dass die ostdeutscheKaliindustrie nicht die durchgreifenden Ratio-nalisierungen vorgenommen hatte wie diewestdeutsche Kaliindustrie in den 1960er und1970er Jahren unter dem Druck des Wettbe-werbs. Während die Kali und Salz AG 1989 insgesamt 7.800 Mitarbeiter beschäftigte und27 Millionen Tonnen Rohsalze förderte, förder-te das Kalikombinat rund 36 Millionen Tonnenund beschäftigte 31.600 Mitarbeiter, davon allerdings viele nicht direkt im Bergbau oder in den Fabriken, sondern in sozialen Einrich-tungen oder bergbaufremden Tochterunter-nehmen. Darum waren die Kosten des ostdeut-schen Kalis doppelt so hoch wie die Erlöse aufdem Weltmarkt, berichtete der für die Privati-sierung der ostdeutschen Kaliindustrie zustän-dige Treuhand-Vorstand Dr. Klaus Schucht. Die Treuhandanstalt musste die MdK zunächstjährlich mit mehreren hundert Millionen Marksubventionieren.

Der neue MdK-Vorstand hatte seit Ende 1990 zwei zentrale Aufgaben zu lösen:Die Neuausrichtung des Unternehmens undden notwendigen Personalabbau. Zunächstmussten das „widerspenstige“ Werk in Zielitzund die Werra-Werke wieder unter dem Dachder MdK vereinigt werden. Dazu setzte der Aufsichtsrat im Februar 1991 überraschendden Vorstand der Zielitzer Kali AG ab, die MdKkaufte das Werk für eine symbolische Mark undwurde Alleinaktionär. Die von den Zielitzernerhoffte Einzelprivatisierung war damit vomTisch. Eine wesentliche Rolle spielte dabei dieenergische Intervention des MdK-Aufsichts-ratsvorsitzenden Professor Dr. Ulrich Stegerbeim Vorstand der Treuhand.

Die neu organisierte MdK AG umfasstenun die ehemaligen Kombinatsbetriebe KaliSüdharz AG (Bischofferode, Roßleben, Sonders-

hausen, Volkenroda, Bleicherode und Soll-stedt), Kali Werra AG (Merkers, Unterbreizbachund Dorndorf), Mitteldeutsche SalzwerkeGmbH (Bernburg), die Kali-Bergbau Handels-gesellschaft mbH (Berlin), die Zielitzer Kali AGsowie einige kleinere Service-Gesellschaften.Zum 1. Oktober 1993 wurden die Zielitzer KaliAG und die Mitteldeutsche Salzwerke GmbHmit der MdK verschmolzen.

Die zweite Aufgabe des neuen Vorstandswar es, den notwendigen Personalabbau voran-zutreiben und unwirtschaftliche Standorte zuschließen. Angesichts der betriebswirtschaft-lichen Daten und Prognosen war klar, dass nurein Teil der ostdeutschen Kali-Standorte über-leben konnte und tausende Kumpel ihre Arbeits-plätze verlieren würden. Die drastisch reduzier-ten Absatzmöglichkeiten und die Anforderun-gen der Marktwirtschaft zwangen die MdK, einen großen Teil ihrer Mitarbeiter zu entlassen.Mit der Schließung unrentabler Werke holtedie MdK innerhalb kürzester Zeit eine Entwick-lung nach, die sich in Westdeutschland in den vergangenen 35 Jahren vollzogen hatte:Hatte die deutsche Kaliindustrie 1955 in derBundesrepublik noch 18 Kali- und Steinsalz-werke und beschäftigte rund 21.000 Mitarbeiter(damals waren es in der DDR 14 Werke undetwa 24.000 Mitarbeiter), produzierten zumJahresende 1990 in den alten Bundesländernnoch 8 Kali- und Steinsalzwerke der Kaliindus-trie. Die Zahl der Beschäftigten lag bei 7.600.Bei der MdK arbeiteten zu diesem Zeitpunkt in 11 Kali- und Steinsalzwerken sowie den übrigenBetrieben noch rund 24.000 Beschäftigte. Dieswaren rund 7.600 Mitarbeiter weniger als nochein Jahr zuvor im Kombinat Kali.

Die Kapazität der ostdeutschen Kaliwerkelag Mitte 1990 bei etwa 3,3 Millionen TonnenK2O jährlich. Überkapazitäten und fallendePreise, mangelnde Wirtschaftlichkeit und diezum Teil erschöpften Lagerstätten machten es in den Jahren 1990/91 unausweichlich, 6 der 10 Kaliwerke mit einer theoretischen Kapazitätvon 1,2 Millionen Tonnen K2O stillzulegen.

25.000

20.000

15.000

10.000

5000

01955

Westdeutschland Ostdeutschland

1990

21.000

18Werke

24.000

14Werke

24.000

11Werke

1955 1990

8Werke

7.600

Dr. Klaus Schucht, der für die Privati-sierung der ostdeutschen Kaliindustrie zuständige Treuhand-Vorstand, spielte in den Verhandlungen um die Kalifusioneine wichtige Rolle: „Er war mutig in der Konzeption, beharrlich in der Durchsetzung und behielt ein Herz für die Kumpel“, so der damalige MdK-Vorstandssprecher Friedhelm Teusch.

Beschäftigte und Werke in der deutschen Kaliindustrie 1955 und 1990 (West / Ost)

Bergleute der Schachtanlage Springen II/IIIdes Kalikombinates nach ihrer Ausfahrt ausder Grube (1986)

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Nach Kosten- und Ergebnisschätzungen be-schloss der MdK-Aufsichtsrat am 26. Februar1991 die Schließung der Kaliwerke Bleicherode,Sollstedt und Volkenroda, die bereits im Jahres-verlauf 1990 ihre Produktion eingestellt hatten,sowie die Stilllegung der Werke Sondershausenund Dorndorf. Kurze Zeit später wurde auchdie Schließung von Roßleben beschlossen.

Die Kaliwerke Merkers, Unterbreizbach,Zielitz, Bischofferode und das SteinsalzwerkBernburg produzierten zunächst weiter. Aberauch auf diesen Standorten wurde die Zahl der Mitarbeiter drastisch reduziert: Bei der KaliWerra AG wurden zwischen Ende 1990 und1992 rund 4.200 von 5.900 Mitarbeitern ent-lassen, in Bischofferode waren es rund 800 von1.500. In Zielitz ging die Belegschaft von 3.400im Juni 1990 bis Ende 1992 auf 1.800 zurück.Zusammen mit den Werksstilllegungen verlorenvon den Ende 1990 rund 24.000 Mitarbeitern

der MdK bis Ende 1992 mehr als 18.500 ihre Arbeitsplätze. Hinter diesen Zahlen standen vieleEinzelschicksale: „Werksleitung und Betriebsratin Zielitz arbeiteten damals gemeinsam mehrals zwei Jahre intensiv daran, möglichst sozial-verträgliche Lösungen zu finden und persön-liche Härten zu vermeiden“, erinnert sich derK+S-Konzernbetriebsratsvorsitzende Klaus Krüger: „Aber häufig genug konnte das trotz-dem nicht gelingen.“ Die vergleichsweise gutdotierten Sozialpläne führten beinahe zumKonkurs der MdK, der nur durch Kredite abge-wendet werden konnte. Diese Einschnitte warenfür die Betroffenen sehr schmerzlich, und siewurden von der Öffentlichkeit und der thürin-gischen Landesregierung auch zunehmend kritisiert, aber sie waren aus Sicht von Treuhandund MdK zwingend erforderlich, um einer er-folgreichen Privatisierung der mitteldeutschenKaliindustrie überhaupt eine Chance zu geben.

Das Ergebnissteigerungsprogramm von Kali und Salz

Die Kali und Salz AG war ebenso wie die MdKund die sowjetischen Kaliproduzenten vomRückgang des weltweiten Kaliabsatzes und vomPreisverfall betroffen. Gleichzeitig schrumpftein der Europäischen Gemeinschaft die bewirt-schaftete Agrarfläche. In den Jahren 1991 und1992 machte die Kali und Salz AG bei stagnie-renden Umsätzen jährlich rund 10 MillionenMark Verlust.

Um dieser „unbefriedigenden Ergebnis-entwicklung“ zu begegnen, legte Kali und Salz1990 ein tief greifendes Ergebnissteigerungs-programm auf. Nach einer gründlichen Über-prüfung des gesamten Unternehmens beschlossder Vorstand im Einvernehmen mit Aufsichts-rat und Arbeitnehmervertretung zahlreicheeinschneidende Maßnahmen, die das Unter-nehmen aus den roten Zahlen führen sollten.Dazu gehörte beispielsweise die Schließung derdefizitären Kaliproduktion im Werk Salzdetfurthim März 1992. Die Steinsalzerzeugung solltestufenweise bis 1994 von Niedersachsen-Riedelnach Braunschweig-Lüneburg verlagert und dieWerkstätten der Kaliwerke Hattorf und Winters-hall sowie die Zentralwerkstatt Heringen solltenzur Verbundwerkstatt der Werra-Werke zusam-mengelegt werden (ein Schritt auf dem Weg zumspäteren Verbundwerk Werra). Außerdem wurdedie landwirtschaftliche Forschung und Beratungreduziert und 1991 auch die ForschungsanstaltBüntehof in Hannover geschlossen. Insgesamtbaute Kali und Salz mehr als 1.000 Stellen ab.

Im Laufe des Jahres 1993 erreichte dieKali und Salz AG das im Ergebnissteigerungs-programm vorgesehene Einsparungspotenzialzu mehr als 90 Prozent und konnte ihre Kosteninsgesamt um rund 170 Millionen Mark redu-zieren. Allerdings ließen sich die Verluste ausder Kalikrise dadurch nur zum Teil auffangen,zumal neben der schlechten Marktlage viel zuhohe Lohnabschlüsse die Einsparungen teil-weise wieder aufzehrten. „Eine nachhaltige Verbesserung kann nur durch geänderte Bedin-gungen im Markt erreicht werden“, stellte derVorstand der Kali und Salz AG daher fest.

oben In der Forschungsanstalt Büntehofwurden Versuchsergebnisse auch auslän-dischen Besuchern vorgestellt. Im Zugedes Ergebnissteigerungsprogramms von Kali und Salz wurde die Forschungs-anstalt 1991 geschlossen.

unten Die defizitäre Kaliproduktion desKaliwerkes Salzdetfurth wurde im März1992 stillgelegt.

Rohsalzmahlanlage des KaliwerkesVolkenroda im Jahr 1991; die Rohsalz-förderung wurde Mitte 1990 eingestellt.

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Lohngranulierung im stillgelegtenKaliwerk Salzdetfurth

Die Lohngranulierung im ehemaligen Kali-werk Salzdetfurth ist ein gutes Beispiel für die gelungene Nachnutzung eines stillgelegtenWerks und die Schaffung neuer Arbeitsplätze.Unmittelbar nach der Entscheidung 1992, dasKaliwerk Salzdetfurth nach 90 Jahren Produk-tion stillzulegen, versuchte Kali und Salz denStandort wenigstens teilweise zu retten undArbeitsplätze zu sichern. Durch die langjäh-rigen Kunden- und Lieferbeziehungen zur Firma Effem fand sich eine Lösung: Für dieProduktion des Katzenstreus „CATSAN®“ inMinden bezog Effem vom Werk Salzdetfurthals Konditionierungsmittel Magnesiumchlorid-Lösung. Da die von Effem geplante Kapazitäts-erweiterung in Minden nicht realisiert werdenkonnte, wurde die CATSAN®-Produktion nachSalzdetfurth verlagert, wo Mühlen, Siebe und

Granulierungsanlagen ebenso vorhanden waren wie das Know-how eines der CATSAN®-Granulierung sehr ähnlichen Produktions-prozesses. Der Probebetrieb der Anlage begann am 9. September 1992. Diese Lohn-granulierung sicherte nicht nur die Arbeits-plätze von rund 100 Mitarbeitern, sondernbrachte bereits 1994 einen Umsatz von 14 Millionen Mark. 1995 siedelte sich auchdie Firma Cirkel in unmittelbarer Nähe desWerksgeländes an, die hier eine Fabrik für die Herstellung von Leichtbetonsteinen alsRohstoff für die CATSAN®-Produktion errich-tete. Jährlich werden hier mehr als 100.000Tonnen CATSAN® für ganz Europa herge-stellt. Im Jahr 2002 wurde in Salzdetfurth die millionste Tonne CATSAN® produziert.

Im ehemaligen Kaliwerk Salzdetfurthwerden heute jährlich mehr als 100.000Tonnen CATSAN®-Katzenstreu produziert. Das Kaliforschungs-Institut

Von Umstrukturierungen war auch das traditionsreiche Kaliforschungs-Institut (KAFI) betroffen. Bereits 1989 hatte die Kali und Salz AG den Sitz des KAFI von Hannover nach Heringen verlegt und es dort mit demProduktionstechnikum zu einer neuen Einheitzusammengefasst (KAFI-Technikum). Damitkonzentrierte das Unternehmen Forschungund Entwicklung an einem Ort. Durch eineengere Anbindung an die Werra-Werke sollteDoppelforschung vermieden und gleichzeitigdie Grundlagenforschung des Kaliforschungs-Instituts in eine größere „Betriebsnähe“ ge-rückt werden. In modernisierten Gebäuden in Heringen (Bild unten) erweiterte das Institutsein Dienstleistungsangebot in der Analytik(Bild oben) auch für andere Unternehmen. ImJahr 1999 konnte das Kaliforschungs-Institutauf 80 Jahre Kaliforschung zurückblicken.

Kali und Salz und MdK: Konkurrenz, Kooperation oder Fusion?

Angesichts dieser schwierigen Lage beobachteteKali und Salz auch die Entwicklung im OstenDeutschlands sehr aufmerksam. Anfang 1990trafen sich Vertreter von Kali und Salz und desVEB Kombinat Kali, um angesichts der Absatz-krise darüber zu beraten, wie die Probleme gemeinsam gelöst werden könnten. Man ver-abredete zunächst technische Kooperationen,ohne eine Fusion anzustreben. Nach monate-langen Gesprächen legten Kali und Salz undTreuhand am 25. April 1991 ein gemeinsames„Konzeptpapier“ vor, das einen stufenweisenAusbau der Zusammenarbeit vorsah: In einerersten Phase sollten beide Unternehmen inForm eines „Rationalisierungsabkommens“ vor allem im Vertrieb zusammenarbeiten.Gleichzeitig sollten sich beide Unternehmenunabhängig voneinander weiter sanieren. Das bedeutete für die MdK die Umstellung auf marktwirtschaftliche Verhältnisse mit

umfassenden Maßnahmen zur Kostensenkung,und für Kali und Salz weitere Rationalisierun-gen, die Straffung der Produktion und organi-satorische Umstrukturierungen. Erst in einerzweiten Phase sollte – wenn mit befriedigen-den wirtschaftlichen Ergebnissen zu rechnenwar – über eine Fusion nachgedacht werden.

Da Kali und Salz das einzige westdeut-sche Kaliunternehmen war, wurde es von vielenals der natürliche Partner bei einer Privatisie-rung der ostdeutschen Kaliindustrie angesehen.Die Kali und Salz AG war in diesem Punkt zu-nächst zurückhaltend, denn das Unternehmenwollte sich nicht mit zusätzlichen Risiken be-lasten, deren Konsequenzen niemand absehenkonnte. Andererseits sah man bei Kali und Salzim Februar 1992 ganz deutlich die Gefahr, dass die MdK mit ihren staatlich finanzierten Treu-hand-Subventionen einen Preiskrieg und einen„ruinösen Verdrängungswettbewerb“ gegen

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Dr. Ralf Bethke: Ein Vorstands-vorsitzender mit neuen Plänen

Am 1. Juli 1991 übernahm Dr. Ralf Bethke vonDr. Otto Walterspiel den Vorstandsvorsitz der Kali und Salz AG. Bethke wurde 1942 inKönigsberg geboren. Er studierte von 1963bis 1968 Volks- und Betriebswirtschaft an den Universitäten Bonn, Köln und Mannheim.An der Universität Mannheim arbeitete er alsAssistent und promovierte dort im Sommer1971. Anfang 1972 trat Bethke in die BASFAG in Ludwigshafen ein. Dort war er im Marketing/Vertrieb im Bereich Düngemittelsowie im Stab des Bereichsleiters tätig. 1978wurde er Vorstandsmitglied der BASF-Tochter-gesellschaft Chemag AG, Frankfurt. 1984übernahm er die Leitung der Abteilung Marketing Zwischenprodukte bei der BASF in Ludwigshafen. Im Mai 1990 wurde er alsLeiter des Verkaufsressorts in den Vorstandder Kali und Salz AG, Kassel, berufen und

Für die Einhaltung des Kali-Sozialplansbei der MdK demonstrierten am 10. Sep-tember 1991 auf dem Erfurter Fischmarkttausende Bergleute aus den alten undneuen Bundesländern.

Kali und Salz hätte anzetteln können – einenPreiskrieg, der in Ost und West zahlreiche Arbeitsplätze gekostet hätte. Auch die Gefahr,dass ein ausländischer Wettbewerber Teile derMdK übernehmen könnte, um sich ein Stand-bein auf dem deutschen Markt zu verschaffen,war nicht auszuschließen.

Eine weitergehende Zusammenarbeitmit der MdK kam für den Vorstand der Kaliund Salz AG allerdings erst in Frage, wenn sichdie Rahmenbedingungen in Ostdeutschlandbesserten. Der Vorstand von K+S rechnete zudiesem Zeitpunkt zwar noch mit einer langenStagnationsphase der Kaliindustrie, schätzteaber bereits im Februar 1992 die internationaleWettbewerbsfähigkeit eines gemeinsamen Unternehmens höher ein als die zweier konkur-rierender deutscher Unternehmen. Daher ent-wickelten Vorstand und Aufsichtsrat von Kaliund Salz schließlich das Konzept für eine Fusion.Dieses Konzept sah die Zusammenführung derKali- und Steinsalzaktivitäten in Ost- und West-deutschland vor. Ziel sollte die Schaffung einesauch langfristig leistungs- und wettbewerbs-fähigen Kaliunternehmens sein. Der damaligeBASF-Vorstand konnte am 18. Februar 1992

schließlich von dem Konzept überzeugt werden.„Das war damals eine mutige und weitblickendeEntscheidung. Und auch das Beste im Interesseder Aktionäre und Mitarbeiter“, erinnerte sichder K+S-Aufsichtsratsvorsitzende und damaligeBASF-Vorstand Gerhard R. Wolf, der als energi-scher Befürworter der Kalifusion den Zusammen-schluss entscheidend gefördert und seinenganzen Einfluss in den Gremien der BASF ein-gebracht hatte. Auch die IndustriegewerkschaftBergbau und Energie (IG BE) hatte schon früh vor einem ruinösen Wettbewerb des Westensgegen eine staatlich subventionierte Kaliindus-trie im Osten gewarnt: „Die Standorte durftennicht gegeneinander ausgespielt werden“, soBernd Westphal, der für den Kali- und Stein-salzbergbau zuständige Gewerkschaftssekretärder heutigen Industriegewerkschaft BergbauChemie und Energie (IG BCE). Die Gewerk-schaft verabschiedete gemeinsam mit den Betriebsräten im Februar 1992 das „Rahmen-konzept für den gesamten deutschen Kaliberg-bau“, in dem sie für die Fusion der Werke in Ost und West eintraten. Allen Beteiligten warklar, dass Stilllegungen und Kündigungen unvermeidlich waren.

übernahm im Juli 1991 den Vorstandsvorsitz. Zusammen mit den Vorstandskollegen Dr. VolkerSchäfer (Finanzen/Personal), Dr. Hans Schneider(Bergbau) und Axel Hollstein (Produktion) gliederteBethke die Produktbereiche teilweise neu undverstärkte die Ergebnisverantwortung der Bereicheund Gesellschaften. Gleichzeitig wurden dieBemühungen um eine Diversifikation der Kali und Salz AG verstärkt. Mit großem persönlichenEngagement und Kreativität hat Bethke – stetseng abgestimmt und stark unterstützt vom Auf-sichtsratsvorsitzenden und den anderen Vor-standskollegen wie auch vom Betriebsrat und der Gewerkschaft IG BE – die Fusion mit der Mitteldeutschen Kali AG (MdK) in die Wege ge-leitet und unbeirrt gegen teilweise große Wider-stände aus dem politischen Raum erfolgreichdurchgesetzt.

Gerhard R. Wolf: Ein Aufsichtsrats-vorsitzender gestaltet die Fusion mit

Am 26. Juni 1989 wurde Gerhard R. Wolf zumAufsichtsratsvorsitzenden der Kali und Salz AGgewählt. Der 1935 in Ludwigshafen geboreneWolf hatte nach einer kaufmännischen Lehrebei der BASF ein Studium der Wirtschaftswissen-schaften absolviert und war 1962 zur BASFzurückgekehrt. Bereits 1963 wurde er nach Syrien und in den Libanon delegiert, wo er dieGeschäftsleitung der Vertriebsgesellschaften für Düngemittel und Pflanzenschutz übernahm.1966 kehrte er nach Ludwigshafen zurück und übernahm Führungsaufgaben im BereichVerkauf Düngemittel/Export. 1970 wurde er Leiter des technischen Einkaufs, 1980 Leiter der Abteilung Marketing Zwischenprodukte,

1983 Leiter der Abteilung Marketing Industrie-chemikalien und 1984 schließlich Leiter desBASF-Unternehmensbereichs Industriechemika-lien. 1989 wurde er Vorstandsmitglied der BASFmit der Ressortverantwortung für Kali und Salz,Stickstoffdüngemittel, Pflanzenschutz, Pharma sowie Logistik und Vertrieb für Zentraleuropaund – als Nachfolger von Dr. Hans Moell(1970–1982) und Dr. Hans Detzer (1982–1989) – Aufsichtsratsvorsitzender der Kali und Salz AG.Auch in dieser Funktion trug Gerhard R. Wolfmaßgeblich zum Gelingen der deutsch-deutschenKalifusion zwischen der westdeutschen Kali undSalz AG und der ostdeutschen MitteldeutschenKali AG seit 1993 bei.

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Die Treuhand sucht einen Käufer für die MdK

Der Treuhand war klar, dass die MdK auf sichallein gestellt bereits mittelfristig keine Über-lebenschance hatte. Um möglichst viele Arbeits-plätze in der ostdeutschen Kaliindustrie lang-fristig zu sichern und um den besten Partnerfür die MdK zu finden, beauftragte die Treu-hand im April 1992 die Londoner Investment-bank Goldman Sachs, „ein umfassendes Priva-tisierungskonzept für die ostdeutsche Kali-industrie auszuarbeiten“. Dazu gehörte auchdie internationale Ausschreibung der MdK.Goldman Sachs sollte die Treuhand beratenund die Privatisierung in enger Zusammen-arbeit mit ihr umsetzen: „Wir hatten den Auf-trag, möglichst viele Arbeitsplätze langfristigzu erhalten“, erläutert der heutige Allianz-Vorstand Dr. Paul Achleitner, der damals bei Goldman Sachs im Auftrag der Treuhand für die Privatisierung der MdK zuständig war: „Die Treuhand hat in den Verhandlungen immer wieder ihre soziale Verantwortung für die Menschen betont.“ Für mögliche inter-nationale Investoren bot die Einschaltung der global tätigen Gutachter und Berater von

Schwierige Verhandlungen zwischenTreuhand und Kali und Salz

Angesichts der erfolglosen Gespräche mit aus-ländischen Interessenten nahm die Treuhandim Frühjahr 1992 mit BASF und Kali und SalzGespräche über die Rahmenbedingungen einermöglichen Fusion auf. „Wir hatten keinen anderen, der die ostdeutsche Kaliindustrie imGanzen wollte“, erklärte der für die Privatisie-rung des ostdeutschen Bergbaus zuständigeTreuhand-Vorstand Dr. Klaus Schucht 1993dem „Spiegel“. Kali und Salz sah die Chancenund war unter bestimmten Bedingungen bereit, sich auf die Risiken einer Übernahmeder ostdeutschen Kaliindustrie einzulassen.

Zunächst mussten die wirtschaftlichenDaten genau geprüft werden. Eine gemeinsameBilanzkommission von MdK, Kali und Salz undTreuhand untersuchte im Sommer 1992 dieGeschäftszahlen der MdK. Gleichzeitig begut-achtete eine von der Treuhand ins Leben geru-fene „Technische Kommission“ aus west- undostdeutschen Kalifachleuten den Zustand derProduktionsanlagen, um festzustellen, welcheWerke letztlich überlebensfähig waren. Sie solltedas technische Potenzial, die geologischen Risiken sowie den Investitionsbedarf der Kali-und Steinsalzwerke im Osten und Westen ab-schätzen. Außerdem spielten die Qualität undQuantität der Kalivorräte, das mögliche Pro-duktspektrum sowie die Lage der Werke eine

Rolle. Bei diesen Fragestellungen engagiertensich auch die zuständigen Kali und Salz-Vor-stände Dr. Hans Schneider (Bergbau) sowieAxel Hollstein (Produktion) besonders undleisteten einen großen Beitrag zum Zukunfts-konzept der deutschen Kaliindustrie.

Zahlreiche unterschiedliche Szenarienwurden während der Verhandlungen durch-gerechnet und wieder verworfen. Am Ende warklar, dass die ostdeutschen Werke in Merkersund Bischofferode nicht wirtschaftlich weiterbetrieben werden konnten. Für die Moderni-sierung der Standorte Zielitz, Bernburg undUnterbreizbach waren beachtliche Investitio-nen notwendig. Im Westen waren die WerkeBergmannssegen-Hugo und Niedersachsen-Riedel langfristig nicht wirtschaftlich zu betreiben.

Angesichts dieser komplexen Materiezogen sich die Verhandlungen zwischen Treu-handanstalt und Kali und Salz AG fast über dasganze Jahr 1992 hin. Während die Treuhandund die ostdeutschen Ländervertreter möglichstviele Arbeitsplätze im Osten sichern wollten,

Goldman Sachs zudem die Sicherheit, dass die Angaben und Zahlen zur MdK zuverlässigwaren.

Zunächst schien die Ausschreibung derTreuhand auch erfolgreich zu sein, denn mehrals 40 potenzielle Partner, darunter die großenKaliproduzenten aus den USA (IMC), Kanada(PCS), Israel (DSW) und Frankreich (SCPA)zeigten sich interessiert. Die Treuhand führte1992 mit Unterstützung von Goldman Sachszahlreiche Gespräche mit den Interessenten.Aber keines der ausländischen Unternehmenwar bereit, die gesamte MdK oder auch nurgrößere Teile eigenverantwortlich zu überneh-men. Ihr Interesse galt immer nur den wenigenlukrativen Standorten Bernburg (Steinsalz) und Zielitz (Kali). Vertreter der kanadischenPCS erklärten auf einem Treffen mit dem MdK-Vorstand ganz offen, dass sie nur den StandortZielitz für überlebensfähig hielten. Ziel derTreuhand war jedoch eine vollständige Privati-sierung der MdK. Ein Verkauf einzelner Werke,der den Verlust von noch mehr Arbeitsplätzenbedeutet hätte, war nicht akzeptabel.

links Dr. Paul Achleitner, damalsExecutive Director bei GoldmanSachs, war im Auftrag der Treuhandfür die Privatisierung der MdK zuständig.

rechts Luftaufnahme des Kaliwerkes Unterbreizbach

Das Kaliwerk Zielitz (oben) und das Salz-werk Bernburg (unten) zogen das Inter-esse ausländischer Unternehmen auf sich.

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suchte Kali und Salz vor allem nach einer wirt-schaftlich tragfähigen Lösung, um die interna-tionale Wettbewerbsfähigkeit des fusioniertenUnternehmens und damit die Arbeitsplätzelangfristig zu sichern. „Auch die Vorschriftendes Treuhand-Gesetzes forderten eine nachhal-tige Wirtschaftlichkeit der Privatisierung. Unddies war auch aus der Sicht der EuropäischenKommission zwingend“, erinnert sich der da-malige Finanzvorstand Dr. Volker Schäfer. Dieohnehin schwierige wirtschaftliche Lage vonKali und Salz durfte durch die mit hohen Risi-ken verbundene Übernahme der ostdeutschenKaliindustrie nicht weiter belastet werden,denn als Aktiengesellschaft musste das Unter-nehmen seiner Verantwortung gegenüber denAktionären und eigenen Mitarbeitern gerechtwerden. All dies bedeutete, dass die Treuhandneben den Werken auch Geld mit in die Fusioneinbringen musste, um die notwendigen Inves-titionen in die teils mit Verlust arbeitendenostdeutschen Gruben und Werke zumindestteilweise zu finanzieren. Darüber hinaus musstedas deutlich niedrigere Ertragspotenzial derMdK ausgeglichen werden. „Der Treuhand ihrerseits war es wichtig, dass Kali und Salz die unternehmerische Verantwortung für dasfusionierte Unternehmen übernahm, sie abertrotzdem ihren Einfluss nicht verlor“, so derdamalige Finanzvorstand der THA, Dr. HeinrichHornef.

Strittige Punkte in den Verhandlungen warenbeispielsweise der Standort der Hauptverwal-tung (nur Kassel oder auch Sondershausen?)oder die Chancen des Werks Unterbreizbach,das zwar einerseits einen sehr hohen Investi-tionsbedarf hatte, andererseits aber klein undflexibel war und bei dem ein Verbund mit denhessischen Werra-Werken Hattorf und Winters-hall möglich war. Umstritten war auch die Höhedes notwendigen Zuschusses für die Sanierungder ostdeutschen Werke. „Die Verhandlungenwaren sachlich und hart, aber immer vom Willen zur Einigung geprägt“, berichtete Dr. Heinrich Hornef. Trotzdem standen dieVerhandlungen mehr als einmal vor dem Aus,sagte Gerhard R. Wolf. Andererseits bot sichdamals die „historisch einmalige Chance“, so Wolf, durch die Zusammenführung der Kali- und Steinsalzaktivitäten von MdK sowieKali und Salz die internationale Wettbewerbs-fähigkeit der deutschen Kaliindustrie nach-haltig zu verbessern. Dazu mussten aber dieProduktionskapazitäten angepasst und Synergie-effekte zwischen den Werken – vor allem ander Werra – genutzt werden.

„Sehr belastend wirkten sich in dieserPhase die vielfältigen politischen und emotio-nal unterlegten Einflussmaßnahmen interes-sierter Kreise vor allem aus Ostdeutschland aus“,erinnert sich Dr. Bethke. „Falschmeldungen,Drohbriefe und vieles andere mehr kennzeich-

neten diese Phase. All dies hat die Verhandlun-gen sehr erschwert.“ Kali und Salz habe sichhingegen um Zurückhaltung in der Öffentlich-keit bemüht, um die Beziehungen zu den neuenMitarbeitern möglichst wenig zu belasten.

Die Treuhand war mit relativ weit ge-henden Forderungen in die Verhandlungen gegangen, musste sich aber im Laufe der Zeitvon zahlreichen Zielvorstellungen verabschie-den. Kali und Salz konnte mit ihren Argumen-ten die Verhandlungspartner von Treuhandund Goldman Sachs überzeugen, die auch miteigenen Untersuchungen die Zahlen von Kaliund Salz überprüften, um die schwierigen

Der Finanzvorstand der Treuhand, Dr. Heinrich Hornef, kontrollierte für die Treuhand die Arbeit der 1993gegründeten Kali und Salz GmbH.

Verhältnisse im Kalimarkt selbst nachzu-vollziehen. „Es war ein Lernprozess für alle Beteiligten“, so der damalige Goldman Sachs-Verhandlungsführer Dr. Paul Achleitner. „Es brauchte einfach Zeit, um zu einer realisti-schen Einschätzung zu kommen.“ Angesichtsdes Zusammenbruchs der ostdeutschen Indus-trie wuchs der Druck auf die Treuhand, mög-lichst viele der ostdeutschen Kaliarbeitsplätzezu retten. „Letztlich ist für alle Beteiligten ein sehr gutes Verhandlungsergebnis heraus-gekommen“, resümierte Gerhard R. Wolf, der die Verhandlungen eng begleitete.

Das Kaliwerk Merkers um 1990

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Der Fusionsvertrag: 3.000 Kaliarbeitsplätze im Osten sind gesichert

Bis zum 10. Dezember 1992 entwickelten Treuhand und Kaliund Salz ein tragfähiges Unternehmenskonzept für die gesamtedeutsche Kaliindustrie – „ein Konzept der sozialen und betriebs-wirtschaftlichen Vernunft“, wie Kali und Salz betonte. Kern-stück war die Idee, die Kali- und Steinsalzaktivitäten der Kaliund Salz AG und der Mitteldeutschen Kali AG (MdK) in einergemeinsamen Tochtergesellschaft, der „Kali und Salz GmbH“, zu bündeln. An dieser neuen Gesellschaft sollten die Treuhandmit 49 Prozent und Kali und Salz mit 51 Prozent beteiligt sein.Die Kali und Salz AG wurde dazu Anfang 1994 in „Kali und SalzBeteiligungs AG“ umbenannt. Die Geschäftsführung des neuenUnternehmens übernahm Kali und Salz, die Gesellschafterver-sammlung wurde paritätisch besetzt.

Als Sacheinlage brachte Kali und Salz ihre sechs Kali- und zweiSteinsalzwerke in das Unternehmen ein, die MdK die drei Kali-werke Unterbreizbach, Merkers und Zielitz sowie das Steinsalz-werk Bernburg. Die übrigen Werke der MdK sollten ausgeglie-dert und stillgelegt werden. Um die Wertdifferenz zwischen den beiden Unternehmensteilen nicht noch auszuweiten, bliebendie Untertage-Deponie Herfa-Neurode, die Granulierung vonCATSAN® in Salzdetfurth sowie weitere Beteiligungen, insbeson-dere an der KTG und der CFK, bei der Kali und Salz BeteiligungsAG. Von der Verpflichtung für Altlasten stellten sich die Partnergegenseitig frei. Die Treuhand brachte eine Bareinlage von1,044 Milliarden Mark in das neue Unternehmen ein, die für die Modernisierung der ostdeutschen Werke eingesetzt werdenund zugleich das geringere Ertragspotenzial der MdK ausgleichensollte. Unabhängig davon stellte die Treuhand Mittel für denSozialplan und für die Entschuldung der MdK zur Verfügung.Kali und Salz übernahm das „cash-management“ dieser Treu-handbareinlage – ein „erheblicher Vertrauensvorschuss“ seitensder Treuhand, erinnert sich der damalige Treuhand-Finanz-vorstand Dr. Heinrich Hornef.

Kali und Salz sowie die Treuhandanstalt hatten für dasneue, gemeinsame Unternehmen einen Geschäftsplan für dieersten fünf Jahre von 1993 bis 1997 erstellt. Demnach sollteninnerhalb dieser Zeit 1,3 Milliarden Mark, die aus der Geld-einlage der Treuhandanstalt und aus dem laufenden Cashflow finanziert wurden, für den Ausbau und die Modernisierung der Gruben und Fabriken des neuen Unternehmens verwendetwerden, davon fast 800 Millionen Mark auf den Standorten in den neuen Bundesländern.

DIE GESCHÄFTSPLANZEIT (1993–1997)

Im Kaliwerk Zielitz sollte die Kaliproduktion auf mehr als eineMillion Tonnen K2O erhöht und eine neue Industriekaliproduk-tion aufgebaut werden. Das Werk Unterbreizbach sollte um-fassend modernisiert und über die Landesgrenze hinweg dem bestehenden hessischen Werksverbund Wintershall-Hattorf angeschlossen werden. Das Steinsalzwerk Bernburg sollte eben-falls modernisiert werden und wurde später mit einer neuen Siedesalzanlage ausgestattet.

Ein Hauptpunkt des Fusionskonzeptes war – neben einernachhaltigen Mindestrentabiltät – der Erhalt von 7.500 langfristiginternational wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen in der deutschenKali- und Steinsalzindustrie, davon 3.000 in Ostdeutschland undrund 4.500 in Westdeutschland. Mehr Arbeitsplätze waren ange-sichts des dramatischen Verbrauchsrückgangs im Weltkalimarktnachhaltig nicht zu sichern. Da die Zahl der Beschäftigten An-fang 1993 aber noch bei 11.100 lag, sollten bis 1997 rund 1.700Arbeitsplätze im Westen und etwa 1.900 Arbeitsplätze im Ostenabgebaut werden. Die verbleibenden 7.500 Mitarbeiter aber konn-ten auf eine längerfristig gesicherte Zukunft hoffen. Dieses Zielwurde bis zum Ende des Geschäftsplans erreicht. Zusammen mitdem nicht im Geschäftsplan berücksichtigten Personal für dieVerwahrungsarbeiten in Merkers und den Auszubildenden be-schäftigte die wieder mit Gewinn arbeitende Kali und Salz GmbHEnde 1997 insgesamt 8.066 Mitarbeiter. 385 jungen Menschenbot die Kali und Salz GmbH in den oft strukturschwachen Regionen der Kalistandorte einen Ausbildungsplatz. Trotzdemwar der Personalabbau für alle Beteiligten sehr hart. „Keiner von uns möchte so etwas noch einmal machen“, resümierteVorstandschef Bethke rückblickend.

Kali und Salz Beteiligungs AG

Treuhandanstalt(später: Bundesanstalt für

vereinigungsbedingteSonderaufgaben)

Kali und Salz GmbH

49%51%

Gesellschafter der Kali und Salz GmbH (1994)

Am 10. Dezember 1992 erläuterte der Kali und Salz-Vorstand auf einer Pressekonferenz bei der Treuhandanstaltin Berlin das Unternehmenskonzept fürdas neue Gemeinschaftsunternehmen;links im Bild Vorstandsvorsitzender Dr. Ralf Bethke sowie rechts (v.l.n.r.): Dr. Volker Schäfer (Finanzvorstand1986–2000), Dr. Hans Schneider (Berg-bauvorstand 1989–1996), Axel Hollstein(Produktionsvorstand 1989–2001)

linke Seite Grubenbelegschaft des Werkes Zielitz beim Schichtwechsel

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Modellprojekt Kalifusion

Die deutsch-deutsche Kalifusion war ein ein-maliges Projekt innerhalb der Privatisierungder ehemaligen DDR-Industrie und gleichzeitigdie innovative Lösung eines schwierigen Prob-lems. Denn erstmals hatte die Treuhand durchden Zusammenschluss eines ost- und eineswestdeutschen Partners ein großes, gesamt-deutsches Unternehmen geschaffen, bei demsie selbst Gesellschafter blieb. Der damaligeTreuhand-Vorstand Dr. Klaus Schucht lobte die Fusion als beispielhafte Verknüpfung von„Sanierung und Privatisierung“. Die vereinbar-ten Ziele wurden erreicht und teilweise über-troffen. Als Gesellschafterin mit 49 Prozent begleitete die Treuhand durch ihre Vertreter inAufsichtsrat und Gesellschafterversammlung(u.a. Dr. Schucht und Dr. Hornef) sowie durchdie Kontrollaufgaben ihres Vertragsmanage-ments das operative Geschäft von Kali undSalz, um „in enger Tuchfühlung“ (Hornef) mitKali und Salz die Verwendung der Gelder, dieArbeitsbedingungen und das Cash-Managementdes neuen Unternehmens zu überwachen. „Alles tadellos“, stellte der Finanzchef der Treuhand,Dr. Heinrich Hornef, später fest. Kali und Salznutzte die Mittel ausschließlich für die verein-barten Zwecke. Außerdem blieb die Treuhand-anstalt auf diese Weise an der Wertschöpfungdes Unternehmens beteiligt. Die gelungene Kalifusion war später Vorbild für die Privatisie-rung auch anderer ostdeutscher Industrien.

Werksschließungen in West- und Ostdeutschland

Der weitere Abbau von Überkapazitäten inWest- und Ostdeutschland, der allerdings auch ohne die Fusion bei beiden Unternehmenunvermeidlich gewesen wäre, war die größteHerausforderung des Fusionsvertrags. Da dieKapazitäten der Werke weit über den Absatz-möglichkeiten lagen, musste die KaliproduktionSchritt für Schritt um 1,2 Millionen Tonnenauf 3,1 Millionen Tonnen K2O jährlich herun-tergefahren werden, die Salzkapazität um 1 Million Tonnen auf 2,1 Millionen Tonnen

NaCl sinken. Dieser Abbau war nur durch dieStilllegung weiterer Werke möglich. Darüberhinaus musste die Produktion auf die kosten-günstigsten Standorte konzentriert werden,was standortübergreifende Umstrukturierungs-und Rationalisierungsmaßnahmen erforderlichmachte. Schließlich sollten auch die Verwal-tungs- und Vertriebskosten gesenkt werden.„Alle diese Verlagerungen und Schließungenwurden wiederholt geprüft und abgestimmt,und sie erfolgten erst nach gründlichen Wirt-schaftlichkeitsberechnungen sowie markt- undsozialpolitischen Abwägungen“, berichteteVorstandsvorsitzender Bethke.

In Ostdeutschland wurden im Sommer1993 das Bergwerk und die Übertage-Verarbei-tung in Merkers (400.000 Tonnen K2O Jahres-kapazität) geschlossen und zum Jahresende1993 auch das Werk Bischofferode (380.000Tonnen K2O Jahreskapazität) stillgelegt. An beiden Standorten wurden allerdings noch viele Bergleute zur Demontage der übertägigenAnlagen und zur Verwahrung der Grubenhohl-räume eingesetzt. In Westdeutschland stelltendas Werk Bergmannssegen-Hugo 1994 denGrubenbetrieb (mit 150.000 Tonnen K2O Jahres-kapazität) und das Werk Niedersachsen-Riedel1996 die Kali- und Steinsalzproduktion (mit einer Jahreskapazität von 200.000 Tonnen K2O und 1,2 Millionen Tonnen Steinsalz) ein.

Die in den Vorjahren von der MdK still-gelegten Betriebe sowie das Kaliwerk Bischof-ferode wurden ausgegliedert und bei der Treu-hand-Tochter „Gesellschaft zur Verwahrungund Verwertung von stillgelegten Bergwerks-betrieben mbH“ (GVV) zusammengefasst. Die thüringische Landesregierung sowie regio-nale Einrichtungen zur Wirtschaftsförderungbemühten sich, auf den Flächen der ehemaligenKaliwerke kleinere und mittlere Unternehmenanzusiedeln. So siedelte man bereits 1993 aufdem Gelände des Kaliwerks Merkers Gewerbe-betriebe und einen „Recyclingpark“ an. Mühsamer war es in Bischofferode: Auf demGelände des ehemaligen Kaliwerks begannendie Leipziger Stadtwerke im August 2004 mit

Niedersachsen

ThüringenHessen

Sachsen-Anhalt

12

34 5

79

10

6

8

Aktive Kali- und Steinsalzwerke der Kali und Salz GmbH 1994

oben links Blick in eine große Abbau-kammer des 1996 stillgelegten Kali- undSteinsalzwerks Niedersachen-Riedel

oben rechts 1994 wurde die Rohsalz-förderung im Kaliwerk Bergmannssegen-Hugo eingestellt.

1 Sigmundshall, Wunstorf-Bokeloh2 Bergmannssegen-Hugo, Sehnde-Ilten3 Niedersachsen-Riedel, Hänigsen/Wathlingen4 Braunschweig-Lüneburg, Grasleben5 Zielitz, Zielitz6 Bernburg, Bernburg7 Wintershall, Heringen8 Unterbreizbach, Unterbreizbach9 Hattorf, Philippsthal

10 Neuhof-Ellers, Neuhof

Unternehmensleitung KasselVerwaltungsstelle Sondershausen

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dem Bau des „modernsten Biomassekraftwerksder Welt“, das ab dem Jahr 2006 rund 160 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen soll. Dies entspricht dem Verbrauchvon rund 60.000 Einfamilienhaushalten.

Der Fusionsvertrag regelte auch denAusgleich von Abweichungen im Netto-Cash-flow gegenüber der im Geschäftsplan unter-stellten Entwicklung („Abweichungsausgleich“).Da beide Muttergesellschaften im Gründungs-jahr Verluste hinnehmen mussten (Kali undSalz rund zehn Millionen Mark, die MdK meh-rere hundert Millionen Mark) und es absehbarwar, dass auch die neue Gesellschaft zunächstVerluste erzielen würde (1993 wurden es 300Millionen Mark), legte der Vertrag fest, dass

Zustimmung und Schwierigkeiten

Allerdings mussten noch etliche Hürden über-wunden werden, bevor der Fusionsvertragrechtskräftig werden konnte. Angesichts derverbesserten Chancen eines gemeinsamendeutschen Kaliunternehmens stimmte am 26. November 1992 zuerst der BASF-Aufsichts-rat dem Vertrag zu, dann auch der Kali undSalz-Aufsichtsrat sowie der Treuhand-Vorstand(9. Dezember 1992). Gegen die Stimme desthüringischen Ministerpräsidenten beschlossam 23. April 1993 zunächst der Treuhand-Verwaltungsrat und anschließend am 27. Aprilmit großer Mehrheit auch die Kali und Salz-Hauptversammlung die Fusion. Die Beurkun-dung des Fusionsvertrages erfolgte – nach einer35-stündigen Abschlussverhandlung mit durch-aus kritischen Phasen – am 13. Mai 1993. Am1. Juli 1993 empfahl der Treuhandausschussdes Bundestages die Fusion und am 6. Juli genehmigte Bundesfinanzminister Theo Waigel(CSU) das Projekt, so dass die Treuhand sowieKali und Salz bei der Europäischen Kommis-sion die kartellrechtliche Genehmigung bean-tragen konnten. Nachdem Bundeswirtschafts-minister Günter Rexroth (FDP) am 6. August1993 eine Rückholung des Verfahrens an das Bundeskartellamt, das der Fusion inzwi-schen kritischer gegenüberstand, abgelehnthatte, leitete die Europäische Kommission am 16. August 1993 die zweite, langwierige

Prüfungsphase ein. Bis zu deren Ende lag die Fusion „auf Eis“. So kam es, dass sich dieZustimmung der Kommission zur Fusion biszum 14. Dezember 1993 verzögerte. Der Startdes neuen Unternehmens verschob sich damitum fast ein Jahr.

Die kartellrechtliche Prüfung durch die Europäische Kommission wurde von einerheftigen öffentlichen Auseinandersetzung umdie Schließung des Bergwerks in Bischofferode(siehe Seite 254ff) begleitet, die die Republikmonatelang beschäftigte. Unterstützt von ein-zelnen, teils prominenten Politikern und denmeisten Medien, führten die Kalikumpel von Bischofferode einen verbissenen Kampf gegendie Fusion und die Schließung ihres Werks.

die Treuhand im Rahmen ihrer Bareinlage vonrund einer Milliarde Mark Verluste der Kali undSalz GmbH begrenzt mittragen sollte. Kali undSalz beurteilte die Zukunft des Gemeinschafts-unternehmens optimistisch: Im Geschäftsplanerwartete Kali und Salz bei einem Umsatz von1,7 Milliarden Mark einen Anteil von etwa 13 Prozent am weltweiten Kaliabsatz, einen positiven Netto-Cashflow und damit auch Gewinne. Ein weiterer Punkt des Vertrags wardie so genannte „Konkurrenzausschlussklausel“.Wie bei Fusionen üblich, verpflichteten sichKali und Salz sowie Treuhand, für die Dauervon zehn Jahren nicht in Wettbewerb zu demneuen Unternehmen zu treten.

Andere Kalibergleute und Betriebsräte, etwaaus dem Werk Niedersachsen-Riedel, das eben-falls geschlossen werden sollte, sprachen sichhingegen für die Kalifusion aus, und auch dieGewerkschaft forderte, unwirtschaftliche Werkenicht durch jahrzehntelange Subventionenkünstlich am Leben zu erhalten. „Die Bergleutehatten verstanden, dass die Schließung ihresWerks einfach notwendig war“, so der damaligeWerksleiter von Niedersachsen-Riedel und heu-tige K+S-Vorstand Gerd Grimmig. „Das Konzept der Konzentration auf die besten Lagerstätten,die leistungsfähigsten Standorte mit den zukunftsfähigsten Produkten war schlüssig.“„Wir hatten seit Beginn der Gespräche alle Betroffenen beteiligt, und allen war die Not-wendigkeit der Schließungen klar“, erläuterteBernd Westphal von der IG BCE. Der Gesamt-betriebsrat der MdK stimmte der Fusion zu,weil nur so die übrigen ostdeutschen Kali-arbeitsplätze (vor allem in Unterbreizbach) gerettet werden konnten.

Öffentliche Aufmerksamkeit genossenaber vor allem die Kritiker der Fusion und dieBischofferoder Bergleute, die einen medienwirk-samen Hungerstreik organisierten. „Gegen dieMacht der Bilder und der Emotionen hatten wir mit unseren Sachargumenten und Zahlenkeine Chance“, erinnert sich Aufsichtsratsvor-sitzender Gerhard R. Wolf. „Das war erst spätermöglich.“ Weder die Treuhand noch Kali undSalz oder die BASF hatten mit so heftigem Widerstand gerechnet, zumal die Fusion 3.000der noch existierenden 4.900 Arbeitsplätze inOstdeutschland erhalten sollte und damit aucheinen „überlebensfähigen Kern der ostdeutschenKaliindustrie“. Besonders starken Angriffen sah sich die BASF ausgesetzt, die zuvor für ihrEngagement in Ostdeutschland (Schwarzheide)große Anerkennung gefunden hatte. Treuhand,MdK, BASF und Kali und Salz hatten vor allemdie Symbolwirkung von „Bischofferode“ für einwirtschaftlich schwer getroffenes Ostdeutsch-land unterschätzt. Gemeinsam kritisierten Fusionsgegner und -befürworter allerdings auchdas mangelnde Engagement der thüringischenLandesregierung für neue Arbeitsplätze.

Auf dem Gelände des Kaliwerkes in Merkers wurden die Fabrikanlagen abgerissen. Im Hintergrund ist der ver-packte Förderturm zu sehen, der für dieSeilfahrt der Verwahrungsmannschaftund das Erlebnis Bergwerk Merkers saniert und erhalten wurde.

oben Das Gebäude der EG-Kommission in Brüssel (Berlaymont-Haus), Sitz derEG-Kommission und des EG-Ministerrats

unten Kali-Bergleute demonstrieren imAugust 1993 in Kassel für die Kalifusionzwischen Kali und Salz und MdK.

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DER MEDIEN-KAMPF UM BISCHOFFERODE

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Zu DDR-Zeiten gehörten die 2.000 Arbeiter des Kaliwerks „Thomas Müntzer“ in Bischofferode zurhofierten Arbeiterelite: „Seit Jahren erfüllen undüberbieten wir unsere Pläne bei bester Qualität.“Das war mit dem Ende der DDR vorbei. Die Treu-hand empfahl bereits 1991 die Schließung, dieMdK betrachtete das Werk aber zu diesem Zeit-punkt noch als sanierungsfähig und der thürin-gische Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel schloss noch im Frühjahr 1992 eine Schließungaus. Hingegen kam ein Gutachten von GoldmanSachs im Auftrag von Treuhand sowie Kali und Salz1992 eindeutig zu negativen Ergebnissen. DasWerk machte jährlich 20 Millionen Mark Verlust, und jede Tonne Kali aus Bischofferode wurde mit70 Mark subventioniert. Bischofferode erwies sichals das unwirtschaftlichste Werk der MdK und verfügte zudem nur über ein Standardprodukt.

Dennoch wurden die Bischofferoder Kali-arbeiter im Dezember 1992 von den Schließungs-plänen überrascht und starteten – unterstützt vonPolitikern aller Parteien – eine Medienkampagne,um die Schließung des Werks zu verhindern undeine Einzelprivatisierung durchzusetzen. Mit vielenBehauptungen und Halbwahrheiten, die aber in Ost-deutschland auf fruchtbaren Boden fielen – etwader Legende von der „Einzigartigkeit“ des Bischoffe-roder Kalis oder von der „Sanierung“ des Westensauf Kosten des Ostens –, gewannen die Bergleutedie Unterstützung der thüringischen Parteien undder Landesregierung. Zahlreiche Politiker und Grup-pierungen nutzten den Konflikt für eigene Zweckeund machten den Bergleuten immer wieder un-erfüllbare Hoffnungen. Ministerpräsident Vogel bezeichnete den Fusionsvertrag, dem seine Landes-regierung im Verwaltungsrat der Treuhand zuge-stimmt hatte, sogar als „Skandal“ und erblickte inihm „die hässliche Fratze des Kapitalismus“. Amheftigsten bekämpfte die ostdeutsche Presse dieKalifusion, aber auch viele westdeutsche Zeitungensprachen vom vermeintlichen „Kali-Klau“ im Ostenund vom westdeutschen Monopolstreben.

Damit geriet Kali und Salz plötzlich in das Kreuz-feuer öffentlicher Kritik. Mit ihren betriebswirt-schaftlichen und strategischen Fakten und Argu-menten für die Fusion und die Notwendigkeit der Stilllegungen drangen das Unternehmen unddie Treuhand nicht mehr durch. Während viele verantwortliche Politiker das Fusionskonzept unter-stützten, hielten sich andere im Hintergrund oder stellten sich auf die Seite der protestierenden Bergleute, so dass sich der geballte Zorn der ent-täuschten Kaliarbeiter auf das Unternehmen ausdem Westen entlud: „Statt die politische Verant-wortung für die wirtschaftlich notwendigen Entscheidungen von MdK und Treuhand zu über-nehmen, haben uns viele Politiker damals im Stichgelassen“, stellt Vorstandsvorsitzender Dr. RalfBethke rückblickend fest.

Nach Demonstrationen in Bischofferode,Bad Salzungen und Bonn besetzten die Bergleuteam 7. April 1993 bei laufender Produktion ihrWerk. Hoffnungen machte den 750 Bergleuten der westfälische Transportunternehmer JohannesPeine, der das Werk übernehmen und sanierenwollte. Sein Unternehmenskonzept hielt allerdingseiner ernsthaften Prüfung durch die Treuhand undGutachen einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft(Treuarbeit) nicht stand. In kürzester Zeit wäre dasWerk wieder ein Sanierungsfall geworden. Zudem

hätte eine Einzelprivatisierung des Werks Bischof-ferode die gesamte Kalifusion und damit auch die anderen 3.000 ostdeutschen Kaliarbeitsplätzegefährdet. Denn mit einem innerdeutschen Preis-kampf um Anteile an einem stagnierenden Markt,ausgelöst durch ein einzeln privatisiertes und sub-ventioniertes Werk Bischofferode, wäre die ganzeFusion nicht mehr wirtschaftlich gewesen.

Im Frühjahr 1993 wurden die Proteste massiver: Am 27. April störten demonstrierendeBergleute die Hauptversammlung von Kali und Salz in Kassel mit einem Pfeif- und Hupkonzert,Knallkörpern und Eierwürfen. Mitte Mai bewarfenBischofferoder Kaliarbeiter die Berliner Treuhand-zentrale mit Steinen, Eiern und Flaschen. Es kam zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Berg-arbeitern und der Polizei. Nachdem der Treuhand-ausschuss des Bundestags ebenfalls die Fusionempfohlen hatte, traten 41 Bischofferoder Kalikum-pel Anfang Juli 1993 in einen medienwirksamenHungerstreik. Jeden Abend berichtete jetzt dasFernsehen über Bischofferode und zeigte Bilder derhungernden und blassen Bergleute. „Bischofferode

ist überall“ lautete der griffige Slogan des „Aktions-bündnis Thüringer Betriebsräte“.

Der Hungerstreik blieb nicht ohne Wirkung:Am 14. Juli 1993 bot die Bundesregierung 700 Ersatzarbeitsplätze für Bischofferode. Trotz diesesZugeständnisses lehnten die Bergleute aber das„Plattmachen“ und die Ersatzarbeitsplätze ab. Fallende Kalipreise und die Überkapazitäten imMarkt wollten sie nicht wahrhaben. Während diemeisten Zeitungen die hungerstreikenden Bischof-feroder Bergarbeiter moralisch unterstützten, warfdie „FAZ“ den Politikern vor, sie ermunterten dieStreikenden „grob fahrlässig“ und gegen jede„ökonomische Vernunft“, obwohl sie wüssten,dass ihr Kali nicht gebraucht würde. Sogar die linke „taz“ forderte, die streikenden Kalikumpelmüssten sich jetzt von der „Lebenslüge“ trennen,dass der Westen Bischofferode „platt gemacht“habe, und ihren „aussichtslosen Kampf um die Vergangenheit“ beenden. Kein Staat könne es sich leisten, rentable Produktionsstätten zugunstenvon unrentablen zu schließen. Im Spätsommer demonstrierten die Kalikumpel der ebenfalls von

von links nach rechts„Bischofferode ist überall“. Postkarte aus Bischofferode mit dem Slogan des„Aktionsbündnis Thüringer Betriebsräte“

Kalikumpel blockieren Anfang April 1993 mit einem großen Fahrlader das Werks-tor zum Kaliwerk Bischofferode.

Anfang Juli 1993 treten zahlreiche Kalibergarbeiter aus Bischofferode in den Hungerstreik.

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Stilllegung betroffenen Werke Niedersachsen-Riedel und Bergmannssegen-Hugo in Kassel, Bonnund Bad Hersfeld sogar für die Kalifusion.

Auch Betriebsräte und Gewerkschaften verteidigten die Kalifusion. Der IG BE-VorsitzendeHans Berger sah in der Fusion die „einzige Chance,das Überleben der Branche zu sichern“. Statt amFusionsvertrag „’rumzumäkeln“ und „politischeSchaukämpfe“ zu führen, sollten Bund und Landlieber für Ersatzarbeitsplätze sorgen, forderten die Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von MdK (Roland Gimpel) und Kali und Salz (Gerhard Söllner)gemeinsam.

Am 1. September 1993 begannen 18 Kali-kumpel und Sympathisanten einen Protestmarschzur Treuhand nach Berlin, der Hungerstreik wurdeam 20. September ausgesetzt, um die EG-Kommis-sion nicht unter Druck zu setzen. Als am 27. Sep-tember drei Mitglieder des Treuhandausschussesdes Bundestags Gelegenheit bekamen, den bis dahin vertraulichen Fusionsvertrag einzusehen, bestätigen sie in allen wichtigen Punkten die Posi-

tion von Treuhand/Kali und Salz: Der Personalabbauin der Kaliindustrie sei „unvermeidlich“, Ostdeutsch-land werde bei der Fusion nicht benachteiligt, dasSalz von Bischofferode sei nicht einmalig, sondernein Standard-Produkt, und die Mittel der Treuhandwürden vollständig für die ostdeutschen Standorteeingesetzt.

Nachdem Vorstand und Aufsichtsrat derMdK im November 1993 die Stilllegung des WerksBischofferode zum 31. Dezember 1993 beschlossenhatten, wurde die verlorene Sache der Bergleuteauf Bundesebene nur noch von der PDS und denGrünen unterstützt. Aber selbst nach Zustimmungder Europäischen Kommission gaben die Bergleutenoch Durchhalteparolen aus und kündigten eineKlage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxem-burg an. Trotz aller Proteste wurde das Werk zumJahresende 1993 stillgelegt. Die große Mehrheitder Bergleute wechselte zur Treuhand-Tochter GVV.225 ehemalige Bergleute demontierten seit 1994den Betrieb und führten die Verwahrungsarbeitendurch.

Die Europäische Kommission genehmigt die Kalifusion

Beeindruckt von den Protesten ließ sich die Europäische Kommission mit der kartell- undbeihilferechtlichen Prüfung der Fusionsplänesehr viel mehr Zeit, als Kali und Salz sowie Treu-hand erwartet hatten. Angesichts der schwan-kenden Haltung der Kommission interveniertedie Bundesregierung nachdrücklich zugunstender Fusion. Auch die Gesamtbetriebsratvor-sitzenden von Kali und Salz, Gerhard Söllner,und der MdK, Roland Gimpel, bemühten sich,den Wettbewerbskommissar Karel van Miertvon der Notwendigkeit der Fusion zu überzeu-gen. Nach einer viermonatigen Prüfung stimmtedie Kommission schließlich am 14. Dezember1993 unter Auflagen der Fusion zu und billigtegleichzeitig die Beihilfen der Treuhand für dasgemeinsame Tochterunternehmen.

Ihre Zustimmung verband die Europä-ische Kommission mit drei Auflagen, die denWettbewerb in Europa sicherstellen sollten:Kali und Salz musste ihre Geschäftsbeziehungenzu dem französischen Kali-Vertriebsunterneh-men „Société Commerciale des Potasses et de l‘Azote“ (SCPA) lockern und einen eigenen Vertrieb in Frankreich aufbauen. So sollte verhindert werden, dass die Unternehmen in Europa ein marktbeherrschendes „Duopol“ bildeten. 1994 baute Kali und Salz mit der Grün-dung der „Kali und Salz France“ eine eigeneVertriebsorganisation in Frankreich auf. Außer-dem mussten sich Kali und Salz und MdK ausder Wiener „Kali-Export GmbH“ zurückziehen,die das Kali der deutschen, französischen undspanischen Produzenten außerhalb der EU undNordamerikas vertrieb. Schließlich musstenKali und Salz sowie SCPA künftig die Produktedes deutsch-französischen Tochterunterneh-mens Potacan in Kanada (PMC) getrennt vermarkten.

Der von der Kommission vertreteneVorrang industriepolitischer Erwägungen vorkartellrechtlichen Bedenken wurde als Erfolgfür Ostdeutschland gewertet. Die EuropäischeKommission behandelte den Zusammenschlussals so genannte „Sanierungsfusion“, die sie

genehmigte, um die strukturellen Probleme in der betroffenen Region nicht noch zu ver-stärken. Kali und Salz begrüßte und akzeptiertedie Entscheidung aus Brüssel. Die „Kali undSalz GmbH“ sollte „sofort handlungsfähig“ sein. Am 21. Dezember 1993 wurde das neueGemeinschaftsunternehmen in das Handels-register eingetragen.

Nach einer Klage Frankreichs und derbeiden französischen Unternehmen SCPA undEMC gegen die Vorgabe, die Verbindungen zwi-schen Kali und Salz und SCPA/EMC zu trennen,hob der Europäische Gerichtshof im Jahr 1998die Fusionsgenehmigung wegen nicht sachge-rechter Auflagen – die Kali und Salz bereits um-gesetzt hatte – wieder auf. Die EU-Kommissionentschied anschließend erneut, dass die Fusionmit dem gemeinsamen Markt vereinbar sei.Mit dieser Entscheidung waren im Gegensatzzu 1993 keine Auflagen mehr verbunden.

1.500 Kali-Bergleute aus Ost und West demonstrierten im September 1993 in Bonn für die Kalifusion.

Die Gesamtbetriebsratvorsitzenden vonKali und Salz (Gerhard Söllner, Mitte) undMdK (Roland Gimpel, rechts) werben imSeptember 1993 bei EG-Wettbewerbs-kommissar Karel van Miert für die Kali-fusion.

Aufsichtsratsvorsitzender Gerhard R. Wolf (rechts) besucht im Februar 1994 das Kaliwerk Unterbreizbach.

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Gewerkschaft und Betriebsrat – Partner des Unternehmens

Die Zusammenarbeit von Gewerkschaft undArbeitgebern wird in der Kaliindustrie tradi-tionell als gut und vertrauensvoll beschrieben.Der Personalabbau in der westdeutschen Kali-industrie in den 1950er und 1960er Jahrenverlief weitgehend konfliktfrei, und auch ander Kalifusion mit den Werksschließungenund dem Personalabbau in West- und Ost-deutschland war die IndustriegewerkschaftBergbau und Energie (IG BE), die mit ihremVorstandsmitglied Manfred Kopke von 1990bis 2003 den stellvertretenden Aufsichtsrats-vorsitzenden der K+S stellte, intensiv beteiligt.Bereits kurz nach der deutschen Wiederver-einigung kümmerten sich IG BE und Betriebs-räte um die Kalikumpel aus dem Osten, dieüber die Grenze kamen, um sich die Werke im Westen anzusehen. „Wir versuchten, denLeuten im Osten die Angst zu nehmen“, soder damalige GesamtbetriebsratsvorsitzendeGerhard Söllner. Vorstandsvorsitzender Dr. Bethke war von der besonderen Bedeu-tung der Sozialpartnerschaft in einer solchschwierigen Phase überzeugt und befürwor-tete ein „Konzept der unternehmerischen und sozialen Verantwortung“, das Mitarbeiterund Betriebsräte in die Verantwortung für

das Unternehmen mit einbezog. „Wir wurdenimmer zeitnah informiert und in die wichtigenEntscheidungen eingebunden“, berichteteSöllner. Überzeugt von der Alternativlosigkeitdes Konzepts, verteidigte die Gewerkschaftden Fusionsvertrag auch gegenüber den Kali-kumpeln, die ihren Arbeitsplatz verloren, undrief zu Demonstrationen für die Kalifusion auf. „Dafür haben wir manchmal ganz schönPrügel einstecken müssen“, erinnern sichManfred Kopke und Bernd Westphal von der IG BCE. „Aber es war der einzig möglicheWeg.“ Insbesondere in den schwierigen ers-ten Jahren des Umbruchs war diese enge,vertrauensvolle Zusammenarbeit hilfreich. Mit besonderer Intensität wurde die Zusam-menführung der Mitarbeiter aus Ost undWest betrieben. Von Beginn an wurde bei Kali und Salz nicht von Osten oder Westen,sondern von Werken und Standorten gespro-chen. Die Biografien der heutigen K+S-Mitar-beiter entwickelten sich auf diese Weise überdie alten Grenzen hinweg: So kommt bei-spielsweise der 1999 gewählte Vorsitzendedes Gesamt- und Konzernbetriebsrats KlausKrüger vom Kaliwerk Zielitz aus Sachsen-Anhalt.

links Manfred Kopke (Mitte), stellvertre-tender Aufsichtsratsvorsitzender der K+S AG (1990-2003) und Mitglied imHauptvorstand der IG BCE setzte sich mit besonderer Intensität für die Zusam-menführung der Mitarbeiter aus Ost und West ein; mit im Bild: Klaus Krüger(rechts), Vorsitzender des Gesamt- undKonzernbetriebsrates von K+S (seit 1999)und Karl-Heinz Georgi (links), Aufsichts-ratsmitglied der K+S AG seit 1993 undLeiter des Bildungszentrums Haltern amSee der IG BCE

rechts Arbeitsdirektor Peter Backhaus auf dem Bergmanns- und Familienfest der IG BE im Juli 1995 in Unterbreizbach.Peter Backhaus war von Ende 1993 bis2003 Geschäftsführer und Arbeitsdirektorder Kali und Salz GmbH / K+S KALI GmbHund von 2000 bis 2003 Personalvorstandder K+S AG. Mit auf dem Bild: der dama-lige Leiter des IG BE-Bezirks in Kassel,Hans-Jürgen Schmidt (Mitte), und BerndStahl, Leiter der IG BE-Geschäftsstelle inBad Hersfeld (links)

Die wirtschaftliche Entwicklung der Kali und Salz GmbH bis 1997

Die Kali und Salz GmbH hatte sich für die Zeitdes Geschäftsplans bis 1997 ein ehrgeizigesProgramm vorgenommen: Um das Unterneh-men in die Gewinnzone zu bringen, sollten 1,3 Milliarden Mark in die Modernisierung vorallem der ostdeutschen Werke investiert, neueProduktlinien aufgebaut und die Entsorgungs-aktivitäten ausgebaut werden. Damit solltenrund 3.000 Arbeitsplätze im Osten und 4.500im Westen erhalten und nachhaltig gesichertwerden. Als Minderheitsgesellschafterin derKali und Salz GmbH gestaltete die Treuhand-anstalt das neue Unternehmen aktiv mit undüberwachte die Einhaltung der Vereinbarungenüber Investitionen, Arbeits- und Ausbildungs-plätze.

Der Start des neuen Unternehmens, der durch die langwierige Genehmigung derFusion bis zum Jahreswechsel 1993/94 verzö-gert worden war, wurde zusätzlich durch dieunverändert schwierige Lage auf dem Weltkali-markt erschwert, der 1993 seinen Tiefpunkt erreicht hatte. Die Nachfrage war seit 1988 um fast 10 Millionen Tonnen K2O geschrumpftund die internationale Kaliindustrie 1993 nurnoch zu 57 Prozent ausgelastet. Die Überkapa-zitäten drückten auf die Preise, und nach wievor umgingen die Kalianbieter aus den GUS-Staaten die Anti-Dumpingregelungen der EG/EUund exportierten Kali zu Dumpingpreisen indie stark rückläufigen westeuropäischen Märkte.Die Abschwächung der Konjunktur ließ auchdie Nachfrage nach Industriekali sinken. Kurz-arbeit und Betriebspausen in den Kaliwerkenwaren die Folge.

Erst mit dem Jahr 1994 besserten sichdie Bedingungen auf dem Weltkalimarkt lang-sam und die Weltkalinachfrage stieg bis 1997schrittweise auf 26,2 Millionen Tonnen K2O.Vor allem China und Indien benötigten Kali,aber auch in Nord- und Südamerika (Brasilien)belebte sich das Geschäft, während in Europader Absatz weiterhin stagnierte. Immerhin gelang es 1994 in der EU, das Preisdumping der GUS-Staaten zu unterbinden.

Die Kali und Salz GmbH konnte 1994 ihrenUmsatz zwar erwartungsgemäß auf fast 1,7 Milliarden Mark steigern, das Ergebnis war aber „trotz konsequenter Umsetzung vonRationalisierungs- und Kosteneinsparungs-maßnahmen“ mit 41 Millionen Mark Verlustimmer noch negativ, wenn auch deutlich besser als jene fast 300 Millionen Mark Verlust,die das Unternehmen noch 1993 hinnehmenmusste. Ursachen waren – neben den hohenKosten und dem niedrigen Dollarkurs – die„politisch verzögerten Entscheidungen“ überdie Kalifusion, urteilte Kali und Salz 1994.

oben Ein Strossenbohrwagen im KaliwerkSigmundshall (1996)

links Während der Kaliabsatz in Europastagnierte, belebte sich das Geschäft ab Mitte der 1990er Jahre in China undIndien.

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1995 verbesserte sich der Umsatz zwar nur geringfügig, doch es griffen die Maßnahmenzur Kostensenkung, so dass Kali und Salz denVerlust auf 29 Millionen Mark senkte. Auch die ausstehende Genehmigung für den grenz-überschreitenden Kaliabbau von Hessen nachThüringen verhinderte ein besseres Ergebnis.Aber es gab auch positive Zeichen: In Übersee(Südostasien und Lateinamerika) wuchs derKalimarkt, und der Rückgang von Schwefel-emissionen aus Industrieanlagen belebte inWesteuropa das Geschäft mit Spezialdüngern,da viele Äcker nunmehr eine verstärkte Schwefel-düngung benötigten.

1996 steigerte die Kali und Salz GmbHihren Umsatz deutlich auf mehr als 1,9 Milliar-den Mark und senkte den Verlust auf rund sieben Millionen Mark. Dank der deutlich belebten Kalinachfrage und der umfangreichenInvestitionen in Rationalisierungen und Moder-nisierungen war 1997 – dem letzten Jahr desGeschäftsplans – endlich der Wendepunkt erreicht: Der Umsatz der Kali und Salz GmbHstieg auf mehr als zwei Milliarden Mark, unddas Unternehmen wies erstmals einen Gewinnvon 60 Millionen Mark aus. Der Hauptanteil

des Umsatzes entfiel auf Kali- und Magnesium-produkte (84 Prozent).

Hintergrund der positiven Entwicklungwar ein Weltkaliabsatz, der durch die steigendeNachfrage in China, Indien und Brasilien imJahr 1997 um 16 Prozent auf mehr als 26 Mil-lionen Tonnen K2O wuchs. Da gleichzeitig die französische Kaliproduktion aufgrund der Erschöpfung ihrer Lagerstätten im Elsass suk-zessive zurückging und die Produktion der kanadischen Kali und Salz-Beteiligung Potacandurch das Absaufen ihres Bergwerks eingestelltwurde (siehe Kapitel 5, Seite 213), kam es 1997„sogar zu einzelnen Versorgungsengpässen auf dem Weltkalimarkt“, die sich positiv auf die Preise auswirkten. Der Kurs des US-Dollar (der Leitwährung auf dem internationalenKalimarkt), der sich nach einem Rekordtief im Mai 1995 (1,37 Mark) in den folgenden Jahren erholte und 1997 bei 1,73 Mark stand,unterstützte diese Entwicklung. Während dieKali und Salz GmbH ihren Anteil von 14 Pro-zent an der weltweiten Produktion von Kalihalten konnte, baute das Unternehmen seineStellung als weltgrößter Anbieter von Kalium-und Magnesiumsulfaten aus.

-300

1993

Umsatz

Jahresergebnis -41

1994

-29

1995

-7

1996

+60

1997

1.480

1.683 1.718

1.9082.024

rechts Dampfturbine im Industriekraft-werk des Kaliwerkes Zielitz

Umsatz- und Ergebnisentwicklung der Kali und Salz GmbH 1993–1997(Angaben in Millionen DM)

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Investitionen und Werksausbau im Osten

Während der Geschäftsplanzeit (1993 bis 1997)investierte die Kali und Salz GmbH 778 Millio-nen Mark auf ihren Standorten in den neuenBundesländern in die Modernisierung undRationalisierung der Werke, neue Produktions-anlagen, moderne Maschinen unter Tage, neueKraftwerke, eine bessere Energieausnutzungund in den Umweltschutz. Dabei kaufte Kaliund Salz möglichst viele Leistungen von Zulie-ferern und Handwerksbetrieben aus den neuenBundesländern.

Rund 380 Millionen Mark investierte die Kali und Salz GmbH bis 1997 allein amStandort Zielitz (Sachsen-Anhalt). Eine dergrößten Einzelinvestitionen war der Bau einerneuen Heißlösefabrik für die Herstellung vonIndustriekali samt Industriekraftwerk und den zugehörigen Hilfsbetrieben für rund 114Millionen Mark. Damit konnte das Werk dieIndustriekali-Produktion (Industriekali ist 99-prozentiges Kaliumchlorid, das aufgrundseines hohen Reinheitsgrades vor allem in derChloralkali-Elektrolyse der chemischen Indus-trie eingesetzt wird) des Mitte 1996 stillgeleg-ten Werks Niedersachsen-Riedel übernehmen.Nach der Inbetriebnahme der neuen Industrie-kalianlage im Mai 1996 wurde Zielitz neben

Sigmundshall der wichtigste Produktionsstand-ort für Industriekali. Auf Basis der kostengüns-tigen Großproduktion in Zielitz konnte der Absatz dieser Produkte bis heute nahezu ver-dreifacht werden. Bereits 1994 wurde in Zielitzein neuer Produktspeicher für 60.000 TonnenKaliprodukte erbaut und 1995 für 12 MillionenMark eine Untertage-Deponie eingerichtet. Mitdiesen Investitionen konnte die Effizienz desWerks signifikant gesteigert werden, ein Beweisfür die Richtigkeit des technischen Konzepts,das Vorstand Axel Hollstein und seine Mitar-beiter unter schwierigen Bedingungen erarbei-tet und dann erfolgreich umgesetzt hatten.

Weitere 181 Millionen Mark flossen indie Modernisierung des Werks Unterbreizbachin Thüringen. Hier wurden eine neue Korn-kali-Granulierung, ein neuer Schuppen für55.000 Tonnen Kaliprodukte sowie eine neueGrubenanschlussbahn gebaut. Außerdem wurdedas Kraftwerk von Braunkohle auf Erdgas mitKraft-Wärme-Kopplung umgestellt und dasWerk in den Energieverbund der Werra-WerkeHattorf und Wintershall einbezogen. In Merkers(Thüringen) wurden fast 32 Millionen Mark füruntertägige Verwahrungsarbeiten ausgegeben.

Der dritte Investitionsschwerpunkt war dasSalzwerk Bernburg in Sachsen-Anhalt, in dasinsgesamt 183 Millionen Mark investiert wurden.106 Millionen Mark flossen allein in den Bauder neuen Siedesalzanlage, die Anfang August1996 in Betrieb ging. Damit können mittlerweilejährlich rund 280.000 Tonnen Siedesalzproduktein hoher Reinheit hergestellt werden, die bei-spielsweise in der chemischen Industrie, derLebensmittelproduktion oder zur Wasserent-härtung eingesetzt werden. Weitere Investitio-nen flossen in die Modernisierung und Ratio-nalisierung der Infrastruktur.

Darüber hinaus wurden knapp 600 Mil-lionen Mark für Instandhaltungsmaßnahmenin den neuen Bundesländern aufgewendet.

oben Rund 380 Millionen Mark investiertedie Kali und Salz GmbH bis 1997 alleinam Standort Zielitz. Wichtigste Projektewaren der Bau einer neuen Heißlöse-anlage (links) für die Herstellung von 99-prozentigem Kaliumchlorid für diechemische Industrie sowie das neue Industriekraftwerk (rechts).

unten Neuer Produktspeicher in Zielitz(Innen- und Außenansicht)

links Lieferung einer neuen Gasturbine für das Kaliwerk Unterbreizbach (1995)

unten links Das Salzwerk Bernburg inSachsen-Anhalt wurde mit einer neuenSiedesalzanlage ausgerüstet (1996), um unterschiedliche Siedesalzproduktein hoher Reinheit herstellen zu können.

unten rechts Abbaukammer im SalzwerkBernburg (1996)

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Erlebnis Bergwerk Merkers und Werra-Kalibergbau-Museum in Heringen

Als immer mehr Bergwerke schließen mussten und sich eineganze Region grundlegend veränderte, wurde die Erinnerungan die Vergangenheit und ihre prägenden Faktoren immerwichtiger. 1991, noch vor der Schließung des Kaliwerks Merkers,eröffnete das „Erlebnis Bergwerk Merkers“, das seitdem jedesJahr rund 70.000 Menschen besuchen. Ziel des Projektes war es zunächst, um Vertrauen für den Bergbau zu werben, der vonder DDR stets als Staatsgeheimnis behandelt worden war unddie Region durch Gebirgsschläge und Umweltschäden stark belastet hatte. Das Erlebnis Bergwerk Merkers verschafft seinenBesuchern die außergewöhnliche Möglichkeit, 800 Meter unterder Tagesoberfläche einen Eindruck vom Kalibergbau zu gewin-nen. Geführt von erfahrenen Bergleuten, erleben die Besucherin der „Welt des weißen Goldes“ den riesigen Großbunker mitdem größten untertägigen Schaufelradbagger der Welt oderden „Goldraum“, in dem die US-Armee 1945 einen Teil derGold- und Devisenbestände der Reichsbank und Kunstwerkevon unschätzbarem Wert gefunden hatte. Der Höhepunkt des Erlebnis Bergwerks ist die bereits 1981 entdeckte „Kristall-grotte“ mit Salzkristallen von bis zu einem Meter Kantenlänge.Im größten „untertägigen Konzertsaal“ der Welt, dem ehemali-gen Großbunker in 420 Meter Tiefe, geben Musiker regelmäßigKonzerte. 2003 öffnete ein attraktives neues Besucherzentrum,das einen umfassenden Einblick in die vielfältigen Aktivitätender K+S Gruppe sowie Wissenswertes über die Geschichte, dieEntwicklung und die Tradition des Kalibergbaus bietet.

Touristisch ergänzt wird das Erlebnis Bergwerk durchdas Werra-Kalibergbau-Museum der Stadt Heringen, das seit1991 besteht und inzwischen auf fast 2.000 Quadratmetern

die Entwicklung des gesamten hessisch-thüringischen Werra-Reviers darstellt. Mit Hilfe von Maschinen, Geräten, Modellen,Fotos, Filmen und Computeranimationen stellt das Museum an-schaulich die Technik-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte desKalibergbaus dar. Es zeigt Wissenswertes über den Rohstoff Kali,den geologischen Aufbau der Lagerstätte, historische Abbau-techniken, die Kaliverarbeitung über Tage von den Anfängen bisheute und die Veränderung der Region durch die Kaliindustrie.Ganz in der Nähe des Museums liegt die 200 Meter hohe Rück-standshalde „Monte Kali“ des Standortes Wintershall, die ausmehr als 110 Millionen Tonnen Produktionsrückstand bestehtund jeden Tag um weitere 20.000 Tonnen wächst. Ihre Bestei-gung ist eine Bergtour der besonderen Art und der Gipfel bieteteinen einzigartigen Ausblick auf das Land der „weißen Berge“.

Die Zusammenführung der Mitarbeiteraus Ost und West im gemeinsamen Unternehmen

Zu den wichtigsten Aufgaben nach der Grün-dung der Kali und Salz GmbH im Jahr 1993gehörte die Zusammenführung der Mitarbeiteraus Ost- und Westdeutschland in einem gemein-samen Unternehmen. „Die ersten Jahre warenungeheuer dicht und dramatisch“, erinnertsich Aufsichtsratschef Gerhard R. Wolf an dieUmwälzungen in West und Ost: „Es hatte bisher keinen vergleichbaren Vorgang gegeben,und die psychische Belastung war enorm.“ Zur Integration der Mitarbeiter nutzte Kali undSalz – neben der Tarif- und Personalpolitik – gemeinsame Veranstaltungen, Vorstandsbesucheauf den Werken, konzernweite Sportveranstal-tungen und natürlich eine regelmäßige undausführliche Berichterstattung über die Werkein der Mitarbeiterzeitung „K+S information“.Peter Backhaus, ehemals Arbeitsdirektor undPersonalvorstand bei der MdK und seit 1993Arbeitsdirektor der Kali und Salz GmbH, setztesich besonders engagiert dafür ein, dass die Integration der ostdeutschen Mitarbeiter schnellvorankam.

Ein entscheidender Schritt in der Tarif-politik war die möglichst schnelle Lohnanglei-chung in Ost und West. Schon früh verfolgtedie Unternehmensleitung das Prinzip „GleicherLohn für gleiche Produktivität“. Mit einem„klugen Stufenplan“, den die Tarifpartner bereits 1995 festlegten, wurden die Löhne in

Ost und West bis zum 1. Januar 1998 einanderangeglichen, damals einmalig in der deutschenIndustrie. Während die Mitarbeiter im Osten –in Anlehnung an die Produktivitätsentwick-lung ihrer Werke – stärkere Lohnerhöhungenerhielten, stiegen die Löhne im Westen nurmoderat um wenige Prozentpunkte. „Die West-kollegen übten sich in Bescheidenheit und dieOstkollegen mussten effektiver arbeiten mitdem Ziel, für gleiche Produktivität auch eingleiches Entgelt zu bekommen“, so der dama-lige Werksleiter in Zielitz Gerd Grimmig. ImSeptember 1995 zahlte Kali und Salz in Ost-deutschland bereits 89 Prozent des Westlohnesund Anfang 1998 – nach dem Ende des Ge-schäftsplanes – waren 100 Prozent erreicht.

links Vom 200 Meter hohen „MonteKali“, der Rückstandshalde des Kali-werkes Wintershall, hat man eine atem-beraubende Aussicht.

1994 bezog das Werra-Kalibergbau-Museum neue Räume in der ehemaligenSchule am Heringer Anger.

Die „Kristallgrotte“ ist ein Besucher-magnet im Erlebnis Bergwerk Merkers.

rechts Die Geschäftsführung der Kali und Salz GmbH besuchte 1994 die Werkein Ost und West. In Zielitz sprachen Peter Backhaus (links) und Dr. Ralf Bethke (2.v.l.) nach der Betriebsversammlung u.a. mit Grubenleiter Dr. Arno Michalzik(4.v.l.) und Sprenglochbohrwagen-FahrerErnst Kappler (rechts).

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Damit war die Kali und Salz GmbH das ersteUnternehmen in Deutschland, das einheitlicheTarife für die Mitarbeiter in den alten und denneuen Bundesländern zahlte. „Das ist bis heuteeine Ausnahme geblieben“, betont GerhardSöllner, der damals als Gesamtbetriebsratsvor-sitzender die Tarifangleichung unterstützt hatte. Möglich war das nur, weil die Mitarbeiterim Westen „Verständnis für die notwendigeHarmonisierung der Arbeits- und Sozialbedin-gungen“ zeigten und Arbeitnehmervertreterund Unternehmensleitung bei der Lösung dieser Probleme „vertrauensvoll zusammen-arbeiteten“, so Kali und Salz 1994.

Die Integration wurde aber auch durch eine gezielte Personalpolitik unterstützt. Mitarbeiter aus Thüringen oder Sachsen-Anhalt arbeiteten jetzt in Westdeutschland, Mitarbeiteraus Hessen oder Niedersachsen wurden nachOstdeutschland versetzt. „So fanden die Men-schen aus den alten und neuen Bundesländern

unter dem neuen gemeinsamen Dach der Kali und Salz GmbH zusammen und lerntensich gegenseitig schätzen“, hieß es damals imGeschäftsbericht. Außerdem wurden zahlreicheFührungskräfte des ehemaligen Kalikombinatsund der MdK in die Unternehmensleitungnach Kassel geholt, vor allem aus den BereichenBergbautechnik, Vertrieb und Personal. Nachvielen Querversetzungen und dem Know-how-Transfer von West nach Ost und von Ost nachWest ist das Unternehmen erfolgreich zusam-mengewachsen.

Im Zuge eines „Organisationsstruktur-Programms“ wurde im Jahr 1995 auf den Werken außerdem auf die – schon in der DDR übliche – „Ein-Mann-Führung“ umgestellt: Um die Führungsverantwortung der Werke zu stärken, gab es nun, statt der bisherigen dreiköpfigen Werksleitungen, nur noch einenWerksleiter, der die Gesamtverantwortungtrug.

1/94

Stufenplan neue Bundesländer

alte Bundesländer

+5,5%+0,75%

+2,3%

92%

95%

100%+1,9%

+3,2%+50DM

+1,3%

100%

80%

89%

7/94 1/95 5/95 9/95 9/96 9/97 1/98 4/98 12/98

Grenzüberschreitender Abbau im neuen „Verbundwerk Werra“

Um Rationalisierungsmöglichkeiten auszu-schöpfen und Synergien zu nutzen, stand derAusbau des Grubenverbunds an der Werra anoberster Stelle. In dieser Region waren die vierbenachbarten Werke Hattorf und Wintershallin Hessen sowie Unterbreizbach und Merkersin Thüringen seit 1945 durch den „EisernenVorhang“ voneinander getrennt. Das thürin-gische Werk Unterbreizbach sollte nun moder-nisiert, auf seine Stärken ausgerichtet und indie Verbundstrukturen zwischen den beidenhessischen Werken Wintershall und Hattorfeinbezogen werden. Die Zusammensetzung desRohsalzes von Unterbreizbach eignet sich fürSpezialdünger wie Kornkali oder Kieserit unddas Werk produzierte 1994 mit seinen 760 Mitarbeitern bereits mehr als 300.000 TonnenK2O, immerhin zehn Prozent der gesamten Kaliproduktion und 22 Prozent der Kieserit-produktion der Kali und Salz GmbH.

Um die Synergien zwischen den Werkenan der Werra optimal zu nutzen, sollten im

südlichen Teil der thüringischen Grube Unter-breizbach Felder mit hochwertigeren, sylvini-tischen Kalivorräten von Hessen aus abgebautwerden, denn ein Abbau vom Werk Unterbreiz-bach aus wäre technisch sehr viel schwierigergewesen. Dabei ging es um 50 Millionen Tonnen Kalisalze. Ganz neu war die Idee nicht: Bereits 1911 war ein „Durchschlägigkeitsver-trag“ zwischen Unterbreizbach („Großherzog-tum Sachsen-Weimar“) und der Kaliwerke Hattorf AG geschlossen worden. Die juristischenund politischen Hürden für den Kaliabbau waren 80 Jahre später allerdings höher als imKaiserreich. Vor allem das Gesetz über den inner-deutschen grenzüberschreitenden Abbau behin-derte, was ökonomisch notwendig war. Auf Thü-ringer Seite gab es erhebliche politische Beden-ken und Widerstände gegen den Abbau der Lagerstätte vom Westen aus. Im September 1995konnte nach langen Verhandlungen endlicheine Vereinbarung zum grenzüberschreitenden Kaliabbau zwischen den Werken Hattorf undAngleichung des Tarifniveaus in den alten und neuen Bundesländern 1994 bis 1998

Gerhard Söllner unterstützte als Gesamt-betriebsratsvorsitzender der Kali und Salz(1990–1998) und Mitglied im Hauptvor-stand der IG BCE die Tarifangleichung inOst- und Westdeutschland.

Eine Teilschnittmaschine zum Auffahrenlängerer Strecken in der Grube Hattorf-Wintershall

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Unterbreizbach sowie – in kleinerem Umfang –zwischen Wintershall und Merkers erzielt werden. Damit waren die Voraussetzungen für einen „Staatsvertrag“ zwischen Hessen und Thüringen erfüllt. Trotzdem zog sich dasGenehmigungsverfahren hin und verzögertedie Investitionen. Erst am 9. Mai 1996 stimm-ten beide Länderparlamente dem Staatsvertragzu, der am 12. Juni 1996 ratifiziert wurde. Damit konnte endlich die Erschließung derneuen Grubenfelder beginnen (siehe Grafik Kapitel 5, Seite 223)

Werra-Entsalzung

Die DDR-Kaliwerke Merkers, Dorndorfund Unterbreizbach, die Kieserit nochnach dem abwasserintensiven Wasch-prozess herstellten und die nach Einstel-lung der Versenkung seit 1968 ihre Salzabwässer– im Gegensatz zu den hessischen Werken – komplett in dieWerra und Ulster einleiteten, verursachtenmit mehr als 90 Prozent den mit Abstandgrößten Anteil an der Salzbelastung. DieChloridfrachten in der Werra summiertensich in den 1970er und 1980er Jahrenauf eine Größenordnung von 6,5 Millio-nen Tonnen pro Jahr. In diesen Jahrengab es mehrere Ansätze zwischen beidendeutschen Staaten, das Problem derWerraversalzung zu lösen. Im Gesprächwaren die Finanzierung von Flotations-anlagen und die Übernahme der ESTA-Technologie durch die DDR-Betriebe. Die Idee der Errichtung einer Abwasser-Pipeline zur Nordsee war vor allem wegen der immensen Kosten nicht weiterverfolgt worden.

Unmittelbar nach der Wendewurden die Verhandlungen über eine Reduzierung der Salzbelastung von Werraund Weser wieder aufgenommen. MitHilfe einer Expertenkommission – beste-hend aus Vertretern der Kali und Salz AGund der Mitteldeutschen Kali AG – wurde

zügig ein tragfähiges Konzept mit kon-kreten Maßnahmen zur Werra-Entsalzungerstellt und durch das Verwaltungsab-kommen vom 30. März 1992 zwischenBund und Werra/Weser-Anliegerländerngeregelt. Kernpunkt des Maßnahmen-pakets war der Ersatz des abwasserinten-siven „Waschprozesses“ am Standort Unterbreizbach durch eine nassmecha-nische Aufbereitung des Löserückstandes(Siebung, Flotation etc.) mit anschließen-dem Spülversatz. Der Spülversatz, alsoder Transport des mit einer salzgesättig-ten Traglösung vermischten Rückstands-salzes über ein Rohrleitungssystem ingroße, nur in der Grube Unterbreizbachvorhandene Kuppenhohlräume war einebesondere technische Herausforderung. Ein weiterer Punkt des Maßnahmen-pakets zur Werraentsalzung war die Wiederaufnahme der Versenkung vonSalzabwasser auch in Thüringen. Bei diesem Verfahren wird das Salzabwasserin eine poröse, wasserführende Gesteins-formation, den so genannten „Platten-dolomit“ eingeleitet, der nach oben und unten durch tonige Schichten ab-gedichtet ist.

Die Herstellung der Betriebs-bereitschaft des für den Versenkbetriebgeeigneten und geologisch gut erkun-

deten Pufferspeichers Gerstunger Muldeerforderte den Neubau und die Sanierungvon Rohrleitungen und Stapelbecken. Die Bezeichnung „Pufferspeicher“ weistauf die alternative Rückförderung vonSalzwasser aus der Versenkformationund die Einleitung in die Werra hin, wenn die Wasserstände das zulassen.

Mit Aufnahme des Versenk-betriebs in der Gerstunger Mulde AnfangJuni 1999 war die Umsetzung der Maß-nahmen zur Werraentsalzung abgeschlos-sen. Mit Hilfe eines computergestütztenVerfahrens zur „Salzlaststeuerung“, dasden Abfluss der Werra im Zwei-Stunden-Takt bilanziert und die Abstoßmengen für alle Einleitungsstellen errechnet,konnte erstmals wieder der bereits seit1942 geltende Chloridgrenzwert von2.500 Milligramm pro Liter eingehaltenwerden.

Im Zusammenhang mit der Reduzierung und Vergleichmäßigung der Salzbelastung verbesserten sich auchdie biologischen Verhältnisse im Fluss-gebiet. Das gilt in besonderem Maße für die Weser, wo wieder Werte erreichtwerden, die bereits 1917 vom Reichs-gesundheitsamt als Grenzwert für Trink-wasser festgelegt worden waren.

Nachdem am 5. Juli 1996 die Landesgrenze unterfahren worden war, konnte der grenz-überschreitende Abbau im Feldesteil „Dank-marshäuser Aue“ begonnen werden. Aus Sicherheitsgründen blieb jedoch ein 200 Meterbreiter Sicherheitspfeiler zum GrubenverbundUnterbreizbach/Merkers stehen. Zur Sicherheitder Werke Hattorf und Wintershall sowie Unterbreizbach als auch der Untertage-Depo-nie Herfa-Neurode wurde eine direkte Verbin-dung zwischen den Werken in Hessen undThüringen damals aus technischen Gründenausdrücklich ausgeschlossen.

Aber die Kali und Salz GmbH wollte die Werke an der Werra noch enger zusammen-schließen. Daher wurden zum 1. April 1997 diehessischen Kaliwerke Hattorf und Wintershallsowie das thüringische Kaliwerk Unterbreiz-bach zum „Verbundwerk Werra“ mit 4.200Mitarbeitern zusammengefasst. Teile des Ver-bunds waren außerdem der Grubenbetrieb amStandort Merkers, die Verwertungsanlagen vonUnterbreizbach, Hattorf und Wintershall sowiedie Untertage-Deponie Herfa-Neurode und dieVerbundwerkstatt in Heringen. Mit den neuenvernetzten Strukturen konnte das UnternehmenSynergien u.a. in den Bereichen Logistik, Ener-gieversorgung, Abwasserentsorgung sowie derVerwaltung und Datenverarbeitung erreichen.Die Zusammenschaltung der Werra-Kraftwerkeund Verbesserungen der Kraft-Wärme-Kopplungsenkten den Energieverbrauch pro Tonne Roh-salzverarbeitung. Betriebliche Informations- undEntscheidungsprozesse wurden vereinfacht undverkürzt sowie unter Tage Rohsalzgewinnung,Förderwege und Wetterführung verbessert.

oben Zum 1997 gegründeten „Verbundwerk Werra“ gehört auch der thüringische Standort Unterbreizbach (Foto).

rechts Die Werra bei Dankmarshausen in Thüringen. Kali undSalz arbeitete intensiv an der drastischen Reduzierung der Salzbelastung des Flusses.

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Die Bündelung des Vertriebs auf dem internationalen Kalimarkt

Nach dem von der EU-Kommission erzwungenen Ausstieg ausder Kali-Export GmbH in Wien (diese Bestimmung wurde wieerwähnt 1998 wieder zurückgenommen) musste die Kali undSalz GmbH ihre Vertriebsaktivitäten in Übersee neu ordnen. Zugleich mussten die internationalen Aktivitäten von Kali undSalz AG und MdK zusammengeführt werden. Auf den traditio-nellen Übersee-Märkten des DDR-Kalikombinats konnte die Kaliund Salz GmbH an frühere Geschäftsverbindungen anknüpfenund die Märkte für die deutsche Kaliindustrie sichern. Das galtbeispielsweise für Kolumbien, wo das Kalikombinat seit den1980er Jahren aktiv war. Hier konnte Kali und Salz später die alten Verträge übernehmen. Ein anderes Beispiel war Brasilien,mit dem das Kalikombinat der DDR Dünger gegen Erze und Kaffee getauscht hatte: 1993 wurde der MdK-Vertrieb in Brasilienmit der bereits seit 1954 existierenden westdeutschen Kali-Ver-triebstochter „Potabrasil“ zusammengelegt und das Verkaufsvolu-men bis 1997 auf fast 700.000 Tonnen Kaliprodukte gesteigert.Bereits 1991 übernahm die Kali und Salz-Tochter SEAFCO denMdK-Vertrieb in Südostasien. Aufgrund der Fusionsauflagen derEuropäischen Kommission wurde 1994 mit der „Kali und SalzFrance S.A.R.L.“ in Frankreich ein eigener Vertrieb aufgebaut. In England erwarb Kali und Salz 1995 nach langwierigen undschwierigen Verhandlungen die ehemalige MdK-Vertriebsgesell-schaft für die britischen Inseln und Irland, die „Kali UK“. 1997 erzielte die Kali und Salz GmbH 73 Prozent ihres Umsatzes inden logistisch günstig gelegenen europäischen Märkten und 27 Prozent in Übersee.

Das Entsorgungsgeschäft wird ausgebaut

Bei der Muttergesellschaft Kali und Salz Beteiligungs AG warennach der Kalifusion noch etwa 350 Mitarbeiter verblieben, diein der Holding, in der Untertage-Deponie Herfa-Neurode undder Lohngranulierung für CATSAN® im ehemaligen KaliwerkSalzdetfurth arbeiteten. 1994 erzielte die Kali und Salz Beteili-gungs AG einen Umsatz von 95 Millionen Mark und verbuchtezum ersten Mal seit 1990 mit 39 Millionen Mark wieder einenGewinn, so dass sich der Verlustvortrag von rund 141 auf 102 Millionen Mark verringerte. Für die Entsorgungsaktivitäten hatte Kali und Salz bereits 1991 die „Kali und Salz EntsorgungGmbH“ gegründet, die mit ihrem Vertriebs- und Marketing-personal nach der Fusion bei der Holding verblieben war. In den 1990er Jahren entwickelte das Unternehmen dieses Geschäftsfeld offensiv weiter.

Mitte der 1990er Jahre kam es allerdings durch Überkapa-zitäten zu einem scharfen Wettbewerb auf dem Entsorgungs-markt, der bis heute anhält. Außerdem verschlechterte 1996 das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die unternehme-rischen Rahmenbedingungen. Zusätzlich sorgte die von 1992bis 1996 erhobene hessische Sonderabfallabgabe für deutlichrückläufige Einlagerungen in der Untertage-Deponie Herfa-Neurode. Durch den Auf- und Ausbau der Entsorgungsaktivitätenkonnte der Umsatz des Entsorgungsgeschäfts in der Geschäfts-planzeit dennoch annähernd gehalten werden. Die vier wich-tigsten, in den 1990er Jahren entwickelten Arbeitsfelder im Bereich der Entsorgung waren:

1. Untertage-Deponien (UTD)Angesichts des zu erwartenden hohen Abfallaufkommens durchdie Sanierung besonders der alten DDR-Chemieindustrie undder großen technischen Erfahrung von Kali und Salz lag esnahe, auch im Kaliwerk Zielitz in nicht mehr genutzten Hohl-räumen eine Untertage-Deponie einzurichten. Ein entsprechen-des Genehmigungsverfahren war noch zu DDR-Zeiten einge-leitet worden, im Oktober 1995 konnte die Deponie eröffnetwerden. Die Gesamtkapazität der Anlage in 450 Metern Tiefebeträgt rund zwei Millionen Tonnen. Stoffkatalog und Betriebs-abläufe ähneln der UTD Herfa-Neurode. 1997 wurde allerdingsklar, dass die Einlagerungsmengen nicht den Erwartungen entsprachen, weil alle Fachinstitute die Abfallmengen aus denneuen Bundesländern überschätzt hatten. Zahlreiche Sanie-rungsprojekte in Ostdeutschland wurden wegen fehlender Mittel nicht verwirklicht, und neue Industrien siedelten sichnicht im erhofften Umfang an oder sie vermieden den Abfallschon bei der Produktion. Eine dritte UTD plante Kali und Salzzusammen mit der Niedersächsischen Gesellschaft zur Endabla-gerung von Sonderabfall mbH (NGS) im 1996 stillgelegten Kali- und Steinsalzwerk Niedersachsen-Riedel. Sie wurde zwarim März 2001 genehmigt, ging aber angesichts der Überkapa-zitäten auf dem Entsorgungsmarkt nie in Betrieb. 2003 stelltendie Partner das Projekt ein.

links Zwei Erntehelfer pflücken die roten Kaffeekirschen auf einer Plantagein Pereira/Chinchina (Kolumbien).

rechts Der „Kalikai“ der KTG in Hamburgzum Verschiffen von Düngemitteln istdas „Tor zur Welt“ der Kali und SalzGmbH. 1997 erzielte sie 27 Prozent desUmsatzes in Übersee.

links Umweltministerin Heidrun Heidecke(Sachsen-Anhalt) eröffnete im Oktober1995 die Untertage-Deponie Zielitz ge-meinsam mit Dr. Hans Schneider (rechts),Mitglied des Kali und Salz-Vorstandes,Gangolf Weber, Leiter UTD Zielitz (links),Peter Letzgus, Mitglied des Bundestages(Mitte) und Gerd Grimmig (2.v.l.), damalsWerksleiter in Zielitz. Gerd Grimmig warvon 1997 bis 2001 Mitglied der Geschäfts-führung der Kali und Salz GmbH und istseit 2000 Mitglied des Vorstandes der K+S AG.

rechts Eine Einlagerungskammer der UTD Zielitz in 450 Metern Tiefe mit eingestapelten Abfallbehältern

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2. Untertage-Verwertungen (UTV)Im Gegensatz zur Abfallbeseitigung in Untertage-Deponien istbei der Abfallverwertung die Nutzung des Abfalls das Ziel. In derAbfallgesetzgebung wird der Verwertung Vorrang vor der Depo-nierung gegeben. Da die Verfüllung stabilisierungsbedürftigeruntertägiger Hohlräume mit Abfällen als Abfallverwertung gilt,nahmen MdK und später Kali und Salz 1992 die Untertage-Verwertungen Unterbreizbach und Bernburg in Betrieb, 1993folgte Wintershall und 1994 Hattorf.

3. Baustoffrecycling Zu den Entsorgungsaktivitäten der Kali und Salz EntsorgungGmbH gehört auch die 1994 gegründete Kali und Salz Bau-schutt-Recycling GmbH in Sehnde östlich von Hannover. DasUnternehmen ist auf dem Gelände des ehemaligen KaliwerksFriedrichshall angesiedelt, einem Betriebsteil des Werks Berg-mannssegen-Hugo. Hier werden unbelastete oder gering belasteteBaustoffe und Böden aufbereitet, die bei der Abdeckung und Rekultivierung der Halde Friedrichshall sowie als Recycling-Baustoffe für den Straßen- und Tiefbau eingesetzt werden.

4. Aufbereitung von Salzschlacken aus der Aluminiumindustrie Seit vielen Jahren liefert das Kaliwerk Sigmundshall – neben Kalidüngemitteln und 99-prozentigem Industriekali – dasSchmelzsalz „Montanal“ für eine optimale Ausbeute der Sekundär-Aluminiumhütten, die unter Zugabe von Salz Aluschrott zuneuwertigem Aluminium umschmelzen. Die dabei entstehendenSalzschlacken aus Kaliumchlorid und Aluminium konnten bisdahin nicht weiter verwendet werden und wurden deponiert.Nachdem die Übertage-Deponierung von Salzschlacken verbo-ten wurde, entwickelte Kali und Salz 1992 ein Verfahren, umSalz und Aluminium wieder voneinander zu trennen und inden Kreislauf zurückzuführen. Die neue Technik war umwelt-schonend, energiesparend und wirtschaftlich. Ende 1994 gingdie REKAL-Anlage (REKAL = Recycling + Kali) im Werk Sigmunds-hall in Betrieb. Das bei der Aufbereitung gewonnene metalli-sche Aluminium-Granulat fand guten Absatz. Da Aluminium mehrfach recycelt werden kann, sind die Prognosen für die Alu-Recyclingindustrie gut.

WACHSTUM ERLEBENKAPITEL 6

ZUSAMMEN WACHSEN. DIE WIEDERVEREINIGUNG DER DEUTSCHEN KALIINDUSTRIE1989–1997

WACHSTUM ERLEBENKAPITEL 6

ZUSAMMEN WACHSEN. DIE WIEDERVEREINIGUNG DER DEUTSCHEN KALIINDUSTRIE1989–1997

Das Ende der Geschäftsplanzeit (1997)

Kurz vor Ende der „Geschäftsplanzeit“ zog Kaliund Salz in der Mitarbeiterzeitung ein positivesFazit: „Wir haben unsere Hausaufgaben erfolg-reich gemacht!“ Trotz der Belastungen durchdie kontroverse Diskussion um die Kalifusionund den daraus resultierenden Verzögerungenwurden alle Investitionen erfolgreich und voll-ständig umgesetzt: „Nach vier Jahren aktiverInvestitionstätigkeit verfügen alle Standorteüber eine auf ihre Bedingungen und Erforder-nisse zugeschnittene Produktpalette.“ Kali undSalz hatte insgesamt mehr Geld investiert alsvereinbart. Gleichzeitig konnten die vorgesehe-nen 3.000 wettbewerbsfähigen Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern gesichert und der geplante Personalpfad eingehalten werden.„Das 1992 mit der Treuhandanstalt erarbeiteteKonzept zur Modernisierung der deutschenKaliindustrie ist mehr als aufgegangen“, sagtK+S-Vorstandsvorsitzender Dr. Ralf Bethke heute zufrieden. „Die Kalifusion ist für alle Beteiligten eine Erfolgsgeschichte geworden –besonders für die Mitarbeiter und externen

Partner des Unternehmens.“ Grundlage für den Erfolg seien der Realitätssinn und die so-ziale Verantwortung aller Beteiligten gewesen, betonte der Aufsichtsratsvorsitzende GerhardR. Wolf: „Die schwierige, aber gelungene An-passung und Weiterentwicklung der Kali- undSteinsalzaktivitäten war nur möglich, weil alleVerantwortlichen inner- und außerhalb derK+S sich stets an realistischen Marktchancensowie den technischen und betriebswirtschaft-lichen Notwendigkeiten und Möglichkeitenorientiert haben.“ Auch Klaus Krüger, Konzern-betriebsratsvorsitzender der K+S, stellte rück-blickend fest: „Wir haben alle gemeinsam dasZiel verfolgt, unsere Arbeitsplätze zukunfts-fähig zu gestalten und damit nachhaltig zu sichern – das ist gelungen.“ Dr. Heinrich Hornef,Finanzchef der Treuhand und später Präsidentder Treuhand-Nachfolgerin BvS, zog ebenfallsein positives Fazit: „Die Privatisierung der ost-deutschen Kaliindustrie war eine der bestenund erfolgreichsten Privatisierungen im Osten.“

von oben nach untenEinlagerung von Abfällen in BigBags in der Untertage-VerwertungBernburg

Die 1994 gegründete Kali und Salz Bauschutt-Recycling GmbH inSehnde beschäftigt sich u.a. mit der Abdeckung und Rekultivierungder Halde des ehemaligen KaliwerksFriedrichshall.

1994 ging im Kaliwerk Sigmunds-hall die REKAL-Anlage zur Aufbe-reitung von Salzschlacken aus der Sekundär-Aluminiumindustrie in Betrieb.

Das Salzwerk Bernburg in Sachsen-AnhaltEnde der 1990er Jahre