FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND KOMMENTAR REPORTAGE … · 2013. 2. 27. · FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND...

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Ausgerastet Dortmunds Trainer Jürgen Klopp verliert seine Souveränität | Seite 26 Ausgezeichnet Österreich ist der heimliche Gewinner bei den Golden Globes | Seite 28 WWW.FTD.DE/ AGENDA 23 FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND KOMMENTAR REPORTAGE HINTERGRUND DIENSTAG, 19. JANUAR 2010 Außenposten Singapur: Max von Roma- towski, Südostasien-Chef von Solarworld Die Sonnenkrieger Deutschlands Solarhersteller kämpfen nicht nur um Subventionen. Sie kämpfen inzwischen vor allem gegen neue Rivalen aus Asien. Besonders erbittert tobt die Schlacht in China, denn auch die Regierung in Peking päppelt ihre Produzenten, wo immer sie kann. Ein Frontbericht VON CLAUS HECKING, SINGAPUR/WUXI E s sieht so friedlich aus hier in Marina Barrage, einem Staudamm im Her- zen von Singapur. Familien pickni- cken auf dem Dachgarten, ein Pär- chen spielt Frisbee im Sonnenschein. Und der Solarpark am Rande der Grünanlage spuckt eine Kilowattstunde Strom nach der nächsten aus. „12 000 Quadratmeter Solar- world-Module“, sagt Max von Romatowski, und seine Nasenflügel beben leicht. Monatelang haben der Südostasien-Chef des deutschen Solarkonzerns und seine Kollegen bei Singapurs Regierung um das Prestigeprojekt gekämpft. Am Ende haben sie tatsächlich der Konkurrenz aus China und Japan den Auftrag weggeschnappt. „Da haben wir bei den Asiaten im Vorgarten ge- wildert“, sagt von Romatowski und grinst. Dann klingelt sein Handy, die Miene des 30-Jährigen verdüstert sich. Am Apparat ist der Vertriebsvorstand aus Bonn, mit schlechten Nachrichten: Im Gerangel um einen neuen, siebenmal größeren Solar- park in Singapur hat Suntech Power, der Rivale aus China, Solarworld um 25 Prozent unterboten. Diesen Kampfpreis will der So- larworld-Vorstand nicht mitgehen. Denn er liegt weit unter den Herstellungskosten. Von Romatowski legt auf, blickt ins Leere, atmet tief durch. „Wie können die Chinesen nur so verrückte Preise machen“, murmelt er und schüttelt den Kopf. „Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen.“ Ja, es ist manchmal verrückt, und ob es rechtmäßig oder gerecht zugeht, ist schwer zu sagen. Nur eines steht fest: Die Chinesen kommen. Und sie machen den Deutschen den Platz an der Sonne streitig. Gepäppelt von Förderprogrammen ha- ben Hersteller wie Solarworld oder Q-Cells jahrelang die Welt der Fotovoltaik be- herrscht. Nun kommt Druck von allen Seiten. Die Subventionen werden gekürzt, und die Deutschen verlieren Terrain – an Emporkömmlinge wie Suntech, Yingli oder Trina mit ihren billigen Modulen. Der Kampf findet rund um den Globus statt: im Heimatmarkt Deutschland, wo die großen Umsätze gemacht werden, aber auch in China, wo die Umsätze einmal ge- macht werden sollen. Mancher deutscher Solarbaron verdächtigt die Regierung in Pe- king, Auftraggeber des Feldzugs zu sein. Auch von Romatowski sagt: „Im Prinzip kämpfen wir hier gegen den Staat China.“ Denn es geht nicht nur um ein paar Solar- parks. Es geht um die Kontrolle über einen der dynamischsten Zweige der globalen Wirtschaft. Darum, wer die kleinen blauen Zellen produziert, die einmal das Energie- problem der Menschheit lösen sollen. Die Claims rund um den Globus sind noch nicht abgesteckt. West und Ost ringen um die Macht über die junge Industrie. Die deutschen Hersteller bezichtigen ihre Kon- kurrenten aus Asien, Umwelt- und Sozial- standards zu ignorieren; sie prüfen, die Chinesen beim Europäischen Gerichtshof wegen Preisdumpings und Aufbaus von Handelshemmnissen zu verklagen. „Weg- werfartikel“ nennt Solarworld-Chef Frank Asbeck die Konkurrenzprodukte aus Fern- ost. Suntech-Gründer Shi Zhengrong keilt zurück: „Viele deutsche Solarfirmen sind einfach nicht mehr wettbewerbsfähig!“ Ganz vorn, auf einem der Schlachtfelder, ist Max von Romatowski, der junge Solar- world-Manager. Er muss zeigen, dass die Deutschen in Asien mitspielen können, vor der Haustür der Konkurrenz. „Wo sonst gibt es so viel Sonne und so viele Menschen ohne Stromanschluss?“, fragt der junge Deutsche. Es ist kein leichter und vor allem ein ungleicher Kampf. Der Wintertag ist strahlend schön. Aber über Wuxi, einer Stadt nahe Schanghai, hängt die übliche Dunstglocke. Keine 200 Meter weit reicht der Blick, dann verschwimmt alles im Nichts eines zähen Nebels. Der Smog kratzt im Hals, er stammt aus den Schloten der unzähligen Kohlekraftwerke, Chemie- und Elektronikfabriken rund um Wuxi. Ausge- rechnet hier, im Gewerbegebiet der alten Industriestadt im Jangtse-Delta, residiert Chinas grüner Vorzeigeunternehmer. Eine riesige Solarwand, groß wie ein Fuß- ballfeld, hat Shi Zhengrong an die Süd- fassade des Hauptquartiers von Suntech pflastern lassen. Der Gründer sitzt vor einer Tasse grünem Tee in Etage sechs des futu- ristischen Bürokomplexes, mit Aussicht auf das Topfpflanzenmeer, das seine Leute um jede noch so kleine Betonsäule gebaut ha- ben. Mehr als 10 000 Menschen arbeiten be- reits für „Dr. Shi“, wie sie ihn nennen. Gut dreimal so viele wie bei Solarworld. Ganze neun Jahre nach Gründung ist Suntech ei- ner der drei führenden Zellenbauer und größter Modulhersteller der Welt. Das genügt Dr. Shi aber noch lange nicht. „Hier liegt die Zukunft der Solarindustrie“, sagt der 46-Jährige und lässt den Satz zwei, drei Sekunden lang wirken. Dann nippt er bedächtig am Tee, um die nächsten Worte zu überlegen. „Wenn die Technologie welt- weit wettbewerbsfähig werden soll, müssen die Preise noch weiter fallen. Und die chine- sischen Konzerne können ihre Kosten schneller reduzieren als alle anderen.“ Auch Dr. Shi gelang der Aufstieg freilich nicht von Zauberhand, auch er bekam öf- fentliche Starthilfe. Als der Fotovoltaikinge- nieur zur Jahrtausendwende nach langer Forschung in Sydney zurück nach China kam, nichts als einen dünnen Businessplan für eine Solarfabrik in der Hand, versorgte ihn ein Venture-Capital-Fonds der Stadt Wuxi mit 6 Mio. $. Das waren drei Viertel des Startkapitals. Die ersten beiden Jahre ver- zichtete der Staat auf Steuern, anschließend bekam Shi erhebliche Vergünstigungen. Zum Weltkonzern aufgestiegen ist Sun- tech aber vor allem mit dem Geld der deut- schen Stromverbraucher. Zwischen 40 und 60 Prozent ihrer Module liefern die Chine- sen seit jeher in die Bundesrepublik. „Einspeisevergütung“, sagt Dr. Shi in akzentfreiem Deutsch und lächelt. Dieses Wort hat ihn zum Milliardär gemacht. Denn wer immer in Deutschland Solarstrom ins Netz einspeist, kassiert für jede Kilowatt- stunde diese Einspeisevergütung – einen staatlich festgelegten Tarif, der derzeit noch bis zu achtmal so hoch ist wie der Börsen- preis für konventionelle Elektrizität. Ganz egal, ob die Module in Deutschland gebaut wurden, in Italien, den USA oder China. Die Einspeisevergütung, die nun gesenkt werden soll, hat aus Deutschland den mit Abstand größten Solarmarkt der Erde ge- macht. Mit ihr wollte die Regierung eigent- lich die heimische Solarindustrie starkma- chen. Doch auch die Konkurrenz aus dem Ausland nährt sich an den Fördermilliar- den. Suntech etwa oder der US-Konzern First Solar, der zeitweise mehr als 80 Pro- zent seiner Umsätze auf dem deutschen Markt machte und zum Weltmarktführer für Dünnschichtmodule wurde. „Schauen Sie mal“, sagt Max von Romatowski und kramt aus dem Eckregal seines Büros ein kleines Modul hervor: ein No-Name- Produkt aus China. Dass dieses Ding Pfusch ist, erkennt selbst ein Laie sofort: Weiße Klebstoffwülste quillen aus der Anschluss- dose auf der Rückseite. „Die wurde irgend- wie per Hand aufgeklebt“, sagt von Roma- towski. „Wenn an den entscheidenden Stel- len nicht genug Klebstoff ist, fällt die Dose irgendwann ab. Dann ist das Modul un- brauchbar.“ Wenn es nicht schon vorher schlappmacht. Denn anders als bei Solar- world ist der Rahmen nicht außen ver- schweißt, sondern wird von Schrauben zu- sammengehalten. „Über kurz oder lang kommt da Wasser rein“, sagt von Roma- towski. Und das bedeutet bestenfalls weni- ger Strom, vielleicht auch einen Kurz- schluss, schlimmstenfalls den Modulbrand. Der Solarworld-Manager steht im Lager seines Hauptquartiers, die Haare gegelt, mit dunkler Hose und hell gestreiftem Hemd. Er redet schnell, trotzdem scheint sein Mund all seinen Gedanken nicht immer folgen zu können. Zurzeit ist das Geschäft auf seinem Außenposten so überschaubar wie sein Hauptquartier: vier Büroräume und ein La- ger zwischen einem Brautmodengeschäft und einem Tierfutterladen. Zwölf Ange- stellte hat Solarworld Asia Pacific, Umsatz 2009: knapp 60 Mio. . Ein kleines Aufgebot gegen mächtige Widersacher. Früher war es für die deutschen Solar- hersteller einfach, sich von der Konkurrenz abzuheben. Da waren die meisten Produkte aus China so miserabel gemacht wie das aus dem Eckregal. Auch heute noch kommt Schund auf den Markt. Doch die entschei- denden Konkurrenten haben sich mittler- weile einen Namen gemacht, sie lassen ihre Module von unabhängigen Instanzen wie dem TÜV überprüfen. Dabei schneiden sie meist auch noch ziemlich passabel ab. Trotzdem geht es nicht immer fair zu. Solarworld etwa würde es Suntech gern gleichtun: Die Chinesen verkaufen in Deutschland, also wollen die Deutschen in China mitspielen. Dort aber bekommen die Bonner keinen Fuß in die Tür. „Offiziell ist der chinesische Solarmarkt für alle offen“, sagt von Romatowski. „De facto ist er für ausländische Hersteller abgeschottet.“ So erhebe China auf importierte Solaran- lagen eine Steuer von 17 Prozent. Bei vielen öffentlichen Projekten werden Tender gar nicht erst für Ausländer ausgeschrieben. Und als es doch einmal der Fall war, wie bei einem Solarpark in einer nordchinesischen Stadt, verlangte die Kommune entgegen den Prinzipien internationaler Freihandels- abkommen einen Anteil von 80 Prozent lo- kaler Wertschöpfung. Protektionismus pur. Die Deutschen vermuten, dass der chine- sische Staat seine Solarkonzerne zudem mit billigem Strom und kostenlosem Land so- wie Nullzinskrediten versorgt – die Grund- lage, um die Konkurrenz mit Dumping- preisen aus dem Weg zu räumen „Unter der Hand sagt man uns oft: ,Solange ihr keine Fabrik in China baut, könnt ihr jegliches Ge- Fotos: AP/Katy Winn; Reuters/Ina Fassbender; FTD-Illustration/Klaas Neumann; FTD/Claus Hecking Fortsetzung auf Seite 26 8,3 (151) 15,1 (383) 28,1 (1201) 32,7 (2589) 36 (3240) 2005 2006 2007 2008 2009 Prognose FTD/kn; Quelle: Photon, FTD Steiler Aufstieg Anteil Chinas am Weltmarkt für Solarzellen in % (produzierte Menge in Megawatt Spitzenleistung) Europa China Billige Ware Nettodurchschnittspreis für kristalline Solar- module*, € je Watt Spitzenleistung 3 2 1 0 7. 1. 09 23. 12. 09 FTD/kn; Quelle: www.PVXchange.com * ohne Installationskosten

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AusgerastetDortmunds Trainer Jürgen

Klopp verliert seineSouveränität | Seite 26

AusgezeichnetÖsterreich ist der heimlicheGewinner bei den GoldenGlobes | Seite 28

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FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND K O M M E N T A R R E P O R T A G E H I N T E R G R U N D D I E N STAG , 1 9. JA N UA R 2 0 1 0

Außenposten Singapur: Max von Roma-towski, Südostasien-Chef von Solarworld

Die SonnenkriegerDeutschlands Solarhersteller kämpfen nicht nur um

Subventionen. Sie kämpfen inzwischen vor allemgegen neue Rivalen aus Asien. Besonders erbittert

tobt die Schlacht in China, denn auch die Regierung in Peking päppelt ihre Produzenten, wo

immer sie kann. Ein Frontbericht

VON CLAUS HECKING , SINGAPUR/WUXI

Es sieht so friedlich aus hier in MarinaBarrage, einem Staudamm im Her-zen von Singapur. Familien pickni-cken auf dem Dachgarten, ein Pär-

chen spielt Frisbee im Sonnenschein. Undder Solarpark am Rande der Grünanlagespuckt eine Kilowattstunde Strom nach dernächsten aus. „12 000 Quadratmeter Solar-world-Module“, sagt Max von Romatowski,und seine Nasenflügel beben leicht.

Monatelang haben der Südostasien-Chefdes deutschen Solarkonzerns und seineKollegen bei Singapurs Regierung um dasPrestigeprojekt gekämpft. Am Ende habensie tatsächlich der Konkurrenz aus Chinaund Japan den Auftrag weggeschnappt. „Dahaben wir bei den Asiaten im Vorgarten ge-wildert“, sagt von Romatowski und grinst.

Dann klingelt sein Handy, die Miene des30-Jährigen verdüstert sich. Am Apparat istder Vertriebsvorstand aus Bonn, mitschlechten Nachrichten: Im Gerangel umeinen neuen, siebenmal größeren Solar-park in Singapur hat Suntech Power, derRivale aus China, Solarworld um 25 Prozentunterboten. Diesen Kampfpreis will der So-larworld-Vorstand nicht mitgehen. Denn erliegt weit unter den Herstellungskosten.

Von Romatowski legt auf, blickt ins Leere,atmet tief durch. „Wie können die Chinesennur so verrückte Preise machen“, murmelter und schüttelt den Kopf. „Das kann dochnicht mit rechten Dingen zugehen.“

Ja, es ist manchmal verrückt, und ob esrechtmäßig oder gerecht zugeht, ist schwerzu sagen. Nur eines steht fest: Die Chinesenkommen. Und sie machen den Deutschenden Platz an der Sonne streitig.

Gepäppelt von Förderprogrammen ha-ben Hersteller wie Solarworld oder Q-Cellsjahrelang die Welt der Fotovoltaik be-herrscht. Nun kommt Druck von allenSeiten. Die Subventionen werden gekürzt,und die Deutschen verlieren Terrain – anEmporkömmlinge wie Suntech, Yingli oderTrina mit ihren billigen Modulen.

Der Kampf findet rund um den Globusstatt: im Heimatmarkt Deutschland, wo diegroßen Umsätze gemacht werden, aberauch in China, wo die Umsätze einmal ge-macht werden sollen. Mancher deutscherSolarbaron verdächtigt die Regierung in Pe-king, Auftraggeber des Feldzugs zu sein.Auch von Romatowski sagt: „Im Prinzipkämpfen wir hier gegen den Staat China.“

Denn es geht nicht nur um ein paar Solar-parks. Es geht um die Kontrolle über einen

der dynamischsten Zweige der globalenWirtschaft. Darum, wer die kleinen blauenZellen produziert, die einmal das Energie-problem der Menschheit lösen sollen.

Die Claims rund um den Globus sindnoch nicht abgesteckt. West und Ost ringenum die Macht über die junge Industrie. Diedeutschen Hersteller bezichtigen ihre Kon-kurrenten aus Asien, Umwelt- und Sozial-standards zu ignorieren; sie prüfen, dieChinesen beim Europäischen Gerichtshofwegen Preisdumpings und Aufbaus vonHandelshemmnissen zu verklagen. „Weg-werfartikel“ nennt Solarworld-Chef FrankAsbeck die Konkurrenzprodukte aus Fern-ost. Suntech-Gründer Shi Zhengrong keiltzurück: „Viele deutsche Solarfirmen sindeinfach nicht mehr wettbewerbsfähig!“

Ganz vorn, auf einem der Schlachtfelder,ist Max von Romatowski, der junge Solar-world-Manager. Er muss zeigen, dass dieDeutschen in Asien mitspielen können, vorder Haustür der Konkurrenz. „Wo sonst gibtes so viel Sonne und so viele Menschenohne Stromanschluss?“, fragt der jungeDeutsche. Es ist kein leichter und vor allemein ungleicher Kampf.

Der Wintertag ist strahlend schön. Aber überWuxi, einer Stadt nahe Schanghai, hängt dieübliche Dunstglocke. Keine 200 Meter weitreicht der Blick, dann verschwimmt alles imNichts eines zähen Nebels. Der Smog kratztim Hals, er stammt aus den Schloten derunzähligen Kohlekraftwerke, Chemie- undElektronikfabriken rund um Wuxi. Ausge-rechnet hier, im Gewerbegebiet der altenIndustriestadt im Jangtse-Delta, residiertChinas grüner Vorzeigeunternehmer.

Eine riesige Solarwand, groß wie ein Fuß-ballfeld, hat Shi Zhengrong an die Süd-fassade des Hauptquartiers von Suntechpflastern lassen. Der Gründer sitzt vor einerTasse grünem Tee in Etage sechs des futu-ristischen Bürokomplexes, mit Aussicht aufdas Topfpflanzenmeer, das seine Leute umjede noch so kleine Betonsäule gebaut ha-ben. Mehr als 10 000 Menschen arbeiten be-reits für „Dr. Shi“, wie sie ihn nennen. Gutdreimal so viele wie bei Solarworld. Ganzeneun Jahre nach Gründung ist Suntech ei-ner der drei führenden Zellenbauer undgrößter Modulhersteller der Welt.

Das genügt Dr. Shi aber noch lange nicht.„Hier liegt die Zukunft der Solarindustrie“,sagt der 46-Jährige und lässt den Satz zwei,drei Sekunden lang wirken. Dann nippt erbedächtig am Tee, um die nächsten Wortezu überlegen. „Wenn die Technologie welt-

weit wettbewerbsfähig werden soll, müssendie Preise noch weiter fallen. Und die chine-sischen Konzerne können ihre Kostenschneller reduzieren als alle anderen.“

Auch Dr. Shi gelang der Aufstieg freilichnicht von Zauberhand, auch er bekam öf-fentliche Starthilfe. Als der Fotovoltaikinge-nieur zur Jahrtausendwende nach langerForschung in Sydney zurück nach Chinakam, nichts als einen dünnen Businessplanfür eine Solarfabrik in der Hand, versorgteihn ein Venture-Capital-Fonds der StadtWuxi mit 6 Mio. $. Das waren drei Viertel desStartkapitals. Die ersten beiden Jahre ver-zichtete der Staat auf Steuern, anschließendbekam Shi erhebliche Vergünstigungen.

Zum Weltkonzern aufgestiegen ist Sun-tech aber vor allem mit dem Geld der deut-schen Stromverbraucher. Zwischen 40 und60 Prozent ihrer Module liefern die Chine-sen seit jeher in die Bundesrepublik.

„Einspeisevergütung“, sagt Dr. Shi inakzentfreiem Deutsch und lächelt. DiesesWort hat ihn zum Milliardär gemacht. Dennwer immer in Deutschland Solarstrom insNetz einspeist, kassiert für jede Kilowatt-stunde diese Einspeisevergütung – einenstaatlich festgelegten Tarif, der derzeit nochbis zu achtmal so hoch ist wie der Börsen-preis für konventionelle Elektrizität. Ganzegal, ob die Module in Deutschland gebautwurden, in Italien, den USA oder China.

Die Einspeisevergütung, die nun gesenktwerden soll, hat aus Deutschland den mitAbstand größten Solarmarkt der Erde ge-macht. Mit ihr wollte die Regierung eigent-lich die heimische Solarindustrie starkma-chen. Doch auch die Konkurrenz aus demAusland nährt sich an den Fördermilliar-den. Suntech etwa oder der US-KonzernFirst Solar, der zeitweise mehr als 80 Pro-zent seiner Umsätze auf dem deutschenMarkt machte und zum Weltmarktführerfür Dünnschichtmodule wurde.

„Schauen Sie mal“, sagt Max von Romatowskiund kramt aus dem Eckregal seines Bürosein kleines Modul hervor: ein No-Name-Produkt aus China. Dass dieses Ding Pfuschist, erkennt selbst ein Laie sofort: WeißeKlebstoffwülste quillen aus der Anschluss-dose auf der Rückseite. „Die wurde irgend-wie per Hand aufgeklebt“, sagt von Roma-towski. „Wenn an den entscheidenden Stel-len nicht genug Klebstoff ist, fällt die Doseirgendwann ab. Dann ist das Modul un-brauchbar.“ Wenn es nicht schon vorherschlappmacht. Denn anders als bei Solar-world ist der Rahmen nicht außen ver-

schweißt, sondern wird von Schrauben zu-sammengehalten. „Über kurz oder langkommt da Wasser rein“, sagt von Roma-towski. Und das bedeutet bestenfalls weni-ger Strom, vielleicht auch einen Kurz-schluss, schlimmstenfalls den Modulbrand.

Der Solarworld-Manager steht im Lagerseines Hauptquartiers, die Haare gegelt, mitdunkler Hose und hell gestreiftem Hemd. Erredet schnell, trotzdem scheint sein Mundall seinen Gedanken nicht immer folgen zukönnen. Zurzeit ist das Geschäft auf seinemAußenposten so überschaubar wie seinHauptquartier: vier Büroräume und ein La-ger zwischen einem Brautmodengeschäftund einem Tierfutterladen. Zwölf Ange-stellte hat Solarworld Asia Pacific, Umsatz2009: knapp 60 Mio. €. Ein kleines Aufgebotgegen mächtige Widersacher.

Früher war es für die deutschen Solar-hersteller einfach, sich von der Konkurrenzabzuheben. Da waren die meisten Produkteaus China so miserabel gemacht wie das ausdem Eckregal. Auch heute noch kommtSchund auf den Markt. Doch die entschei-denden Konkurrenten haben sich mittler-weile einen Namen gemacht, sie lassen ihreModule von unabhängigen Instanzen wiedem TÜV überprüfen. Dabei schneiden siemeist auch noch ziemlich passabel ab.

Trotzdem geht es nicht immer fair zu.Solarworld etwa würde es Suntech gerngleichtun: Die Chinesen verkaufen inDeutschland, also wollen die Deutschen inChina mitspielen. Dort aber bekommen dieBonner keinen Fuß in die Tür. „Offiziell istder chinesische Solarmarkt für alle offen“,sagt von Romatowski. „De facto ist er fürausländische Hersteller abgeschottet.“

So erhebe China auf importierte Solaran-lagen eine Steuer von 17 Prozent. Bei vielenöffentlichen Projekten werden Tender garnicht erst für Ausländer ausgeschrieben.Und als es doch einmal der Fall war, wie beieinem Solarpark in einer nordchinesischenStadt, verlangte die Kommune entgegenden Prinzipien internationaler Freihandels-abkommen einen Anteil von 80 Prozent lo-kaler Wertschöpfung. Protektionismus pur.

Die Deutschen vermuten, dass der chine-sische Staat seine Solarkonzerne zudem mitbilligem Strom und kostenlosem Land so-wie Nullzinskrediten versorgt – die Grund-lage, um die Konkurrenz mit Dumping-preisen aus dem Weg zu räumen „Unter derHand sagt man uns oft: ,Solange ihr keineFabrik in China baut, könnt ihr jegliches Ge-

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Steiler AufstiegAnteil Chinas am Weltmarkt für Solarzellen in %(produzierte Menge in Megawatt Spitzenleistung)

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China

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