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Außenposten Singapur: Max von Roma-towski, Südostasien-Chef von Solarworld

Die SonnenkriegerDeutschlands Solarhersteller kämpfen nicht nur um

Subventionen. Sie kämpfen inzwischen vor allemgegen neue Rivalen aus Asien. Besonders erbittert

tobt die Schlacht in China, denn auch die Regierung in Peking päppelt ihre Produzenten, wo

immer sie kann. Ein Frontbericht

VON CLAUS HECKING , SINGAPUR/WUXI

Es sieht so friedlich aus hier in MarinaBarrage, einem Staudamm im Her-zen von Singapur. Familien pickni-cken auf dem Dachgarten, ein Pär-

chen spielt Frisbee im Sonnenschein. Undder Solarpark am Rande der Grünanlagespuckt eine Kilowattstunde Strom nach dernächsten aus. „12 000 Quadratmeter Solar-world-Module“, sagt Max von Romatowski,und seine Nasenflügel beben leicht.

Monatelang haben der Südostasien-Chefdes deutschen Solarkonzerns und seineKollegen bei Singapurs Regierung um dasPrestigeprojekt gekämpft. Am Ende habensie tatsächlich der Konkurrenz aus Chinaund Japan den Auftrag weggeschnappt. „Dahaben wir bei den Asiaten im Vorgarten ge-wildert“, sagt von Romatowski und grinst.

Dann klingelt sein Handy, die Miene des30-Jährigen verdüstert sich. Am Apparat istder Vertriebsvorstand aus Bonn, mitschlechten Nachrichten: Im Gerangel umeinen neuen, siebenmal größeren Solar-park in Singapur hat Suntech Power, derRivale aus China, Solarworld um 25 Prozentunterboten. Diesen Kampfpreis will der So-larworld-Vorstand nicht mitgehen. Denn erliegt weit unter den Herstellungskosten.

Von Romatowski legt auf, blickt ins Leere,atmet tief durch. „Wie können die Chinesennur so verrückte Preise machen“, murmelter und schüttelt den Kopf. „Das kann dochnicht mit rechten Dingen zugehen.“

Ja, es ist manchmal verrückt, und ob esrechtmäßig oder gerecht zugeht, ist schwerzu sagen. Nur eines steht fest: Die Chinesenkommen. Und sie machen den Deutschenden Platz an der Sonne streitig.

Gepäppelt von Förderprogrammen ha-ben Hersteller wie Solarworld oder Q-Cellsjahrelang die Welt der Fotovoltaik be-herrscht. Nun kommt Druck von allenSeiten. Die Subventionen werden gekürzt,und die Deutschen verlieren Terrain – anEmporkömmlinge wie Suntech, Yingli oderTrina mit ihren billigen Modulen.

Der Kampf findet rund um den Globusstatt: im Heimatmarkt Deutschland, wo diegroßen Umsätze gemacht werden, aberauch in China, wo die Umsätze einmal ge-macht werden sollen. Mancher deutscherSolarbaron verdächtigt die Regierung in Pe-king, Auftraggeber des Feldzugs zu sein.Auch von Romatowski sagt: „Im Prinzipkämpfen wir hier gegen den Staat China.“

Denn es geht nicht nur um ein paar Solar-parks. Es geht um die Kontrolle über einen

der dynamischsten Zweige der globalenWirtschaft. Darum, wer die kleinen blauenZellen produziert, die einmal das Energie-problem der Menschheit lösen sollen.

Die Claims rund um den Globus sindnoch nicht abgesteckt. West und Ost ringenum die Macht über die junge Industrie. Diedeutschen Hersteller bezichtigen ihre Kon-kurrenten aus Asien, Umwelt- und Sozial-standards zu ignorieren; sie prüfen, dieChinesen beim Europäischen Gerichtshofwegen Preisdumpings und Aufbaus vonHandelshemmnissen zu verklagen. „Weg-werfartikel“ nennt Solarworld-Chef FrankAsbeck die Konkurrenzprodukte aus Fern-ost. Suntech-Gründer Shi Zhengrong keiltzurück: „Viele deutsche Solarfirmen sindeinfach nicht mehr wettbewerbsfähig!“

Ganz vorn, auf einem der Schlachtfelder,ist Max von Romatowski, der junge Solar-world-Manager. Er muss zeigen, dass dieDeutschen in Asien mitspielen können, vorder Haustür der Konkurrenz. „Wo sonst gibtes so viel Sonne und so viele Menschenohne Stromanschluss?“, fragt der jungeDeutsche. Es ist kein leichter und vor allemein ungleicher Kampf.

Der Wintertag ist strahlend schön. Aber überWuxi, einer Stadt nahe Schanghai, hängt dieübliche Dunstglocke. Keine 200 Meter weitreicht der Blick, dann verschwimmt alles imNichts eines zähen Nebels. Der Smog kratztim Hals, er stammt aus den Schloten derunzähligen Kohlekraftwerke, Chemie- undElektronikfabriken rund um Wuxi. Ausge-rechnet hier, im Gewerbegebiet der altenIndustriestadt im Jangtse-Delta, residiertChinas grüner Vorzeigeunternehmer.

Eine riesige Solarwand, groß wie ein Fuß-ballfeld, hat Shi Zhengrong an die Süd-fassade des Hauptquartiers von Suntechpflastern lassen. Der Gründer sitzt vor einerTasse grünem Tee in Etage sechs des futu-ristischen Bürokomplexes, mit Aussicht aufdas Topfpflanzenmeer, das seine Leute umjede noch so kleine Betonsäule gebaut ha-ben. Mehr als 10 000 Menschen arbeiten be-reits für „Dr. Shi“, wie sie ihn nennen. Gutdreimal so viele wie bei Solarworld. Ganzeneun Jahre nach Gründung ist Suntech ei-ner der drei führenden Zellenbauer undgrößter Modulhersteller der Welt.

Das genügt Dr. Shi aber noch lange nicht.„Hier liegt die Zukunft der Solarindustrie“,sagt der 46-Jährige und lässt den Satz zwei,drei Sekunden lang wirken. Dann nippt erbedächtig am Tee, um die nächsten Wortezu überlegen. „Wenn die Technologie welt-

weit wettbewerbsfähig werden soll, müssendie Preise noch weiter fallen. Und die chine-sischen Konzerne können ihre Kostenschneller reduzieren als alle anderen.“

Auch Dr. Shi gelang der Aufstieg freilichnicht von Zauberhand, auch er bekam öf-fentliche Starthilfe. Als der Fotovoltaikinge-nieur zur Jahrtausendwende nach langerForschung in Sydney zurück nach Chinakam, nichts als einen dünnen Businessplanfür eine Solarfabrik in der Hand, versorgteihn ein Venture-Capital-Fonds der StadtWuxi mit 6 Mio. $. Das waren drei Viertel desStartkapitals. Die ersten beiden Jahre ver-zichtete der Staat auf Steuern, anschließendbekam Shi erhebliche Vergünstigungen.

Zum Weltkonzern aufgestiegen ist Sun-tech aber vor allem mit dem Geld der deut-schen Stromverbraucher. Zwischen 40 und60 Prozent ihrer Module liefern die Chine-sen seit jeher in die Bundesrepublik.

„Einspeisevergütung“, sagt Dr. Shi inakzentfreiem Deutsch und lächelt. DiesesWort hat ihn zum Milliardär gemacht. Dennwer immer in Deutschland Solarstrom insNetz einspeist, kassiert für jede Kilowatt-stunde diese Einspeisevergütung – einenstaatlich festgelegten Tarif, der derzeit nochbis zu achtmal so hoch ist wie der Börsen-preis für konventionelle Elektrizität. Ganzegal, ob die Module in Deutschland gebautwurden, in Italien, den USA oder China.

Die Einspeisevergütung, die nun gesenktwerden soll, hat aus Deutschland den mitAbstand größten Solarmarkt der Erde ge-macht. Mit ihr wollte die Regierung eigent-lich die heimische Solarindustrie starkma-chen. Doch auch die Konkurrenz aus demAusland nährt sich an den Fördermilliar-den. Suntech etwa oder der US-KonzernFirst Solar, der zeitweise mehr als 80 Pro-zent seiner Umsätze auf dem deutschenMarkt machte und zum Weltmarktführerfür Dünnschichtmodule wurde.

„Schauen Sie mal“, sagt Max von Romatowskiund kramt aus dem Eckregal seines Bürosein kleines Modul hervor: ein No-Name-Produkt aus China. Dass dieses Ding Pfuschist, erkennt selbst ein Laie sofort: WeißeKlebstoffwülste quillen aus der Anschluss-dose auf der Rückseite. „Die wurde irgend-wie per Hand aufgeklebt“, sagt von Roma-towski. „Wenn an den entscheidenden Stel-len nicht genug Klebstoff ist, fällt die Doseirgendwann ab. Dann ist das Modul un-brauchbar.“ Wenn es nicht schon vorherschlappmacht. Denn anders als bei Solar-world ist der Rahmen nicht außen ver-

schweißt, sondern wird von Schrauben zu-sammengehalten. „Über kurz oder langkommt da Wasser rein“, sagt von Roma-towski. Und das bedeutet bestenfalls weni-ger Strom, vielleicht auch einen Kurz-schluss, schlimmstenfalls den Modulbrand.

Der Solarworld-Manager steht im Lagerseines Hauptquartiers, die Haare gegelt, mitdunkler Hose und hell gestreiftem Hemd. Erredet schnell, trotzdem scheint sein Mundall seinen Gedanken nicht immer folgen zukönnen. Zurzeit ist das Geschäft auf seinemAußenposten so überschaubar wie seinHauptquartier: vier Büroräume und ein La-ger zwischen einem Brautmodengeschäftund einem Tierfutterladen. Zwölf Ange-stellte hat Solarworld Asia Pacific, Umsatz2009: knapp 60 Mio. €. Ein kleines Aufgebotgegen mächtige Widersacher.

Früher war es für die deutschen Solar-hersteller einfach, sich von der Konkurrenzabzuheben. Da waren die meisten Produkteaus China so miserabel gemacht wie das ausdem Eckregal. Auch heute noch kommtSchund auf den Markt. Doch die entschei-denden Konkurrenten haben sich mittler-weile einen Namen gemacht, sie lassen ihreModule von unabhängigen Instanzen wiedem TÜV überprüfen. Dabei schneiden siemeist auch noch ziemlich passabel ab.

Trotzdem geht es nicht immer fair zu.Solarworld etwa würde es Suntech gerngleichtun: Die Chinesen verkaufen inDeutschland, also wollen die Deutschen inChina mitspielen. Dort aber bekommen dieBonner keinen Fuß in die Tür. „Offiziell istder chinesische Solarmarkt für alle offen“,sagt von Romatowski. „De facto ist er fürausländische Hersteller abgeschottet.“

So erhebe China auf importierte Solaran-lagen eine Steuer von 17 Prozent. Bei vielenöffentlichen Projekten werden Tender garnicht erst für Ausländer ausgeschrieben.Und als es doch einmal der Fall war, wie beieinem Solarpark in einer nordchinesischenStadt, verlangte die Kommune entgegenden Prinzipien internationaler Freihandels-abkommen einen Anteil von 80 Prozent lo-kaler Wertschöpfung. Protektionismus pur.

Die Deutschen vermuten, dass der chine-sische Staat seine Solarkonzerne zudem mitbilligem Strom und kostenlosem Land so-wie Nullzinskrediten versorgt – die Grund-lage, um die Konkurrenz mit Dumping-preisen aus dem Weg zu räumen „Unter derHand sagt man uns oft: ,Solange ihr keineFabrik in China baut, könnt ihr jegliches Ge-

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Steiler AufstiegAnteil Chinas am Weltmarkt für Solarzellen in %(produzierte Menge in Megawatt Spitzenleistung)

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Billige WareNettodurchschnittspreis für kristalline Solar-module*, € je Watt Spitzenleistung

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FTD/kn; Quelle: www.PVXchange.com

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