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Donnerstag, 14. April 2016 SEITE 33KULTUR

Anhörung zumKulturgut-Gesetz

BERLIN � Das geplante Gesetzum Schutz von Kulturgüternist bei einer Anhörung imBundestag auf ein geteiltesEcho gestoßen. Mehrere Ex-perten begrüßten gestern dasVorhaben, nur wirklich ein-zigartige Kunstwerke mit ei-nem Ausfuhrverbot zu bele-gen. Umstritten waren dage-gen die neuen Sorgfalts-pflichten für Kunsthändler.„Der wirtschaftliche Auf-wand ist untragbar“, sagteetwa Markus Eisenbeis vomKölner Auktionshaus VanHam. Bei der Anhörung wa-ren 14 Experten geladen, je-weils zu 30 Einzelfragen Stel-lung zu nehmen. „Das Gesetzist gut, notwendig und über-fällig“, fasste Olaf Zimmer-mann für den Deutschen Kul-turrat zusammen. � dpa

Richtfest mitVerspätung

BERLIN � Die James-Simon-Ga-lerie, das neue Empfangsge-bäude der Museumsinsel, hatfünf Jahre später als geplantRichtfest gefeiert. Bundes-bauministerin Barbara Hen-dricks (SPD) nannte die Ver-zögerungen und Mehrkostenbei dem Projekt „alles andereals erfreulich“. „Mich be-stärkt das Beispiel in meinerfesten Überzeugung, dass wirbei Bauten des Bundes besserund verlässlicher werdenmüssen“, sagte sie. Die soge-nannte James-Simon-Galeriesoll den Zugang zu den fünfHäusern der Museumsinselzentral regeln. Ursprünglichhatte sie schon 2013 eröffnensollen, jetzt ist 2018 geplant.Die Kosten haben sich von 71auf inzwischen 134 MillionenEuro fast verdoppelt. � dpa

Ruhrtriennale aufpolitischem Kurs

DUISBURG � Die Ruhrtrienna-le wird angesichts der Flücht-lingskrise in diesem Jahr poli-tisch. Im zweiten Jahr seinerIntendanz will der Niederlän-der Johan Simons die Bedeu-tung der europäischen Werte„Freiheit, Gleichheit, Brüder-lichkeit“ ausloten. „Wir kön-nen das Nachdenken über un-sere Zeit nicht nur Politikernüberlassen“, sagte Simons(69) bei der Vorstellung desProgramms des experimen-tellen Musik-, Theater- undKunstfestivals in Duisburg.Vom 12. August bis 24. Sep-tember bringt die europaweitrenommierte Ruhrtriennale120 Veranstaltungen mit 32Produktionen an zahlreichenOrten des Ruhrgebiets he-raus, darunter 20 Urauffüh-rungen. � dpa

POTPOURRI

„Wut ist ein zerstörerisches Gefühl“Regisseur Nicolas Stemann inszeniert Elfriede Jelineks neues Stück an den Münchner Kammerspielen

Von Britta Schultejans

MÜNCHEN � Elfriede Jelinekhat über die Finanz- und dieFlüchtlingskrise geschrieben– und jetzt über den islamisti-schen Terror. Am Samstagkommt ihr Stück „Wut“ überdas Attentat auf die PariserSatire-Zeitschrift „CharlieHebdo“ an den MünchnerKammerspielen auf die Büh-ne, inszeniert vom Jelinek-Kenner Nicolas Stemann.

Was für ein Stück ist es ge-worden?

Es ist der Versuch, das zu ver-stehen, was da gerade pas-siert. Das Stück ist ja in denWochen nach dem Angriffauf „Charlie Hebdo“ geschrie-ben worden. Natürlich konn-te da noch keiner wissen, wasnoch alles passiert und dassdas Stück auf schrecklicheArt und Weise noch aktuellerwird, als es das damals war.Es ist der Versuch, die Situati-on gerade in Form von Spra-che und Gedanken zu fassen.Dabei ist die Autorin sichaber die ganze Zeit bewusst,dass dieser Versuch vergeb-lich ist, weil die Erlebnissenoch viel zu unmittelbar sindund weil man, um wirklichzu verstehen, was da geradepassiert, bestimmte Affekteüberwinden muss. Und da

kommt man dann gleich zumTitel: „Wut“.

Wie macht sich das bemerk-bar?

Ausgehend vom islamisti-schen Terror mischen sich indiesem Stück Stimmen vonwütenden Menschen in denText: Es gibt die deutschenWutbürger, es gibt Pegidis-ten, es gibt Neonazis. Und im-mer wieder kehrt der Textzum Herakles-Mythos zu-rück, zu diesem Helden, dersich nicht an den Leutenrächt, die ihm wirklich dasLeben zur Hölle machen, son-dern im Wahn seine Familieauslöscht: Er tötet die Fal-schen. So hat man auch jetztdas Gefühl, dass die eigentli-che Konfliktlinie nicht zwi-schen Karikaturisten undMoslems verläuft. Grund fürWut gibt es genug, es gibtentsetzliche Ungerechtigkeitund Unterdrückung auf derWelt, aber die Wütenden su-chen sich die falschen Opfer.

Wie sind Sie an das Stück he-rangegangen?

Das war nicht ganz einfach.Wir versuchen, diese Dingeim Text nachzuvollziehen.Ich habe noch nie ein Stückinszeniert, das so unmittel-bar und aktuell war und gera-dezu täglich von den Ereig-

nissen überholt und neu auf-geladen wird. Im Mittelpunktsteht der Anschlag auf „Char-lie Hebdo“, auf eine satiri-sche Kultureinrichtung imweitesten Sinne. Auch das Ba-taclan gehörte im weitestenSinne zu einer eher subversi-ven Kultur – und das ist ja ge-nau das, was wir hier auchmachen. Wir machen subver-sive Kunst über Attacken, diesubversiver Kunst galten undstehen damit auch irgendwieim Fadenkreuz.

Haben Sie da Angst?Nein, ich glaube nicht, dasswir da bedroht sind, aber ichfinde diesen Umstand inte-ressant und auch merkwür-dig. Man fragt sich schon im-mer: Darf man das, was wirhier tun? Dabei geht es nichtum die Frage, ob man irgend-welche Islamisten beleidigt.Das kann man im Zweifel so-wieso nicht verhindern unddie sind auch nicht primärunsere Zielgruppe. Aber ichversuche, nicht rumzuzün-

deln, weil ich auch nichtweiß, was das bringen sollte.

Wie stehen Sie zu den Reak-tionen auf das Attentat?

Ich bin zwar mit Satire aufge-wachsen und fühle michauch einem Blatt wie „Char-lie Hebdo“ sehr nahe. Aller-dings fand ich die Reaktionendarauf und dieses „Wir sindCharlie“, das ja auch Diktato-ren und die Springer-Pressefür sich beansprucht haben,nicht so besonders hilfreich.Da waren viele Leute auf ein-mal Charlie, die sich zu Zei-ten, als es noch ein linksradi-kales Schmuddelblatt war,auf keinen Fall als Charlie be-zeichnet hätten. Ich verstehees, dass man unmittelbarnach den Anschlägen ein Zei-chen der Solidarität sendet,aber irgendwie wurde damitaus einem subversiven La-chen ein staatlich verordne-tes. Ich denke also nicht, dasswir für das Theaterstück jetztdie Mohammed-Karikaturennachspielen müssen.

Jelinek hat „Wut“ geschrie-ben, ohne zu ahnen, wasnoch passiert. Sie wissen dashingegen. Wirkt sich das aufdie Inszenierung aus?

Ja, sicher. Das lässt sich ja garnicht vermeiden. Ich habe Je-linek auch gefragt, ob sie

nicht weiter an dem Stückschreiben will. Das hattenwir ja bei „Kontrakte desKaufmanns“ so ähnlich, das2008 unmittelbar vor demLehman-Crash, entstandenist und sich dann auf einmalals Kommentar dazu las. Da-mals hat sie weiter geschrie-ben, dieses Mal wollte sie dasnicht. Das verstehe ich sehr.Es ist ihr Sprachkunstwerk,es ist jetzt fertig und es wirdsich mit allem, was da sonstnoch passiert, von selber wei-ter aufladen. Das habe ichjetzt bei „Schutzbefohlenen“,wo es um die Flüchtlingskrisegeht, auch gemerkt. Da ist jaseit der Premiere auch un-glaublich viel passiert.

Kann man dieser Aktualitätüberhaupt gerecht werden?

Ab einem gewissen Punktkommt man einfach nichtmehr hinterher, und dannmuss man darauf vertrauen,dass die Kunst selber arbeitet,was sie auch tut. Jelinek hatauch in diesem Fall mal wie-der relativ prophetisch ge-schrieben. Ob man sich die Is-lamisten anschaut, die Nazisoder die AfD-Erfolge – manhat das Gefühl, Wut ist dasbeherrschende Gefühl der-zeit. Und es wird ja nicht we-niger. Wut ist ein zerstöreri-sches Gefühl � dpa

Der 48-jährige Nicolas Stemann, Hausregisseur der Münchner Kam-merspiele, gilt als Spezialist für Jelinek-Texte. � Foto: dpa

Unter Gleichgesinnten: Amateure und Profis begegnen sich bei den Orchesterproben in Frankfurt auf Augenhöhe. � Foto: Kinsler

Musik schlägt BrückenKonzertprojekt „Bridges“ bringt Flüchtlinge und Musiker aus der Region zusammenVon Detlef Kinsler

FRANKFURT � Am Sonntag istöffentliche Generalprobe an derFrankfurter Musikhochschule,Dienstag dann der große Tag,auf den alle hingefiebert haben.„Bridges – Musik verbindet“stellt sich im Sendesaal desHessischen Rundfunks vor.

„Was können wir ganz per-sönlich für Flüchtlinge tun?“,fragten sich die StudentinnenJulia Huk und Isabella Kohlsaus Rodgau im vergangenenHerbst. Ein Konzert fürFlüchtlinge? Nein, ein Kon-zert mit Flüchtlingen standnach zweistündigem Brains-torming fest. Nur so könneman den nach Deutschlandgekommenen Menschen „einGesicht und eine Stimme ge-ben“. So formulierten die bei-den 26-Jährigen ihre Idee.

„Als wir im September mitder Arbeit anfingen, stießenwir überall auf offene Oh-ren“, erinnert sich Huk, diegerade ihr Studium der Che-mie und Musik (Lehramt) ab-geschlossen hatte. Ihre Hoch-

schule sagte sofort Unterstüt-zung zu, der Hessische Rund-funk versprach Sendesaal,Technik und Personal für denAuftritt, die Schillerschulestellte Räume für die Probenzur Verfügung und wurde Ko-operationspartner.

Mit eigener Website, Flyernund Mail-Aussendungen auchan die Flüchtlingseinrichtun-gen in der Region wurde fürdie Teilnahme am „Flücht-lingsorchester“ geworben.Bald standen 73 Namen aufder Liste. Vor allem Musikeraus Syrien, dem Iran, Afgha-nistan und Eritrea, aber auchdeutsche Kollegen aus Klas-sik, Jazz, Worldmusic undPop. Von Mal zu Mal konnteman neue Gesichter bei denTreffen entdecken. Fusion-Gi-tarrist Torsten de Winkelbrachte sich ein; „BluesBlend“-Mundharmonika-Vir-tuose Henning Eichler gesell-te sich dazu; mit Gypsy-Jazz-Gitarrist Bertino Rodmannkam einer mit Punk-Vergan-genheit („Strassenjungs“); dieSoloflötistin Clara Andradade la Calle ist nur eines von

mehreren Mitgliedern des hr-Sinfonieorchesters in diesembunt durcheinander gewür-felten Haufen aus Profis undAmateuren, die sich alle aufAugenhöhe begegnen.

Auf dem Konzertprogrammstehen eigens für den Abendgeschriebene Arrangements(etwa von Astor Piazzollas „Li-bertango“) und neue Stücke,zum Beispiel vom Frankfur-ter FilmmusikkomponistenRainer Michel. Er hat das Ge-spür für „fremde“ Musikenwie er schon in seinemSoundtrack für Sander Fran-ckens Film „Bardsongs“ mitVolksmärchen aus Mali, Ra-jasthan und dem Himalayabeweisen konnte. Er hat ge-nau hingehört, welche Klän-ge da Instrumenten wie Krar,Oud, Tar oder Rubab entlocktwerden.

„Wir wollten die Musiknicht vorgeben, etwa Beetho-vens Neunte umarrangieren,stattdessen bewusst nutzen,was die Leute an Musik mit-bringen“, erläutert Julia Hukdie Herangehensweise. Eswar interessant und aufre-

gend zu beobachten, wie dieneun Ensembles zusammen-fanden. So hat sich die Folk-und Kammermusik-erfahre-ne Flötistin Johanna-LeonoreDahlhoff auf die orientali-schen Farben iranischer undafghanischer Musik eingelas-sen, Sängerin Maria Kaplanlässt ihre aramäischen Medi-tationen u.a. von Trompetenund Posaune kommentieren,bei den Eritreern grundiertein Didgeridoo die archai-schen, nordostafrikanischenSaitenklänge.

Es wird viel zu entdeckengeben am 19. April, aller-dings ist das Konzert bereitsausverkauft. Nur wenn Reser-vierungen nicht wahrgenom-men werden, kann man vorOrt noch Glück haben undnachrücken. Aber „Bridges“bleibt über diesen Termin hi-naus präsent im Veranstal-tungskalender. So hat sich dieBrotfabrik schon zwei Termi-ne mit den Musikern des Pro-jekts gesichert. Am 19. Maiund 14. Juni treten dort un-terschiedliche Formationenauf.

PackendePanoramen

Fazil Say als Interpret und KomponistVon Klaus Ackermann

FRANKFURT � Er hat wiedereinmal alles gegeben. FazilSay, „Artist in Residence“ beiPro Arte, ist in der Alten Opernicht nur als Solist in Beetho-vens Klavierkonzert Nr. 3,sondern auch als Komponistin Erscheinung getreten. Sei-ne „Mesopotamia“-Sinfonie,von der überzeugendenDresdner Philharmonie undihrem Chefdirigenten Micha-el Sanderling als packendesPanorama des von Kriegswir-ren gezeichneten Zweistrom-landes festgemacht, brachte55 Minuten Dauerspannung.

Beethoven ist das große Vor-bild des eigenwilligen türki-schen Pianisten, der mit sei-nem Heimatland in politi-schem Dauerclinch liegt. Dakommt die Ouvertüre zu Goe-thes Trauerspiel „Egmont“nicht von ungefähr, Charak-terporträt eines bis in denTod unbeugsamen Oppositio-nellen. Für das traditionsrei-che Orchester viel Grund fürheftige dynamische Kontras-te zwischen Selbstgewissheitund innerer Zerrissenheit desHelden, der hingerichtetwird. Der Rest ist klanglichtriumphale Verklärung.

Beethoven, Teil 2, ist daseinzige Klavierkonzert inMoll des klassischen Titanen,der schon in der Orchester-einleitung dunkle seelische

Befindlichkeiten aufzeigt, dieder Pianist förmlich zudurchleben scheint. TrotzigeAttacken bei hartem Klavier-anschlag kontert Say mit na-hezu zärtlichem Streicheln,immer eng vernetzt mit denOrchesterstimmen. Natürlichist die Kadenz bei Say Eigen-bau, der zielstrebig das Beet-hoven-Moll durchpflügt, aufschnöde Virtuosität wenigWert legt und dafür Wege indie Romantik weist. Das emp-findsame E-Dur-Largo wirdbei betonter Langsamkeit zurMeditation. Eher robustkommt das an Mozart gemah-nende Rondo daher. Die Zu-gabe ist dann wieder Fazil Saypur, eine wundersam melis-matisch ausschwingende ori-entalische Fantasie, bei derauch in die Saiten des Kon-zertflügels gegriffen wird.

Idealer Übergang zur zehn-sätzigen „Mesopotamia“, dieeine traurige Geschichte von„Zwei Kindern auf dem Land“erzählt, von denen eines imKrieg erschossen wird. DieSchlagwerker-Phalanx derDresdner ist im Dauereinsatz.Klangliche Klammer ist eineorientalische Sphärenmusikauf Bass- und Bassblockflötesowie auf dem elektroni-schen Theremin, das einehohe Frauenstimme sugge-riert – Carolina Eyck ist derEngel auf dem orchestralenSchlachtfeld.

Art Cologne beginnt in KölnZum 50. Mal bietet die größte deut-sche Kunstmesse Art Cologne bisSonntag Werke der zeitgenössi-schen Kunst und klassischen Mo-derne an. 218 Aussteller aus 24Ländern sind vertreten. Zu den teu-

ersten Werken zählt ein Gemäldevon Marc Chagall für 5,5 MillionenEuro. Günter Uecker ist ebenfallsdabei. Die Art Cologne ist die ältes-te Kunstmesse der Welt, 2015 ka-men 56 000 Besucher. � Foto: dpa

RANDNOTIZ

SchlimmerVerdacht

M an kann dem ehema-ligen Bundestagsprä-sidenten Wolfgang

Thierse nur beipflichten: Dieheutige Entscheidung, alleweiteren Vorarbeiten für dasgeplante Einheitsdenkmal inBerlin einzustellen, ist eineBlamage für den DeutschenBundestag. Der hatte das Pro-jekt 2007 in Auftrag gegebenund nach etlichen Verzöge-rungen und Unwägbarkeiteneinen Schlussstrich gezogen.Das sprichwörtliche Ende mitSchrecken mag Haushaltspo-litiker im Reichstag von einermillionenschweren Last be-wahrt haben. Schwerer wiegtaber, dass es 25 Jahre nachdem Mauerfall nicht gelingenwill, einen zentralen Ort desGedenkens zu schaffen. Derschlimme Verdacht liegtnahe, dass man in Berlinebenso fahrlässig mit der jün-geren deutschen Geschichteumgeht, wie man mit öffent-lichen Bauprojekten verfährt.

CARSTEN MÜLLER