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Prof. Dr. Irwin Yousept Universität Duisburg-Essen Numerik partieller Differentialgleichungen I Typeset und Layout: Roman Händler Fassung vom 28. Februar 2017

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Numerik partieller Differentialgleichungen ITypeset und Layout: Roman HändlerFassung vom 28. Februar 2017

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Inhaltsverzeichnis

1. Einführung 11.1. Vorbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2. Sobolevraum 72.1. Lp-Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2. Distributionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.2.1. Distributionelle Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.3. Schwache Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242.4. Sobolevraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272.5. Wk,p

0 (Ω)-Räume und die Poincaré-Friedrichs-Ungleichung . . . . . . . . 302.6. Der Spuroperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3. Schwache Lösungstheorie für lineare elliptische PDE 373.1. Das Lemma von Lax-Milgram . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.2. Schwache Lösung für die Poisson-Gleichung mit homogener Dirichlet-

Randbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423.2.1. Schwache Formulierung (Variationsformulierung) . . . . . . . . 42

3.3. Schwache Lösung für allgemeine lineare elliptische PDE mit homogenerDirichlet-Randbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 503.4.1. Inhomogene Dirichlet-Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 503.4.2. Inhomogene Neumann-Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . 523.4.3. Inhomogene Robin-Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 563.4.4. Gemischte Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

4. Differenzenverfahren 61

5. Grundkonzepte der Finite-Elemente-Methode 675.1. Galerkin-Verfahren und das Lemma von Céa . . . . . . . . . . . . . . . . 675.2. Finite-Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695.3. Der Finite-Elemente-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735.4. Interpolation und affine Familien von finiten Elementen . . . . . . . . . 795.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

5.5.1. Bramble-Hilbert-Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885.5.2. Fehleranalyse für polynominvariante Operatoren . . . . . . . . . 91

iii

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5.5.3. Anwendung auf Interpolationsoperatoren von finiten Elementen 975.5.4. Anwendung auf den Finiten-Elemente-Raum aller stetigen und

stückweise linearen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

6. Finite-Elemente-Methode für lineare elliptische Variationsprobleme 1036.1. Konvergenz und Fehlerabschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1046.2. Aubin-Nitsche-Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm . . . . . . . . . . . . 108

6.3.1. Fehleranalyse mit gewichteten Normen . . . . . . . . . . . . . . . 1086.3.2. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm . . . . . . . . 115

A. Anhang 119A.1. Der Transformationssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119A.2. Ergänzungen zu Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

A.2.1. Satz 6.11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120A.2.2. Satz 6.16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Symbolverzeichnis 123

Stichwortverzeichnis 125

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Kapitel 1Einführung

In Numerik 2 haben wir numerische Methoden für gewöhnliche Differentialgleichun-gen der Form

y′(t) = f (t, y(t)) ∀t ∈ [a, b],y(a) = y0,

behandelt. Hierbei hängt die gesuchte Lösung y nur von einer Variablen t ∈ [a, b] ab.Daher heißt die Aufgabe gewöhnliche Differentialgleichung. Bei partiellen Differenti-algleichungen ist eine Funktion von mehreren Veränderlichen gesucht. Eine partielleDifferentialgleichung ist also eine Differentialgleichung, die partielle Ableitungenenthält.

Definition 1.1 (Verwendung von Multiindizes).

(i) Sei n ∈N. Ein n-Tupel nichtnegativer Zahlen

α = (α1, α2, . . . , αn), αj ∈N∪ 0 ∀j = 1, . . . , n

heißt Multiindex. Der Betrag von α ist definiert durch

|α| = α1 + . . . + αn.

(ii) Sei n ∈N und α = (α1, . . . , αn) ein Multiindex. Ist u : Rn → R eine |α|-mal stetigdifferenzierbare Funktion, so definieren wir

Dαu =∂|α|u

∂xα11 ∂xα2

2 · . . . · ∂xαnn

und Dju =∂u∂xj

∀j = 1, . . . , n.

Beispiele 1.2.

(i) Es sei u : R5 → R dreimal stetig differenzierbar und α = (1, 2, 0, 0, 0). Dann ist

Dαu =∂3u

∂x1∂x22= D1D2

2u.

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Kapitel 1. Einführung

(ii) Es sei u : R3 → R fünfmal stetig differenzierbar und α = (1, 0, 2) sowie β =(0, 1, 1). Dann ist

Dαu =∂3u

∂x1∂x23

, Dβu =∂2u

∂x2∂x3

und

DαDβu =∂5u

∂x1∂x23∂x2∂x3

Schwarz=

∂5u∂x1∂x2∂x3

3= Dγu

mit γ = α + β = (1, 0, 2) + (0, 1, 1) = (1, 1, 3).

(iii) Für eine zweimal stetig differenzierbare Funktion u : Rn → R schreiben wir

∇u =

(∂u∂x1

,∂u∂x2

, . . . ,∂u∂xn

)= (Dju)n

j=1,

∆u = ∇∇u =n

∑j=1

∂2u∂x2

j= D2

1u + . . . + D2nu =

n

∑j=1

D2j u.

Definition 1.3 (Partielle Differentialgleichung in n reellen Veränderlichen). Es seiΩ ⊂ Rn offen und F : Ω×Rk+1 → R eine Funktion mit k ∈N.

(i) Eine Gleichung der Form

F(x, u(x), Dα1u(x), Dα2

u(x), . . . , Dαku(x)) = 0, x ∈ Ω,

heißt partielle Differentialgleichung in n reellen Veränderlichen. Dabei sindα1, . . . , αk Multiindizes der Dimension n.

(ii) Gilt |αi| ≤ m für alle i = 1, . . . , k, und existiert ein Multiindex αj mit |αj| = m, soheißt die partielle Differentialgleichung von m-ter Ordnung.

Beispiele 1.4.

(i) Die Gleichung

∆u =3

∑j=1

D2j u = 0 in R3

ist eine partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung.

(ii) Die Gleichung

x1

(∂u∂x1

(x))2

+∂3u

∂x1∂x22(x) = 0, x ∈ Ω = x ∈ R2 : x2

1 + x2 < 1,

ist äquivalent zux1(D1u)2 + D1D2

2u = 0 in Ω.

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Kapitel 1. Einführung

Das entsprichtx1(Dα1

u)2 + Dα2u = 0 in Ω

mit α1 = (1, 0) und α2 = (1, 2). Diese Gleichung ist also eine partielle Differenti-algleichung dritter Ordnung und die Funktion F ist definiert durch

F : Ω×R3 → R, F(x, y0, y1, y2) = x1y21 + y2.

Bemerkung 1.5. Partielle Differentialgleichungen spielen eine überaus wichtige Rollein fast allen Teilgebieten der Physik, in den Ingenieurwissenschaften sowie in ma-thematischen Modellen der Wirtschaftswissenschaften. Im Folgenden betrachten wireinige wichtige Paradebeispiele für partielle Differentialgleichungen.

(i) Die Laplace- bzw. Poisson-Gleichung

−∆u = 0 bzw. − ∆u = f .

(ii) Die Wärmeleitungsgleichungut − ∆u = 0

beschreibt die Wärmeausbreitung in Körpern.

(iii) Die Wellengleichungutt − ∆u = 0

beschreibt Schwingungs- und Schallausbreitungsphänomene.

(iv) Die Maxwell-Gleichungen Dt −∇× H = 0,Bt +∇× E = 0

beschreiben elektromagnetische Vorgänge.

Im Gegensatz zu gewöhnlichen Differentialgleichungen existiert keine allgemeineTheorie zur Existenz und Eindeutigkeit für partielle Differentialgleichungen

F(x, u(x), Dα1u(x), . . . , Dαk

u(x)) = 0.

Das Ziel der Vorlesung ist die Finite-Elemente-Analyse für die Poisson-Gleichung

−∆u = f .

Die Finite-Elemente-Analyse liefert uns eine effiziente numerische Methode. Zunächstwollen wir uns mit einer Lösungstheorie für die Poisson-Gleichung beschäftigen.Hierzu studieren wir nur die schwache Theorie, da diese die Grundlage der modernenAnalysis sowie der Finite-Elemente-Methode ist. Die klassische Theorie wollen wir

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Kapitel 1. Einführung

nicht behandeln, denn diese ist für ein allgemeines Problem nicht anwendbar. EinBeispiel dazu:

Gegeben sei eine beschränkte und offene Menge Ω ⊂ R3 sowie f ∈ L2(Ω) (Messdaten).Wir suchen eine klassische Lösung u ∈ C2(Ω) ∩ C(Ω) der Poisson-Gleichung mitDirichlet-Randdaten

−∆u(x) = f (x), x ∈ Ω,u(x) = 0, x ∈ ∂Ω.

Diese Aufgabe besitzt im Allgemeinen keine klassische Lösung u ∈ C2(Ω) ∩ C(Ω),denn f ∈ L2(Ω) muss nicht unbedingt stetig sein. Aber diese Aufgabe besitzt jedocheine eindeutige schwache Lösung, die wir im Kapitel 3 untersuchen werden. Beachte,dass man für die schwache Theorie den Begriff der klassischen Ableitung, den wir ausAnalysis 2 kennen, umfassend verallgemeinern muss:

klassische Ableitung −→ schwache Ableitung.

Diese Vorlesung beruht auf der folgenden Literatur:

[1] Robert A. Adams und John J. F. Fournier. Sobolev spaces. Second. Bd. 140. Pureand Applied Mathematics (Amsterdam). Elsevier/Academic Press, Amsterdam,2003, S. xiv+305. isbn: 0-12-044143-8.

[2] Philippe G. Ciarlet. The finite element method for elliptic problems. Bd. 40. Classicsin Applied Mathematics. Reprint of the 1978 original [North-Holland, Ams-terdam; MR0520174 (58 #25001)]. Society for Industrial und Applied Mathe-matics (SIAM), Philadelphia, PA, 2002, S. xxviii+530. isbn: 0-89871-514-8. doi:10.1137/1.9780898719208. url: http://dx.doi.org/10.1137/1.9780898719208.

[3] Lawrence C. Evans. Partial differential equations. Bd. 19. Graduate Studies in Mathe-matics. American Mathematical Society, Providence, RI, 1998, S. xviii+662. isbn:0-8218-0772-2.

[4] Pierre Grisvard. Elliptic problems in nonsmooth domains. Bd. 69. Classics in AppliedMathematics. Reprint of the 1985 original [ MR0775683], With a foreword bySusanne C. Brenner. Society for Industrial und Applied Mathematics (SIAM),Philadelphia, PA, 2011, S. xx+410. isbn: 978-1-611972-02-3. doi: 10 . 1137 / 1 .9781611972030.ch1. url: http://dx.doi.org/10.1137/1.9781611972030.ch1.

[5] J. Wloka. Partial differential equations. Translated from the German by C. B. Thomasand M. J. Thomas. Cambridge University Press, Cambridge, 1987, S. xii+518.isbn: 0-521-25914-2; 0-521-27759-0. doi: 10.1017/CBO9781139171755. url: http://dx.doi.org/10.1017/CBO9781139171755.

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1.1. Vorbetrachtungen

1.1. Vorbetrachtungen

Definition 1.6 (Norm). Es sei V ein Vektorraum über R. Eine Abbildung

‖·‖V : V → R

heißt Norm in V, falls gilt:

(i) ‖x‖V ≥ 0 ∀x ∈ V und ‖x‖V = 0 ⇔ x = 0,

(ii) ‖x + y‖V ≤ ‖x‖V + ‖y‖V ∀x, y ∈ V,

(iii) ‖λx‖V = |λ|‖x‖V ∀x ∈ V ∀λ ∈ R.

Ist ‖·‖V : V → R eine Norm in V, so heißt V, ‖·‖V (reeller) normierter Vektorraum.

Definition 1.7. Es sei V, ‖·‖V ein reeller normierter Vektorraum und xn∞n=1 ⊂ V

eine Folge in V. Existiert ein Element x ∈ V mit

limn→∞‖xn − x‖V = 0,

so heißt xn∞n=1 konvergent. In diesem Fall sagen wir, dass xn∞

n=1 gegen x ∈ Vkonvergiert und schreiben dafür

limn→∞

xn = x in V ⇔ limn→∞‖xn − x‖V = 0.

Die Folge xn∞n=1 heißt Cauchy-Folge, falls gilt

∀ε > 0 ∃ k(ε) ∈N : ∀n, m ≥ k(ε) : ‖xn − xm‖ ≤ ε.

Bemerkung 1.8. Jede konvergente Folge eines normierten Vektorraums ist immer eineCauchy-Folge. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.

Definition 1.9. Ein normierter Raum V, ‖·‖V heißt vollständig, wenn in V jedeCauchy-Folge konvergiert. Ein vollständiger normierter Raum heißt Banachraum.

Definition 1.10. Es sei H ein Vektorraum über R. Die Abbildung

(·, ·)H : H × H → R

heißt Skalarprodukt in H, falls gilt:

(i) (y, y)H ≥ 0 ∀y ∈ H und (y, y)H = 0 ⇔ y = 0,

(ii) (y, w)H = (w, y)H ∀y, w ∈ H,

(iii) (y1 + y2, w)H = (y1, w)H + (y2, w)H ∀y1, y2, w ∈ H,

(iv) (λy, w)H = λ(y, w)H ∀y, w ∈ H ∀λ ∈ R.

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1.1. Vorbetrachtungen

Ist (·, ·)H : H × H → R ein Skalarprodukt in H, so heißt H, (·, ·)H Prä-Hilbertraum.

Bemerkung 1.11. Jeder Prä-Hilbertraum H, (·, ·)H ist ein normierter Raum, denndie Abbildung

‖·‖H : H → R, ‖y‖H :=√(y, y)H,

definiert eine Norm in H.In jedem Prä-Hilbertraum gilt die Cauchy-Schwarz-Ungleichung

|(y, w)H| ≤ ‖y‖H + ‖w‖H ∀y, w ∈ H.

Definition 1.12. Ein Prä-Hilbertraum H, (·, ·)H, der mit der induzierten Norm

‖y‖H :=√(y, y)H

vollständig ist, heißt Hilbertraum.

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Kapitel 2Sobolevraum

Der Sobolevraum dient als Basis für die moderne mathematische und numerischeAnalysis.

2.1. Lp-Räume

Definition 2.1. Es sei Ω ⊂ Rn offen und p ∈ [1, ∞). Unter Lp(Ω) versteht manden Raum aller Äquivalenzklassen von messbaren Funktionen y : Ω → R mit derEigenschaft ∫

Ω|y(x)|p dx < ∞.

Die Lp-Norm ist wie folgt definiert:

‖y‖Lp(Ω) :=(∫

Ω|y(x)|p dx

) 1p∀y ∈ Lp(Ω).

Dabei werden Funktionen in Lp(Ω), die sich nur auf einer Menge vom Maß Nullunterscheiden, als gleich angesehen. Sie gehören der gleichen Äquivalenzklasse an.

Definition 2.2. Es sei Ω ⊂ Rn offen. Mit L∞(Ω) bezeichnen wir den Raum aller fastüberall gleichmäßig beschränkten und messbaren Funktionen y : Ω→ R. Der RaumL∞(Ω) ist ausgestattet mit der Norm

‖y‖L∞(Ω) = inf|E|=0E⊂Ω

(sup

x∈Ω\E|y(x)|

)=: ess sup

x∈Ω|y(x)|,

wobei ∫E

1 dx =: |E|.

Beispiel 2.3. Betrachte die Funktion

y : R→ R, y(x) =

0, x ∈ R \ 0,1, x = 0.

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2.1. Lp-Räume

Hierfür giltess sup

x∈R

|y(x)| = 0, maxx∈R|y(x)| = 1.

Mit anderen Worten ist ‖y‖L∞(R) = 0.

Definition 2.4. Es sei p ∈ [1, ∞]. Der zu p konjugierte Exponent p′ ∈ [1, ∞] ist definiertwie folgt:

1p+

1p′

= 1.

Es gilt also:

p = 1 ⇒ p′ = ∞,p = ∞ ⇒ p′ = 1,

p ∈ (1, ∞) ⇒ p′ =p

p− 1∈ (1, ∞).

Lemma 2.5 (Youngsche Ungleichung). Seien a, b ≥ 0 und p ∈ (1, ∞) ein Exponent. Danngilt

ab ≤ ap

p+

bp′

p′

mit Gleichheit genau dann, wenn ap = bp′ gilt.

Folgerung 2.6. Es gilt

ab ≤ a2

2ε+

εb2

2∀a, b ≥ 0 ∀ε > 0.

Beweis. Die Exponentialfunktion

exp : R→ R

ist strikt konvex und somit gilt

exp((1− λ)A + λB) ≤ (1− λ) exp(A) + λ exp(B) ∀A, B ∈ R und λ ∈ (0, 1)

mit Gleichheit genau dann, wenn A = B gilt. Wir setzen

λ =1p′∈ (0, 1) ⇒ (1− λ) = 1− 1

p′=

1p

sowieA = ln(ap), B = ln(bp′).

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2.1. Lp-Räume

Dann gilt

ab = exp(ln(a) + ln(b)) = exp(

1p

ln(ap) +1p′

ln(bp′)

)= exp((1− λ)A + λB)≤ (1− λ) exp(A) + λ exp(B)

=1p

ap +1p′

bp′

mit Gleichheit genau dann, wenn

A = B ⇔ ap = bp′ .

Lemma 2.7 (Höldersche Ungleichung). Es sei Ω ⊂ Rn offen, p ∈ [1, ∞], u ∈ Lp(Ω) sowiev ∈ Lp′(Ω). Dann gilt

uv ∈ L1(Ω) und∫

Ω|u(x)v(x)|dx ≤ ‖u‖Lp(Ω)‖v‖Lp′ (Ω)

.

Im Falle p ∈ (1, ∞) gilt die Gleichheit genau dann, wenn(|u(x)|‖u‖Lp(Ω)

)p

=

(|v(x)|‖v‖Lp′ (Ω)

)p′

für fast alle x ∈ Ω gilt.

Beweis. Für p = 1 oder p = ∞ ist die Aussage trivial. Die Aussage ist auch trivial, fallsu(x) = 0 für fast alle x ∈ Ω oder v(x) = 0 für fast alle x ∈ Ω gilt.Es sei nun p ∈ (1, ∞) und u 6≡ 0 fast überall in Ω sowie v 6≡ 0 fast überall in Ω. Wirsetzen

a =|u(x)|‖u‖Lp(Ω)

und b =|v(x)|‖v‖Lp′ (Ω)

in die Youngsche Ungleichung ein und erhalten

|u(x)||v(x)|‖u‖Lp(Ω)‖v‖Lp′ (Ω)

= ab ≤ ap

p+

bp′

p′=

1p

(|u(x)|‖u‖Lp(Ω)

)p

+1p′

(|v(x)|‖v‖Lp′ (Ω)

)p′

für fast alle x ∈ Ω. Daraus folgt∫Ω

|u(x)||v(x)|‖u‖Lp(Ω)‖v‖Lp′ (Ω)

dx ≤ 1p

1‖u‖p

Lp(Ω)

∫Ω|u(x)|p dx +

1p′

1

‖v‖p′

Lp′ (Ω)

∫Ω|v(x)|p′ dx

=1p+

1p′

= 1.

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2.1. Lp-Räume

Insgesamt erhalten wir ∫Ω|u(x)v(x)|dx ≤ ‖u‖Lp(Ω)‖v‖Lp′ (Ω)

mit Gleichheit genau dann, wenn

ap = bp′ ⇔(|u(x)|‖u‖Lp(Ω)

)p

=

(|v(x)|‖v‖Lp′ (Ω)

)p′

für fast alle x ∈ Ω.

Lemma 2.8 (Minkowski-Ungleichung). Es sei Ω ⊂ Rn offen und p ∈ [1, ∞], sowieu, v ∈ Lp(Ω). Dann gilt

‖u + v‖Lp(Ω) ≤ ‖u‖Lp(Ω) + ‖v‖Lp(Ω).

Beweis. Für p = 1 oder p = ∞ ist die Aussage trivial. Die Aussage ist auch trivial, falls‖u + v‖Lp(Ω) = 0 gilt.Es sei nun p ∈ (1, ∞) und ‖u + v‖Lp(Ω) > 0. Wir setzen

w(x) :=

(|u(x) + v(x)|‖u + v‖Lp(Ω)

) pp′

für fast alle x ∈ Ω.

Dann ist w ∈ Lp′(Ω) mit

‖w‖Lp′ (Ω)=

(∫Ω|w(x)|p′ dx

) 1p′=

(∫Ω

(|u(x) + v(x)|‖u + v‖Lp(Ω)

)p

dx

) 1p′

=

(∫Ω|u(x) + v(x)|p dx

‖u + v‖pLp(Ω)

) 1p′

= 1.

Somit ist(|w(x)|‖w‖Lp′ (Ω)

)p′

= |w(x)|p′ =(|u(x) + v(x)|‖u + v‖Lp(Ω)

)p

für fast alle x ∈ Ω.

Hieraus folgt (Gleichheit in der Hölder-Ungleichung):∫Ω|(u(x) + v(x))w(x)|dx = ‖u + v‖Lp(Ω)‖w‖Lp′ (Ω)

= ‖u + v‖Lp(Ω).

Insgesamt erhalten wir

‖u + v‖Lp(Ω) =∫

Ω|(u(x) + v(x))w(x)|dx

≤∫

Ω|u(x)w(x)|dx +

∫Ω|v(x)w(x)|dx

≤ ‖u‖Lp(Ω)‖w‖Lp′ (Ω)+ ‖v‖Lp(Ω)‖w‖Lp′ (Ω)

= ‖u‖Lp(Ω) + ‖v‖Lp(Ω).

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2.1. Lp-Räume

Fazit 2.9.

Youngsche Ungleichung −→ Hölder-Ungleichung −→ Minkowski-Ungleichung.

Korollar 2.10. Für Ω ⊂ Rn offen, p ∈ [1, ∞] ist Lp(Ω), ‖·‖Lp(Ω) ein normierter Raum.

Satz 2.11. Für Ω ⊂ Rn offen, p ∈ [1, ∞] ist Lp(Ω), ‖·‖Lp(Ω) vollständig. Das heißt,Lp(Ω), ‖·‖Lp(Ω) ist ein Banachraum.

Bemerkung 2.12. Für p ∈ (0, 1) ist ‖·‖Lp(Ω) keine Norm.

Satz 2.13 (Einbettungsresultat für Lp(Ω)-Räume). Sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt.Letzteres bedeutet

|Ω| =∫

Ω1 dx < ∞.

Dann gelten die folgenden Aussagen:

(i) Sei u ∈ Lq(Ω) mit q ∈ [1, ∞]. Dann istu ∈ Lp(Ω) ∀1 ≤ p ≤ q,

‖u‖Lp(Ω) ≤ |Ω|1p− 1

q ‖u‖Lq(Ω).

(ii) Sei u ∈ L∞(Ω). Dann gilt

limp→∞‖u‖Lp(Ω) = lim

p→∞

(∫Ω|u(x)|p dx

) 1p= ‖u‖L∞(Ω).

(iii) Es sei u ∈ Lp(Ω) für alle p ∈ [1, ∞) und es gebe eine Konstante K > 0, so dass gilt

‖u‖Lp(Ω) ≤ K ∀p ∈ [1, ∞).

Dann giltu ∈ L∞(Ω) und ‖u‖L∞(Ω) ≤ K.

Bemerkung 2.14. Die Aussage ist im Allgemeinen für unbeschränkte Mengen Ω falsch.Ein einfaches Gegenbeispiel dazu:

Die Funktionu : R→ R, u ≡ 1,

liegt in L∞(R) mit‖u‖L∞(R) = 1,

aber u /∈ Lp(R) für alle p ∈ [1, ∞).

11

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2.1. Lp-Räume

Beweis.

(i) Ist q = ∞, dann gilt

‖u‖Lp(Ω) =

(∫Ω|u(x)|p dx

) 1p≤(∫

Ω(ess sup

x∈Ω|u(x)|)p dx

) 1p

=

(∫Ω‖u‖p

L∞(Ω)dx) 1

p

=

(∫Ω

1 dx) 1

p‖u‖L∞(Ω)

= |Ω|1p− 1

∞ ‖u‖L∞(Ω)

und daraus folgt die Behauptung. Die Aussage ist auch trivial für p = q ∈ [1, ∞].

Sei nun 1 ≤ p < q < ∞. Aus u ∈ Lq(Ω) folgt

∞ >∫

Ω|u(x)|q dx =

∫Ω(|u(x)|p)

qp dx.

Also ist |u(x)|p ∈ Lqp (Ω). Es folgt∫

Ω|u(x)|p dx =

∫Ω|u(x)|p1 dx ≤ ‖|u(x)|p‖

Lqp (Ω)‖1‖

L(qp)′(Ω)

=

(∫Ω(|u(x)|p)

qp dx

) pq(∫

Ω1 dx

) 1(

qp )′

= |Ω|1−pq ‖u‖p

Lq(Ω).

Insgesamt erhalten wir

‖u‖pLp(Ω)

≤ |Ω|1−pq ‖u‖p

Lq(Ω).

Das Ziehen der p-ten Wurzel liefert dann

‖u‖Lp(Ω) ≤ |Ω|1p− 1

q ‖u‖Lq(Ω).

(ii) Aus (i) folgt

‖u‖Lp(Ω) ≤ |Ω|1p ‖u‖L∞(Ω) ∀p ∈ [1, ∞].

Daher erhalten wirlim sup

p→∞‖u‖Lp(Ω) ≤ ‖u‖L∞(Ω).

Laut Definition gilt

∀ε > 0 ∃Ωε ⊂ Ω mit |Ωε| 6= 0 : |u(x)| ≥ ess supx∈Ω

|u(x)| − ε für fast alle x ∈ Ωε.

12

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2.1. Lp-Räume

Folglich gilt∫Ω|u(x)|p dx ≥

∫Ωε

|u(x)|p dx ≥∫

Ωε

(‖u‖L∞(Ω) − ε

)pdx

= |Ωε|(‖u‖L∞(Ω) − ε

)p.

Wir erhalten‖u‖p

Lp(Ω)≥ |Ωε|

(‖u‖L∞(Ω) − ε

)p,

also‖u‖Lp(Ω) ≥ |Ωε|

1p(‖u‖L∞(Ω) − ε

).

Daher istlim inf

p→∞‖u‖Lp(Ω) ≥ ‖u‖L∞(Ω).

Insgesamt gilt

‖u‖L∞(Ω) ≤ lim infp→∞

‖u‖Lp(Ω) ≤ lim supp→∞

‖u‖Lp(Ω) ≤ ‖u‖L∞(Ω).

(iii) Annahme: Es gäbe ein K1 > K und eine Menge Ω1 ⊂ Ω mit |Ω1| 6= 0, so dassgelte

|u(x)| ≥ K1 für fast alle x ∈ Ω1.

Folglich gilt für alle p ∈ [1, ∞):∫Ω|u(x)|p dx ≥

∫Ω1

|u(x)|p dx ≥∫

Ω1

Kp1 dx = |Ω1|Kp

1 .

Also gilt

‖u‖Lp(Ω) ≥ |Ω1|1p K1

und somitlim inf

p→∞‖u‖Lp(Ω) ≥ K1.

Andererseits gilt‖u‖Lp(Ω) ≤ K ∀p ∈ [1, ∞),

alsolim inf

p→∞‖u‖Lp(Ω) ≤ K.

Insgesamt erhalten wir den Widerspruch

K < K1 ≤ lim infp→∞

‖u‖Lp(Ω) ≤ K.

13

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2.1. Lp-Räume

Dieser Satz zeigt also die stetige Einbettung Lq(Ω) → Lp(Ω) für eine beschränkte undoffene Menge Ω ⊂ Rn und für alle 1 ≤ p ≤ q ≤ ∞ im folgenden Sinne:Definition 2.15. Seien X, Y normierte Räume. Dann ist X in Y stetig eingebettet (Nota-tion X → Y), falls gilt:

(i) X ⊂ Y ist ein Unterraum.

(ii) Die Identitätsabbildung

Id : X → Y, Id x = x ∈ X ⊂ Y,

ist stetig.

Da die Identitätsabbildung Id : X → Y linear ist, ist (ii) äquivalent zu:

∃C > 0 : ∀x ∈ X : ‖x‖Y ≤ C‖x‖X.

Fazit 2.16. Ist Ω ⊂ Rn offen und beschränkt, so gilt

Lq(Ω) → Lp(Ω) ∀1 ≤ p ≤ q ≤ ∞.

Definition 2.17. Seien Ω, U ⊂ Rn offen. Dann ist U in Ω kompakt enthalten, falls gilt

U ist kompakt und U ⊂ Ω.

Notation: U ⊂⊂ Ω.

Definition 2.18. Es sei Ω ⊂ Rn offen. Mit L1loc(Ω) bezeichnen wir den Raum aller

lokal integrierbaren Funktionen:

L1loc(Ω) :=

f : Ω→ R messbar :

∫U| f |dx < ∞ ∀U ⊂⊂ Ω

.

Korollar 2.19. Es sei Ω ⊂ Rn offen und p ∈ [1, ∞]. Dann gilt

Lp(Ω) ⊂ L1loc(Ω).

Beweis. Sei f ∈ Lp(Ω) mit p ∈ [1, ∞]. Ferner sei U ⊂ Rn offen mit U ⊂⊂ Ω (U istkompakt und U ⊂ Ω). Dann ist f ∈ L1(U) laut Lq(U) → L1(U) für alle 1 ≤ q ≤ ∞ (Ubeschränkt).

Beispiel 2.20. Es sei Ω = (0, 1) und

f : (0, 1)→ R, f (x) = 1x .

0 1U

Dann ist f /∈ L1(0, 1), denn ∫ 1

0

1x

dx = ∞,

aber f ∈ L1loc(0, 1).

14

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2.2. Distributionen

2.2. Distributionen (Laurent Schwartz, 1915 - 2002)

Definition 2.21 (Träger). Es sei Ω ⊂ Rn offen. Der Träger einer Funktion f : Ω → R

ist definiert durchsupp( f ) := x ∈ Ω : f (x) 6= 0.

Der Träger ist also die kleinste abgeschlossene Menge, außerhalb der f verschwindet.

Beispiele 2.22.

(i) Es sei Ω = (0, 1) und wir betrachten die Funktion

f : (0, 1)→ R, f (x) =1x

.

Dann ist supp( f ) = [0, 1].

(ii) Es sei Ω = R und f : R→ R mit

f (x) =

exp

(− 1

1−x2

), |x| < 1,

0, |x| ≥ 1.1−1

Hier istf (x) 6= 0 ∀x : |x| < 1,

also supp( f ) = [−1, 1].

Definition 2.23. Es sei Ω ⊂ Rn offen und k ∈N∪ 0. Wir definieren

Ck(Ω) := f : Ω→ R : k-mal stetig differenzierbar im klassischen Sinne,Ck

0(Ω) := f ∈ Ck(Ω) : supp( f ) ist kompakt und supp( f ) ⊂ Ω.Beispiel 2.24. Für f : R→ R mit

f (x) =

exp

(− 1

1−x2

), |x| < 1,

0, |x| ≥ 1

ist f ∈ C∞0 (R).

Definition 2.25 (Konvergenzbegriff in C∞0 (Ω)). Es sei Ω ⊂ Rn offen, f j∞

j=1 ⊂ C∞0 (Ω),

und f ∈ C∞0 (Ω). Wir sagen, dass die Folge f j∞

j=1 in C∞0 (Ω) gegen f konvergiert, falls

gilt:

(i) Es gibt eine kompakte Menge K ⊂ Ω mitsupp( f ) ⊂ K,supp( f j) ⊂ K ∀j ∈N.

15

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2.2. Distributionen

(ii) Für alle Multiindizes α = (α1, . . . , αn) gilt

limj→∞‖Dα f j − Dα f ‖C(K) = 0.

Hierfür schreiben wirlimj→∞

f j = f in C∞0 (Ω).

Definition 2.26. Es sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt. Ferner sei k ∈N. Dann ist

C(Ω) := f : Ω→ R stetig, Ck(Ω) := f ∈ Ck(Ω) : Dα f ∈ C(Ω) ∀|α| ≤ k,

‖ f ‖C(Ω) := maxx∈Ω| f (x)|, ‖ f ‖Ck(Ω) := max

x∈Ω

∑|α|≤k|Dα f (x)|

.

Die Räume C(Ω), ‖·‖C(Ω) und Ck(Ω), ‖·‖Ck(Ω) sind Banachräume.

Definition 2.27. Es sei Ω ⊂ Rn offen. Eine Abbildung

T : C∞0 (Ω)→ R

heißt Distribution auf Ω, falls gilt:

(i) T : C∞0 (Ω)→ R ist linear, das heißt, es gilt

T(λϕ + θ) = λT(ϕ) + T(θ) ∀ϕ, θ ∈ C∞0 (Ω), λ ∈ R.

(ii) T : C∞0 (Ω)→ R ist stetig bezüglich des Konvergenzbegriffs in C∞

0 (Ω):

Aus f j∞

j=1 ⊂ C∞0 (Ω) und lim

j→∞f j = f in C∞

0 (Ω)

folgtlimj→∞|T( f j)− T( f )| = 0.

Definition 2.28. Es sei Ω ⊂ Rn offen. Mit C∞0 (Ω)∗ bezeichnen wir den Raum aller

Distributionen auf Ω:

C∞0 (Ω)∗ := T : C∞

0 (Ω)→ R linear und stetig bzgl. des Konvergenzbegriffs in C∞0 (Ω).

Bemerkung 2.29. In der Tradition von Laurent Schwartz verwendet man auch dieNotation

D(Ω) = C∞0 (Ω), D′(Ω) = C∞

0 (Ω)∗.

16

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2.2. Distributionen

Es seien nun T1, T2 ∈ C∞0 (Ω)∗ Distributionen auf Ω. Es gelten die folgenden elementa-

ren Eigenschaften:

(i) Gleichheit:T1 = T2 ⇔ T1(ϕ) = T2(ϕ) ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω).

(ii) Addition zweier Distributionen:

Es seien T1, T2 ∈ C∞0 (Ω)∗. Dann folgt T1 + T2 ∈ C∞

0 (Ω)∗ mit

(T1 + T2)(ϕ) = T1(ϕ) + T2(ϕ) ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω).

(iii) Multiplikation mit einer Konstanten λ ∈ R:

(λT1)(ϕ) = λT1(ϕ) ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω).

Beispiele 2.30.

(i) Die Null-DistributionT(ϕ) = 0 ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω).

(ii) Die Dirac-δ-Distribution: Sei a ∈ Ω fest. Dann ist

δa : C∞0 (Ω)→ R, δa(ϕ) = ϕ(a) ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω).

(iii) Sei f ∈ L1loc(Ω). Wir definieren

Tf : C∞0 (Ω)→ R, Tf (ϕ) =

∫Ω

f (x)ϕ(x)dx ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω).

Für jedes ϕ ∈ C∞0 (Ω) gilt ∫

Ωf (x)ϕ(x)dx < ∞,

denn supp(ϕ) ⊂ Ω ist kompakt, und somit∫Ω

f (x)ϕ(x)dx =∫

supp ϕf (x)ϕ(x)dx ≤ ‖ϕ‖C(supp(ϕ))

∫supp ϕ

f (x)dx < ∞,

da f ∈ L1loc(Ω) gilt.

Definition 2.31. Sei Ω ⊂ Rn offen. Eine Distribution T ∈ C∞0 (Ω)∗ heißt regulär, falls

es eine Funktion f ∈ L1loc(Ω) gibt mit

Tf (ϕ) =∫

Ωf (x)ϕ(x)dx ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω).

Lemma 2.32. Die durch f 7→ Tf definierte Abbildung von L1loc(Ω) nach C∞

0 (Ω)∗ ist injektiv.

17

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2.2. Distributionen

Beweis. Die Abbildung

Φ : L1loc(Ω)→ C∞

0 (Ω)∗, Φ( f ) = Tf

ist offensichtlich linear. Somit ist Φ genau dann injektiv, falls Kern(Φ) = 0 gilt.Sei f ∈ Kern(Φ). Dann gilt∫

Ωf (x)ϕ(x)dx = 0 ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω).

Daraus folgt dann f (x) = 0 für fast alle x ∈ Ω.

Bemerkung 2.33.

(i) Im Beweis haben wir das sogenannte Fundamentallemma der Variationsgleichungangewendet:

Es sei f ∈ L1loc(Ω) und es gelte∫

Ωf (x)ϕ(x)dx = 0 ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω).

Dann gilt f (x) = 0 für fast alle x ∈ Ω.

(ii) Jede Funktion f ∈ L1loc(Ω) kann also eindeutigerweise als eine reguläre Distribu-

tion Tf identifiziert werden, das heißt, L1loc(Ω) ⊂ C∞

0 (Ω)∗.

(iii) Für alle Mengen Ω ⊂ Rn gilt also insbesondere

Lp(Ω) ⊂ L1loc(Ω) ⊂ C∞

0 (Ω)∗ ∀p ∈ [1, ∞].

Lemma 2.34. Sei Ω ⊂ Rn offen, f ∈ C∞(Ω) und T ∈ C∞0 (Ω)∗. Dann wird durch

( f T)(ϕ) := T( f · ϕ) ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω)

eine Distribution f T ∈ C∞0 (Ω)∗ definiert.

Beweis. Wir müssen zeigen, dass f T : C∞0 (Ω) → R linear und stetig bezüglich des

Konvergenzbegriffs in C∞0 (Ω) ist.

Zur Linearität: Seien ϕ, ψ ∈ C∞0 (Ω) und sei λ ∈ R. Dann gilt

f T(λϕ + ψ) = T( f (λϕ + ψ)) = T(λ f ϕ + f ψ) = λT( f ϕ) + T( f ψ) = λ f T(ϕ) + f T(ψ).

Zur Stetigkeit: Sei ϕj∞j=1 ⊂ C∞

0 (Ω), ϕ ∈ C∞0 (Ω) mit limj→∞ ϕj = ϕ in C∞

0 (Ω). Mitanderen Worten:Es existiert eine kompakte Menge K ⊂ Ω, so dass

supp(ϕ) ⊂ K,supp(ϕj) ⊂ K ∀j ∈N,

18

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2.2. Distributionen

und für alle Multiindizes α = (α1, . . . , αn) gilt

limj→∞‖Dα ϕj − Dα ϕ‖C(K) = 0. (∗)

Somit gilt supp( f ϕ) ⊂ K,supp( f ϕj) ⊂ K ∀j ∈N.

(∗∗)

Andererseits gilt für jeden Multiindex β = (β1, . . . , βn):

Dβ( f ϕj − f ϕ) = Dβ( f (ϕj − ϕ)) = ∑0≤|α|≤|β|

α

)Dα(ϕj − ϕ)Dβ−α f

= ∑0≤|α|≤|β|

cαDα(ϕj − ϕ)

mit

cα =

α

)Dβ−α f ∈ C∞(Ω).

Zusammen mit (∗) gilt

‖Dβ( f ϕj − f ϕ)‖C(K) ≤ c‖Dα(ϕj − ϕ)‖C(K) −→ 0 für j→ ∞. (∗∗∗)

Aus (∗∗)-(∗∗∗) folgt daher

limj→∞

f ϕj = f ϕ in C∞0 (Ω).

Da T bezüglich des Konvergenzbegriffs in C∞0 (Ω) stetig ist, erhalten wir

( f T)(ϕj) = T( f · ϕj)j→∞−→ T( f · ϕ) = ( f T)(ϕ) in R.

Somit haben wir bewiesen, dass ( f T) eine Distribution ist.

Definition 2.35. Es sei Ω ⊂ Rn offen. Eine Folge von Distributionen Tj∞j=1 ⊂ C∞

0 (Ω)∗

konvergiert gegen T ∈ C∞0 (Ω)∗, falls gilt

limj→∞|Tj(ϕ)− T(ϕ)| = 0 ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω).

Schreibweise:limj→∞

Tj = T in C∞0 (Ω)∗.

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2.2. Distributionen

Definition 2.36. Wir definieren die Glättungsfunktion (Mollifier) ηε : Rn → R wiefolgt:

ηε(x) =(

)nη(x

ε

), η(y) =

c exp

(− 1

1−|y|2)

, |y| < 1,

0, |y| ≥ 1,mit

c =(∫

Rnη(x)dx

)−1

∈ R.

Für jedes ε > 0 erfüllt die Glättungsfunktion ηε : Rn → R die Eigenschaften:

(i) supp(ηε) = B(0, ε), mit B(0, ε) := x ∈ Rn : |x− 0| < ε.(ii) ηε(x) ≥ 0 für alle x ∈ Rn und

∫Rn ηε(x)dx = 1.

(iii) ηε ∈ C∞0 (Rn).

Bemerkung 2.37. Der Begriff „Mollifier“ geht zurück auf Kurt Otto Friedrichs (1901 -1982) und spielt eine Schlüsselrolle in der Analyse der Sobolevräume.

Lemma 2.38. Es sei Ω = Rn. Dann gilt

limε0

Tηε = δ0.

Mit anderen Worten konvergiert die von ηε erzeugte Distribution gegen die Dirac’sche Delta-Distribution δ0 ∈ C∞

0 (Ω)∗.

Beweis. Wir müssen zeigen, dass

limε0|Tηε(ϕ)− ϕ(0)︸︷︷︸

=δ0(ϕ)

| = 0

für alle ϕ ∈ C∞0 (Ω) gilt.

Sei ϕ ∈ C∞0 (Ω) beliebig aber fest. Dann gilt

|Tηε(ϕ)− ϕ(0)| =∣∣∣∣∫

Rnηε(x)ϕ(x)dx− ϕ(0)

∣∣∣∣=

∣∣∣∣∫Rn

ηε(x)ϕ(x)dx−∫

Rnηε(x)dxϕ(0)

∣∣∣∣=

∣∣∣∣∫Rn

ηε(x)(ϕ(x)− ϕ(0))dx∣∣∣∣

=

∣∣∣∣∫B(0,ε)ηε(x)(ϕ(x)− ϕ(0))dx

∣∣∣∣≤∫

B(0,ε)ηε(x)dx︸ ︷︷ ︸

= 1 ∀ε>0

supx∈B(0,ε)

|ϕ(x)− ϕ(0)|︸ ︷︷ ︸→ 0 für ε→0

−→ 0 für ε→ 0.

20

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2.2. Distributionen

2.2.1. Distributionelle Ableitung

Vorbetrachtung: Es seien f ∈ Ck(a, b) und ϕ ∈ C∞0 (a, b). Dann gilt nach partieller

Integration:∫ b

af ′(x)ϕ(x)dx = f (x)ϕ(x)

∣∣∣ba−∫ b

af (x)ϕ′(x)dx = 0−

∫ b

af (x)ϕ′(x)dx.

Hieraus folgt ∫ b

af (n)ϕ(x)dx = (−1)n

∫ b

af (x)ϕ(n) dx ∀1 ≤ n ≤ k.

Diese elementare Betrachtung ist die Grundlage für die distributionelle Ableitung.Definition 2.39 (Distributionelle Ableitung/Ableitung von Distributionen). Es seiΩ ⊂ Rn offen und T ∈ C∞

0 (Ω)∗ eine Distribution auf Ω. Für jeden Multiindexα = (α1, . . . , αn) definieren wir die α-te distributionelle Ableitung DαT ∈ C∞

0 (Ω)∗

wie folgt:

DαT : C∞0 (Ω)→ R, DαT(ϕ) := (−1)|α|T(Dα ϕ︸︷︷︸

klassisch

) ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω).

Bemerkung 2.40. Mit ϕ ∈ C∞0 (Ω) gilt auch Dα ϕ ∈ C∞

0 (Ω) für alle Multiindizes α.Damit ist T(Dα ϕ) ∈ R für alle ϕ ∈ C∞

0 (Ω). Nach Definition 2.27 ist DαT : C∞0 (Ω)→ R

in der Tat eine Distribution auf Ω, das heißt, DαT ∈ C∞0 (Ω)∗.

Definition 2.41 (Distributionelle Ableitung von L1loc(Ω)-Funktionen). Es sei Ω ⊂ Rn

offen und f ∈ L1loc(Ω). Für jeden Multiindex α = (α1, . . . , αn) ist die α-te distributionelle

Ableitung von f wie folgt definiert:

DαTf ∈ C∞0 (Ω)∗, DαTf (ϕ) = (−1)|α|Tf (Dα ϕ) ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω).

Mit anderen Worten ist die distributionelle Ableitung von f nichts anderes als dieAbleitung der von f erzeugten regulären Distribution:

f Tf DαTf

3 3 3

L1loc(Ω) C∞

0 (Ω)∗ C∞0 (Ω)∗

mit

DαTf (ϕ) = (−1)|α|Tf (Dα ϕ) = (−1)|α|∫

Ωf (x)Dα ϕ(x)dx ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω).

Bemerkung 2.42. Insbesondere hat jede Lp(Ω)-Funktion für alle Exponenten 1 ≤ p ≤∞ distributionelle Ableitungen, denn es gilt

Lp(Ω) ⊂ L1loc(Ω).

21

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2.2. Distributionen

Frage: Was ist nun die α-te distributionelle Ableitung einer Ck(Ω)-Funktion?

Lemma 2.43. Es sei Ω ⊂ Rn offen, f ∈ Ck(Ω) mit k ∈ N und α = (α1, . . . , αn) mit|α| ≤ k. Dann gilt für die α-te distributionelle Ableitung von f :

DαTf = TDα f (∼= Dα f im obigen Sinne).

Mit anderen Worten ist die α-te distributionelle Ableitung von f nichts anderes als die vonDα f erzeugte reguläre Distribution. Somit lässt sich die α-te distributionelle Ableitung vonf ∈ Ck(Ω) eindeutig mit der klassischen Ableitung identifizieren, solange |α| ≤ k gilt.

Beweis. Sei ϕ ∈ C∞0 (Ω). Dann gilt

DαTf (ϕ) = (−1)|α|Tf (Dα ϕ) = (−1)|α|∫

Ωf (x) Dα ϕ(x)︸ ︷︷ ︸

klassisch

dx

= (−1)2|α|∫

ΩDα f (x)ϕ(x)dx = TDα f .

Bemerkung 2.44. Der Begriff der distributionellen Ableitung verallgemeinert denBegriff der klassischen Ableitung (Analysis 2), denn:

(i) Jede L1loc(Ω)-Funktion, die nicht einmal stetig und integrierbar sein muss, hat

stets eine distributionelle Ableitung für alle Multiindizes α.

(ii) Die α-te distributionelle Ableitung einer k-mal stetig differenzierbaren Funktionf ∈ Ck(Ω) lässt sich mit der klassischen Ableitung Dα f ∈ Ck−|α|(Ω) identifizeren,solange |α| ≤ k gilt.

Beispiele 2.45.

(i) Es sei Ω = R und T = δ0 : C∞0 (R) → R die Dirac’sche δ-Distribution im

Nullpunkt. Dann ist

δ′0(ϕ) = (−1)δ0(ϕ′) = −ϕ′(0) ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω).

Daraus folgt

δ(n)0 (ϕ) = (−1)n ϕ(n)(0) ∀ϕ ∈ C∞

0 (R).

(ii) Es sei Ω = R und f : R → R, x 7→ |x|. Die Betragsfunktion ist nicht klassischdifferenzierbar. Diese ist aber lokal integrierbar und besitzt somit distributionelleAbleitungen. Laut Definition 2.41 ist diese gegeben durch

T′f : C∞0 (R)→ R, T′f (ϕ) = (−1)Tf (ϕ′) ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω),

22

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2.2. Distributionen

wobei

Tf (φ) =∫

Rf (x)φ(x)dx =

∫ ∞

−∞f (x)φ(x)dx

=∫ ∞

0xφ(x)dx +

∫ 0

−∞(−x)φ(x)dx

=∫ ∞

0xφ(x)dx−

∫ 0

−∞xφ(x)dx ∀φ ∈ C∞

0 (R).

Also gilt

T′f (ϕ) = −Tf (ϕ′) = −∫ ∞

0xϕ′(x)dx +

∫ 0

−∞xϕ′(x)dx

= −xϕ(x)∣∣∣∞0+∫ ∞

0ϕ(x)dx + xϕ(x)

∣∣∣0−∞−∫ 0

−∞ϕ(x)dx

=∫ ∞

0ϕ(x)dx−

∫ 0

−∞ϕ(x)dx

=∫ ∞

−∞sign(x)ϕ(x)dx

= Tsign(ϕ)

mit

sign : R→ R, sign(x) =

+1, x > 0,−1, x < 0.

Also istT′f = Tsign (∼= sign).

x

|x|

x

sign(x)1

−1

x2δ0

distributionelle Ableitung distributionelle Ableitung

(iii) Es sei Ω = R und wir wollen die distributionellen Ableitungen von sign : R→ R

berechnen. Beachte, dass sign ∈ L1loc(R) gilt, sodass T′sign ∈ C∞

0 (R)∗ existiert.Zunächst berechnen wir die distributionelle Ableitung der Heaviside-Funktion

H : R→ R, H(x) =

1, x > 0,0, x ≤ 0.

23

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2.3. Schwache Ableitung

Es gilt

T′H(ϕ) = −TH(ϕ′) = −∫ ∞

−∞H(x)ϕ′(x)dx = −

∫ ∞

01ϕ′(x)dx

= −ϕ(x)∣∣∣∞0

= ϕ(0) = δ0(ϕ)

für alle ϕ ∈ C∞0 (R). Somit gilt T′H = δ0. Da aber sign = 2H − 1 gilt, folgt

Tsign(ϕ) = T2H−1(ϕ) = 2TH(ϕ)− T1(ϕ) ∀ϕ ∈ C∞0 (R)

und folglich

T′sign(ϕ) = 2T′H(ϕ)− T′1(ϕ) = 2δ0(ϕ) ∀ϕ ∈ C∞0 (R).

2.3. Schwache Ableitung

Der Begriff der distributionellen Ableitung ist leider für unsere numerische Analyseviel zu allgemein. Deshalb benötigen wir einen stärkeren Begriff, der die klassischeAbleitung immer noch gut verallgemeinert.Definition 2.46 (schwache Ableitung). Es sei Ω ⊂ Rn offen und f ∈ L1

loc(Ω). Fernersei α = (α1, . . . , αn) ein Multiindex. Eine Funktion ω ∈ L1

loc(Ω) heißt α-te schwacheAbleitung von f , falls gilt:∫

Ωf (x)Dα ϕ(x)dx = (−1)|α|

∫Ω

ω(x)ϕ(x)dx ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω).

Für die α-te schwache Ableitung von f schreiben wir

Dα f = ω.

Zusammenhang zur distributionellen Ableitung: Eine Funktion ω ∈ L1loc(Ω) ist genau

dann die α-te schwache Ableitung von f ∈ L1loc(Ω), wenn für die α-te distributionelle

Ableitung DαTf ∈ C∞0 (Ω)∗ von f gilt:

DαTf (ϕ) = Tω(ϕ) ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω),

denn laut Definition 2.41 und 2.46 gilt

DαTf (ϕ) = (−1)|α|Tf (Dα ϕ) = (−1)|α|∫

Ωf (x)Dα ϕ(x)dx

= (−1)2|α|∫

Ωω(x)ϕ(x)dx ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω).

Folglich istDαTf = Tω.

Mit anderen Worten ist ω ∈ L1loc(Ω) genau dann die α-te schwache Ableitung von

f ∈ L1loc(Ω), wenn die α-te distributionelle Ableitung DαTf von f regulär ist, und

durch ω ∈ L1loc(Ω) generiert wird.

24

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2.3. Schwache Ableitung

Beispiele 2.47.

(i) Es sei Ω = R und f : R → R, x 7→ |x|. Die distributionelle Ableitung von fhaben wir bereits berechnet:

T′f (ϕ) = Tsign(ϕ) ∀ϕ ∈ C∞0 (R).

Da aber sign ∈ L1loc(R) ist, ist die Betragsfunktion schwach differenzierbar mit

der schwachen Ableitungf ′ = sign .

Hierzu können wir auch die Definition 2.46 der schwachen Ableitung direktüberprüfen:∫ ∞

−∞f (x)ϕ′(x)dx = . . . =

∫ ∞

−∞− sign(x)ϕ(x)dx ∀ϕ ∈ C∞

0 (R).

Frage: Ist die Betragsfunktion zweimal schwach differenzierbar?

x

|x|

x

sign(x)1

−1

x2δ0

schwache Ableitung distributionelle Ableitung

(ii) Die Betragsfunktion ist nicht zweimal schwach differenzierbar, denn sign : R→R ist nicht schwach differenzierbar. Annahme: sign : R → R wäre schwachdifferenzierbar mit der schwachen Ableitung z ∈ L1

loc(R). Wir wissen bereits,dass sign : R→ R die folgende distributionelle Ableitung besitzt:

T′sign = 2δ0.

Unsere Annahme liefert

Tz(ϕ) = T′sign(ϕ) = 2δ0(ϕ) = 2ϕ(0) ∀ϕ ∈ C∞0 (R). (∗)

Wir betrachten nun die folgende Funktion:

ϕε(x) =

exp

(− ε2

ε2−x2

), |x| < ε,

0, |x| ≥ ε.

x

ϕε(x)

ε−ε

e−1

25

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2.3. Schwache Ableitung

Für diese Funktion gilt

ϕε ∈ C∞0 (R) mit supp(ϕε) = [−ε, ε] ⊂ R und ϕε(0) = e−1.

Setzen wir ϕε in (∗) ein, so erhalten wir

2e−1 = 2ϕε(0) = 2δ0(ϕε) = T′sign(ϕε) = Tz(ϕε).

Folglich gilt

2e−1 =∫ ∞

−∞z(x)ϕε(x)dx =

∫ ε

−εz(x) exp

(− ε2

ε2 − x2

)dx ≤ e−1

∫ ε

−ε|z(x)|dx

−→ 0 für ε 0.

Lemma 2.48 (Elementare Eigenschaft der schwachen Ableitung). Es sei Ω ⊂ Rn offen,f ∈ L1

loc(Ω) und α = (α1, . . . , αn) ein Multiindex. Dann gelten die folgenden Aussagen:

(i) Existiert eine α-te schwache Ableitung Dα f ∈ L1loc(Ω), so ist diese bis auf Nullmengen

eindeutig bestimmt.

(ii) Ist f ∈ Ck(Ω) mit k ∈N und |α| ≤ k, so ist die α-te klassische Ableitung mit der α-tenschwachen Ableitung bis auf Nullmengen identisch.

Beweis.

(i) Es seien v, w ∈ L1loc(Ω) α-te schwache Ableitungen von f . Dann gilt∫

Ωf (x)Dα ϕ(x)dx = (−1)|α|

∫Ω

v(x)ϕ(x)dx ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω),∫

Ωf (x)Dα ϕ(x)dx = (−1)|α|

∫Ω

w(x)ϕ(x)dx ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω).

Somit gilt ∫Ω(v(x)− w(x))ϕ(x)dx = 0 ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω)

und aus dem Fundamentallemma der Variationsrechnung folgt

v(x) = w(x) für fast alle x ∈ Ω.

(ii) Es sei nun f ∈ Ck(Ω) mit |α| ≤ k ∈ N. Die Formel der partiellen Integrationliefert ∫

Ωf (x)Dα ϕ(x)dx = (−1)|α|

∫Ω

Dα f (x)︸ ︷︷ ︸∈Ck−|α|(Ω)⊂ L1

loc(Ω)

ϕ(x)dx ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω).

Da aber die klassische Ableitung Dα f ∈ Ck−|α|(Ω) ⊂ L1loc(Ω) erfüllt, ist diese

laut Definition 2.46 eine α-te schwache Ableitung von f , die nach (i) bis aufNullmengen eindeutig bestimmt ist.

26

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2.4. Sobolevraum

Fazit 2.49.

Klassische Ableitung −→ schwache Ableitung −→ distributionelle Ableitung.

2.4. Sobolevraum (Sergei Sobolev, 1908 - 1989)

Definition 2.50 (Sobolevraum). Es sei Ω ⊂ Rn offen, p ∈ [1, ∞], sowie k ∈ N ∪ 0.Unter Wk,p(Ω) versteht man den Vektorraum aller Funktionen f ∈ Lp(Ω) ⊂ L1

loc(Ω),für die alle schwachen Ableitungen Dα f ∈ L1

loc(Ω) mit |α| ≤ k existieren und zu Lp(Ω)gehören:

Wk,p(Ω) := f ∈ Lp(Ω) : Dα f ∈ Lp(Ω) ∀|α| ≤ k .

Die Wk,p-Norm ist wie folgt definiert:

‖ f ‖Wk,p(Ω) :=

∑|α|≤k‖Dα f ‖p

Lp(Ω)

1p

=

∑|α|≤k

∫Ω|Dα f (x)|p dx

1p

, 1 ≤ p < ∞,

∑|α|≤k‖Dα f ‖L∞(Ω), p = ∞.

Für den Fall p = 2 setzen wir

Hk(Ω) := Wk,2(Ω)

und als Spezialfall

H1(Ω) :=

f ∈ L2(Ω) : Dj f ∈ L2(Ω) ∀j = 1, . . . , n

=

f ∈ L2(Ω) : ∇ f ∈ L2(Ω)n

,

versehen mit dem Skalarprodukt

(u, v)H1(Ω) :=∫

Ωu(x)v(x)dx +

∫Ω∇u(x) · ∇v(x)dx

= (u, v)L2(Ω) +n

∑j=1

(Dju, Djv)L2(Ω)

und der induzierten Norm

‖ f ‖H1(Ω) =

(∫Ω| f (x)|2 dx +

n

∑j=1

∫Ω|Dj f (x)|2 dx

) 12

=

(∫Ω| f (x)|2 dx +

∫Ω|∇ f (x)|2 dx

) 12

.

Für k = 0 istW0,p(Ω) = Lp(Ω).

27

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2.4. Sobolevraum

Satz 2.51. Es sei Ω ⊂ Rn offen, p ∈ [1, ∞], sowie k ∈ N ∪ 0. Der SobolevraumWk,p(Ω), ‖·‖Wk,p(Ω) ist ein Banachraum.Für p = 2 ist somit Hk(Ω) := Wk,2(Ω) versehen mit dem Skalarprodukt

(u, v)Hk(Ω) = ∑|α|≤k

(Dαu, Dαv)L2(Ω)

ein Hilbertraum.

Beweis. Wir zeigen zunächst, dass ‖·‖Wk,p(Ω) : Wk,p(Ω) → R eine Norm in Wk,p(Ω)definiert. Die Normeigenschaften sind bis auf die Dreiecksungleichung trivial.Zur Dreiecksungleichung:

‖u + v‖Wk,p(Ω) =

∑|α|≤k‖Dαu + Dαv‖p

Lp(Ω)

1p

≤ ∑|α|≤k

(‖Dαu‖Lp(Ω) + ‖Dαv‖Lp(Ω)

)p 1

p

.

Verwenden wir nun die bekannte Dreiecksunlgleichung für die lp-Norm auf RN

‖x‖p =

(N

∑i=1|xi|p

) 1p

,

‖x + y‖p =

(N

∑i=1|xi + yi|p

) 1p

≤(

N

∑i=1|xi|p

) 1p

+

(N

∑i=1|yi|p

) 1p

= ‖x‖p + ‖y‖p,

so erhalten wir die gewünschte Dreiecksungleichung

‖u + v‖Wk,p(Ω) ≤ ∑|α|≤k

(‖Dαu‖Lp(Ω) + ‖Dαv‖Lp(Ω)

)p 1

p

≤ ∑|α|≤k‖Dαu‖p

Lp(Ω)

1p

+

∑|α|≤k‖Dαv‖p

Lp(Ω)

1p

= ‖u‖Wk,p(Ω) + ‖v‖Wk,p(Ω).

28

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2.4. Sobolevraum

Nun zeigen wir, dass die Wk,p(Ω)-Norm vollständig ist. Es sei also uj∞j=1 ⊂Wk,p(Ω)

eine Cauchy-Folge. Nach Definition der Wk,p(Ω)-Norm ist also Dαuj∞j=1 ⊂ Lp(Ω)

für jeden Multiindex α = (α1, . . . , αn) mit |α| ≤ k eine Cauchy-Folge in Lp(Ω). Somitgilt aufgrund der Vollständigkeit des Lp(Ω)-Raums:

∀α : |α| ≤ k ∃ ! uα ∈ Lp(Ω) : limj→∞‖Dαuj − uα‖Lp(Ω) = 0. (∗)

Für α = (0, . . . , 0) = 0 setzen wir

u := u0 ∈ Lp(Ω).

Wir zeigen nun u ∈Wk,p(Ω) mit

limj→∞‖uj − u‖Wk,p(Ω) = 0 ⇔ lim

j→∞‖Dαuj − Dαu‖Lp(Ω) = 0 ∀|α| ≤ k.

Nach (∗) ist also nur noch

Dαu = uα ∈ Lp(Ω) ∀|α| ≤ k

zu zeigen. Um dies zu beweisen, verwenden wir die Definition 2.46 der schwachenAbleitung. Sei also ϕ ∈ C∞

0 (Ω) und α ein Multiindex mit |α| ≤ k. Dann gilt∫Ω

uj(x)Dα ϕ(x)dx = (−1)|α|∫

ΩDαuj(x)ϕ(x)dx ∀j ∈N.

Daraus folgt

limj→∞

∫Ω

uj(x)Dα ϕ(x)dx = limj→∞

(−1)|α|∫

ΩDαuj(x)ϕ(x)dx

und mit (∗) ergibt sich∫Ω

u(x)Dα ϕ(x)dx = (−1)|α|∫

Ωuα(x)ϕ(x)dx.

Aus der Definition folgt dannDαu = uα.

Bemerkung 2.52. Die obige Konvergenz erfolgt zum Beispiel über die Hölder-Unglei-chung: ∫

Ω|(u(x)− uj(x))Dα ϕ(x)|dx ≤ ‖u− uj‖Lp(Ω)‖Dα ϕ‖Lp′ (Ω)

mit |u(x)− uj(x)| ∈ Lp(Ω) und |Dα ϕ(x)| ∈ C∞0 (Ω) ⊂ Lp′(Ω).

29

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2.5. Wk,p0 (Ω)-Räume und die Poincaré-Friedrichs-Ungleichung

2.5. Wk,p0 (Ω)-Räume und die Poincaré-Friedrichs-

Ungleichung

Definition 2.53. Es sei Ω ⊂ Rn offen und 1 ≤ p ≤ ∞. Mit Wk,p0 (Ω) bezeichnen wir

den Abschluss von C∞0 (Ω) bezüglich der Wk,p(Ω)-Norm:

Wk,p0 (Ω) := C∞

0 (Ω)‖·‖

Wk,p(Ω)

= u ∈Wk,p(Ω) : ∃ uj∞j=1 ⊂ C∞

0 (Ω) : limj→∞‖uj − u‖Wk,p(Ω) = 0

= u ∈Wk,p(Ω) : ∃ uj∞j=1 ⊂ C∞

0 (Ω) : limj→∞‖Dαuj − Dαu‖Lp(Ω) = 0 ∀|α| ≤ k.

Für p = 2 setzen wir

Hk0(Ω) := Wk,2

0 (Ω) ∀k ∈N∪ 0.

Bemerkung 2.54. Laut Definition ist

Wk,p0 (Ω) ⊂Wk,p(Ω)

ein abgeschlossener Unterraum und somit ist Wk,p0 (Ω), ‖·‖

Wk,p0 (Ω)

ein Banachraum.

Satz 2.55 (Poincaré-Friedrichs-Ungleichung in W1,p0 (Ω)). Es sei Ω ⊂ Rn offen und

beschränkt, sowie p ∈ [1, ∞). Dann existiert eine Konstante c > 0, unabhängig von u, so dassgilt

‖u‖Lp(Ω) ≤ cn

∑j=1‖Dju‖Lp(Ω) ∀u ∈W1,p

0 (Ω).

Beweis. Wir zeigen die Aussage zunächst für p ∈ (1, ∞) und u ∈ C∞0 (Ω) mit u 6≡ 0. Es

gilt

∫Ω|u(x)|p dx =

1n

n

∑j=1

∫Ω|u(x)|p Djxj︸︷︷︸

=1

dx = − 1n

n

∑j=1

∫Ω

Dj|u(x)|pxj dx.

Beachte, dass p > 1 gilt, so dass die Abbildung x 7→ |u(x)|p stetig differenzierbar imklassischen Sinne mit der Ableitung

Dj|u(x)|p = p|u(x)|p−1 sign(u(x))Dju(x)

30

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2.5. Wk,p0 (Ω)-Räume und die Poincaré-Friedrichs-Ungleichung

ist. Folglich gilt∫Ω|u(x)|p dx = − 1

n

n

∑j=1

∫Ω

p|u(x)|p−1 sign(u(x))Dju(x)xj dx

≤ pn

n

∑j=1

∫Ω|u(x)|p−1|Dju(x)||xj|dx

≤ dpn

n

∑j=1

∫Ω|u(x)|p−1|Dju(x)|dx

≤ dpn

n

∑j=1

(∫Ω|u(x)|(p−1)p′ dx

) 1p′(∫

Ω|Dju(x)|p dx

) 1p

=dpn

n

∑j=1

(∫Ω|u(x)|p dx

) 1p′(∫

Ω|Dju(x)|p dx

) 1p

.

Somit erhalten wir(∫Ω|u(x)|p dx

)1− 1p′ ≤ dp

n

n

∑j=1

(∫Ω|Dju(x)|p dx

) 1p

und daraus folgt

‖u‖Lp(Ω) ≤dpn

n

∑j=1‖Dju‖Lp(Ω) ∀u ∈ C∞

0 (Ω). (∗)

Die Definition von W1,p0 (Ω) liefert somit

‖u‖Lp(Ω) ≤dpn

n

∑j=1‖Dju‖Lp(Ω) ∀u ∈W1,p

0 (Ω).

Damit ist die Behauptung für p ∈ (1, ∞) bewiesen. Die Aussage für p = 1 erhalten wirdurch den Übergang zum Limes in (∗) für p > 1, p→ 1.

Bemerkung 2.56.

(i) Es sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt. Für p = 2 erhalten wir

‖u‖L2(Ω) ≤ c‖∇u‖L2(Ω) ∀u ∈ H10(Ω).

(ii) Die Aussage gilt auch für eine offene Menge Ω ⊂ Rn, die bezüglich einer Achsebeschränkt ist, das heißt,

∃ d > 0 ∃m ∈ 1, . . . , n : ∀x ∈ Ω : |xm| ≤ d.

31

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2.6. Der Spuroperator

(iii) Die Aussage für Ω = Rn ist falsch. Dazu ein Gegenbeispiel:

Es sei Ω = R und p = 1. Für jedes k ∈N setzen wir

uk(x) = min1, maxk + 1− |x|, 0 ∀x ∈ R.

x

uk(x)

k + 1−k− 1

11

11

maxk + 1− |x|, 0

x

u′k(x)

−k−1 −k

k k + 11

−1

schwache Ableitung

Es gilt uk ∈ W1,10 (Ω). Annahme: Die Poincaré-Friedrichs-Ungleichung wäre

richtig. Dann existiert eine Konstante c > 0, unabhängig von k, so dass gilt:

2k + 1 =∫

R|u(x)|dx ≤ c

∫R|u′k(x)|dx = 2c ∀k ∈N.

Für k→ ∞ erhalten wir einen Widerspruch.

Bemerkung 2.57. Es sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt. Dann existiert eine Konstantec > 0, sodass gilt

‖u‖Lp(Ω) ≤ cn

∑j=1‖Dju‖Lp(Ω) ∀u ∈W1,p

0 (Ω).

Diese Aussage ist jedoch für W1,p(Ω)-Funktionen falsch. Betrachte hierzu die konstanteFunktion u ≡ 1.

2.6. Der Spuroperator

Randbedingungen spielen bei partiellen Differentialgleichungen eine überaus wichtigeRolle. Für stetige Funktionen auf einem Kompaktum Ω ⊂ Rn sind die Randwerte imüblichen Sinne wohldefiniert:

u ∈ C(Ω) ⇒ u∣∣∂Ω ∈ C(∂Ω), u

∣∣∂Ω = u(x) ∀x ∈ ∂Ω.

Sobolev-Funktionen u ∈ Wk,p(Ω) sind jedoch im Allgemeinen nicht stetig, und mankann die Werte von u auf ∂Ω beliebig abändern, ohne dass sich u im Sinne des RaumesWk,p(Ω) ändert, da ∂Ω als Teilmenge des Rn das Maß null hat. Funktionen, die sich aufMengen vom Maß null unterscheiden, sind aber gleich im Sinne von Wk,p(Ω). Deshalbist es unklar, wie man Randwerte einer Sobolev-Funktion u ∈Wk,p(Ω) erhalten soll.

32

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2.6. Der Spuroperator

Definition 2.58 (Ck,1-Gebiete). Es sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt. Dann gehören Ωbeziehungsweise sein Rand zur Klasse Ck,1, k ∈N∪ 0, falls zu jedem Punkt x ∈ ∂Ωeine Umgebung V ⊂ Rn um x sowie neue orthogonale Koordinaten y1, . . . , ynexistieren, so dass gilt:

(i) V ist ein Hyperwürfel in den neuen Koordinaten:

∃ ai ∈ R+, i = 1, . . . , n : V = (y1, . . . , yn) : −ai < yi < ai ∀i = 1, . . . , n.

(ii) Es existiert eine k-mal stetig differenzierbare Funktion ϕ : V′ → R mit Lipschitz-stetigen Ableitungen der Ordnung k und

V′ = (y1, . . . , yn−1) : −ai < yi < ai ∀i = 1, . . . , n− 1,so dass gilt:

|ϕ(y′)| ≤ an

2∀y′ = (y′1, . . . , y′n−1) ∈ V′,

Ω ∩V = y = (y′, yn) ∈ V : yn ≤ ϕ(y′),∂Ω ∩V = y = (y′, yn) ∈ V : yn = ϕ(y′).

Mit anderen Worten liegt Ω lokal um x unterhalb des Graphen von ϕ und derRand lässt sich lokal um x als der Graph von ϕ darstellen.

Definition 2.59. Gebiete der Klasse C0,1 heißen Lipschitzgebiete.

Beispiel 2.60. Im Folgenden betrachten wir ein Gebiet Ω ⊂ R2 der Klasse C0,1.

x1

x2

y1

y2 V

x ∂Ω ∩ V

Ω ∩ V

ϕ

33

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2.6. Der Spuroperator

Beispiel 2.61. Bei den folgenden Gebieten handelt es sich nicht um Gebiete der KlasseC0,1.

Satz 2.62 (Spursatz). Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet. Ferner sei 1 ≤ p ≤ ∞.Dann existiert ein linearer und stetiger Operator

τ : W1,p(Ω)→ Lp(∂Ω)

mit τu = u∣∣∂Ω für alle u ∈W1,p(Ω) ∩ C(Ω).

Fazit 2.63. Randwerte einer Sobolev-Funktion u ∈ W1,p(Ω), p ∈ [1, ∞], auf einembeschränkten Lipschitzgebiet Ω werden also durch

τu ∈ Lp(∂Ω)

verallgemeinert. Diese Verallgemeinerung ist in der Tat sinnvoll, denn

τu = u∣∣∂Ω ∀u ∈ C(Ω) ∩W1,p(Ω).

Satz 2.64. Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet und 1 ≤ p < ∞. Dann gilt

W1,p0 (Ω) = u ∈W1,p(Ω) : ∃ uj∞

j=1 ⊂ C∞0 (Ω) : lim

j→∞‖uj − u‖W1,p(Ω) = 0

= u ∈W1,p(Ω) : τu = 0.

Für p = 2 gilt also

H10(Ω) = u ∈ H1(Ω) : τu = 0.

Beweis. Wir beweisen nur „⊆“:Es sei u ∈W1,p

0 (Ω). Dann existiert eine Folge uj∞j=1 ⊂ C∞

0 (Ω), so dass gilt

limj→∞‖uj − u‖W1,p(Ω) = 0.

Da der Spuroperator τ : W1,p(Ω)→ Lp(∂Ω) stetig ist, folgt dann

limj→∞‖τuj − τu‖Lp(∂Ω) = 0.

Andererseits wissen wirτuj = uj

∣∣∂Ω = 0 ∀j ∈N,

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2.6. Der Spuroperator

denn es gilt uj ∈ C∞0 (Ω). Somit ist

‖τu‖Lp(∂Ω) = 0 ⇔ (τu)(x) = 0 für fast alle x ∈ ∂Ω.

Demzufolge giltW1,p

0 (Ω) ⊆ u ∈W1,p(Ω) : τu = 0.Für den Beweis der anderen Inklusion

W1,p0 (Ω) ⊇ u ∈W1,p(Ω) : τu = 0

verweisen wir auf das Buch [5].

Bemerkung 2.65. Oft schreibt man auch

u∣∣∂Ω statt τu beziehungsweise u auf ∂Ω für u ∈W1,p(Ω).

Beispiel 2.66. Es sei Ω ⊂ Rn offen. Der Raum

H1(Ω) = u ∈ L2(Ω) : Dju ∈ L2(Ω) ∀j = 1, . . . , n,versehen mit dem Skalarprodukt

(u, v)H1(Ω) =∫

Ωu(x)v(x)dx +

∫Ω∇u(x)∇v(x)dx,

ist ein Hilbertraum. Ist Ω zusätzlich beschränkt und Lipschitzgebiet, dann gilt

H10(Ω) = u ∈ H1(Ω) : ∃ uj∞

j=1 ⊂ C∞0 (Ω) : lim

j→∞‖uj − u‖H1(Ω) = 0

= u ∈ H1(Ω) : τu = 0.Satz 2.67. Es sei Ω ⊂ Rn offen. Dann gilt für alle u ∈ H1(Ω) und v ∈ H1

0(Ω):∫Ω

u(x)Div(x)dx = −∫

ΩDiu(x)v(x)dx ∀i = 1, . . . , n.

Beweis. Es sei u ∈ H1(Ω) und v ∈ H10(Ω). Dann existiert eine Folge vj∞

j=1 ⊂ C∞0 (Ω)

mit

limj→∞‖vj − v‖H1(Ω) = 0 ⇔

limj→∞‖vj − v‖L2(Ω) = 0,

limj→∞‖Divj − Div‖L2(Ω) = 0 ∀i = 1, . . . , n.

(∗)

Für jedes j ∈N ist vj ∈ C∞0 (Ω). Somit gilt nach Definition der schwachen Ableitung∫

Ωu(x)Divj(x)dx = −

∫Ω

Diu(x)vj(x)dx ∀i = 1, . . . , n.

Daraus folgt

limj→∞

∫Ω

u(x)Divj(x)dx = limj→∞−∫

ΩDiu(x)vj(x)dx ∀i = 1, . . . , n

und mit (∗) erhalten wir insgesamt∫Ω

u(x)Div(x)dx = −∫

ΩDiu(x)v(x)dx ∀i = 1, . . . , n.

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Kapitel 3Schwache Lösungstheorie für

lineare elliptische PDE

Definition 3.1. Seien X, ‖·‖X und Y, ‖·‖Y normierte reelle Vektorräume. Ein Ope-rator A : X → Y heißt:

(i) linear, falls gilt

A(u + λv) = Au + λAv ∀u, v ∈ X, λ ∈ R;

(ii) beschränkt, falls es eine Konstante c > 0 gibt mit

‖Au‖Y ≤ c‖u‖X ∀u ∈ X.

Beachte, dass die Konstante c > 0 unabhängig von u ist.

Bemerkung 3.2. Ein linearer Operator ist genau dann beschränkt, wenn er stetig ist.

Definition 3.3 (Dualraum). Es sei X, ‖·‖X ein normierter Vektorraum über R. Mit

X∗ := f : X → R linear und stetig= f : X → R linear und beschränkt

bezeichnen wir den Dualraum von X.

Bemerkung 3.4. Jedes Element f ∈ X∗ ist also ein lineares und stetiges Funktionalf : X → R.

Definition 3.5 (Duale Paarung). Es sei X, ‖·‖X ein normierter reeller Vektorraum.Wir definieren die duale Paarung 〈·, ·〉X∗,X : X∗ × X → R wie folgt:

〈 f , x〉X∗,X := f (x) ∀ f ∈ X∗ ∀x ∈ X.

37

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Kapitel 3. Schwache Lösungstheorie für lineare elliptische PDE

Definition 3.6 (Duale Norm). Es sei X, ‖·‖X ein reeller normierter Vektorraum. Wirdefinieren die duale Norm ‖·‖X∗ : X∗ → R wie folgt:

‖ f ‖X∗ := supx∈X\0

|〈 f , x〉X∗,X|‖x‖X

= sup‖x‖X=1

|〈 f , x〉X∗,X| ∀ f ∈ X∗.

Man beachte, dass X∗, ‖·‖X∗ ein vollständiger normierter Vektorraum ist, also einBanachraum (auch im Falle, wo X kein Banachraum ist).

Satz 3.7 (Darstellungssatz von Riesz). Es sei H, (·, ·)H ein reeller Hilbertraum. Dannexistiert zu jedem linearen und stetigen Funktional f ∈ H∗ genau ein Element u f ∈ H mit

〈 f , h〉H∗,H = (u f , h)H ∀h ∈ H

und

‖ f ‖H∗ = ‖u f ‖H.

Die Abbildung j : H∗ → H, f 7→ u f ist ein isometrischer Isomorphismus, das heißt,j : H∗ → H ist linear, bijektiv und stetig (und somit ist j−1 : H → H∗ linear und stetig),sowie

‖j( f )‖H = ‖ f ‖H∗ .

Bemerkung 3.8. Mit diesem Darstellungssatz kann man also jeden Hilbertraum mitseinem Dualraum identifizieren (H ∼= H∗).

Beispiel 3.9. Sei Ω ⊂ Rn offen. Nach dem Darstellungssatz von Riesz existiert zujedem linearen und stetigen Funktional f ∈ H1(Ω)∗, f : H1(Ω) → R, genau einElement u ∈ H1(Ω) mit

〈 f , h〉H1(Ω)∗,H1(Ω) = (u, h)H1(Ω) =∫

Ωu(x)h(x) +∇u(x)∇h(x)dx ∀h ∈ H1(Ω).

Ebenso existiert zu jedem f ∈ H10(Ω)∗ genau ein u ∈ H1

0(Ω) mit

〈 f , h〉H10(Ω)∗,H1

0(Ω) = (u, h)H1(Ω) =∫

Ωu(x)h(x) +∇u(x)∇h(x)dx ∀h ∈ H1

0(Ω).

Bemerkung 3.10. In der Literatur schreibt man auch oft

H−1(Ω) := H10(Ω)∗

für den Dualraum von H10(Ω).

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3.1. Das Lemma von Lax-Milgram

3.1. Das Lemma von Lax-Milgram

Wir zeigen ein zentrales Resultat der Theorie der linearen elliptischen partiellenDifferentialgleichungen, bekannt unter dem Namen „das Lemma von Lax-Milgram“.

Definition 3.11. Es sei X, ‖·‖X ein Banachraum über R. Eine Abbildung a : X×X →R heißt:

(i) Bilinearform, falls a in jeder Komponente linear ist;

(ii) symmetrisch, falls gilta(u, v) = a(v, u) ∀u, v ∈ X;

(iii) koerzitiv, falls eine Konstante λ > 0 existiert, so dass gilt

a(u, u) ≥ λ‖u‖2X ∀u ∈ X;

(iv) beschränkt, falls eine Konstante c > 0 existiert, so dass gilt

|a(u, v)| ≤ c‖u‖X‖v‖X ∀u, v ∈ X.

Beachte, dass die Konstanten λ, c > 0 nicht von u und v abhängig sind.

Satz 3.12 (Banachscher Fixpunktsatz). Es sei X, ‖·‖X ein Banachraum und Φ : X → Xeine kontrahierende Abbildung, das heißt, es existiert ein L ∈ [0, 1) mit

‖Φ(u)−Φ(v)‖X ≤ L‖u− v‖X ∀u, v ∈ X.

Dann hat Φ : X → X genau einen Fixpunkt, das heißt, es existiert genau ein u∗ ∈ X mit

u∗ = Φ(u∗).

Satz 3.13 (Lemma von Lax-Milgram). Es sei H, (·, ·)H ein reeller Hilbertraum unda : H × H → R eine beschränkte und koerzitive Bilinearform. Dann besitzt die Variationsglei-chung

a(u, v) = 〈F, v〉H∗,H ∀v ∈ H

zu jedem F ∈ H∗ genau eine Lösung u ∈ H.

Beweis. Ist a : H× H → R zusätzlich symmetrisch, dann folgt die Aussage unmittelbaraus dem Darstellungssatz von Riesz.

Wir betrachten nun den allgemeinen Fall, wo a : H × H → R nicht unbedingt symme-trisch sein muss. Für jedes feste u ∈ H betrachten wir die Abbildung

a(u, ·) : H → R.

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3.1. Das Lemma von Lax-Milgram

Laut Voraussetzung ist diese Abbildung linear und beschränkt. Somit ist a(u, ·) ∈ H∗.Wir definieren nun den Operator

A : H → H∗, u 7→ a(u, ·).

Es ist leicht zu zeigen, dass der Operator A linear und beschränkt ist.Zur Linearität: Seien u1, u2 ∈ H und β ∈ R. Dann gilt für alle v ∈ H:

〈A(u1 + βu2), v〉H∗,H = a(u1 + βu2, v) = a(u1, v) + βa(u2, v)= 〈Au1, v〉H∗,H + β〈Au2, v〉H∗,H.

Somit giltA(u1 + βu2) = Au1 + βAu2.

Zur Beschränktheit: Sei u ∈ H. Dann gilt

‖Au‖H∗ = supv∈H\0

|〈Au, v〉H∗,H|‖v‖H

= supv∈H\0

|a(u, v)|‖v‖H

≤ supv∈H\0

c‖u‖H‖v‖H

‖v‖H= c‖u‖H.

Es sei F ∈ H∗. Wir zeigen nun, dass es genau ein u ∈ H gibt mit

a(u, v) = 〈F, v〉H∗,H ∀v ∈ H ⇔ Au = F in H∗ ⇔ j(Au) = j(F) in H,

wobei j : H∗ → H den isometrischen Isomorphismus aus dem Darstellungssatz vonRiesz bezeichnet. Für jedes ε > 0 gilt

j(Au) = j(F) in H ⇔ u = εj(F)− εj(Au) + u in H⇔ u = Φε(u) in H,

mit Φε : H → H, Φε(v) = εj(F)− εj(Av) + v. Für hinreichend kleines ε > 0 zeigenwir nun, dass Φε : H → H eine kontrahierende Abbildung ist, und somit hat Φε genaueinen Fixpunkt (Banachscher Fixpunktsatz).Seien u, v ∈ H. Dann gilt

‖Φε(u)−Φε(v)‖2H = ‖−εj(Au) + εj(Av) + u− v‖2

H

= ‖−εj(A(v− u)) + u− v‖2H

= ‖u− v‖2H + ‖εj(A(v− u))‖2

H − 2ε(j(A(u− v)), u− v)H

= ‖u− v‖2H + ε2‖A(v− u)‖2

H∗ − 2ε〈A(u− v), u− v〉H∗,H= ‖u− v‖2

H + ε2‖A(v− u)‖2H∗ − 2εa(u− v, u− v)

≤ ‖u− v‖2H + ε2c2‖u− v‖2

H − 2ελ‖u− v‖2H

mit von u oder v unabhängigen Konstanten c, λ > 0. Somit haben wir gezeigt:

‖Φε(u)−Φε(v)‖2H ≤ (1 + ε(εc2 − 2λ))︸ ︷︷ ︸

< 1 für 0< ε< 2λc2

‖u− v‖2H.

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3.1. Das Lemma von Lax-Milgram

Für 0 < ε < 2λc2 ist Φε : H → H kontrahierend und somit besitzt Φε genau einen

Fixpunkt:

∃ ! u ∈ H : Φε(u) = u in H ⇔ a(u, v) = 〈F, v〉H∗,H ∀v ∈ H.

Korollar 3.14. Es sei H, (·, ·)H ein reeller Hilbertraum und a : H× H → R koerzitiv undbeschränkt. Dann gibt es zu jedem F ∈ H∗ genau ein u ∈ H, so dass gilt

a(u, v) = 〈F, v〉H∗,H ∀v ∈ H.

Die Lösung erfüllt

‖u‖H ≤1λ‖F‖H∗

mit einer von u beziehungsweise F unabhängigen Konstanten λ > 0.

Beweis. Die Existenz und Eindeutigkeit folgt mit dem Lemma von Lax-Milgram.Setzen wir v = u ∈ H, so erhalten wir

λ‖u‖2H ≤ a(u, u) = 〈F, u〉H∗,H ≤ ‖F‖H∗‖u‖H.

Folglich gilt

‖u‖H ≤1λ‖F‖H∗.

Beachte, dass wir für die obige Ungleichung das folgende Resultat verwendet haben:

Lemma 3.15. Es sei X, ‖·‖X ein Banachraum und F ∈ X∗. Dann gilt

|〈F, v〉X∗,X| ≤ ‖F‖X∗‖v‖X ∀v ∈ X.

Beweis. Die Aussage ist trivial für v = 0. Sei also v ∈ X \ 0. Dann gilt nach Definition

|〈F, v〉X∗,X|‖v‖X

≤ supw∈X\0

|〈F, w〉X∗,X|‖w‖X

= ‖F‖X∗ .

Daher ist|〈F, v〉X∗,X| ≤ ‖F‖X∗‖v‖X ∀v ∈ X.

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3.2. Schwache Lösung für die Poisson-Gleichung mit homogenerDirichlet-Randbedingung

3.2. Schwache Lösung für die Poisson-Gleichung mithomogener Dirichlet-Randbedingung

Im Folgenden sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt. Wir betrachten die Poisson-Gleichungmit homogener Dirichlet-Randbedingung:

−∆u = f in Ω,u = 0 auf ∂Ω,

(3.2)

mit f ∈ L2(Ω). Die Existenz einer klassischen Lösung u ∈ C2(Ω)∩C(Ω) für (3.2) kannman nicht erwarten, da f ∈ L2(Ω) im Allgemeinen nicht stetig sein muss.

3.2.1. Schwache Formulierung (Variationsformulierung)

Im Folgenden definieren wir eine geeignete schwache Formulierung für (3.2). Da-zu multiplizieren wir (3.2) mit einer Testfunktion v ∈ C∞

0 (Ω) und integrieren dieresultierende Gleichung über Ω:∫

Ω−∆u(x)v(x)dx =

∫Ω

f (x)v(x)dx ∀v ∈ C∞0 (Ω).

Formale Anwendung der partiellen Integration liefert:∫Ω∇u(x) · ∇v(x)dx =

∫Ω

f (x)v(x)dx ∀v ∈ C∞0 (Ω).

Diese Integralgleichung ist sinnvoll für u ∈ H10(Ω). Da C∞

0 (Ω) dicht in H10(Ω) ist

(H10(Ω) = C∞

0 (Ω)‖·‖H1(Ω)), gilt diese Integralgleichung auch für alle Testfunktionen

v ∈ H10(Ω): ∫

Ω∇u(x) · ∇v(x)dx =

∫Ω

f (x)v(x)dx ∀v ∈ H10(Ω).

Definition 3.16 (schwache Lösung). Eine Funktion u ∈ H10(Ω) heißt schwache Lösung

zu (3.2), falls u die schwache Formulierung von (3.2)∫Ω∇u(x) · ∇v(x)dx =

∫Ω

f (x)v(x)dx ∀v ∈ H10(Ω)

löst.

Diese Definition ist in der Tat sinnvoll, da jede schwache Lösung zu (3.2) die ursprüng-liche Gleichung im distributionellen Sinne erfüllt. Zudem erfüllt jede schwache Lösungu ∈ H1

0(Ω) die homogene Dirichlet-Randbedingung, falls Ω zusätzlich Lipschitz ist.

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3.2. Schwache Lösung für die Poisson-Gleichung mit homogenerDirichlet-Randbedingung

Lemma 3.17. Es sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt, sowie f ∈ L2(Ω). Ist u ∈ H10(Ω) eine

schwache Lösung zu (3.2), so gilt−∆u = f

im distributionellen Sinne, das heißt, es gilt

−∆Tu = Tf ,

wobei Tu ∈ C∞0 (Ω)∗ beziehungsweise Tf ∈ C∞

0 (Ω)∗ die durch u beziehungsweise f erzeugtenregulären Distributionen sind.

Beweis. Sei u ∈ H10(Ω) eine schwache Lösung zu (3.2). Dann gilt∫Ω∇u(x) · ∇v(x)dx =

∫Ω

f (x)v(x)dx ∀v ∈ H10(Ω).

Mit anderen Worten ist

n

∑i=1

∫Ω

Diu(x)Div(x)dx =∫

Ω∇u(x) · ∇v(x)dx =

∫Ω

f (x)v(x)dx ∀v ∈ C∞0 (Ω),

da C∞0 (Ω) ⊂ H1

0(Ω) ist. Demzufolge liefert die Definition der schwachen Ableitung

n

∑i=1−∫

Ωu(x)DiDiv(x)dx =

n

∑i=1

∫Ω

Diu(x)Div(x)dx =∫

Ωf (x)v(x)dx ∀v ∈ C∞

0 (Ω),

alson

∑i=1−Tu(DiDiv) = Tf (v) ∀v ∈ C∞

0 (Ω).

Folglich gilt nach der Definition der distributionellen Ableitung

−n

∑i=1

DiDiTu(v) = −n

∑i=1

(−1)2Tu(DiDiv) = Tf (v) ∀v ∈ C∞0 (Ω),

und somit erhalten wir insgesamt

−∆Tu = Tf .

Satz 3.18 (Existenz und Eindeutigkeit schwacher Lösungen zu (3.2)). Es sei Ω ⊂ Rn

offen und beschränkt. Dann existiert zu jedem f ∈ L2(Ω) genau eine schwache Lösungu ∈ H1

0(Ω) zu (3.2). Zudem existiert eine von u und f unabhängige Konstante λ > 0, so dassgilt

‖u‖H1(Ω) ≤1λ‖ f ‖L2(Ω).

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3.2. Schwache Lösung für die Poisson-Gleichung mit homogenerDirichlet-Randbedingung

Beweis. Wir verwenden den Hilbertraum H10(Ω), (·, ·)H1(Ω) und definieren

a : H10(Ω)× H1

0(Ω)→ R, a(u, v) :=∫

Ω∇u(x) · ∇v(x)dx

sowieF : H1

0(Ω)→ R, 〈F, v〉H10(Ω)∗,H1

0(Ω) :=∫

Ωf (x)v(x)dx.

Somit lässt sich die schwache Formulierung schreiben als

a(u, v) = 〈F, v〉H10(Ω)∗,H1

0(Ω) ∀v ∈ H10(Ω).

Wir müssen also nachweisen, dass a : H10(Ω)× H1

0(Ω)→ R beschränkt und koerzitivist, sowie dass F : H1

0(Ω)→ R linear und beschränkt ist, das heißt, F ∈ H10(Ω)∗.

Zur Beschränktheit von a:

|a(u, v)| ≤∫

Ω|∇u(x) · ∇v(x)|dx ≤

∫Ω|∇u(x)||∇v(x)|dx

≤ ‖∇u‖L2(Ω)‖∇v‖L2(Ω)

≤ ‖u‖H1(Ω)‖v‖H1(Ω) ∀u, v ∈ H10(Ω),

denn es gilt‖u‖2

H1(Ω) = ‖u‖2L2(Ω) + ‖∇u‖2

L2(Ω) ∀u ∈ H10(Ω).

Zur Koerzitivität von a: Da Ω ⊂ Rn offen und beschränkt ist, liefert die Poincaré-Friedrichs-Ungleichung die Existenz einer Konstante cP > 0, so dass gilt

‖u‖L2(Ω) ≤ cP‖∇u‖L2(Ω) ∀u ∈ H10(Ω).

Somit gilt

‖u‖2H1(Ω) = ‖u‖2

L2(Ω) + ‖∇u‖2L2(Ω) ≤ c2

P‖∇u‖2L2(Ω) + ‖∇u‖2

L2(Ω)

= (c2P + 1)‖∇u‖2

L2(Ω) ∀u ∈ H10(Ω).

Mit dieser Abschätzung folgt die gewünschte Koerzitivität:

a(u, u) = ‖∇u‖2L2(Ω) ≥ (c2

P + 1)−1‖u‖2H1(Ω) ∀u ∈ H1

0(Ω)

mit einer von u unabhängigen Konstanten λ := (c2P + 1)−1.

Es bleibt nur noch zu zeigen, dass F ∈ H10(Ω)∗ gilt. Die Linearität ist trivial.

Zur Beschränktheit:

|〈F, v〉H10(Ω)∗,H1

0(Ω)| ≤∫

Ω| f (x)v(x)|dx ≤ ‖ f ‖L2(Ω)‖v‖L2(Ω)

≤ ‖ f ‖L2(Ω)‖v‖H1(Ω) ∀v ∈ H10(Ω).

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3.3. Schwache Lösung für allgemeine lineare elliptische PDE mit homogenerDirichlet-Randbedingung

Somit ist F ∈ H10(Ω)∗ gezeigt.

Insgesamt liefert das Lemma von Lax-Milgram die Existenz und Eindeutigkeit einerschwachen Lösung u ∈ H1

0(Ω) zu (3.2).

Die Lösung u ∈ H10(Ω) erfüllt

λ‖u‖2H1(Ω) ≤ a(u, u) = 〈F, u〉H1

0(Ω)∗,H10(Ω) ≤ ‖ f ‖L2(Ω)‖u‖H1(Ω).

Insgesamt gilt also

‖u‖H1(Ω) ≤1λ‖ f ‖L2(Ω).

Bemerkung 3.19. Ist Ω ⊂ Rn offen und beschränkt, so definiert die H1(Ω)-Seminorm

|u|H1(Ω) := ‖∇u‖L2(Ω) ∀u ∈ H1(Ω)

bereits eine Norm auf H10(Ω), denn diese ist äquivalent zu ‖·‖H1(Ω):

|u|H1(Ω) = ‖∇u‖L2(Ω) ≤ ‖u‖H1(Ω) ≤√

c2P + 1‖∇u‖L2(Ω)

=√

c2P + 1|u|H1(Ω) ∀u ∈ H1

0(Ω),

wobei wir die Poincaré-Friedrichs-Ungleichung angewendet haben.

Definition 3.20. Es sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt. Dann definiert

(·, ·)H10(Ω) : H1

0(Ω)× H10(Ω)→ R, (u, v)H1

0(Ω) :=∫

Ω∇u(x) · ∇v(x)dx

ein Skalarprodukt auf H10(Ω). Zusammen mit der induzierten Norm

‖u‖H10(Ω) := ‖∇u‖L2(Ω)

ist H10(Ω) vollständig. Mit anderen Worten ist H1

0(Ω), (·, ·)H10(Ω) ein Hilbertraum.

3.3. Schwache Lösung für allgemeine lineare elliptischePDE mit homogener Dirichlet-Randbedingung

In diesem Abschnitt untersuchen wir ein allgemeines elliptisches Randwert-Problemder Form

Lu = f in Ω,u = 0 auf ∂Ω

(3.3)

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3.3. Schwache Lösung für allgemeine lineare elliptische PDE mit homogenerDirichlet-Randbedingung

mit einem elliptischen Differentialoperator zweiter Ordnung:

Lu := −n

∑i,j=1

Dj(aijDiu) +n

∑i=1

biDiu + cu.

Hier sind aij, bi, c : Ω→ R gegebene Funktionen. Definieren wir die Matrixfunktion

A : Ω→ Rn×n, A(x) = (aij(x))

sowie die Vektorfunktion

b : Ω→ Rn, b(x) = (bi(x))ni=1,

so lässt sich der Operator L wie folgt darstellen:

Lu = −div(A∇u) + b · ∇u + cu.

Wir treffen die folgenden Annahmen für Aufgabe (3.3):

(A0) Ω ⊂ Rn sei offen und beschränkt.

(A1) Es seien aij, bi, c ∈ L∞(Ω) für alle i, j = 1, . . . , n.

(A2) Die Matrixfunktion A sei symmetrisch und gleichmäßig positiv definit, das heißt,es existiere eine Konstante a0 > 0, so dass gilt

ξT A(x)ξ ≥ a0|ξ|2

für alle ξ ∈ Rn und für fast alle x ∈ Ω.

Analog wie bei der Poisson-Gleichung erhalten wir die schwache Formulierung zu(3.3) durch Multiplikation von (3.3) mit einer Testfunktion v ∈ C∞

0 (Ω) und Integrationüber Ω sowie formale Anwendung der partiellen Integration.Definition 3.21. Eine Funktion u ∈ H1

0(Ω) heißt schwache Lösung zu (3.3), falls u dieschwache Formulierung (Variationsgleichung)∫

Ω(A(x)∇u(x)) · ∇v(x) + b(x) · ∇u(x)v(x) + c(x)u(x)v(x)dx =

∫Ω

f (x)v(x)dx

für alle v ∈ H10(Ω) erfüllt.

Lemma 3.22. Es seien (A0)-(A2) erfüllt. Ist u ∈ H10(Ω) eine schwache Lösung zu (3.3), so

erfüllt uLu = f

im distributionellen Sinne.

Beweis. Siehe Abschnitt 3.2.

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3.3. Schwache Lösung für allgemeine lineare elliptische PDE mit homogenerDirichlet-Randbedingung

Lemma 3.23. Es seien (A0)-(A2) erfüllt. Dann ist die Bilinearform a : H10(Ω)×H1

0(Ω)→ R

mit

a(u, v) :=∫

Ω(A(x)∇u(x)) · ∇v(x) + b(x) · ∇u(x)v(x) + c(x)u(x)v(x)dx

beschränkt und erfüllt

a(u, u) ≥ a0

2‖u‖2

H10(Ω)− (b∗)2

2a0‖u‖2

L2(Ω) +∫

Ωc(x)u2(x)dx ∀u ∈ H1

0(Ω)

mit b∗ := max1≤i≤n

‖bi‖L∞(Ω) und a0 > 0 wie in (A2).

Beweis. Zur Beschränktheit:

|a(u, v)| ≤∫

Ω|A(x)∇u(x)||∇v(x)|+ |b(x)∇u(x)||v(x)|+ |c(x)u(x)v(x)|dx

≤ a∗∫

Ω|∇u(x)||∇v(x)|dx+b∗

∫Ω|∇u(x)||v(x)|dx+‖c‖L∞(Ω)

∫Ω|u(x)v(x)|dx

für alle u, v ∈ H10(Ω) mit a∗ := n max

1≤i,j≤n‖aij‖L∞(Ω) und b∗ := max

1≤i≤n‖bi‖L∞(Ω). Folglich

gilt nach Hölderscher Ungleichung:

|a(u, v)| ≤ a∗‖∇u‖L2(Ω)‖∇v‖L2(Ω) + b∗‖∇u‖L2(Ω)‖v‖L2(Ω) + ‖c‖L∞(Ω)‖u‖L2(Ω)‖v‖L2(Ω)

≤ a∗‖u‖H10 (Ω)‖v‖H1

0 (Ω) + cPb∗‖u‖H10 (Ω)‖v‖H1

0 (Ω) + c2P‖c‖L∞(Ω)‖u‖H1

0 (Ω)‖v‖H10 (Ω)

= (a∗ + cPb∗ + c2P‖c‖L∞(Ω))‖u‖H1

0 (Ω)‖v‖H10 (Ω)

für alle u, v ∈ H10(Ω), wobei wir die Poincaré-Friedrichs-Ungleichung

‖u‖L2(Ω) ≤ cP‖∇u‖L2(Ω) = cP‖u‖H10(Ω) ∀u ∈ H1

0(Ω)

angewendet haben.

Die zweite Aussage folgt aus (A2) und der Youngschen Ungleichung:

a0‖u‖2H1

0(Ω)=∫

Ωa0|∇u(x)|2 dx

≤∫

Ω∇u(x)T A(x)∇u(x)dx

=∫

Ω(A(x)∇u(x)) · ∇u(x)dx

= a(u, u)−∫

Ωb(x) · ∇u(x)u(x)dx−

∫Ω

c(x)u2(x)dx

≤ a(u, u) + b∗∫

Ω|∇u(x)||u(x)|dx−

∫Ω

c(x)u2(x)dx.

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3.3. Schwache Lösung für allgemeine lineare elliptische PDE mit homogenerDirichlet-Randbedingung

Ist b∗ = 0, so sind wir fertig. Sei nun b∗ > 0 und ε > 0 beliebig aber fest. Dann gilt

b∗∫

Ω|∇u(x)||u(x)|dx = b∗

∫Ω

√2ε |∇u(x)|(

√2ε)−1|u(x)|dx

≤ b∗∫

Ωε|∇u(x)|2 + |u(x)|2

4εdx

= εb∗‖u‖2H1

0(Ω)+

b∗

4ε‖u‖2

L2(Ω) ∀u ∈ H10(Ω).

Somit erhalten wir für alle u ∈ H10(Ω):

a0‖u‖2H1

0(Ω)≤ a(u, u) + εb∗‖u‖2

H10(Ω)

+b∗

4ε‖u‖2

L2(Ω) −∫

Ωc(x)u2(x)dx,

also folglich

(a0 − εb∗)‖u‖2H1

0(Ω)− b∗

4ε‖u‖2

L2(Ω) +∫

Ωc(x)u2(x)dx ≤ a(u, u).

Setzen wir ε := a02b∗ , so erhalten wir insgesamt

a0

2‖u‖2

H10(Ω)− (b∗)2

2a0‖u‖2

L2(Ω) +∫

Ωc(x)u2(x)dx ≤ a(u, u) ∀u ∈ H1

0(Ω).

Satz 3.24 (Existenz und Eindeutigkeit schwacher Lösungen zu (3.3)). Es seien (A0)-(A2)erfüllt. Dann gelten die folgenden Aussagen:

(i) Gilt b(x) = 0 und c(x) ≥ 0 für fast alle x ∈ Ω, so besitzt die Aufgabe (3.3) zu jedemf ∈ L2(Ω) genau eine schwache Lösung u ∈ H1

0(Ω) mit

‖u‖H10(Ω) ≤

1λ‖ f ‖L2(Ω)

mit einer von u und f unabhängigen Konstanten λ > 0.

(ii) Es sei c(x) ≥ 0 für fast alle x ∈ Ω. Dann existiert eine Konstante µ0 ≥ 0, sodass zujedem f ∈ L2(Ω) und µ ≥ µ0 das Randwertproblem

Lu + µu = f in Ω,u = 0 auf ∂Ω

(3.3b)

genau eine schwache Lösung u ∈ H10(Ω) besitzt.

Beweis.

(i) Das Lemma 3.23 impliziert, dass die Bilinearform beschränkt und koerzitiv sowieF ∈ H1

0(Ω) ist. Somit folgt die Behauptung aus dem Lemma von Lax-Milgram.

48

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3.3. Schwache Lösung für allgemeine lineare elliptische PDE mit homogenerDirichlet-Randbedingung

(ii) Die schwache Formulierung zu (3.3b) lautet

aµ(u, v) = F(v) ∀v ∈ H10(Ω)

mit

aµ : H10(Ω)× H1

0(Ω)→ R, aµ(u, v) = a(u, v) + µ(u, v)L2(Ω), µ ∈ R+0 .

Die Beschränktheit von aµ folgt unmittelbar aus der Beschränktheit von a. Zudemgilt

aµ(u, u) = a(u, u) + µ‖u‖2L2(Ω)

Lemma 3.23≥ a0

2‖u‖2

H10(Ω)

+

(µ− (b∗)2

2a0

)‖u‖2

L2(Ω) +∫

Ωc(x)u2(x)dx

≥ a0

2‖u‖2

H10(Ω)

+

(µ− (b∗)2

2a0

)‖u‖2

L2(Ω) ∀u ∈ H10(Ω).

Somit ist aµ koerzitiv, falls µ ≥ µ0 := (b∗)2

2a0gilt. Mit dem Lemma von Lax-Milgram

folgt die Behauptung.

Korollar 3.25. Ist u ∈ H10(Ω) eine schwache Lösung zu (3.3), so erfüllt u:

−div(A(x)∇Tu) + b(x) · ∇Tu + Tcu = Tf in C∞0 (Ω)∗.

Mit anderen Worten erfüllt u ∈ H10(Ω) die PDE (3.3) im distributionellen Sinne.

Beweis. Da u ∈ H10(Ω) schwach differenzierbar ist, gilt

DiTu = TDiu in C∞0 (Ω)∗ für alle i = 1, . . . , n.

Somit gilt∇Tu = T∇u

und folglich−div(A(x)∇Tu) = −div(A(x)T∇u).

Da u ∈ H10(Ω) die schwache Formulierung zu (3.3) erfüllt, so gilt für alle v ∈ C∞

0 (Ω):

−div(A(x)∇Tu(v)) = −div(A(x)T∇u(v))

=n

∑i=1

(A(x)T∇u)i(Div(x))

=∫

Ω(A(x)∇u(x)) · ∇v(x)dx

= −∫

Ωb(x) · ∇u(x)v(x) + c(x)u(x)v(x)dx +

∫Ω

f (x)v(x)dx

= −b(x)T∇u(x)(v)− Tcu(v) + Tf (v)

= −b(x)∇Tu(v)− Tcu(v) + Tf (v).

49

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3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

Somit erhalten wir

−div(A(x)∇Tu(v)) + b(x) · ∇Tu(v) + Tcu(v) = Tf (v) ∀v ∈ C∞0 (Ω).

3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

Im Folgenden sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet. Diese Annahme liefert dieExistenz des Spuroperators τ : H1(Ω)→ L2(∂Ω) mit den Eigenschaften:

(i) Der Operator τ : H1(Ω)→ L2(∂Ω) ist linear und beschränkt.

(ii) Es gilt τ(u) = u∣∣∂Ω für alle u ∈ H1(Ω) ∩ C(Ω).

Der Spuroperator verallgemeinert die Randwerte für Sobolevfunktionen u ∈ H1(Ω).In diesem Fall gilt

H10(Ω) = u ∈ H1(Ω) : τu = 0.

3.4.1. Inhomogene Dirichlet-Randbedingungen

Wir betrachten die Aufgabe −∆u = f in Ω,

u = g auf ∂Ω.(3.4.1)

Definition 3.26. Es seien f ∈ L2(Ω) und g ∈ L2(∂Ω). Eine Funktion u ∈ H1(Ω) heißtschwache Lösung zu (3.4.1), falls gilt:

(i) τ(u) = g in L2(∂Ω),

(ii)∫

Ω∇u(x) · ∇v(x)dx =∫

Ω f (x)v(x)dx für alle v ∈ H10(Ω).

Satz 3.27 (Existenz und Eindeutigkeit schwacher Lösungen zu (3.4.1)). Es sei Ω ⊂ Rn

ein beschränktes Lipschitzgebiet und f ∈ L2(Ω) sowie g ∈ τ(H1(Ω)) = Bild(τ). Dannbesitzt die Aufgabe (3.4.1) genau eine schwache Lösung.

Beweis. Laut Annahme gibt es ein g ∈ H1(Ω) mit

τ(g) = g in L2(∂Ω).

Wir betrachten die Aufgabe: Finde w ∈ H10(Ω), so dass gilt∫

Ω∇w(x) · ∇v(x)dx =

∫Ω

f (x)v(x)dx−∫

Ω∇g(x) · ∇v(x)dx ∀v ∈ H1

0(Ω). (∗)

50

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3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

Die linke Seite definiert eine beschränkte und koerzitive Bilinearform (siehe Satz 3.18).Die rechte Seite definiert ein lineares und beschränktes Funktional

F(v) =∫

Ωf (x)v(x)dx−

∫Ω∇g(x) · ∇v(x)dx ∀v ∈ H1

0(Ω).

Die Linearität ist trivial. Zur Beschränktheit:

|F(v)| ≤ cP‖ f ‖L2(Ω)‖v‖H10(Ω) + ‖∇g‖L2(Ω)‖v‖H1

0(Ω)

= (cP‖ f ‖L2(Ω) + ‖∇g‖L2(Ω))‖v‖H10(Ω) ∀v ∈ H1

0(Ω).

Somit hat (∗) genau eine Lösung w ∈ H10(Ω) (Lemma von Lax-Milgram). Wir setzen

nunu := w + g.

Wir zeigen, dass u eine schwache Lösung zu (3.4.1) ist. Zum einen gilt

τ(u) = τ(w) + τ(g) = 0 + g = g.

Zum anderen gilt für alle v ∈ H10(Ω):∫

Ω∇u(x) · ∇v(x)dx =

∫Ω(∇w(x) +∇g(x)) · ∇v(x)dx

(∗)=∫

Ωf (x)v(x)dx−

∫Ω∇g(x) · ∇v(x)dx +

∫Ω∇g(x) · ∇v(x)dx

=∫

Ωf (x)v(x)dx.

Damit ist u ∈ H1(Ω) eine schwache Lösung zu (3.4.1). Es sei u ∈ H1(Ω) eine andereschwache Lösung zu (3.4.1). Dann gilt

τ(u− u) = g− g = 0.

Mit anderen Worten ist u− u ∈ H10(Ω). Wir wissen auch, dass∫

Ω∇(u(x)− u(x)) · ∇v(x)dx = 0 ∀v ∈ H1

0(Ω)

gilt. Mit v = u− u ∈ H10(Ω) erhalten wir somit∫

Ω|∇(u(x)− u(x))|2 dx = 0.

Das bedeutet ‖u− u‖2H1

0(Ω)= 0, also insgesamt u− u = 0.

51

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3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

3.4.2. Inhomogene Neumann-Randbedingungen (Randbedingungenzweiter Art)

Im Folgenden sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet und ν = (ν1, . . . , νn) dernach außen gerichtete Einheitsnormalenvektor auf ∂Ω.

ν·

Ω

Wir betrachten das Randwertproblem−∆u + cu = f in Ω,

∂νu = g auf ∂Ω,(3.4.2)

wobei ∂νu := ∇u · ν auf ∂Ω bezeichnet und f ∈ L2(Ω) und g ∈ L2(∂Ω) gegebeneDaten sind.Satz 3.28 ([5, Theorem 3.6]). Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet. Dann liegtder Raum

C∞(Ω) := C∞0 (Rn)

∣∣Ω

dicht in Wk,p(Ω) bezüglich der ‖·‖Wk,p(Ω)-Norm für alle k ∈N und 1 ≤ p < ∞.

Mit diesem Satz können wir die schwache Formulierung für (3.4.2) herleiten. Wir mul-tiplizieren (3.4.2) mit einer Testfunktion v ∈ C∞(Ω) und integrieren die resultierendeGleichung über Ω: ∫

Ω−∆uv + cuv dx =

∫Ω

f v dx.

Durch formale Anwendung der Greenschen Formel (Analysis 3) erhalten wir:∫Ω∇u · ∇v dx−

∫∂Ω

v∇u · ν ds +∫

Ωcuv dx =

∫Ω

f v dx.

Setzen wir die Randbedingung ∂νu = g auf ∂Ω ein, so erhalten wir∫Ω∇u · ∇v + cuv dx =

∫Ω

f v dx +∫

∂Ωgv ds

52

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3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

für alle v ∈ C∞(Ω). Diese Integralgleichung ist für u ∈ H1(Ω) wohldefiniert, undaufgrund der Dichtheit von C∞(Ω) in H1(Ω) kommen wir auf die folgende schwacheFormulierung:Definition 3.29 (schwache Lösung). Eine Funktion u ∈ H1(Ω) heißt schwache Lösungzu (3.4.2), falls u die schwache Formulierung für (3.4.2)∫

Ω∇u · ∇v + cuv dx =

∫Ω

f v dx +∫

∂Ωgv ds ∀v ∈ H1(Ω)

erfüllt.

Bemerkung 3.30. Wir schreiben∫∂Ω

gv ds =∫

∂Ωgτ(v)ds ∀v ∈ H1(Ω)

mit dem Spuroperator.

Satz 3.31 (Existenz und Eindeutigkeit schwacher Lösungen zu (3.4.2)). Es sei Ω ⊂ Rn

ein beschränktes Lipschitzgebiet und c ∈ L∞(Ω) mit

c(x) ≥ c0 > 0 für fast alle x ∈ Ω.

Dann besitzt die Aufgabe (3.4.2) zu jedem f ∈ L2(Ω) und jedem g ∈ L2(∂Ω) genau eineschwache Lösung.

Beweis. Die Aussage folgt unmittelbar aus dem Lemma von Lax-Milgram. Die linkeSeite der Variationsformulierung

a(u, v) : H1(Ω)× H1(Ω)→ R, a(u, v) =∫

Ω∇u · ∇v + cuv dx

ist beschränkt:

|a(u, v)| ≤ ‖∇u‖L2(Ω)‖∇v‖L2(Ω) + ‖c‖L∞(Ω)‖u‖L2(Ω)‖v‖L2(Ω)

≤ (1 + ‖c‖L∞(Ω))‖u‖H1(Ω)‖v‖H1(Ω),

sowie koerzitiv:

a(u, u) = ‖∇u‖2L2(Ω) +

∫Ω

c(x)u2(x)dx ≥ ‖∇u‖2L2(Ω) + c0‖u‖2

L2(Ω)

≥ min1, c0(‖∇u‖2L2(Ω) + ‖u‖2

L2(Ω))

≥ min1, c0‖u‖2H1(Ω) ∀u ∈ H1(Ω).

Die rechte Seite der Variationsformulierung

F : H1(Ω)→ R, F(v) =∫

Ωf v dx +

∫∂Ω

gτ(v)ds

53

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3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

ist linear und beschränkt. Die Linearität ist trivial. Zur Beschränktheit:

|F(v)| ≤ ‖ f ‖L2(Ω)‖v‖L2(Ω) + ‖g‖L2(∂Ω)‖τ(v)‖L2(∂Ω)

≤ (‖ f ‖L2(Ω) + cτ‖g‖L2(∂Ω))‖v‖H1(Ω) ∀v ∈ H1(Ω).

Korollar 3.32. Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet, c ∈ L∞(Ω) mit

c(x) ≥ c0 > 0 für fast alle x ∈ Ω

sowie f ∈ L2(Ω) und g ∈ L2(∂Ω). Dann erfüllt die schwache Lösung u ∈ H1(Ω) die PDE(3.4.2) im distributionellen Sinne, das heißt

−∆Tu + Tcu = Tf in C∞0 (Ω)∗.

Ist u ∈ H2(Ω), so gilt

−∆u(x) + c(x)u(x) = f (x) für fast alle x ∈ Ω

und∂νu = τ(∇u) · ν ∈ L2(∂Ω)

mit ∫∂Ω(∂νu− g)τ(v)ds = 0 ∀v ∈ H1(Ω).

Beweis. Die schwache Lösung erfüllt∫Ω∇u · ∇v + cuv dx =

∫Ω

f v dx +∫

∂Ωgv ds ∀v ∈ H1(Ω).

Da C∞0 (Ω) ⊂ H1(Ω) gilt, erhalten wir die Gleichung∫

Ω∇u · ∇v + cuv dx =

∫Ω

f v dx ∀v ∈ C∞0 (Ω), (∗)

welche äquivalent ist zu

n

∑i=1

TDiu(Div) + Tcu(v) = Tf (v) ∀v ∈ C∞0 (Ω).

Da u schwach differenzierbar ist, gilt

TDiu(ϕ) = DiTu(ϕ) ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω) ∀i = 1, . . . , n.

Demzufolge gilt

−n

∑i=1

DiDiTu(v) + Tcu(v) = Tf (v) ∀v ∈ C∞0 (Ω),

54

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3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

also−∆Tu + Tcu = Tf in C∞

0 (Ω)∗.

Wir nehmen an, dass u ∈ H2(Ω) gelte. In diesem Fall liefert (∗)∫Ω(−∆u)v + cuv dx =

∫Ω

f v dx ∀v ∈ C∞0 (Ω)

und somit ∫Ω(−∆u + cu− f )v dx = 0 ∀v ∈ C∞

0 (Ω).

Das Fundamentallemma der Variationsrechnung liefert dann

−∆u(x) + c(x)u(x) = f (x) für fast alle x ∈ Ω. (∗∗)

Verwenden wir die Greensche Formel für die schwache Formulierung zu (3.4.2), soerhalten wir∫

Ω(−∆u)v dx +

∫∂Ω

v∇u · ν ds +∫

Ωcuv dx =

∫Ω

f v dx +∫

∂Ωgv ds ∀v ∈ H1(Ω)

Mit (∗∗) folgt ∫∂Ω

τ(v)τ(∇u) · ν ds =∫

∂Ωgτ(v)ds ∀v ∈ H1(Ω)

und somit insgesamt ∫∂Ω(∂νu− g)τ(v)ds = 0 ∀v ∈ H1(Ω).

Bemerkung 3.33. Für den Beweis haben wir die Greensche Formel für H1(Ω)-Sobolev-funktionen angewendet:∫

ΩuDiv dx = −

∫Ω

Diuv dx +∫

∂Ωuvνi ds ∀u, v ∈ H1(Ω) ∀i = 1, . . . , n. (∗)

Hieraus folgt für u ∈ H2(Ω) und v ∈ H1(Ω):∫Ω∇u · ∇v dx =

n

∑i=1

∫Ω

DiuDiv dx = −n

∑i=1

∫Ω

D2i uv dx +

n

∑i=1

∫∂Ω

vDiuνi dx

= −∫

Ω∆uv dx +

∫∂Ω

v∇u · ν ds.

Der Beweis für (∗) kommt später. Wir haben auch stillschweigend die Regularitätν ∈ L∞(∂Ω)n verwendet. Diese Regularität gilt, da Ω ein beschränktes Lipschitzgebietist.

Bemerkung 3.34. Im Falle c ≡ 0 hat (3.4.2) im Allgemeinen keine eindeutige Lösung.Der Fall c ≡ 0 lässt sich mit dem Quotientenraum H1(Ω) \R behandeln.

55

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3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

3.4.3. Inhomogene Robin-Randbedingungen (Randbedingungendritter Art)

Im Folgenden sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet. Wir betrachten das Rand-wertproblem

−∆u = f in Ω,∂νu + βu = g auf ∂Ω

(3.4.3)

mit f ∈ L2(Ω), β ∈ L∞(∂Ω) sowie g ∈ L2(∂Ω). Die schwache Formulierung erhaltenwir durch Multiplikation von (3.4.3) mit v ∈ C∞(Ω), Integration über Ω sowie formalerAnwendung der Greenschen Formel.Definition 3.35 (schwache Lösung). Eine Funktion u ∈ H1(Ω) heißt schwache Lösungzu (3.4.3), falls u die schwache Formulierung zu (3.4.3)∫

Ω∇u · ∇v dx +

∫∂Ω

βuv ds =∫

Ωf v dx +

∫∂Ω

gv ds ∀v ∈ H1(Ω)

erfüllt.

Beachte: ∫∂Ω

βuv ds =∫

∂Ωβτ(u)τ(v)ds

und ∫∂Ω

gv ds =∫

∂Ωgτ(v)ds.

Lemma 3.36. Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet, f ∈ L2(Ω), β ∈ L∞(∂Ω)sowie g ∈ L2(Ω). Ist u eine schwache Lösung zu (3.4.3), so erfüllt u die PDE (3.4.3) imdistributionellen Sinne, das heißt

−∆Tu = Tf in C∞0 (Ω)∗.

Ist u ∈ H2(Ω), so gilt ∫∂Ω(∂νu + βu− g)v ds = 0 ∀v ∈ H1(Ω).

Wir definieren nun die Bilinearform a : H1(Ω)× H1(Ω)→ R mit

a(u, v) =∫

Ω∇u · ∇v dx +

∫∂Ω

βτ(u)τ(v)ds

und die Linearform F : H1(Ω)→ R mit

F(v) =∫

Ωf v dx +

∫∂Ω

gτ(v)ds.

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3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

Es gilt|a(u, v)| ≤ (1 + ‖β‖L∞(∂Ω)c

2τ)‖u‖H1(Ω)‖v‖H1(Ω) ∀u, v ∈ H1(Ω)

und|F(v)| ≤ (‖ f ‖L2(Ω) + ‖g‖L2(Ω)cτ)‖v‖H1(Ω) ∀v ∈ H1(Ω).

Die Koerzitivität von a folgt aus der verallgemeinerten Poincaré-Friedrichs-Ungleichung(ohne Beweis):

Satz 3.37 (Verallgemeinerte Poincaré-Friedrichs-Ungleichung). Es sei Ω ⊂ Rn einbeschränktes Lipschitzgebiet. Ferner seien E ⊂ Ω und Γ ⊂ ∂Ω mit∫

E1 dx 6= 0 und

∫Γ1 ds 6= 0.

Dann existieren Konstanten cE, cΓ > 0, so dass gilt

∫Ω|u|2 dx ≤ cΓ

(∫Ω|∇u|2 dx +

∫Γτ(u)2 ds

)∀u ∈ H1(Ω)

und ∫Ω|u|2 dx ≤ cE

(∫Ω|∇u|2 dx +

∫E

u2 dx)∀u ∈ H1(Ω).

Satz 3.38 (Existenz und Eindeutigkeit schwacher Lösungen zu (3.4.3)). Es sei Ω ⊂ Rn

ein beschränktes Lipschitzgebiet und β ∈ L∞(∂Ω) nichtnegativ mit

β(s) ≥ β0 > 0

für fast alle s ∈ Γ und Γ ⊂ ∂Ω mit∫

Γ1 ds 6= 0. Dann besitzt (3.4.3) zu jedem f ∈ L2(Ω)und g ∈ L2(∂Ω) genau eine schwache Lösung.

Beweis. Es bleibt zu zeigen, dass a koerzitiv ist. Es gilt

a(u, u) = ‖∇u‖2L2(Ω) +

∫∂Ω

βτ(u)2 ds

≥ ‖∇u‖2L2(Ω) +

∫Γ

β0τ(u)2 ds

=12‖∇u‖2

L2(Ω) +12‖∇u‖2

L2(Ω) + β0

∫Γτ(u)2 ds

≥ 12‖∇u‖2

L2(Ω) + min

12

, β0

c−1

Γ ‖u‖2L2(Ω)

≥ min

12

, min

12

, β0

c−1

Γ

(‖∇u‖2

L2(Ω) + ‖u‖2L2(Ω)) ∀u ∈ H1(Ω).

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3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

3.4.4. Gemischte Randbedingungen

Im Folgenden sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet. Ferner seien Γ1, Γ2 ⊂ ∂Ωmit Γ1 ∩ Γ2 = ∅ und Γ1 ∪ Γ2 = ∂Ω mit∫

Γi

1 ds 6= 0 für i = 1, 2.

Wir betrachten das elliptische Randwertproblem−∆u = f in Ω,

u = 0 auf Γ1,∂νu = g auf Γ2.

(3.4.4)

Wir definieren den Raum

H1Γ1(Ω) := u ∈ H1(Ω) : (τu)(x) = 0 für fast alle x ∈ Γ1.

Satz 3.39. Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet. Dann ist der RaumH1

Γ1(Ω), (·, ·)H1(Ω) ein Hilbertraum.

Beweis. Es sei uk∞k=1 ⊂ H1

Γ1(Ω) mit limk→∞‖uk − u‖H1(Ω) = 0 für einen Grenzwert

u ∈ H1(Ω). Da der Spuroperator τ : H1(Ω)→ L2(∂Ω) stetig ist, gilt

0 = limk→∞

∫Γ1

|τ(uk)|2︸ ︷︷ ︸=0 ∀k∈N

ds =∫

Γ1

|τ(u)|2 ds.

Also istτ(u) = 0 fast überall auf Γ1.

Mit anderen Worten ist u ∈ H1Γ1(Ω). Somit ist H1

Γ1(Ω) ein abgeschlossener Unterraum

von H1(Ω) und damit ist H1Γ1(Ω), (·, ·)H1(Ω) ein Hilbertraum.

Definition 3.40 (schwache Lösung). Es sei f ∈ L2(Ω) und g ∈ L2(Γ2). Eine Funktionu ∈ H1

Γ1(Ω) heißt schwache Lösung zu (3.4.4), falls gilt∫

Ω∇u · ∇v dx =

∫Ω

f v dx +∫

Γ2

gv ds ∀v ∈ H1Γ1(Ω).

Satz 3.41 (Existenz und Eindeutigkeit schwacher Lösungen zu (3.4.4)). Es sei Ω ⊂ Rn

ein beschränktes Lipschitzgebiet. Ferner seien Γ1, Γ2 ⊂ ∂Ω mit Γ1∩ Γ2 = ∅ und Γ1∪ Γ2 = ∂Ωmit ∫

Γi

1 ds 6= 0 für i = 1, 2.

Dann besitzt (3.4.4) zu jedem f ∈ L2(Ω) und g ∈ L2(∂Ω) genau eine schwache Lösungu ∈ H1

Γ1(Ω). Es existiert eine von f , g, und u unabhängige Konstante c > 0, so dass gilt

‖u‖H1(Ω) ≤ c(‖ f ‖L2(Ω) + ‖g‖L2(Γ2)).

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3.4. Elliptische PDE mit anderen Randbedingungen

Beweis. Wir definieren die Bilinearform a : H1Γ1(Ω)× H1

Γ1(Ω)→ R mit

a(u, v) = (∇u,∇v)L2(Ω) ∀u, v ∈ H1Γ1(Ω)

sowie die Linearform F : H1Γ1(Ω)→ R mit

F(v) =∫

Ωf v dx +

∫Γ2

gτ(v)ds ∀v ∈ H1Γ1(Ω).

Offenbar sind a : H1Γ1(Ω)× H1

Γ1(Ω) → R und F : H1

Γ1(Ω) → R beschränkt, denn es

gilt|a(u, v)| ≤ ‖∇u‖L2(Ω)‖∇v‖L2(Ω) ≤ ‖u‖H1(Ω)‖v‖H1(Ω)

sowie

|F(v)| ≤ ‖ f ‖L2(Ω)‖v‖L2(Ω) + ‖g‖L2(Γ2)‖τ(v)‖L2(∂Ω)

≤ (‖ f ‖L2(Ω) + cτ‖g‖L2(Γ2))‖v‖H1(Ω).

Die Koerzitivität von a folgt aus der verallgemeinerten Poincaré-Friedrichs-Ungleichung∫Ω|v|2 dx ≤ cΓ1

(∫Ω|∇v|2 dx +

∫Γ1

τ(v)2 ds)∀v ∈ H1(Ω)

mit einer von v unabhängigen Konstanten cΓ1 > 0. Somit gilt∫Ω|v|2 dx ≤ cΓ1

∫Ω|∇v|2 dx ∀v ∈ H1

Γ1(Ω)

und wir erhalten

a(u, u) =∫

Ω|∇u|2 dx =

12‖∇u‖2

L2(Ω) +12‖∇u‖2

L2(Ω)

≥ 12cΓ1

‖u‖2L2(Ω) +

12‖∇u‖2

L2(Ω)

≥ min

12cΓ1

,12

‖u‖2

H1(Ω).

Insgesamt haben wir gezeigt, dass die Bilinearform a beschränkt und koerzitiv istsowie dass die Linearform F ∈ H1(Ω)∗ ist. Das Lemma von Lax-Milgram liefert alsodie Existenz und Eindeutigkeit einer Lösung u ∈ H1

Γ1(Ω) zu (3.4.4). Die Lösung erfüllt

a(u, u) = F(u) und daraus folgt

min

12cΓ1

,12

‖u‖2

H1(Ω) ≤ a(u, u) = F(u) ≤ (‖ f ‖L2(Ω) + ‖g‖L2(Γ2)cτ)‖u‖H1(Ω).

Somit erhalten wir

‖u‖H1(Ω) ≤ max1, cτmin

12cΓ1

,12

−1

(‖ f ‖L2(Ω) + ‖g‖L2(Γ2)).

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Kapitel 4DifferenzenverfahrenIn diesem Kapitel behandeln wir das klassische Differenzenverfahren für die Poisson-Gleichung mit homogener Dirichlet-Randbedingung

−∆u = f in Ω,u = 0 auf ∂Ω.

(4)

Zur Vereinfachung sei Ω = (0, 1) × (0, 1) und wir zerlegen Ω durch endlich vieleQuadrate mit Seitenlänge h = 1

n mit n ∈N \ 1.

∈ Ωh

∈ ∂Ωh

(0, 0) (1, 0)

(0, 1) (1, 1)

h

Wir definieren

Ωh := (ih, jh) : (ih, jh) ∈ Ω, i, j ∈N= (ih, jh) : i, j ∈ 1, . . . , n− 1

sowie∂Ωh := (ih, jh) : (ih, jh) ∈ ∂Ω, i, j ∈N∪ 0.

Mit dieser Diskretisierung lässt sich das Randwertproblem (4) durch das Differenzen-verfahren leicht behandeln.Hierzu verwenden wir den Satz von Taylor für ein 4-mal stetig differenzierbares u:

u(x + h, y) = u(x, y) + D1u(x, y)h +12

D21u(x, y)h2 +

16

D31u(x, y)h3 +O(h4),

u(x− h, y) = u(x, y)− D1u(x, y)h +12

D21u(x, y)h2 − 1

6D3

1u(x, y)h3 +O(h4)

61

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Kapitel 4. Differenzenverfahren

Folglich gilt

D21u(x, y) =

1h2 (u(x− h, y)− 2u(x, y) + u(x + h, y)) +O(h2),

D22u(x, y) =

1h2 (u(x, y− h)− 2u(x, y) + u(x, y + h)) +O(h2).

Insgesamt erhalten wir

∆u(x, y)=1h2 (u(x−h, y)+u(x, y−h)−4u(x, y)+u(x+h, y)+u(x, y+h))+O(h2).

Definition 4.1. Es sei u ∈ C4(Ω), h ∈ R+ und (x, y) ∈ Ω mit

(x± h, y), (x, y± h) ∈ Ω.

Wir definieren den diskreten Laplace-Operator wie folgt:

∆hu(x, y)=1h2 (u(x−h, y)+u(x, y−h)−4u(x, y)+u(x+h, y)+u(x, y+h)).

Definition 4.2 (Differenzenverfahren (5-Punkte-Stern für (4))). Es sei h = 1n mit

n ∈ N \ 1. Für i, j = 0, . . . , n bestimmen wir die Näherungen der Lösung zu(4) u(ih, jh) ≈ uij aus

−∆huij = f (ih, jh) ∀i, j = 1, . . . , n− 1,

u0j = unj = 0 ∀j = 0, . . . , n,

ui0 = uin = 0 ∀i = 0, . . . , n,

wobei

−∆huij = n2(−ui,j−1 − ui−1,j − ui+1,j − ui,j+1 + 4uij) ∀i, j = 1, . . . , n− 1

gilt. Setzen wir

uh := (u11, u12, . . . , u1,n−1, u21, . . . , u2,n−1, . . . , un−1,1, . . . , un−1,n−1)T,

sowie

Ah = n2

Tn−1 -In−1

-In−1 Tn−1. . .

. . . . . . -In−1

-In−1 Tn−1

∈ R(n−1)2×(n−1)2

mit

Tn−1 =

4 −1

−1 . . . . . .. . . . . . −1−1 4

∈ R(n−1)×(n−1)

62

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Kapitel 4. Differenzenverfahren

undfh = ( f (h, h), f (h, 2h), . . . , f ((n− 1)h, (n− 1)h)),

dann führt das Differenzenverfahren auf

Ahuh = fh.

Definition 4.3. Es sei h = 1n mit n ∈N \ 1. Wir definieren den Operator

Kh : C(Ω)→ R(n−1)2, Khu := (u(h, h), u(h, 2h), . . . , u((n− 1)h, (n− 1)h)).

Für unsere weitere Untersuchung treffen wir jetzt die folgende Annahme:

Es sei f ∈ C(Ω) und die Poisson-Gleichung (4) besitzt eine klassische Lösung u ∈C2(Ω) ∩ C(Ω).

Definition 4.4. Das Differenzenverfahren heißt konvergent, falls gilt:

limh→0‖uh − Khu‖∞ = 0.

Existiert eine von h unabhängige Konstante c > 0, sowie ein k ∈ R+, so dass gilt

‖uh − Khu‖∞ ≤ chk,

so heißt das Verfahren konvergent mit Konvergenzrate k.

Lemma 4.5. Unter der Annahme, dass die klassische Lösung zu (4) existiere, u ∈ C4(Ω), gilt

‖Kh∆u + AhKhu‖∞ ≤1

12h2‖u‖C4(Ω).

Beweis. Laut Konstruktion gibt es zu jedem Index l ∈ 1, . . . , (n− 1)2 Indizes i, j ∈1, . . . , n− 1 mit

(Kh∆u+AhKhu)l = D21u(ih, jh) + D2

2u(ih, jh)− 1h2 (u(ih, (j−1)h)+

+u((i−1)h, jh)+u((i+1)h, jh) + u(ih, (j+1)h)−4u(ih, jh))

=24!

h2(D41u(ξ, y) + D4

2u(x, η))

≤ 112

h2‖u‖C4(Ω)

mit einer Zwischenstelle (ξ, η) ∈ Ω.

Lemma 4.6. Die Matrix Ah ∈ R(n−1)2×(n−1)2besitzt die Eigenschaft:

Ahzh ≥ 0 ⇒ zh ≥ 0.

63

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Kapitel 4. Differenzenverfahren

Beweis. Annahme: Die Behauptung wäre falsch, das heißt, es existiert ein Vektorzh ∈ R(n−1)2

mit Ahzh ≥ 0 und mit (zh)l < 0 für ein l ∈ 1, . . . , (n− 1)2. Sei zij derkleinste Eintrag des Vektors

zh = (z11, z12, . . . , zn−1,n−1)T.

Dann folgt aus Ahzh ≥ 0:

−zi,j−1 − zi−1,j − zi,j+1 − zi+1,j + 4zij ≥ 0

und somit4zij ≥ zi,j−1 + zi−1,j + zi,j+1 + zi+1,j ≥ 4zij.

Daher giltzij = zi,j−1 = zi−1,j = zi,j+1 = zi+1,j,

denn zij ist der kleinste Eintrag des Vektors zh. Wiederholen wir dieses Argument fürzi−1,j, zi,j−1, zi+1,j und zi,j+1, so erhalten wir

zh = z(1, . . . , 1)T

mit z < 0. Insgesamt folgt der Widerspruch

0 ≤ (Ahzh)1 = 4z− z− z = 2z < 0.

Lemma 4.7. Es gilt

‖A−1h ‖∞ ≤

18∀h =

1n

, n ∈N \ 1.

Beweis. Es sei z(x, y) = 12(x− x2) und wir setzen zh = Khz. Für diesen Vektor gilt

‖zh‖∞ ≤18

(∗)

und(Ahzh)l = 1. (∗∗)

Aus Numerik 1 existiert ein mh ∈ R(n−1)2mit ‖mh‖∞ = 1 und ‖A−1

h ‖∞ = ‖A−1h mh‖∞.

Aus (∗∗) erhalten wir

Ah(zh + A−1h mh) = Ahzh + mh ≥ 0,

Ah(zh − A−1h mh) = Ahzh −mh ≥ 0,

und mit dem vorherigen Lemma folgt

zh ≥ −A−1h mh,

zh ≥ A−1h mh.

64

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Kapitel 4. Differenzenverfahren

Somit gilt(zh)l ≥ |(A−1

h mh)l| ∀l ∈ 1, . . . , (n− 1)2.Verwenden wir (∗), dann folgt

‖A−1h ‖∞ = ‖A−1

h mh‖∞ ≤ ‖zh‖∞ ≤18

.

Satz 4.8 (Konvergenzaussage für das Differenzenverfahren). Unter der Annahme, dassdie klassische Lösung zu (4) existiere und die Regularität u ∈ C4(Ω) erfülle, konvergiert dasDifferenzenverfahren mit der Konvergenzordnung k = 2, das heißt, es gilt

‖uh − Khu‖∞ = O(h2) für h→ 0.

Mit anderen Worten existiert eine von h unabhängige Konstante c > 0, so dass gilt

‖uh − Khu‖∞ ≤ ch2 ∀h =1n

, n ∈N \ 1.

Beweis. Sei h = 1n mit n ∈N \ 1. Dann gilt

‖uh − Khu‖∞ = ‖A−1h (Ahuh − AhKhu)‖∞

= ‖A−1h ( fh − AhKhu)‖∞

= ‖A−1h (Kh f − AhKhu)‖∞

≤ ‖A−1h ‖∞‖−Kh∆u− AhKhu‖∞

≤ 18

112

h2‖u‖C4(Ω).

Damit ist die Behauptung mit c = 196‖u‖C4(Ω) bewiesen.

65

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Kapitel 5Grundkonzepte der

Finite-Elemente-Methode

5.1. Galerkin-Verfahren und das Lemma von Céa

Wie im Kapitel 3 bereits diskutiert, lässt sich eine schwache Formulierung eines linearenelliptischen PDE-Modells oft als ein Variationsproblem der Form

a(u, v) = F(v) ∀v ∈ V

darstellen. Intuitiv ist es naheliegend, wie man ein solches Variationsproblem nume-risch löst:

Man approximiere den Testraum V durch einen endlichdimensionalen UnterraumVh ⊂ V und löse

a(uh, vh) = F(vh) ∀vh ∈ Vh.

Diese Idee geht zurück auf Boris Grigorjewitsch Galjorkin (1871 - 1945). In der Literaturwird diese als das Galerkin-Verfahren (Ritz-Galerik-Verfahren) bezeichnet.

Lemma 5.1. Es sei V ein reeller Hilbertraum und Vh ⊂ V ein endlichdimensionaler Unter-raum. Ferner sei a : V ×V → R eine beschränkte und koerzitive Bilinearform, sowie F ∈ V∗.Dann besitzt das Variationsproblem

„Finde uh ∈ Vh, so dass gilt

a(uh, vh) = F(vh) ∀vh ∈ Vh.“

genau eine Lösung uh ∈ Vh.

Beweis. Da V ein Hilbertraum und Vh ⊂ V ein endlichdimensionaler Unterraumist, so ist Vh ein Hilbertraum über R. Die Beschränktheit und die Koerzitivität vona : V ×V → R implizieren, dass a : Vh ×Vh → R beschränkt und koerzitiv ist. Fernerist F ∈ V∗h , denn es gilt F ∈ V∗. Daher folgt die Aussage direkt aus dem Lemma vonLax-Milgram.

67

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5.1. Galerkin-Verfahren und das Lemma von Céa

Lemma 5.2 (Lemma von Céa). Es sei V, (·, ·)V ein reeller Hilbertraum Vh ⊂ V einendlichdimensionaler Unterraum, a : V × V → R eine beschränkte und koerzitive Biline-arform, sowie F ∈ V∗. Ferner seien u ∈ V und uh ∈ Vh die eindeutigen Lösungen derVariationsprobleme

a(u, v) = F(v) ∀v ∈ V,a(uh, vh) = F(vh) ∀vh ∈ Vh.

Dann gilt‖u− uh‖V ≤

infvh∈Vh

‖u− vh‖V ,

wobei c ∈ R+ und λ ∈ R+ die Beschränktheitskonstante bzw. Koerzitivitätskonstante derBilinearform a bezeichnen.

Beweis. Da Vh ⊂ V gilt, erfüllt u die Variationsgleichung

a(u, vh) = F(vh) ∀vh ∈ Vh.

Folglich gilta(u− uh, vh) = 0 ∀vh ∈ Vh

und somita(u− uh, vh − uh) = 0 ∀vh ∈ Vh. (∗)

Verwenden wir nun die Beschränktheit und Koerzitivität von a, so erhalten wir

λ‖u− uh‖2V ≤ a(u− uh, u− uh)

= a(u− uh, u− vh) + a(u− uh, vh − uh)

= a(u− uh, u− vh)

≤ c‖u− uh‖V‖u− vh‖V ∀vh ∈ Vh.

Hieraus folgt‖u− uh‖V ≤

cλ‖u− vh‖V ∀vh ∈ Vh

und somit‖u− uh‖V ≤

infvh∈Vh

‖u− vh‖V .

Bemerkungen 5.3.

(i) Das Lemma von Céa ist eine grundlegende Aussage zur Konvergenz sowieFehlerabschätzung für das Galerkin-Verfahren.

(ii) Die Eigenschafta(u− uh, vh − uh) = 0 ∀vh ∈ Vh

heißt Galerkin-Orthogonalität.

68

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5.2. Finite-Elemente

Fazit 5.4. Für einen endlichdimensionalen Unterraum Vh ⊂ V liefert das Galerkin-Verfahren die bestmögliche Approximation uh ∈ Vh zu u im Unterraum Vh (bis auf dieKonstante c

λ ).

Die Hauptfrage ist nun, wie der Unterraum Vh gewählt werden soll. Ein bekannterAnsatz dazu ist die Finite-Elemente-Methode (FEM).

5.2. Finite-Elemente

Definition 5.5 (Philippe G. Chiarlet). Ein finites Element ist ein Tripel (K, PK, ΣK) mitden folgenden Eigenschaften:

(i) K ⊂ Rn ist ein abgeschlossenes und beschränktes Lipschitzgebiet mit int(K) 6= ∅(nichtleeres Inneres).

(ii) PK ist ein reeller Funktionenraum auf K.

(iii) ΣK ist eine Menge von linear unabhängigen, linearen Funktionalen

φi : dom(ΣK)→ R, i = 1, . . . , N,

mit N ∈N und PK ⊂ dom(ΣK).

Die Funktionale φi : dom(ΣK) → R heißen Freiheitsgrade (degress of freedom) oderauch Knotenfunktionale.

Bemerkungen 5.6.

(i) Typische Beispiele für K sind einfache geometrische Objekte, wie Dreiecke oderVierecke im R2 bzw. Tetraeder oder Hexaeder in R3.

(ii) Ein typisches Beispiel für PK ist der Raum aller reeller Polynome.

Definition 5.7 (Unisolvenz). Ein finites Element (K, PK, ΣK) heißt unisolvent, wennjedes Element p ∈ PK eindeutig durch die Vorgabe der Werte φi(p) ∈ R für allei = 1, . . . , N bestimmt ist:

∀αi ∈ R, i = 1, . . . , N ∃! p ∈ PK : φi(p) = αi ∀i = 1, . . . , N.

Lemma 5.8. Es sei (K, PK, ΣK) ein unisolventes finites Element. Dann ist der FunktionenraumPK endlichdimensional mit dim(PK) = N (Anzahl der Freiheitsgrade φi).

Beweis. Da das finite Element (K, PK, ΣK) unisolvent ist, existiert zu jedem i ∈ 1, . . . , Ngenau ein pi ∈ PK mit

φj(pi) = δij ∀i, j ∈ 1, . . . , N.

69

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5.2. Finite-Elemente

Die Funktionen pi, i = 1, . . . , N, sind linear unabhängig, denn aus

λ1p1 + λ2p2 + . . . + λn pn ≡ 0

folgt mit der Linearität von φj, dass

φj(λ1p1 + λ2p2 + . . . + λn pn) = 0 ∀j = 1, . . . , N

gilt. Somit ergibt sich mit φj(pi) = δij:

λj = 0 ∀j = 1, . . . , N.

Wir zeigen nun, dass jedes Element p ∈ PK die Darstellung

p =N

∑i=1

φi(p)pi

besitzt. Sei p ∈ PK. Wir setzen

αj := φj(p) ∈ R, j = 1, . . . , N

und

q :=N

∑i=1

αi pi ∈ PK.

Dann gilt

φj(q) = φj

(N

∑i=1

αi pi

)= αj ∀j = 1, . . . , N.

Da aber (K, PK, ΣK) unisolvent ist, so gilt

p = q.

Insgesamt haben wir gezeigt, dass piNi=1 eine Basis des Funktionenraums PK bildet.

Definition 5.9 (Basis eines finiten Elements). Es sei (K, PK, ΣK) ein unisolventes finitesElement. Dann heißt piN

i=1 ⊂ PK mit der Eigenschaft

φj(pi) = δij ∀i, j = 1, . . . , N

Basis des finiten Elements (K, PK, ΣK). In diesem Fall heißt φiNi=1 Basis des Dualraums

von PK.

Definition 5.10. Mit Pm bezeichnen wir den Raum aller reellwertigen Polynome aufRn vom Grad ≤ m ∈N, das heißt,

Pm :=

p : Rn → R : p = ∑|α|≤m

γαxα

.

Ist K ⊂ Rn, so setzen wirPm(K) := p|K : p ∈ Pm.

70

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5.2. Finite-Elemente

Bemerkung 5.11. Es gilt

dim(Pm) =

(n + m

m

).

Beispiel 5.12 (lineares finites Element in R1). Es sei

K = [0, 1],PK = P1[0, 1] = p : [0, 1]→ R : p(x) = βx + γ, β, γ ∈ R,ΣK = φi, i = 1, 2 : φ1(p) = p(0), φ2(p) = p(1) ∀p ∈ PK.

Dieses finite Element (K, PK, ΣK) ist unisolvent, denn zu gegebenen Werten α1, α2 ∈ R

gibt es genau ein p ∈ PK = P1[0, 1] mit

p(0) = φ1(p) = α1,p(1) = φ2(p) = α2.

Die Basis pi2i=1 ist eindeutig festgelegt durch

φj(pi) = δij.

In diesem Fall erhalten wir

0 1

p1

0 1

p2

Dieses Beispiel lässt sich auf Rn verallgemeinern. Dazu verwenden wir die folgendeDefinition:

Definition 5.13 (n-Simplex). Eine Teilmenge K ⊂ Rn heißt n-Simplex, wenn es n + 1Vektoren a1, . . . , an+1 ∈ Rn gibt, so dass a1, . . . , an+1 nicht in einer Hyperebene des Rn

liegen und

K = convajnj=1 =

n+1

∑j=1

λjaj : 0 ≤ λj ≤ 1,n+1

∑j=1

λj = 1

.

In diesem Fall heißen a1, . . . , an+1 Knotenpunkte (Nodelpunkte, Knoten) von K.

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5.2. Finite-Elemente

Beispiel 5.14.

(i) Ein 1-Simplex ist ein abgeschlossenes Intervall.

a1 a2

(ii) Ein 2-Simplex ist ein abgeschlossenes Dreieck.

a1 a2

a3

(iii) Ein 3-Simplex ist ein abgeschlossenes Tetraeder.

a1a2

a3

a4

Beispiel 5.15 (lineares finites Element in Rn). Es sei K = convajn+1j=1 ein n-Simplex

und

PK = P1(K) = p : K → R : p(x) = (x, a)Rn + b mit a ∈ Rn, b ∈ R,ΣK = φi, i = 1, . . . , n + 1 : φi(p) = p(ai) ∀i = 1, . . . , n + 1.

Dieses finite Element (K, PK, ΣK) ist unisolvent mit dim(PK) = n + 1.

Beispiel 5.16 (quadratisches finites Element in Rn). Es sei K = convajn+1j=1 ein n-

Simplex und

PK = P2(K),ΣK = φi, i = 1, . . . , n + 1 : φi(p) = p(ai) ∀i = 1, . . . , n + 1∪ φij, 1 ≤ i < j ≤ n + 1 : φij(p) = p(aij) ∀1 ≤ i < j ≤ n + 1,

mit aij = 12(ai + aj) für alle 1 ≤ i < j ≤ n. Dieses finite Element (K, PK, ΣK) ist

unisolvent mit

dim(PK) =(n + 1)(n + 2)

2.

72

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5.3. Der Finite-Elemente-Raum

a1 a12 a2

n = 1a1 a12 a2

a3

a13 a23

n = 2

a1a2

a3

a4

a12

a13

a14

a23

a24

a34

n = 3

Beispiel 5.17 (kubisches finites Element in Rn). Es sei K = convajn+1j=1 ein n-Simplex

und

PK = P3(K),ΣK = φi, i = 1, . . . , n + 1 : φi(p) = p(ai) ∀i = 1, . . . , n + 1∪ φiij, i 6= j, i, j = 1, . . . , n + 1 : φiij(p) = p(aiij) ∀i 6= j, i, j = 1, . . . , n + 1∪ φijk, 1 ≤ i < j < k ≤ n + 1 : φijk(p) = p(aijk) ∀1 ≤ i < j < k ≤ n + 1,

mit aiij =13(2ai + aj) und aijk = 1

3(ai + aj + ak). Dieses finite Element (K, PK, ΣK) istunisolvent mit

dim(PK) =(n + 1)(n + 2)(n + 3)

6.

a1 a112 a221 a2

n = 1

a1 a112 a221 a2

a113

a331

a3

a332

a223

a123

n = 2

5.3. Der Finite-Elemente-Raum

Im Folgenden sei Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3 mit den folgenden Eigenschaften:

(G1) Ist n = 1, so ist Ω ein offenes beschränktes Intervall.

73

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5.3. Der Finite-Elemente-Raum

(G2) Ist n = 2, so ist Ω ein beschränktes polygonales Lipschitzgebiet.

(G3) Ist n = 3, so ist Ω ein beschränktes polyedrisches Lipschitzgebiet.

n = 1

n = 2 n = 3

Definition 5.18 (zulässige Triangulierung). Das Gebiet Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, erfülle(G1) - (G3). Eine Triangulierung Th = K1, . . . , KM von Ω in endlich viele n-Simplexeheißt zulässig, falls gilt:

(i) Ω =⋃

K∈ThK mit hK := diam(K) und h := maxK∈Th hK.

(ii) Gilt Ki 6≡ Kj, so muss int(Ki) ∩ int(Kj) = ∅.

(iii) Gilt Ki ∩ Kj = x, so muss x ein Knotenpunkt sowohl von Ki als auch von Kjsein.

(iv) Besteht Ki ∩ Kj aus mehr als einem Punkt, so muss Ki ∩ Kj eine Kante sowohlvon Ki als auch von Kj sein.

Beispiel 5.19.

K3

K2

K1

nicht zulässig

K2

K1

K1

K2 K3

K4

K5

K6 K7

K8

zulässig

K1

K2

K3

K2

K1

nicht zulässig

74

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5.3. Der Finite-Elemente-Raum

Definition 5.20 (Finite-Elemente-Raum). Es sei Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, mit den Eigen-schaften (G1) - (G3) und Th sei eine zulässige Triangulierung von Ω. Dann heißt einRaum Vh Finite-Elemente-Raum, falls gilt:

(i) Für jedes K ∈ Th ist (K, PK, ΣK) ein unisolventes finites Element.

(ii) Vh = vh : Ω→ R : vh|K ∈ PK ∀K ∈ Th.

Definition 5.21 (H1(Ω)-konformer Finite-Elemente-Raum). Es sei Ω ⊂ Rn, n ∈1, 2, 3 mit den Eigenschaften (G1) - (G3) und Th sei eine zulässige Triangulierungvon Ω. Ein Finite-Elemente-Raum Vh heißt H1(Ω)-konform, falls gilt

Vh ⊂ H1(Ω).

Wir wollen eine hinreichende Bedingung für H1(Ω)-konforme Finite-Elemente-Räumeherleiten. Dazu verwenden wir die bekannte Greensche Formel für H1(Ω)-Funktionen.

Lemma 5.22 (Greensche Formel für H1(Ω)-Funktionen). Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktesLipschitzgebiet und ν = (ν1, . . . , νn) der nach außen gerichtete Normalenvektor auf ∂Ω. Danngilt für alle u, v ∈ H1(Ω):∫

ΩuDiv dx = −

∫Ω

Diuv dx +∫

∂Ωτ(u)τ(v)νi ds ∀i ∈ 1, . . . , n.

Beweis. Man verwende die klassische Greensche Formel und die Dichtheit: C∞(Ω) ⊂H1(Ω) dicht.

Satz 5.23. Es seien Ω1, Ω2 ⊂ Rn beschränkte Lipschitzgebiete mit

Ω1 ∩Ω2 = ∅, ∂Ω1 ∩ ∂Ω2 = Σ, |Σ| 6= 0.

Ferner seien u1 ∈ H1(Ω1), u2 ∈ H1(Ω2), und

u :=

u1 in Ω1,u2 in Ω2.

Mit τ1 : H1(Ω1)→ L2(∂Ω1) und τ2 : H1(Ω2)→ L2(∂Ω2) bezeichnen wir die Spuroperato-ren. Gilt

τ1(u1) = τ2(u2) auf Σ,

so giltu ∈ H1(Ω) mit Ω = Ω1 ∪Ω2 ∪ Σ

und

Diu =

Diu1 in Ω1,Diu2 in Ω2

für alle i ∈ 1, . . . , n.

75

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5.3. Der Finite-Elemente-Raum

Ω1

Ω2

u1 ∈ H1(Ω1)

u2 ∈ H1(Ω2)

νΩ1

νΩ2 Ω

u ∈ H1(Ω)

Beweis. Laut Konstruktion ist u ∈ L2(Ω). Wir müssen nur zeigen, dass für alle i ∈1, . . . , n die schwache Ableitung Diu existiert und zu L2(Ω) gehört. Es sei alsoi ∈ 1, . . . , n und v ∈ C∞

0 (Ω). Dann gilt∫Ω

uDiv dx =∫

Ω1

u1Div dx +∫

Ω2

u2Div dx

= −∫

Ω1

Diu1v dx+∫

∂Ω1

τ1(u1)v|∂Ω1νΩ1i ds−

∫Ω2

Diu2v dx+∫

∂Ω2

τ2(u2)v|∂Ω2νΩ2i ds.

Wir definieren

L2(Ω) 3 w =

Diu1 in Ω1,Diu2 in Ω2.

Somit erhalten wir∫Ω

uDiv dx = −∫

Ωwv dx +

(∫∂Ω1

τ1(u1)v|∂Ω1νΩ1i ds +

∫∂Ω2

τ2(u2)v|∂Ω2νΩ2i ds

).

Wir zeigen nun, dass der Randterm verschwindet. Da v ∈ C∞0 (Ω) gilt, ist v(x) = 0 für

alle x ∈ ∂Ω = (∂Ω1 ∪ ∂Ω2) \ Σ. Somit gilt∫∂Ω1

τ1(u1)v|∂Ω1νΩ1i ds+

∫∂Ω2

τ2(u2)v|∂Ω2νΩ2i ds =

∫Σ(τ1(u1)ν

Ω1i + τ2(u2)ν

Ω2i )v|Σ ds = 0,

denn laut Voraussetzung gilt τ1(u1) = τ2(u2) auf Σ und laut Definition ist νΩ1 = −νΩ2 .Insgesamt gilt ∫

ΩuDiv dx = −

∫Ω

wv dx ∀v ∈ C∞0 (Ω).

Laut Definition ist somit

w =

Diu1 in Ω1,Diu2 in Ω2

die i-te schwache Ableitung von u, das heißt, Diu = w.

Satz 5.24. Es sei Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, mit den Eigenschaften (G1) - (G3). Ferner sei Theine zulässige Triangulierung von Ω und Vh ein Finite-Elemente-Raum. Gilt

(i) PK ⊂ H1(K) ∀K ∈ Th und

76

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5.3. Der Finite-Elemente-Raum

(ii) Vh ⊂ C(Ω),

so ist Vh H1(Ω)-konform, das heißt, Vh ⊂ H1(Ω).

Beweis. Es gelten die Bedingungen (i) und (ii). Ferner sei uh ∈ Vh. Laut (ii) ist uh ∈C(Ω) ⊂ L2(Ω). Wir zeigen nun, dass Diuh für jedes i ∈ 1, . . . , n existiert und inL2(Ω) liegt.Sei also i ∈ 1, . . . , n und v ∈ C∞

0 (Ω). Dann gilt∫Ω

uhDiv dx = ∑K∈Th

∫K

uhDiv dx = ∑K∈Th

(−∫

KDiuhv dx +

∫∂K

τK(uh)vνKi ds

)= − ∑

K∈Th

∫K

Diuhv dx,

siehe den Beweis von Satz 5.23. Hieraus folgt

Diuh = w ∈ L2(Ω)

mitw|K = Diuh|K ∀K ∈ Th.

Definition 5.25. Es sei Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, mit den Eigenschaften (G1) - (G3). Fernersei Th eine zulässige Triangulierung von Ω. Der (Finite-Elemente-) Raum aller stetigenstückweise linearen Elemente ist definiert durch:

(i) Für jedes K ⊂ Th ist (K,P1(K), ΣK) ein lineares finites Element (siehe Beispiel5.15).

(ii) Vh = vh ∈ C(Ω) : vh|K ∈ P1(K) ∀K ∈ Th.

Bemerkung 5.26. Im Folgenden benutzen wir die Schreibweise

Vh = vh ∈ C(Ω) : vh|K ∈ P1(K) ∀K ∈ Th

für den Raum aller stetigen stückweise linearen Elemente. Wir erwähnen also nichtmehr, dass für jedes Element K das Tripel (K,P1(K), ΣK) linear ist.

Diese Schreibweise verwenden wir auch für andere Finite-Elemente-Räume, solange esklar ist, welches finite Element (K, PK, ΣK) für jede K ∈ Th verwendet wird.Folgerung 5.27. Der Raum aller stetigen stückweise linearen Elemente

Vh = vh ∈ C(Ω) : vh|K ∈ P1(K) ∀K ∈ Th

ist H1(Ω)-konform.

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5.3. Der Finite-Elemente-Raum

Beispiel 5.28. Die folgenden Finite-Elemente-Räume sind ebenson H1(Ω)-konform:

Vh = vh ∈ C(Ω) : vh|K ∈ P2(K) ∀K ∈ Th,Vh = vh ∈ C(Ω) : vh|K ∈ P3(K) ∀K ∈ Th.

Beispiel 5.29. Der Raum aller stückweise konstanten Funktionen

Vh = vh ∈ L2(Ω) : vh|K ∈ P0(K) ∀K ∈ Th

ist nicht H1(Ω)-konform.

Definition 5.30. Ein Finite-Elemente-Raum Vh heißt H2(Ω)-konform, falls gilt

Vh ⊂ H2(Ω).

Wir wollen nun eine hinreichende Bedingung für H2(Ω)-konforme Finite-Elemente-Räume herleiten.Satz 5.31. Es seien Ω1, Ω2 ⊂ Rn beschränkte Lipschitzgebiete mit

Ω1 ∩Ω2 = ∅, ∂Ω1 ∩ ∂Ω2 = Σ, |Σ| 6= 0.

Ferner seien u1 ∈ H2(Ω1), u2 ∈ H2(Ω2), und

u :=

u1 in Ω1,u2 in Ω2.

Mit τ1 : H1(Ω1)→ L2(∂Ω1) und τ2 : H1(Ω2)→ L2(∂Ω2) bezeichnen wir die Spuroperato-ren. Gilt

τ1(u1) = τ2(u2) auf Σ und τ1(Diu1) = τ2(Diu2) auf Σ

für alle i ∈ 1, . . . , n, so gilt

u ∈ H2(Ω) mit Ω = Ω1 ∪Ω2 ∪ Σ

und

Diu =

Diu1 in Ω1,Diu2 in Ω2

und DjDiu =

DjDiu1 in Ω1,DjDiu2 in Ω2

für alle i, j ∈ 1, . . . , n.

Beweis. Aus dem vorherigen Satz gilt u ∈ H1(Ω) mit

Diu =

Diu1 in Ω1,Diu2 in Ω2

für alle i ∈ 1, . . . , n. Da Diu1 ∈ H1(Ω1) und Diu2 ∈ H1(Ω2), sowie

τ1(Diu1) = τ2(Diu2) auf Σ

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5.4. Interpolation und affine Familien von finiten Elementen

für alle i ∈ 1, . . . , n gilt, so liefert der vorherige Satz

Diu ∈ H1(Ω) mit DjDiu =

DjDiu1 in Ω1,DjDiu2 in Ω2

für alle i, j ∈ 1, . . . , n.

Satz 5.32. Es sei Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, mit den Eigenschaften (G1) - (G3). Ferner sei Theine zulässige Triangulierung von Ω und Vh ein Finite-Elemente-Raum. Gilt

(i) PK ⊂ H2(K) ∀K ∈ Th und

(ii) Vh ⊂ C1(Ω),

so ist Vh H2(Ω)-konform.

5.4. Interpolation und affine Familien von finitenElementen

Definition 5.33. Es sei (K, PK, ΣK) ein unisolventes finites Element mit

ΣK := φi : dom(ΣK)→ R, i = 1, . . . , N ∈N.

Ferner sei piNi=1 die Basis des finites Elements (K, PK, ΣK), definiert durch

φj(pi) = δij ∀i, j ∈ 1, . . . , N.

Mit

ΠKv :=N

∑i=1

φi(v)pi ∈ PK für v ∈ dom(ΣK)

bezeichnen wir die PK-Interpolierende der Funktion v ∈ dom(ΣK). Der Interpolationsope-rator

ΠK : dom(ΣK)→ PK

erfüllt die Projektionseigenschaft

ΠK p = p ∀p ∈ PK,

denn wie wir bereits gezeigt haben besitzt jedes Element p ∈ PK die Darstellung

p =N

∑i=1

φi(p)pi.

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5.4. Interpolation und affine Familien von finiten Elementen

Beispiel 5.34 (lineares finites Element). Es sei K = convajn+1j=1 ⊂ Rn ein n-Simplex

und (K, PK, ΣK) ein lineares finites Element, das heißt,

PK = P1(K)ΣK = φi : dom(ΣK)→ R, i = 1, . . . , n + 1 : φi(p) = p(ai) ∀i = 1, . . . , n + 1.

Die Wahldom(ΣK) = C(K)

ist in diesem Fall sinnvoll, denn P1(K) ⊂ C(K) und φi(v) ist wohldefiniert für allev ∈ C(K).Die P1(K)-Interpolierende einer stetigen Funktion v ∈ C(K) lautet also

ΠKv =n+1

∑i=1

φi(v)pi =n+1

∑i=1

v(ai)pi,

wobei pin+1i=1 die Basis des finiten Elements (K,P1(k), ΣK) bezeichnet, also

pi(aj) = δij.

a1 = 0 a2 = 1

v ∈ C(K)

ΠKv

v(0)v(1)

K

Für dieses eindimensionale Beispiel gilt:

Π[0,1]v = v(0)p1 + v(1)p2

mit

0 1

p1

0 1

p2

80

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5.4. Interpolation und affine Familien von finiten Elementen

Beispiel 5.35 (quadratisches finites Element). Es sei K = convajn+1j=1 ⊂ Rn ein n-

Simplex und (K, PK, ΣK) ein quadratisches finites Element, das heißt,

PK = P2(K),ΣK = φi : dom(ΣK)→ R, i = 1, . . . , n + 1 : φi(p) = p(ai) ∀i = 1, . . . , n + 1∪ φij : dom(ΣK)→ R, 1 ≤ i < j ≤ n + 1 : φij(p) = p(aij) ∀1 ≤ i < j ≤ n + 1

mit aij =12(ai + aj).

Aus dem gleichen Grund wie vorhin wählen wir

dom(ΣK) = C(K).

Dann ist die P2(K)-Interpolierende einer stetigen Funktion gegeben durch

ΠKv =n+1

∑i=1

φi(v)pi +n+1

∑i,j=1i<j

φij(v)pij =n+1

∑i=1

v(ai)pi +n+1

∑i,j=1i<j

v(aij)pij

mit der Basis pin+1i=1 ∪ pij1≤i<j≤n+1, definiert durch

pi(aj) = δij ∀i, j = 1, . . . , n + 1,pij(akl) = δikδjl ∀1 ≤ i < j ≤ n + 1 ∀1 ≤ k < l ≤ n + 1.

a1 = 0 a2 = 1a12 = 12

v ∈ C(K)

v(0)v(1)

v(12) ΠKv

K

Definition 5.36 (affine Äquivalenz). Zwei finite Elemente (K, PK, ΣK) und (K, PK, ΣK)heißen affin-äquivalent, falls eine bijektive affine Abbildung F : Rn → Rn existiert, sodass gilt:

(i) K = F(K),

(ii) PK = PK F−1 = p = p F−1 : K → R, p ∈ PK,

(iii) ΣK = φi : φi(p) = φi(p F), φi ∈ ΣK,

und #ΣK = #ΣK.

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5.4. Interpolation und affine Familien von finiten Elementen

Lemma 5.37. Sind (K, PK, ΣK) und (K, PK, ΣK) zwei unisolvente affin-äquivalente finiteElemente, so gilt

dim(PK) = dim(PK) = N = #ΣK = #ΣK.

Ist piNi=1 ⊂ PK die Basis des finiten Elements (K, PK, ΣK), so ist

piNi=1 ⊂ PK, pi = pi F

die Basis des finiten Elements (K, PK, ΣK).

Beweis. Es bleibt zu zeigen, dass

piNi=1 ⊂ PK, pi = pi F

die Basis des finiten Elements (K, PK, ΣK) ist. Nach Definition gilt:

φj( pi) = φj(pi F) = φj(pi) = δij ∀i, j = 1, . . . , n.

Beispiel 5.38. Wir betrachten zwei n-Simplexe

K = convajn+1j=1 , a1 = (0, . . . , 0)T, a2 = e1 ∈ Rn, . . . , an+1 = en ∈ Rn

und

K = convajn+1j=1 .

Ferner seien

PK = P1(K), PK = P1(K),

und

ΣK = φi, i = 1, . . . , n + 1 : φi( p) = p(ai) ∀i = 1, . . . , n + 1,ΣK = φi, i = 1, . . . , n + 1 : φi(p) = p(ai) ∀i = 1, . . . , n + 1.

Dann sind (K, PK, ΣK) und (K, PK, ΣK) affin äquivalent.

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5.4. Interpolation und affine Familien von finiten Elementen

Illustration für n = 2:

K

a1 = (0,0)

a3 = (0,1)

a2 = (1,0)

K

a1

a3

a2

In diesem Fall ist F : Rn → Rn gegeben durch

Fx = Bx + b

mit dem Ansatz

F(0) = a1,F(ej) = aj+1 ∀j = 1, . . . , n.

Damit ist

B =

a2 − a1 a3 − a1 · · · an+1 − a1

, b = (a1).

Beispiel 5.39. Es seien (K,P2(K), ΣK) und (K,P2(K), ΣK) quadratische finite Elementemit n-Simplexen

K = convajn+1j=1 , a1 = (0, . . . , 0)T, a2 = e1 ∈ Rn, . . . , an+1 = en ∈ Rn

undK = convajn+1

j=1 .

Dann sind (K,P2(K), ΣK) und (K,P2(K), ΣK) affin-äquivalent.

Beispiel 5.40. Die Elemente (K,P1(K), ΣK) und (K,P2(K), ΣK) sind nicht affin-äquivalent.

Lemma 5.41. Es seien (K, PK, ΣK) und (K, PK, ΣK) zwei unisolvente affin-äquivalente finiteElemente. Ferner seien

ΠK : dom(ΣK)→ PK und ΠK : dom(ΣK)→ PK

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

die Interpolationsoperatoren der finiten Elemente (K, PK, ΣK) und (K, PK, ΣK). Ist v ∈dom(ΣK) mit v F ∈ dom(ΣK), so gilt

ΠKv = ΠK(v F) F−1,

wobeiF : Rn → Rn, Fx = Bx + b,

die bijektive affine Abbildung für die affine Äquivalenz zwischen den Elementen (K, PK, ΣK)und (K, PK, ΣK) bezeichnet.

Beweis. Es sei v ∈ dom(ΣK) mit v F ∈ dom(ΣK). Dann gilt nach Definition

ΠKv =N

∑i=1

φi(v)pi

mit der Basis piNi=1 ⊂ PK, definiert durch

φj(pi) = δij ∀i, j = 1, . . . , N.

Aus der Definition der affinen Äquivalenz ergibt sich

ΠKv =N

∑i=1

φi(v)pi =N

∑i=1

φi(v F)pi

und aus Lemma 5.37 ergibt sich

(ΠKv) F =N

∑i=1

φi(v F)pi F = ΠK(v F).

5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

In diesem Abschnitt wollen wir eine allgemeine Theorie zum Interpolationsfehlererarbeiten.

Satz 5.42 (Sobolev-Einbettungssatz I). Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet.Dann gilt für k ∈N∪ 0 und p ∈ [1, ∞]:

(i) Wk,p(Ω) → Lq(Ω) mit 1q = 1

p − kn , falls k < n

p .

(ii) Wk,p(Ω) → Lq(Ω) für alle q ∈ [1, ∞), falls k = np .

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

Beispiel 5.43. Es sei Ω ⊂ R3 ein beschränktes Lipschitzgebiet. Dann gilt

H1(Ω) → L6(Ω).

Somit existiert eine Konstante c = c(Ω) > 0 mit

‖u‖L6(Ω) ≤ c‖u‖H1(Ω) ∀u ∈ H1(Ω).

Es sei Ω ⊂ R2 ein beschränktes Lipschitzgebiet. Dann gilt

H1(Ω) → Lq(Ω) ∀q ∈ [1, ∞).

Somit existiert eine Konstante c = c(q, Ω) > 0 mit

‖u‖Lq(Ω) ≤ c‖u‖H1(Ω) ∀u ∈ H1(Ω).

Betrachten wir Ω = B1(0) ⊂ R2 und u(x) = log(

log(

4|x|))

,

−1 −0.5 0 0.5 1 −1

0

10

2

so giltH1(Ω) 6→ L∞(Ω).

Es sei Ω ⊂ R1 ein beschränktes Lipschitzgebiet. Dann gilt

H1(Ω) → C(Ω).

Definition 5.44. Es sei Ω ⊂ Rn offen und beschränkt. Der Raum aller Hölder-stetigenFunktionen zum Exponenten β ∈ (0, 1] ist wie folgt definiert:

C0,β(Ω) := y ∈ C(Ω) : ∃ c > 0 ∀x1, x2 ∈ Ω : |y(x1)− y(x2)| ≤ c‖x1 − x2‖β2.

Für k ∈N setzen wir

Ck,β(Ω) := y ∈ Ck(Ω) : Dαy ∈ C0,β(Ω) für alle Multiindizes α mit |α| = k.

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

Bemerkung 5.45. Zusammen mit der Norm

‖y‖Ck,β(Ω) := ‖y‖Ck(Ω) + max|α|=k

supx1,x2∈Ωx1 6=x2

|Dαy(x1)− Dαy(x2)|‖x1 − x2‖β

2

ist Ck,β(Ω) ein Banachraum.

Satz 5.46 (Sobolev-Einbettungssatz II). Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet.Dann gilt für k ∈N∪ 0 und p ∈ [1, ∞]:

(i) Wk,p(Ω) → C0,β(Ω) für β = k− np , falls n

p < k < np + 1.

(ii) Wk,p(Ω) → C0,β(Ω) für alle β ∈ [0, 1), falls k = np + 1.

(iii) Wk,p(Ω) → C0,1(Ω), falls k > np + 1.

Beispiel 5.47. Es sei Ω ⊂ R1 ein beschränktes Lipschitzgebiet. Dann gilt

H1(Ω) → C0, 12 (Ω) → C(Ω).

Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet mit p > n. Dann gilt

W1,p(Ω) → C(Ω).

Bemerkung 5.48. Der Beweis für die Sobolev-Einbettungssätze I und II sind im Buch[1] zu finden.

Definition 5.49 (Kompakte Menge im normierten Raum). Es sei X ein normierterRaum.

(i) Eine Menge U ⊂ X heißt kompakt, falls gilt:

∀yj∞j=1 ⊂ U ∃ yjk∞

k=1 ⊂ yj∞j=1 : lim

k→∞‖yjk − y‖X = 0 mit y ∈ U.

Diese Definition der kompakten Menge im normierten Raum ist äquivalent zurDefinition der Kompaktheit aus Analysis 2.

(ii) Eine Menge U ⊂ X heißt präkompakt, falls der Abschluss U (bzgl. der ‖·‖X-Norm)im normierten Raum X kompakt ist.

Definition 5.50. Es seien X, Y normierte Räume.

(i) Eine Abbildung A : X → Y heißt kompakt, falls für jede beschränkte MengeU ⊂ X die Menge A(U) ⊂ Y präkompakt ist (A(U) ⊂ Y ist kompakt).

(ii) Der Raum X ist in Y kompakt eingebettet, falls gilt:

(i) X ⊂ Y ist ein Unterraum.

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

(ii) Die Identitätsabbildung

Id : X → Y, Id x = x ∈ X ⊂ Y,

ist linear, stetig und kompakt.

Notation 5.51. Ist X in Y kompakt eingebettet, so schreiben wir

Xc→ Y.

Folgerung 5.52. Es seien X, Y normierte Räume mit Xc→ Y. Ist xj∞

j=1 ⊂ X einebeschränkte Folge, so besitzt xj∞

j=1 eine in Y konvergente Teilfolge:

∃ xjk∞k=1 ⊂ xj∞

j=1 : ∃ x ∈ Y : limk→∞‖xjk − x‖Y = 0.

Beweis. Laut Definition ist Id : X → Y kompakt. Somit ist

Id(U) ⊂ Y

kompakt mit U = xj∞j=1 ⊂ X, denn laut Annahme ist U beschränkt. Da xj∞

j=1 ⊂Id(U) ist, so folgt mit der Definition:

∃xjk∞k=1 ⊂ xj∞

j=1 : limj→∞‖xjk − x‖Y = 0 mit x ∈ Y.

Satz 5.53 (Rellich und Kondrachov). Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet. Danngilt für k ∈N∪ 0 und p ∈ [1, ∞]:

(i) Wk,p(Ω)c→ Lq(Ω) für alle q ∈ [1, q∗) mit 1

q∗ =1p − k

n , falls k < np .

(ii) Wk,p(Ω)c→ Lq(Ω) für alle q ∈ [1, ∞), falls k = n

p .

(iii) Wk,p(Ω)c→ C(Ω), falls k > n

p .

(iv) Wk+1,p(Ω)c→Wk,p(Ω).

Bemerkung 5.54. Die kompakte Einbettung Wk+1,p(Ω)c→ Wk,p(Ω) gilt bereits für

beschränktes und offenes Ω ⊂ Rn.

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

5.5.1. Bramble-Hilbert-Lemma (James Bramble und Stephen Hilbert)

Wir wollen nun eine fundamentale Abschätzung (Bramble-Hilbert-Lemma) beweisen.Dazu benötigen wir den Fortsetzungssatz von Hahn-Banach.Satz 5.55 (Hahn-Banach). Es sei U ein Unterraum eines normierten Raums X. Ist f ∈ U∗,so existiert eine Fortsetzung f ∈ X∗ mit

f (p) = f (p) ∀p ∈ U und ‖ f ‖X∗ = ‖ f ‖U∗ .

Satz 5.56 (Bramble-Hilbert-Lemma). Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet,k ∈N∪ 0 und p ∈ [1, ∞]. Dann existiert eine Konstante c > 0, so dass gilt:

∀v ∈Wk+1,p(Ω) : infy∈Pk(Ω)

‖v + y‖Wk+1,p(Ω) ≤ c|v|Wk+1,p(Ω)

mit der Seminorm

|v|Wm,p(Ω) =

(

∑|α|=m‖Dαv‖pLp(Ω)

) 1p , falls p ∈ [1, ∞),

max|α|=m‖Dαv‖L∞(Ω), falls p = ∞.

Beweis. Es sei fiNi=1 ⊂ Pk(Ω)∗ eine Basis des Dualraums von Pk(Ω). Nach dem Satz

von Hahn-Banach existiert zu jedem i = 1, . . . , N ein fi ∈Wk+1,p(Ω)∗ mit

fi(y) = fi(y) ∀y ∈ Pk(Ω).

Da fiNi=1 ⊂ Pk(Ω)∗ eine Basis ist, gilt die folgende Aussage:

∀i = 1, . . . , N : fi(y) = 0 für y ∈ Pk(Ω) ⇔ y = 0.

Wir zeigen nun: Es existiert eine Konstante c > 0 mit:

∀v ∈Wk+1,p(Ω) : ‖v‖Wk+1,p(Ω) ≤ c

(|v|Wk+1,p(Ω) +

N

∑i=1| fi(v)|

). (∗)

Die Behauptung folgt unmittelbar aus (∗): Ist v ∈Wk+1,p(Ω), so existiert ein q ∈ Pk(Ω)mit

fi(v + q) = 0 ∀i = 1, . . . , N.

(Wähle q = −∑Ni=1 fi(v)pi. Da piN

i=1 ⊂ Pk(Ω) Basis von Pk(Ω) ist, gilt f j(pi) = δij.)Die Ungleichung (∗) liefert dann

infy∈Pk(Ω)

‖v + y‖Wk+1,p(Ω) ≤ ‖v + q‖Wk+1,p(Ω)

(∗)≤ c

(|v + q|Wk+1,p(Ω) +

N

∑i=1| fi(v + q)|

)≤ c

(|v|Wk+1,p(Ω) + |q|Wk+1,p(Ω)

)= c|v|Wk+1,p(Ω).

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

Annahme: Ungleichung (∗) wäre falsch. Somit gilt:

∀j ∈N ∃ vj ∈Wk+1,p(Ω) : ‖vj‖Wk+1,p(Ω) > j

(|vj|Wk+1,p(Ω) +

N

∑i=1| fi(vj)|

).

Hieraus folgt vj 6≡ 0 für alle j ∈N. Somit gilt für vj :=vj

‖vj‖Wk+1,p(Ω)

:

‖vj‖Wk+1,p(Ω) = 1 ∀j ∈N und limj→∞|vj|Wk+1,p(Ω) +

N

∑i=1| f j(vj)| = 0, (∗∗)

denn es ist

1 =‖vj‖Wk+1,p(Ω)

‖vj‖Wk+1,p(Ω)

> j1

‖vj‖Wk+1,p(Ω)

(|vj|Wk+1,p(Ω) +

N

∑i=1| fi(vj)|

)

= j

(|vj|Wk+1,p(Ω) +

N

∑i=1| fi(vj)|

)∀j ∈N.

Da vj∞j=1 ⊂Wk+1,p(Ω) beschränkt ist, so liefert die kompakte Einbettung

Wk+1,p(Ω)c→Wk,p(Ω)

die Existenz einer in Wk,p(Ω) konvergenten Teilfolge von vj∞j=1, das heißt:

∃vjl∞l=1 ⊂ vj∞

j=1 : liml→∞‖vjl − v‖Wk,p(Ω) = 0 mit v ∈Wk,p(Ω).

Aus (∗∗) wissen wir auch

liml→∞‖Dαvjl‖Lp(Ω) = 0 ∀|α| = k + 1.

Somit giltliml→∞‖vjl − v‖Wk+1,p(Ω) = 0

mit Dαv ≡ 0 für alle Multiindizes α mit |α| = k + 1. Da Ω ⊂ Rn zusammenhängendist, so gilt

Dαv ≡ Konst ∀|α| = k.

Somit ist v ∈ Pk(Ω). Andererseits gilt aus (∗∗)

liml→∞

N

∑i=1| fi(vjl)| = 0.

Mit fi ∈Wk+1,p(Ω)∗ und vjl → v in Wk+1,p(Ω) folgt

fi(v) = 0 ∀i = 1, . . . , N

und mit v ∈ Pk(Ω) folgt v = 0. Das steht im Widerspruch zu ‖vj‖Wk+1,p(Ω) = 1 für allej ∈N und wir erhalten insgesamt die Aussage.

89

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

Bemerkung 5.57. Die Konstante c > 0 im Bramble-Hilbert-Lemma

infy∈Pk(Ω)

‖v + y‖Wk+1,p(Ω) ≤ c|v|Wk+1,p(Ω) ∀v ∈Wk+1,p(Ω)

hängt lediglich von Ω, k und p (aber nicht von v) ab.

Definition 5.58 (Quotientenraum Wk+1,p(Ω)/Pk(Ω)). Sei Ω ⊂ Rn ein beschränktesLipschitzgebiet, k ∈N∪ 0, sowie p ∈ [1, ∞]. Für jedes v ∈Wk+1,p(Ω) definieren wirdie Äquivalenzklasse

[v] := v +Pk(Ω) = v + y : y ∈ Pk(Ω).

Der Quotientenraum Wk+1,p(Ω)/Pk(Ω) ist wie folgt definiert:

Wk+1,p(Ω)/Pk(Ω) := [v] : v ∈Wk+1,p(Ω)

versehen mit der Norm

‖[v]‖Wk+1,p(Ω)/Pk(Ω) := infy∈Pk(Ω)

‖v + y‖Wk+1,p(Ω).

Der Quotientenraum Wk+1,p(Ω)/Pk(Ω) ist ein Banachraum.

Korollar 5.59. Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet, k ∈ N ∪ 0, sowie p ∈[1, ∞]. Dann definiert die Wk+1,p(Ω)-Seminorm

|v|Wk+1,p(Ω) =

(

∑|α|=k+1‖Dαv‖pLp(Ω)

) 1p , falls p ∈ [1, ∞),

max|α|=k+1‖Dαv‖L∞(Ω), falls p = ∞

eine Norm auf Wk+1,p(Ω)/Pk(Ω).

Beweis. Es gilt|w|Wk+1,p(Ω) ≤ ‖w‖Wk+1,p(Ω) ∀w ∈Wk+1,p(Ω).

Daraus folgt

|v|Wk+1,p(Ω) = |v + y|Wk+1,p(Ω) ∀y ∈ Pk(Ω)

≤ ‖v + y‖Wk+1,p(Ω) ∀y ∈ Pk(Ω).

Somit gilt insgesamt

|v|Wk+1,p(Ω) ≤ infy∈Pk(Ω)

‖v + y‖Wk+1,p(Ω)

= ‖[v]‖Wk+1,p(Ω)

≤ c(Ω, k, p)|v|Wk+1,p(Ω) ∀v ∈Wk+1,p(Ω).

90

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

5.5.2. Fehleranalyse für polynominvariante Operatoren

Definition 5.60. Zwei offene Mengen Ω, Ω ⊂ Rn heißen affin-äquivalent, falls einebijektive und affine Abbildung

F : Rn → Rn, Fx = Bx + b, B ∈ Rn×n, b ∈ Rn,

existiert mitΩ = F(Ω).

Satz 5.61. Seien Ω, Ω ⊂ Rn zwei affin-äquivalente beschränkte Lipschitzgebiete, k ∈N∪0,sowie p ∈ [1, ∞). Dann gilt

v ∈Wk,p(Ω) ⇒ v := v F ∈Wk,p(Ω).

(Mit F : Rn → Rn eine affine und bijektive Abbildung, Fx = Bx + b, Ω = F(Ω)). Fernerexistiert eine Konstante c = c(k, n) > 0, so dass gilt

|v|Wk,p(Ω) ≤ c‖B‖k2 |det(B)|−

1p |v|Wk,p(Ω) ∀v ∈Wk,p(Ω), (∗)

|v|Wk,p(Ω) ≤ c‖B−1‖k2 |det(B)|

1p |v|Wk,p(Ω) ∀v ∈Wk,p(Ω).

Beweis. Wir zeigen die Aussage zunächst für v ∈ Ck(Ω). Somit gilt

v = v F ∈ Ck(Ω),

denn F ∈ C∞(Rn). Nach Definition der Richtungsableitung gilt für jeden Multiindex α

mit |α| = k:|Dαv(x)| ≤ ‖v(k)(x)‖,

wobei v(k)(x) die k-te Ableitung von v an der Stelle x und

‖v(x)‖ = sup‖ξ‖2=1

|v(k)(x)(ξ1, . . . , ξk)|

bezeichnet. Folglich gilt

|v|Wk,p(Ω) =

∫Ω

∑|α|=k|Dαv(x)|p dx

1p

≤ c1(k, n)(∫

Ω‖v(k)(x)‖p dx

) 1p

mit c1(k, n) > 0. Verwenden wir die Kettenregel, so erhalten wir

v(k)(x)(ξ1, . . . , ξk) = (v F)(k)(x)(ξ1, . . . , ξk)

= v(k)(Fx)(Bξ1, . . . , Bξk)

= v(k)(x)(Bξ1, . . . , Bξk)

91

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

mit x = Fx. Hieraus folgt

‖v(k)(x)‖ ≤ ‖v(k)(x)‖‖B‖k2.

Somit gilt

|v|Wk,p(Ω) ≤ c1(k, n)(∫

F−1(Ω)‖v(k)(Fx)‖p dx

) 1p‖B‖k

2

= c1(k, n)(∫

Ω‖v(k)(x)‖p |det(B−1)|dx

) 1p‖B‖k

2

= c1(k, n)‖B‖k2 |det(B)|−

1p

(∫Ω‖v(k)(x)‖p dx

) 1p

≤ c2(k, n)‖B‖k2 |det(B)|−

1p

∫Ω

∑|α|=k|Dαv(x)|p dx

1p

= c2(k, n)‖B‖k2 |det(B)|−

1p |v|Wk,p(Ω)

mit c2(k, n) > 0, wobei wir im zweiten Schritt den Transformationssatz aus Analysis 3verwendet haben. Insgesamt gilt

|v|Wk,p(Ω)≤ c2(k, n)‖B‖k2 |det(B)|−

1p |v|Wk,p(Ω) ∀v ∈ Ck(Ω) mit v = v F ∈ Ck(Ω).

(∗∗)Wir betrachten den Operator

G : Ck(Ω)→Wk,p(Ω), v 7→ v F.

Da F affin ist, ist G ebenso affin. Ferner ist G beschränkt bzgl. ‖·‖Wk,p(Ω) und bzgl.‖·‖Wk,p(Ω) aufgrund von (∗∗), denn laut (∗∗) gilt

‖Gv‖Wk,p(Ω) ≤ c‖v‖Wk,p(Ω) ∀v ∈ Ck(Ω)

mit einer von v unabhängigen Konstanten c > 0. Aus diesem Grund und wegen derDichtheit

Ck(Ω) = Wk,p(Ω) (C∞(Ω) = Wk,p(Ω))

besitzt G eine eindeutige beschränkte und affine Fortsetzung

G : Wk,p(Ω)→Wk,p(Ω).

Sei nun v ∈Wk,p(Ω). Dann existiert eine Folge vj∞j=1 ⊂ Ck(Ω) mit

limj→∞‖vj − v‖Wk,p(Ω) = 0 und lim

j→∞‖vj − v‖Wk,p(Ω) = 0, (∗∗∗)

92

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

wobei der letzte Grenzübergang aus der Stetigkeit von G folgt. Aus (∗∗) gilt auch

|vj|Wk,p(Ω) ≤ c2(k, n)‖B‖k2 |det(B)|−

1p |vj|Wk,p(Ω) ∀j ∈N.

Zusammen mit (∗∗∗) erhalten wir beim Grenzfall j→ ∞:

|v|Wk,p(Ω) ≤ c2(k, n)‖B‖k2 |det(B)|−

1p |v|Wk,p(Ω) ∀v ∈Wk,p(Ω).

Korollar 5.62. Seien Ω, Ω ⊂ Rn zwei affin-äquivalente beschränkte Lipschitzgebiete, k ∈N∪ 0, sowie p ∈ [1, ∞]. Dann gilt

v ∈Wk,p(Ω) ⇒ v := v F ∈Wk,p(Ω).

(Mit F : Rn → Rn eine affine und bijektive Abbildung, Fx = Bx + b, Ω = F(Ω)). Fernerexistiert eine Konstante c = c(k, n) > 0, so dass gilt

|v|Wk,p(Ω) ≤ c‖B‖k2 |det(B)|−

1p |v|Wk,p(Ω) ∀v ∈Wk,p(Ω),

|v|Wk,p(Ω) ≤ c‖B−1‖k2 |det(B)|

1p |v|Wk,p(Ω) ∀v ∈Wk,p(Ω).

Bemerkung 5.63. Für p < ∞ haben wir die obige Aussage im vorherigen Satz bereitsbewiesen. Hierzu haben wir die Dichtheit C∞(Ω) = Wk,p(Ω) angewendet. Für p = ∞gilt diese Dichtheit nicht.

Beweis. Es sei p = ∞ und v ∈ Wk,∞(Ω). Da Ω beschränkt ist, ist v ∈ Wk,p(Ω) für allep ∈ [1, ∞), so dass wir den vorherigen Satz anwenden dürfen:

v := v F ∈Wk,p(Ω),

|v|Wk,p(Ω) ≤ c‖B‖k2 |det(B)|−

1p |v|Wk,p(Ω) ∀v ∈Wk,p(Ω)

für alle p ∈ [1, ∞). Da Wk,p(Ω) →Wm,p(Ω) für alle m = 0, . . . , k gilt, so haben wir

|v|Wm,p(Ω) ≤ c(m, n)‖B‖m2 |det(B)|−

1p |v|Wm,p(Ω) ∀v ∈Wk,p(Ω) (∗)

für alle m = 0, . . . , k und p ∈ [1, ∞). Somit gilt

‖v‖Wk,p(Ω) ≤ c(

maxm=0,...,k

‖B‖m2

)(sup

p∈[1,∞)

|det(B)|−1p

)‖v‖Wk,p(Ω) ∀v ∈Wk,p(Ω)

≤ K

für alle p ∈ [1, ∞). Hieraus ergibt sich (nach Satz 2.13 (iii))

v ∈Wk,∞(Ω).

93

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

Mit (∗) und Satz 2.13 (ii) folgt

|v|Wk,∞(Ω) = limp→∞|v|Wk,p(Ω) ≤ lim

p→∞c(k, n)‖B‖k

2 |det(B)|−1p |v|Wk,p(Ω)

= c(k, n)‖B‖k2 lim

p→∞|v|Wk,p(Ω)

= c(k, n)‖B‖k2|v|Wk,∞(Ω) ∀v ∈Wk,∞(Ω).

Mit der obigen Abschätzung können wir eine wichtige Abschätzung für polynomin-variante Operatoren (Pk(Ω)-invariante Operatoren) zeigen. Dazu verwenden wir diefolgende Notationen:

h = diam(Ω) = sup‖x− y‖2 : x, y ∈ Ω,h = diam(Ω) = sup‖x− y‖2 : x, y ∈ Ω,ρ = supdiam(S) : S ⊂ Rn ist eine Kugel in Ω,ρ = supdiam(S) : S ⊂ Rn ist eine Kugel in Ω.

h

ρ

Ω

Satz 5.64. Es seien Ω, Ω ⊂ Rn zwei offene affin-äquivalente beschränkte Mengen mit derinvertierbaren Abbildung

F : Rn → Rn, Fx = Bx + b, B ∈ Rn×n, b ∈ Rn, Ω = F(Ω).

Dann gilt

‖B‖2 ≤hρ

und ‖B−1‖2 ≤hρ

.

Beweis. Es gilt

‖B‖2 = sup‖ξ‖2=1

‖Bξ‖2 =1ρ

sup‖ξ‖2=ρ

‖Bξ‖2.

Es sei ξ ∈ Rn mit ‖ξ‖2 = ρ. Dann gibt es x, y ∈ Ω mit

x− y = ξ,

94

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

denn ‖ξ‖2 = ρ = supdiam(S) : S ⊂ Rn ist eine Kugel in Ω. Nun gilt

‖Bξ‖2 = ‖F(x)− F(y)‖2 ≤ h.

Somit ergibt sich

‖B‖2 ≤1ρ

sup‖ξ‖2=ρ

‖Bξ‖2 ≤hρ

.

Die andere Abschätzung zeigt man analog.

Definition 5.65 (Pk(Ω)-invarianter Operator). Es sei Ω ⊂ Rn und X, Y normierteRäume sowie k ∈N∪ 0. Ein Operator Φ : X → Y heißt Pk(Ω)-invariant, falls gilt:

(i) Pk(Ω) ⊂ X,

(ii) Φ(p) = p ∀p ∈ Pk(Ω).

Beispiel 5.66. Es sei K = convajn+1j=1 ⊂ Rn ein n-Simplex und (K,P1(K), ΣK) ein

lineares finites Element. Dann ist der P1(K)-Interpolationsoperator

ΠK : C(K)→ P1(K), ΠKv =n+1

∑i=1

v(ai)pi,

(mit der Basis pin+1i=1 , definiert durch pi(aj) = δij ∀i, j = 1, . . . , n + 1) P1(K)-

invariant, denn es gilt P1(K) ⊂ C(K) und ΠK p = p für alle p ∈ P1(K).Analog ist der Pm(K)-Interpolationsoperator Pm(K)-invariant.

Satz 5.67. Es sei Ω ⊂ Rn ein beschränktes Lipschitzgebiet und k, m ∈ N ∪ 0 sowiep, q ∈ [1, ∞], so dass

Wk+1,p(Ω) →Wm,q(Ω).

Ferner sei Φ : Wk+1,p(Ω) → Wm,q(Ω) ein linearer, beschränkter und Pk(Ω)-invarianterOperator, das heißt,

Φ( p) = p ∀ p ∈ Pk(Ω).

Für jedes beschränkte Lipschitzgebiet Ω ⊂ Rn, das zu Ω affin-äquivalent ist, definieren wirden Operator

ΦΩ : Wk+1,p(Ω)→Wm,q(Ω), ΦΩ(v) = (Φ(v F)) F−1.

Dann existiert eine Konstante c = c(Φ, Ω, k, m, p, q, n) > 0, so dass für alle zu Ω affin-äquivalenten Lipschitzgebiete Ω gilt

|v−ΦΩ(v)|Wm,q(Ω) ≤ c|Ω|1q− 1

phk+1

ρm |v|Wk+1,p(Ω) ∀v ∈Wk+1,p(Ω).

95

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

Beweis. Laut Annahme ist Φ PK(Ω)-invariant und somit gilt

v− Φ(v) = v− Φ(v) + p− Φ( p)

= (Id−Φ)(v + p) ∀v ∈Wk+1,p(Ω) ∀ p ∈ Pk(Ω),

wobei Id : Wk+1,p(Ω)→ Wm,q(Ω) die Identitätsabbildung bezeichnet. Aufgrund derstetigen Einbettung Wk+1,p(Ω) →Wm,q(Ω) ist Id : Wk+1,p(Ω)→Wm,q(Ω) beschränkt(stetig). Demzufolge gilt

‖v− Φ(v)‖Wm,q(Ω) = ‖(Id−Φ)(v + p)‖Wm,q(Ω)

≤ c(Φ, Ω, k, m, p, q)‖v + p‖Wk+1,q(Ω) ∀v ∈Wk+1,p(Ω) ∀ p ∈ Pk(Ω).

Folglich gilt

‖v− Φ(v)‖Wm,q(Ω) ≤ c(Φ, Ω, k, m, p, q) infp∈PK(Ω)

‖v + p‖Wk+1,p(Ω)

Lemma 5.56≤ c|v|Wk+1,p(Ω) ∀v ∈Wk+1,p(Ω), (∗)

wobei c = c(Φ, Ω, k, m, p, q) > 0 eine von v unabhängige Konstante ist. Andererseitsgilt für v = v F mit v ∈Wk+1,p(Ω):

v− Φ(v)︸ ︷︷ ︸=:w∈Wm,q(Ω)

= v F− Φ(v F) = (v−ΦΩ(v))︸ ︷︷ ︸=:w∈Wm,q(Ω)

F,

so dass das vorherige Korollar 5.62 (mit v = w bzw. v = w) liefert für alle v ∈Wk+1,p(Ω):

|v−ΦΩ(v)|Wm,q(Ω) ≤ c(m, n)‖B−1‖m2 |det(B)|

1q |v− Φ(v)|Wm,q(Ω)

(∗)≤ c‖B−1‖m

2 |det(B)|1q |v|Wk+1,p(Ω)

Lemma 5.56≤ c‖B−1‖m

2 |det(B)|1q ‖B‖k+1

2 |det(B)|−1p |v|Wk+1,p(Ω).

Daraus ergibt sich

|v−ΦΩ(v)|Wm,q(Ω) ≤ c‖B−1‖m2 ‖B‖k+1

2 |det(B)|1q− 1

p |v|Wk+1,p(Ω) ∀v ∈Wk+1,p(Ω)

mit c = c(Φ, Ω, k, m, p, q, n) > 0. Darüber hinaus gilt nach Satz 5.64

‖B‖2 ≤hρ

und ‖B−1‖2 ≤hρ

.

Hieraus ergibt sich

|v−ΦΩ(v)|Wm,q(Ω) ≤ chk+1

ρm |det(B)|1q− 1

p |v|Wk+1,p(Ω) ∀v ∈Wk+1,p(Ω).

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

Der Term |det(B)|1q− 1

p lässt sich mit dem Transformationssatz wie folgt abschätzen:

|Ω| =∫

Ω1 dx =

∫F(Ω)

1 dx =∫

Ω|det(B)|dx = |det(B)||Ω|.

Somit ist

|det(B)| = |Ω||Ω| .

Es gilt also

|v−ΦΩ(v)|Wm,q(Ω) ≤ chk+1

ρm |Ω|1q− 1

p |v|Wk+1,p(Ω) ∀v ∈Wk+1,p(Ω)

mit einer von v und Ω unabhängigen Konstanten c = c(Φ, Ω, k, m, p, q, n) > 0.

5.5.3. Anwendung auf Interpolationsoperatoren von finitenElementen

Sind zwei unisolvente finite Elemente (K, PK, ΣK) und (K, PK, ΣK) affin-äquivalent, sogilt

ΠK(v) = ΠK(v F) F−1 (K = F(K)) (∗)für alle v ∈ dom(ΣK) mit v F ∈ dom(ΣK). Hierbei bezeichnen

ΠK : dom(ΣK)→ PK bzw. ΠK : dom(ΣK)→ PK

die Interpolationsoperatoren von (K, PK, ΣK) bzw. (K, PK, ΣK). Wählen wir Φ = ΠKund ΦΩ = ΠK, so lässt sich aufgrund von (∗) der im vorherigen Abschnitt bewieseneSatz 5.67 anwenden. Genauer wenden wir den Satz exemplarisch auf lineare finiteElemente an. Dazu wählen wir das lineare finite Referenzelement

K = convajn+1j=1 ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, a1 = 0, aj+1 = ej ∀j = 1, . . . , n.

Illustration in 3D:

(0, 0, 0) (1, 0, 0)

(0, 1, 0)

(0, 0, 1)

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

Ferner ist

PK = P1(K),

ΣK = φj : C(K)→ R, j = 1, . . . , n + 1 : φj(p) = p(aj) ∀j = 1, . . . , n + 1.Der P1(K)-Interpolationsoperator ist wie folgt definiert:

ΠK : C(K)→ P1(K), ΠKv =n+1

∑j=1

v(aj) pj,

mit der Basis pjn+1j=1 ⊂ P1(K), definiert durch

pj(ai) = δij ∀i, j = 1, . . . , n + 1.

Wir wenden nun den Satz 5.67 mit p = q = 2, k = 1, 0 ≤ m ≤ 2, Ω = K und

Φ = ΠK : H2(K)→ Hm(K)

an. Beachte, dass H2(K) → C(K) für n ∈ 1, 2, 3 gilt. Somit haben wir

ΠK : H2(K) ⊂ C(K)→ P1(K) ⊂ Hm(K).

Wir müssen zeigen, dass ΠK : H2(K)→ Hm(K) linear, beschränkt und P1(K)-invariantist. Es bleibt nur noch die Beschränktheit nachzuweisen. Dazu sei v ∈ H2(K). Danngilt laut Definition

‖ΠKv‖Hm(K) =

∥∥∥∥∥n+1

∑i=1

v(ai) pi

∥∥∥∥∥Hm(K)

≤n+1

∑i=1|v(ai)|‖ pi‖Hm(K)

≤(

maxi=1,...,n+1

‖ pi‖Hm(K)

)(n + 1)‖v‖C(K)

≤(

maxi=1,...,n+1

‖ pi‖Hm(K)

)(n + 1)c‖v‖H2(K)

=: K‖v‖H2(K),

wobei wir die stetige Einbettung H2(Ω) → C(Ω) angewendet haben. Beachte, dassH2(Ω) → C(Ω) für n ≥ 4 nicht mehr gilt. Insgesamt ist ΠK : H2(Ω) → Hm(Ω)(m ∈ 0, 1, 2) linear, beschränkt und P1(K)-invariant. Zusammen mit (∗) sehen wir,dass die Voraussetzungen des im vorherigen Abschnittes bewiesen Satzes 5.67 erfülltsind. Somit erhalten wir für jedes lineare finite Element (K,P1(K), ΣK) mit einemn-Simplex K = convajn+1

j=1 ⊂ Rn die folgende Abschätzung:

|v−ΠKv|Hm(K) ≤ c(m, n)h2

Kρm

K|v|H2(K) ∀v ∈ H2(K).

Hierbei bezeichnet ΠKv = ∑n+1j=1 v(aj)pj den P1(K)-Interpolationsoperator, und

hK = diam(K),ρK = supdiam(S) : S ⊂ Rnist eine Kugel in K.

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

Korollar 5.68. Es sei K = convajn+1j=1 ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, ein n-Simplex, m ∈ 0, 1, 2.

Dann gilt für den P1(K)-Interpolationsoperator

|v−ΠKv|Hm(K) ≤ c(m, n)h2

Kρm

K|v|H2(K) ∀v ∈ H2(K)

mit einer von v und K unabhängigen Konstanten c(m, n) > 0.

5.5.4. Anwendung auf den Finiten-Elemente-Raum aller stetigenund stückweise linearen Funktionen

Definition 5.69. Es sei Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, mit den Eigenschaften (G1) - (G3). Fernersei Th eine zulässige Triangulierung von Ω. Für jedes Element K ∈ Th setzen wir

hK = diam(K),ρK = supdiam(S) : S ⊂ Rnist eine Kugel in K,

h = maxK∈Th

hK.

Die Triangulierung heißt:

(i) quasiuniform (regulär), falls gilt:

∃ σ > 0 ∀K ∈ Th :hK

ρK≤ σ;

(ii) uniform, falls gilt:

∃ σ > 0 ∀K ∈ Th :h

ρK≤ σ.

Im Folgenden sei Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, mit den Eigenschaften (G1) - (G3) und Th seieine zulässige und quasiuniforme Triangulierung von Ω. Wir betrachten den Raumaller stetigen und stückweise linearen Funktionen

Vh = vh ∈ C(Ω) : vh|K ∈ P1(K) ∀K ∈ Th.

MitNh := aj ∈ Ω, j = 1, . . . , Mh

bezeichnen wir die Menge aller paarweise verschiedenen Knotenpunkte (Nodalpunkte),das heißt,

∀K ∈ Th ∃ ajn+1j=1 ⊂ Nh : K = convajn+1

j=1 .

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

∈ Nh

Ferner bezeichnet

Σh = φhj : C(Ω)→ R, j = 1, . . . , Mh : φhj(v) = v(aj) ∀j = 1, . . . , Mh

die Menge aller globalen Freiheitsgrade (Knotenfunktionale). Mit phjMhj=1 bezeichnen

wir die (Nodal-) Basis von Vh, definiert durch

φhi(phj) = δij ∀i, j = 1, . . . , Mh ⇔ phj(ai) = δij ∀i, j = 1, . . . , Mh.

Wir definieren den (globalen) Vh-Interpolationsoperator wie folgt:

Πh : C(Ω)→ Vh, Πhv =Mh

∑j=1

v(aj)phj.

Offenbar gilt(Πhv)|K = ΠKv ∀K ∈ Th ∀v ∈ C(Ω),

wobei ΠK : C(K)→ P1(K) den P1(K)-Interpolationsoperator bezeichnet.Bemerkung 5.70. Der Finite-Elemente-Raum

Vh = vh ∈ C(Ω) : vh|K ∈ P1(K) ∀K ∈ Th

ist eindeutig durch die Knotenpunkte (Nodalpunkte) festgelegt. Deshalb heißt Vh auchNodal-Finite-Elemente-Raum (Lagrangescher Finite-Elemente-Raum).

Satz 5.71. Es sei Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, mit den Eigenschaften (G1) - (G3). Ferner sei Theine zulässige und quasiuniforme Triangulierung von Ω sowie

Vh = vh ∈ C(Ω) : vh|K ∈ P1(K) ∀K ∈ Th.

Dann existiert eine Konstante c = c(m, n, σ) > 0, so dass gilt

|v−Πhv|Hm(Ω) ≤ ch2−m|v|H2(Ω) ∀v ∈ H2(Ω)

für m ∈ 0, 1.

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5.5. Interpolationstheorie im Sobolevraum

Beweis. Es sei v ∈ H2(Ω) und m ∈ 0, 1. Dann gilt

|v−Πhv|Hm(Ω) =

(∑

K∈Th

|v−Πhv|2Hm(K)

) 12

=

(∑

K∈Th

|v−ΠKv|2Hm(K)

) 12

≤(

∑K∈Th

c(m, n)h4

Kρ2m

K|v|2H2(K)

) 12

=

(∑

K∈Th

c(m, n)(

hK

ρK

)2m

h2(2−m)K |v|2H2(K)

) 12

≤(

∑K∈Th

c(m, n)σ2mh2(2−m)K |v|2H2(K)

) 12

≤ c(m, n)σmh2−m

(∑

K∈Th

|v|2H2(K)

) 12

= c(m, n, σ)h2−m|v|H2(Ω) ∀v ∈ H2(Ω).

Korollar 5.72. Es sei Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, mit den Eigenschaften (G1) - (G3). Ferner seiTh eine zulässige und quasiuniforme Triangulierung von Ω,

Vh = vh ∈ C(Ω) : vh|K ∈ P1(K) ∀K ∈ Th,

sowie h ∈ (0, 1]. Dann existiert eine Konstante c = c(n, σ) > 0 mit

‖v−Πhv‖L2(Ω) ≤ ch2|v|H2(Ω) ∀v ∈ H2(Ω) ∀h ∈ R+,

‖v−Πhv‖H1(Ω) ≤ ch|v|H2(Ω) ∀v ∈ H2(Ω) ∀h ∈ (0, 1].

Beweis. Wir haben bereits gezeigt, dass es Konstanten c1(n, σ), c2(n, σ) > 0 gibt mit

‖v−Πhv‖L2(Ω) ≤ c1(n, σ)h2|v|H2(Ω) ∀v ∈ H2(Ω) ∀h ∈ R+,

‖∇v−∇Πhv‖L2(Ω) ≤ c2(n, σ)h|v|H2(Ω) ∀v ∈ H2(Ω) ∀h ∈ R+.

Hieraus ergibt sich für h ∈ (0, 1]

‖v−Πhv‖H1(Ω) =(‖v−Πhv‖2

L2(Ω) + ‖∇v−∇Πhv‖2L2(Ω)

) 12

≤ (c21h4|v|2H2(Ω) + c2

2h2|v|2H2(Ω))12

≤(

2 maxc1, c22h2|v|2H2(Ω)

) 12

=√

2 maxc1, c2h|v|H2(Ω) ∀v ∈ H2(Ω).

101

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Kapitel 6Finite-Elemente-Methode für

lineare elliptische

Variationsprobleme

Im Folgenden sei Ω ⊂ Rn, n ∈ 1, 2, 3, mit den Eigenschaften (G1) - (G3). Fernersei Th eine zulässige und quasiuniforme Triangulierung von Ω mit h ∈ (0, 1]. Wirdefinieren die Finite-Elemente-Räume

Vh := vh ∈ C(Ω) : vh|K ∈ P1(K) ∀K ∈ Th ⊂ H1(Ω),

V0h := vh ∈ Vh : vh(x) = 0 ∀x ∈ ∂Ω ⊂ H10(Ω).

Wir betrachten die Poisson-Gleichung−∆u = f in Ω,

u = 0 auf ∂Ω

mit einer vorgegebenen Funktion f ∈ L2(Ω). Die Variationsformulierung lautet: Findeu ∈ H1

0(Ω), so dass gilta(u, v) = Ff (v) ∀v ∈ H1

0(Ω) (P)

mit einer beschränkten und koerzitiven Bilinearform

a : H10(Ω)× H1

0(Ω)→ R, a(u, v) :=∫

Ω∇u · ∇v dx

und einem beschränkten und linearen Funktional

Ff : H10(Ω)→ R, Ff (v) :=

∫Ω

f v dx.

Das Lemma von Lax-Milgram liefert die Existenz einer eindeutigen Lösung u ∈ H10(Ω)

von (P). Wir untersuchen die numerische Lösung von (P) mittels der Finite-Elemente-Methode: Finde uh ∈ V0h, so dass gilt

a(uh, vh) = Ff (vh) ∀vh ∈ V0h. (Ph)

103

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6.1. Konvergenz und Fehlerabschätzungen

Es handelt sich also um ein Galerkin-Verfahren mit H10(Ω)-konformen Finite-Elemente-

Räumen. Das Lemma von Lax-Milgram liefert ebenso die Existenz einer eindeutigenLösung uh ∈ V0h für die Aufgabe (Ph). Aus dem Lemma von Céa gilt

‖u− uh‖H1(Ω) ≤ c(Ω) infvh∈V0h

‖u− vh‖H1(Ω)

mit einer von Ω abhängigen Konstanten c(Ω) > 0.

6.1. Konvergenz und Fehlerabschätzungen

Im Folgenden bezeichnen wir mit

Πh : C(Ω)→ Vh, Πhv =Mh

∑i=1

v(ai)phi

den Vh-Interpolationsoperator. Hierbei sind ai ∈ Nh Knotenpunkte (Nodalpunkte)sowie phiMh

i=1 ⊂ Vh die Nodalbasis von Nh, definiert durch

phi(aj) = δij ∀i, j = 1, . . . , Mh, aj ∈ Nh.

Satz 6.1 (Konvergenz). Es gilt

limh→0‖u− uh‖H1(Ω) = 0.

Beweis. Es sei ε > 0. Da laut Definition C∞0 (Ω) dicht in H1

0(Ω) ist, so gibt es einz ∈ C∞

0 (Ω) mit

‖u− z‖H1(Ω) ≤ε

2c(Ω)−1 (∗)

mit der aus dem Lemma von Céa definierten Konstanten c(Ω) > 0. Aus der Eigenschaftdes Vh-Interpolationsoperators gilt

‖v−Πhv‖H1(Ω) ≤ c(n, σ)h|v|H2(Ω) ∀v ∈ H2(Ω)

mit einer festen Konstanten c(n, σ) > 0. Demzufolge finden wir ein h(ε) > 0, so dassfür alle h ∈ (0, h(ε)] gilt

‖z−Πhz‖H1(Ω) ≤ε

2c(Ω)−1. (∗∗)

Kombinieren wir (∗) und (∗∗) zusammen mit dem Lemma von Céa, so erhalten wir

‖u− uh‖H1(Ω) ≤ c(Ω) infvh∈V0h

‖u− vh‖H1(Ω)

≤ c(Ω)‖u−Πhz‖H1(Ω)

≤ c(Ω)(‖u− z‖H1(Ω) + ‖z−Πhz‖H1(Ω)

)≤ ε ∀h ∈ (0, h(ε)].

104

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6.1. Konvergenz und Fehlerabschätzungen

Satz 6.2 (Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der H1(Ω)-Norm). Die Lösung u von (P)erfülle u ∈ H2(Ω) ∩ H1

0(Ω). Dann existiert eine Konstante c = c(Ω, n, σ) > 0, so dass gilt

‖u− uh‖H1(Ω) ≤ ch|u|H2(Ω) ∀h ∈ (0, 1].

Beweis. Die Aussage folgt unmittelbar aus dem Lemma von Céa sowie der Fehlerab-schätzung für den Vh-Interpolationsoperator Πh:

‖u− uh‖H1(Ω) ≤ c(Ω) infvh∈V0h

‖u− vh‖H1(Ω)

≤ c(Ω, n, σ)h|u|H2(Ω) ∀h ∈ (0, 1].

Bemerkung 6.3. Ist Ω zusätzlich konvex, so erfüllt die Lösung des Variationsproblems(P) die höhere Regularität u ∈ H2(Ω) ∩ H1

0(Ω).

Satz 6.4. Es sei G ⊂ Rn ein beschränktes Gebiet, welches konvex oder C1,1 ist. Dann besitztdie Poisson-Gleichung

−∆y = f in G,y = 0 auf ∂G

zu jedem f ∈ L2(G) genau eine schwache Lösung y ∈ H2(G) ∩ H10(G). Die Abbildung

f 7→ y, L2(G)→ H2(G) ∩ H10(G)

ist linear, stetig und bijektiv.

Beweis. Für den Beweis des Satzes verweisen wir auf Grisvard [4].

Korollar 6.5. Ist G ⊂ Rn ein beschränktes Gebiet, welches konvex oder C1,1 ist, dann gilt

‖y‖H2(G) ≤ c(G)‖∆y‖L2(G)

= c(G)

∫G

∣∣∣∣∣ n

∑j=1

D2j y

∣∣∣∣∣2

dy

12

∀y ∈ H2(G) ∩ H10(G).

Beweis. Laut Grisvard [4] gilt

‖y‖H2(G) ≤ c(G)‖ f ‖L2(G) = c(G)‖∆y‖L2(G) ∀y ∈ H2(G) ∩ H10(G).

105

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6.2. Aubin-Nitsche-Lemma

6.2. Aubin-Nitsche-Lemma

Unser Ziel ist es, eine Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L2(Ω)-Norm herzuleiten.Dazu verwenden wir den Dualitätstrick (Aubin-Nitsche-Lemma, Nitsche-Trick). Hierzubetrachten wir ein allgemeineres Problem. Es seien H, (·, ·)H und V, (·, ·)V reelleHilberträume mit

V → H und V‖·‖H = H.

Für jedes f ∈ H definieren wir das Funktional

Ff : V → R, Ff (v) = ( f , v)H.

Offenbar ist Ff linear. Ferner gilt

|Ff (v)| = |( f , v)H| ≤ ‖ f ‖H‖v‖H ≤ c‖ f ‖H‖v‖V ∀v ∈ V.

Somit ist Ff ∈ V∗. Beachte, dass die Abbildung

f 7→ Ff , H → V∗

injektiv ist, denn es gilt

Ff (v) = 0 ∀v ∈ V ⇔ ( f , v)H = 0 ∀v ∈ V ⇔ ( f , v)H = 0 ∀v ∈ H

⇔ f = 0.

Satz 6.6 (Aubin-Nitsche-Lemma). Es seien H, (·, ·)H und V, (·, ·)V reelle Hilberträu-me mit

V → H und V‖·‖H = H.

Ferner sei a : V × V → R eine beschränkte und koerzitive Bilinearform, Vh ⊂ V einendlichdimensionaler Unterraum und f ∈ H. Dann gilt für die Lösungen von

a(u, v) = Ff (v) ∀v ∈ V,

a(uh, vh) = Ff (vh) ∀vh ∈ Vh

die folgende Abschätzung:

‖u− uh‖H ≤ M‖u− uh‖V

(sup

g∈H\0

1‖g‖H

infvh∈Vh

‖w(g)− vh‖V

).

Hierbei bezeichnet M die Beschränktheitskonstante von a und w(g) ∈ V die Lösung von

a(v, w) = (g, v)H ∀v ∈ V.

Bemerkung 6.7. Die obige Variationsgleichung heißt adjungierte Gleichung (duale Glei-chung). Beachte, dass a(v, w) und a(w, v) im Allgemeinen nicht übereinstimmen, da anicht unbedingt symmetrisch sein muss.

106

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6.2. Aubin-Nitsche-Lemma

Beweis. Zu jedem g ∈ H besitzt das duale Problem

a(v, w) = (g, v)H ∀v ∈ V

genau eine Lösung w = w(g) ∈ V (Lemma von Lax-Milgram). Insbesondere gilt

a(u− uh, w) = (g, u− uh)H.

Andererseits gilta(u− uh, vh) = 0 ∀vh ∈ Vh.

Somit ista(u− uh, w(g)− vh) = (g, u− uh)H ∀vh ∈ Vh ∀g ∈ H.

Hieraus ergibt sich

|(g, u− uh)H| = |a(u− uh, w(g)− vh)|≤ M‖u− uh‖V‖w(g)− vh‖V ∀g ∈ H ∀vh ∈ Vh.

Hieraus folgt

|(g, u− uh)H|‖g‖H

≤ M‖u− uh‖V

(1‖g‖H

infvh∈Vh

‖w(g)− vh‖V

)∀g ∈ H \ 0.

Nach dem Darstellungssatz von Riesz gilt

‖u− uh‖H = ‖(·, u− uh)H‖H∗ = supg∈H\0

|(g, u− uh)H|‖g‖H

.

Insgesamt gilt somit

‖u− uh‖H = supg∈H\0

|(g, u− uh)H|‖g‖H

≤ M‖u− uh‖V

(sup

g∈H\0

1‖g‖H

infvh∈Vh

‖w(g)− vh‖V

).

Wir wenden nun das Aubin-Nitsche-Lemma (den Nitsche-Trick) auf (P) und (Ph) an.In diesem Fall setzen wir

V = H10(Ω) → L2(Ω) = H.

Es gilt

V‖·‖H = H10(Ω)

‖·‖L2(Ω) = L2(Ω) = H (C∞0 (Ω)

‖·‖L2(Ω) = L2(Ω)).

Ferner ist die Bilinearform a : H10(Ω)× H1

0(Ω)→ R im Falle (P) gegeben durch

a(u, v) =∫

Ω∇u · ∇v dx.

Also ist a beschränkt, koerzitiv und symmetrisch.

107

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6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

Satz 6.8 (Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L2(Ω)-Norm). Es sei Ω zusätzlich konvex.Dann existiert eine Konstante c = c(Ω, σ, n) > 0, so dass für die Lösung u ∈ H1

0(Ω)∩H2(Ω)von (P) und uh ∈ V0h von (Ph) gilt:

‖u− uh‖L2(Ω) ≤ ch2|u|H2(Ω) ∀h ∈ (0, 1].

Beweis. Das Aubin-Nitsche-Lemma liefert

‖u− uh‖L2(Ω) ≤ c(Ω)‖u− uh‖H1(Ω)

(sup

g∈L2(Ω)\0

1‖g‖L2(Ω)

infvh∈V0h

‖w(g)− vh‖H1(Ω)

)

≤ c(Ω, σ, n)h|u|H2(Ω)

(sup

g∈L2(Ω)\0

1‖g‖L2(Ω)

infvh∈V0h

‖w(g)− vh‖H1(Ω)

)

≤ c(Ω, σ, n)h|u|H2(Ω)

(sup

g∈L2(Ω)\0

1‖g‖L2(Ω)

‖w(g)−Πhw(g)‖H1(Ω)

)

≤ c(Ω, σ, n)h|u|H2(Ω)

(sup

g∈L2(Ω)\0

1‖g‖L2(Ω)

c(σ, n)h|w(g)|H2(Ω)

)

≤ c(Ω, σ, n)h2|u|H2(Ω)

(sup

g∈L2(Ω)\0

|w(g)|H2(Ω)

‖g‖L2(Ω)

).

Laut Grisvard [4] wissen wir auch

|w(g)|H2(Ω) ≤ ‖w(g)‖H2(Ω) ≤ c(Ω)‖g‖L2(Ω) ∀g ∈ H2(Ω).

Somit gilt

‖u− uh‖L2(Ω) ≤ c(Ω, σ, n)h2|u|H2(Ω)

(sup

g∈L2(Ω)\0c(Ω)

‖g‖L2(Ω)

‖g‖L2(Ω)

)= c(Ω, σ, n)h2|u|H2(Ω).

6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

Im Folgenden untersuchen wir den L∞(Ω)-Fehler ‖u− uh‖L∞(Ω). Ab jetzt nehmen wirzusätzlich an, dass Ω ⊂ R2 ein beschränktes polygonales konvexes Gebiet ist.

6.3.1. Fehleranalyse mit gewichteten Normen

Definition 6.9. Es sei ε ∈ L∞(Ω) nichtnegativ, das heißt, es gelte ε ≥ 0 für fast allex ∈ Ω. Wir definieren die folgende Seminorm auf Hm(Ω):

|v|Hmε (Ω) :=

∫Ω

ε ∑|α|=m

|Dαv|2 dx

12

∀v ∈ Hm(Ω), m ∈N∪ 0.

108

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6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

Bemerkung 6.10. Ist ε ∈ L∞(Ω) positiv mit ε−1 ∈ L∞(Ω), so gilt für alle

a : H10(Ω)× H1

0(Ω)→ R, a(u, v) = (∇u,∇v)L2(Ω)

die folgende Abschätzung:

|a(u, v)| ≤ |u|H1εs (Ω)|v|H1

ε−s (Ω) ∀u, v ∈ H10(Ω) ∀s ∈ R,

denn

|a(u, v)| =∣∣∣∣∫Ω

εs2∇u · ε− s

2∇v dx∣∣∣∣

≤(∫

Ωεs|∇u|2 dx

) 12(∫

Ωε−s|∇v|2 dx

) 12

∀u, v ∈ H10(Ω) ∀s ∈ R.

Satz 6.11. Es existiert eine Konstante c = c(Ω) > 0, so dass für alle Funktionen ε ∈ L∞(Ω)der Gestalt

ε(x) =1

‖x− x‖22 + θ2

, θ ∈ R+, x ∈ Ω

die folgende Abschätzung gilt:

∀v ∈ H2(Ω) ∩ H10(Ω) : |v|2H2

ε−1 (Ω)≤ c

(‖∆v‖2

L2ε−1 (Ω)

+ |v|2H1(Ω)

).

Beweis. Es sei v ∈ H2(Ω) ∩ H10(Ω) und

ε(x) =1

‖x− x‖22 + θ2

, θ ∈ R, x ∈ Ω.

Für die Funktionw(x) = (x1 − x1)v(x)

gilt w ∈ H2(Ω) ∩ H10(Ω) und

(x1 − x1)D21v = D2

1w− 2D1v,(x1 − x1)D1D2v = D1D2w− D2v,

(x1 − x1)D22v = D2

2w,∆w = (x1 − x1)∆v + 2D1v.

Hieraus ergibt sich∫Ω(x1 − x1)

22

∑i,j=1|DiDjv|2 dx =

∫Ω(D2

1w− 2D1v)2 + 2(D1D2w− D2v)2 + (D22w)2 dx

≤ 2|w|2H2(Ω) + 8|v|2H1(Ω)

≤ 2c0(Ω)‖∆w‖2L2(Ω) + 8|v|2H1(Ω)

≤ c1(Ω)

(∫Ω(x1 − x1)

2(∆v)2 dx + |v|2H1(Ω)

)(∗)

109

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6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

mit einer nur von Ω abhängigen Konstanten c1(Ω) > 0. Analog folgt∫Ω(x2 − x2)

22

∑i,j=1|DiDjv|2 dx ≤ c1(Ω)

(∫Ω(x2 − x2)

2(∆v)2 dx + |v|2H1(Ω)

). (∗∗)

Insgesamt gilt

|v|2H2ε−1 (Ω) =

∫Ω

ε−12

∑i,j=1|DiDjv|2 dx

=∫

Ω((x1 − x1)

2 + (x2 − x2)2 + θ2)

2

∑i,j=1|DiDjv|2 dx

(∗)−(∗∗)≤ 2c1(Ω)

(∫Ω((x1 − x1)

2 + (x2 − x2)2)(∆v)2 dx + |v|2H1(Ω)

)+ θ2|v|2H2(Ω)

≤ 2c1(Ω)

(∫Ω((x1 − x1)

2 + (x2 − x2)2)(∆v)2 dx + |v|2H1(Ω)

)+ θ2c0(Ω)‖∆v‖2

L2(Ω)

≤ max2c1(Ω), c0(Ω)(∫

Ω((x1 − x1)

2 + (x2 − x2)2 + θ2)(∆v)2 dx + |v|2H1(Ω)

)= max2c1(Ω), c0(Ω)

(‖∆v‖L2

ε−1 (Ω) + |v|2H1(Ω)

).

Bemerkung 6.12. Die Abschätzung von Grisvard

|w|H2(Ω) ≤ ‖w‖H2(Ω) ≤ c(Ω)‖∆w‖L2(Ω) ∀w ∈ H2(Ω) ∩ H10(Ω)

muss im Falle der gewichteten H2ε−1(Ω)-Seminorm modifiziert werden:

|w|2H2ε−1 (Ω)

≤ c(‖∆w‖2

L2ε−1 (Ω)

+ |w|2H1(Ω)

)∀w ∈ H2(Ω) ∩ H1

0(Ω)

und ε wie im obigen Satz.

Im Folgenden untersuchen wir den Zusammenhang zwischen der gewichtete | · |Hmε (Ω)-

Seminorm und der klassischen | · |Wm,∞(Ω)-Seminorm.

Satz 6.13. Es sei θ ∈ R+, x ∈ Ω sowie

ε(x) =1

‖x− x‖22 + θ2

.

Dann existiert zu jedem s > 1 und m ∈N∪ 0 eine Konstante c(s, m) > 0 mit

|v|Hmεs (Ω) ≤ c(s, m)

1θs−1 |v|Wm,∞(Ω) ∀v ∈Wm,∞(Ω).

Ferner existiert zu jedem s ∈ (0, 1) und m ∈N∪ 0 eine Konstante c(Ω, s, m) > 0 mit

|v|Hmεs (Ω) ≤ c(Ω, s, m) |ln θ| 12 |v|Wm,∞(Ω) ∀v ∈Wm,∞(Ω) ∀θ ≤ s.

110

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6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

Beweis. Es sei m ∈N∪ 0 und v ∈Wm,∞(Ω). Ferner sei s > 1. Laut Definition gilt

|v|Hmεs (Ω) =

∫Ω

εs ∑|α|=m

|Dαv|2 dx

12

≤∫

Ωεs ∑|α|=m

|v|2Wm,∞(Ω) dx

12

≤ c(m)

(∫Ω

εs dx) 1

2

|v|Wm,∞(Ω). (∗)

Mit δ > 0 bezeichnen wir den Durchmesser von Ω, das heißt, δ = diam(Ω). Es gilt

∫Ω

εs dx ≤∫

B(x,δ)εs dx =

∫B(x,δ)

(1

‖x− x‖22 + θ2

)s

dx

= 2π∫ δ

0

τ

(τ2 + θ2)s dτ

≤ 2π∫ ∞

0

τ

(τ2 + θ2)s dτ

= 2π1

2(s− 1)θ2(s−1).

Hieraus ergibt sich die gewünschte Abschätzung

|v|Hmεs (Ω) ≤ c(s, m)

1θs−1 |v|Wm,∞(Ω) ∀v ∈Wm,∞(Ω).

Für die zweite Abschätzung zeigt man∫Ω

εs dx ≤ c(Ω, s) |ln θ|.

Im nächsten Satz beweisen wir die umgekehrte Abschätzung für stückweise lineareund stetige Funktionen vh ∈ Vh. Dazu benötigen wir die folgende inverse Abschätzung.Lemma 6.14. Die Triangulierung Th erfülle zusätzlich die folgende Annahme:

∃ ν > 0 ∀K ∈ Th :h

hK≤ ν.

Dann existiert eine Konstante c = c(σ, ν) > 0 mit

|vh|W1,∞(Ω) ≤ch‖vh‖L∞(Ω) ∀vh ∈ Vh.

Beweis. Es sei vh ∈ Vh. Nach Korollar 5.62 und Satz 5.64 gilt

‖vh‖L∞(K) ≤ c1‖vh‖L∞(K) ∀K ∈ Th (∗)

111

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6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

sowie

|vh|W1,∞(K) ≤ c2‖B−1K ‖2|vh|W1,∞(K) ≤ c2

hρK|vh|W1,∞(K) ∀K ∈ Th (∗∗)

mit von vh, K und h unabhängigen Konstanten c1, c2 > 0. Beachte, dass vh|K ∈ P1(K)für alle K ∈ Th gilt und dass h = diam(K) bezeichnet. Ferner ist vh = vh FK mit derinvertierbaren affinen Abbildung FK : K → K aus der Definition der affinen Äquivalenz.Hieraus ergibt sich

|vh|W1,∞(Ω) = maxK∈Th|vh|W1,∞(K) = |vh|W1,∞(K∗)

(∗∗)≤ c2

hρK∗|vh|W1,∞(K)

≤ c2hh

hK∗

hK∗

ρK∗

1h|vh|W1,∞(K)

= c(σ, ν)1h|vh|W1,∞(K)

≤ c(σ, ν)1h

c‖vh‖L∞(K), (∗∗∗)

denn es ist vh ∈ P1(K). Nun wählen wir K ∈ Th mit ‖vh‖L∞(Ω) = ‖vh‖L∞(K). Dannliefern (∗∗∗) und (∗) die gewünschte Abschätzung:

|vh|W1,∞(Ω) ≤ c(σ, ν)1h‖vh‖L∞(K) = c(σ, ν)

1h‖vh‖L∞(Ω).

Bemerkung 6.15. Ist Th uniform, so ist die inverse Annahme aus Lemma 6.14 erfüllt,denn

hρK≤ σ ∀K ∈ Th

lieferth ≤ σρK ≤ σhK ∀K ∈ Th.

Satz 6.16. Die Triangulierung Th sei zusätzlich uniform. Ferner sei γ > 0 und

εh(x) =1

‖x− xh‖22 + θ2

h

mit xh ∈ Ω und θh ≥ γh für alle h ∈ R+. Dann existiert eine Konstante c = c(Ω, γ, σ, ν) >0, so dass gilt

(i) ‖vh‖L∞(Ω) ≤ c θ2h

h ‖vh‖L2ε2h(Ω) ∀vh ∈ Vh : ‖vh‖L∞(Ω) = |vh(xh)|,

(ii) |vh|W1,∞(Ω) ≤ c θhh |vh|H1

εh(Ω) ∀vh ∈ Vh : |vh|W1,∞(Ω)= max|D1vh(xh)|, |D2vh(xh)|.

112

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6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

Beweis. Zu (i): Es sei vh ∈ Vh mit ‖vh‖L∞(Ω) = |vh(xh)|. Dann gilt für alle x ∈ Ω

‖vh‖L∞(Ω) − |vh(x)| = |vh(xh)| − |vh(x)| ≤ |vh(xh)− vh(x)|≤√

2|vh|W1,∞(Ω)‖xh − x‖2

Lemma 6.14≤ c(σ, ν)

h‖vh‖L∞(Ω)‖xh − x‖2

=:c1

h‖vh‖L∞(Ω)‖xh − x‖2.

Demzufolge gilt

|vh(x)| ≥(

1− c1

h‖xh − x‖2

)‖vh‖L∞(Ω) ∀x ∈ Ω.

Hieraus folgt

‖vh‖2L2

ε2h(Ω)

=∫

Ωε2

h|vh|2 dx

≥∫

Ωε2

h

(1− c1

h‖xh − x‖2

)2‖vh‖2

L∞(Ω) dx

≥∫

Ω∩B(xh, h2c1

)

(1− c1

h ‖xh − x‖2

‖x− xh‖22 + θ2

h

)2

dx‖vh‖2L∞(Ω)

≥∫

Ω∩B(xh, h2c1

)

12

h2

4c21+ θ2

h

2

dx‖vh‖2L∞(Ω)

≥∫

Ω∩B(xh, h2c1

)

14

1

θ2h

(1 + 1

4c21γ2

)

2

dx‖vh‖2L∞(Ω)

=14

θ−4h ‖vh‖2

L∞(Ω)

11 + 1

4c21γ2

2 ∣∣∣∣Ω ∩ B(

xh,h

2c1

)∣∣∣∣≥ θ−4

h ‖vh‖2L∞(Ω)

11 + 1

4c21γ2

2

c2(Ω)

(h

2c1

)2

.

Daraus folgt Aussage (i). Aussage (ii) beweist man analog zu (i).

Wir wollen nun eine Fehlerabschätzung für den Vh-Interpolationsoperator

Πh : C(Ω)→ Vh

bzgl. der gewichteten | · |Hmεsh(Ω)-Seminorm herleiten.

113

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6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

Satz 6.17. Es sei s ∈ R \ 0 und

εh : Ω→ R, εh(x) =1

‖x− xh‖22 + θ2

h

mit xh ∈ Ω und θh ≥ 2|s|h für alle h ∈ R+. Dann gilt für m ∈ 0, 1 und für alle h ∈ R+:

|v−Πhv|Hmεsh(Ω) ≤ c(m, σ)h2−m|v|H2

εsh(Ω) ∀v ∈ H2(Ω)

mit c(m, σ) > 0.

Beweis. Im Abschnitt 5.5.4 haben wir die folgende Abschätzung gezeigt:

|v−Πhv|Hm(K) ≤ c(m, σ)h2−m|v|H2(K) ∀v ∈ H2(K) ∀K ∈ Th. (∗)

Für jedes K ∈ Th wählen wir xK ∈ K und xK ∈ K mit

minx∈K

εsh(x) = εs

h(xK) > 0,

maxx∈K

εsh(x) = εs

h(xK) > 0.

Dann gilt für jedes K ∈ Th und v ∈ H2(K)

|v−Πhv|Hmεsh(K) =

∫K

εsh ∑|α|=m

|Dα(v−Πhv)|2 dx

12

≤ (εsh(xK))

12 |v−Πhv|Hm(K) (∗∗)

sowie

|v|H2(K) ≤ (εsh(xK))

− 12 |v|H2

εsh(K). (∗∗∗)

Die Abschätzungen (∗) - (∗∗∗) liefern

|v−Πhv|Hmεsh(K) ≤ c(m, σ)h2−m

(εs

h(xK)

εsh(xK)

) 12

|v|H2εsh(K) ∀v ∈ H2(K) ∀K ∈ Th, m ∈ 0, 1.

Wir müssen nun noch die Beschränktheit von(

εsh(xK)

εsh(xK)

) 12

nachweisen. Zuerst gilt

Djεsh(x)

εsh(x)

= −2sxj − xhj

‖x− xh‖22 + θ2

h, j ∈ 1, 2.

Hieraus folgt

supx∈Ω

‖(εsh)′(x)‖2

εsh(x)

≤ 2|s| supx∈Ω

‖x− xh‖2

‖x− xh‖22 + θ2

h≤ |s|

θh.

114

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6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

Somit gilt für alle K ∈ Th

εsh(xK) = εs

h(xK) + (εsh)′(ξ)(xK − xK) = εs

h(xK) +(εs

h)′(ξ)

εsh(ξ)

(xK − xK)εsh(ξ)

≤ εsh(xK) +

|s|θh‖xK − xK‖2εs

h(xK)

≤ εsh(xK) +

12

εsh(xK).

Also giltεs

h(xK)

εsh(xK)

≤ 2.

Insgesamt gilt

|v−Πhv|Hmεsh(K) ≤ c(m, σ)

√2h2−m|v|H2

εsh(K) ∀v ∈ H2(Ω) ∀K ∈ Th, m ∈ 0, 1.

6.3.2. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

Für y ∈ H10(Ω) besitzt die Variationsgleichung

a(yh, vh) = a(y, vh) ∀vh ∈ V0h

genau eine Lösung yh ∈ V0h (Lemma von Lax-Milgram mit einer koerzitiven undbeschränkten Bilinearform a : H1

0(Ω)× H10(Ω)→ R). Wir bezeichnen die resultierende

Projektiony 7→ yh

mit Φh : H10(Ω) → V0h. Setzen wir vh = yh in die obige Variationsgleichung ein, so

erhalten wir‖Φhy‖H1(Ω) ≤ c(Ω)‖y‖H1(Ω).

Satz 6.18. Die Triangulierung Th sei zusätzlich uniform. Dann existieren eine von h unabhän-gige Konstante c > 0 sowie h0 ∈ (0, 1), so dass für alle h ∈ (0, h0] und v ∈ H1

0(Ω)∩W1,∞(Ω)gilt

|ln h|− 12‖Φhv‖L∞(Ω) + h|Φhv|W1,∞(Ω) ≤ c

(‖v‖L∞(Ω) + h|ln h||v|W1,∞(Ω)

).

Beweis. Man verwende die Abschätzungen, die wir im vorherigen Kapitel bewiesenhaben ([2, S. 156-165]).

Bemerkung 6.19. Für jedes h ∈ R+ definiert

v 7→ ‖v‖L∞(Ω) + h|ln h||v|W1,∞(Ω) , H10(Ω) ∩W1,∞(Ω)→ R (∗)

115

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6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

eine (vollständige) Norm auf H10(Ω) ∩W1,∞(Ω). Ebenso definiert für jedes h ∈ (0, 1)

die Abbildung

vh 7→ |ln h|− 12‖vh‖L∞(Ω) + h|vh|W1,∞(Ω), V0h → R (∗∗)

eine (vollständige) Norm auf V0h. Falls wir nun H10(Ω) ∩W1,∞(Ω) bzw. V0h mit (∗)

bzw. mit (∗∗) ausstatten, so ist

Φh : H10(Ω) ∩W1,∞(Ω)→ V0h

linear und beschränkt:‖Φhv‖V0h ≤ c‖v‖H1

0(Ω)∩W1,∞(Ω)

mit einer von h unabhängigen Konstante c > 0.

Satz 6.20 (Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm). Es sei Ω ⊂ R2 einbeschränktes, konvexes und polygonales Gebiet. Ferner sei Th eine zulässige und uniformeTriangulierung von Ω. Die Lösung u ∈ H1

0(Ω)∩H2(Ω) von (P) erfülle die höhere Regularität

u ∈W2,∞(Ω).

Dann existieren eine von h unabhängige Konstanten c > 0 sowie h ∈ (0, 1e ], so dass für alle

h ∈ (0, h] gilt:

‖u− uh‖L∞(Ω) ≤ ch2|ln h| 32 |u|W2,∞(Ω),

|u− uh|W1,∞(Ω) ≤ ch|ln h||u|W2,∞(Ω).

Beweis. Zur Erinnerung: uh ∈ V0h ist definiert durch

a(uh, vh) =∫

Ω∇uh · ∇vh dx =

∫Ω

f vh dx = a(u, vh) ∀vh ∈ V0h

⇔ a(uh, vh) = a(u, vh) ∀vh ∈ V0h

⇔ uh = Φhu.

Somit gilt

u− uh = u−Φhu− vh + Φhvh = (Id−Φh)(u− vh) ∀vh ∈ V0h.

Aus diesem Grund liefert der vorherige Satz

|ln h|− 12 ‖u− uh‖L∞(Ω) + h|u− uh|W1,∞(Ω)

= |ln h|− 12 ‖(Id−Φh)(u− vh)‖L∞(Ω) + h|(Id−Φh)(u− vh)|W1,∞(Ω)

≤ |ln h|− 12 ‖u− vh‖L∞(Ω)+ h|u− vh|W1,∞(Ω)+ |ln h|− 1

2 ‖Φh(u− vh)‖L∞(Ω)+ h|Φh(u− vh)|W1,∞(Ω)

≤ |ln h|− 12 ‖u− vh‖L∞(Ω) + h|u− vh|W1,∞(Ω) + c

(‖u− vh‖L∞(Ω) + h|ln h||u− vh|W1,∞(Ω)

)(∗)

für alle vh ∈ V0h mit einer von h unabhängigen Konstante c > 0. Beachte, dassV0h ⊂ C0,1(Ω) = W1,∞(Ω) gilt. Weiter gilt für alle h ∈ (0, h] mit h = minh0, 1

e:

h|ln h0|−12 |ln h| ≥ h|ln h|− 1

2 |ln h| = h|ln h| 12 ≥ h.

116

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6.3. Fehlerabschätzung für (Ph) bzgl. der L∞(Ω)-Norm

h

f (h)

1e

f (h) = h|ln h| 12 − h

Daraus folgt

|ln h|− 12‖u− vh‖L∞(Ω) + h|u− vh|W1,∞(Ω)

≤ |ln h0|−12 (‖u− vh‖L∞(Ω) + h|ln h||u− vh|W1,∞(Ω)) ∀vh ∈ V0h ∀h ∈ (0, h]. (∗∗)

Setzen wir (∗∗) in (∗), so folgt

|ln h|− 12‖u− uh‖L∞(Ω) + h|u− uh|W1,∞(Ω)

≤ (|ln h0|−12 + c)︸ ︷︷ ︸

=:c1

(‖u− vh‖L∞(Ω) + h|ln h||u− vh|W1,∞(Ω)) ∀vh ∈ V0h ∀h ∈ (0, h].

Somit gilt

|ln h|− 12‖u− uh‖L∞(Ω) + h|u− uh|W1,∞(Ω)

≤ c1 infvh∈V0h

(‖u− vh‖L∞(Ω) + h|ln h||u− vh|W1,∞(Ω)) ∀h ∈ (0, h].

Andererseits gilt für den Interpolationsoperator

|u−Πhu|Wm,∞(Ω) ≤ c(σ, m)h2−m|u|W2,∞(Ω)

für m ∈ 0, 1 (siehe Abschnitt 5.5.2), denn laut Annahme ist u ∈ W2,∞(Ω). Hierausergibt sich

|ln h|− 12‖u− uh‖L∞(Ω) + h|u− uh|W1,∞(Ω) ≤ ch2|ln h||u|W2,∞(Ω) ∀h ∈ (0, h]

mit h = minh0, 1e. Insgesamt folgt daraus die Behauptung.

117

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AAnhang

A.1. Der Transformationssatz

Definition A.1 (σ-Algebra). Sei Ω eine Menge. Eine Teilmenge A von P(Ω) heißteine σ-Algebra (in Ω), wenn gelten:

(i) Ω ⊂ A ;

(ii) mit A ∈ A ist auch Ω \ A ∈ A ;

(iii) für jede Folge Ai∞i=1 in A ist

⋃∞i=1 Ai ∈ A .

Definition A.2 (Borel-Mengen). Die von der Familie Qd der halboffenen Quader inRd erzeugte σ-Algebra wird mit Bd bezeichnet; ihre Elemente heißen die Borel-Mengenin Rn.

Satz A.3 (Transformationsformel). Es seien U, V ⊂ Rn offen und ϕ : U → V ein C1-Diffeomorphismus.

(i) Ist A ⊂ U eine Borel-Menge, dann ist auch ϕ(A) ⊂ V eine Borel-Menge, und es gilt

λn(ϕ(A)) =∫

A|det(Dϕ)|dλn.

(ii) Genau dann ist g : ϕ(A)→ [−∞, ∞] Lebesgue-integrierbar, wenn

(g ϕ)|det(Dϕ(x))| : A→ [−∞, ∞]

Lebesgue-integriebar ist, und dann gilt

∫ϕ(A)

g(y)dλny =∫

Ag(ϕ(x))|det(Dϕ(x))|dλnx.

119

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A.2. Ergänzungen zu Kapitel 6

A.2. Ergänzungen zu Kapitel 6

A.2.1. Satz 6.11

In Satz 6.11 haben wir die Abschätzung

∫Ω(D2

1w− 2D1v)2 + 2(D1D2w− D2v)2 + (D22w)2 dx ≤ 2|w|2H2(Ω) + 8|v|2H1(Ω)

verwendet. Diese möchten wir nun kurz verifizieren. Es gilt

(D21w− 2D1v)2 + 2(D1D2w− D2v)2 + (D2

2w)2

= (D21w)2 − 4D2

1wD1v + (2D1v)2 + 2((D1D2w)2 − 2D1D2wD2v + (D2v)2)+ (D2

2w)2

≤ (D21w)2 + (D2

2w)2 + 2(D1D2w)2 + (2D1v)2 + 2(D2v)2 + |4D21wD1v|+ |4D1D2wD2v|.

Die Youngsche Ungleichung

ab ≤ a2

2ε+

εb2

2

liefert mit ε = 2

|4D21wD1v| ≤ |D1w|2 + 4|D1v|2.

Insgesamt folgt somit

(D21w− 2D1v)2 + 2(D1D2w− D2v)2 + (D2

2w)2

≤ 2(D21w)2 + (D2

2w)2 + 4(D1D2w)2 + 8(D1v)2 + 4(D2v)2

≤ 2(D21w)2 + 2(D2

2w)2 + 4(D1D2w)2 + 8(D1v)2 + 8(D2v)2.

A.2.2. Satz 6.16

In Satz 6.16 haben wir die Abschätzung

|vh(xh)− vh(x)| ≤√

2|vh|W1,∞(Ω)‖xh − x‖2

verwendet. Da vh Lipschitz-stetig und Ω konvex ist, ist die Funktion

g : [0, 1]→ R, g(t) = vh(x + t(xh − x))

Lipschitz-stetig. Dann folgt aus dem Satz von Rademacher (vgl. [3, S. 281]), dass g fastüberall auf (0, 1) differenzierbar ist mit

g′(t) = ∇vh(x + t(xh − x)) · (xh − x) für fast alle t ∈ (0, 1).

120

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A.2. Ergänzungen zu Kapitel 6

Das Fundamentaltheorem für das Lebesgue-Integral liefert dann

|vh(xh)− vh(x)| = |g(1)− g(0)|

=

∣∣∣∣∫ 1

0g′(t)dt

∣∣∣∣=

∣∣∣∣∫ 1

0∇vh(x + t(xh − x)) · (xh − x)dt

∣∣∣∣≤∫ 1

0|∇vh(x + t(xh − x)) · (xh − x)|dt

≤∫ 1

0‖∇vh(x + t(xh − x))‖2‖xh − x‖2 dt

=∫ 1

0

√D1vh(x + t(xh − x))2 + D2vh(x + t(xh − x))2‖xh − x‖2 dt

≤∫ 1

0

√2|vh|2W1,∞(Ω)

‖xh − x‖2 dt

=√

2|vh|W1,∞(Ω)‖xh − x‖2.

121

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Symbolverzeichnis

Finite-Elemente-Methode

Vh Finite-Elemente-Raum (Definition 5.20)(K, PK, ΣK) Finites Element (Definition 5.5)hK Diameter des Gebiets KNh Menge aller paarweise verschiedenen Knotenpunkte (Nodalpunkte)

eines Finite-Elemente-Raums VhPK Reeller Funktionenraum auf KΠhv Globaler Vh-Interpolationsoperator einer Funktion v ∈ C(Ω)ΠKv PK-Interpolierende einer Funktion v ∈ dom(ΣK) (Definition 5.33)ρK Diameter des größten im Gebiet K enthaltenden KreisesΣh Menge aller globalen Freiheitsgrade (Knotenfunktionale) eines Finite-

Elemente-Raums VhΣK Menge aller Freiheitsgrade (Knotenfunktionale) des Gebiets KTh Zulässige Triangulierung von Ω in endlich viele n-Simplexe (Defini-

tion 5.18)

Lp-Räume

L1loc(Ω) Raum aller lokal integrierbaren Funktionen (Definition 2.18)

Lp(Ω) Raum der p-fach Lebesgue integrierbaren Funktionen (Definition2.1)

L∞(Ω) Raum aller fast überall gleichmäßig beschränkten und messbarenFunktionen (Definition 2.2)

Sobolev-Räume

Hk(Ω) Abkürzung für den Hilbertraum Wk,2(Ω) (Definition 2.50)Hk

0(Ω) Abkürzung für den Hilbertraum Wk,20 (Ω) (Definition 2.53)

123

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Symbolverzeichnis

Wk,p(Ω) Vektorraum aller Funktionen f ∈ Lp(Ω) ⊂ L1loc(Ω), für die alle

schwachen Ableitungen Dα f ∈ L1loc(Ω) mit |α| ≤ k existieren und

zu Lp(Ω) gehören (Definition 2.50)Wk,p

0 (Ω) Abschluss von C∞0 (Ω) bezüglich der Wk,p(Ω)-Norm (Definition 2.53)

Stetige Funktionen

Ck0(Ω) Menge der k-mal stetig differenzierbaren Funktionen f : Ω → R,

deren Träger kompakt in Ω enthalten ist (Definition 2.23)C∞

0 (Ω) Menge der Testfunktionen; die Menge aller unendlich oft differen-zierbaren Funktionen, deren Träger kompakt in Ω enthalten ist(Definition 2.28)

C0,β(Ω) Raum aller Hölder-stetigen Funktionen zum Exponenten β ∈ (0, 1](Definition 5.44)

Ck(Ω) Menge der k-mal stetig differenzierbaren Funktionen f : Ω→ R imklassischen Sinne (Definition 2.23)

supp f Träger einer Funktion (Definition 2.21)

124

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Stichwortverzeichnis

Symbole

H1(Ω)-konform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75PK-Interpolierende . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79Pk(Ω)-invarianter Operator . . . . . . . . . 95n-Simplex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

A

Adjungierte Gleichung . . . . . . . . . . . . . 106

B

Banachraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Banachscher Fixpunktsatz . . . . . . . . . . . 39Basis eines finiten Elements . . . . . . . . . 70Bilinearform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

C

Cauchy-Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Cauchy-Schwarz-Ungleichung . . . . . . . 6

D

Darstellungssatz von Riesz . . . . . . . . . . 38Distribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

regulär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17Distributionelle Ableitung. . . . . . . . . . .21Distributionelle Ableitung von L1

loc(Ω)-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Duale Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106Duale Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Duale Paarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Dualraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

E

Einbettungsresultat für Lp(Ω)-Räume11

F

Finite-Elemente-Raum . . . . . . . . . . . . . . 75Finites Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

affin-äquivalent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81Freiheitsgrade. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69

G

Galerkin-Orthogonalität . . . . . . . . . . . . . 68Glättungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

H

Hölder-Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85Höldersche Ungleichung . . . . . . . . . . . . . 9Hahn-Banach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88Hilbertraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6

I

Interpolationsoperator . . . . . . . . . . . . . . 79

K

Knotenfunktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69Knotenpunkte eines n-Simplexes . . . . 71Koerzitivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Kompakte Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . 86Kompakte Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

L

Lemma von Lax-Milgram . . . . . . . . . . . 39Lipschitzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

M

Minkowski-Ungleichung . . . . . . . . . . . . 10Multiindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

125

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N

Normierter Vektorraum . . . . . . . . . . . . . . 5

O

Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37beschränkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37linear . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

P

Partielle Differentialgleichung . . . . . . . . 2Poincaré-Friedrichs-Ungleichung. . . .30Prä-Hilbertraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6Präkompakte Menge . . . . . . . . . . . . . . . . 86

R

Raum aller stetigen stückweise linearenElemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Rellich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

S

Schwache Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Sobolevraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

T

Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15Triangulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

quasiuniform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99uniform. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99

U

Unisolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

V

Verallgemeinerte Poincaré-Friedrichs-Ungleichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57

Y

Youngsche Ungleichung . . . . . . . . . . . . . . 8

Z

Zulässige Triangulierung . . . . . . . . . . . . 74

126