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Lokale Kultur16 Dienstag, 4. Februar 2014

Eine Partitur im eigentlichen Sinne gibtes zu Ligetis Stück nicht. Stattdessen einschmales Heft mit Anweisungen, das aucheinige Informationen zu seiner Entstehungenthält. Ursprünglich sah der Komponist100 Metronome vor, zur Aufführung seinesStückes – in Affstätt waren es, nach langenWochen der Suche, schließlich 78.

Am Sonntag stellten sich die Besitzerder Metronome schon eine Stunde vor Be-ginn des Gottesdienstes ein, zur tickendenGeneralprobe – sie verlief reibungslos, wieThomas Scheiflinger, Musikstudent undmusikalischer Leiter der Aufführung, da-nach berichtete. Als dann die AffstätterGemeinde im Gotteshaus ankam, warendie ungewöhnlichen Instrumente bereitsaufgezogen und im Raum verteilt.

Im Stuhlkreis im Altarraum

Ligeti sah eine pyramidenförmige An-ordnung der Metronome vor, vielleicht,weil dies die gebräuchlichste Form des Ge-rätes ist. In Affstätt wich man von dieserAnweisung ab, nicht nur, weil die gefor-derte Anzahl an Metronomen nicht voll-ständig zur Verfügung stand, sondern auchdes Platzes halber. Also postierte man dieTaktgeber hier und dort: auf einem Stuhl-kreis im Altarraum, auf dem Taufbecken,auf den Kirchenbänken, sogar auf der Em-pore, auf der Orgel standen sie. Viele vonihnen stammten natürlich aus dem Besitzder Herrenberger Musikschule, viele wur-den auch von Privatpersonen gebracht.Einzige Bedingung des Komponisten: ummechanische Geräte sollte es sich handeln,keinesfalls um elektronische, digitale. DieAvantgarde von 1962 umweht heute alsoein leichter Hauch von Nostalgie.

Brigitte Schäfer hatte die Idee, diesePerformance in einen Gottesdienst einzu-binden. Schäfer ist Kirchengemeinderätin,Mitarbeiterin des Arbeitskreises, der in

Affstätt: In der Kirche kommt ein ungewöhnliches, rhythmisches Projekt zur Aufführung

78 Metronome finden sich schließlich ein

Von Thomas Morawitzky

Sie sind gekommen, alle haben sie ihreMusikinstrumente mit sich gebracht.Aber das sieht ganz anders aus, als manes sich vorstellt. Als Musikinstrumentenämlich bezeichnete der KomponistGyörgy Ligeti die Metronome, die be-nötigt werden, um sein „Poème Sym-phonique“ aufzuführen – eine mecha-nische Musik erfüllte am Sonntag-abend die Affstätter Kirche, und dieGemeinde dort machte sich Gedankenüber das Verrinnen der Zeit.

Affstätt die Gottesdienste ausrichtet,selbst Theologin, Psychologin und arbeitetim Bereich des Coaching, in dem sie immerwieder mit dem Mangel an Zeit, demStress konfrontiert wird. Beim Ticken derMetronome sollte die Gemeinde des Verge-hens der Zeit gedenken.

Und das tat sie auch. Zunächst abersprach Thomas Scheiflinger einige Worteüber Ligeti und seine Komposition. Undüber die Stille in der Musik, die General-pausen bei Beethoven und Mozart: „Stilleist nicht einfach nur die Abwesenheit vonMusik. Bis heute hat man keine klare Defi-nition von Klang gefunden. Kann Klangohne Pause überhaupt sein?“, fragteScheiflinger. Die Anordnung, aus der Lige-tis mechanisches, also im Prinzip wennreibungslos, dann auch vorhersehbaresStück besteht, zeigt einen interessantenVerlauf, den der Musiker erklärte: Zu-nächst nehmen die Hörer nichts als dasgleichmäßige Rauschen der Metronomewahr. Sie sind auf unterschiedliche Ge-

schwindigkeiten eingestellt, so entsteht einundurchdringlich komplexer Gesamt-klang. Alle Metronome wurden in Affstättum zwei halbe Drehungen aufgezogen, umdie Aufführung der Dauer zu begrenzen.Die unterschiedlichen Geschwindigkeitenbringen unterschiedliche Laufzeiten mitsich, ein Metronom nach dem anderen ver-stummt, der Klang klärt sich, die Wahr-nehmung ebenfalls: „Mit der Abnahme derKomplexität wächst die rhythmische Dif-ferenzierung. Gegen Ende nimmt die Dif-ferenzierung wieder ab, und es bleibt zu-letzt nur ein einzelner Rhythmus.“

Der Musiker zählte das Ereignis ein:„Drei, zwei, eins, null!“ Die Besitzer allerMetronome traten an ihr jeweiliges Instru-ment heran und lösten es aus – und genaudies geschah. Mit kleinen Abweichungen.Denn man lauschte, man lauschte, man sahdie Pendel ausschlagen, man hörte das all-gegenwärtige Klicken und Klacken; einenTeppich bildete es zuerst, bevor einzelneSchläge, sich verschiebende Rhythmen an

die Ohren der Gemeinde drangen; manhörte links und rechts und oben und untentrockene harte, nicht zu laute aber hallen-de Schläge in unterschiedlichen Tempi;man glaubte sich vielleicht, als stressanfäl-liger Zeitgenosse, gefangen in einem Uhr-werk, eingesperrt in einer Stechuhr. Je län-ger die Metronome ihre Musik spielten,desto häufiger mischte sich jedoch auchein leises Rücken und Räuspern aus denReihen der Kirchenbänke in die Klang-skulptur ein. Und irgendwann gab sogardie Kirchturmuhr über der Gemeinde einoder zwei knackende Schläge hinzu.

Das letzte Metronom musste der Musi-ker, lange, nachdem es aus jeglicher Kom-plexität herausgetreten war, schließlichvon Hand stoppen. Und die Gemeinde hör-te andächtig jene Bibelworte, aus denender jüngst verstorbene Folksänger PeteSeeger einst ein Lied machte, nur hörte dieGemeinde nicht dieses Lied und die Wortenicht auf Englisch: Ein jedes Ding, so heißtes da, hat seine Zeit.

In der Affstätter Kirche werden die Metronome für das Konzert aufgestellt GB-Foto: Bäuerle

Eben dort fand im vergangenen Augustdas siebenstündige Symposium statt, dieTeilnehmer wurden von Margrit Seegerausgewählt oder eingeladen. Der NagolderKünstlerin hat es die Sieben als heiligeZahl seit langem angetan, sie verbindetdamit die Planeten, die sieben Tage derSchöpfung, oder auch die Magie der Mär-chen, in denen sieben Raben, Geißlein oderZwerge vorkommen. Für ihre kraftvollenHolzschnitte auf Leder nahm sie sich diesieben Planeten vor und blieb dabei demGrundprinzip ihrer Arbeit: „Bei mir gibt’snur Frauen, keine Männer“ treu. Ihre sie-ben Weisheiten sind ebenso weiblich wieihre Neptun-Ine. Die gemeinsame Arbeithat für alle, nicht aber für Margrit Seegerbesondere Bedeutung gehabt. Sie war in-tensiv bei der Arbeit und, so mutmaßt sie,für die anderen mit ihrer Fräse – wie beimZahnarzt – eher nervig.

Experiment mit Quadraten

Aber nein, die fanden das gemeinsameArbeiten spannend und unterhaltsam,auch wenn sich das nicht unbedingt in derSchau spiegelt. Margit Valjak aus Gültlin-gen hat ein wenig experimentiert und sichdabei eher spielerisch mit der Zahl Siebenbeschäftigt. Sieben mal die Sieben, siebenHölzchen, sieben Quadrate, jeweils 40 auf40 Zentimeter groß, reihen sich am Trep-penaufgang. Immerhin: Zu sehen wie dieanderen arbeiten, fand sie interessant.

Auch Sonja Schulz aus Jettingen, eben-falls im Treppenhaus, blieb sich treu: sieexperimentierte mit Wachs, Acrylfarben,Lacken und Collagetechniken, ihre kleinenKompositionen zeigen, auch bei ihr warspielerische Freude am Werk. Im Cafétrifft man auf ein wenig strengere Kompo-

Was wären Zahlen ohne ihre tiefwur-zelnde volkstümliche Symbolik? Ebennur Zeichen, zum Rechnen gerade gutgenug. Sieben Künstler haben sich sie-ben Stunden lang auf die Zahl Siebeneingelassen, was dabei herauskam –natürlich jeweils sieben Werke – zei-gen sie nun in einer Ausstellung in derKunstschule Art-Road-Way in Breiten-holz.

Breitenholz: Sieben Künstler beschäftigen sich mit der Sieben sieben Stunden lang

Diese Zahl hat eine magische Symbolik

Von Gabriele Pfaus-Schiller

sitionen von Gerhard Saier aus Jettingen,er baut seine Bilder in offensichtlich sorg-samer Feinarbeit aus eher rechteckigen,manchmal auch kreisrunden Flächen zu-sammen. Marline Fetzer-Hauser aus Jet-tingen griff ihr gewohntes Thema Men-schen auf, dies in Fotomontagen, die siemit Acrylfarben bearbeitete. Das G, sostellte sie bei der Gelegenheit fest, ist dersiebte Buchstabe im Alphabet, und so lau-ten ihre Titel, und man findet diese Begrif-fe auch im Bild recht schön wieder, zumBeispiel Glück, Gehör, Genuss.

Bettina Baur fand die sieben Stundenetwas zu lang für ihre leichte, spontaneArt, ans Werk zu gehen. Sie malte nach Fo-tografien aus Oregon kleine, zarte Land-schaftsstücke. Die Zeichnung mit Tusche-stift wurde mit ein wenig Aquarellfarbeoder Moorlauge überarbeitet, gerade so,

dass sich alles harmonisch fügt und ver-bindet.

Ein Augusttag mit strahlend schönemWetter war den kreativen Sieben vergönnt,die sich zwischen Atelierhaus und Scheuneausgebreitet hatten. Eben diese Sommer-stimmung drückt sich auch in den Werkenvon Frederick Bunsen aus: viel Grün, vielfrische, sprießende Bewegung in die Verti-kale findet sich in seinen Skizzen, die imErdgeschoss zu betrachten sind. Er ließsich von den Farben und Strukturen drau-ßen inspirieren, verwendete dazu Wachs-kreide, die er mit einem Messer aufs Papierverrieb und polierte.

Für den Kunstdozenten hat solch eineVeranstaltung ihren besonderen Reiz: beider Gelegenheit sieht er die Verbundenheitder Kunstschule, die er gemeinsam mitBettina Baur betreibt, zu den Mitgliedern

des Herrenberger Kunstvereins auf ange-nehme Weise belebt. Das Symposium emp-fand er als getragen vom Geist der künst-lerischen Gemeinschaft. „Mit Menschenzusammen schafft man besser“, das giltzumindest für ihn. Eine Erkenntnis, die erseit langem erfolgreich in Kursen und Mal-reisen umsetzt. Die Sieben, für die einenheilige Zahl, für die anderen Spielfigur,wurde also zum wirkungsvollen Anregernicht nur für das siebenfache Kunstschaf-fen, sondern auch für eine gesunde Grup-pendynamik. Und auch das Quadrat, wel-ches ja eine enorme Symbolkraft besitzt:viele der Werke sind in durchgängig glei-chem, quadratischem Format gefertigt.

■ Bis Donnerstag, 13. Februar, ist die Aus-stellung freitags von 15 bis 18 Uhr zu be-sichtigen.

Margit Valjakist eine der Künstlerinnen,

die in Breitenholz ausstellenGB-Foto: Schmidt

Von Thomas Volkmann

Die Kunst derTitelgebungHerrenberg – Als „Die Kunst des Trios“hat die Musikschule Herrenberg ihrejährliche Jazzmatinee angekündigt. Einspannender Titel, der das Publikumströmen ließ. „Ausverkauft“, verrietein Zettel am Eingang, schon eineStunde vor Konzertbeginn nahmen dieersten Zuhörer Platz, auch um sich zustärken für den anschließenden Oh-renschmaus.

Auf den Ansturm am Sonntagvormittagreagierte die Herrenberger Musikschulemit einer kurzfristigen Aufstockung derKaffeemaschinen von eins auf drei. DerAbsatz der süßen Stückle blieb indes hin-ter den Erwartungen zurück. Dafür warddas Geheimnis um „Die Kunst des Trios“noch vor der ersten gespielten Note gelüf-tet. „Sie besteht darin, ohne Schlagzeug zuspielen, ganz gemütlich und zurückhal-tend“, tat der Vibrafonist Roland Weberkund.

Mit ihm auf der Bühne in der Musik-schule standen Gitarrist Martin Wiedmannund Kontrabassist Markus Bodenseh, einTrio, das sich jeden ersten Donnerstag imMonat in der Stuttgarter Kulturgarage„Alimentari da Loretta“ zum „Jazzen undSchmazzen“ trifft. Schon im ersten Stück,„Alfie’s Theme“ von Sonny Rollins ausdem Jahr 1966, machten die drei Spitzen-musiker deutlich, was genau mit ihrer De-finition gemeint ist. Federnd und weich,wie in Watte gepackt, fast schwebend er-klangen da die Töne von Gitarre und Vib-rafon. Loungig und chillend, würde manneudeutsch dazu sagen müssen. Entspanntträfe es auch.

Überschrieben werden hätte das Gast-spiel im Studio der Musikschule aber auchmit „Die Kunst der Titelfindung“. Einigeder feinfühligen Stücke hatte sich das Trioaus Filmmusiken geliehen, die nun ohnedie dazugehörigen Bilder funktionierenmussten. Branford Marsalis’ „Mo’ BetterBlues“ aus Spike Lees gleichnamigen Filmetwa diente den Musikern mit seiner be-schaulichen Melodie auch dazu, vom vor-gegebenen Pfad immer mal wieder abzu-weichen, aufeinander zu hören, spontanmiteinander zu interagieren.

John Scofields „Not you again“, ein flottswingendes Stück, in dem sich Gitarre undVibrafon in der Melodieführung abwech-seln, war schließlich die Umdichtung einesälteren Stückes namens „There will beanother you“, was Roland Weber als Knifffür die Anmeldung bei der Gema kommen-tierte.

Über seinen etwa zehn Jahre älteren Ins-trument-Kollegen und im Modern Jazz alsWegbereiter für das Vibrafon geltendenBobby Hutcherson erzählte Weber, dassdieser die seltsame Angewohnheit habe,seine schönen Stücke umzutitulieren. Hut-chersons „For you, Mum and Dad“ ließ denZuhörern so gesehen einen hohen Interpre-tationsspielraum.

Gut gewählt ist dafür der Titel vonFreddie Hubbards „Little Sunflower“, umdessen sich ewig wiederholenden monoto-nen Dreiklang des Basses die anderen bei-den Instrumentalisten ihre sanft tönendenBlüten rankten. Die Latinpräziose „Sum-mer Samba“ ließ an Carlos Santana den-ken, entwickelte sich jedoch zu einem zurentspannten Stimmung der Matinee pas-senden Easy-Listening-Stück.

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Mischung aus Musik undbritischem HumorHerrenberg – Die umwerfend komi-sche Cellistin Rebecca Carringtonführt mit ihrem coolen Partner ColinBrown alles andere als eine klassischeZweierbeziehung. Denn da ist Joe, das200 Jahre alte und recht zartbesaiteteCello. Beim neuen Programm des Mu-sikcomedyduos bleiben die Protagonis-ten aber nicht zu dritt. Ob Joe wohlverstimmt sein wird, sobald zum erstenMal ein Klavier die beiden Musikkaba-rettisten begleitet? Der Cellobogenspannt sich jedenfalls von Bach undBrahms über die Beatles bis zu JamesBond. Am morgigen Mittwoch, 5. Feb-ruar, sorgt ab 20 Uhr im HerrenbergerMauerwerk auch der amüsierte Blickder beiden Wahl-Berliner auf die deut-schen Alltäglichkeiten für nicht weni-ge Lacher. -rüd-

„Schön war gestern“am LTTTübingen – „Schön war gestern“, dasStück des Frauentheaters Purpurkommt am Donnerstag, 6. Februar, aufdie Bühne des Landestheaters Tübin-gen. Das Stück nach dem Roman „Diefürchterlichen Fünf“ von Wolf Erl-bruch erzählt die Geschichte von sechsverbitterten Bewohnern einer Müllkip-pe. Da kommt eine Fremde zu ihnen,kichernd und erfrischend vital. Gelingtes ihr, die desolate Gesellschaft zurückins pralle Leben zu holen? Die Auflö-sung gibt es am Donnerstag in derLTT-Werkstatt. -gb-

Demnächst…