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Numerische Analyse aeroakustischer Ruckkopplungsmechanismen am

Fahrzeugaußenspiegel mit Hilfe einer direkten Aeroakustiksimulation

Hannes Frank1, Maike Werner1, David Flad1, Claus-Dieter Munz11 Institut fur Aerodynamik und Gasdynamik, 70569 Stuttgart, Deutschland, Email: [email protected]

Einleitung

In der akustischen Optimierung von Kraftfahrzeugenstellt neben dem Gesamtpegel der akustischen Ab-strahlung die Vermeidung von schmalbandigen Antei-len im Spektrum eine kritische Komponente dar. Die-se tonalen Gerausche werden als besonders unangenehmempfunden. Durch die zunehmende Reduktion andereGerauschquellen am Fahrzeug wie Motor- und Abroll-gerausche ist die Relevanz des aeroakustischen Larms inden letzten Jahren angestiegen. Insbesondere am Au-ßenspiegel werden im Entwicklungsprozess oft tonaleGerauschquellen gefunden, die es durch aeroakustischeOptimierung im Windkanal zu beseitigen gilt. Neben derUberstromung von Vorrichtungen zum Wassermanage-ment sowie Fugestellen konnen allerdings auch an aero-dynamisch glatten Flachen tonale Gerausche entstehen.Diese Effekte sind physikalisch noch nicht gut verstan-den. Dieser Beitrag stellt Ergebnisse aus einem expe-rimentellen und numerischen Forschungsprojekt vor, indem gezielt diese Art von tonaler Gerauschabstrahlunguntersucht wird, um das Verstandnis um tonale Quell-mechanismen zu erweitern. Es wurden kompressible ska-lenauflosende Simulationen im Sinne einer Large EddySimulation mit der Discontinuous Galerkin Spektralele-mentmethode (DGSEM) durchgefuhrt, um die aeroaku-stischen Quellen mit einer direkten Aeroakustiksimulati-on moglichst genau zu analysieren.

Aeroakustische Ruckkopplung

Die Entstehung tonaler Gerausche ist bei Tragflugeln beimittlerer Reynoldszahl (O(105) − O(106)) bekannt undwurde in einigen experimentellen (z.B. [1, 2]) sowie nu-merischen Arbeiten untersucht [3]. Der prinzipielle Me-chanismus wurde in diesen Arbeiten identifiziert und giltim Großteil der Literatur zu diesem Phanomen als aner-kannt. Bleibt die Grenzschicht bis in die Nahe der Hin-terkante laminar, kann es zu laminarer Ablosung strom-auf der Hinterkante kommen. Grenzschicht-Instabilitatenkonnen in der abgelosten Scherschicht stark angefachtwerden. Diese rollen sich stromab zu Wirbeln auf, wel-che dann durch die Interaktion mit der Hinterkante zurSchallabstrahlung fuhren. Die stromauflaufende akusti-sche Welle kann durch akustische Rezeptivitat wiederuminstabile Moden der selben Frequenz anregen. Dieser Me-chanismus ist aber nur fur diejenigen Frequenzen selbst-erhaltend, welche beim Durchlaufen des gesamten Pro-zesses einen verschwindenden Phasenunterschied aufwei-sen. Aufgrund dieses Kriteriums ist ein typisches Merk-mal eine leiterartige Struktur im akustischen Spektrum,wenn dieses uber die Anstromgeschwindigkeit aufgetra-

gen wird [4]. Das gemessene akustische Spektrum desbetrachteten Außenspiegels weist Ahnlichkeit zu dieserStruktur auf und das Ausbleiben bestimmer Anteile destonalen Larms durch Aufbringen von Turbulatoren amInneren des Spiegels bzw. auf der Oberseite deuten dar-auf hin, dass ein solcher Mechanismus auch am Außen-spiegel vorliegt.

Numerisches Verfahren

Fur die Simulationen wird die Discontinuous GalerkinSpektralelementmethode eingesetzt, um die kompressi-blen Navier-Stokes Gleichungen zu losen. Dieses Vorge-hen liefert bei hinreichender Genauigkeit des Verfahrenssowohl das hydrodynamische als auch das akustische Feldund schließt im Gegensatz zu den gangigen hybriden Ver-fahren der numerischen Aeroakustik eine Ruckkopplungder Akustik zur Hydrodynamik nicht aus. Bei der DG-SEM wird ein zelllokaler Polynomansatz analog zu denFinite-Element-Verfahren gemacht, der aber Unstetigkei-ten zwischen den Zellen zulasst. Vom Finite-Volumen-Verfahren bekannte numerische Flussfunktionen garan-tieren einen eindeutigen numerischen Fluss an der Zell-kante und ermoglichen die Kopplung zwischen den Zellen.

In [5, 6] wurde die Eignung dieses Verfahrens hoher Ord-nung fur Large Eddy Simulationen (LES) und direktenumerische Simulationen (DNS) herausgestellt, welche inder prinzipiell beliebigen Verfahrensordnung, ihren sehrniedrigen Dispersions- und Dissipationsfehlern und dereinfachen Erweiterung auf hochparallele Rechnungen be-grundet ist. Es wurde in [6] gezeigt, dass mit polyno-mialen De-aliasing, also mit der Bereinigung des nume-rischen Operators um Aliasing-Fehler die Rechnung ef-fektiv stabilisiert werden kann, sodass auf ein explizitesFeinstrukturmodell bis zu einer gewissen Reynoldszahl(Re ≈ O(5)) verzichtet werden kann. Um die Geome-trie des Spiegels darzustellen wird nahe der Wand ein ge-krummtes, der Geometrie folgendes Rechengitter einge-setzt [7]. Ein weiterer wichtiger Baustein ist die nichtkon-forme Verfeinerung des Rechengitters in der akustischenQuellregion um die Spiegelhinterkante. Um durch amAustromrand auslaufende hydrodynamische Storungenverursachte akustische Reflektionen zu vermeiden, wirdeine Dampfungszone mit gleitendem Mittelwert einge-setzt [8].

Validierungsbeispiel: NACA0012 Trag-flugel

Zunachst wurde die Vorgehensweise anhand der Trag-flugelumstromung in [3] validiert. Die Umstromung

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und Schallabstrahlung eines NACA0012-Tragflugelprofilswurde mit einer DNS in zwei Raumdimensionen beiReC = 100.000, Ma = 0, 4 und einem Anstellwinkel von0◦ berechnet. Aufgerollte Wirbel stromab der Ablosungfuhren zu tonaler Schallabstrahlung in mehreren diskre-ten spektralen Komponenten. Der ebenfalls in [3] ange-wandte Storungsansatz mittels der Betrachtung eines iso-lierten Wellenpakets verschwindender Amplitude weisteindeutig die Existenz des Ruckkopplungsmechanismusin der Simulation nach. In Abbildung 1 sind die aku-stischen spektralen Leistungsdichten der DNS und derStorungsrechnung zwei Profiltiefen uber der Hinterkan-te in dimensionslosen Einheiten gezeigt. In beiden Fallensind mehrere schmalbandige Anteile sichtbar, ihre Lageim Spektrum fallt zusammen.

Frequency

pp*

1 2 3 4 5 6 710

­9

10­8

10­7

10­6

10­5

10­4 N

B=5

NB=10

disturbance

Abbildung 1: Spektrale Leistungsdichte der abgestrahltenAkustik fur die NACA0012 DNS (obere Spektra) und derStorungsrechnung (unteres Spektrum).

Außenspiegel-Simulation

Um die Einflussparameter zu reduzieren und eine LESmoglich zu machen, wird der Außenspiegel analog zumexperimentellen Fall isoliert auf dem Boden des Wind-kanals betrachtet. Ein Vergleich mit Ergebnissen einerCFD-Simulation des vollstandigen Fahrzeugs zeigt, dassdie Druckverteilung auf der Innenseite des isolierten Spie-gels unter einem Drehwinkel von−20◦ sehr ahnlich zu derdes Spiegels am Gesamtfahrzeug ist. Der Spiegel wird mitU∞ = 100km/h angestromt, was in ReS ≈ 184.000 undMa = 0, 082 mit der uberstromten Lange der Spiege-linnenseite S = 0, 1m resultiert. Die Simulation enthaltca. 17 Millionen Gitterpunkte und wurde mit einer Ver-fahrensordnung von 8 durchgefuhrt. Die Stromung wur-de zunachst fur 30T ∗ (mit T ∗ = S/U∞)) berechnet, umdann in den weiteren 40T ∗ (0, 144s) die zeitgemitteltenStatistiken sowie hydrodynamische und akustische Spek-tra zu entnehmen. Die experimentellen Daten stammenaus dem Partnerprojekt und wurden im Laminarwindka-nal des IAG gewonnen. In [9] findet sich eine detaillierteBeschreibung der experimentellen Untersuchung.

Abbildung 2 zeigt die Oberflachendruckverteilungen andrei Positionen auf der Spiegelinnenseite sowie einer Po-sition auf der Oberseite, wobei s die wandparallele Koor-dinate bis zur Hinterkante darstellt. Neben der sehr gu-ten Ubereinstimmung mit den experimentellen Druckver-teilungen kann im vorderen Bereich zunachst eine starkbeschleunigte Stromung festgestellt werden, nach einerlokalen Spitze liegt ein sehr flacher Druckverlauf vor.

s

cp

050100

­1

­0.5

0

0.5

y=100mm

s

cp

0204060

­0.8

­0.6

­0.4

­0.2

0

0.2

0.4

z=110mmt=0000070.0000000

s

cp

0204060

­0.8

­0.6

­0.4

­0.2

0

0.2

0.4

Sim.

Exp.

z=91mm

s

cp

0204060

­0.8

­0.6

­0.4

­0.2

0

0.2

0.4

z=71mm

Abbildung 2: Druckverteilung auf der Spiegelinnenseite(z = 110, z = 91, z = 71) und auf der Oberseite (y =100mm).

An den zeitgemittelten Geschwindigkeitsverteilungen ausParticle Image Velocimetry (PIV) Messungen (oben) undder LES (unten) in Abbildung 3 kann man die durch ei-ne geometrische Unstetigkeit bei x ≈ 8mm hervorgeru-fene laminare Ablosung und die Entwicklung einer freienScherschicht beobachten. Stromauf der Unstetigkeit istdie Grenzschicht aufgrund der starken Beschleunigungsehr dunn und stabil gegen Storungen. Ein turbulen-tes Wiederanlegen der Grenzschicht vor der Hinterkan-te ist nicht vorhanden, sodass alle Voraussetzungen furden Ruckkopplungsmechanismus gegeben sind. Die Aus-wertung der entsprechenden RMS-Fluktuationen (nichtabgebildet) zeigt das Anwachsen einer Storung entlangder abgelosten Scherschicht.

Abbildung 3: Zeitgemittelter Geschwindigkeitsbetrag beiz = 110. Oben: PIV-Messung, unten: Simulation.

Im Leistungsdichtespektrum des akustischen Drucks anPosition 1 in Abbildung 4 konnen zwei dominante tonaleFrequenzen ausgemacht werden. Diese liegen bei 2860Hzund 4370Hz. Ein Vergleich mit den hydrodynamischenDruckspektra an der Spiegelhinterkante ergibt, dass dieakustischen Quellen der niedrigen Frequenz an der Sei-tenflache liegen, die der hoheren an der Oberseite des

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Spiegels. Wahrend die Lokalisierung der beiden tona-len Quellen sehr gut mit den experimentellen Befundenubereinstimmt, gibt es bei den tonalen Frequenzen deutli-che Unterschiede. So liegt die gemessene tonale Frequenzvon der Seitenflache bei etwa 3600Hz, die der Obersei-te bei 5100Hz. Nach aktuellem Kenntnisstand sind dieGrunde fur die Abweichungen noch unbekannt.

F[Hz]

PS

D [

dB

]

0 2000 4000 6000 80000

20

40

60

80

Sim.

Pos. 2

F[Hz]

PS

D [

dB

]

0 2000 4000 6000 80000

20

40

60

80

Pos. 1

F[Hz]

PS

D [

dB

]

0 2000 4000 6000 80000

20

40

60

80

Pos. 3

F[Hz]

PS

D [

dB

]

0 2000 4000 6000 80000

20

40

60

80

Pos. 4Abbildung 4: Akustisches Spektrum bei Position 1, z =300mm.

Einen qualitativen Eindruck der Quellregion auf der Sei-tenflache geben die Isooberflachen der Geschwindigkeits-fluktuationen in Abbildung 5. Auf mittlerer Hohe derHinterkante sind deutlich abwechselnde koharente Struk-turen sichtbar. Die Interaktion dieser Wirbel mit derHinterkante mit einer annahernd konstanten Frequenzfuhrt zu einer deutlich ausgepragten tonalen Schallab-strahlung. Auf der Oberseite des Spiegels sind ahnlicheStrukturen identifizierbar, welche sich ebenfalls schmal-bandigen Spitzen im hydrodynamischen und akustischenSpektrum zuordnen lassen.

Abbildung 5: Visualisierung der Wirbelstrukturen an derHinterkante der Seitenflache mittels Iso-Oberflachen der in-stantanen Geschwindigkeitsfluktuationen in y-Richtung mitv′ = ±0.01U∞. Die Geschwindigkeiten in y-Richtung sind lo-kal in guter Naherung normal zur Oberflache.

Zusammenfassung

Die tonale Schallabstrahlung eines Außenspie-gels wurde mit dem bei Tragflugeln bekanntenRuckkopplungsmechanismus in Verbindung gebracht.In einer kompressiblen LES mit einem Verfahren hoherOrdnung wurde das tonale Gerausch reproduziert und

auf die gleichen Quellregionen zuruckgefuhrt, die auchexperimentell identifiziert wurden. Es konnte eine sehrgute Ubereinstimmung mit den hydrodynamischenMesswerten (Druckverteilungen, PIV-Messungen) fest-gestellt werden, die tonalen Frequenzen im akustischenFeld unterschieden sich allerdings von den gemessenen.Die Ergebnisse bekraftigen die Hypothese des akusti-schen Ruckkopplungsmechanismus am Außenspiegel unddemonstrieren, dass die akustische Ruckkopplung einezentrale Bedeutung in aeroakustischen Quellmechanis-men haben kann.

DanksagungenDie Autoren danken der Audi AG fur die Finanzierungdes Projekts und die fachliche Unterstutzung, sowie demHochstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) fur diezur Verfugung gestellte Rechenzeit.

Literatur

[1] Tam, C.K.W.: Discrete tones of isolated airfoils.Journal of the Acoustical Society of America 55,1173–1177 (1974).

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[3] Jones, L.E and Sandberg, R.D.: Numerical analy-sis of tonal airfoil self-noise and acoustic feedback-loops. Journal of Sound and Vibration 330, 6137 –6152, no. 25 (2011)

[4] Plogmann, B., Herrig, A., and Wurz, W.: Experi-mental investigations of a trailing edge noise feed-back mechanism on a NACA 0012 airfoil. Experi-ments in Fluids 54, no. 5 (2013).

[5] Gassner,G.J., Beck, A.D.: On the accuracy of high-order discretizations for underresolved turbulence si-mulations. Theor. Comput. Fluid Dyn. 27, 221–237(2013)

[6] Beck, A.D., Bolemann, T., Flad, D., Frank, H., Gas-sner, G.J., Hindenlang, F., and Munz, C.D.: Highorder discontinuous Galerkin spectral element me-thods for transitional and turbulent flow simulati-ons. International Journal for Numerical Methodsin Fluids 76, no. 8, 522–548 (2014).

[7] Hindenlang, F.: Mesh curving techniques for highorder parallel simulations on unstructured meshes.Verlag Dr. Hut (2014)

[8] Flad, D., Frank, H., Beck, A.D., Munz,C.D.: A Dis-continuous Galerkin Spectral Element Method forthe Direct Numerical Simulation of Aeroacoustics.20th AIAA/CEAS Aeroacoustics Conference (2014)

[9] Werner, M., Wurz, W., Kramer, E.: Experimentalinvestigations of tonal noise on a vehicle side mir-ror, Notes on Numerical Fluid Mechanics and Mul-tidisciplinary Design. 19th STAB/DGLR Symposi-um, Munich, Germany (2014)

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