Vorlesung WS 2014/15
Kognitive Neurowissenschaft
Thomas Goschke
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Fachrichtung Psychologie
Professur Allgemeine Psychologie
Prof. Dr. Thomas Goschke
Institut für Allgemeine Psychologie, Biopsychologie und Methoden der Psychologie
Zellescher Weg 17 (BZW, 3. Etage)
Sekretariat: Frau Wobst
Tel. 0351-463-34695
E-Mail: [email protected]
http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_mathematik_und_naturwissenschaften/fachrichtung_psychologie/i1/allgpsy
Modul CAN1: Cognitive Neuroscience
1. Semester: Vorlesung Kognitive Neurowissenschaft
2. Semester: Vertiefungsseminar 1
3. Semester: Vertiefungsseminar 2
Erweitertes Seminar (Laborkurs/laufende Projekte)
Mündliche Modulprüfung
4. Semester: Master-Arbeit
Literaturempfehlungen
Empfehlenswerte Lehrbücher der Kognitiven Neurowissenschaft
fMRT-Lehrbuch
Ward, J. (2010). The Student's Guide to Cognitive Neuroscience 2nd Edition. Taylor & Francis Ltd.
Gazzaniga, M., Ivry, R. & Mangun, R. (2013). Cognitive neuroscience. The biology of the mind (4th ed.). Norton.
Huettel, S.A., Song, A.W., & McCarthy, G. (2014) Functional magnetic resonance imaging (3rd. Ed.). Sinauer.
Purves et al. (2013). Principles of cognitive neuroscience. (2nd ed.). Sinauer.
Glimcher, P. & Fehr, E. (2014). Neuroeconomics. Decision making and the brain (2nd Ed.). London: Academic Press.
Handbuch zur Neuroökonomie
Voraussetzungen: Kenntnisse in Psychologie auf Bachelor-Niveau
Methoden
• Logik von Experimenten, Versuchsdesigns
• deskriptive und Inferenzstatistik (allgemeines lineares Modell: Varianzanalyse, multiple Regression)
Biopsychologie
• Grundlegende neuroanatomische Kenntnisse
• Neuronale Signalübertragung
Lernen und Gedächtnis
• klassisches und operantes Konditionieren
• deklaratives, episodisches, prozedurales, implizites Gedächtnis
• Arbeitsgedächtnis
Emotion und Motivation
• Grundlegende Emotions- und Motivationstheorien
Kognitionspsychologie
• Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, Denken und Problemlösen, mentale Repräsentation, Grundlagen exekutive Funktionen
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Philosophischer Hintergrund: Vom Leib-Seele-Problem zur Kognitiven Neurowissenschaft
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Stimmen Sie zu?
“Wenn ein Komponist eine Sinfonie schreibt, ist der einzige Weg, sie dem Publikum zu präsentieren, mittels eines Orchesters... Wenn die Aufführung schlecht ist, kann der Fehler bei der Komposition oder beim Orchester liegen (oder bei beiden)... Der Wille wird durch das Gehirn ausgedrückt. Gewalt kann das Ergebnisse des Willens allein sein, aber wenn das Gehirn geschädigt ist, sind Fehlleistungen des Gehirns zumindest teilweise verantwortlich zu machen” (Pincus 2001, p. 128)
Gegenthese: Es gibt nicht ein “Ich” (den Komponisten) und das Gehirn (das Orchester), sondern die Gesamtheit der Gehirnprozesse konstiutiert das Ich
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Stimmen Sie zu?
“Die meiste Forschung zur Entwicklung kognitiver und psychosozialer Funktionen in der Adoleszenz mißt Verhalten, Selbstwahrnehmungen oder Einstellungen, aber wachsende Evidenz spricht dafür, dass zumindest einige der Unterschiede zwischen Erwachsenen und Jugendlichen neurosychologische und neurobiologische Grundlagen haben” (Steinberg & Scott 2003, p. 5)
Impliziert, dass Verhalten, Wahrnehmungen und Einstellungen unabhängig von Gehirnprozessen sind
Gegenthese: Jeder Unterschied in psychischen/kognitiven Funktionen und Verhaltensweisen beruht auf Unterschieden in den zugrunde liegenden neuronalen Prozessen.
Stimmen Sie zu?
„Unser Leben ist eine Linie auf der Oberfläche der Erde, die zu beschreiben uns die Natur befiehlt und von der wir keinen Augenblick abzuweichen vermögen...“
Paul-Henry Thiry d'Holbach
„Die moderne wissenschaftliche Betrachtungsweise lässt keinen Platz für die ‚Freiheit des menschlichen Willens‘. Alles, was in unserem Universum geschieht, wird entweder lückenlos durch die Ereignisse der Vergangenheit bestimmt, oder es hängt teilweise vom Zufall ab.“
Marvin Minsky, 1990
René Descartes Traité de l’homme (1662)
"Ist das Feuer (A) dem Fusse (B) nahe, so besitzen die Feuerteilchen… die Kraft, in die Haut des Fusses einzudringen; waehrend sie so den duennen Faden (c) bewegen, der am Grund der Zehen und am Nerven befestigt ist, oeffnen sie gleichzeitig den Eingang der Pore (d)(e), an dem dieser Faden endigt, genau so, als wuerde man am Ende einer Schnur ziehen und damit eine Glocke zum Klingen bringen. Da nun die Pore offensteht, kann durch sie der Lebensgeist aus der Hoehle (F) entweichen und fortgeleitet werden, ein Teil in die Muskeln, die den Fuss vom Feuer zurueckziehen, ein Teil in die Muskeln, die Augen und den Kopf dem Fusse zuwenden, und ein Teil in jene Muskeln, die die Haende vorrecken und den Koerper beugen, um den Fuss zu schuetzen.“
Alle materiellen Phänomene (einschließlich der Vorgänge in Lebewesen) können vollständig aus der Gestalt, Konfiguration und Bewegung der an ihnen beteiligten Körper oder Körperteile erklärt werden
Reflexbogen
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Charles Scott Sherrington (1857-1952)
Descartes‘ Dualismus
Alle Phänomene der materiellen Welt (einschließlich der Vorgänge in Lebewesen) können vollständig aus der Gestalt, Konfiguration und Bewegung der an ihnen beteiligten Körper oder Körperteile erklärt werden
„[…] der soeben erklärte Mechanismus [des Herzens ergibt] sich allein aus der Einrichtung der Organe […], die man im Herzen mit seinen Augen sehen, aus der Wärme, die man dort mit seinen Fingern spüren, und aus der Natur des Blutes, die man durch Erfahrung kennenlernen kann, und dies mit der gleichen Notwendigkeit, wie der Mechanismus einer Uhr aus der Kraft, Lage und Gestalt ihrer Gewichte und Räder folgt.“ (Discours 5.6, AT VI 50 f., PhB 261 80 ff.)
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Descartes Dualismus: Automaten vs. vernunftbegabte Menschen
„Wenn es Maschinen mit den Organen und der Gestalt eines Affen oder eines anderen vernunftlosen Tieres gäbe, so hätten wir gar kein Mittel zu erkennen, daß sie nicht von genau derselben Natur wie diese Tiere wären.
[…] gäbe es dagegen Maschinen, die unseren Körpern ähnlich wären und unsere Handlungen nachahmten …. so hätten wir … ganz sichere Mittel, um zu erkennen, daß sie keineswegs wahre Menschen sind.
[…] Sollten diese Maschinen auch manches ebenso gut … verrichten als irgendeiner von uns, so würden sie doch … nicht aus Einsicht handeln, sondern nur aufgrund der Einrichtung ihrer Organe. Denn die Vernunft (raison) ist ein Universalinstrument, das bei allen Gelegenheiten zu Diensten steht, während diese Organe für jede besondere Handlung einer besonderen Einrichtung bedürfen […]”
(Discours 5.10)
Res extensa
Ausgedehnte materielle Substanz
Res cogitans
Nicht ausgedehnte immaterielle Substanz
Descartes‘ Dualismus
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„Ich erkenne aber nur zwei oberste Gattungen von Dingen an: die der geistigen oder denkenden Dinge […] und die der körperliche Dinge […].“ (Prinzipien I 48) „So bildet die Ausdehnung […] die Natur der körperlichen Substanz, und das Denken macht die Natur der denkenden Substanz aus“
Leib-Seele-Dualismus
Materielle Entitäten
„Leib“, Körper, Gehirn
(elektrochemische Prozesse im
Gehirn, Aktionspotentiale, Nervenzellen, Synapsen etc.)
Mentale Entitäten
„Seele“, Geist, Psyche
(Überzeugungen, Wünsche,
Gefühle, Gedanken, Schmerz etc.)
?
Wie kann der Körper auf den Geist wirken?
• Wie können physikalische Reizungen der Sinnesorgane bewusste Wahrnehmungen verursachen?
Wie kann der Geist auf den Körper wirken?
• Wie können geistige Willensakte Körperbewegungen verursachen?
Das Problem der Interaktion
Der Körper soll auf den Geist wirken
• Z.B. physische Reizungen der Sinnesorgane führen zu bewussten Wahrnehmungen
• Z.B. Verletzungen führen zu Schmerzempfindungen
Der Geist soll auf den Körper wirken
• wenn ich zornig bin, erhöht sich der Blutdruck
• Wenn ich mich entscheide, den Arm zu heben, kontrahieren bestimmte Muskeln
p1 Physische Zustände
p2
m1 m2 Mentale Zustände
verursachen
verursachen
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Geist-Körper-Interaktion
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Zirbeldrüse
„Nachdem ich aber die Sache sorgfältig untersucht habe, bin ich mir gewiß, erkannt zu haben, daß der Körperteil, über den die Seele ihre Funktionen unmittelbar ausübt, keineswegs das Herz ist, noch auch das ganze Gehirn, sondern nur der Innerste von dessen Teilen, welches eine gewisse sehr kleine Drüse ist, die inmitten der Hirnsubstanz liegt und so oberhalb des Wegs, den die Lebensgeister von dessen vorderen Kammern zu den hinteren nehmen, hängt, daß ihre kleinsten Bewegungen sehr stark den Strom der Lebensgeister zu verändern vermögen und daß umgekehrt die geringsten Veränderungen, die im Strömen der Lebensgeister vorkommen, sehr viel dazu beitragen, die Bewegungen dieser Drüse zu verändern.“ (Leidenschaften, § 31)
Geist-Körper-Dualismus
Wahrnehmungen: die von den Sinnesorganen kommenden Bewegungen erzeugen auf der Zirbeldrüse ein ‚Abbild‘ der wahrgenommenen Dinge, welches auf die Seele einwirkt und sie die Gestalt der wahrgenommenen Dinge sehen lässt
Willenshandlungen: der Geist vollzieht einen Willensakt, der eine Bewegung der Zirbeldrüse bewirkt, die ihrerseits zur Folge hat, dass sich die spiritus animales im Gehirn genau in die Nerven bewegen, die zu den entsprechenden Muskeln führen
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Probleme des Dualismus
Kraft welcher Mechanismen können nicht materielle geistige Zustände auf neuronale Prozesse im Gehirn einwirken (und umgekehrt)?
Wie kann der Geist in die Welt des Physischen eingreifen, wenn diese kausal geschlossen ist? Wie wäre eine solche Interaktion mit den Erhaltungssätzen der Physik vereinbar?
Warum kann der Geist nur auf das Gehirn und nicht auf anderen materielle Dinge einwirken?
Warum benötigt der Geist überhaupt ein Gehirn, um Bewegungen in Gang zu setzen (bzw. warum braucht das Gehirn dazu den Geist)?
Woher weiß der ort- und ausdehnungslose Geist eigentlich, zu welchem Gehirn er gehört? Warum wirkt mein Geist nur auf mein Gehirn und nicht auf die Gehirne anderer Menschen?
s.a. Beckermann, 2003 31
Bieris Trilemma
(1) Mentale Phänomene sind nichtphysische Phänomene.
(2) Mentale Phänomene sind im Bereich physischer Phänomene kausal wirksam.
(3) Der Bereich physischer Phänomene ist kausal geschlossen
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Nur zwei der drei Sätze können gleichzeitig wahr sein:
Wenn nichtphysische (mentale) Phänomene auf die physische Welt einwirken, kann diese nicht kausal geschlossen sein (1&2 schließen 3 aus).
Wenn Satz 1 und Satz 3 richtig sind, kann es keine Wirkung mentaler Phänomene auf die physische Welt geben (also ist Satz 2 falsch).
Wenn die physische Welt kausal geschlossen ist und mentale Phänomene kausal wirksam sind, dann müssen sie physische Phänomene sein (2&3 schließen 1 aus)
Bieris Trilemma: Mögliche Auflösungen
Aufgabe der Geschlossenheit der physikalischen Welt:
• Interaktionistischer Dualismus
Aufgabe mentaler Verursachung:
• Parallelismus und Epiphänomalismus
Aufgabe des ontologischen Dualismus
• Monismus
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Das Leib-Seele (Gehirn-Geist) Problem
Leib-Seele-Problem
Monismus
(Es gibt nur eine Art von Substanz)
Materialis-mus
Idealismus
Dualismus
(Es gibt physische u. nicht-physische Substanzen)
Interak-tionistischer Dualismus
Parallelismus Epiphäno-
menalismus
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Monismus
Es gibt nur eine Art von Entitäten
Materialismus: mentale Zustände sind identisch mit physikalischen (z.B. neurophysiologischen) Zuständen
Dual aspect theory: mentale und physikalische Zustände sind zwei Erscheinungsformen / unterschiedliche Beschreibungsebenen der gleichen Entitäten
Problem: Erklärung subjektiver Erlebnisqualitäten („qualia“)
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Monistische Positionen
Materialistischer
Monismus
Identitätstheorie
Typen-Identität Token-Identität
Anomaler Monismus
Funktionalismus
Eliminativer
Materialismus
Logischer
Behaviorismus
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Identitätstheorie
Mentale Zustände sind identisch mit physischen Phänomenen (Gehirnprozessen)
Annahme einer nomologischen (gesetzmäßigen) Korrelation zwischen mentalen und physischen (neuronalen) Zuständen
Analogie:
• Wasser H2O
• Wärme Brown‘sche Molekularbewegung
• Gedanken / Gefühle / Schmerzen Feuern bestimmter Neurone
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Geist und Gehirn – ein empirisches Beispiel
Elektrische Direktreizung des Kortex in epileptischen Patienten erzeugte bewusste Empfindungen
• "a star came down and towards my nose“
• "those fingers and my thumb gave a jump“
• "I heard the music again; it is like the radio”
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Penfield, W., & Jasper, H. (1954). Epilepsy and the functional anatomy of the human brain. Boston: Little Brown. Penfield, W., & Perrot, P. (1963). The brain’s record of auditory and visual experience. Brain, 86, 595–696.
Recollection of vivid memories after perirhinal region stimulations
Elektrische Direktreizung im rechten Temporalkortex in einem epilepetischen Patienten lösten visuelle Eindrücke aus, die mit Gedächtnisinhalten assoziiert waren
• “Immediately on stimulation, the patient said an image was coming but that it was hard to see, as it was too faint. He then said he had seen a lake, which was behind his house. He added: “I go there very often.”
• “The patient immediately said that something had materialized and that it was a neighbor going by in the street on a motorbike. He added: “I see him very often” and said that it was his brother’s friend.
43 Barbeau et al. (2005). Neuropsychologia, 43, 1329–1337
Kognitive Neurowissenschaft
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Wahrscheinlichkeiten Werte
? Subjektiver Nutzen
Optionen Präferenzen
Auch komplexere geistige Leistungen (z.B. Planen, Entscheidungen, Willenshandlungen) beruhen auf neuronalen Mechanismen im Gehirn
Aber: diese Prozesse sind dennoch keine simplen Reflexe, sondern komplexe Berechnungs- und Informationsverarbeitungsprozesse
Ziele
Eine (sehr) kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft
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Wie bringt die Interaktion von Milliarden von Nervenzellen Erinnerungen, Gefühle, Gedanken und
Entscheidungen hervor?
Kognitive Neurowissenschaft
Ziel:
• Zu erklären, wie mentale Prozesse (Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Erinnern, Entscheiden) im Gehirn “implementiert” sind
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
• Experimentelle Psychologie
• Neurowissenschaften
• Klinische Psychologie / Psychiatrie / Neuropsychologie
• Neuroökonomie
• Mathematische & komputationale Modellierung
• Philosophie des Geistes
Methoden
• Experimentelle Paradigmen der Kognitionspsychologie
• Funktionelle bildgebende Verfahren
• Elektrophysiologische Methoden
• Pharmakologisches Imaging / Neurogenetik
• Computational modeling
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• Analyses of cognitive task performance
• Models of underlying computational mechanisms
Behavioral and information-processing level
• fMRI; EEG; TMS
• Large-scale brain systems interactions
Neural systems level
• Neuromodulatory and neuroendocrine systems
• Pharmacological neuroimaging; PET;
• Genetic variation
Molecular Level
Integration multipler Beschreibungsebenen
Integration multipler Forschungsansätzen
Differentiated behavioral assessment of cognitive functions
Functional anatomy of cognitive and affective
functions
Computational models Functional decomposition of
cognitive functions Large-scale brain systems
interactions
Information processing models
Kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft: Vorläufer in der Hirnforschung
53 © Psychology Press
Kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft: Frühe anatomische Ansätze
Aristoteles: Sitz mentaler Prozesse ist das Herz; Gehirn dient der Kühlung
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Frühe Anatomen sahen Sitz geistiger Vorgänge in den Ventrikeln
Der Kortex wurde bis ins 18. Jh. falsch dargestellt
Gall und Spurzheim (1810) erstellten eine zutreffende Darstellung
Phrenologie
Unterschiede in kognitiven Fähigkeiten oder Persönlichkeitszügen unterschiedliche Größe kortikaler Regionen Ausbeulungen (bumps) auf dem Schädel
Franz Joseph Gall (1758-1828)
Johann Spurzheim (1776-1832)
from Gall (c. 1810)
Analysis of Presidents Washington, Jackson, Taylor, and McKinley by Jessie A. Fowler, from the Phrenological Journal, June 1898.
Phrenologie
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Fowler & Wells Co. publication on marriage compatibility in connection with phrenology,
1888.
Kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft: These der funktionalen Spezialisierung
Kritik der Phrenologie als Pseudowissenschaft
• Krude Einteilung psychologischer Funktionen ohne echte wissenschaftliche Grundlage
• Keine Spezifikation von Mechanismen
• Anekdotische Evidenz
Aber: zentrale Annahme überdauerte bis heute Lokalisation psychischer Funktionen (funktionale Spezialisierung)
Moderne Ansätze
• Die meisten Hirnregionen sind nicht nur an einer bestimmten Funktion beteiligt
• Die meisten Funktionen haben nicht eine bestimmte Lokation
• Komplexe Funktionen (z.B. Objektwahrnehmung, Erinnern, Entscheiden) beruhen auf verteilten Netzwerken interagierender Hirnsysteme
• Innerhalb solcher Netzwerke können Teilsysteme eine mehr oder weniger große funktionale Spezialisierung für Teilfunktionen aufweisen
Kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft Funktionelle Spezialisierung: Broca’s Entdeckung
© Elsevier
Paul Broca (1824–1880).
Preserved brain of Broca’s first patient. Damaged region in the dotted red square.
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Patient mit linksfrontaler Läsion • Unfähig zu sprechen (außer ‘tan …tan…tan’)
• Andere kognitive Fähigkeiten intakt
Autopsie zeigte Schädigung im linken posterioren Frontalhirn (“Broca Areal”)
Einer der ersten Belege für anatomische Lokalisation einer spezifischen kognitiven (sprachlichen) Funktionen • Exakte Funktion ist bis heute Gegenstand der
Forschung
Kontroverse • Sind kognitive Funktionen in bestimmten
Hirnregionen lokalisiert?
• Oder ist das Gehirn äquipotentiell, d.h. unterstützen alle Regionen kognitive Funktionen?
Kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft Funktionelle Spezialisierung: Wernickes Entdeckung
Wernicke untersuchte Patienten mit beeinträchtigtem Sprachverständnis, aber intakter Sprachproduktion
“Wernicke Areal” Verarbeitung des Sprachinputs (benachbart zu auditorischen Kortexregionen)
Annahme zweier Sprachregionen für Verständnis und Produktion, die unabhängig voneinander durch Hirnschädigungen beeinträchtigt werden können
Funktionelle Spezialisierung wird aus funktionalen Dissoziationen erschlossen Kognitive Neuropsychologie
Speech centers from Wernicke’s 1876 article on aphasia. A = Wernicke’s sensory speech center; B = Broca’s area for speech; Pc = Wernicke’s area concerned with language comprehension and meaning.
Carl Wernicke 1848-1905
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Zwei Forschungstraditionen der Neuropsychologie
Klassische Neuropsychologie
• Welche Funktionen werden durch Läsion in Region X gestört?
• Frage nach der Lokalisation von Funktionen / der Funktion bestimmter Hirnregionen
• Konvergierende Evidenz aus funktionellen Bildgebungsstudien
Kognitive Neuropsychologie
• Funktionalen Dissoziationen: Kann eine Funktion unabhängig von anderen Funktionen gestört werden?
• Suche nach “Grundbausteinen” kognitiver Funktionen (auch unabhängig von deren anatomischer Lokalisation) Informationsverarbeitungsmodelle
Kognitive Neurowissenschaft
• Integriert beide Traditionen
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Kritik an der Kognitiven Neurowissenschaft
“Man den Geist studieren ohne das Gehirn zu untersuchen”
“Theorien der kognitiven Informationsverarbeitung machen keine Vorhersagen über das Gehirn”
“Funktionelle Bildgebungsstudien sagen uns WO kognitive Prozesse stattfinden, aber nicht WIE sie funktionieren”
“Kognitive Neurowissenschaft ist eine moderne Form von Phrenologie”
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Kritik (1): Den Geist ohne das Gehirn untersuchen? Informationsverarbeitungsmodelle und die Computermetapher
70 © W. W. Norton © Psychology Press
Kritik (1): Den Geist ohne das Gehirn untersuchen? “Computerfunktionalismus“
These:
• Der gleiche funktionale Zustand kann in unterschiedlichen physikalischen Systemen realisiert sein
• Mentale Funktionen verhalten sich zu Gehirnprozessen wie die Software (Programm) zur Hardware eines Computers
• Gegenargument: neuronale „Hardware“ setzt wichtige Randbedingungen für kognitive Modelle
• Z.B. relative Langsamkeit neuronaler Reaktionen
• Z.B. funktionelle Konnektivität neuronaler Systeme
• etc.
Kritik (2): “WO aber nicht WIE”
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Aber: Reaktionszeiten sagen uns auch nicht WIE kognitive Prozesse funktionieren (sondern wieviel Zeit sie benötigen)
Was wir messen (Reaktionszeiten, Fehler, regionale Hirndurchblutung) sind immer Daten
Es sind Theorien (nicht Daten), die das WIE der Kognition erklären
Insofern liefern funktionelle Bildgebungsdaten eine weitere abhängige Variable für die Überprüfung von Theoriebildung
Adapted from Henson (2005), by
kind permission of the Experimental
Psychology Society.
“Funktionelle Bildgebungsstudien sagen uns WO kognitive Prozesse stattfinden, aber nicht WIE sie funktionieren”
Kritik (2): “WO aber nicht WIE”
Sind visuelle Wortrepräsentationen unabhängig von der Groß- vs. Kleinschreibung?
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Größe gleich Größe verschieden
Bedeutung gleich
RADIO – RADIO RADIO - radio
Bedeutung verschiedene
MAUS – RADIO MAUS - radio
Dehaene et al. (2001)
Neuere Entwicklungen: Von der anatomischen Lokalisation zur Analyse von Aktivierungsmustern:
Multi-Voxel-Pattern-Analyse
Ein Beispiel: Multi-Voxel-Pattern-Analyse beim Gedächtnisabruf
Kritik (3): Die Macht der Bilder – Eine neue Phrenologie?
Kritik
• Bildgebung sei moderne Form der Phrenologie (z.B. Uttal, 2001)
• Bildgebungsbefunde werden überinterpretiert
• Empirische Studie: Personen neigen eher dazu, Scheinerklärungen für psychische Prozesse zu akzeptieren, wenn diese zusammen mit einem Hirn-Scan präsentiert werden
Gegenargumente
• Ziel ist nicht primär Lokalisation, sondern Verständnis neuronaler Mechanismen
• Fokus liegt auf der Interaktion von neuronalen Netzwerken
• Funktionelle Anatomie baut auf theoriegeleiteten Experimenten und kognitionspsychologischen Paradigmen auf
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Was erwartet Sie in dieser Vorlesung?
Was erwartet Sie in dieser Vorlesung?
Kurze Einführung in funktionelle Bildgebungsmethoden
Teil I. Was determiniert unsere Entscheidungen?
• Wie werden subjektive Bewertungen im Gehirn repräsentiert?
• Wie lernen wir den Wert von Dingen?
• Wie werden Wertsignale zu einer Entscheidung integriert?
• Wie interagieren multiple Bewertungssysteme?
• Warum treffen wir irrationale Entscheidungen?
Teil II. Wie steuern wir uns selbst?
• Wie werden Absichten im Gehirn repräsentiert?
• Welche neurokognitiven Mechanismen liegen der willentlichen Handlungssteuerung zugrunde?
• Kognitive Kontrolle und präfrontaler Kortex
• Werden unsere Handlungen durch unbewusste Gehirnprozesse determiniert?
• Wie werden kognitive Kontrollprozesse durch Emotionen und Stress beeinflusst?
• Wie kommt es zu Beeinträchtigungen der willentlichen Selbststeuerung bei psychischen Störungen?
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Der Prozess des Entscheidens: Ein Rahmenmodell
Lernen Modifikation von
Erwartungen, Bewertungen,
Präferenzen, Zielen
Repräsentation der aktuellen Situation Externe Reize; momentane Bedürfnisse;
Handlungsmöglichkeiten; antizipierte Handlungskonsequenzen
Bewertung alternativer Optionen Subjektiver Wert & Kosten; Risiko & Wahrscheinlichkeit; zeitliche Distanz
Verrechnung und Auswahl Vergleich des Werts alternativer Optionen;
Integration zu einer Entscheidung / Auswahl eines Ziels (Intentionsbildung)
Handlungsausführung Ausführung zieldienlicher Handlungen;
Abschirmung des Ziels gegen konkurrierende Gewohnheiten oder Impulse
Bewertung des Ergebnisses Ist das Handlungsergebnis besser oder schlechter als
erwartet?
Selektive Aufmerk- samkeit
Kognitive Kontrolle
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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