F A C H A R T I K E L
6 Zeitschrift für Handtherapie 1/2015
Zusammenfassung
Schmerzen, Bewegungseinschrän-
kungen im Handgelenk und Kraftver-
lust. Dies sind häufige und stark im
Alltag einschränkende Symptome
einer Instabilität des distalen Radioul-
nargelenkes (DRUG). Diese kann als
Begleitverletzung einer distalen Radi-
usfraktur, die häufigste Fraktur der
oberen Extremität, resultieren, oder
durch eine isolierte Verletzung des
TFCC (triangulärer fibrocartilaginärer
Komplex) bedingt sein. Eine Möglich-
keit der Stabilisierung des wichtigen
Drehgelenkes ist ein operativer Ein-
griff in der Technik nach Adams.
Anhand eines konkreten Fallbeispiels
aus der täglichen Praxis wird nach
den anatomischen Grundlagen und
der durchgeführten Operationstech-
nik unter Verwendung der Gracillis-
sehne als freies Sehnentransplantat,
die handtherapeutische Nachbehand-
lung erläutert.
Schlüsselwörter
• Distales Radioulnargelenk
• Palmare Instabilität
• OP-Technik nach Adams
• Handtherapie
Einleitung
Mit einer Inzidenz von 2-3 auf 1.000
Einwohner pro Jahr [5] zählt die Frak-
tur des distalen Radius mit einem
Anteil von 17% zur häufigsten knö-
chernen Verletzung des Menschen
[10]. Durch einen Sturz auf das pal-
mar flektierte (Smith-Fraktur) oder
extendierte Handgelenk (Colles-Frak-
tur) kommt es, abhängig von der
Intensität der Krafteinwirkung und
der Handgelenksstellung, zu extra-
oder intraartikulären Frakturmustern.
Diese werden anhand der Klassifika-
tion der Arbeitsgemeinschaft Osteo-
synthese (AO) nach ihrer Komplexität
eingeteilt. Bei ca. zwei Dritteln aller
distalen Radiusfrakturen kommt es
zum Auftreten von ossären und liga-
mentären Begleitverletzungen des
Karpus. Dabei schwanken die Anga-
ben zur Häufigkeit abhängig von der
Patientengruppe, zwischen 25% und
98% [3]. Dazu gehören Verletzungen
des karpalen und radiokarpalen
Bandapparates sowie Frakturen der
Handwurzelknochen [6]. Zu den häu-
figsten Begleitverletzungen zählen
Läsionen des Discus ulnocarpalis und
des TFCC, die mit einer Destabilisie-
rung des distalen Radioulnargelenkes
(DRUG) einhergehen.
Diese oft schwerwiegenden Begleit-
verletzungen können sofort posttrau-
matisch symptomatisch werden oder
sich erst Jahre später als chronische
Instabilität des DRUG manifestieren.
Klinisch geben die Patienten Belas-
tungsschmerzen und Funktionsein-
schränkungen des Handgelenkes an,
welche sich erheblich auf das Aktivi-
tätsverhalten der Betroffenen auswir-
ken und in der Handlungsfähigkeit
und Partizipation einschränken.
Postoperative handtherapeutischeBehandlung nach operativer Stabilisierungdes distalen Radioulnargelenkes beichronischer palmarer Instabilität
Johanna IsmaierPraxis für Ergotherapie Felzmann, Unterhaching (München)
Dr. Christian KindlerZentrum für Hand- und Ellenbogenchirurgie, Mikrochirurgie und Plastische Chirurgie,Schön Klinik München-Harlaching
Ein Fallbeispiel
7
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Zeitschrift für Handtherapie 1/2015
Anatomie und Biomechanik
Neben dem proximalen (PRUG), ist
das distale Radioulnargelenk (DRUG)
besonders wichtig für die Prona-
tions- und Supinationsbewegung des
Armes. Erst diese Umwendbewegun-
gen ermöglichen der Hand, in allen
Freiheitsgraden eingesetzt zu werden
rentia articularis des Ulnarkopfes,
welche die Gelenkfläche bilden (Abb.
1). Diese knöchernen Strukturen bie-
ten nur eine geringe Stabilität, sodass
ein ligamentärer Bandkomplex die
Hauptstabilitätsaufgabe übernimmt.
Der dreidimensional aufgebaute
ulnokarpale Bandkomplex (TFCC), der
zwischen dem Ulnakopf und der
dazugehörigen Handwurzelreihe liegt,
besteht aus unterschiedlichen Kompo-
nenten, die zusammen eine funktio-
nelle Einheit bilden und neben der
Stabilisation, der axialen Kraftübertra-
gung auch als Puffer dienen [9].
Folgende anatomische Strukturen
beinhaltet der TFCC (Abb. 2):
• Palmare und dorsale radioulnare
Bänder (Ligg. radioulnaria palmare
et dorsale)
• Discus articularis
• Ulnokarpale Bänder (Lig. ulnoluna-
tum, Lig. ulnotriquetum, Lig. colla-
terale carpi ulnare)
• Meniscus homologue
• Sehnenscheide der Sehne des M.
extensor carpi ulnaris
Knöchern betrachtet, handelt es sich
beim distalen Radioulnargelenk um
ein Rad- bzw. Eigelenk. Während der
Pro- und Supination bewegt sich
der im proximalen Radiolunargelenk
bewegliche Radius gegenüber dem
unbewegten Ulnakopf. Innerhalb der
Bewegung kommt es zu einer Trans-
lationsbewegung des Ulnakopfes von
der Insisura ulnaris des Radius gegen-
über, deren Stabilität von extrin-
sischen Strukturen übernommen
wird. Neben diesen stabilisierenden
Kapsel-Band-Strukturen sind für die
Biomechanik des DRUG ebenfalls die
Längenvariationen der Ulna im Ver-
hältnis zum Radius von großer Bedeu-
tung [2].
Abb. 1: Schematische Darstellung des DRUG, Ismaier 2015
Abb. 2: Der trianguläre fibrocartilaginäre Komplex (TFCC), 2003; mit freundlicherGenehmigung durch Prof. Dr. U. Lanz
und eine Interaktion mit der Umwelt
einzugehen. Ein funktionierendes
DRUG sorgt für Stabilität der Hand
und ermöglich eine normale Kraft-
übertragung im Handgelenk und
Unterarm [9].
Anatomisch besteht dieses distale
„Umwendgelenk“ aus der Incisura
ulnaris des Radius und der Circumfe-
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8 Zeitschrift für Handtherapie 1/2015
Kommt es aufgrund einer Verletzung
des Radius zur Beteiligung des TFCC,
kann dies zu einer Instabilität des
Handgelenkes und reduzierter Pro-
und Supination des Unterarmes füh-
ren sowie mit einer pathologischen
Verschieblichkeit des Radius gegen-
über der Ulna einhergehen. Die be-
troffenen Patienten klagen klinisch
über Belastungsschmerzen im DRUG,
die in der Intensität variieren, einen
Kraftverlust bei handmotorischen Tä-
tigkeiten sowie einer eingeschränkten
Pro- und Supination. Ein Großteil der
Betroffenen gibt zudem ein Gefühl
der Instabilität bei forcierten Drehbe-
wegungen an (z.B. Handhabung
eines Schraubenziehers, Öffnen fester
Schraubverschlüsse).
Fallbeispiel –präoperativer Befund
Bei dem 34-jährigen Krankenpfleger
im nachfolgenden Fall lag laut radio-
logischer und handchirurgischer Dia-
gnostik eine palmare Instabilität des
linken distalen Radioulnargelenks vor.
Diese resultierte aus einer Verletzung
des TFCC im Rahmen einer 20 Jahre
zurückliegenden distalen Radiusfrak-
tur. Herr F. klagte über ein Subluxa-
tionsphänomen im DRUG bei Belas-
tung, welches über die Jahre zuneh-
mend schmerzhaft wurde. Innerhalb
der klinischen Diagnostik zeigte sich
eine Einschränkung der Pronation um
20° zur Gegenseite bei sonst norma-
ler Beweglichkeit (Tab. 1), was eine
palmare Instabilität im DRUG unter-
mauerte. Hierbei kommt es typischer-
weise durch maximale Supination zur
dorsalen Luxation des Radius gegen-
über der Ulna. Diese konnte einfach
reponiert und das Gelenk auch passiv
so stabilisiert werden, dass eine Luxa-
tion vermieden werden konnte. Bei
Relevante sekundäre degenerative
Veränderungen (Knorpelschäden)
waren nicht vorhanden. Daher stellte
der behandelnde Handchirurg die
Indikation für eine Stabilisierungsope-
ration des DRUG.
Operationstechnik
Ziel einer operativen Stabilisierung
des distalen Radioulnargelenkes ist
das Herstellen einer belastungsstabi-
len und schmerzfreien Funktion, um
Tabelle 1
Präoperativer aktiver ROM (Range of Motion) des Handgelenks
Bewegungsrichtung rechte Hand(dominante Hand)
Extension / Flexion
Pronation / Supination
70 - 0 - 70
70 - 0 - 90
linke Hand(betroffene Hand)
70 - 0 - 70
50 - 0 - 90
der Pronation kam es zur Reposition
des Gelenks. Ferner zeigte sich kli-
nisch eine eindrücklich gesteigerte
Translationsbewegung zwischen Ulna
und Radius (Steinmann-Test). In der
durchgeführten apparativen Diagnos-
tik mittels Röntgen, MRT und CT
zeigte sich diese Luxation deutlich.
(Abb. 3).
Abb. 3: CT der betroffenen Seite prä-operativ bei der Supination
einen adäquaten Einsatz der Hand im
beruflichen und privaten Alltag zu
gewährleisten. Intakte Gelenkflächen
ohne fortgeschrittene Knorpelschä-
den sind die Voraussetzung eines
jeden stabilisierenden Eingriffs.
Als operative Behandlungsmethode
mit guten Langzeitergebnissen hat
sich das Verfahren nach Adams
bewährt. Die Rekonstruktion der
distalen radioulnaren Ligamente bie-
tet laut Adams [1] die beste Möglich-
keit, um die Ausgangsbedingungen
und die normale Bewegung des
DRUG wiederherzustellen. Dazu wird
der Zugang zum distalen Radioulnar-
gelenk mittels einer Inzision zwischen
dem fünften und sechsten Streckseh-
nenfach durchgeführt, direkt über
dem streckseitigen Radius und dem
dorsalen radioulnaren Ligament.
Dabei wird die Sehne des M. extensor
carpi ulnaris nicht abgehoben. Des
Weiteren wird durch einen beugesei-
tigen Zugang zwischen den Finger-
beugern und dem ulnaren Gefäßner-
venbündel der ulnare Rand des dista-
len Radius von palmar dargestellt. In
der Regel wird die Sehne des M. pal-
maris longus über gesonderte Inzisio-
nen am beugeseitigen Unterarm ent-
nommen.
Aufgrund der fehlenden Palmaris lon-
gus Sehne wurde bei Herrn F. die
Gracilissehne vom Oberschenkel ver-
wendet. Diese Sehne wird oft zusam-
men mit der Sehne des Semitendi-
nous bei der Rekonstruktion des
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9Zeitschrift für Handtherapie 1/2015
Kreuzbandes verwendet und eignet
sich aufgrund der günstigen mecha-
nischen Eigenschaften (Länge, Durch-
messer, Belastbarkeit und Reißfestig-
keit) gut als freies Sehnentransplantat
[8, 11].
Nach dem Abheben des 4. Streckseh-
nenfaches erfolgt eine Lochbohrung
durch den distalen Radius parallel zur
Gelenkfläche des DRUG sowie eine
zweite Bohrung durch die distale
Ulna. Die entnommene Sehne wird in
palmodorsaler Richtung durch den
Radius geführt (Abb. 4, 5, 6), unter
den Resten des TFCC in den Ulnakopf
eingezogen und auf der Außenseite
der Ulna wieder ausgeleitet (Abb. 7).
Hier erfolgt die Fixierung der beiden
Sehnenschenkel durch Umschlingen
des Ulnaschaftes und Vernähen der
beiden Schenkel mit sich selbst [1, 2,
7]. (Abb. 8). Anhand dieser Technik
werden die Hauptstabilisatoren des
TFCC (Ligg. radioulnare dorsale und
palmare) nahezu anatomisch rekon-
struiert. In Abhängigkeit der damit
erreichten Stabilität erfolgt die Fixa-
tion von Ulna und Radius durch ein
oder zwei K-Drähte. In diesem Fall
konnte allein durch die Sehnenplastik
eine hinreichende Stabilität erreicht
werden, sodass keine Drähte not-
wendig waren (Abb. 9).
Im Anschluss an die Operation erfolg-
te eine sechswöchige Ruhigstellung
in leichter Pronationsstellung in einer
Bowersschiene (Abb. 10). Diese ver-
hindert eine Pro- und Supination,
lässt aber eine Flexion und Extension
im Ellenbogengelenk zu. Nach Ab-
nahme der Schiene konnte mit den
aktiven Umwendbewegungen und
Bewegungsübungen ohne Belastung
begonnen werden. Für die nächsten
sechs Wochen musste darauf geach-
tet werden, die Bewegungen ohne
forcierten Widerstand durchzuführen.
Abb. 4: Lage des radialen und ulnarenBohrtunnels nach Adams, Ismaier 2015
Abb. 7: Intraoperatives Bild der aus-geleiteten Gracillissehne
Abb. 8: Durchzug des Sehnentrans-plantats durch die Knochentunnelnach Adams, Ismaier 2015
Abb. 9: seitliche Röntgen-aufnahme
Abb. 5: Intraoperatives Bild derBohrung durch die Ulna
Abb. 6: Intraoperative Röntgenauf-nahme Hr. F.
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10 Zeitschrift für Handtherapie 1/2015
Anschließend wurde die zunehmende
Belastung bis zur Vollbelastung frei-
gegeben.
Bei der häufigeren dorsalen Instabi-
lität kommt es zu einer Luxation des
Radius nach palmar bei der Pronation
und einer Reposition des DRUG durch
maximale Supination. Das operative
Vorgehen ist identisch, allerdings
erfolgt die postoperative Ruhigstel-
lung in leichter Supination.
HandtherapeutischeNachbehandlung
Herr F. stellte sich Mitte November
2014, sechs Wochen postoperativ
nach der Stabilisierung des distalen
Radioulnargelenkes in der Technik
nach Adams, in unserer ambulanten
Praxis für Ergotherapie zur handthe-
rapeutischen Nachbehandlung vor.
Resultierend aus dem handtherapeu-
tischen Befund konnten folgende Ein-
schränkungen auf Funktions- und
Strukturebene festgehalten werden:
• Eingeschränkter aktiver & passiver
Range of Motion (Tab. 2, Abb.
11-14)
• Narbenadhäsionen am dorsalen
sowie palmaren Handgelenk
• Leichte Schmerzen bei Bewegung
(NRS – Numeric Rating Scale:
3/10)
• Leichte Ulnardeviation des Hand-
gelenks
• Parästhesien ulnare Handkante
Auf Aktivitäts- und Partizipationsebe-
ne schilderte Herr F. vor allem große
Probleme beim Anziehen und
Waschen. Dies spiegelte sich auch im
DASH-Wert (Disabilities of the Arm,
Shoulder and Hand) mit 67/100,
wider.
Im Anschluss an die Befundung
wurde mit einer Frequenz von 3 mal
wöchentlich für jeweils 30 Minuten
mit der Handtherapie begonnen.
Handtherapeutisch lag der Schwer-
punkt der Therapie zu Beginn auf ak-
tiven Übungen, die der Patient selbst-
ständig durchführen konnte (Ball-
übung, Bewegen soweit möglich
ohne Gewicht über die Tischkante)
sowie auf manualtherapeutischen
Behandlungstechniken. Auf Grund
der quantitativ stark eingeschränkten
Beweglichkeit der Extension und Fle-
xion, als auch der Pro- und Supina-
tion durch die lange Immobilisation,
kamen Gelenktechniken wie Traktion
und translatorisches Gleiten zum Ein-
satz. Beginnend mit Traktionsstufe 1
(Lösen der kapsulären Gleitstörung)
bis hin zu Traktionsstufe 3 (Dehnen
der Kapsel) führte dies im Therapie-
verlauf zu einem gesteigerten aktiven
und passiven Bewegungsausmaß
(ROM). Ergänzend wurden Weichteil-
techniken wie Funktionsmassage,
Dehnung der Muskulatur, die auf das
Handgelenk einwirkt, angewandt.
Durch die operativen Zugänge dorsal
wie palmar am Handgelenk wirkten
sich Narbenadhäsionen ebenfalls
ungünstig auf die Beweglichkeit des
Handgelenkes und des DRUG aus.
Mittels manueller Narbenbehandlung
und Friktionsmassage der Narbe, als
auch der Anwendung eines gepuls-
ten Ultraschalls, wurden diese Verkle-
bungen nach und nach gelöst und
Abtransportprozesse im Gelenk un-
terstützt.
Im Therapieverlauf und nach Belas-
tungsfreigabe durch den behandeln-
Tabelle 2
Postoperativer aktiver / passiver ROM des Handgelenks
nach der Neutral-Null Methode (aktiv entsprach passiv)
Bewegungsrichtungrechte Hand
(dominante Hand)
Extension / Flexion
Pronation / Supination
Radial-, / Ulnarduktion
70 - 0 - 70
70 - 0 - 90
20 - 0 - 30
linke Hand(betroffene Hand)
20 - 0 - 30
30 - 20 - 0
0 - 0 - 20
Abb. 10: Bowersschiene
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Tabelle 3
Verlaufs,- und Abschlussmessungen des aktiven ROM
Bewegungsrichtungrechte Hand
(dominante Hand)
Extension / Flexion
Pronation / Supination
Radial-, / Ulnarduktion
70 - 0 - 70
70 - 0 - 90
20 - 0 - 30
linke Hand Nov. 2014Anfangsbefund
linke Hand Dez. 2014Zwischenbefund
linke Hand Feb. 2015Abschlussbefund
20 - 0 - 30 50 - 0 - 45 55 - 0 - 50
30 - 20 - 0 30 - 0 - 25 80 - 0 - 70
0 - 0 - 20 20 - 0 - 35 20 - 0 - 35
Abb. 11: Anfangsbefund Extension
Abb. 12: Anfangsbefund Flexion
Abb. 15: Pro-Supinationsbogen aus der neurokognitiven Therapie
Abb. 13: Anfangsbefund Pronation
Abb. 14: Anfangsbefund Supination
den Handchirurgen konnte mit der
Kräftigung der/des linken Hand/Ar-
mes begonnen werden. Dafür eigne-
ten sich therapeutische Medien wie
verschieden schwere Hanteln (0,5 kg
bis 3 kg) als auch ein Theraband, ein
Flexistab oder der Hand-Helper gut
zur Stabilisierung des Handgelenkes
und zum Kraftaufbau. Diese Übun-
gen waren neben der Dehnung, auch
das häusliche Trainingsprogramm des
jungen Mannes, welches er gewis-
senhaft absolvierte.
Ergänzend zur „klassischen“ Hand-
therapie wurden Übungen der neuro-
kognitiven Therapie verwendet.
Strukturelle Veränderungen durch
traumatische Verletzungen und gege-
benenfalls lange Immobilisation füh-
ren nachweislich nicht nur zu Verän-
derungen auf Struktur- und Funk-
tionsebene, sondern auch zu kortika-
len Veränderungen im Gehirn. Über
Erkennungsprozesse mit fokussierter
Aufmerksamkeit, wie das Erkennen
von Richtung, Distanz, Richtungs-
wechsel und der Gelenkstellung wäh-
rend einer Übung, wird die Reorgani-
sation der betroffenen Extremität im
zentralen Nervensystem (ZNS) unter-
stützt, was das physiologische Be-
wegen erleichtert [4].
Eingesetzt wurde aus der neurokog-
nitiven Therapie der Pro- und Supina-
tionsbogen für die Umwendbewe-
gungen des linken Armes. Dazu
wurde der Unterarm passiv von der
Therapeutin auf vorher besprochene
Positionen des Rundbogens positio-
niert. Herr F. sollte ohne visuelle Kon-
trolle erkennen, in welcher Stellung
sich sein Arm befindet (Abb. 15).
Nach kurzer Zeit (10 Minuten) konnte
Herr F. seinen Unterarm um drei Posi-
tionen (entspricht ca. 20°) weiter
supinieren (aktiv & passiv).
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Nach 30 Behandlungseinheiten konn-
te aufgrund des normalen Handein-
satzes im Alltag und Beruf (DASH 30)
sowie einer sehr guten Verbesserung
der Gelenkbeweglichkeit (Tab. 3) die
handtherapeutische Intervention be-
endet werden.
Schlussfolgerung
Entgegen der üblichen Praxis wurde
als freies Sehnentransplantat die Gra-
cillissehne verwendet. Diese ist auf-
grund ihrer mechanischen Eigen-
schaften sehr gut geeignet, falls die
Sehne des Palmaris longus fehlt.
Nachteilig ist die zweite Entnahme-
stelle an einer weiteren Extremität.
Durch die Ansatzstelle am Knie kön-
nen somit als Komplikation Bewe-
gungseinschränkungen des Knies auf-
treten.
Dieses Fallbeispiel zeigt ein besonders
gutes postoperatives Ergebnis schon
nach relativ kurzer Nachbehandlungs-
zeit. Dies beruht sicherlich auf der
sehr postiven Compliance des Patien-
ten und seiner intensiven Mitarbeit,
was als eine entscheidende Grundla-
ge für einen guten Behandlungsver-
lauf anzusehen ist. Zudem profitieren
die Patienten davon, wenn der Thera-
peut sie intensiv in das therapeuti-
sche Geschehen mit integriert und sie
in ein individuelles häusliches Trai-
ningsprogramm eingewiesen werden.
Wichtig ist auch das Anstreben eines
regelmäßigen Informationsaustau-
sches zwischen Therapeut und be-
handelndem Handchirurg, wie es bei
diesem Patienten der Fall war. Herr F.
profitierte zudem von der Verknüp-
fung der verschiedenen manuellen,
thermischen oder neurokognitiven
Therapiemethoden und Behandlungs-
konzepte, was sich positiv auf den
Heilungsverlauf auswirkte.
Weiterführende Literatur
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ningslehre, Rehabilitation. Sprin-
ger Verlag, Heidelberg: 95-97.
Anzumerken ist, dass eine Verallge-
meinerung der Nachbehandlungser-
gebnisse auf andere Fälle nicht eins
zu eins möglich ist, da viele indivi-
duelle Komponenten (OP, Therapeut,
personenbezogene Faktoren des
Patienten, Umwelt) sich fördernd
oder hemmend auf den Genesungs-
prozess auswirken können. Das the-
rapeutische Vorgehen kann jedoch
eine Strukturierungshilfe innerhalb
der handtherapeutischen Nachbe-
handlung nach Stabilisation des dista-
len Radioulnargelenkes darstellen.
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13Zeitschrift für Handtherapie 1/2015
Korrespondenzadressen:
Johanna IsmaierPraxis für Ergotherapie FelzmannOttobrunner Straße 1a82008 Unterhaching / Mü[email protected]
Johanna Ismaier
Dr. med. Christian Kindler
Autoren
Beruflicher Werdegang
07/2006 Staatsexamen zur Ergotherapeutin, Erlangen
08/2006 - 04/2007 angestellte Ergotherapeutin, Praxis für Ergotherapie, Adelsdorf
04/2007 - 12/2010 fachliche Leitung, Praxis für Ergotherapie, Gräfenberg
12/2010 zertifizierte Handtherapeutin der Akademie für Handrehabilitation (AfH)
seit 01/2011 Praxis für Ergotherapie / handtherapeutische SchwerpunktpraxisDAHTH Felzmann, Unterhaching/München,seit 03/2013 fachliche Leitung
03/2012 Bachelor of Health in Occupational Therapy, Hogeschool Zuyd,Heerlen (Niederlande)
seit 06/2013 Mitglied im erweiterten Vorstand des Vereins für kognitiveRehabilitation e.V. (VFCR)
seit 04/2014 Regionalgruppenleiterin der DAHTH in München
seit 10/2014 2. Vorsitzende der Deutschen Arbeitsgemeinschaft fürHandtherapie e.V. (DAHTH)
12/2014 Handtherapeutin DAHTH
Lebenslauf
07/2003 – 06/2005 Department Chirurgie, Kantonspital Olten (Schweiz)
07/2005 – 08/2008 Orthopädie, Schön Klinik München Harlaching
09/2008 – 02/2010 Unfallchirurgie, RoMed Klinikum Rosenheim
Seit 05/2010 Zentrum für Hand- und Ellenbogenchirurgie, Mikrochirurgie und
Plastische Chirurgie, Schön Klinik München Harlaching
09/2010 Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
11/2013 Zusatzbezeichnung Handchirurgie
04/2013 Funktionsoberarzt
04/2014 Oberarzt
Dr. med. Christian KindlerZentrum für Hand- und Ellenbogenchirurgie,Mikrochirurgie und Plastische ChirurgieSchön Klinik München-HarlachingHarlachinger Straße 5181547 Mü[email protected]
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