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Zusammenfassung „Materialprüfung“ zur Lehrveranstaltung „Materialprüfung“ von Doz. Dr.-Ing. habil. Jürgen Dieter Schnapp Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Materialwissenschaft und Werkstofftechnologie zusammengestellt von Erik Heurich 2006

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Zusammenfassung „Materialprüfung“

zur Lehrveranstaltung „Materialprüfung“ von Doz. Dr.-Ing. habil. Jürgen Dieter Schnapp

Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Materialwissenschaft und Werkstofftechnologie

zusammengestellt von Erik Heurich 2006

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Inhalt Übersicht über die Verfahren der Werkstoffprüfung 3Statische Festigkeits- und Verformungsprüfungen

Zugversuch Spannungs-Dehnungs-Diagramm Werkstoffkenngrößen aus dem Zugversuch

Werkstoffverhalten und Einflüsse auf die Werkstoffeigenschaften Zeitstandsversuche, Zeitstandsschaubild

Kenngrößen des Zeitstandsversuches Biege-, Druck-, Scher- und Torsionsversuche Weibullstatistik

4

Dynamische Werkstoffprüfungen Werkstoffverhalten bei dynamischer Beanspruchung Kerbschlagbiegeversuch Schwingversuch

17

Technologische Werkstoffprüfungen Prüfung der Umformbarkeit: Biege- und Faltversuch, Warm- Biege- Faltversuch, Warm- Stauchversuch, Hin- und Herbiegeversuch, Verwindeversuch, Wickelversuch Prüfung der Tiefziehfähigkeit: Tiefziehen nach Erichsen, Näpfchen- Tiefziehversuch Auf- und Durchhärtung: Stirnabschreckversuch nach Jominy

29

Bruchmechanische Prüfungen

34

Härtemessung Vickers, Brinell, Rockwell, Mikrohärteprüfung Dynamische Verfahren Indenterverfahren zur Untersuchung von Sonderwerkstoffen

47

Verschleißprüfung 67Korrosionsprüfung 72Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung

Sichtprüfung, Eindringprüfung, Magnetpulverprüfung, Wirbelstromprüfung, Ultraschall, Durchstrahlungsprüfung

78

Schadensanalyse 92Quellenangaben 93Anhang 94

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Vorwort: Liebe Kommilitonen, nach häufigen Nachfragen während der Evaluation ist nun endlich auch für Materialprüfung ein Skript verfasst worden. Dieses soll euch in erster Linie einen, wenn auch ausführlichen, Überblick über die zerstörende und die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung sowie weiteren Gebieten, die mit Werkstoffprüfung zu tun haben. Auf den ersten Blick mag es vielleicht nach zu viel Stoff aussehen, aber selbst diese 118 Seiten tauchen noch nicht allzu tief in das Thema ein. Zu eurer Beruhigung kann ich euch sagen, dass auch nicht alles, was in dieser Lernhilfe zusammengefasst wurde, in der Prüfung drankommt. Andere, relevante Dinge sind wiederum nicht enthalten. Daher möchte ich euch in eurem eigenen Interesse bitten, trotz des Skriptes in die Vorlesung zu gehen. Randnotizen und Bemerkungen des Dozenten, die in der Vorlesung fallen, können außerdem dazu beitragen, den Stoff besser zu verstehen. Außerdem kann es immer wieder vorkommen, dass neue Themen, Änderungen in den Normen oder Berichtigungen des Skriptes in der Vorlesung besprochen werden. Wenn ihr stets die Vorlesung besucht und am Ende das wichtigste aus dem Skript noch mal für euch herausschreibt, dürfte das Bestehen der Prüfung letzten Endes ein Kinderspiel für euch sein. Viel Erfolg im weiteren Studienverlauf,

Erik Heurich.

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Einteilung der Prüfverfahren Mechanisch-technologische Prüfverfahren z. B. Festigkeit, Verformung, Bruch Dimensionierung mechanisch beanspruchter Maschinen und Bauteile Charakterisierung von Bearbeitungseigenschaften (Umformbarkeit, Schweißbarkeit, Härtbarkeit) Bestimmung von Oberflächeneigenschaften Chemisch-physikalische Prüfverfahren Chemische Zusammensetzung, Struktur Charakterisierung von Struktur und Zustandsänderungen Beständigkeit gegen aggressive Medien (Korrosion) Untersuchungen des Gefügeaufbaus und von Zustandsänderungen Materialographie (Metallographie, Keramographie, Plastographie) physikalische Prüfverfahren z. B. mechanische, thermische, optische, elektrische und magnetische Eigenschaften Bestimmung von Dehnungen und Spannungen zerstörungsfreie Prüfung

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Statische Festigkeits- und Verformungsprüfungen Zugversuch: Die häufigste und oftmals einfachste Methode, das Verhalten eines Werkstoffs bei Verformung zu untersuchen ist der Zugversuch. Dabei wird eine hantelförmige Probe in die Spannbacken der Zugmaschine eingespannt und bis zum Bruch gezogen.

Abb. 1: Spannungs-Dehnungs-Diagramm mit Streckgrenze Abbildung 1 zeigt ein typisches Spannungs-Dehnungs-Diagramm, wie es bei den meisten Bau- und Gebrauchsstählen zu sehen ist. Zunächst findet bei der Beanspruchung des Materials elastische Verformung statt, welche durch die Hooke’sche Gerade charakterisiert ist. Der Anstieg dieser Gerade ist der Elastizitätsmodul E und beschreibt den Widerstand des Werkstoffes gegen Verformung. Bei diesem Diagramm ist sehr schön der ausgeprägte Bereich zwischen elastischer und plastischer Verformung zu sehen. Dieses Phänomen, die so genannte Lüdersdehnung, erlaubt ein direktes Ablesen der oberen und unteren Streckgrenze ReH und ReL. Dieser Streckgrenzeneffekt ist auf das plötzliche Bewegen von Versetzungen im Gitter zurückzuführen. Jenseits des unstetigen Bereiches beginnt die plastische Verformung, die ihr Maximum in der Zugfestigkeit Rm hat. In diesem Punkt beginnt auch die Einschnürung des Materials, weshalb die Kraft, die zum Ziehen der Probe notwendig ist, geringer wird. Am Ende des Graphen bricht die Probe, wobei man an diesem Punkt die Bruchdehnung A ablesen kann, indem man eine Parallele der Hooke’schen Gerade am Punkt des Bruches anlegt und die Dehnung an der Abszisse abliest.

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Abbildung 2: Spannungs-Dehnungs-Diagramm ohne Streckgrenze Während Abbildung 1 größtenteils nur für Stähle zutrifft, findet man meistens einen Spannungsverlauf, wie er in Abbildung 2 dargestellt ist. Dieses Diagramm ist typisch für Nichteisenmetalle und Stähle, die eine Wärmebehandlung (austenitische Stähle) oder eine mechanische Behandlung, das so genannte Dressieren erfahren haben. Wie man leicht sehen kann, gibt es bei diesem Graphen einen stetigen Übergang zwischen elastischem und plastischem Bereich, weshalb es sich als sehr schwierig erweist, die Streckgrenze des Materials zu ermitteln. Aus diesem Grund bedient man sich der Ersatzstreckgrenze, die in aktuellen Normen als 0,2% Dehngrenze bzw. 0,01% Dehngrenze bezeichnet wird. Dabei legt man eine Parallele der Hook’schen Gerade so an den Graphen an, dass sie eine plastische Verformung von 0,2% bzw. 0,01% anzeigt. Im Schnittpunkt mit dem Graphen kann man nun die 0,2% Dehngrenze bzw. die 0,01% Dehngrenze ablesen. Außer diesen beiden Diagrammen gibt es weitere charakteristische Spannungs-Dehnungsverläufe. So hat das Spannungs-Dehnungsdiagramm von spröden Materialien, allen voran Keramiken, keinen oder fast keinen plastischen Bereich, während dieser bei den meisten Polymeren wie Gummi oder Elastomeren sehr stark ausgeprägt ist (Abb. 3) Weiterhin können spezielle Effekte, abhängig von der Verformungsart auftreten (Abb. 4) .

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Abb. 3: Spannungs-Dehnungsdiagramm eines vulkanisierten Gummis: A übervulkanisiert, B untervulkanisiert.

Abb. 4: Spannungs-Dehnungsdiagramm bei Kaltverstreckung

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Kenngrößen: Spannung: Die Spannung gibt den Kraftaufwand, bezogen auf die Querschnittsfläche der Probe an, um diese zu verformen.

0sF

=σ [MPa]; ][ 2mmN

Dehnung: Die Dehnung gibt die Verformung der Probe in % an.

0

0

0 lll

ll −

=ε [%]

Elastizitätsmodul: Der Elastizitätsmodul oder auch Young Modulus beschreibt den Widerstand des Werkstoffs gegen die Verformung. Je höher E ist, desto mehr Kraft muss man aufwenden, um die Probe um den gleichen Betrag zu verformen.

εσ ⋅= E

αεσ tan==E [GPa]; ][ 2mm

kN

Tabelle 1: E-Moduli für einige Werkstoffe Streckgrenze: Die Streckgrenze ist die Spannung, ab der der Werkstoff plastisch verformt wird. Die obere Streckgrenze wird anhand des Maximums vor dem ersten Abfalls der Kraft ermittelt (Abb. 1).

ReH: obere Streckgrenze (Higher yield strength) [MPa]; ][ 2mmN

ReL: untere Streckgrenze (Lower yield strength) [MPa]; ][ 2mmN

0,2% Dehngrenze/ 0,01% Dehngrenze: Kann die Streckgrenze aufgrund des stetigen Verlaufs des Spannungs-Dehnungs-Diagramms nicht direkt bestimmt werden (Abb. 2), wird graphisch die 0,2% Dehngrenze ermittelt. Seltener wird hingegen die 0,01% Dehngrenze verwendet Zugfestigkeit Die Zugfestigkeit Rm ist die aus dem Maximalwert der Spannung, die aus dem gesamten Kraft-Verformungsverlauf ermittelt wurde.

σ Spannung in MPa F Kraft in N s0 Querschnittsfläche der

unverformten Probe in mm² s Querschnittsfläche der Probe

in mm² sB Querschnittsfläche nach dem

Bruch E Elastizitätsmodul in GPa ε Dehnung in % l Messlänge in mm L0 Ausgangslänge in mm α Winkel zwischen Hook'scher

Gerade und Abszisse in °

Werkstoff Typische E-Moduli Allg. Baustahl 200-220 GPa Glas 70 GPa Keramik >400 GPa Cu und Cu-Legierungen 120 GPa Al und Al-Legierungen 70 GPa

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Bruchdehnung: Die Bruchdehnung ist das Maß der relativen plastischen Verformung eines Werkstoffs (der elastische Anteil wird also abgezogen), bei der der Bruch der Probe eingetreten ist. Da die Bruchdehnung nach dem Kick'schen Ähnlichkeitsgesetz nur vergleichbar ist, wenn das Verhältnis von Messlänge L0 und Querschnittsfläche S0 konstant ist, werden normalerweise Proportionalstäbe verwendet. Das wird entsprechend gekennzeichnet: A10: langer Proportionalstab L0 = 10⋅d0 A5: kurzer Proportionalstab L0 = 5⋅d0 A5 ≈ (1,2⋅⋅⋅1,5)⋅A10 Die Bruchdehnung beinhaltet also nur den irreversiblen Verformungsanteil

0

0

0 sss

ssz B−

= [%]

0

0

lll

A Bruch −= [%]

Brucheinschnürung: Die Brucheinschnürung Z gibt an, um welchen relativen Betrag sich der Querschnitt verringert hat.

0

B0

SSSZ −

= [%]

Poisson- oder Querkontraktionszahl: Da das Volumen bei der Verformung konstant bleibt, gibt es bei der Längenänderung gleichzeitig eine Querschnittsänderung. Die Querkontraktions- oder Poissonzahl ν gibt dabei das Verhältnis zwischen der Querverformung und der Längsverformung einer Probe (Abb. 5).

längs

quer

εε

ν = νmax= 0,5

Streckgrenzenverhältnis: Das Streckgrenzenverhältnis gibt das Verhältnis zwischen Streckgrenze und Zugfestigkeit an, wodurch man ermitteln kann, wie viel Spannungsreserve man nach Erreichen der Streckgrenze bis zum Bruch hat.

m

e

RR

zulässige Spannung: Die zulässige Spannung lässt sich nicht direkt aus dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm ablesen, jedoch mittels Sicherheitsfaktor S errechnen. Sie ergibt sich aus dem Quotienten aus oberer Streckgrenze bzw. Dehngrenze und dem Sicherheitsfaktor. S liegt dabei zwischen 1 und 5 (5= höchste Sicherheitsansprüche, z.B. in der Luftfahrt verwendet).

SReH

zulσ [MPa]; ][ 2mmN

Abb. 5: Verformung einer prismatischen Probe

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Kompressionsmodul: Das Kompressionsmodul beschreibt den nötigen allseitigen Druck, der nötig ist, um eine bestimmte Volumenänderung hervorzurufen.

VVp

K 0

Δ⋅−

=

spezifische Formänderungsarbeit: Die spezifische Formänderungsarbeit wird durch die Fläche unter der σ-ε-Kurve ermittelt.

∫=

=

⋅=Bruch

dWS

εε

ε

εσ0

Werkstoffverhalten und Einflüsse auf die Werkstoffeigenschaften: Werkstoffe können sich, je nach Umgebungsbedingungen verschiedentlich verhalten. So werden Metalle mit zunehmender Temperatur zäher und duktiler, während sie bei tiefen Temperaturen spröde Eigenschaften annehmen können. Mit Erhöhung der Temperatur ändern sich jedoch auch die Kennwerte der Metalle, wie dies in Abbildung 6 dargestellt ist. Sowohl Zugfestigkeit als auch die Streckgrenze nehmen mit zunehmender Temperatur ab. Des Weiteren verringert sich der Anstieg der Hook’schen Geraden und somit das E-Modul. Der Streckgrenzeneffekt, welcher bei 300K stark ausgeprägt und bei 600K noch immer zu beobachten ist, verringert sich und verschwindet bei 800K schließlich vollständig. Bei Polymeren verhält es sich ähnlich.

Abb. 6: Änderung der Spannungs-Dehnungskurve mit zunehmender Temperatur Die Änderung der Temperatur ist jedoch nicht das einzige Mittel, um die Werkstoffeigenschaften zu ändern. Wie schon erwähnt, ist die Lüdersdehnung bei einigen Materialien nicht erwünscht, da dadurch Nachteile für die Weiterverarbeitung entstehen. Eine Wärmebehandlung kommt jedoch oftmals nicht in Frage, zumal dadurch gezielt eingestellte Werkstoff- und Gefügeeigenschaften verloren gehen (Martensitbildung). Eine andere Möglichkeit besteht in der mechanischen Verformung, dem so genannten dressieren. Dabei wird das Material zwischen zwei Walzen eingespannt (Der Vorgang geht mit entsprechendem Werkzeug, z.B. Ziehstein, auch bei anderen Verarbeitungsschritten als dem Walzen) und mit einer definierten Kraft gezogen. Dadurch werden weitere Versetzungen eingebracht, die dem Streckgrenzeneffekt entgegenwirken.

Κ Kompressionsmodul p Druck V0 Ausgangsvolumen ΔV Volumenänderung

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Zeitstandsversuche Oftmals ist es nicht ausreichend, lediglich das Werkstoffverhalten bei der Verformung zu wissen, Viele Endprodukte sind im späteren Einsatz starken Beanspruchungen ausgesetzt. So ziehen zum Beispiel die Triebwerke eines Flugzeuges über den gesamten Betriebszeitraum an den Pylonen, an denen sie aufgehängt sind. Zeitstandsversuche können daher sehr aufschlussreich über das Langzeitverhalten eines Materials sein, wobei hier vor allem besondere Beanspruchungen wie erhöhte Temperatur oder Gefügeänderungen interessant sind, nicht zuletzt wegen den sich ändernden Materialeigenschaften mit zunehmender Temperatur (Abb. 6). Bei Zeitstandsschaubildern wird das Kriechverhalten beobachtet, indem die Dehnung, die Dehngeschwindigkeit oder die Zeitstandsfestigkeit des Materials über die Dauer seiner Belastung mit einer konstanten Kraft aufgetragen (Abb. 7 und 8). In Abbildung 9 ist die Anfertigung eines solchen Zeitstandsschaubildes dargestellt. Ermittlung des zeitabhängigen Festigkeits- und Verformungsverhaltens bei ruhender Beanspruchung in Abhängigkeit von der Beanspruchungstemperatur und –zeit

• deutliche Kriechvorgänge bei T > TS • Gefügeänderungen

Abb. 7: Zeitstandsschaubilder

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Abb. 8: verschiedene Bereiche beim Zeitstandsversuch I: Primärkriechen: Verformung sorgt für zunehmende Dehnung mit der Zeit Anstieg der Kurve II: Sekundärkriechen: linearer Anstieg; Gleichgewicht von Versetzungsauflösung (Diffusion) und Versetzungsneubildung (Umformung) III: Tertiärkriechen: Anstieg der Kriechgeschwindigkeit Anstieg der Kurve; anschließend Bruch

Abb. 9: Anfertigen eines Zeitstandsschaubildes

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Kenngrößen: Bruchzeit: Zeit bis zum Bruch der Probe t [h] Zeitstandsfestigkeit: Die Zeitstandsfestigkeit ist die Prüfspannung, die bei einer bestimmten Prüftemperatur T nach einer bestimmten Beanspruchungsdauer t zum Bruch der Probe führt.

Rm/T/t bei der Zeit t und der Temperatur T [MPa]; ][ 2mmN

Dauerstandsfestigkeit: Die Dauerstandsfestigkeit ist die Spannung, die von einem Werkstück dauerhaft ertragen werden kann, ohne dass es zum Bruch kommt.

Rmax [MPa]; ][ 2mmN

Zeitstandskriechgrenze (Zeitdehngrenze) Die Zeitstandskriechgrenze ist die Spannung, bei der bei gegebener Prüftemperatur T nach einer Prüfzeit t die bleibende Dehnung A (A= 0,1; 0,2; 0,5; 1%) erreicht wird.

RpA/T/t [MPa]; ][ 2mmN

Zeitstandsbruchdehnung: Die Zeitstandsbruchdehnung ist die bleibende Dehnung nach dem Bruch einer Probe bei gegebener Prüftemperatur T und Bruchzeit t A5/T/t [%] Zeitstandsbrucheinschnürung: Die Zeitstandsbrucheinschnürung ist die Einschnürung der Probe bei gegebenen T und t nach dem Bruch, analog zur Brucheinschnürung im Zugversuch.

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Druckversuch: Der Zugversuch ist zwar ein sehr häufig angewandter Materialtest, kann jedoch nicht bei allen Materialien verwendet werden. Je nach Verwendungszweck müssen Werkstoffe, zum Beispiel Lagerwerkstoffe oder Baustoffe weniger Zug- als viel mehr Druckbeanspruchungen standhalten. Des Weiteren vertragen spröde Materialien wie Keramiken oder spröde Gusslegierungen fast keine Zugspannungen, weswegen ihre Werkstoffkenngrößen im Druckversuch ermittelt werden.

Abb.: 10: Spannungs-Dehnungs-Diagramme eines Duckversuchs für verschiedene Werkstoffe: 1) Graugusslegierung; 2) weicher Stahl; 3) Zink; 4) Blei In Abbildung 11 ist das unterschiedliche Verhalten der Materialien schematisch gezeigt. Da durch die Druckmaschine ständig Material aus beiden Richtungen nachgeschoben wird, muss das Material in der Mitte versuchen, nach außen auszuweichen. Daher gibt es bei duktilen Werkstoffen eine deutliche Ausbauchung der Probe analog zur Einschnürung beim Zugversuch. Hingegen gibt es beim Sprödbruch lediglich eine glatte Bruchfläche, die im Gegensatz zum Zugversuch nicht senkrecht zur Beanspruchungsrichtung liegt.

duktil spröde Abb. 11: Werkstoffverhalten beim Druckversuch

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Kenngrößen: Spannung: Die Spannung gibt den Kraftaufwand, genormt auf die Querschnittsfläche der Probe an, um diese zu verformen.

0sF

D =σ [MPa]; ][ 2mmN

Quetschgrenze: Analog zur Streckgrenze im Zugversuch beschreibt die Quetschgrenze den Beginn der plastischen Verformung. Stauchung: Die Stauchung gibt die Verformung der Probe in % an.

0

0

0 lll

ll −

=ε [%]

0,2% Stauchgrenze/ 2% Stauchgrenze: So, wie die Quetschgrenze das Analogon zur Streckgrenze ist, gibt es analog zur Dehngrenze die Stauchgrenze. Bruchstauchung: Die Bruchstauchung ist das Maß der Verformung eines Werkstoffs, bei der der Bruch der Probe eintritt.

0

0

lll Bruch

dB−

=ε [%]

Biegeversuch: Eine weitere mechanische Prüfart ist der Biegeversuch. Dabei wird zwischen Dreipunkt- und Vierpunkt-Biegeversuch unterschieden (Abb. 12). Dieser Test wird bei duktilen Werkstoffen zur Bestimmung der Biegefließgrenze und des größtmöglichen Biegewinkels verwendet. Außerdem findet der Biegeversuch bei der Ermittlung der Biegefestigkeit bei spröden Werkstoffen

Verwendung. Abb. 12: Drei- (a) und Vierpunktbiegung (b) im Vergleich

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Kenngrößen: Dreipunktbiegung Vierpunktbiegung

4max,s

bLF

M⋅

= mFM b ⋅=max,

WLF s

b ⋅⋅

=4max,σ

WmF

b⋅

=max,σ

Durchbiegung:

JELF

f s

⋅⋅⋅

=48

Widerstandsmoment:

prismatische Probe: 6

2hbW ⋅=

zylindrische Probe: 3

32dW ⋅=

π≈ 0,1⋅d³

axiales Trägheitsmoment:

prismatische Probe: 12

3hbJ ⋅=

zylindrische Probe: 4

64dJ ⋅=

π≈ 0,05⋅d4

Weibull- Statistik: Die Weibull- Statistik ist ein Thema aus der theoretischen Werkstoffprüfung und daher schwer zu erklären und schwer zu verstehen, aber ich versuche es trotzdem mal. Ursprünglich kommt die Weibull- Statistik oder auch Weibull- Verteilung aus der Mathematik und geht auf den Schweden Waloddi Weibull zurück. Wie auch die Gauß- Verteilung ist die Weibull- Verteilung eine statistische Verteilungsfunktion, die jedoch breiter und unsymmetrischer als eine Gauß- Funktion ist. Da Festigkeitswerte in der Materialprüfung oftmals so breit gefächert sind, dass sie nicht mehr in die Gauß- Verteilung reinpassen, verwendet man meistens die Weibull- Statistik, um auch diese Werte erfassen zu können. Der Weibull-Modul m gibt dabei an, wie weit die Streuung ist. Ein niedriger Modul bedeutet eine große Streuung, ein hoher Modul eine niedrige Streuung. Wie man sehen kann, ist für ein Weibull-Modul m= 10 das Verhältnis der Spannungen bei Drei- und Vierpunktbiegung nur noch 1,2.

m

B

B m1

4

3

22

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ +

=σσ

Für m= 10: 2,14

3 ≈B

B

σσ

Volumenänderung:

m

VV

1

2

1

1

2⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛=

σσ Das Volumen beeinflusst stark die Festigkeit eines Bauteils.

Mb,max Max. Biegemoment σb,max Max. Biegespannung σ Festigkeit fmax Max. Durchbiegung F Durchbiegung F Aufgewandte Kraft Ls; m Geometrische Größen der

Probe (siehe Abb. 12) W Widerstandsmoment J Trägheitsmoment m Weibull-Modul σ3Β Festigkeit 3-Punkt-Biegung σ4Β Festigkeit 4-Punkt-Biegung V Volumen

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σ2/σ1 V1/V2 m = 5 m = 10 m = 20 m = 301:2 0,87 0,93 0,97 0,98 1:5 0.72 0,85 0,92 0,95 1:10 0,63 0,79 0,89 0,93 1:20 0,55 0.74 0,86 0,90 1:50 0,46 0,68 0,82 0,88 1:100 0,40 0,63 0,79 0,86

Tabelle 2: Festigkeitsverhältnisse bei verschiedenen Volumenrelationen und Weibull-Moduli Scherversuch: Zur Prüfung von Schrauben, Nieten, Stiften und Passfedern ist es notwendig, die Scherfestigkeit des Werkstoffes zu kennen bzw. das Verhalten des Materials bei Scherbeanspruchung. Dazu ist der Scherversuch das geeignete Mittel der Wahl. Dabei wird das Werkstück zwischen zwei Stempel gespannt, welche aneinander vorbei gleiten und so den Werkstoff zerteilen (siehe Abb. 13) Schere. Ein Problem stellt jedoch der Abstand zwischen den beiden Stempeln dar. Da dieser nicht unendlich klein sein kann, treten zusätzlich zu der Scherbeanspruchung Biegespannungen im Werkstück auf. Eine Abwandlung der Scherung ist das Stanzen, wobei das Verhalten des Materials durch den Lochversuch getestet wird.

F

F Abb. 13: Scherversuch Kenngrößen:

Scherfestigkeit:

0, 2 s

FBB ⋅

=στ

Für zylindrische Proben gilt:

2,2

dFB

B ⋅⋅

τ σ

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Torsionsversuch: „Nach fest kommt ab.“, heißt ein altes Schraubersprichwort und nicht zuletzt deshalb darf man zum Beispiel die Radschrauben am Auto nur mit einem vom Hersteller angegebenen Drehmoment festschrauben. Damit der Hersteller weiß, was die Schrauben aushalten, ist der Torsionsversuch ein gutes Prüfmittel. Aber nicht nur Schrauben, sondern auch Wellen, Achsen, Drähte und Federn werden durch Torsion beansprucht und sollten daher geprüft werden.

Abb. 14: Torsionsversuch Kenngrößen (siehe Abb. 14): Torsionsmoment:

dFM t ⋅= Schubzahl

τγβ =

Drillung

dγδ ⋅

=2

Verdrehfestigkeit

p

t

WM

=maxτ

für zylindrische Proben:

3max,16

dM t

O ⋅=

πτ

Gleitmodul

γτ max=G

Verdrehwinkel

dL⋅⋅

=γψ 2

FB Bruchkraft τσ,B Scherfestigkeit s0 Anfangs-Querschnittsfläche d Durchmesser γ Schiebung τ Randschubspannung ψ Verdrehwinkel F Kraft L Probenlänge

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Verfahren mit dynamischen Beanspruchungen: Im letzten Kapitel wurden zahlreiche statische Methoden zur Bestimmung von Werkstoffkenngrößen bzw. zur Prüfung von Werkstücken und –stoffen. In vielen Fällen ist dies jedoch nicht ausreichend, da die aus den geprüften Materialien gefertigten Produkte wechselnden Beanspruchungen ausgesetzt sind. So rotiert zum Beispiel eine Achse, während aus einer einzigen Richtung die Last des Fahrzeugs wirkt, so dass der Werkstoff eine zyklische Beanspruchung erfährt. Andererseits wirken bei einer Türklinke in unregelmäßigen Zeiträumen Kräfte beim vertikalen Herunterdrücken und zurückschnellen der Klinke sowie beim Öffnen der Tür durch horizontales Ziehen. Daher werden dynamische Prüfverfahren angewandt, um das Verhalten bei schlagartiger (Kerbschlagbiegeversuch) oder wechselnder Beanspruchung zu untersuchen. Kerbschlagbiegeversuch: Im Vergleich mit stetiger Beanspruchung kann sich der Werkstoff bei plötzlich eintretenden Lasten ganz anders verhalten, als man das vielleicht vermutet. Schlagartige Lasten führen zu einem spröden Verhalten, wobei bei spröden Werkstoffen ein kleiner Riss bereits katastrophale Folgen haben kann. Der Kerbschlagbiegeversuch untersucht daher das Bruchverhalten des Materials bei schlagartiger Beanspruchung, wobei eine Kerbe in die unter Zug beanspruchte Seite des Prüflings eingearbeitet wurde, wie in Abbildung 16 zu sehen ist.

tE

t ∂⋅∂

=∂∂ σε schlagartige Beanspruchung: 1110 −−>

∂∂ s

Eine hohe Verformungsgeschwindigkeit t∂

∂ε bedeutet demnach auch eine hohe Spannungs-

Änderung und daraus folgend Erhöhung von Streckgrenze, Zugfestigkeit, Härte und Sprödigkeit. Einfluss der Verformungsgeschwindigkeit auf das Werkstoffverhalten

für unlegierte Stähle gilt: ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

∂∂

⋅+= −

tmAReH

εlogloglog 1

A Konstante m Einfluss von dε/dt auf die

Versetzungsbildung

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Abb. 15: Abhängigkeit der Bruchspannung und der Streckgrenze von der Temperatur und der Verformungs-Geschwindigkeit bei gekerbten Proben Bereich I: T < T1 σB < Re Sprödbruch, Niederspannungsbruch Bereich II: zwischen T1 und T2 σB ≈ Re beginnende plastische Verformung, trotzdem Spaltbruch Niederspannungsbruch Bereich III: T > T2 zunächst stabiler Rissfortschritt, dann instabile

Rissausbreitung (Verformungs- + Sprödbruch) Bereich IV: T > T3 Zähbruch, stabil Der Prüfling wird beim Kerbschlagbiegeversuch auf ein Auflager gelegt, wobei die Enden der Probe jeweils an einem Widerlager anliegen. Die Kerbe zeigt dabei in die Schwingrichtung des Hammers. Anschließend wird der Hammer bis zu einer definierten Auslenkhöhe angehoben und fallengelassen. Der Schleppzeiger zeigt den Steigwinkel des Hammers nach dem Durchschlagen der Probe. Zweckmäßigerweise ist eine Finne, also ein V-Ausschnitt in den Hammer eingearbeitet, der gewährleistet, dass die Probe von einer definierten Fläche des Hammers getroffen wird. Eine schematische Zeichnung der Versuchsanordnung ist in Abbildung 16 zu sehen.

Abb. 16: Kerbschlagprobe

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Abb. 17: Kerbschlagprüfmaschine nach Charpy Die resultierende Kerbschlagarbeit ergibt sich dabei aus der Differenz von Fallarbeit und Steigarbeit des Hammers und ist ein Maß für die Zähigkeit des Werkstoffs. Fallarbeit: 11 hFW G ⋅= Steigarbeit: 22 hFW G ⋅= Die Höhen h1 und h2 errechnen sich aus der Länge des Pendels und den vorher und nachher abgelesenen Winkeln α und β. Kerbschlagarbeit: )( 2121 hhFWWA GV −⋅=−=

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Abb. 18: Kerbschlagarbeit in Abhängigkeit von Werkstoffauswahl und Prüftemperatur:

a) duktiles Material (Ni, fcc-Stähle, austenitische Stähle; b) bcc-Stähle; c) sprödes Material (Glas, Keramik)

Abb. 19: Temperatureinfluss beim Kerbschlagbiegeversuch; TÜ: Übergangstemperatur

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Abb. 20: Stähle mit unterschiedlichem Kohlenstoffgehalt

Abb. 21: Stahl mit unterschiedlichen Behandlungszuständen

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Abb. 22: Einfluss der Werkstoffeigenschaften: 1: sprödes Verhalten; 2: duktiles Verhalten; 3: zähes Verhalten

Abb. 23: Verlauf des Kerbschlagbiegeversuchs I: elastisch-plastische Verformung II: Rissbildung III: Rissausbreitung FS: Schlagkraft zur Risseinleitung Fc: Schlagkraft zur instabilen Rissausbreitung F0: Schlagkraft bei Rissarretierung

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Dauerschwingversuche: Viele Schäden entstehen nicht durch spontanes Bauteilversagen sondern durch Dauerbrüche, die über einen längeren Zeitraum durch wechselnde Beanspruchungen aus einer Fehlerquelle, die einen Anriss initiiert (Korngrenzenstörungen, heterogen eingelagerte Gefügebestandteile, äußere Kerben am Bauteil) gewachsen sind, bis sie schließlich das Bauteil durch Querschnittsabnahme so geschwächt haben, dass dieses versagt. Dauerbrüche können dabei durch eine hohe Schwingbeanspruchung oder durch hohe Schwingspielfrequenzen entstehen. Zu erkennen sind sie dabei anhand der Bruchfläche, da man meistens an dieser Haltelinien die Rissinitiierung und eine Restbruchfläche erkennen kann, wobei letztere meistens einen Sprödbruchcharakter hat. Um die Dauerfestigkeit, also die Widerstandskraft gegenüber schwingender Belastung zu ermitteln, wird der Dauerschwingversuch angewandt. Dabei wird zwischen regelmäßigen und unregelmäßigen Belastungen unterschieden, die je nach Verwendungszweck des Bauteils im Versuch simuliert werden können. Außerdem wird zwischen drei verschiedenen Beanspruchungsbereichen unterschieden: Zugschwellbereich: σm ≥ σa, σo und σu positiv Wechselbereich: σm < σa, σo und σu verschiedene Vorzeichen Druckschwellbereich: σm ≥ σa, σo und σu negativ Werkstoff Rm Rp,0,2 σzul. N/mm2 N/mm2 N/mm2 vergütet statisch schwell. wechsel- C35 650 420 220 170 130 40Mn4 900 650 320 240 190 42CrMo4 1100 900 370 300 240 Tabelle 3: verschiedene zulässige Spannungen für ausgewählte Werkstoffe und Beanspruchungen Weitere Beanspruchungsmöglichkeiten sind in Tabelle 3 zusammengestellt.

0 Abb. 24: Spannungsverlauf beim Dauerschwingversuch σo: Oberspannung; σm: Mittelspannung; σu: Unterspannung; σa: Spannungsausschlag

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Beanspruchungsmöglichkeiten Einstufenversuch

Mehrstufenversuch Randomversuch Betriebslastenversuch

Beanspruchungsart Zug Druck Biegung Umlaufbiegung Torsion

Beanspruchungsparameter Spannung Dehnung

Spannungszustand einachsig mehrachsig

Prüffrequenz niedrig (< 5 Hz) mittel (< 30 Hz) hoch (> 30 Hz)

Versuchsobjekt glatter Probestab gekerbter Probestab Formelement Bauteil Baugruppe Anlage

Umgebungsbedingungen hohe oder niedrige Temperatur Luftfeuchtigkeit Vakuum korrosive Medien Strahlung

Tabelle 4: Auswahl an Parametern, die beim Dauerschwingversuch variiert werden können. Wöhler-Kurve: Trägt man die Spannungen, unter denen die Bauteile versagen über der Nennlastspielzahl auf, erhält man eine Wöhlerkurve. Anhand dieses Diagramms kann man für einen bestimmten Werkstoff Festigkeitswerte für eine bestimmte Spielzahl, z.B. Dauerschwingfestigkeit oder auch die Anzahl der Zyklen, die ein Werkstoff bei gegebener Belastung aushält, ermitteln. Werkstoff NG Stahl ∼ 107 Cu und Cu-Legierungen ∼ 5⋅107 Leichtmetalle ∼ 108 Polymere meist nicht bestimmbar Tabelle 5: Grenzlastspielzahlen für einige Werkstoffe

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Abb. 25: typische Wöhlerkurve: Dauerschwingfestigkeit σAD, hier mit SaD gekennzeichnet, ab Grenzlastspielzahl NG

Abb. 26: Risswachstumskurve (schematisch) Bereich A: Risswachstum bei ΔK > ΔK0, bei ΔK < ΔK0 nichtausbreitungsfähige Risse Bereich B: kontinuierliches Risswachstum mit Schwingungsstreifenbildung Bereich C: Annäherung an das statische Bruchverhalten Im Bereich B existiert bei logarithmischer Auftragung ein linearer Verlauf des Risswachstums: ⇒ Dehnungswechselversuche (konstante Dehnungsamplitude)

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m)K(CdNda

Δ⋅=

C, m: Konstanten, die von Werkstoff und Belastungsbedingungen abhängen Kenngrößen: Dauerschwingfestigkeit σAD: Die Dauerschwingfestigkeit (Dauerfestigkeit) ist der maximale Spannungsausschlag (Zug, Druck, Biegung, Verdrehung usw.) um eine gegebene Mittelspannung den eine Probe beliebig oft erträgt, ohne zu brechen. Dieser Kurvenverlauf tritt jedoch bei z.B. kfz-Metallen nicht auf. Gestaltsfestigkeit: Die Gestaltsfestigkeit ist die Dauerfestigkeit eines fertigen Bauteils. Sie berücksichtigt alle konstruktiv bedingten und durch das Formgebungsverfahren erzeugten äußeren Kerben. Grenzlastspielzahl NG: Wird die Grenzlastspielzahl überschritten, ohne dass das Bauteil bricht, spricht man von einem dauerfesten Bauteil. Oberfläche Dauerfestigkeit [N/mm²] glatt (ohne Kerb) 280 Rundkerb 180 Rechteckkerb 125 Tabelle 6: Dauerfestigkeit in Abhängigkeit von der Kerbgestaltung Bei niedrigzyklischer Ermüdung

CN plBn =⋅ε MANSON-COFFIN-Beziehung NB: Zahl der Schwingspiele bis zum Bruch εpl: Amplitude der plastischen Dehnung C: n experimentell zu bestimmende Konstanten Dauerfestigkeitsschaubild (nach Smith) Stellt man Wöhlerkurven aus mehreren Belastungsfällen zusammen, kann man ein Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith erstellen. Um ein solches Diagramm zu erstellen, werden die Ober- bzw. Unterspannung σo und σu in zwei Graphen über der verwendeten Mittelspannung σm auf der Abszisse aufgetragen. Die beiden so entstandenen Graphen schließen den Bereich der Dauerfestigkeit ein; alles, was außerhalb ist wird also nach einer gewissen Zeit zum Bruch führen. Die Abszisse kann man in die verschiedenen Belastungsfälle untergliedern: Die Wechselfestigkeit (σm = 0) wird auf der Ordinate angegeben. Die Schwellfestigkeit ist vom Schnittpunkt der Grenzlinien mit der Abszisse nach oben oder unten aufgetragen.

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Mit zunehmender Mittelspannung nähern sich die beiden Grenzlinien, d. h. der ertragbare Spannungsausschlag σA wird kleiner. Im Schnittpunkt ist σA = 0 (statische Zugfestigkeit Rm). Im gestrichelten Bereich liegen plastische Verformungen vor. Deshalb wird bei Re begrenzt. Eine Gerade, die zwischen den beiden Schnittpunkten gezogen wird (Strich-Punkt-Linie) ergibt dabei die Grenze zwischen Ober- und Unterspannung.

Abb. 27: Smith- Diagramm Im vereinfachten Dauerfestigkeitsdiagramm werden nur Geraden eingezeichnet, was oftmals zu einer anschaulichen Darstellung führt.

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Abb. 28: Vereinfachtes Dauerfestigkeitsdiagramm σm: Mittelspannung; σA: Spannungsausschlag; σSch: Schwellfestigkeit; σW: Wechselfestigkeit; Re: Streckgrenze Technologische Verfahren: Bisher wurden Verfahren der Materialprüfung erörtert, die der Bestimmung von Werkstoffkenngrößen bzw. –kennwerten oder zur Überprüfung auf Haltbarkeit bei dynamischen oder statischen Belastungen dienten. Jedoch braucht man die Haltbarkeit nicht überprüfen, wenn man nicht weiß, ob man den Werkstoff überhaupt bearbeiten kann. Daher sind technologische Verfahren notwendig, die den Werkstoff auf

Umformbarkeit Zerspanbarkeit Schweißbarkeit Härtbarkeit

prüfen. Prüfung der Umformbarkeit: Biege- und Faltversuch: Bei diesem Versuch wird getestet, ob der Werkstoff oder eine Schweißverbindung entsprechend den Kundenanforderungen verformt werden kann. Dazu wird eine Seite eingespannt und die andere Seite um einen bestimmten Winkel gebogen. Dabei wird überprüft, ob der Werkstoff reißt (Abb. 29 a+b). Abweichend dazu kann man den Werkstoff oder die Schweißnaht bis zur ersten Rissbildung biegen und dann den Winkel ausmessen (Abb. 29 c). Beim Faltversuch wird die Probe um einen z.B. zylindrischen Stempel herum gebogen, bis ein Biegewinkel von 180° erreicht wurde (Abb. 29 d). Beim Faltversuch gibt es außerdem die Varianten Kerbfaltversuch und Doppelfaltversuch.

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Abb. 29: Verschiedene Möglichkeiten des Biegeversuchs (a-c) und des Faltversuchs (d) Warm- Biege- Faltversuch: Was im kalten Zustand geht, muss natürlich auch im warmen Zustand funktionieren. Soll das Material bei höheren Temperaturen verformt werden, ist ein Test unter entsprechenden Bedingungen notwendig. Dazu gibt es grundlegend zwei Varianten:

Rotbruchversuch: Das Material wird erwärmt, bis es rot glühend ist (rotwarm), was bei Stahl bei ungefähr 750-1000°C der Fall ist, und dann verformt. So wird zum Beispiel die Rotbrüchigkeit bei Stählen mit erhöhtem Schwefelgehalt untersucht.

Blaubruchversuch: Das Material wird so lange erwärmt, bis es eine dunkelrote Farbe erhält, was bei ungefähr 700°C der Fall ist. Bei 300°C wird das Material dann gebogen. Da es dann eine blaue Anlassfarbe hat, wird dieser Versuch Blaubruchversuch genannt

Warm- Stauchversuch: Dieser Versuch findet zum Beispiel zum Prüfen von Nieten eingesetzt. Dazu wird ein Zylinder mit einer Höhe von einfachem bis doppeltem Durchmesser gestaucht und die erreichte Höhendifferenz bis zum Bruch oder Riss gemessen.

Abb. 30: Warmstauchversuch:

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h= d…2.d

0

0

hhh −

Hin- und Herbiegeversuch, Verwindeversuch, Wickelversuch: Hin- und Herbiegeversuch: Feinbleche bis 3mm werden mit einem Ende eingespannt und so lange um 90° hin- und hergebogen, bis ein Riss oder Bruch entsteht. Verwindeversuch: Drähte von 0,3…8mm Durchmesser werden eingespannt und um die Längsachse verdrillt, bis sie brechen. Wickelversuch: Ein beschichteter Draht wird um einen Zylinder gebogen, um die Haftfestigkeit des Überzugs zu prüfen.

Abb. 31: Hin- und Herbiegeversuch Verdrillungsversuch Wickelversuch Prüfung der Tiefziehfähigkeit: Für verschiedene Metallerzeugnisse werden Produktionsschritte angewandt, bei denen gute Tiefzieheigenschaften benötigt werden. Um diese Eigenschaften zu testen wird ein Tiefziehversuch durchgeführt. Zwei Möglichkeiten seien hier kurz erklärt: Tiefziehen nach Erichsen: Beim Erichsen-Tiefziehtest wird ein Blech zwischen eine Matrize und ein Gegenmatrize eingeklemmt. Anschließend drückt eine Kugelkalotte auf das Blech und drückt dieses durch ein Loch in der Matrize.

Abb. 32: Erichsen- Tiefung schematisch und Foto

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Näpfchen-Tiefziehversuch: Der Näpfchen-Tiefziehversuch ist ähnlich aufgebaut wie der Erichsen-Tiefziehversuch, jedoch wird statt der Kugelkalotte ein zylindrischer Stempel verwendet. Durch die 90°-Winkel des Zylinders stellt dieser Versuch strengere Anforderungen an das Material. Man kann jedoch nicht nur feststellen, ob ein Werkstoff beim Tiefziehen reißt, sondern auch andere Phänomene bei der Verformung, zum Beispiel Zipfelbildung aufgrund von Texturen (Abb. 33 links) oder Oberflächenveränderungen (Orangenhaut, siehe Abb. 32 rechts) feststellen, welche bei der Verarbeitung das Produkt unbrauchbar machen würden.

Abb. 33: Näpfchenziehversuch mit und ohne Zipfelbildung Auf- und Durchhärtung: Stirnabschreckversuch nach Jominy Bei vielen Teilen des Maschinenbaus ist eine große Härte bei gleichzeitig hoher Zähigkeit nötig, so zum Beispiel bei Zahnrädern, Wellen und Lagern. Das Problem dabei stellt der indirekte Zusammenhang zwischen Härte und Sprödigkeit dar. Wird ein Halbzeug oder ein Produkt gehärtet, wird es meistens auch spröder. Dies kann umgangen werden, indem man sich der Auf- bzw. Durchhärtung bedient. Hierdurch ergibt sich ein Härtegradient, der eine große Oberflächenhärte bei gleichzeitiger Kernduktilität bietet. Andererseits kann aber auch das Problem entstehen, dass ein Werkstoff durchgehärtet werden soll, die Härtung jedoch nur bis zu einer bestimmten Tiefe stattfindet. Um die Auf- bzw. Durchhärtung eines Materials zu testen, wird der Stirnabschreckversuch nach Jominy angewandt. Dazu wird eine Probe in 20 min auf Härtetemperatur gebracht und bei dieser Temperatur 30min gehalten. Anschließend wird mit einem Wasserstrahl, Temperatur T= 290 K, die Stirnseite abgeschreckt und danach 4mm des Materials an der Mantelfläche abgetragen. An dieser Fläche wird nun eine Härteverlaufsmessung von der Stirnseite aus durchgeführt. Anhand des Diagramms kann man die Härtbarkeit des Werkstoffs ermitteln. Sie ergibt sich aus:

dStirnabsHärtetHärtbarkei

tan=

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Aus den einzelnen Härtemesspunkten ergibt sich eine Härteverlaufskurve (Abbildung 35), welche die Härte in Abhängigkeit vom Stirnabstand darstellt.

Abb. 34: Stirnabschreckversuch nach Jominy

Abb. 35: typische Härteverlaufskurve für Rockwell C- Härtemessung

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Bruchmechanische Prüfverfahren: In der Bruchmechanik gibt es drei Aufgabenkomplexe:

Charakterisierung der Beanspruchung: In diesem Komplex wird die Spannungs- und Dehnungsverteilung in Bauteilen mit realen Risskonfigurationen auf technischem oder experimentellem Weg und das Ergebnis mittels geeigneter Parameter dargestellt.

Charakterisierung der Beanspruchbarkeit:

Dieser Komplex befasst sich mit den Kenngrößen aufgrund werkstoffmechanischer Bruchkriterien und der Charakterisierung der zum Bruchführenden kritischen Zustände in Abhängigkeit von den Beanspruchungsbedingungen und dem Werkstoffverhalten (Risswiderstand).

Quantitative Aussage zur Bruchsicherheit sowie zur Grenznutzungsdauer von Bauteilen,

Anlagen oder Werkzeugen: In diesem Bereich werden die Parameter der Beanspruchung und der Beanspruchbarkeit gegenübergestellt, wodurch Aussagen über das Verhalten des Werkstoffes gemacht werden können.

Rissöffnungsarten: Im Kapitel Dauerschwingfestigkeit wurde bereits erklärt, dass sich Schadensbrüche meistens aufgrund von Fremdkörpern oder Rissen entwickeln. Jedoch reicht das Vorhandensein eines Risses allein noch nicht aus, um vorherzusagen, wann das Bauteil versagt. Anhand eines Tiefdruckgebietes über dem Atlantik kann man ja auch nicht sagen, wie das Wetter in Deutschland werden wird. So wie bei der Meteorologie die Windströmungen notwendig sind, um das Wetterverhalten vorhersagen zu können, ist in der Bruchmechanik die Belastungsart des Werkstoffes um den Riss notwendig, die den Riss öffnet und somit zu einem Rissfortschritt führt. Dazu gibt es drei grundlegende Rissöffnungsarten: Mode I: Einfache Rissöffnung: Die Zugbeanspruchung wirkt senkrecht zu den Rissflächen und führt zu einem gegenseitigen Abheben. Diese Rissöffnungsart kommt bei allen Zug- und Biegebeanspruchungen vor und ist dafür verantwortlich, warum Keramiken wesentlich empfindlicher auf Zug, als auf Druck reagieren. Mode II: Längsscherriss: Die Schubspannung wirkt parallel zu den Rissflächen und senkrecht zur führenden Kante, also zu der Kante, an der sich die beiden Rissflächen treffen. Mode III: Querscherriss: Die Schubspannung wirkt parallel zur führenden Kante, die Krafteinwirkung parallel zur z- Achse. Die Modi II und III kommen bei allen Schubbeanspruchungen, also Scherung, Torsion, … vor. Die Art der Rissöffnungsart ist hier von der Orientierung des Risses zur Krafteinwirkung abhängig. Unter Beachtung dieser Modi kann der Spannungsintensitätsfaktor KI …KIII bzw. der kritische Spannungsintensitätsfaktor KIC…KIIIC ermittelt werden. Die KIC-Werte sind aber nicht nur von der bloßen Belastungsart abhängig, sondern auch vom Material selbst.

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Abb. 36: Rissöffnungsarten: (a) Mode I; (b) Mode II; (c) Mode III So sind zum Beispiel die Werte bei Gläsern geringer als bei Keramiken, da bei letzteren die Risse um die Kristallite herumwandern müssen. Dies erfordert zusätzliche Energie, die durch die Belastung aufgebracht werden muss. Wenn die Bindungsenergie jedoch gering genug ist, kann ein transkristallines Risswachstum, also ein Rissfortschritt durch den Kristall hindurch stattfinden, was eine Verringerung des kritischen Spannungsintensitätsfaktors bedeutet. Da der KIC-Fall der gefährlichste Fall ist, wird dieser am häufigsten in der Bruchmechanik verwendet. Kenngrößen: theoretische Bruchfestigkeit: Die theoretische Bruchfestigkeit ist die maximale Bruchfestigkeit, die ein Werkstoff haben kann. Sie existiert nur unter idealen Bedingungen, wird aber nicht erreicht, da innere Spannungen, Risse und Einlagerungen die Bruchfestigkeit herabsetzen.

dE

theor0

maxγ

σσ⋅

==

Ein Beispiel: In einem Material ist ein Mikroriss, der 3µm lang ist, das entspricht 104.d. Ein solcher Riss bedeutet eine mechanische Festigkeit, die nur noch 1% der theoretischen Festigkeit ohne Riss beträgt. effektive Oberflächenenergie (durch plastische Verformung):

03 )10...10( γγ ⋅=eff

elastische Verzerrungsenergie: Die elastische Verzerrungsenergie hängt quadratisch von der angelegten mechanischen Spannung ab und wird im Material gespeichert. Wird We größer als die Oberflächenenergie des Materials, fängt der Riss an zu wachsen.

EcWe

22 ⋅⋅=

σπ

E Elastizitätsmodul d Gitterabstand γ0 spezifische

Oberflächenenergie

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Oberflächenenergie: Die Oberflächenenergie gilt für beide Bruchflächen.

04 γ⋅⋅= cWO Energiedichte:

EVW

⋅=

π⋅⋅= 22 cV Risswachstumsbedingungen:

Oe WW ≥

0

22

4 γσπ⋅⋅≥

⋅⋅ cE

c

kritische Spannung:

cE

C ⋅⋅⋅

γσ 04

kritische Risslänge:

204

σπγ

⋅⋅⋅

=E

cC

Abb. 37: Risswachstumsbedingung: Der Betrag der elastischen Verzerrungsenergie muss größer sein als die Oberflächenenergie (Wres= max.), damit der Punkt der kritischen Risslänge überwunden wird, und der Riss sich ausbreitet.

E Elastizität c Risslänge γ0 Spezifische A0-Energie σ Spannung V Volumen des Risses

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Abb. 39: Flasche mit Rissausbreitung

Energiebilanz:

0

22

4 γσπ⋅⋅+

⋅⋅=+= c

EcWWW Oeres

Kritischer Spannungsintensitätsfaktor: Der kritische Spannungsintensitätsfaktor ist der Widerstand gegen die Ausbreitung eines Risses und gibt den Punkt, ab dem das langsame, stabile Risswachstum in ein schnelleres, katastrophales Risswachstum übergeht, an.

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛⋅γ⋅⋅σ=bccK BIC

KIC: K: Spannungsintensitätsfaktor I: Belastungsmode I c: critical

Abb. 38: Bruchgeschwindigkeit vs. Spannungsintensitätsfaktor Ü: Übergangslinien; W: Wallmerlinien; R: beginnende Rauhigkeit; V: Rissverzweigung

Abb. 40: logarithmische Darstellung log Bruchgeschwindigkeit vs. log KI

E Elastizität c Risslänge γ0 Spezifische A0-Energie σ Spannung V Volumen des Risses

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Werkstoff KIc [MPa⋅m1/2] Na2O-CaO-SiO2-Glas 0,7⋅⋅⋅0,75 Borosilikatglas 0,8 Kieselglas 0,8 Al2O3-Keramik 3⋅⋅⋅5 Si3N4-Keramik 1,9⋅⋅⋅5 SiC-Keramik 3⋅⋅⋅5 Porzellan 0,95 verfestigte Keramik bis 30 bearbeitbare Glaskeramik 1,9⋅⋅⋅3 bioaktive Glaskeramik 2,0 Allgemeine Baustähle 30⋅⋅⋅190 Vergütungsstähle 40⋅⋅⋅140 Werkzeugstähle 8⋅⋅⋅30 Schnellarbeitsstähle 8⋅⋅⋅15 Gusseisen 28⋅⋅⋅57 Ti-Legierungen 30⋅⋅⋅150 Al-Legierungen 20⋅⋅⋅40 Hartmetalle 8⋅⋅⋅17 Kunststoffe teilkristallin (PP, PE, PA) 1⋅⋅⋅7 Kunststoffe, amorph (PC, PS, PVC, EP) 15⋅⋅⋅160 Tabelle 7: KIc-Werte verschiedener Materialien Lebensdauerberechnung: Eine konstante Last σB,K wirkt bis zum Bruch auf den Werkstoff. Zeit, die bis zum Bruch vergeht (Lebensdauer): tB Anfangsrisslänge ai

nKAdtdav ⋅== yaK KBIC ⋅⋅= ,σ

nn

nKB yaA

dtda

⋅⋅⋅= 2,σ

daa

yAdt nnn

KB

⋅⋅⋅⋅

=2,

11σ

∫ ⋅⋅⋅⋅

= daa

yAt nnn

KB 2,

11σ

⎥⎥

⎢⎢

⎡+⋅

−⋅⋅⋅=

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

⋅−

+⋅

−⋅

⋅⋅= −−−−

22

22

,22

22

,

11)2(

1

221

2211

n

t

nnnKB

nnnnKB aanyA

ananyAt

εσσ

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40

22

,)2(2 −

−−− ⋅⋅⋅−⋅

=n

tnn

KB aynA

t σ )2(

2−

=nA

Dn (Umgebung)

nn

tG yaD −⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −

⋅= 22

(Geometrie)

nKBGnB DDt −⋅⋅= ,σ

Linear-Elastische Bruchmechanik (LEBM): Es wurde bereits öfters angesprochen, dass sich spröde Werkstoffe bei Anwesenheit eines Risses anders verhalten, als duktile Materialien. Mikrorisse sind ein Problem bei der Materialcharakterisierung. In der LEBM wird das Verhalten spröder Materialien untersucht. Dabei stehen Detektion, Lokalisation und Charakterisierung solcher Mikrorisse und Mikroeinschlüsse sowie Kenntnisse zu deren Verhalten bei verschiedenen Bedingungen in der Forschung im Mittelpunkt. Der KIc –Wert wird hierbei als Kenngröße verwendet, um eine Charakterisierung des Werkstoffverhaltens vornehmen zu können. Kenngrößen:

⎟⎠

⎞⎜⎝

⎛⋅γ⋅⋅σ=accK 0

IC

2,

2,

mIC

kIC

m

k

KK

cc

=

2a

4a2a

Uel relaxiert

bb

y

xz

da

Abb. 41: Riss in einer unendlich ausgedehnten Probe.

Beispiel: geg.: KIC, Stahl 1: ca. 40 ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛m

MN

KIC, Al2O3: ca. 4 ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛m

MN

E Rissbreite (große Halbachse Ellipse) c Risslänge γ Spezifische Konstante σ Spannung a Probengeometrie (Abb. 41)

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KIC, Stahl 2: ca. 100 ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛m

MN

10032

1 ≈OAl

Stahl

cc µm-Bereich

62532

2 ≈OAl

Stahl

cc

Geltungsbereich des LEBM-Konzeptes Die sich in der Regel bei metallischen Werkstoffen ausbildende plastische Zone an der Rissspitze ist verantwortlich für die in der Praxis auftretenden Abweichungen von den Vorhersagen der LEBM-Theorie. Im Geltungsbereich des LEBM-Konzeptes muss die plastische Zone in Relation zum elastisch verspannten Werkstoffbereich klein sein. Abschätzungen des plastischen Bereiches an der Rissspitze führen auf Beziehungen der Form:

2

epl R

Kr ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛≈

mit rpl: Radius der plastischen Zone um die Rissspitze Das Verhältnis von Spannungsintensität zu Streckgrenze zum Quadtrat ist ein Maß für die plastische Verformung. Bei der Ermittlung von Kennwerten des LEBM-Konzeptes ist stets ein ebener Dehnungszustand anzustreben, da die plastische Zone hierbei kleiner ist als bei einem ebenen Spannungszustand. In dicken angerissenen Proben stehen aufgrund der Behinderung der Querdehnung weite Bereiche des Querschnittes unter einem ebenen Dehnungszustandes, an den Oberflächen gilt jedoch stets σzz = 0, d.h. es liegt ein ebener Spannungszustand vor. Mit zunehmender Probendicke werden die Oberflächenbereiche relativ zu den Bereichen unter ebenem Dehnungszustand kleiner, wodurch die plastischen Bereiche ebenfalls kleiner werden. Die Bruchflächen ändern sich entsprechend mit zunehmender Probendicke (vgl. Abb. 42). Dünne Proben brechen durch plastische Abscherung. Mit zunehmender Probendicke wird der Bereich b’, des für einen ebenen Dehnungszustand typischen Trennbruchs, größer. Die angeführten Überlegungen äußern sich in der Praxis als eine Dickenabhängigkeit der Kc-Werte. Kc durchläuft mit zunehmender Probendicke zunächst ein Maximum und fällt anschließend mit zunehmendem Trennbruchanteil, d.h. zunehmend ebenem Dehnungszustand, auf den konstanten Wert der Bruchzähigkeit KIc ab. Wichtig ist dabei im Auge zu behalten, dass erst oberhalb einer gewissen Probendicke ein Wert gemessen wird, der dem dickenunabhängigen Wert KIc entspricht. Demnach ist einzig KIc ein Werkstoffkennwert nicht jedoch Kc. Andererseits hat für die Beurteilung dünnwandiger Bauteile Kc große Bedeutung. Nach der Normvorschrift ist der Einfluss der plastischen Zone hinreichend klein, wenn für die Probendicke b und die Risslänge a folgende Bedingungen gelten:

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2

eRK5,2b ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅<

und

2

eRK5,2a ⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅<

.

b bb bb' b' b'

Abb. 42: Schematische Ausbildung der Bruchfläche in Abhängigkeit von der Probendicke b, Schnitte senkrecht zur Ebene des Ermüdungsanrisses. Links: Reiner Scherbruch bei dünnen Proben Mitte: Mischbruch - Scherlippen an den Rändern, Trennbruch b’ in Probenmitte Rechts: Reiner Trennbruch b’ bei dicken Proben Brucharten: Je nach Werkstoffverhalten findet der Bruch eines Bauteils verschiedentlich statt. Grundlegend werden folgende Formen unterschieden:

Zähbruch (Verformungsbruch) Sprödbruch Schwingbruch (Dauer- oder Ermüdungsbruch) Kriechbruch

Festigkeitsnachweis Um die Gefahr des Bauteilversagens zu minimieren geht man nicht von den Festigkeitswerten aus Tabellenwerken aus sondern arbeitet mit einem Sicherheitsfaktor S. Die Nennspannung, der das Bauteil ausgesetzt ist, muss kleiner als die zulässige Spannung sein, die sich aus der Streckgrenze und dem Sicherheitsfaktor ergibt. Demnach findet der Festigkeitsnachweis mit folgender Formel statt:

SS

zulNσσσ =≤

einige Sicherheitsfaktoren: quasistatische Beanspruchung:

B

SSσσ

⋅= 2

502 AS −=

Langzeitbeanspruchungen bei höheren Temperaturen: (Zeitstandsfestigkeiten bei 2.105h) S= 1…1,25 Wechselbeanspruchung: S= 1,5…2,5

S Sicherheitsfaktor σΝ Nennspannung σzul Zulässige Spannung σS Spannung, bei der die erste Unstetigkeit

beginnt (Streck-/Dehngrenze) Α Bruchdehnung

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Fraktographie: Die Fraktographie befasst sich mit der Brucherkennung. Dieses Gebiet befasst sich hierbei nicht nur mit den oben genannten Brucharten, sondern auch mit verschiedensten anderen Bruchbildern, um die Geschichte des Bauteils und dessen Versagens zu untersuchen. Wabenbruch: Findet beim Bruch eine starke Verformung statt, wird das Material zu Waben verformt. transkristalliner Bruch: Bei dieser Bruchart sind keinerlei Übergänge oder Korngrenzen zu erkennen, da der Bruch um die einzelnen Körner herum wächst. interkristalliner Bruch: Hier sind die Korngrenzen sehr gut zu sehen, da der Bruch durch die Körner durchgeht. Das Bruchverhalten ist meistens spröde. Mischbruch: Mischbrüche weisen sowohl eine spröde als auch eine duktile Bruchfläche auf. Schwingbruch: Der Schwingbruch ist für einen Dauerbruch charakteristisch. Während des Rissfortschrittes sind durch Korrosion Haltelinien sichtbar geworden. Die Restbruchfläche hat einen spröden Charakter, da es sich hier um einen Ermüdungsbruch handelt. Bruch von Faserverbundwerkstoffen: Bei Faserverbundwerkstoffen sind meist herausgerissene Fasern zu erkennen. Eine Auswahl verschiedener Bruchbilder ist im Anhang aufgelistet. Fließbruchmechanik: Im Gegensatz zur LEBM gibt es bei der Fließbruchmechanik vor der Riss-Spitze einen ausgedehnten Fließbereich. Um in der Fließbruchmechanik das Werkstoffverhalten beschreiben zu können, gibt es verschiedene Konzepte. CTOD-Konzept Crack Tip Opening Displacement (Riss-Spitzenverschiebung) Das COD-Konzept dient vor allem der Werkstoffauswahl, Qualitätsüberwachung und Fehlerbewertung von Schweißkonstruktionen aus normal- und hochfesten Baustählen.

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡+⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅⋅

⋅+⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅⋅

⋅⋅⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

⋅⋅⋅

= L

42

2121

2218

FF

F

Ec

σσπ

σσπ

πσδ

Im Gültigkeitsbereich der LEBM mit Kleinbereichsfließen

Für 6,0<Fσ

σ

F

IC

EKmσ

δ⋅⋅

=2

1≈m für ESZ

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J-Integral-Konzept für statische Risseinleitung für nichtlineares Werkstoffverhalten wird das J-Integral-Konzept verwendet. Dabei wird die Energiebilanz an der Rissspitze betrachtet unter den Variablen Kraft F und Kerbaufweitung V

Abb. 43: F-V- Diagramme für das J-Integralkonzept: Typ 1: Bruch der Probe tritt nach plastischer Verformung ohne vorausgehende stabile Rissausbreitung bei der Kraft Fc ein. Über die zugehörige Kerbaufweitung Vc wird die kritische Rissöffnung δc berechnet. Typ 2: Nach plastischer wird bei Fc eine sprunghafte, begrenzte Rissausbreitung registriert, die als „pop-in“ bezeichnet wird. Die dem „pop-in“ zugehörige Kerbaufweitung Vc dient zur Berechnung der kritischen Rissöffnung Änderung der potentiellen Energie U bei der Rissausbreitung in 2 Proben, aber unterschiedlicher Risslänge δc. Typ 3: Eine nach plastischer Verformung bei der Kraft Fc einsetzende stabile Rissausbreitung führt nach Erreichen der Maximalkraft Fmax zum Bruch der Probe. Zur Bestimmung der Rissverlängerung Δa ist bei der Extrapolation der Messwerte Δa = f(V) für Δa = 0 die Kerbaufweitung Vi für den Beginn der stabilen Rissausbreitung bestimmbar. Unter Verwendung der Ausgangsrisslänge a kann die zugehörige kritische Risslänge δi berechnet werden. Bei der Berechnung einer kritischen Risslänge δm aus Vm ist zu beachten, dass hier die effektive Risslänge aeff = a + Δa zur Anwendung kommen muss.

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Die Berechnung der kritischen Rissöffnung δc (Kurventyp 1 und 2) bzw. der Rissöffnungswerte δi und δm (Kurventyp 3) erfolgt nach

zawVaw

ERvK P

emmc +⋅+⋅

⋅−+

⋅⋅−⋅

=6,04,0)(4,0

21(,,

22

δδδ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛⋅⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ −

=dadU

BJ 1

J wird bei der experimentellen Bestimmung der Arbeit gleichgesetzt, die zu leisten ist, um einen Riss der Länge a um Δa zu vergrößern.

Abb. 44: Kraft-Weg-Diagramm: s: Verschiebung des Kraftangriffspunktes

aBJU Δ⋅⋅=Δ− Benötigte Probendicke B

aF

JB IC Δ⋅⋅

⋅>σ

25

2me RRF +

=⋅σ

w Materialdicke z Abstand des Wegaufnehmers von der

Proben-Oberfläche VP kritische Kerbaufweitung B Probendicke

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Abb. 45: Diagramm Kraftaufwand über Verformung der Kerbprobe Erzeugung eines Ermüdungsrisses: Oberlast FO max. 25 % der zur Plastifizierung erforderlichen Grenzlast F* für eine CT-Probe gilt:

awbBF F

+⋅⋅⋅

=2

2* σ

Für Drei-Punkt-Biegung gilt:

abBF F

⋅⋅⋅⋅

=3

4 2* σ

Ermüdungsriss ≈ 1,25 mm Näherungsverfahren (RICE, PARIS, MERKLE)

J-Integral für 5,0>wa

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛⋅

−⋅=

waf

awBUJ I )(

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡++

⋅=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

2)1(12

αα

waf

B Breite b = w-a w Höhe a Risstiefe

U potentielle Energie, bestimmbar aus der Fläche unter F-f bzw. F-δ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

waf Geometriefaktor

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

waf =2 für 3-Punkt-Biegung

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⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡+⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛

−⋅

−⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡+⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛

−⋅

⋅+⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

−⋅

= 12222222

awa

awa

awaα

Abb. 46: Risswiderstandskurve (R-Kurve)

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Härtemessverfahren: Im Kapitel Technologische Prüfverfahren wurde die Härtbarkeit eines Materials und deren Prüfung vorgestellt. Dazu muss die Härte in einem Bereich zwischen gehärtetem und ungehärtetem Material gemessen werden. Um diese zu ermitteln gibt es verschiedene Möglichkeiten. In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Verfahren zur Bestimmung der Härte erklärt werden. Zunächst jedoch ein paar Definitionen: Härte: Die Härte eines Werkstoffs ist der Widerstand gegen das Eindringen eines anderen (u. U. härteren) Körpers. Härtemessung: Die Härtemessung ist nur für plastisch oder viskoplastisch verformbare Werkstoffe geeignet. Man kann zwar auch Härtemessungen an spröden Materialien durchführen, dies wird im Laufe dieses Kapitels kurz angeschnitten, aber es sind damit einige Schwierigkeiten verbunden.

BF σσ < Für σF > σB können Festigkeits- und bruchmechanische Kennwerte ermittelt werden. Man kann die Härtemessverfahren nach folgenden Arten unterscheiden:

Belastungsart statisch dynamisch (Rücksprunghärte, Ritzhärte, Verschleißhärte)

Art der Messung

nach der Entlastung nach einer Teilentlastung während der Belastung (Universalhärte)

Messgröße

Kugelkalottendurchmesser (BRINELL) Diagonalenlänge (VICKERS) Eindringtiefe (ROCKWELL, Universalhärte) Frequenzverschiebung einer überlagerten Ultraschallschwingung (UCI-Verfahren)

Eindringkörpergeometrie

Stahl- und Hartmetallkugel (BRINELL, ROCKWELL) gleichseitige Diamantpyramide (VICKERS) ungleichseitige Diamantpyramide (KNOOP) Diamantkegel (ROCKWELL) spezielle Mikro- und Ultramikro-Eindringkörper (z. B. Berkovich)

Größe der Belastung

Makrohärte Kleinlasthärte Mikrohärte Ultramikrohärte

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Härteprüfung nach MOHS (Ritzhärtemessung) Carl Friedrich Christian MOHS (1773-1839), ein deutscher Mineraloge hat im Jahre 1820 die Mohs’sche Härteskala festgelegt, eine Skala, die Stoffe, insbesondere Mineralien nach ihrer Härte einteilen sollte. Mit Hilfe der Ritzhärtemessung kann die Härte eines Werkstoffs bestimmt werden, indem wechselnd mit einem Mineral aus der Härteskala in den Stoff und anschließend mit dem Stoff in das Mineral eingeritzt wird. Für feinere Untersuchungen wird ein Metallstift verwendet, in dessen Spitze eine kleine Probe des Minerals eingearbeitet ist. Da dieser Stift zum Ritzen über die Oberfläche des Minerals gefahren wird, ordnet man dieses Verfahren in die dynamischen Härteprüfverfahren ein. Für die Mineralogie ist dies eine wichtige Prüfmethode, da auf diese Weise Mineralien sehr gut bestimmt werden können. Für die Werkstoffkunde ist dieses Verfahren jedoch bedeutungslos. Härtestufe Mineral chemische Formel 1 Talk Mg3(Si2O5)2(OH)2 2 Gips CaSO4⋅2H2O 3 Kalkspat CaCO3 4 Fluss-Spat CaF2 5 Apatit Ca5(PO4)3(F, Cl) 6 Feldspat KAlSi3O8 7 Quarz SiO2 8 Topas Al2SiO4(F, OH) 9 Korund Al2O3 10 Diamant C Tabelle 8: Mohs’sche Härteskala Vorteile:

schnelle und zuverlässige Bestimmung in der Mineralogie Nachteile:

große und ungleiche Abstände zwischen den Härtestufen keine eindeutigen Verhältnisse beim Ritzen

Härtemessung nach BRINELL 1900 hat Johann August Brinell (1849 - 1925) dieses Messverfahren entwickelt. Bei dieser Methode wird eine Kugel mittels definierter Kraft F in den Werkstoff eingedrückt. Danach wird der vertikale und horizontale Durchmesser des Eindrucks d1 und d2 gemessen und der Mittelwert d gebildet. In einer Tabelle sind die Härtewerte in Abhängigkeit von Kraft und Durchmesser abzulesen. In modernen Messgeräten wird mittels Software der Härtewert gleich ausgegeben. Werkstoff Maximale Härte Abkürzung Gehärteter Stahl Bis 450 HBS HBS Hartmetall (WC) Bis 650 HBW HBW Tabelle 9: Eindringkörper für die Brinellhärte Die Kugeln sind genormt und haben Durchmesser von 10; 5; 2,5 und 1mm sowie 1/16’’, wobei man beim Wechsel sehr aufpassen sollte, damit die Kugeln nicht runterfallen und auf nimmer Wiedersehen verschwinden.

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Die Ausführliche Härteangabe lautet z. B. 250 HBS 2,5/187,5/10 Härtewert: 250 (250 kp/mm2) Stahlkugel HBS Kugeldurchmesser: 2,5 mm Last: 1839 N (187,5 kp) Lasteinwirkzeit: 10 s: Allerdings gibt es bei der Brinell- Härtemessung noch weitere Faktoren zu beachten, um ein brauchbares Ergebnis zu erzielen:

1. Es gibt es bei der Härtemessung Kaltverfestigung, weswegen vergleichbare Härtewerte nur bei einem Verhältnis Kraft zu Kugeldurchmesser

F ∼ D2

erzielt werden können. 2. Die Lasteinwirkzeit t sollte

bei Werkstoffen mit TS > 600 °C mindestens 10 s bei Werkstoffen mit TS < 600 °C mindestens 30 s

betragen, damit sich ein Gleichgewicht zwischen wirkender Last und dem Widerstand der

Probe einstellen kann. Dies ist auf zeitabhängige Kriechvorgänge im Material zurückzuführen. Im Großen und Ganzen kann man sagen, wenn sich der Prüfkörper nicht mehr bewegt, hat sich ein Gleichgewicht eingestellt.

3. Die zu prüfende Probe darf nicht zu dünn sein, da man sonst die Härte der Unterlage mit

misst.

4. Da der anzugebende Härtewert mit einer nicht mehr gültigen Maßeinheit (kp/mm2) verbunden ist, muss bei einer Lastvorgabe in N mit einem Umrechnungsfaktor von 0,102 mm2/N multipliziert werden, um zu dem dimensionslosen Härtewert zu kommen. Bei älteren Geräten, meist noch mit einem Gehäuse aus grünem Gusseisen, sind die Prüfkräfte noch in kp oder N einzustellen.

5. Eine günstige Bestimmung der d-Werte erfolgt im Bereich 0,2⋅D ≤ d ≤ 0,7⋅D. Wenn man

Außerhalb dieses Durchmessers liegt, sollte man eine andere Kugel nehmen.

Werkstoff Brinellhärte 0,102⋅F/D2 Stahl 30 Gusseisen < 140 10 < 35 5 Kupfer und Kupferlegierungen 35⋅⋅⋅200 10 > 200 30 < 35 1,25 oder 2,5 Leichtmetalle und ihre Legierungen

35⋅⋅⋅80 5, 10 oder 15

> 80 10 oder 15 Blei und Zinn 1 oder 1,25 Sintermetalle nach ISO 4498/1 Tabelle 10: Auswahl der Last an die Härte der zu prüfenden Werkstoffe

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Abb. 47: Härtemessung nach BRINELL, schematisch F: wirkende konstante Last A: bleibende Kontaktfläche D: Kugeldurchmesser d: Eindruckdurchmesser Kenngrößen: Härte:

( )22

2dDDD

FhD

FAFHB

−−⋅⋅

⋅=

⋅⋅==

ππ

Mindestdicke der Probe in mm:

HBDFs

⋅⋅⋅⋅

102,017min

smin sollte mindestens 8x h sein Umrechnungsfaktoren zwischen Brinellhärte HB und der Zugfestigkeit Rm:

aRHB m= mRHBa =⋅

Werkstoff Umrechnungsfaktor a Stahl Kupfer, Messing kaltbearbeitet Kupfer, Messing ausgeglüht AlCuMg-Legierungen AlMg-Legierungen Mg-Legierungen Aluminium-Guss

0,35 0,40 0,55 0,35 0,44 0,41 0,26

Tabelle 11: Umrechnungsfaktoren für die Relation Brinellhärte - Zugfestigkeit Vorteile:

Härtemessung mit großem Durchmesser gleicht Inhomogenitäten im Material (z.B. Graphit im GG) aus. ( Wird manchmal gefragt!)

Nachteile: Teilweise Schwierigkeiten bei der Bestimmung von d.

F Wirkende Kraft D Kugeldurchmesser h Eindringtiefe d Eindruckdurchmesser Rm Zugfestigkeit A Kontaktfläche Kugel-Probe

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Modifizierte Brinellhärte HBT nicht genormt Eindringkörper: Kugel (D = 2,5; 5 oder 10 mm) Vorlast: 1961 N 980,7 N 490,3 N 98,07 N Prüfgesamtkraft: 29420 N ⋅⋅⋅612,9 N Messgröße: Eindringtiefenunterschied der Eindringtiefe vor dem Auflegen der Hauptlast (aber mit Vorlast) und nach Wegnahme der Hauptlast (aber mit Vorlast) Ausführliche Härteangabe lautet z. B. 205 HBT 10/3000 Härtewert: 205 (205 kp/mm²) Last: 98 N (10 kp) 3000: Kalibrierverfahren der Referenzproben Härtemessung nach VICKERS 1925 entwickelten die Herren Smith und Sandland die Härteprüfung nach Vickers, wobei der Name von der britischen Flugzeugfirma kommt und nicht vom Schöpfer des Verfahrens. Bei dieser Methode wird eine gerade Diamantpyramide mit quadratischer Grundfläche in die Probe gedrückt und die jeweiligen Diagonalen ausgemessen. Der Winkel der jeweils gegenüberliegenden Flächen beträgt 136°. Auf diese Weise ist eine sehr präzise und einfache Möglichkeit zur Härtebestimmung gegeben. Im Gegensatz zur Mikrohärtemessung ist die Makrohärte praktisch lastunabhängig, da ähnliche Eindruck-Geometrien entstehen. KICK’sches Ähnlichkeitsgesetz

Abb. 48: Geometrien bei der Vickershärtemessung F: Kraft a: Winkel der Pyramidenspitze = 136° d1; d2: Diagonalen des Vickers-Eindrucks Die ausführliche Härteangabe lautet z. B. 250 HV30/10 Härtewert: 250 (250 kp/mm²) Last: 294,3 N (30 kp) Lasteinwirkzeit: 10 s

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Bereich Prüfbedingung Prüfkraft Makrobereich HV 5 bis HV 100 49,03 N bis 980,7 N Kleinlastbereich HV 0,2 bis < HV 5 1,961 N bis < 49,03 N Mikrobereich < HV 0,2 < 1,961 N Tabelle 12: Laststufen für die VICKERS-Härtemessung (Mikrohärte siehe entspr. Kapitel) Kenngrößen: Vickers- Härte:

228544,122cos2

dF

dF

AFHV ⋅

=°⋅⋅

==

Wenn die Last in N angegeben wird: 2

1891,0d

FHV ⋅=

Vorteile: einfache und zuverlässige Härtemessung im Makro-, Klein- und Mikrohärtebereich

Nachteile: empfindlich gegenüber Inhomogenitäten Siehe Brinell

Modifizierte Vickershärte HVT (nicht genormt) Eindringkörper: Vickers-Diamant Messung unter Last Prüfgesamtkraft: 1,961⋅⋅⋅980,7 N Messgröße: Eindringtiefe

243,26102,0102,0

hF

AFHVT

⋅⋅=⋅=

Ausführliche Härteangabe lautet z. B. 320 HVT 10/20 Härtewert: 250 (250 kp/mm²) Last: 98 N (10 kp) Lasteinwirkzeit: 20 s Härtemessung nach ROCKWELL Ein recht fleißiger Ingenieur war Stanley Rockwell, der 1919 gleich mehrere Prüfverfahren entwickelt hat. Am geläufigsten ist die HRC-Härte, die durch die Eindringtiefe eines Kegels bestimmt wird. In anderen Rockwellverfahren werden hingegen Kugeln verwendet. Die Vielfalt an Rockwell- Härtemessverfahren bietet die Möglichkeit, eine Vielzahl an Prüfkriterien, abhängig vom Werkstoff, abzudecken. Zum Messen wird zunächst eine Vorlast F0 angelegt, mit der der Prüfkörper auf die Oberfläche drückt. Danach wird mit der eingestellten Last F1 der Prüfkörper 10-15s in die Oberfläche eingedrückt und nach dem Entlasten die Höhendifferenz unter Einwirken der Vorlast vor und nach dem Auflegen der Hauptlast gemessen.

F Wirkende Kraft A Kontaktfläche in mm² h Eindringtiefe

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HRC: Hardness Rockwell Cone Eindringkörper: Diamantkegel Öffnungswinkel: 120° Krümmungsradius der Kegelspitze: 0,200 mm HRB: Hardness Rockwell Ball gehärtete Stahlkugel mit Stahlkugeldurchmesser:1,5875 oder 3,175 mm oder Hartmetallkugel mit Hartmetallkugeldurchmessern: 5 oder 10 mm Belastung: Vorlast F0 + Hauptlast F1 Messvorgang: Einwirken der Vorlast Nullstellung bei der Tiefenmessung Einwirken von Vorlast und Prüfkraft 10-15s Wegnehmen der Prüfkraft und Tiefenmessung Ausführliche Härteangabe lautet z. B. 57 HRC Mindestprobendicke: s>10.h Messbereich: 20 HRC und 67 HRC 35 HRB und 100 HRB für HRC 100 - Skalenteile (2 µm) für HRB 130 - Skalenteile Genormte ROCKWELL-Verfahren mit geringeren Eindringkörperbelastungen HRA, HRD, HRF, HR...N, HR...T Anwendungsbeispiele: ROCKWELL C (20 bis 70 HRC) gehärtete Stähle, gehärtete und angelassene Legierungen ROCKWELL A (60 bis 88 HRA) sehr harte Werkstoffe, z. B. Hartmetall ROCKWELL B (35 bis 100 HRB) Werkstoffe mittlerer Härte, Stähle mit niedrigem und mittlerem C-Gehalt, Kupfer-Zink-Legierungen, Bronze usw. ROCKWELL F (60 bis 115 HRF) kaltgewalzte Feinbleche aus Stahl, geglühte Kupfer-Zink- Legierungen und geglühtes Kupfer

F0 98N (10kp) F1 1373N (140kp) F 1466N (150kp) s Probendicke h Eindringtiefe

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Abb. 49: Härtemessung nach Rockwell am Beispiel HRC Zeichen Begriffe α Winkel des Diamantkegels F0 Prüfvorkraft F1 Prüfkraft F Gesamtprüfkraft = F0 + F1 h1 Eindringtiefe in mm unter der Prüfkraft F0 h2 Eindringtiefe in mm unter der Prüfkraft F h4 bleibende Eindringtiefe in mm, gemessen nach Kraftminderung von F

auf F0 h3 Rückfederung der Probe h3= h2- h4 e bleibende Eindringtiefe, ausgedrückt in Einheiten von 0,002 mm; e=

h4/0,002 HRC Rockwellhärte = 100 – e

Abb. 50: Härtemessung nach Rockwell am Beispiel HRB

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Zeichen Begriffe D Durchmesser der Kugel F0 Prüfvorkraft F1 Prüfkraft F Gesamtprüfkraft = F0 + F1 h1 Eindringtiefe in mm unter der Prüfkraft F0 h2 Eindringtiefe in mm unter der Prüfkraft F h4 bleibende Eindringtiefe in mm, gemessen nach Kraftminderung von F

auf F0 h3 Rückfederung der Probe h3= h2- h4 e bleibende Eindringtiefe, ausgedrückt in Einheiten von 0,002 mm; e=

h4/0,002 HRB Rockwellhärte = 130 - e Kenngrößen: Rockwellhärte: Die Rockwellhärte wird normalerweise direkt von der Skala abgelesen, weswegen dieses Verfahren auch sehr schnell in der Anwendung ist.

002,0100 4hHRC −=

002,0130 4hHRB −=

Vorteile:

Verringerung des Oberflächeneinflusses (Rauhigkeit, Schichten) durch Verwendung der Vorlast sehr schnelles Verfahren Möglichkeit der Automatisierung

Nachteile:

komplizierteres Verfahren im Vergleich zu Vickers und Brinell

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Bezeichnung Eindring-körper

Prüfvorkraft F0 in N

Prüfkraft F1 in N

Gesamtprüf-kraft F in N

Bereich

HRA Kegel 98,07 490,3 588,4 60⋅⋅⋅88 HRA

HRB Kugel 98,07 882,6 980,7 35⋅⋅⋅100 HRB

HRC Kegel 98,07 1373 1471 20⋅⋅⋅70 HRC

HRD Kegel 98,07 882,6 980,7 40⋅⋅⋅70 HRD

HRE Kugel 98,07 882,6 980,7 70⋅⋅⋅100 HRE

HRF Kugel 98,07 490,3 588,4 60⋅⋅⋅115 HRF

HRG Kugel 98,07 1373 1471 30⋅⋅⋅94 HRG

HRH Kugel 98,07 490,3 588,4 80⋅⋅⋅100 HRH

HRK Kugel 98,07 1373 1471 40⋅⋅⋅100 HRK

HR15N Kegel 29,42 117,7 147,1 70⋅⋅⋅94 HR15N

HR30N Kegel 29,42 264,8 294, 2 42⋅⋅⋅86 HR30N

HR45N Kegel 29,42 411,9 441,3 20⋅⋅⋅77 HR45N

HR15T Kugel 29,42 117,7 147,1 67⋅⋅⋅93 HR15T

HR30T Kugel 29,42 264,8 294, 2 29⋅⋅⋅82 HR30T

HR45T Kugel 29,42 411,9 441,3 1⋅⋅⋅72 HR45T

Tabelle 13: Rockwell-Härteprüfverfahren im Überblick: DKugel = 1,587 mm (1/16´´) oder 3,175 mm (1/8´´)

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Mikrohärtemessung Was im Großen geht, geht natürlich auch im Kleinen. Wenn die Proben besonders klein ausfallen, reicht eine makroskopische Härtemessung nicht mehr aus, zumal die zuvor genannten Härteprüfverfahren eine Mindestprobendicke erfordern. Im Extremum kann man mit dem AFM ebenfalls Härtemessungen durchführen, jedoch ist dies sehr aufwendig und teuer. Daher gibt es die Mikrohärtemessverfahren, die hier vorgestellt werden sollen. Sie werden angewandt, wenn

Härtewerte in sehr kleinen Oberflächenbereichen Härtewerte bei geringen Schichtdicken Härtemessung an Gefügebestandteilen Härteverlaufskurven Härtewerte von spröden Werkstoffen (Gläser, Keramiken)

aufgenommen werden sollen. Während die makroskopischen Verfahren jedoch im Allgemeinen unabhängig von der aufgelegten Last zuverlässige Werte liefern, gibt es bei der Mikrohärteprüfung eine Lastabhängigkeit der Härtewerte! Verringert man die Kraft, mit der der Prüfkörper in das Material gedrückt wird, erhöht sich die gemessene Härte der Probe. Mikrohärteprüfung mit VICKERS-Diamant: Die Mikrohärteprüfung nach Vickers spielt sich im Kleinlastbereich <1,961N ab, wodurch Härtewerte < HV0,2 gemessen werden. Die Durchführung dieses Versuchs entspricht der Makrohärteprüfung nach Vickers.

Abb. 51: Mikrohärteeindruck mittels Vickersdiamant und die zu messenden Diagonalen Mikrohärteprüfung mit KNOOP-Diamant: Der Knoop-Diamant ist eine gerade Diamantpyramide mit rhombischer Grundfläche (Längskantenwinkel 172° 30´ und Querkantenwinkel 130°), wobei die Pyramide eine lange und eine kurze Diagonale in einem Verhältnis von 7:1 besitzt. Das Verhältnis Diagonale: Eindringtiefe = 1:30

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Abb. 52: Mikrohärteeindruck mittels Knoop-Diamant Mikrohärteprüfung mit BERKOVICH-Diamant: Die Mikrohärteprüfung mit einem Berkovich-Diamanten erfolgt vor allem im Ultramikrohärtebereich. Dazu wird eine gerade Pyramide mit dreiseitiger Grundfläche verwendet, deren Winkel zwischen der Senkrechten und jeder Fläche 65° beträgt.

Abb. 53: Mikrohärteeindruck mittels Berkovich-Diamant Kenngrößen: Knoop-Härte Die Berechnung der Knoop- Mikrohärte wird mit Hilfe der Fläche des Eindruckes in Höhe der Werkstoffoberfläche (Projektionsfläche) durchgeführt.

21

21

23,14)]130tan()'30172[cot(2dF

dFHK ⋅=°+°⋅⋅=

Härte nach Berkovich:

24597,1Ba

FHB ⋅=

F Prüfkraft d1 längere Diagonale aB

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MARTENS-Härte (früher Universalhärte): Bei der Martens-Härte können als Eindringkörper sowohl Vickers-Diamant (Fges = 2⋅⋅⋅2500 N) BERKOVICH-Diamant (Fges = 2⋅⋅⋅2500 N) als auch eine Hartmetallkugel (Fges = 2⋅⋅⋅2500 N) verwendet werden. In diesem Verfahren wird die Härte unter Last gemessen, wodurch es auch für Werkstoffe mit sehr hohen elastischen Anteilen anwendbar ist. Bei anderen Prüfverfahren hingegen würde der sich verringernde Eindruck das Ergebnis verfälschen. Der Messverlauf wird mittels Eindringtiefe-Zeit- bzw. Kraft-Zeit- Kurven in Diagrammen dargestellt. Bei der Martenshärteprüfung muss man zunächst die maximal wirkende Kraft Fmax bzw. die maximale Eindrucktiefe wählen, und anschließend die Haltezeit festlegen. Anschließend werden die elastischen und plastischen Verformungen während des Tests ermittelt. Ausführliche Härteangabe lautet z. B. HU 100/20 = 3200 N/mm2 Prüfkraft 100 N Lasteinwirkzeit: 20 s

Abb. 54: Universalhärte- Diagramme Prüfkraft bzw. Eindringtiefe h in Abhängigkeit von der Zeit

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Kenngrößen: Universalhärte:

)43,26( 2hF

AFHU

⋅==

Abb. 55: Kraft-Eindringkurven für verschiedene Materialien relativer elastischer und plastischer Anteil: In Abbildung 56 ist ein Diagramm dargestellt, aus dem sich die Arbeit Wt und die Arbeit We ablesen lassen. Dabei ist die Fläche ABDA die Arbeit Wt, die zur Erzeugung des Eindruckes bei maximaler Prüfkraft notwendig ist, während die Fläche CBDC die Arbeit We angibt, die die Probe durch elastische Rückfederung freigibt. Aus diesen Werten lassen sich die relativen Anteile an elastischer bzw. plastischer Verformung errechnen: relativer Anteil der elastischen Verformung re:

t

ee W

Wr =

relativer Anteil der plastischen Verformung rpl:

t

etpl W

WWr

−=

HU Universalhärte in N/mm² A Kontaktoberfläche in mm² h Eindringtiefe in mm F wirkende Kraft in N Ra mittlere Oberflächen-

Rauhigkeit

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Abb. 56: Schematische Darstellung der Eindringtiefe als Funktion der Prüfkraft Material HU re N/mm2 % Au Cu HVP HV 248 HVP HV 587 Glas K40 Glas LASF HVP HV 840 Si

848 1117 2561 5229 3879 6048 6959 7343

7,2 5,9 10,0 22,0 60,0 44,6 32,9 51,3

Tabelle 14: Universalhärte und relative elastische Verformung für einige ausgewählte Materialien Vorteile:

Anwendung für alle Werkstoffe (Einschränkung: kein Gleichgewichtszustand erreichbar)

Möglichkeit der Automatisierung Ermittlung des Härtewerts aus elastischer und plastischer Deformation Unabhängigkeit des Härtewerts von Prüfkraft für Eindringtiefen ≥ 10 µm Zusätzliche Informationen über das mechanische Werkstoffverhalten möglich

(Relaxation/Kriechen, elastischer und plastischer Anteil der Eindringarbeit) Nachteile:

sehr hohe Anforderungen an die Probenoberfläche (h ≥ 20⋅Ra) Anfälligkeit gegen Erschütterungen (insbesondere bei h < 15 µm) Fehler durch Probenverschiebung Empfindlichkeit gegen Formabweichung des Eindringkörpers (z. B. Dachkante)

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Kugeldruckhärte H für Kunststoffe und Gummi Eindringkörper: Kugel (D = 5 mm) Vorlast: 9,8 N Prüflast: 49⋅⋅⋅961 N Messgröße: korrigierte Eindringtiefe Ausführliche Härteangabe lautet z. B. H 132/60 = 20 N/mm2 Prüfgesamtkraft: 132 N Lasteinwirkzeit: 60 s relativ große Eindrücke (für inhomogene Werkstoffe) Mindesteindruckabstand: > 10 mm (keine kleinen Proben) Kleinstmögliche, normgerecht messbare Härte: H 49/30 = 8,5 N/mm2 (etwa PVC-weich mit ca. 25⋅⋅⋅27 % Weichmacher) Shore- Härte für Kunststoffe und Gummi Die Shore-Härte ist die Differenz zwischen dem Zahlenwert 100 und der durch den Skalenwert 0,025 mm dividierten Eindringtiefe des Eindringkörpers in mm unter Wirkung der Prüfkraft. Dieses Verfahren ist weltweit verbreitet für Elastomere (am häufigsten Shore A und D) Ausführliche Härteangabe lautet z. B. 75 Shore A 15 Lasteinwirkzeit: 15 s Verfahren Eindringkörper Gesamtkraft genormt Shore A Kegelstumpf

(Stahlnadel) 35° Stirnfläche: 0,79 mm

8,065 N DIN, ASTM, ISO

Shore B Kegel 30°

8,065 N ASTM

Shore C Kegelstumpf 35°

44,5 N ASTM

Shore D Kegel 30°

44,5 N DIN, ASTM, ISO

Shore D0 Kugel 3/32 inch

44,5 N ASTM

Shore 0 Kugel 3/32 inch

8,065 N ASTM

Shore 00 Kugel 3/32 inch

1,10853 N ASTM

Tabelle 15: Shorehärteverfahren

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Shore A gehärtete Stahlnadel mit Kegelstumpf D = 1,3 mm Spitzenwinkel: 35° Stirnflächendurchmesser: 0,79 mm Last durch Feder Vorlast: 0,55 N Gesamtlast: 8,06 Willkürliche Skala von 0 bis 100 0 Shore A entspricht maximaler Eindringtiefe von 2,54 mm 100 Shore A entspricht Eindringtiefe 0 mm Shore D: gehärtete Stahlnadel mit Kegelspitze D = 1,3 mm Kegelspitze: 30° Spitzenradius: 0,1 mm Vorlast: 0,98 N Kugeldruckhärte IRHD Weichgummi Dieses Verfahren wird mit Vorlast und Prüflast (Prinzip wie Rockwell) angewandt. Eine konstante Last wird durch Massenbelastung (kein Einfluss von Relaxation und Kriechen) auf den Werkstoffgebracht. Im Vergleich zur Shore A- Härtemessung wird eine längere Einwirkdauer verwendet (3 s). Auch hier wird wieder die Eindringtiefe in mm gemessen. IRHD: Internationaler Gummihärtegrad Ausgewähltes Beispiel: 43 IRHD-Mikro IRHD H IRHD N N: normal IRHD L L: weich IRHD-Mikro Verfahren Eindringkörper Vorlast Prüfkraft Norm IRHD-Mikro Kugel

D = 0,4 mm 0,235 N 0,1533 N DIN, ISO,

ASTM IRHD H Kugel

D = 1,0 mm 8,3 N 5,7 N ISO

IRHD N Kugel D = 2,5 mm

8,3 N 5,7 N DIN, ISO, ASTM

IRHD L Kugel D = 5,0 mm

8,3 N 5,7 N DIN, ISO, ASTM

Tabelle 16: Kugeldruckhärteverfahren

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Härteprüfung von Sonderwerkstoffen Kohlenstoffmaterial: Kohlenstoff Graphit Metall-Graphit Kohlebürsten Kohlebürsten: Naturgraphit Metallgraphit Elektrographit Hartkohle Baugips: Stuck-Putzgips Asphalt: Guss-/Walz-Asphalt elastische Bodenbeläge: Elastomere geprägte Materialien Kork

Werkstoff Bezeichnung Eindringkörper Vorlast Fges. Kohlenstoffmaterial HR 10/20

HR 10/40 HR 10/60 HR 10/100 HR 10/150

Kugel D = 10 mm (5 mm)

98,07 N 98,07 N 98,07 N 98,07 N 98,07 N

196,1 N 392,2 N 588,4 N 980,7 N 1471 N

Kohlebürsten HR 10/20 HR 10/60 HR 10/100 HR 10/150

Kugel D = 10 mm

98,07 N 98,07 N 98,07 N 98,07 N

196,1 N 588,4 N 980,7 N 1471 N

Baugips H in MN/m2 Kugel D = 10 mm

Asphalt Zylinder L = 30 mm D = 11,3 mm D = 26,2 mm

25 N 525 N

elastische Bodenbeläge Zylinder D = 11,3 mm D = 15,97 mm

3 N 3 N

500 N 1000 N

Tabelle 17: Sonderverfahren zur Härtebestimmung

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Dynamische Verfahren: Ritzhärte: Dynamische Verfahren wurden ja anhand der Mohs-Härte schon mal kurz angerissen. Allerdings kann man nicht nur mit Mineralien ritzen, sondern auch mit Prüfkörpern aus den bereits erwähnten statischen Verfahren. Der Vorteil dabei besteht in der Normung der Prüfkörpergeometrie und der definierten Härte des Prüfkörpers. Bei Mineralien besteht immer das Problem, dass die Geometrie sich im Laufe der Prüfungen, z.B. durch Absplittern, verändert und was passiert, wenn man mit Talk die Härte von einem martensitischen Stahl prüfen will, brauche ich hier, glaube ich, nicht zu erläutern. Von daher werden für Ritzverfahren in der Werkstoffprüfung folgende Ritzkörper verwendet:

Rockwell-Diamantkegel Saphirspitze (D= 0,7mm; Kegelwinkel: 50°; Spitzenradius: 25µm) Vickers-Diamant

Durchführung: Bei den statischen Prüfverfahren wird eine definierte Kraft aufgetragen und die Eindruckgeometrie vermessen. Bei den dynamischen Verfahren ist das genau anders herum: Die Kraft wird kontinuierlich variiert, bis eine Spurbreite des Kratzers von 50µm erreicht ist. Bei einer Varietät der Ritzhärte wird mit einer konstanten Kraft geritzt, und diese dann in Stufen verändert. Die Qualität der Ritzspur ist dabei vom Materialverhalten abhängig. Aussprünge, Schichtablösungen oder Absplitterungen können die Spurbreite verfälschen. Faustformeln für Umwertungen: Vorsicht! Nur grobe Hinweise DIN 50150 HB ↔ HV HB ≅ 0,95⋅HV HRB ↔ HB HRB ≅ 176 - 1165⋅HV-1/2 HRC ↔ HV HRC ≅ 116 - 1500⋅HV-1/2 HV ↔ HK HV ≅ HK (im Kleinlastbereich) Rm ↔ HB, HV Rm ≅ a⋅HB (HV) Rm in N⋅mm2 für Stahl a ≅ 0,35 für Cu und Cu-Legierungen geglüht a ≅ 5,5 für Cu und Cu-Legierungen kaltverformt a ≅ 4,0 für Al und Al-Legierungen kaltverformt a ≅ 3,7

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Mobile Härteprüfung: Die normalen Härteprüfmaschinen haben einen gewaltigen Nachteil: Sie sind extrem schwer. Eine Rockwell-Prüfmaschine wiegt zum Beispiel an die 80kg. Auch ein Mikrohärtegerät, obwohl es nur so groß wie eine größere Nähmaschine ist, kann nur von zwei Personen getragen werden. Wenn man dann auf einem Gerüst auf der Baustelle steht und eine Härteprüfung an einem Stahlträger vornehmen soll, steht man demnach vor zwei Problemen: Erstens, wie bekomme ich das Monstrum da hoch, und zweitens, wie bekomme ich diesen riesigen Träger in die Prüfmaschine? Abhilfe verschaffen da mobile Härteprüfgeräte, die im Wesentlichen zwischen Taschenrechnergröße und Laptopgröße liegen und eine Sonde zum Prüfen besitzen, die auf das Werkstück gestellt wird. Eine Untergliederung der mobilen Härteprüfverfahren ist im Anhang dargestellt. TIV- Through Indenter Viewing: Die TIV-Vickers-Härteprüfung ist ein Verfahren, welches es ermöglicht, durch den Indenter hindurch das Materialverhalten zu beobachten. Dies ist zum Beispiel sehr hilfreich, da direkt während der Belastung elastische, plastische Verformung oder Rissbildung beobachtet werden kann.

Abb. 57: TIV-Härteprüfgerät (links) und Blick durch den Vickersdiamanten (rechts) Mobile Rockwell-Prüfung mit niedriger Last Computest: Das Prinzip dieses mobilen Härteprüfgerätes entspricht dem von Rockwell mit einem abgewandelten Eindringkörper. Die Kraft wird bei diesem Verfahren stetig gesteigert bis zu einem Wert von F= 49N. Die Vorlast beträgt F0= 11,8N. Mit einer im Anzeigegerät gespeicherten Eichkurve wird der Kraft-Eindringtiefe-Verlauf verglichen und die Härte ermittelt. Dynatest: Das Gerät von Dynatest arbeitet mit einem Kegel mit 120° Spitzenwinkel als Eindringkörper. Equostat: Im Gegensatz zum Computest wird bei Equostat eine Vorlast F0= 9,8N aufgebracht. Fmax= 49N.

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Ultrasonic Contact Impedance (UCI) Die Kontaktfläche wird über eine Schwingungsfrequenzverschiebung des Messsystems ermittelt

AFH =

A)E(ff red ⋅=Δ

Messgröße: Frequenzverschiebung

z. B. 900⋅⋅⋅200 HV entspricht Δf = 3 kHz

Eindringkörper: Vickers-Diamant

Messgröße: Frequenzverschiebung

Kräfte:

Handsonden 10 N

50 N

98 N

Motorsonden 8,6 N

3 N

1N

Eindringkörper: Vickers-Diamant

Esatest: Das Esatest Prüfgerät nimmt eine Vergleichsmessung vor, dass heißt, eine Kraft-Widerstandskurve wird mit einer Kurve, die mit einer geeichten Referenzplatte (bekannter Härtewert) aufgenommen wurde, verglichen. Dabei entspricht das Verhältnis der Kräfte, die für die gleiche Eindringtiefe benötigt werden, dem Verhältnis der Härten. Die Eindringtiefe wird, da es keinen Indenter gibt, über die gemessenen elektrischen Widerstände ermittelt. Sind die Widerstände gleich, ist auch die Eindringtiefe gleich. Leeb-Härte= Rückprallhärte HL (nicht genormt) Achtung! Die Rückprallhärte wird manchmal auch als Shore-Härte erwähnt, hat mit dem statischen Verfahren jedoch nichts zu tun. Die Rückprallhärte ist ein dynamisches Verfahren, bei dem ein kugelförmiger Eindringkörper (D = 1,5⋅⋅⋅2,5 mm) aus einer definierten Höhe auf die Oberfläche fällt. Früher wurde die Fall- und die Rückprallhöhe bestimmt und mit den potentiellen Energien gerechnet. Bei modernen Geräten wird mittels Sensoren die Geschwindigkeit vor und nach dem Aufprall gemessen. Da per Energieerhaltungssatz die Aufprallenergie gleich der kinetischen Energie vor dem Versuch, und die Rückprallenergie gleich der kinetischen Energie nach dem Versuch ist, kann man über die Geschwindigkeitsdifferenz die Energie für die Verformung der Oberfläche berechnen.

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Messgröße: Aufprallgeschwindigkeit va des Schlagkörpers Rückprallgeschwindigkeit vr des Schlagkörpers HL = c⋅vr/va Ausführliche Härteangabe lautet z. B. 540 HL Härtewert: 540 (540 kp/mm2) Als Prüfgeräte werden zum Beispiel Equotip oder Dynamic verwendet. Die Härte errechnet sich aus:

100⋅−−

=gkeitGeschwindiAufprallgkeitGeschwindiRückprallHL

Da die Geschwindigkeiten nicht direkt gemessen werden können, bedient man sich der Induktionsspannungen, die durch die Bewegung der Metallkugel induziert werden. Das Verhältnis der Induktionsspannungsspitzen unmittelbar vor bzw. nach dem Aufprall entspricht in erster Näherung dem Verhältnis der Geschwindigkeiten. Die Orientierung der Schlagrichtung hat einen Einfluss auf das Ergebnis, da bei schrägem Aufprall nur die y-Komponente der Geschwindigkeit für die Induktion sorgt. Daher ist bei herkömmlichen Geräten eine Korrektur notwendig. Ein weiteres Problem ist die elastische Verformung. Da die Härte des Werkstoffes indirekt über den Energieverlust des Schlagkörpers beim Aufprall gemessen wird ( Geschwindigkeitsverlust entspricht Verlust der kin. Energie), kann die Leeb-Härte nur als direkter Härtewert genutzt werden, wenn er auf eine bestimmte Werkstoffgruppe bezogen ist (E-Modul). Material: E-Modul: Stahl: ca. 200 GPa Aluminium (rein): 69 GPa Kupfer (rein): 123 GPa Scherkrafthärteprüfung nach Ernst: Für die Scherkrafthärteprüfung wird eine Hartmetallkugel als Eindringkörper verwendet. Die Belastung beträgt etwa F= 15,8kN, wenn der Scherstift zerbricht. Zum Messen wird entweder eine Schraubzwinge (statische Belastung) oder ein Hammer (dynamische Belastung) verwendet, um die Kraft aufzubringen. Dieses Verfahren ist also ein eher einfaches Prüfverfahren. Verschleißuntersuchungen: Auch wenn die Mode immer wieder auf den „Used-look“ zurückkommt, ist nicht überall das Aussehen gebrauchter Gegenstände erwünscht. Bei der täglichen Nutzung kann Verschleiß jedoch nicht nur zu einem schlechten Aussehen, sondern mit der Zeit auch zu Funktionsstörungen führen, zumal man Zahnräder, Wellen und Lager im Allgemeinen zwar nicht sieht, deren Versagen aber durchaus zu hören und zu spüren bekommt. Daher ist es hilfreich, zu wissen, was das soeben hergestellte Bauteil eigentlich aushält und um das zu testen, bedient man sich tribologischen Tests, sprich: der Prüfung auf Verschleiß.

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Die Tribologie befasst sich dabei mit den Themen

Reibung Verschleiß Schmierung.

Wenn Oberflächen mit einer Kraft aufeinander gedrückt und relativ zueinander bewegt werden, wirken Kräfte, die zu einer Abnutzung führen. Durch die Beanspruchung kann es zu

Änderungen des Reibverhaltens Verschleiß Funktionsstörungen Leistungsabfall

kommen. Da die Verschleißpartner chemisch und physikalisch mit dem Umgebungsmedium reagieren, kann man durch geeignete Mittelwahl den Verschleiß in Grenzen halten. Der „Zahn der Zeit“ spielt dabei im Bereich der Tribologie sprichwörtlich seine Rolle, da mit steigender Belastungsdauer der Verschleiß ebenfalls zunimmt. Ein Beispiel: In einem Verbrennungsmotor bewegt sich der Kolben in einer Minute, bei gemäßigter Fahrweise, ca. 2000-mal hoch und runter. Dabei ist das Spiel zwischen Kolben bzw. Kolbenringen und Zylinderwand so genau, dass ein Gleiten problemlos möglich ist, aber trotzdem kein Benzin-Luft-Gemisch durch den Spalt dringt. Hinzu kommen noch hohe Temperaturen jenseits der 700°C. Würde man einfach Zylinder und Kolben mit einer glatten Oberfläche versehen, hätte man ruck zuck einen Kolbenfresser, die Oberflächen der beiden Systeme wären durch Reibung und Temperatur verschweißt, was einen Schaden von mehr als 1000 € bedeutet. Durch das Verändern des Umgebungsmediums, nämlich indem man Öl als Schmierstoff verwendet, kann man dies verhindern. Durch die Wahl eines geeigneten Mediums verringert man also drastisch den Verschleiß (Euer Auto wird’s euch danken). Außer dem oben genannten Beispiel kann man natürlich auch Oxidation verhindern und Gleiteigenschaften des tribologischen Systems verbessern. Gleiches gilt für Lager, Getriebe, Kupplungen, Bremsen,… Mögliche Schadensfälle können sein: Blockierung von Lagerstellen Schwächung des Querschnitts mit daraus folgender Verformung oder Bruch des Bauteils Werkzeugverschleiß Das tribologische System:

Grundkörper z. B. Lagerschale, Führungsbahnen, Baggerschaufel, Förderband, Drehmeißel

Gegenkörper z. B. Wellenzapfen, Führungsprisma, Gestein, Pressmassen

Zwischenstoff z. B. Schmierstoffe, Abrieb

Systemeinhüllende z. B. Luft mit Anteilen von O2, CO2, SO2 oder H2O sowie Staub

Beanspruchungskollektiv Normalkraft FN

Größe, Richtung, zeitlicher Verlauf

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Relativgeschwindigkeit v gleitend, wälzend, stoßend, strömend

Temperatur T Beanspruchungszeit t

Da dieses Zusammenspiel aus Körper, Gegenkörper und den ganzen Umgebungsbedingungen in vielen Teilen eines Produktes auftritt, muss man sich ständig mit dem Verschleiß auseinandersetzen. Daher gibt es viele Bereiche, in denen die Tribologie eine wichtige Rolle spielt, vor allem in:

Konstruktion Fertigung von Bauteilen Unterhaltung von Maschinen und Anlagen

weitere Beispiele für Verschleißuntersuchungen, die vor allem in der Fertigung eine wichtige Rolle spielen sind:

Zerspanung mittels Kühlschmierstoffen Verschleiß an Werkzeugschneiden, Matrizen Schmierdienst, Wechsel von Verschleißteilen, Analyse von Verschleiß und

Schadensfällen und Verbesserung des Tribo-Systems Beispiele für Schadensfälle:

Blockierung von Lagerstellen Schwächung der Querschnitte (Verformungen, Bruch) Werkzeugverschleiß

Reibung: Reibung ist der Widerstand, welche die Bewegung von zwei aufeinander gleitenden oder wälzenden Körpern hemmt oder auch verhindert (Haftreibung) Reibungskraft

μ⋅= NR FF Reibungsarbeit (Verformung und Wärme)

sFA NR ⋅⋅= μ Verschleißgröße: W von „wear“ = Abnutzung

FR Reibkraft FN Normalkraft = m.g µ Reibkoeffizient, von Werkstoff und

Zwischenstoff abhängig (nach DIN: Reibzahl f) s Weg in m

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Verschleißgröße W

Verschleiß bewirkt Änderung von Verschleißmessgröße Länge

Wl m, mm

Fläche Wq m2, mm2

Volumen WV m3, mm3

Masse Wm kg, g

Verschleißgeschwindigkeit Beanspruchungsdauer Zeit t in h

Wl/t Wq/t WV/t Wm/t

Verschleiß-Weg-Verhalten Beanspruchungsweg Weg s in m, km

Wl/s Wq/s WV/s Wm/s

Durchsatz Beanspruchungsmenge Anzahl z in m3, kg, Stück

Wl/z Wq/z WV/z Wm/z

Tabelle 18: Verschleißgröße in Abhängigkeit von verschiedenen Variablen Reibungszustände

Festkörperreibung Trockenreibung (ohne Zwischenstoff) Grenzreibung (Grenzschicht) Mischreibung (Flüssigkeitsreibung und Grenzreibung wechseln ab,

„slip-stick-Effekt“) Flüssigkeitsreibung Gasreibung

Verschleißmechanismen Adhäsion Verschweißungen im Mikrobereich, örtlich hohe Temperaturen z. B. „Fressen“, Aufbauschneide, Bremsspur auf Asphalt Abrasion (Furchung) Zerspanprozess im Mikrobereich, Riefenbildung durch harte Teilchen im Zwischenstoff oder durch die Adhäsion entstandenen und abgescherte verfestigte Teilchen z. B. Riefen auf Bremsscheiben, Lager mit verunreinigtem Öl Oberflächenzerrüttung (Ermüdung) Rissbildung im Oberflächenbereich durch wechselnde Spannungen und Verformungen z. B. Grübchenbildung bei Wälzlagern und an Zahnflanken, Risse in Gesenken und Druckgussformen tribochemische Reaktion Grund- und Gegenkörper bilden mit dem Umgebungsmedium unter der Wirkung der Tribobeanspruchung Reaktionsprodukte, welche den Ablauf des Verschleißes beeinflussen z. B. Passungsrost (Reiboxidation), Wirkung der Öl-Additive auf Oberflächen

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Verschleißarten

Festkörper mit und ohne Schmierung Gleitverschleiß Wälzverschleiß

Stoßverschleiß Schwingverschleiß Festkörper mit Partikeln als Zwischenstoff (Abrasion)

Korngleitverschleiß Kornwälzverschleiß

Festkörper mit Gegenstoff Gleitverschleiß Tribologische Prüfverfahren: Die Verschleißprüfungen werden in sechs verschiedene Kategorien unterteilt:

I. Betriebsversuch („Feldversuch“) II. Prüfstandversuch (zum Beispiel an einer Prüfbank)

III. Aggregatversuch IV. Bauteilversuch V. Probekörperversuch

VI. Modellversuch Entscheidend für den Versuch ist zunächst das Beanspruchungskollektiv, äquivalent zum Tribologischen System, welches sich zusammensetzt aus: Bewegungsform und –ablauf: Wie bewegt sich das Bauteil im Betrieb? Belastungsgrößen (z.B. FN) Welche Kräfte wirken auf das Bauteil? Passungen? -geschwindigkeit Wie schnell wird das Bauteil bewegt/ Relativbewegung Temperatur Welche Temperaturen herrschen? Reibung, Umgebung, Kühlung Beanspruchungsdauer t Betriebsdauer, Standzeit, zyklische Beanspruchung? Außerdem sind bestimmte tribologische Messgrößen von Bedeutung, die es zu bestimmen gilt:

Reibungskraft FR kann im Labor geprüft werden Reibungszahl µ kann aus den einzelnen Kräften FR und FN berechnet werden Verschleißbetrag Δl Dickenabnahme nach der Reibung Reibungstemperatur ΔT elastischer Übergangswiderstand

Diese Parameter können mittels Labortribometer bestimmt werden. Um die Belastung des Bauteils möglichst genau nachzuvollziehen, werden verschiedene Prüfkörpergeometrien verwendet: Kugel-Kugel-Kontakt (mehrfach, punktförmig) gekreuzte Zylinder Stift-Scheibe (reversierend oder linear ) Fläche-Fläche-Kontakt rotierender Stift gegen Scheibe (Stirnflächenkontakt) rotierende Scheibe gegen Stift

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rotierender Zylinder gegen Stift oder Zylinder (Mantelflächenkontakt) Scheibe-Scheibe (Mantelflächenkontakt) Mehrfach-Prüfkörper

Struktur des Prüfsystems

Kontaktgeometrie konform (Flächenkontakt)

konform oder kontraform Flächen- (1), Linien- (2) oder Punktkontakt (3)

kontraform Linien- (1) bzw. Punktkontakt (2)

Ausführungsbeispiele Stift-Scheibe Siebel-Kehl

Walze-Platte Kugel-Scheibe

Anwendungshäufigkeit [%]

35 40 25

Bewegungsform Gleiten Bohren (Stoßen)

Gleiten Rollen bzw. Wälzen Bohren (Stoßen)

Rollen bzw. Wälzen (Stoßen) (Gleiten)

Bewegungsablauf kontinuierlich oszillierend intermittierend

kontinuierlich intermittierend

Flächenpressung [N/mm²]

10-4- 4.103 3.10-4- 5.103

(nach Frequenz) 10-4- 4.103

(nach Frequenz) Geschwindigkeit [m/s] 10-4- 40 10-5- 80 10-1- 60 Temperatur [°C] -100- 1500

Tabelle 19: Vergleich verschiedener tribologischer Systeme

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Korrosionsprüfung: Korrosion: Korrosion (corrodere (lat.): zernagen) ist die von der Oberfläche ausgehende unerwünschte Zerstörung von Werkstoffen durch chemische oder elektro-chemische Reaktionen mit ihrer Umgebung sprich, einem unter den gegebenen Bedingungen angreifendes Medium. Werkstoff angreifendes Medium überwiegend ablaufender

Korrosionsprozess Metall Elektrolyte, natürliche und

technische Wässer, feuchte Gase (Atmosphäre)

elektrochemische Vorgänge (elektrochemische Korrosion)

Metall Keramiken Glas

Nichtelektrolyte (nicht leitende organische Flüssigkeiten), trockene und heiße Gase stark angreifende Flüssigkeiten (Fluss-Säure, Basen) stark angreifende Flüssigkeiten trockene und heiße Gase

chemische Vorgänge (chemische Korrosion)

Kunststoffe organische Flüssigkeiten und Dämpfe, Wasser und wässrige Lösungen, oxidierende Gase

physikalische und chemische Vorgänge

Feuerfestmaterial Schlacken-, Salz- und Glasschmelzen

physikalische, chemische und elektrochemische Vorgänge

Tabelle 20: Korrosionsprozesse für verschiedene Materialgruppen Korrosionsarten Die Korrosion wird in elektrochemische, z.B. Rosten von Stahl, und chemische Korrosion z.B. Verzunderung untergliedert. Elektrochemische Reaktion Für die elektrochemische Reaktion ist ein galvanisches Element notwendig, welches aus einem Elektrolyt und zwei unterschiedlich edlen Materialien besteht. Eine Auflistung der elektrochemischen Spannungsreihe vom unedelsten bis zum edelsten Metall ist in Tabelle 21 dargestellt. entscheidend ist die Beschaffenheit der Reaktionsprodukte auf der Werkstoffoberfläche Li/Li+ -3,01 Zn/Zn++ -0,76 Pb/Pb++ -0,13 K/K+ -2,92 Cr/Cr+++ -0,56 H2/H+ 0 Ca/Ca++ -2,84 Fe/Fe++ -0,44 Bi/Bi+++ +0,23 Na/Na+ -2,71 Cd/Cd++ -0,40 Cu/Cu++ +0,35 Mg/Mg++ -2,34 Co/Co++ -0,28 Ag/Ag+ +0,80 Al/Al+++ -1,67 Ni/Ni++ -0,23 Hg/Hg++ +0,85 Mn/Mn++ -1,05 Sn/Sn++ -0,14 Au/Au+++ +1,42 Tabelle 21: Elektrochemische Spannungsreihe (Elektrodenpotential bei 25 °C in V)

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Wasserstoffkorrosionstyp Wasserstoffionen (H+ bzw. H3O+) sind die vorherrschende Art der Elektronenakzeptoren. Dadurch gibt das Metall Elektronen an den Wasserstoff ab, es wird oxidiert. Eine galvanischen Zelle könnte zum Beispiel so aufgebaut sein: Fe | H2O | Cu. Dann finden folgende Reaktionen statt: Redox-Reaktion Cu: Katode (2 H+ + 2e- → 2 H → H2) Fe: Anode (Fe → Fe++ + 2e-) Das Eisen wird anodisch oxidiert (aufgelöst) und dafür werden äquivalent am Cu Wasserstoffionen zu Wasserstoffatomen bzw. –molekülen katodisch reduziert (abgeschieden). Dieser Korrosionstyp tritt bei der Korrosion von unedlen Metallen in stark sauren Medien auf (pH < 4). Sauerstoffkorrosionstyp Sauerstoffionen sind die vorherrschende Art der Elektronen-Donatoren. Sie führen in der Primärreaktion zur Bildung von Hydroxidionen, die in der Sekundärreaktion mit anodisch gebildeten Ionen weiter reagieren können. Dieser Korrosionstyp tritt in neutralen und alkalischen sauerstoffhaltigen Medien auf und ist in der Praxis der wichtigere Korrosionstyp. Und da das jetzt eine ganze Menge trockene Theorie war, ein schönes Beispiel aus der Praxis: Da die Autos immer schöner, größer und besser werden sollen, muss man Kompromisse eingehen, um die Leermasse des Fahrzeugs in Grenzen zu halten. Daher wird, wo immer es geht, heutzutage Leichtmetall oder Kunststoff verwendet. So hat eine Automobilmarke als Werkstoff für das Scheibenwischergestänge, das sind die Überträger der Bewegung vom Scheibenwischermotor auf die Scheibenwischerarme, Aluminium verwendet. Leider wurde bei den Lagern Stahl verwendet, so dass es aufgrund der Luftfeuchtigkeit zu elektrochemischer Korrosion kam, die den Wischprozess störte. Jedoch werden nicht nur in der Automobilindustrie solche Fehler fabriziert. Oftmals verwenden Designer oder besonders schlaue Sparfüchse die falschen Materialien, die dann zu ähnlichen Problemen führen, meist in Verbindung mit der Verwendung elektrochemisch aggressiver Werkstoffpaarung. Definitionen: Lösungsdruck: Bestreben eines Werkstoffs durch Elektronenabgabe (Elektronendonator) in den Ionenzustand und „in Lösung“ zu gehen. Korrosionselement: Elektrochemisches Element, das bei der Korrosion von Metallen auftritt. Es besteht aus Anode und Katode in Berührung mit einem gemeinsamen Elektrolyten. Lokalelement: Kleinflächiges Korrosionselement, dessen wirksame Elektrodenflächen sehr klein sind (A < 1 mm2)

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Anode bei Korrosionselementen: Oberflächenbereich eines Werkstoffes (Metall), von dem aus bei der Korrosion Ionen (Metallionen) in den Elektrolyten übertreten. Katode bei Korrosionselementen: Oberflächenbereich eines Werkstoffes (Metall), an dem die bei der Korrosion im Werkstoff auftretenden Elektronen von Elektronenakzeptoren im Elektrolyten aufgenommen werden. Ursachen für die Bildung von Korrosionselementen: Die Hauptursache ist die Verbindung von Teilen aus verschiedenen Werkstoffen. Das kann sowohl mikroskopisch, als auch makroskopisch der Fall sein:

Vorhandensein von verschiedenen Stoffen in und auf der Werkstoffoberfläche, wie die verschiedenen Gefügebestandteile einer heterogenen Legierung oder Deckschichten und Grundwerkstoff u. ä.

Vorhandensein einer örtlich unterschiedlichen Intensität des angreifenden Mediums, wie

örtliche Unterschiede in der Konzentration des gelösten Sauerstoffs oder örtliche Unterschiede in der Temperatur des Elektrolyten

Vorhandensein von örtlich unterschiedlichen Spannungen (Verarbeitungszustände) im

Werkstoff Chemische Korrosion Im Gegensatz zur elektrochemischen Korrosion tritt hier eine Redox-Reaktion ohne Elektrolyten und bei erhöhter Temperatur ein. Beispiel: Verzundern von Eisen, Anlassfarben Fall 1: Das Reaktionsprodukt ist flüchtig und hat keinen Einfluss auf Korrosionsverlauf und –geschwindigkeit z. B. Oxidation von Mo zu MoO3 Fall 2: Das Reaktionsprodukt ist hygroskopisch und leitet damit den Übergang zu einer elektrochemischen Korrosion ein z. B. Chlorangriff auf Mg ⇒ hygroskopisches MgCl2 Fall 3: Das Reaktionsprodukt ist porös und gestattet einen weiteren Korrosionsangriff meist als ungleichmäßige Korrosion durch Poren z. B. chemische Korrosion von Metallen unter Bildung von dickeren Oxidschichten, in denen Spannungen auftreten. Fall 4: Das Korrosionsprodukt bildet eine dichte, fest haftende Schicht auf der Werkstoffoberfläche. Eine weitere Reaktion ist nur durch Diffusionsvorgänge möglich.

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4a. Das Angreifende Medium kann durch die Schicht diffundieren und reagiert mit dem Werkstoff. Die Schicht wächst nach innen nach dem parabolischen Gesetz

tks ⋅=² z. B. Hochtemperaturoxidation vieler Metalle wie Cu, Cr, Fe, Co 4b. Die Schicht ist undurchlässig. Der bestimmende Vorgang ist die Diffusion der Werkstoffatome durch die Deckschicht, die eine logarithmische Dickenzunahme bedingt. z. B. Bildung von Metalloxiden bei mittleren Temperaturen (Anlauffarben). Biokorrosion Biokorrosion beschreibt Korrosionsprozesse durch Mikroorganismen, z. B. an erdverlegten Rohren und Kabeln. Bestimmte Bakterien bilden an feuchten Metalloberflächen mikrobiologische Filme und führen Redox-Reaktionen herbei (meist narbenförmige Vertiefungen an der Werkstoffoberfläche). Erscheinungsformen der Korrosion 1. Ebenmäßige Korrosion oder gleichmäßige Oberflächenkorrosion Klima Pb Zn Stahl Landluft 0,7⋅⋅⋅1,4 1,0⋅⋅⋅3,4 4⋅⋅⋅60 Stadtluft 1,3⋅⋅⋅2 1,0⋅⋅⋅6 30⋅⋅⋅70 Industrieluft 1,8⋅⋅⋅3,7 3,8⋅⋅⋅19 40⋅⋅⋅160 Meeresluft 1,8 2,4⋅⋅⋅15 64⋅⋅⋅230 Tabelle 22: Abtragsgeschwindigkeit in µm/Jahr Ergebnis: gleichmäßiger Stoffabtrag. 2. Ungleichmäßige Korrosion oder örtlich begrenzte Korrosion 2.1. Kontaktkorrosion Al-Blech mit Cu-Niet (Al: Anode, Cu: Katode) Stahlblech verzinkt (Zn: Anode, Stahl: Katode) Messingarmatur in Stahlrohr (Stahl: Anode, Messing: Katode) 2.2. Selektive Korrosion

Entzinkung von Messing (β-Phase: Anode, α-Phase: Katode) Spongiose bei perlitischem Gusseisen

Auflösung von Ferrit und Perlit, bei Formerhaltung durch Graphit/Zementit- Gerüst; Abhilfe durch C-Senkung auf 0,03 % oder karbidbildende Legierungselemente Ti, Mo, Ta

heterogenes Gefüge wie unterperlitischer Stahl (Ferrit: Anode, Zementit: Katode) Gefüge mit Korngrenzenausscheidung wie AlCuMg-Legierung (Al-Mischkristall:

Anode, AlCu-Ausscheidung: Katode edlere Metalle mit Fremdeinschluss (Grundwerkstoff: Anode, Einschlussteilchen: Katode)

Metall, kaltverformt (verformte Bereiche mit höherem Energiegehalt: Anode, unverformte Bereiche: Katode)

s Schichtdicke t Zeit k Konstante

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2.3. Spaltkorrosion (z. B. punktgeschweißte Bleche) 2.4. Lochfraßkorrosion 2.5. Interkristalline Korrosion (z. B. chromverarmte Korngrenze wirkt als Anode) Ergebnis: poröse, narbige, unebene Oberfläche, wiederholt auftretende Korrosionsprodukte Bei Überlagerung mit mechanischen Spannungen: 2.6. statische mechanische Beanspruchung Spannungsrisskorrosion z. B. transkristalline Spannungsrisskorrosion bei austenitischen Stählen, ausgelöst durch Cl- und OH-Ionen; interkristalline Spannungsrisskorrosion bei un- und niedriglegierten Stählen in Laugen, Cu-Zn-Legierungen in ammoniakalischer, hochfester Al-Legierungen in feuchter Umgebung 2.7. dynamische mechanische Beanspruchung Schwingungsrisskorrosion (Schwächung durch alle Elektrolyte; Verschiebung der Wöhler-Kurve, teilweise keine Dauerfestigkeit) Bei Überlagerung mit tribologischer Beanspruchung 2.8. Erosions- und Kavitationskorrosion Diese Form tritt bei Wirkung strömender Flüssigkeiten und Gase auf. Werkstoff Cu Cu-Fe Cu-Al Ni-Leg. V in m/s 1,8 4,0 3,0 30 Tabelle 23: empfohlene maximale Strömungsgeschwindigkeiten Erosion: Festkörper werden durch Flüssigkeiten oder Gase transportiert und sorgen durch mechanische Beanspruchung für Materialabtrag. Kavitation: Verschleiß durch zusammenfallende Dampfblasen an der Oberfläche. Sie entsteht dort, wo der statische Druck in einer Flüssigkeit infolge hoher Strömungsgeschwindigkeit unter den Dampfdruck sinkt (Bernoullisches Gesetz). Wenn die Strömung sich verlangsamt, steigt der statische Druck und die Dampfblasen „stürzen zusammen“. Problem bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten (Strömungskavitation: Wasserturbinen; Schwingungskavitation: Kühlkreislauf von Dieselmotoren) 2.9. Reibkorrosion Passungsrost, Rattermarken Das sind in Längsrichtung verlaufende wellenförmige Unebenheiten, z.B. auf Blech, die durch Schwingungen im Werkzeug und damit verbundenen Abstandsschwankungen zum Werkstück entstehen.

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Korrosionsprüfungen Langzeitkorrosionsversuche Bei Langzeitkorrosionsversuchen wird der Werkstoff in der Umgebung geprüft, in der er später eingesetzt wird. Bewitterungsversuch: Werkstoff wird in Echtzeit verschiedenen Witterungsbedingungen ausgesetzt. Bodenkorrosionsversuch Kurzzeitkorrosionsversuche Um Zeit zu sparen wird oftmals auf Langzeitkorrosionsversuche verzichtet. Stattdessen werden ausgewählte Parameter so eingestellt, dass eine adäquate Beanspruchung des Materials simuliert wird und in kurzer Zeit das Korrosionsverhalten des Werkstoffs untersucht werden kann. Feuchtlagerversuch Sprühversuch Wechseltauchversuch Neigung zu interkristalliner Korrosion Neigung zur Spannungsrisskorrosion (z. B. Schlaufentest von Messing in Anwesenheit von Ammoniak, Strauss-Test zur Prüfung bestimmter Stähle mit Kupfersulfat-Schwefelsäure-Lösung mit Zusatz von Kupferspänen – Probe wird im Rückflusskühler gekocht [starke Reaktion zeigen insbesondere austenitische Cr-Ni-Stähle nach einer ungeeigneten Wärmebehandlung]). Auswertung bei gleichmäßiger Flächenkorrosion Dickenabnahme Δl [mm] lineare Abtraggeschwindigkeit w [mm/a] bei ungleichmäßiger Flächenkorrosion maximale Angrifftiefe Δl [mm] maximale Abtraggeschwindigkeit w [mm/a]

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Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung Kaputtmachen kann ja bekanntlich jeder. Wesentlich schwieriger ist es hingegen, ein Werkstück auf Fehler zu untersuchen, ohne auf die zerstörende Werkstoffprüfung zurückgreifen zu müssen. Daher ist die ZfP auch Spezialisten vorbehalten, die nach DIN EN 473 ein Zertifikat erworben haben, welches sie als Werkstoffprüfer für zerstörungsfreie Werkstoffprüfung auszeichnet. Dennoch ist es hilfreich, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und zumindest die Grundlagen der ZfP zu kennen. In der ZfP stehen verschiedene Verfahren zur Auswahl. Diese umfassen die Bereiche

visuell Sichtprüfung

penetrativ Eindringprüfung

magnetisch Magnetstreuflussprüfung

elektrisch Wirbelstromprüfung

ionisierend Durchstrahlungsprüfung

akustisch Ultraschallprüfung Schallemission

thermographisch IR-Fernsehtechnik Flüssigkristalle

In diesem Kapitel sollen die wichtigsten der oben aufgelisteten Verfahren kurz angerissen werden. Eine ausführliche Behandlung dieses Themas findet in der Wahlpflichtveranstaltung „zerstörungsfreie Werkstoffprüfung“ statt. Visuelle Verfahren (VT): massebehaftete Körper sind bekanntlich träge, aber auch wenn uns nicht die Faulheit dazu treibt, sinnlose Tätigkeiten zu erledigen, so ist es oftmals der Zeitdruck oder die Tatsache, dass noch andere Arbeiten auf uns warten. Um also der Gefahr zu entgehen, ein offensichtlich schadhaftes Bauteil auf Herz und Nieren zu prüfen, wirft man zunächst einmal einen geübten Blick darauf. Diese Sichtprüfung ist sehr hilfreich, erfordert aber ein gewisses Maß an Übung, da nicht alle Oberflächenmerkmale eine Fehlstelle bedeuten. Vorgehensweise: Reinigung: Der allgemein erste und wichtigste Schritt, das ist bei fast allen Verfahren notwendig, ist die Reinigung. Fettverkrustungen, Staub und Zunder verdecken oftmals Schadstellen und verhindern eine ordentliche Bewertung des Bauteils. Daher wird zunächst die Oberfläche mit dafür vorgesehenen Reinigungsmitteln (Fettlöser, Tenside, Wasser) von Schmutz befreit.

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Abb. 58: Änderung der Erkennbarkeit eines Fehlers mit Kontrast und Größe des Fehlers Beleuchtung: Ist es dunkel, sieht man nichts und selbst wenn das Licht eingeschaltet ist, ergibt sich doch eine Abhängigkeit zwischen Beleuchtungsstärke und Detailgenauigkeit. Die Beleuchtungsstärke wird in lux (lx) gemessen und gibt an, wie hell der Arbeitsplatz ausgeleuchtet ist. Außerdem sind Kontrast und Detailgröße entscheidend. Von daher ist es sinnvoll, die Beleuchtung zunächst einmal so einzustellen, dass eine Blendung durch eine u. U. reflektierende Oberfläche ausgeschlossen ist und der zu untersuchende Bereich trotzdem ausreichend ausgeleuchtet wird. Der Schattenwurf eines Risses verbessert zudem den Kontrast. Nach DIN EN 5035 wird bislang keine Vorschrift zur Mindestbeleuchtungsstärke gemacht, jedoch ist nach ASME V, 9 eine Mindestbeleuchtungsstärke von 160 lx für allgemeine und 540 lx für Detailprüfungen vorgeschrieben. Vergrößerung: Bei kleinen Fehlern empfiehlt es sich, eine Lupe zu Hilfe zu nehmen. Auf diese Weise kann man besser entscheiden, ob der Fehler zu einem Ausschuss führt, oder nicht. Weitere Hilfsmittel: Viele Werkstücke haben Ecken und Kanten. Daher gibt es eine Vielzahl von Hilfsmitteln wie Endoskope, Spiegel, Lampen, Taschenlampen, Lupen, Lehren und vieles mehr, um auch den letzten Fehler in einem Werkstück detektieren zu können. Kenngrößen (informativ): Beleuchtungsstärke Die Beleuchtungsstärke E gibt den Lichtstrom an, der auf einer Fläche ankommt.

2

cosR

IE α⋅=

La Leuchtdichte des Sehobjekts LU Leuchtdichte der Umgebung α Beleuchtungswinkel I Lichtstärke = ausgesandtes

Licht unter einem bestimmten Winkel

R Abstand Lampe-Oberfläche

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Kontrast: Der Kontrast ist der Unterschied der Helligkeitsempfindung von zwei Flächen oder Objekten.

U

Ua

LLLK −

=

Größe des Fehlers: Die Größe des Fehlers wird direkt in mm gemessen oder abgeschätzt. Fehlerdetektion: Bei der VT sind Fehler nur direkt an der Oberfläche zu erkennen, also wenn sie nach außen hin offen sind. penetrative Verfahren (PT): Es gibt zwei verschiedene penetrative Verfahren: Zum einen Farbeindringprüfung im herkömmlichen Sinne und zum anderen Farbeindringprüfung mit fluoreszierenden Mitteln. Beide funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Ein Farbmittel wird auf die gereinigte Oberfläche gegeben und dringt in Risse und Poren ein. Nach der Zwischenreinigung wird ein Entwickler, z.B. Schlämmkreide, aufgetragen und zieht die Farbe aus den Fehlern wieder heraus. Die Färbung des Entwicklers lässt auch kleine Fehler erkennen. Die gesamte Unterscheidung nach Entwickler, Eindringmittel usw. würde jetzt allerdings zu weit führen.

Abb. 59: PT-Verfahren schematisch Vorgehensweise: Vorreinigen: Wie immer muss die Oberfläche gereinigt werden. Bei der PT ist dies besonders wichtig, da Schmutz und Fette in Rissen oder durch Lacke, Farben oder Zunder auf der Oberfläche das Eindringen des Farbeindringmittels verhindern. Auftragen des Eindringmittels: Die Farbe, rot oder fluoreszierend, wird in einer dünnen und gleichmäßigen Schicht auf den zu prüfenden Bereich aufgetragen. Dies kann durch Tauchen, Streichen, Sprühen oder Elektrostatik geschehen. Zwischenreinigen: Nach einer kurzen Wartezeit, in der die Farbe in die Risse eindringt, wird das Werkstück zwischengereinigt, indem die Farbe von der Oberfläche entfernt wird. Dabei darf man allerdings nicht zu gründlich arbeiten, da sonst das Farbeindringmittel aus den Rissen wieder ausgewaschen wird (überwaschen).

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Entwickeln: Zum Schluss wird der Entwickler in einer dünnen und gleichmäßigen Schicht aufgetragen, so dass das Farbeindringmittel wieder aus den Rissen herausgezogen wird und die Fehler detektiert werden können. Nachreinigen Kenngrößen (informativ): Fehlergröße: Bei der PT kann zwar die Länge eines Fehlers ermittelt werden, Dicke und Tiefe können jedoch nicht bestimmt werden, da das Farbeindringmittel einen sich verbreiternden Fleck bildet, der von der Menge der eingedrungenen Farbe abhängt. Fehlerdetektion: Bei der PT sind Fehler nur direkt an der Oberfläche zu erkennen, also wenn sie z.B. nach außen hin offen sind. Ist ein Eindringen möglich, kann der Fehler auch parallel zur Oberfläche liegen (Überwalzung), da trotzdem das Prüfmittel eindringen kann. Magnetische Verfahren (MT): Das Magnetstreuflussverfahren, auch Magnetpulverprüfung genannt, bedient sich der Veränderung des Magnetlinienverlaufs bei unebener Oberfläche. Ist ein Riss oder eine Pore in der Oberfläche, können sich die Magnetlinien nicht mehr parallel im Werkstoff ausrichten und treten an dieser Stelle aus dem Werkstoff aus. Dieses Phänomen lässt sich mit magnetischem Pulver, meist Fe2O3-Späne, sichtbar machen.

Abb. 60: Prinzip der Magnetpulverprüfung anhand einer Gleichstromprüfung Vorgehensweise: Reinigung/ Vorbehandlung: Auch hier wieder einmal ist Sauberkeit alles. Die Reinigung findet äquivalent zu VT und PT statt. Auch die Reinigungsmittel sind die gleichen. Bei Verwendung eines schwarzen Magnetpulvers ist außerdem das Besprühen des zu untersuchenden Bereiches mit einer weißen Grundierung notwendig, um einen besseren Kontrast zu gewährleisten. Magnetisierung: Zur Magnetisierung stehen verschiedene Techniken zur Verfügung. Sowohl mit Wechselfeld, als auch mit Gleichfeld, durch stromdurchflossene Leiter, Stromdurchflutung, Induktion oder kombinierte Techniken. Die Verfahren sind in Abbildung 61 dargestellt.

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Pulver aufsprühen: Während der Magnetisierung wird das Magnetpulver auf den magnetisierten Bereich gesprüht. Das Magnetpulver kann schwarz oder fluoreszierend eingefärbt sein und wird meistens in suspendierter Form aufgetragen. Kenngrößen (informativ): Leuchtstärke: Beschreibung in der VT magnetische Feldstärke: Die Feldstärke wird mittels einer Hallsonde gemessen. Vor dem Versuch ist die Feldstärke zu prüfen, um eine ausreichende Magnetisierung zu gewährleisten. Nach dem Versuch wird die Restmagnetisierung gemessen. Ist diese zu hoch, muss ummagnetisiert werden, um die Restmagnetisierung zu minimieren. Dies ist wichtig, da zum Beispiel bei der späteren Verwendung als Sensorgehäuse ein magnetisierter Werkstoff unbrauchbar ist.

rIH

⋅⋅=

π2

Abb. 61: Magnetisierungsverfahren Fehlerdetektion: Bei der MT sind Fehler nur direkt an der Oberfläche oder unmittelbar unter dieser zu erkennen, da sonst kein Austreten der Feldlinien nach außen möglich ist. Außerdem darf der Fehler nicht parallel zur Oberfläche liegen.

I Strom r Erstreckung des Feldes

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Elektrische Verfahren (ET): Wirbelstromprüfung: Das meistgebräuchliche elektrische Verfahren ist die Wirbelstromprüfung. Hierbei wird durch eine stromdurchflossene Spule ein Magnetfeld induziert, welches wiederum Wirbelströme in der metallischen Probe induziert. Diese Wirbelströme verursachen allerdings ebenfalls ein Magnetfeld, welches laut Lenz’scher Regel dem Primärfeld entgegengesetzt gerichtet ist. Die Differenz wird entweder von der Erregerspule selbst oder von einer Empfängerspule detektiert. Befindet sich ein Fehler im Material, verändern sich die Wirbelströme und somit deren Magnetfeld (Abb. 62). Diese teilweise recht kleinen Abweichungen werden detektiert und auf einem Bildschirm sichtbar gemacht.

Abb. 62: Prinzip der Wirbelstromprüfung Vorgehensweise: Kalibrierung: Zunächst wird auf einem Kalibrierkörper, auf dem sowohl definierte Spalten als auch eine stufenweise abnehmende Dicke eingearbeitet sind, das Gerät kalibriert, so dass die Anzeigen entweder in x- oder in y-Richtung verlaufen. Messung: Je nach Art, Geometrie und Größe des Fehlers können auf dem Bildschirm verschiedene Anzeigen erscheinen. Abgelesen werden können sowohl die Tiefe des Fehlers, als auch seine Orientierung.

Abb. 63: Bildschirmanzeigen bei Wirbelstromprüfung

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Kenngrößen (informativ): Standardeindringtiefe: Die Standardeindringtiefe gibt die Reichweite der Wirbelströme und somit die Tiefe der detektierbaren Fehler wieder. Sie ist von der Frequenz, der Frequenz und dem Material abhängig.

rf μσδ

⋅⋅=

503

Fehlerdetektion: Bei der ET sind Fehler direkt an der Oberfläche oder nahe der Oberfläche zu erkennen, solange sie im Bereich der induzierten Wirbelströme und senkrecht zur Prüffläche liegen. Potentialsondenverfahren: Ein weniger bekanntes Verfahren ist das Potentialsondenverfahren. Dabei wird ein Strom durch das (leitfähige) Werkstück geschickt und dabei die Spannung zwischen zwei Messpunkten geprüft. Ist ein Riss im Material vorhanden, ändert sich der Widerstand, was zur Folge hat, dass die Spannung, sollte der Riss zwischen den beiden Messpunkten liegen, sich erhöht. Je tiefer der Riss ist, desto größer ist der Widerstand und somit die Spannung, wodurch auch ein Risswachstum über ein längeres Zeitintervall detektiert werden kann.

Abb. 64: Prinzip des Potentialsondenverfahrens Vorteile: Durch das schnelle Aufsetzen der Sonde ist ein schneller Durchsatz möglich, was quantitativ höhere Fehlerdetektion bedeutet. Nachteile: Die Messung ermöglicht qualitativ nur eine grobe Detektion. Außerdem sind für jeden Werkstoff und für jede Geometrie neue Kalibriervorgänge notwendig. Fehlerdetektion: Auch dieses Verfahren ist nur geeignet, um Fehler nahe der Oberfläche zu detektieren. Wenn ein Gleichstrom angelegt wird, können auch Fehler in größerer Tiefe (aber immer noch oberflächennah) festgestellt werden. Das Risswachstum lässt sich ebenfalls messen.

f Erregerfrequenz der Spule r el. Leitfähigkeit [MS/m] µr relative Permeabilität

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Ultraschallprüfung (UT): Bisher musste ein Fehler nahe der Oberfläche oder ganz und gar nach außen offen sein, damit dieser detektiert werden konnte. Jedoch wird dies nicht immer der Fall sein. Bei der Ultraschallprüfung ist der Fehler bis in große Tiefen detektierbar, solange es die Struktur des Werkstücks (Gefüge, u.a.) zulässt. Aufgrund seiner Vielfältigkeit ist die UT sogar zu einem weit verbreiteten Verfahren geworden, welches durch innovative Geräte in sehr vielen Bereichen anwendbar ist. Grundlagen: Die Grundlagen dürften eigentlich noch aus der Experimentalphysik bekannt sein, daher nur eine kurze Zusammenfassung: Wellenarten: Wellen wandern nicht, sondern lediglich die Energie dieser, die in periodischen Schüben von Atom zu Atom weitergegeben wird. Es gibt Transversal- und Longitudinalwellen. Während Transversalwellen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung schwingen, schwingen Longitudinalwellen in Ausbreitungsrichtung.

Abb. 65: Wellenarten: 1 und 2: Transversalwellen, 3: Longitudinalwellen Verhalten der Wellen an Grenzflächen: Wellen können, das kann man sehr leicht an Wasserwellen verfolgen, sowohl gebeugt, gebrochen als auch reflektiert werden. Dies ist sowohl Fluch als auch Segen in der UT. Zum einen müssen die Schallwellen von Fehlern und der Rückwand reflektiert werden, damit man eine Bewertung des Werkstücks abgeben kann. Allerdings besteht bei grobkörnigem Gefüge das Problem, dass die Schallwellen an den Korngrenzen gestreut werden, so dass nur ein Rauschen am Empfänger ankommt. In diesem Fall ist das Ergebnis nicht zu verwenden. Piezoelektrischer Effekt: Viele natürliche Kristalle wie Bariumtitanat, Turmalin oder Quarz haben piezoelektrische Eigenschaften. Dies bedeutet, dass bei mechanischer Beanspruchung (Dehnung, Stauchung) eine elektrische Spannung an den Enden des Kristalls anliegt. Umgekehrt bedeutet dies, dass der Kristall sich ausdehnt oder zusammenzieht, wenn man eine Spannung an den Enden des Kristalls anlegt, und diese verändert. In der Technik werden künstliche Piezos aus Blei-Zirkonat-Titanat (PZT) verwendet. Weitere Informationen können der Keramikvorlesung entnommen werden.

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Abb. 66: Prinzip des piezoelektrischen Effekts und Polkurven von PZTs Erzeugung von Ultraschallwellen: Die Erzeugung von Wellen geschieht durch die Schwingung eines Mediums und deren Weiterleitung. Im einfachsten Fall schwingen die Stimmbänder im Kehlkopf und geben diese Schwingungen an die Luft weiter. Dieser Schall wird sich an der Luft wellenartig ausbreiten. Bei Ultraschallwellen ist das prinzipiell genauso, nur viel schneller. Da die Schwingungen aber im Megahertzbereich liegen müssen, wird zur Erzeugung von Ultraschallwellen ein Piezoelement verwendet. Durch Verwendung einer Erregerspule wird die Wechselspannung, die normalerweise im Bereich von 50Hz schwingen würde, in eine Hochfrequenzspannung umgewandelt, die dann den PZT im MHz-Bereich schwingen lässt.

Abb. 67: verschiedene Piezoaktuatoren Aufbau eines Ultraschall-Prüfkopfs: Es gibt verschiedene Prüfköpfe, die sowohl unterschiedliche Prüfcharakteristika als auch Eigenschaften besitzen. Grundlegend kann man zwischen drei Prüfkopfarten unterscheiden:

Senkrechtprüfkopf Sender-/Empfänger-Prüfkopf Winkelprüfkopf

Außer diesen drei Grundarten gibt es die Prüfköpfe natürlich auch in verschiedenen Größen, je nach Anwendungsgebiet.

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1. Senkrechtprüfkopf:

Der Senkrechtprüfkopf besteht im Wesentlichen aus dem Piezoelement, welches sowohl als Aktor (Sender) als auch als Sensor (Empfänger) dient. Der Prüfkopf wird in Schwingung versetzt. Die Wellen durchdringen das Material und werden reflektiert. Zum Schluss wird der Piezo durch die reflektierten Wellen in Schwingung versetzt und das Signal elektronisch verarbeitet. Diese Abfolge geschieht so schnell, dass auf dem Bildschirm das Ergebnis in Echtzeit zu sehen ist. Mit diesem Prüfkopf lassen sich sehr gut Fehler detektieren, die parallel zur Oberfläche sitzen.

Abb.68: Aufbau Senkrechtprüfkopf

2. Sender-/Empfänger- (S/E-) Prüfkopf:

Der S/E-Prüfkopf besteht aus zwei voneinander abgeschirmten Schwingern, von denen einer der Sender und der andere der Empfänger ist. Um vom Sender über die Reflexion zum Empfänger zu gelangen, muss der Schall in einem definierten Winkel ausgestrahlt werden. Nach dem Reflexionsgesetz, Einfallswinkel = Reflexionswinkel, gelangt der Schall unter diesem Winkel zum Empfänger. Daher sind Sender und Empfänger unter einem Dachwinkel zueinander angeordnet. Da jedoch durch Reflexion am Übergang Prüfkopf-Werkstoff Reflexionen auftreten, die den Empfang stören würden, wird beim S/E-Prüfkopf eine Vorlaufstrecke aus Kunststoff verwendet. Die Schwäche der Senkrechtbeschallung liegt in der geringen Auflösung im Nahfeld. Ist ein Fehler zu nah unter der Oberfläche, kann er auf diese Weise nicht detektiert werden. Der S/E-Prüfkopf ist hier wesentlich besser geeignet und ermöglicht auch das Erfassen von oberflächennahen Fehlern.

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Abb. 69: Aufbau S/E-Prüfkopf

3. Winkelprüfkopf:

Der Winkelprüfkopf funktioniert im Endeffekt genauso wie der Senkrechtprüfkopf. Nur ist in diesem Fall der Schwinger in einem definierten Winkel eingebaut, so dass der Schall schräg in das Material einfällt. Wegen Störungen und Reflexionen an der Grenzfläche ist auch hier wieder eine Vorlaufstrecke berücksichtigt, indem der Schall zunächst durch einen Kunststoffkörper gelangen muss. Bei beiden vorher genannten Prüfköpfen ging es um die Detektion von Fehlern, die Oberflächen parallel zur Oberfläche haben. Wenn man aber Fehler in Schweißnähten, zum Beispiel Bindefehler zwischen Schweißnaht und Wärmeeinflusszone finden möchte, muss der Schall senkrecht auf deren Oberfläche treffen. Dazu eignet sich am besten der Winkelprüfkopf, da er durch den schrägen Schallweg diese Winkel erfassen kann.

Abb. 70: Aufbau Winkelprüfkopf

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Das Schallfeld: Das Schallfeld eines Prüfkopfes kann in drei Bereiche eingeteilt werden: Das Nahfeld, der Fokus und das Fernfeld.

Abb. 71: Einteilung des Schallfeldes: D0: Prüfkopfdurchmesser; θ6: Winkel, bei dem eine Schwächung des Schalls um 6dB vorliegt Im Nahbereich des Schwingers sind Weg- bzw. die dazu proportionalen Phasendifferenzen groß. In etwas weiterem Abstand werden sie kleiner. Daraus ergibt sich im Nahbereich eines Schwingers eine Zone mit dicht benachbarten, durch Interferenz entstandenen Schalldruckmaxima und –minima. Mit wachsendem Abstand vom Schwinger werden die Phasendifferenzen und somit die Voraussetzung für die Entstehung von Minima (Auslöschung) geringer. Durch die Überlagerung der Wellenanteile aller Elementarschwinger bildet sich ein für den Schwingerdurchmesser und die Wellenlänge typisches Schallfeld aus, das mit den Größen Nahfeldlänge N und Divergenzwinkel ν bzw. dem Schallwegabhängigen Bündeldurchmesser DB beschrieben werden kann. Nahfeldlänge N Wird ein Kugelreflektor auf der akustischen Achse im Schallfeld eines kreisscheibenförmigen Dickenschwingers bewegt, z.B. unter Wasser, so ändert sich die dem Schalldruck proportionale Amplitude des an ihm reflektierten und wieder empfangenen Signals. Der Schallweg vom Nullpunkt (Grenzfläche Schwinger-Werkstoff) bis zum letzten Punkt maximalen Schalldrucks ist die Nahfeldlänge. Der Bereich der Schallausbreitung zwischen Nullpunkt und Nahfeldlänge wird als Nahfeld bezeichnet. Fokus: Der Fokus ist der Bereich, in dem der Schallkegel am stärksten gebündelt ist und trennt Nahfeld von Fernfeld. Fernfeld: Das Fernfeld wird durch den Bereich der Schallausbreitung charakterisiert, der jenseits des Fokus liegt. Das Schallbündel wird definitionsgemäß durch einen Kegel mit dem Durchmesser DB eingegrenzt. Dabei wird in einer Entfernung s> 3N der Bündeldurchmesser [DB]-6dB bestimmt, bei dem der Schall um 6 Dezibel verringert ist.

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Vorgehensweise: Justierung:

1. Zur Justierung muss zunächst die Prüfkopfart (SPK; S/E-PK; WPK) und die Prüfkopfdaten (Durchmesser, Vorlaufstrecke, Winkel) sowie die Schallgeschwindigkeit für das Material eingegeben werden.

2. Anschließend wird der Justierbereich sB so eingestellt, dass das Rückwandecho erkennbar ist. Ist das Prüfstück 75mm dick, wird z.B. sB= 100mm eingestellt.

3. Danach wird die Justierstrecke sj eingestellt, so dass zwischen 2 und 5 Echos innerhalb des Justierbereichs abgebildet werden.

4. Nun wird die Justierposition T eingestellt werden. Bei richtiger Justierung entspricht ein Skalenteil (SKT):

SKTmm

SKTmm

Tsk

B

B 1010100

===

Somit lassen sich später die Justierpositionen für das Echo der Justierstrecke und dessen Wiederholungsechos berechnen.

5. Durchführung der Justierung mittels Kontrollkörper: Mit der Impulsverschiebung wird zunächst der Sendeimpuls auf etwa 0 SKT gestellt (Am besten mit nicht angekoppeltem Prüfkopf) Dann wird mit Hilfe der Impulsverschiebung das erste Justierecho in die Sollposition gebracht. Danach wird mit den Bereichsstellern der Abstand zwischen erstem und drittem Rückwandecho auf RTT ⋅=Δ 2 eingestellt. Abschließend werden die Justieranzeigen mit der Impulsverschiebung in die Sollpositionen verschoben und eventuelle Kennzeichnungen am Bildschirm vorgenommen.

Messung: Senkrechteinschallung: Da zuvor k ermittelt wurde, kann die Tiefe des Echos mittels

Tks ⋅= ermittelt werden. T wird dabei von der Bildschirmskala abgelesen. Empfangen werden dabei aber nur Echos, deren Quelle (der Fehler) parallel zur Prüffläche liegen. Mittels Halbwertsmethode kann die Größe eines Fehlers in Prüfrichtung ermittelt werden. Halbwertsmethode: Eine genauere Definition wird in der Vorlesung „zerstörungsfreie Werkstoffprüfung“ gegeben. Hier nur ein kurzer Anriss: Man fährt mit dem Prüfkopf über die Fläche, bis man das Maximum des Fehlerechos erreicht hat. Anschließend fährt man in beiden Richtungen den Fehler ab, bis die halbe Echoamplitude erreicht ist. An diesem Punkt befindet sich der Anfang bzw. das Ende des Fehlers. Schrägeinschallung: Um Schall schräg in Prüfgegenstände einleiten zu können, muss der Schwinger im Prüfkopf geneigt oder der Prüfkopf selbst schräg zur Prüffläche geführt werden. Der dadurch zwischen Schwinger und Prüffläche entstehende keilförmige Raum muss durch ein schall-leitendes Medium ausgefüllt werden. In der Praxis haben sich dafür Plexiglas und Wasser besonders bewährt. Praktisch umgesetzt wird dies zum Beispiel in Senkrechtprüfköpfen.

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Abb. 72: Schrägeinschallung mit Winkelprüfkopf zur Fehlerdetektion Kenngrößen: Ausbreitungsgeschwindigkeit:

Longitudinalwellen: 21

)1()1()1(

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅+⋅

−⋅=

υυρυEvl

Transversalwellen: 21

)1(2 ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+⋅⋅

=υρ

Evt

Beziehung zwischen den beiden Wellenarten:

21

)1(21

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅

−=

υυ

lt vv

Rayleigh-Wellen (Oberflächenwellen)

fO-Wellen: tO vS

Ev ⋅≈⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+⋅⋅

⋅−

⋅+= 9,0

)1(2112,187,0 2

1

υυυ

Fokusdurchmesser für die Schwächung um 6 dB:

4][ 6

SchwingerdBFokus

DD ≈−

2][ 20

SchwingerdBFokus

DD ≈−

SchwingerdBBündel D

sD ⋅≈−

λ6][

DsD dBB

⋅⋅≈−

λ2][ 20

Nahfeldabstand:

λ⋅=

4

2DN

Divergenzwinkel -6dB:

DdBλθ ⋅≈− 5,0][sin 6

E Elastizitätsmodul ρ Dichte des Werkstoffes ν Poissonzahl S Plattendicke s Abstand vom Schwinger

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Fehlerdetektion: In der Ultraschallprüfung sind, je nach Prüfkopf Fehler unterschiedlicher Orientierung und Tiefe detektierbar. Nur bei Fehlern, die parallel zur Schallrichtung liegen und bei Gefügen, die die Schallwellen streuen gibt es Probleme. Geometrische Formen und daraus resultierende Schatten können durch Anlegen an einer anderen Stelle oder Variation des Prüfkopfes umgangen werden. Durchstrahlungsprüfung (RT): Ein weiteres Verfahren, welches Fehler auch im Inneren des Werkstoffes detektieren kann, ist die Durchstrahlungsprüfung. Da die meisten Werkstoffe, speziell Metalle im sichtbaren Licht undurchsichtig sind, bedient man sich Strahlenarten, welche die Proben durchdringen können. Dabei stehen zwei Arten aus dem Spektrum zur Verfügung: Einerseits die Röntgen- oder auch X-Strahlung und zum anderen Gammastrahlung. Da diese beiden Strahlenarten krebserregend und stammzellenschädigend sind, ist dabei jedoch besondere Vorsicht geboten, weshalb Einrichtungen, die sich dieses Verfahrens bedienen, einen Strahlenschutzbeauftragten einstellen müssen, der dafür sorgt, dass die Sicherheitsrichtlinien eingehalten werden, und außerdem einen strahlensicheren Raum, der die Prüfvorrichtung beherbergt. Beides ist mit materiellem und finanziellem Aufwand verbunden. Erzeugung von Röntgen- und Gammastrahlung Röntgenstrahlung: Röntgenstrahlung ist die Bremsstrahlung von abgebremsten Elektronen. Dazu sind drei wesentliche Schritte nötig:

1. Erzeugung der Elektronen 2. Beschleunigen der Elektronen 3. Abbremsen der Elektronen

Die Elektronen werden in einer Glühkathode erzeugt, indem durch eine Spannung diese Kathode bis zum Glühen aufgeheizt wird. Durch die Hochspannung (10.000-100.000V) zwischen dieser Kathode und der auf der anderen Seite der Röhre befindlichen Anode werden diese Elektronen in Richtung Anode beschleunigt. Um eine möglichst hohe Ausbeute zu erhalten, wird ein so genannter Wehnelt-Zylinder hinter der Kathode eingebaut, der den Elektronenstrahl bündelt und die Elektronen weiter beschleunigt. An der Stelle, wo sich das Austrittsfenster der Röhre befindet, sitzt ein Target, auf das der Strahl auftrifft. Durch dieses abrupte Abbremsen wird Strahlung freigesetzt, die größtenteils (ca. 99%) aus Wärmestrahlung besteht und nur zu etwa 1% aus Röntgenstrahlung. Durch die schräge Anordnung des Targets wird die austretende Strahlung gerichtet in Richtung Austrittsfenster und somit aus der Röhre emittiert. Alle Anteile an Strahlung, die nicht auf das Fenster gerichtet sind, werden durch ein Metallgehäuse nach außen hin abgeschirmt. Da der größte Teil der Strahlung jedoch Wärmestrahlung ist, benötigt man ein Target, welches einen hohen Schmelzpunkt aufweist und gute Wärmeleiteigenschaften besitzt. Daher wird meistens Wolfram für diesen Zweck verwendet. Um einen schnelleren Wärmetransport zu gewährleisten, wird das Target außerdem gekühlt. Die Röntgenstrahlung besitzt jedoch nicht nur eine einzige Wellenlänge sondern einen ganzen Bereich des elektromagnetischen Spektrums, was für verschieden hohe Energien spricht. Dabei wird zum Beispiel zwischen weicher und harter Röntgenstrahlung unterschieden. Durch die angelegte Hochspannung lässt sich die Energie der Elektronen und somit der Röntgenstrahlung variieren. Durch vorgelegte Filter am Austrittsfenster lassen sich außerdem bestimmte Frequenzen

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ausblenden, um einen definierten Frequenzbereich und somit Strahlung einer bestimmten Energie austreten zu lassen.

Abb. 73: Entstehung von Röntgenstrahlung in einer Röntgenröhre Gammastrahlung: Im Gegensatz zur Röntgenstrahlung bedient man sich bei der Gammastrahlung natürlicher Strahlungsquellen, so genannten Isotopen. Verwendung finden dabei vor allem Iridium 192 (92IR); Cobalt 60 (60Co) und Selen 75 (75Se). Während. Im Atomkern dieser strahlenden Atome befindet sich eine größere oder kleinere Anzahl an Neutronen als im stabilen Atom. Dadurch versucht der Atomkern, sich der überflüssigen Neutronen zu entledigen, der Kern zerfällt. Durch diesen Zerfall wird Strahlung frei, die sich in Alpha-, Beta-- und Gammastrahlung unterscheiden kann. Da die ersten beiden Arten aufgrund ihrer geringen Energie keine große Reichweite haben (α-: 5cm; β--: 15cm), verwendet man in der ZfP ausschließlich die Gammastrahler (Außer natürlich Röntgenröhren). Da diese Gammastrahlen in alle Richtung gleichmäßig abgegeben werden, muss ein Aufbewahrungsbehälter für solche Isotopenproben ganz besondere Eigenschaften besitzen, die im „Aufbau von Gammastrahlengeräten“ näher erläutert werden. Eigenschaften der Strahler: Röntgenröhre: Die Röntgenröhre wird charakterisiert durch

maximale Betriebsdaten (Umax; Imax) Dosisleistungskonstante Γ bei maximaler Betriebsspannung Brennfleckgröße

Gammastrahler: Aktivität A0 zu einem bestimmten Datum Halbwertszeit Dosisleistungskonstante Γ Brennfleckgröße α (Durch die Geometrie des Isotops definiert)

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Weitere Eigenschaften beider Strahlungsarten: Ionisierung: Röntgen- und Gammastrahlen können Elektronen aus der Elektronenhülle schlagen und so das Material ionisieren Ionisierende Strahlung Nichtleitende Stoffe (Gase) werden leitfähig (Möglichkeit zum Nachweis der Strahlung und der Dosisleistung Szintilationszähler, Geigerzähler) Fluoreszenz: Sichtbare Lichtaussendung bei einigen Substanzen (ZnS, CaWO4) chemische (fotographische) Wirkung: Zerstörung organischer Substanzen Verfärbung von Gläsern und Kristallen (Rauchquarz) Beeinflussung fotographischer Emulsionen Biologische Wirkung: Wirkung auf lebende Zellen (Krebserzeugung, Abtöten von Zellen/ Krebszellen, Zerstörung und DNS-Veränderung von Stammzellen)

Abb. 74: Dosisleistung von Röntgenstrahlung in Abhängigkeit von der Energie. EG: Grenzenergie= maximale Energie der Röntgenstrahlung

Abb. 75: Spektrum von Röntgenstrahlung bei konstanter Röhrenspannung

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Abb. 76: Spektrum von Röntgenstrahlung bei konstantem Röhrenstrom

Abb. 77: Halbwertszeit von Iridium 192: HWZ= 74Tage

Abb. 78: Spektrum von Iridium 192 und Cobalt 60 im Vergleich Aufbau von Durchstrahlungsanlagen: Röntgenröhren: Prinzipiell werden zwei Röhren unterschieden: Eintankanlagen, bei denen die Generatoren mit der Röhre in einem Gehäuse untergebracht ist und Mehrtankanlagen, die mehrere Gehäuse für die jeweiligen Aggregate enthalten, wodurch die Bauform wesentlich kompakter ausfällt. Eine Röntgenröhre ist prinzipiell recht einfach aufgebaut. Die evakuierte Röhre, die aus Glas besteht und in ein Metallgehäuse eingearbeitet ist, enthält eine Kathode, die an einen Heizgenerator angeschlossen ist und eine Anode. Zwischen den beiden wird mittels Hochspannungsgenerator eine Spannung angelegt, die den Elektronenstrahl auf ein Target beschleunigt wird. Dieses Target befindet sich über einem Austrittsfenster, das in das Metallgehäuse eingearbeitet ist und wird

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mittels Wasserkühlung, die von einem Kühlaggregat außerhalb der Röhre aus über Wasserleitungen gekühlt wird. (Siehe Abb. 79)

Abb. 79: Mehrkammerröntgenröhre Gammastrahlengeräte: Da die Gammastrahler natürliche Strahlenquellen sind, fällt der Aufwand für die Strahlenerzeugung denkbar einfach aus: Der Strahler muss einfach an das Werkstück herangeführt werden. Da man aber schwer die Strahlen lenken kann, ist eine entsprechende Abschirmung notwendig. Dabei befindet sich in der Transportstellung der Strahler eingefahren im Transportbehälter, der aufgrund dickwandiger Metallverkleidung das Austreten von Strahlung verhindert (Abbildung 80). An diesen Transportbehälter wird eine Fernbedienung, einer großen Bowdenzugtrommel mit Kurbel, und auf der anderen Seite ein Kollimator, das ist ein Aufsatz, der die Strahlung des Isotops lenkt, angeschlossen. Erst, wenn das geschehen ist, lässt sich mittels Sicherheitsschlüssel das Gerät entsichern und der Strahler mittels Fernbedienung ausfahren. Außerdem gibt es alle möglichen Zubehörgeräte, um auch in schwer zugängliche Örtlichkeiten vordringen zu können, ohne die Umgebung zu verstrahlen.

Abb. 80: Gammastrahlengerät mit Zubehör

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Strahlschwächung, Wechselwirkungseffekte Strahlung, die durch ein Werkstück geht, wird geschwächt, das heißt, die Dosisleistung der Strahlung hinter dem Werkstoff ist kleiner als die Dosisleistung der eintretenden Primärstrahlung. Die Schwächung hängt ab:

1. von der Energie der Strahlung, d.h. von der eingestellten Spannung U bzw. vom verwendeten Gammastrahler

2. von der durchstrahlten Dicke w 3. vom durchstrahlten Werkstoff, d.h. seiner Dichte und seiner chemischen Zusammensetzung

Die Schwächung ist stets auf die Dosisleistung bezogen! Die Schwächung der Dosisleistung setzt sich aus Absorption und Streuung der Strahlung zusammen. Beim Anteil der Strahlung, die gestreut wird (Streustrahlung), wird die Ausbreitungsrichtung der Strahlung verändert und ihre Energie vermindert. Man versteht unter Primärstrahlung die gesamte Strahlung vor, im und hinter einem Werkstück, die exakt die Richtung der ursprünglich von der Strahlenquelle herkommenden und auf die Abschirmung auffallenden Strahlung hat. Alles andere fällt unter den Begriff Streustrahlung.

Abb. 81: Schwächung von Strahlung in einem Werkstoff Schwächungsmechanismen: Photoabsorption τ: Die Energie des Quants reicht aus, um ein Elektron aus der äußersten Schale herauszulösen. Sie muss somit mindestens gleich der Ionisationsenergie des getroffenen Atoms sein. Ist die Energie größer, so wird sie dem abgetrennten Elektron als Bewegungsenergie mitgegeben oder es wird ein Elektron aus der inneren Schale herausgelöst.

Abb. 82: Photoabsorption

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Klassische Streuung σkl: Hier wird ein Quant an einer inneren Elektronenschale lediglich abgelenkt, es findet kein Energieverlust statt. Das Quant ändert somit lediglich seine Richtung, aber nicht seine Wellenlänge.

Abb. 83: klassische Streuung Comptonstreuung σC: Das Strahlenquant führt mit einem Elektron einen elastischen Stoß aus. Dabei wird das Elektron aus der Schale herausgeschlagen und fliegt als freies Compton-Elektron weg. Das Quant verliert dadurch einen Teil seiner Energie. Der Energieverlust ist dabei vom Auftreffwinkel zwischen Elektron und Quant abhängig. Beim frontalen Zusammenprall fliegt das Elektron in der Richtung des ankommenden Quants mit größter Energie davon, das Quant selbst wird zurückgeworfen (Rückwärtsstreuung) und erleidet den größten Energieverlust.

Abb. 84: Comptonstreuung Paarbildung π: Ist die Quantenenergie E > 1,022 MeV, so verwandelt sich das Quant beim Aufprall auf einen Kern in ein Elektron (e-) und ein Positron (e+). Die Überschussenergie wird den Teilchen als Bewegungsenergie mit auf den Weg gegeben. Treffen Elektron und sein Antiteilchen zusammen, so vernichten sie sich gegenseitig, alles was übrig bleibt, sind zwei Streuquanten mit einer Energie E= 0,511 MeV, also Licht.

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Abb. 85: Paarbildung Schwächungsgesetz: Die Abnahme der Dosisleistung beim Durchgang durch eine Schicht kann durch

BeHH SO ⋅⋅= ⋅−

••μ

beschrieben werden. Der Schwächungsbeiwert µ fasst den Einfluss von Photoabsorption τ, Streuung σ und Paarbildung π zusammen

πστμ ++= Halbwertsschicht: Ein weiteres Maß für die Schwächung ist die Halbwertsschicht. Wie der Name schon sagt, ist dies die Materialdicke eines Materials, durch die die Dosisleistung auf die Hälfte geschwächte wird. Gelegentlich wird zur Beschreibung der Schwächungswirkung eines Materials der Schwächungsgrad FN genommen. Der Schwächungsgrad ist das Verhältnis der Dosisleistungen vor und hinter dem Prüfgegenstand.

=H

HF ON

Bildqualität: Die Bildqualität kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden:

Kontrast geometrische Unschärfe. Körnigkeit (innere Unschärfe).

Kontrollierbar ist diese mittels verschiedener Verfahren, wobei hier jedoch nur der Bildgüteprüfkörper nach DIN-EN 462 vorgestellt werden soll. Kontrast: Wie in der VT schon erklärt, ist der Kontrast der Intensitätsunterschied zwischen einem Objekt und seiner Umgebung (z.B. Hintergrund). In der RT ist dieser durch verschiedene Faktoren steuerbar.

H Dosisleistung nach der Schicht s

OH•

Dosisleistung vor der Schicht s

µ Schwächungskoeffizient (-beiwert)

B Aufbaufaktor

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Die Energie der Strahlung: Das Absenken der Energie bei Röntgenstrahlern bzw. der Einsatz von Röntgenanlagen statt der relativ einfacher anzuwendenden Gammastrahlung bringt bei dünneren Wanddicken einen so deutlichen Kontrastgewinn, dass auch kleinere Fehler nun entdeckt werden können. Mindestschwärzung: Die Schwärzung des Films führt ebenfalls zur Kontraststeigerung. Dabei wird je nach Prüfklasse eine Schwärzung D= 2,0 (Prüfklasse A) D= 2,3 (Prüfklasse B) gefordert (DIN-EN 444). Streustrahlung: Streustrahlung setzt sich zusammen aus der Strahlung der Umgebung und der Strahlung, die aufgrund von Streueffekten (Siehe Punkt: Schwächungsmechanismen) innerhalb des Materials. Durch den Einsatz von Blenden (Röntgenstrahlung), Kollimatoren (Gammastrahlung), sowie Seiten-, Rand- und Rückenabdeckungen kann diese reduziert werden. Geometrische Unschärfe: Betrachtet man eine Kante im Durchstrahlungsbild, die mit einem „idealen“ punktförmigen Strahler aufgenommen wird, so ist zu erkennen, dass die Kante als scharfe Linie abgebildet wird, dabei ist unerheblich, wie groß der Abstand f: Strahlenquelle-Prüfstückoberfläche ist. Anders verhält es sich mit einem „realen“ endlichen Strahler. Hier wird eine Kante nicht mehr als Linie sondern als Fläche abgebildet, d.h. Die Aufnahme hat eine geometrische Unschärfe ug. Diese wird bestimmt durch die Brennfleckgröße d, die Werkstückdicke s und den Abstand f: Brennfleck (Fokus) -Prüfstückoberfläche. Mit Hilfe des Strahlensatzes kann ug ermittelt werden.

fdsug

⋅=

Innere Unschärfe (Körnigkeit) Im Gegensatz zur geometrischen Unschärfe ist die inner Unschärfe allein von der Körnigkeit des Films, also der Filmsorte abhängig. Ein grobkörniger Film benötigt eine geringere Belichtungszeit, ein feinkörniger Film erlaubt feinere Fehlerabbildungen. Röntgenstrahlung Gammastrahlung Strahlenquelle 100- 250kV 250- 420kV 192Ir 60Co 169Yb Folientyp ohne Blei Blei Salz(1) Salz(2) Pb Pb Stahl ohne Blei ui [mm] 0,08 0,13 0,15 0,3 0,4 0,23 0,63 0,43 0,08 0,13

Tabelle 24: Innere Unschärfe: (1) feinzeichnender Typ; (2) grobzeichnender Typ Bildgüteprüfkörper nach DIN-EN 462: In der Norm ist der Prüfkörper ausführlicher beschrieben. Der Drahtstegprüfkörper ist eine Ansammlung von Drähten definierter Dicke d und Dickenabstufung, die in eine Kunststoffpackung eingeschweißt sind. Je nachdem, welcher Draht gerade noch zu erkennen ist, wird die Bildgüte festgestellt. Je nachdem, welches Material geprüft werden soll, stehen Bildgüteprüfkörper aus

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verschiedenen Materialien zur Verfügung. Die Kennzeichnung, die mittels Bleibuchstaben in den Kunststoff mit eingeschweißt sind (Siehe Abbildung 86), ist folgendermaßen Bsp.: 10FE DIN 10: Bildgütezahl (BZ) 10 des gröbsten Drahtes. FE: Eisenwerkstoff DIN: genormt nach DIN/ E: geprüft nach EN. Abb. 86: Bildgüteprüfkörper d 3,2 2,5 2,0 1,6 1,25 1,0 0,8 0,63 0,5 0,4 BZ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 d 0,32 0,25 0,2 0,16 0,125 0,1 0,08 0,063 0,05 BZ 11 12 13 14 15 16 17 18 19 Tabelle 25: Drahtnummern und dazugehörige Drahtdurchmesser Bezeichnung Drahtnummern Drahtwerkstoff prüfbares Material 1FE 1-7 Stahl unlegiert Eisenwerkstoffe 6FE 6-12 10FE 10-16 13FE 13-19 1CU 1-7 Kupfer Kupfer und seine

Legierungen 6CU 6-12 10CU 10-16 13CU 13-19 1AL 1-7 Aluminium Aluminium und seine

Legierungen 6AL 6-12 10AL 10-16 13AL 13-19 1TI 1-7 Titan Titan und seine

Legierungen 6TI 6-12 10TI 10-16 13TI 13-19 Tabelle 26: Erklärung zu den Bezeichnungen des Bildgüteprüfkörpers Belichtungsdiagramme Bei Belichtungsdiagrammen wird auf der x-Achse die Werkstoffdicke und auf der y-Achse die Belichtungsgröße angegeben. Durch Variieren der Belichtungsspannung kann man, wenn man die Filmsorte und den Werkstoff berücksichtigt, alle Daten für eine ordentliche Belichtung sammeln. (Siehe Anhang) Parameter:

Filmsorte Film-Fokus-Abstand (FFA) Bei Röntgenverfahren Spannung U

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Korrekturen haben zu erfolgen bei anderen Werkstoffen (Siehe Tabelle 27) bei größerer oder geringerer Schwärzung bei anderem Abstand bei anderer Filmsorte

Umrechnungsfaktor CWS Strahlung Röntgen 192Ir 60Co U [kV] 100 150 200 400 Mg 0,05 0,05 0,08 Al 0,08 0,12 0,18 Stahl 1 1 1 1 1 1 Cu 1,6 1,6 1,5 1,5 1,1 1,1 Zn 1,4 1,3 1,3 1,1 1,1 Messing 1,4 1,3 1,3 1,1 1,1 Pb 14 12 4,0 2,3 Tabelle 27: Umrechnungsfaktor für verschiedene Materialien Außerdem gibt es verschiedene Umrechnungsformeln, um Belichtungsdiagramme auch auf andere Umstände anwenden zu können. Korrektur für den Werkstoff:

WSWSFe CWW ⋅= Korrektur für die Schwärzung:

alt

neualtneu S

SBB ⋅=

Korrektur für den FFA:

2

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅=

alt

neualtneu FFA

FFABB

Korrektur für die Filmsorte:

alt

neualtneu RBF

RBFBB ⋅= RBF: Relativer Belichtungsfaktor

kombinierte Korrektur:

alt

neu

alt

neu

alt

neualtneu S

SFFAFFA

RBFRBFBB ⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅⋅=

2

Kenngrößen: Dosis H [Sv] (1 Sievert): Die Dosis H ist die Wirksamkeit einer Strahlung. Dort, wo sie auf Materie auftrifft, wird sie durch die Strahlenmenge gekennzeichnet. Die Strahlenmenge wird in der Radiographie Dosis genannt. Die Dosis lässt sich aus der Dosisleistung H berechnen

tHH ⋅=•

RBF Relativer Belichtungsfaktor

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Dosisleistung •

H [Sv/h]: Die Dosisleistung entspricht der Dosis, die in einer bestimmten Zeit aufgenommen wird. Daher errechnet sie sich aus

tHH =

Die Dosisleistung der Röntgenröhre hängt ab von Röhrenspannung U (Üblich 15…420kV) Röhrenstromstärke I (Üblich 2…80mA) Aktivität, Halbwertszeit: Bei Gammastrahlern misst man nicht die Dosis oder Dosisleistung sondern die Aktivität. Aktivität A [Bq] (1 Becquerel): Die Aktivität gibt an, wie viele Zerfallsprozesse gerade stattfinden. Halbwertszeit HWZ [s; h; d; a] (1Sekunde; 1Stunde; 1Tag; 1Jahr): Die Halbwertszeit gibt die Zeit an, in der die Aktivität eines Isotops auf die Hälfte gefallen ist (siehe Abbildung 77) Fehlerdetektion: Die Durchstrahlungsprüfung kann Fehler erfassen, die einen entsprechend großen Durchstrahlungsweg bezogen auf die Umgebung haben und sich bezüglich des Schwächungskoeffizienten unterscheiden. Volumenfehler lassen sich erfassen. Lediglich flächige und lineare Fehler, die mit der Kante zur Strahlenquelle liegen, können schwer oder gar nicht erfasst werden. Schadensanalyse: Vorgehensweise: Ziel: Ziel der Schadensanalyse ist es, den Grund für ein Bauteilversagen zu finden und das Vorbeugen von Schäden durch Veränderungen an:

Konstruktion Werkstoffauswahl Fertigungsprozess Prüfverfahren Betriebsbedingungen Inspektionsintervalle

und durch den Austausch von schadhaften Bauteilen.

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Informationen über den Schadensfall: Für Untersuchungen des Schadens sind Informationen über

Werkstoffart Wärmebehandlung des Bauteils Herstellung, Fertigung, Abnahmeprüfung Konstruktion des Bauteils (Kritische Stellen?) Funktion und Position des Bauteils Betrieblicher Lebenslauf (Alter, Betriebsdauer, Vorschäden, Reparaturen, Überholung,

Inspektionsintervalle, Änderungen im Betrieb, Überlastung, Stillstände) Umgebungsbedingungen (Temperatur, Druck, korrodierende oder erodierende Medien) Betriebsbedingungen (Anfahren, Voll-, Teil- oder Überlast, Heiz- und Kühlphasen) Unfallablauf Ereignisse nach Eintritt des Schadens

notwendig. Meist steht einem jedoch nur ein Teil der Angaben zur Verfügung, da nicht immer alle Bauteile geprüft und alle Maschinen scheckheftgepflegt sind. Einteilung, Ursachen und Kennzeichen der Brüche: Eine Bruchfläche kann sehr viel über die Ursache des Bauteilversagens aussagen. Demnach kann man Brüche unterteilen:

nach der Höhe der Beanspruchung: Niederspannungsbruch Fließspannungsbruch

nach dem Grad der makroskopisch-plastischen Verformung: Sprödbruch Zähbruch Mischbruch

nach dem Erscheinungsbild der Bruchfläche (Fraktographie) Orientierung:

90° zur Beanspruchungsfläche: Normalspannung 45° zur Beanspruchungsfläche: Schubspannung

Reflexionsvermögen Topographie der Oberfläche:

transkristallin interkristallin Haltelinien Restbruchfläche

nach der Belastungsart Kräfte Momente nach der Beanspruchungsart mechanisch thermisch chemisch

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Durchführung der Schadensanalyse: Zuerst muss die Vorgehensweise der Schadensanalyse und der Umfang mit dem Antragsteller abgestimmt werden. Anschließend wird der Prüfablauf, also die Reihenfolge der Untersuchungen festgelegt. Danach erfolgt die Bestimmung der Bruchart auf makroskopischem und mikroskopischem Weg. Beispiel: Von 250 Schadensuntersuchungen an Luftfahrzeugen waren 28% der Brucharten makroskopisch eindeutig zu ermitteln 42% der Brucharten makroskopisch vermutet und mikroskopisch abgesichert zu ermitteln 30% der Brucharten makroskopisch unsicher zu ermitteln, weshalb mikroskopische Untersuchungen notwendig waren Eventuell kann mittels Simulationsversuchen nachgeholfen werden. Nach der Bestimmung der Bruchart müssen Werkstoffuntersuchungen durchgeführt werden. Materialographie (Untersuchung der Gefügeänderungen) mechanische Prüfung chemische Prüfung zerstörungsfreie Prüfung Und zum Schluss muss über alle Ergebnisse ein Bericht angefertigt werden. Schadensaufnahme: Beweissicherung:

Alle (!) Bruchflächen müssen sichergestellt werden. Das kann manchmal etwas schwierig sein, vor allem, wenn Bruchstücke im hohen Bogen wegflogen oder tief in den Eingeweiden einer Maschine verschwinden.

Korrosionsanfällige Bruchflächen müssen geschützt werden. Dies kann man am besten mit einem Exikator oder Sprühlack realisieren. Vor allem bei leicht korrodierenden Werkstoffen wie Baustahl oder Zink ist der Korrosionsschutz notwendig.

Fotografische Aufnahmen mit Maßstab werden vom Bauteil angefertigt. Unter dem Mikroskop, zum Beispiel bei metallographischen Aufnahmen kann man den Maßstab meistens mit der Software des Mikroskops einblenden, bei Vor-Ort-Aufnahmen werden meistens Vergleichskörper neben das Objekt gestellt. Auch farbige Aufnahmen sind hilfreich, da so bestimmte Merkmale wie Schmutz oder Korrosion besser dargestellt werden.

Der augenblickliche Bruchzustand des Bauteils wird makroskopisch beurteilt. Für den Ausbau bzw. das Heraustrennen des Bauteils muss eine Anordnung erteilt

werden. Unter Umständen kann das einfache Herausreißen oder Abschlagen des Werkstücks zu weiteren Schäden und somit zur Verfälschung des Ergebnisses führen. Außerdem kann das Fehlen oder Herunterfallen des Bauteils zu weiteren Schäden führen.

Der Gesamteindruck und die Begleitumstände müssen festgehalten werden. Alle Teile müssen gekennzeichnet werden. Eine Zuordnung von Bildern oder Teilen ist

später sonst fast oder gar nicht mehr möglich.

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Werkstoffuntersuchungen im Schadensfall Mechanische Werkstoffprüfung: Durch quantitativen Vergleich der Beanspruchung mit dem entsprechenden Werkstoffkennwert kann festgestellt werden, ob der verwendete Werkstoff für die Beanspruchung überhaupt geeignet war, und ob eine falsche Auswahl der Grund für das Bauteilversagen ist. Das makroskopische Schadensbild: Der Bruch geht meistens an Stellen mit kleinen Schäden los. Die Art des Bruches kann viel über den Schadensverlauf aussagen. Ist es ein

Verformungsbruch Schwingbruch Spannungsriss …?

Was für Einflüsse hatten korrosive Medien? Gibt es Lochfraß Spaltkorrosion Spannungsrisskorrosion …

Weist der Schaden auf einen Verschleißschaden hin? Mikroskopische Werkstoffuntersuchungen Nachdem die makroskopischen Merkmale des Schadens aufgenommen wurden, wird unter dem Mikroskop weiter gearbeitet. Auf diese Weise können Daten über

den Gefügezustand Phasenanteile und –anzahl Größe, Form und Verteilung im Gefüge Orientierung und Textur interkristalline Korrosion und Aussagen zu Fehlern bei der Wärmebehandlung

Außerdem kann das Bruchbild untersucht werden, um die Bruchart und den Bruchursprung in Erfahrung zu bringen. Dies geschieht entweder mit dem Mikroskop oder, wenn vorhanden, mit einem REM. Ermittlung der Werkstoffkenngrößen Die Ermittlung der Werkstoffkenngrößen erfolgt nach den üblichen, in den vorherigen Kapiteln beschriebenen Verfahren:

Zugversuch Druckversuch Biegeversuch Torsionsversuch Härtemessung (einschließlich Mikrohärte) Kerbschlagbiegeversuch Risszähigkeitsversuch Knickversuch Schwingversuch

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Die mechanischen Verfahren beschränken sich jedoch nicht nur auf die Eigenschaften des Werkstoffs und den Unfallhergang. Des Weiteren kann der Spannungszustand im Werkstoff untersucht werden. Dabei werden drei Arten von Spannungen unterschieden: Spannungen I. Art: Diese Spannungen sind Makroeigenspannungen und sind für die Schadensanalyse besonders interessant, da hier vor allem die mechanischen Spannungen, welche durch Beanspruchung eingebracht wurden, dazu zählen. Spannungen II. und III. Art: Diese Spannungen sind Mikroeigenspannungen und entstehen unter Einfluss von Wärme. Die Ursache dafür liegt in der Herstellung, da durch Schweißen, Wärmebehandlung oder auch Zerspanprozesse erhebliche Temperaturänderungen stattfinden. Kühlung des Werkstoffs bei der Bearbeitung kann daher solche Spannungen verhindern. Da die Ursache für die Spannungen II. und III. Art temperaturabhängig sind, ist es notwendig, das Gefüge möglichst nicht durch höhere Temperaturen zu verändern, da ansonsten die Informationen verfälscht werden können. Chemische Werkstoffuntersuchungen: Die chemischen Werkstoffuntersuchungen dienen der Identifizierung des Werkstoffs Überprüfung auf Verwechselung Korrosionsuntersuchung. Allerdings kann die chemische Zusammensetzung heutzutage auch durch physikalische Untersuchungsmethoden wie EDX, WDX, Spektralanalysen und ESMA (Elektronenstrahl-mikroanalyse) bestimmt werden. Vorstellung verschiedener Rissarten: Mechanisch bedingte Risse und Brüche:

Gewaltbruch Gleitbruch (Wabenbruch)

transkristalliner Wabenbruch interkristalliner Wabenbruch

Spaltbruch transkristalliner Spaltbruch interkristalliner Spaltbruch

Mischbruch Schwingbruch

Duktiler Gewaltbruch: Der duktile Gewaltbruch oder auch Gleitbruch entsteht durch einsinnige, mechanische Überlastungen unter mäßig rascher bis schlagartiger Beanspruchung. Gleitbruch: Durch Abgleiten des Materials entlang der Ebenen der maximalen Schubspannungen kommt es zu plastischer Verformung.

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Gleitbrüche werden begünstigt durch: zähen Werkstoff einachsigen Spannungszustand niedrige Belastungsgeschwindigkeit höhere Temperaturen

Bruchformen des Gleitbruches:

reiner Scherbruch (entsteht durch Schubspannungen) Trichter-Kegel-Bruch: (beginnt im Inneren der Probe. mikroskopische

Bruchmechanismen, Einschlüsse, Ausscheidungen und Gefügeinhomogenitäten sorgen für unterschiedlichen Verformungsgrad)

fräserförmige Bruchfläche (sichtbar bei hochfesten Vergütungsstählen mit ausgeprägtem Zeilengefüge

Scherbruch Spaltbruch „Normalspannungsbruch“: Ist die auf den Werkstoff wirkende Kraft größer als die Kohäsionskräfte des Materials, kommt es zum Spaltbruch, welcher nahezu verformungslos stattfindet. Dieser Bruch ist- auch makroskopisch- als Sprödbruch einzuordnen. Teilschritte:

Rissbildung stabile Rissausbreitung (langsam) Übergang zur instabilen Rissausbreitung (schnell) instabile Rissausbreitung Rissaufweitung

Die Rissausbreitung kann sowohl transkristallin, interkristallin als auch als Mischbruch vorliegen. Schwingbruch: Der Schwingbruch wird auch als Dauerbruch, Dauerschwingbruch oder Ermüdungsbruch bezeichnet, da diese Bruchform nicht spontan oder durch Verformung sondern durch dauerhaftes Belasten des Werkstücks zustande kommt. Zunächst ist ein Anriss notwendig, der den Bruch einleitet. Dies ist meistens eine lokale Spannungskonzentration an der Oberfläche, welche verschiedene Ursachen haben kann.

Steifigkeitssprünge: Meist schroffe Querschnittsänderungen wie Wellenabsätze, Hohlkehlen, Bohrungen, Gewinde, Nuten, Einstiche usw.

Oberflächenfehler: Dies sind Kerben aller Art wie

Dreh- und Schleifriefen, Schlagstellen Überwalzungen, Überschneidungen, Dopplungen Risse durch fehlerhaftes Kugelstrahlen Einpressung anderer Bauteile, Druck- und Scheuerstellen von Sitzen eingedrückte Fremdkörper (Walz- und Schmierzunder) Korrosionsnarben, Reibkorrosion Einschlüsse, Schlacken, grobe Ausscheidungen, Lunker Schweißnahtinhomogenitäten (Poren, Bindefehler, Einbrandkerben) Phasen geringer Schwingfestigkeit (entkohlte Randzonen, δ-Ferrit)

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Durch den Anriss wird der Riss induziert. Durch Lastwechsel kommt es zum ungleichmäßigen Rissfortschritt, ein so genannter Schwingungsriss entsteht. Dieser verläuft meist senkrecht zur Richtung der maximalen Zugnormalspannung und ist anhand von Rastlinien zu erkennen. Rastlinien sind Marken, welche durch das zeitweilige Stoppen des Risses entstehen. Interferenznarben (unterschiedlich dicke Oxidschichten) deuten auf die Dauer des Stopps hin. Durch Amplitudenmodifikation, also der Änderung der Belastungskräfte, kommt es zu Rauhigkeitsänderungen. Dies ist ein Hinweis sowohl auf den Bruchursprung als auch die Betriebsbedingungen. Fehlende Rastlinien sind kein Kriterium, um einen Schwingungsriss auszuschließen! Es existieren nie mehr Rastlinien als Lastwechsel! Aufgrund der Schwingungen im Bauteil wird die Bruchfläche oft glatt gehämmert! Wenn die Querschnittsfläche aufgrund des Rissfortschrittes zu klein wird, um den Belastungen standzuhalten, kommt es zum Gewaltbruch. Dies ist an der Restbruchfläche zu erkennen, welche meist einen Gleitbruch darstellt. In spröden Materialien ist der Restbruch meist durch Misch- oder Spaltbrüche charakterisiert. Erscheinungsformen: Durch die Änderung der

Belastungsart (Zug, einseitige, doppelseitige oder umlaufende Biegung) Kerbform (eng begrenzt, umlaufender Rund- oder Spitzbruch) Höhe der Nennspannung

Außerdem sind Rückschlüsse aus

der Größe und Lage der Restbruchfläche dem Verlauf der Rastlinien

zu ziehen. Erkennungsmerkmale des Schwingbruchs:

feinstrukturierter Schwingungsriss oder –risse und raue Restbruchfläche Rastlinien im Bereich des Schwingungsanrisses (nicht immer vorhanden!)

Maßnahmen zum Verhindern von Schwingungsrissen: konstruktiv (Abbau der Spannungsspitzen) Oberflächenqualität (Schleifmarken, Narben, Poren verhindern) Druckeigenspannungen (Festwalzen, Sand- bzw. Kugelstrahlen, Nitrieren) Abbau von Zugeigenspannungen (Glühen nach dem Schweißen) geeignete Werkstoffauswahl Probleme bei der praktischen Bruchbestimmung: Mit dem Abnehmen der Duktilität eines Werkstoffs, (z.B. bei hochfesten Stählen, Al.-, Mg.- oder Ti.-Legierungen) verblassen oftmals die Schwingungslinien, welche für den Schwingungsriss charakteristisch sind. Außerdem können Bruchflächen fehlinterpretiert werden. So werden kristallographisch orientierte Strukturen in Co.- und Ni.-Basislegierungen häufig mit Spaltbrüchen verwechselt. Ein Vergleich mit bekannten Bruchflächen hilft, dies zu vermeiden. Außerdem können spröde Einschlüsse wie z.B. Mg.- und Al.- Gusslegierungen das Ergebnis verfälschen.

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Korrosionsbedingte Risse und Brüche

interkristalline Korrosion interkristalline Spannungsrisskorrosion anodische Spannungsrisskorrosion H2-induzierte Risse und Brüche H2-induzierte Spannungsrisskorrosion Schwingungsrisskorrosion Lötbruch

Thermisch bedingte Risse und Brüche

Kriechbrüche Schweißrisse Heißrisse Härterisse Schleifrisse Wärmeschockrisse

In Verbrennungskraftmaschinen (z.B. dem Motor des Autos), Wärmekraftanlagen oder Chemieanlagen ist der Werkstoff häufig hohen thermischen Beanspruchungen ausgesetzt. Die Festigkeits- und Korrosionseigenschaften sind daher bei diesen erhöhten Temperaturen entscheidend für das Verhalten des Materials. Die Kristallerholungstemperatur TK ( ][4,0 KTS⋅≥ ) hat zum Beispiel einen starken Zeiteinfluss auf die Warmstreckgrenze. Unterschieden werden Kaltrisse: Es gibt zwei Arten von Kaltrissen. Aufhärtungsrisse, wie sie zum Beispiel in Schweißnähten auftauchen können, entstehen durch hohe thermisch bedingte Spannungen. oder durch ausscheidungsbedingte Versprödung. Unterplattierungsrisse entstehen zum Beispiel durch das Plattieren von Reaktordruckgefäßen, wie es bei wasservergüteten (gehärtet und mit Wasser abgeschreckt) Feinkornbaustählen der Fall ist. Außerdem können interkristalline Unterplattierungsrisse beim Spannungsarmglühen entstehen. Dabei reichern sich diese Überlappungen an den Korngrenzen an, wobei es durch Ausscheidungen zur Kornverfestigung kommt. Heißrisse: Heißrisse können durch verschiedene Bearbeitungsformen mit hoher Temperatureinwirkung entstehen. So zum Beispiel durch Schweißen, Gießen oder auch Warmumformen. Verantwortlich für dieses Problem sind oftmals die Elemente Schwefel, Phosphor, Niob und Silizium, die oftmals als Sulfide, Phosphide, Silizide, Karbide und Karbonitride vorkommen. Im Ferrit ist die Löslichkeit dieser heißrissfördernden Elemente dabei größer als im Austenit, weswegen ferritische Stähle anfälliger sind.

Einfluss auf Heißrissbildung: Ausdehnungskoeffizient (Austenit hoch) Wärmeleitfähigkeit (Austenit gering) Bauteilgeometrie Gefüge (Feinkorn günstig)

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Des Weiteren verliert der Werkstoff durch thermisch aktivierte Prozesse die Formänderungsfestigkeit. Dies entsteht ab etwa 0,3.TS [K]. Ein Beispiel dafür ist das Kriechen, welches im Kapitel Statische Festigkeits- und Verformungsprüfungen näher beschrieben wurde. Erstarrungsrisse: Erstarrungsrisse sind primär, also während des Herstellungsprozesses auftretende Risse. Indem die Restschmelze vor der Kristallisationsfront angereichert ist, können Schrumpfungen zwischen den Dendriten nicht mehr übertragen werden. Aufschmelzungsrisse: Aufschmelzungsrisse entstehen sekundär, also in der Weiterverarbeitung (z.B. Schweißen). Niedrigschmelzende Bereiche zwischen den Kristalliten schmelzen auf und können beim anschließenden Erstarren Risse bilden. Gefügeänderungen: Subkorngrenzen: Versetzungen, die mit ihrer Beweglichkeit für die Duktilität des Werkstoffes sorgen, bilden Subkorngrenzen und sorgen so für eine Gefügeänderung. Ausscheidungen: Durch geringe Kohlenstofflöslichkeit werden Karbide an den Korngrenzen angelagert. Zeitstandsporen: Zeitstandsporen können durch homogene oder heterogene Porenbildung entstehen: homogene Porenbildung ist abhängig von: Leerstellenkonzentration Versetzungsaufstau Korngrenzengleiten heterogene Porenbildung ist abhängig von Blockieren von Versetzungen entlang der Korngrenzen Ausscheidungen Verunreinigungen Phasengrenzablösungen zwischen Ausscheidungen und Gleitebenen Bruchsicherheitsnachweis für schwingende Beanspruchung: Schwingungssichere Bemessung (safe life) Keine Ermüdungsrisse während Nutzungsphase ausfallsichere Bemessung (fail safe) oder schadenstolerante Bemessung (damage tolerance) Da ein Anriss ohne Versagen des Bauteils vorhanden sein kann, ist es notwendig, regelmäßige Inspektionen durchzuführen.

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Quellenangaben:

Werkstoffprüfung. Horst Blumenauer. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig, Stuttgart

Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung 15. Aufl.; Wolfgang Weißbach Vieweg Wiesbaden 2004

Maschinenelemente 11. Aufl.; H. Haberhauer & F. Bodenstein; Springer-Verlag Berlin; 2001

Dubbel: Taschenbuch für den Maschinenbau 19. Aufl.; W. Beitz & K.-H. Grote; Springer-Verlag Berlin 1997

Fundamentals of Materials Science and Engeneering, an interactive e-text; 5th ed.; W.D. Callister; J. Whiley & Sons Inc. 2001

Oberflächenfehler an kaltgewalztem, unbeschichtetem Feinblech 2. Aufl.; VDEh; Verlag Stahleisen GmbH Düsseldorf 1996

Lehrgangsunterlagen DGZfP 1.Aufl.;; Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung; 2006

www.wikipedia.de www.gina.uni-siegen.de/elek_mic/6mb_anwend/62mb_bruch/mb_bruch.html www.iwf.ing.tu-bs.de

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Anhang mobile Härteprüfverfahren:

Mobile Prüfverfahren

Mit Indenter Ohne IndenterIndirekte Verfahren

statisch dynamisch

Laterale Länge Andere Messgrößen

Eindringtiefe

Längen-messung nach Entlastung

Längenmessung Unter Last

Shorehärte A-D Frequenz-verschiebung

UCI

Elektrischer Widerstand

Senkrecht zurOberfläche

Parallel zurOberfläche

Dynamisch-elastisch

(Rücksprung)

Dynamisch-plastisch

Ritzen

Steroskop

Duroskop

Scherkraft

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Anhang Schadensanalyse:

Bruchbilder in Abhängigkeit von Belastung und Kerbform

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Anhang Durchstrahlungsverfahren:

Belichtungsdiagramm für einen Film Agfa-Gev. D7 mit beidseitig angebrachten Kontrastverstärkerfolien aus Blei, 0,02mm dick; für eine Röhre ISOVOLT 320/13 mit Filmfokusabstand 800mm; Eisenwerkstoff

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Anhang Bruchbilder:

Wabenbruch transkristalliner Bruch

interkristalliner Bruch Interkristalliner Sprödbruch

Mischbruch Schwingbruch

Verformungsbruch eines Polymerwerkstoffes Bruch eines Faserverbundwerkstoffes