20170819 MM 13 MM-MITTE 2 - Burg Guttenberg · 2019. 10. 16. · Klasse die Folterkammer erklärt....

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  • ZEIT-REISE 13SAMSTAG19. AUGUST 2017

    Landmarke und Blickfang: Die Burg Guttenberg liegt hoch über den Neckartal. Im 13. Jahrhundert errichtet, wurde sie nie zerstört. Seit 1449 ist sie im Besitz der Familie von Gemmingen. BILD: BACKES

    Richtschwert, Henkersaxt und Fesseln inder „Folterkammer“. BILD: BACKES

    Den Marienaltar stahlen Diebe 1976 ausder Burgkapelle. BILD: BACKES

    Keine Angst vor Raubvögeln: Silke von Gemmingen mit einem Tier, das in derGreifvogelwarte auf der Burg seine Heimat hat. BILD: PRIVAT

    Der Privatfriedhof der Familie liegt unterhalb der Burg unweit der Kapelle, die gegenEnde des 15. Jahrhunderts errichtet wurde. BILD: BACKES

    Ein Hort der ReformationDie hoch über dem Neckar gelegene Burg Guttenberg blieb von Zerstörungen verschont. Die Freiherren von Gemmingen investieren viel

    Zeit und Geld, um die spektakuläre Anlage zu erhalten.

    VON KLAUS BACKES

    Silke Freifrau von Gemmingen lebtmit ihrer Familie auf Guttenberg, ei-ner nie zerstörten Burg hoch überdem Neckar. Viele dürften sie darumbeneiden. Doch so einfach ist esnicht. Einerseits: „Es ist eine schöne,sinnvolle und abwechslungsreicheAufgabe, die Burg zu erhalten, alsoein Privileg“, erzählt die Freifrau. An-dererseits: „Es ist eine Riesenaufga-be, und man lebt auf einer Dauer-baustelle. Dass in diesem Jahr malkein Gerüst steht, ist eine Ausnah-me.“

    Eine teure Dauerbaustelle, in diesämtliche Einnahmen aus dem Tou-rismus fließen. Die Erhaltung desStammsitzes – das war auch derGrund, weshalb die Adelsfamilie be-reits in den 1950er Jahren ihre Burgfür Besucher geöffnet hat. Der Le-bensunterhalt kommt dagegen ausden Erlösen des familieneigenenHolzfachhandels, in dem auch Holzaus dem rund 400 Hektar großenWaldbesitz vermarktet wird.

    Familie führt BesucherDie Privaträume der Familie bleibenBesuchern verschlossen. Doch dieGemmingen schotten sich nicht ab –im Gegenteil. „Mein Mann, andereFamilienmitglieder und ich machendie Führungen. Es ist einfach au-thentischer“, erläutert die Freifrau,die bei unserem Besuch gerade einer7. Klasse die Folterkammer erklärt.Ein Mädchen deutet auf die Abbil-dung, die einen Mann auf der Streck-bank und seine Peiniger zeigt: „Waskriegt der in den Mund?“ Silke vonGemmingen: „Im besten Fall Was-ser, im schlimmsten Fall den‘Schwedentrunk“, also Gülle.“ Diegute alte Zeit.

    Seit 1449 sitzt die Familie vonGemmingen auf Guttenberg. Dochdie Anlage ist älter, wie der Burgen-freund leicht erkennt: Im 2. Vierteldes 13. Jahrhunderts dürften Berg-fried und Schildmauer entstandensein. Aus dem Spätmittelalter stam-men Ringmauern und ein Wohnbau,

    weitere Gebäude aus dem Barock.Bauherren sind wohl die Herren vonWeinsberg, ihre Auftraggeber die Bi-schöfe von Worms, denen Grundund Boden gehört.

    1449 stecken die Weinsberger infinanziellen Problemen und verkau-fen die Burg an Hans von Gemmin-gen. Der hat Katharina Landschadvon Steinach geheiratet, die viel Geldmit in die Ehe bringt, das nicht nurfür den Erwerb, sondern auch für ei-nen Ausbau der Anlage reicht.

    Der Kaiser greift einBereits 1521 zählen die Gemmingenzu den Anhängern der Reformation,was den Lehnsherren, den Bischö-fen von Worms, natürlich überhauptnicht gefällt. Die Burg entwickeltsich zu einem Zentrum der Lehre Lu-thers am Neckar. Viele verfolgtePfarrer finden hier Zuflucht. Johan-nes Brenz, der Reformator Württem-bergs, ist ein Freund der Familie.Kaiser Karl V. nimmt an all dem An-stoß. Bei einem Gespräch in Heil-bronn versucht er, die Gemmingenfür den Katholizismus zurückzuge-winnen. Vergebens. Die Brüder Die-trich, Wolf und Philipp sollen geant-wortet haben: „Es täte ihnen herzlichleid, seine Kaiserliche Majestät alsihr nächst Gott oberstes Haupt zubetrüben oder etwas zuwider han-deln, so wollen sie doch solches ehertun, als Gott zu erzürnen und seinereine Lehre abschaffen.“

    Das 16. und vor allem das 17. Jahr-hundert gilt als Epoche der Kriege.Die Gemmingen müssen einen äu-ßert regen Schutzengel gehabt ha-ben. Zahllose Heere ziehen vorbei,aber die Burg wird nie zerstört. Gele-genheiten hätte es genug gegeben:Bauernkrieg (1524/25), der Dreißig-

    jährige Krieg (1618 bis 1648), derPfälzische Erbfolgekrieg (1688 bis1697), dem unter anderem Heidel-berg und Speyer zum Opfer fallen,und etliche andere mehr.

    Einmal aber dürfte es ganz knappgewesen sein: 1622 tobt wenige Kilo-meter von Guttenberg entfernt dieSchlacht bei Wimpfen. Die Truppen

    des kaiserlichen Feldherrn Tilly tre-ten gegen die des Markgrafen vonBaden an. Insgesamt nehmen etwa36000 Mann an dem Gemetzel teil,von denen rund 5000 fallen. Dass diekatholischen Sieger die protestanti-sche Burg verschonen, grenzt an einWunder. Oder sollten da Geldzah-lungen im Spiel gewesen sein?

    Es kommen friedlichere Zeiten.Guttenberg wird umgebaut, wohnli-cher gemacht. Aber ihren Wehrcha-rakter bewahrt die Burg. Kurzzeitigarbeitet der jung verstorbene Dich-ter Wilhelm Hauff (1802 bis 1827) alsHauslehrer auf Guttenberg, wasSpuren in seinen Werken hinterlässt.

    Ein Besuch der Burg ist ein Spa-ziergang durch die Jahrhunderte.Denn alle Generationen ihrer Besit-zer haben bauliche Spuren hinter-lassen. In den für Besucher zugäng-lichen Räumen ist ein Museum zumThema „Leben auf der Ritterburg“eingerichtet. Auch viele Gegenstän-de aus Familienbesitz zählen zu denExponaten. Besonders interessant:die seltene Holzbibliothek, die einAlter von rund 230 Jahren aufweist.In den 93 hölzernen Kästchen liegenZweige, Blätter und anderes mehrvon der jeweiligen Baum- oderStrauchart.

    Eine besondere Geschichte ha-ben die beiden um 1480 entstande-nen Altäre. Sie stehen fast 500 Jahrelang in der Kapelle, die unterhalb derBurg liegt und nach einem etwa fünf-minütigem Spaziergang erreichtwird. Dann stehlen 1976 Diebe denMarienaltar, werden aber in Mann-heim erwischt. Aus Sicherheitsgrün-den ziehen danach beide Altäre insBurgmuseum um. Die Kapelle istverschlossen. Trotzdem lohnt einBesuch, denn außerhalb des Bau-werks stehen alte Grabdenkmäler.Und hier befindet sich der Familien-friedhof der Gemmingen.

    Dass die Altäre überdauert ha-ben, zeigt auch: Die Burgherren sindzwar überzeugte Protestanten, aberkeine Eiferer. Sonst wären die Altärezu Brennholz verarbeitet worden,ein Schicksal, das Bilderstürmer vie-

    len Kunstwerken bereitet haben. EinRaum bietet Informationen über dieGerichtsbarkeit in alten Zeiten. EineStreckbank erinnert an unsäglicheFoltermethoden, Richtschwert undHenkersbeil daran, dass die Burg-herren Inhaber der Hohen Gerichts-barkeit waren, also auch Todesstra-fen verhängen durften.

    Weiße Frau ging umDass zum Inventar einer alten Burgein Geist zählt, dürfte nicht überra-schen. Es soll sich um eine weißeFrau handeln. Sie gehört nicht zuden Schreckgespenstern, sondernzu den eher freundlichen Vertreternder Gattung. Fleißigen Mägden, soerzählt die Sage, soll sie bei der Ar-beit geholfen haben. Mit der Zeit fälltauf, dass die weiße Frau immer in ei-ner Ecke des Waschraums ver-schwindet. Der Schlossherr befiehlt,an der Stelle zu graben, wobei dieSkelette einer Frau und eines Kindesgefunden werden. Nachforschun-gen ergeben, dass die Frau ihrenNachwuchs getötet hatte und beidean dieser Stelle verscharrt wordenwaren. Nach dem Begräbnis auf demFriedhof hat niemand mehr denGeist gesehen.

    Trotz aller Mühen sollte der Auf-stieg auf den 40 Meter hohen Berg-fried nicht gescheut werden. Dennvon hier bietet sich ein grandioserBlick über das Neckartal und auf dieHänge des Odenwalds. Zu den At-traktionen zählt auch die berühmteGreifvogelschau. Adler und Geierzeigen ihre Flugkünste. Und es istschon ein spezielles Gefühl, wenndie respekteinflößenden Tiere imZentimeterabstand über die Köpfeder Zuschauer gleiten. Dass es dieFalkner zudem verstehen, das Ganzeunterhaltsam zu gestalten und mitinteressanten Informationen zuwürzen, erhöht den Reiz.

    Seit rund 570 Jahren befindet sichGuttenberg nun im Besitz der Fami-lie. Ob es noch lange so bleibt? Silkevon Gemmingen möchte keinePrognose wagen: „Wie es mit unse-ren Kindern ist, wissen wir nicht.“

    INFORMATIONEN ZUR BURG GUTTENBERG IM NECKARTAL

    Kleingruppe: 75 Euro), Schulklas-se:vier Euro (Mindestpreis Klein-gruppe: 60 Euro), Kindergarten-Gruppe:drei Euro (MindestpreisKleingruppe: 60 Euro.

    Flugvorführungen der Greifvogel-warte: April bis Oktober 11 und 15 Uhr(bei jedem Wetter). Informationenüber Eintrittspreise und Kombiti-ckets (Museum und Flugschau)unter https://museum.burg-gutten-berg.de

    Kontakt: Rufnummer 06266-388,museum@burg-guttenberg.de.

    Literatur: Christoph Frhr. v. Gemmin-gen-Guttenberg: Leben auf der Ritter-burg. Ein Burgmuseumsführer durchdie Geschichte der Burg Guttenbergund ihrer Bewohner von der Ritterzeitbis in die Gegenwart, 1998. G. UlrichGroßmann, Hans-Heinrich Häffner:Burg Guttenberg am Neckar, VerlagSchnell & Steiner, 2007. kba

    renpersönlichdurchgeführtund sindganzjährig (auch außerhalb der Öff-nungszeiten) nach Absprache mög-lich. Gruppenpreise: (die Erlebnis-führung durch das Burgmuseumumfasst alle fünf Ausstellungsräumeund dauert rund eine Stunde. ImAnschluss besteht die Möglichkeit,den Bergfried erklimmen.) Erwach-sene:sechs Euro (Mindestpreis

    Fahrzeit: etwa 1 Stunde

    Öffnungszeiten und Preise: VonApril bis Oktober ist das Museumtäglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, vonNovember bis März nur auf Anfrageoder an besonderen Tagen, die Sieauf der Startseite aufgelistet finden.Eintrittspreise Burg (ohne Greifvo-gelschau): Die Eintrittskarte umfasstdie Besichtigung des Museums unddes Burgturms. Erwachsene: fünfEuro, Kinder (fünf bis 16 Jahre):vierEuro, Familien: 14 Euro (der vergüns-tigte Preis für Familien kann für maxi-malzwei Erwachsene und drei Kindergenutzt werden. Abvier Kindern gibtes dann den vergünstigten Preis fürFamilien, allerdings nur unter Vor-lage des Landesfamilienpasses.Gruppen (ab 15 Personen): Erwach-sene: vier Euro, Kinder (5 – 16 Jah-re):drei Euro.

    Führungen durch das Museum:Führungen werden von den Burgher-

    Anfahrt von Mannheim: Auf derA656 in Richtung Heidelberg, amAutobahnkreuzMannheimaufdieA6in Fahrtrichtung Stuttgart. AusfahrtBad Rappenau nehmen und weiter inRichtung Bad Rappenau/Bad Wimp-fen/Schwaigern, Nach etwas mehrals einem Kilometer links abbiegenauf die L 1107 (Bad Rappenau/BadWimpfen/Bonfeld/ Siegelsbach.Geradeaus auf L 549. Rechts abbie-gen auf Babstadter Straße und nachBad Rappenau hinein, den Kreisver-kehr passieren. Weiter auf Heinshei-mer Straße. Im Kreisverkehr zweiteAusfahrt nehmen, um auf Heinshei-mer Straße zu bleiben. Weiter aufMayerhof, dann auf Ehrenbergstraßeund dann auf K2148. Liks abbiegen.Weiter auf Ortsstraße, dann aufBurgstraße. Eingabe in Navi: Burg-straße 1, 74855 Haßmersheim.

    Entfernung von Mannheim:etwa 76Kilometer

    Neckar

    MosbachMosbach

    Bad RappenauBad Rappenau

    GundelsheimGundelsheim

    27

    27292

    MM-Grafik

    1 km

    Burg Guttenberg