Adaptive Modelle für die Kraftfahrzeugdynamik ||

Post on 24-Dec-2016

248 views 6 download

Transcript of Adaptive Modelle für die Kraftfahrzeugdynamik ||

C.Halfmann • H. Holzmann

Adaptive Modelle für die Kraftfahrzeugdynamik

Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH

Engineering ONLINE LlBRARY

http://www.springer.de/eng ine-de/

Christoph Halfmann • Henning Holzmann

Adaptive Modelle für die Kraftfahr­zeugdynamik

Mit 126 Abbildungen

i Springer

Dr.-Ing. Christoph Halfmann EvoBusGmbH Abteilung E/EE HPCB28 68301 Mannheim e-mail: christoph.halfmann@evobus.com

Dr.-Ing. Henning Holzmann AdamOpelAG International Technical Development Center IPC 81-54 65423 Rüsselsheim e-mail: henning.dr.holzmann@de.opel.com

ISBN 978-3-642-62115-4 ISBN 978-3-642-18215-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-18215-0

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über hUp:/Idnb.ddb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Gren­zen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechts gesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungs­pflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

http://www.springer.de

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2003 Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg NewYork 2003

Softcover reprint ofthe hardcover 1st edition 2003 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität überneh­men. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen.

Satz: Gelieferte Daten der Autoren Einbandgestaltung: Struve & Partner, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3020/M - 5 4 3 2 1 0

Vorwort

Zukünftige Entwicklungen auf dem Gebiet der modellbasierten Regelung und Di­agnose im Kfz.-Bereich setzen sehr genaue, echtzeitfähige Simulationsmodelle derKraftfahrzeugdynamik voraus. Um möglichst optimale Simulationsergebnisse zuerzielen, ist eine automatische Adaption der Modelle an Veränderungen von Fahr­zeugparametern oder Umgebungsbedingungen notwendig. In diesem Buch wirdgezeigt, dass es durch die Kombination eines physikalischen Fahrzeugmodells mitParameterschätzverfahren, Neuronalen Netzen und Beobachterverfahren möglichist, die Simulationsqualität eines solchen adaptiven Fahrzeugmodells gegenüberkonventionellen Kfz.-Simulationsmodellen signifikant zu verbessern. Die Vorteiledes adaptiven Modellkonzepts werden an mehreren praktischen Anwendungsbei­spielen aufgezeigt.

Als Basis für das adaptive Fahrzeugmodell werden zunächst die wesentlichenZusammenhänge der physikalischen Modellbildung eines Kraftfahrzeugs be­schrieben. Das entwickelte physikalische Fahrzeugmodell wird anschließend inden Kontext allgemeiner Verfahren zur Modellbildung technischer Systeme ein­geordnet. Darauf aufbauend werden im Rahmen eines adaptiven Modellkonzeptsverschiedene Möglichkeiten herausgearbeitet, um das physikalische Fahrzeugmo­dell an Veränderungen von Parametern oder Umgebungsbedingungen anzupassen.Nach einer Einführung in die theoretischen Grundlagen der verwendeten Adapti­onsverfahren wird die Kopplung der Adaptionsverfahren mit dem physikalischenFahrzeugmodell dargestellt. Anhand praktischer Anwendungsbeispiele werden dieVorteile der entwickelten Verfahren herausgearbeitet. Abschließend wird auf dieEchtzeitimplementierung des adaptiven Modellkonzepts im realen Versuchsfahr­zeug eingegangen. Hierbei wird besonderer Wert darauf gelegt , dass die entwi­ckelten adaptiven Modelle einen möglichst optimalen Kompromiss zwischen Si­mulationsgüte und Implementierungsaufwand darstellen und somit in der Ent­wicklung zukünftiger Fahrzeuge einsetzbar sind.

Das Buch richtet sich an Fachleute mit theoretischem Hintergrund aus den Ge­bieten Fahrzeugtechnik, Mechatronik, Regelungstechnik, Systemdynamik und Si­mulationstechnik. Sehr interessant dürfte es insbesondere für Ingenieure im Be­reich der Automobilentwicklung sein. Die Konzepte zur adaptiven Modellbildungsind allerdings auch auf andere technische Disziplinen außerhalb der Fahrzeug­technik übertragbar. Ebenfalls geeignet ist das Buch f1ir Wissenschaftler auf demGebiet der Sirnulationstechnik, da es neue Ansätze zur Adaption von Modellenbeschreibt. An Universitäten kann das Buch im Hauptstudium als Grundlage fürFachvorlesungen auf den Gebieten Fahrzeugdynamik, Mechatronik und Simulati­onstechnik eingesetzt werden.

VI Vorwort

Das vorliegende Buch entstand auf der Basis mehrerer Forschungsarbeiten, dieam Institut für Automatisierungstechnik an der Technischen Universität Darmstadtin Kooperation und mit Unterstützung der Adam OPEL AG durchgeführt wurden.Besonders danken möchten die Autoren dem Institutsleiter, Herrn Prof. Dr.-Ing.Dr. h.c. R. Isermann für die Betreuung der Forschungsarbeiten, die angenehmeZusammenarbeit sowie die Anregung zur Veröffentlichung dieses Buches.

Den Mitarbeitern der Abteilung Vorausentwicklung Elektronik der AdamOPEL AG, insbesondere den Herrn Dipl.-Ing. C.D. Hamann, Dipl.-Ing. N. Simm,Dipl.-Ing. D. Baum, Dipl.-Ing. M. Jacobs und Dr.-Ing. N. Wagner danken wir fürdie finanzielle und fachliche Unterstützung der Forschungsvorhaben, die Bereit­stellung der Versuchsfahrzeuge sowie die Geduld und Ausdauer während derzahllosen Messfahrten, die wir gemeinsam durchgeführt haben.

Viele der Methoden, Untersuchungen und Ergebnisse wurden im Rahmen vonzahlreichen Studien- und Diplomarbeiten am Institut für Automatisierungstechnikder TU Darmstadt seit 1995 erarbeitet. Die Verfasser möchten den beteiligten Stu­denten herzlich für ihre Mitarbeit danken.

Weiterhin gilt unser Dank den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am In­stitut für Automatisierungstechnik für das ausgezeichnete Arbeitsklima . Besondershervorheben möchten wir Herrn Dr.-Ing. Oliver Nelles, Frau Dr.-Ing. SusanneTöpfer und Herrn Dr.-Ing. Mihiar Ayoubi, ohne deren Grundlagenarbeiten derAufbau des beschriebenen adaptiven Kraftfahrzeugmodells nicht möglich gewe­sen wäre.

Des weiteren möchten wir uns bei den Herren Dipl.-Ing. M. Kochern und Dipl­Ing. K. Spreitzer sowie Herrn Prof. Dr.-Ing. F. Holzmann herzlich bedanken, diedurch das Korrekturlesen wesentlich an der Entstehung des Buches beteiligt wa­ren. Schließlich gilt der Dank der Autoren dem Springer-Verlag für die Herausga­be des Buches.

Weinheim und Wiesbaden, im März 2003 Christoph HalfmannHenning Holzmann

Inhaltsverzeichnis

Symbolverzeichnis XI

1 Einleitung und Übersicht 11.1 Fokus des Buches 31.2 Gliederung 6

2 Simulation im Automobilbereich 92. 1 Einsatzgebiete von Simulationsverfahren 9

2.1.1 Spezifikation 112.1.2 Konstrukt ion 112. 1.3 Virtuelle Produktentwicklung 122.1.4 Rapid Prototyping J32.1.5 Prototypen 152. 1.6 Serienfahrzeug 152.1.7 Fertigung 162.1.8 Modellpflege 16

2.2 Modeme Simulationswerkzeuge 162.2. 1 Allgemeine Simulationswerkze uge 172.2.2 Automobilspezifische Simulationswerkzeuge 19

2.3 Zusammenfassung 19

3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik 213.1 Aufbau und Struktur des Fahrzeugmodells 213.2 Stellsysteme im Kraftfahrzeug 23

3.2.1 Antrieb 233.2.2 Bremse 283.2.3 Lenkung 31

3.3 Bewegung der Reifen und Räder 333.3.1 Rotatorische Bewegun gen der Räder 343.3.2 Tran slatorische Bewegungen der Räder 36

3.4 Fahrzeugbewegung parallel zur Fahrbahnoberfläche 423.5 Bewegung der Fahrzeugkarosser ie 443.6 Relativbewegung zwischen Rädern und Karosserie 463.7 Zusammenfassung 51

VIII Inhaltsverzeichnis

4 Parametrierung des Fahrzeugmodells 534. I Klassifikation der Modellparameter 534.2 Identifikation zeitvarianter Fahrzeugparameter 57

4.2.1 Offline-Schätzung der Fahrzeugmasse aus Fahrversuchen 604.2.2 Direkte OnIine-Schätzung der Fahrzeugmasse im Fahrbetrieb 634.2.3 Indirekte OnIine-Schätzung der Fahrzeugmasse 67

4.3 Zusammenfassung 75

5 Offline-Implementierung undValidierung des Fahrzeugmodells 775.1 Offline-Implementierung des Fahrzeugmodells 775.2 VaIidierung des Fahrzeugmodells 79

5.2.1 Validierung des Modells der Horizontaldynamik 805.2.2 Validierung des Modells der Vertikaldynamik 87

5.3 Fehlerquellen in der Simulation 895.3.1 Strukturelle Modellfehler 905.3.2 Parametr ische Modellfehler 915.3.3 Auswirkungen von Modellfehlern auf die Simulation 925.3.4 Ansätze zur Reduktion von Modellfehlern 93

5.4 Zusammenfassung 93

6 Hybride Modellbildung 956.1 Grundlagen der Systemanalyse 956.2 Einordnung des Begriffs "Hybrides Modell" 976.3 Strukturen semiphysikalischer Modelle 99

6.3.1 Ersetzen von Teilkomponenten physikalischer Modelle 1006.3.2 Kopplung von physikalischen und experimentellen Modellen 100

6.4 Experimentelle Modellbildun g von Teilsystemen 1056.4.1 Darstellungsformen nichtIinearer statischer Kennfelder 105

6.5 Modell ierung dyn. nichtIinearer Systeme mit Neuronalen Netzen 1146.5.1 Neuronale Netze mit externer Dynamik 1146.5.2 Neuronale Netze mit interner Dynamik 124

6.6 Zusammenfassung 128

7 Ersetzen von Teilsystemen des Fahrzeugmodells 1297.1 Identifikation des Verbrennungsmotors 129

7.1.1 Einsatz von Polynomen 1317.1.2 Einsatz von Neuronalen Netzen 1347.1.3 Einsatz von Fuzzy-Identifikationsverfahren 1367.1.4 Vergleich der Verfahren 138

7.2 Identifikation der Radaufhängung 1407.3 Identifikation der Wankd ynamik 1467.4 Struktur des semiphysikalischen Fahrzeugmodells 1557.5 Zusammenfassung 157

Inhaltsverzeichnis IX

8 Kopplung physikalischer und experimenteller Modelle 1598.1 Adaption des Fahrzeugmodells an veränderliche Fahrzeugmassen 160

8.1.1 Struktur des Hybriden Modells 1608.1.2 Train ing des Hybriden Modells 1628.1.3 Generali sierung des Hybriden Modells 163

8.2 Adaption des Fahrzeugmodells an veränderliche Fahrbahnre ibwerte 1668.2.1 Struktur des Hybriden Modells 1668.2.2 Training des Hybriden Modells 1678.2.3 Generalisierung des Hybriden Modells 169

8.3 Zusammenfassung 173

9 Beobachtung externer Fahrwiderstände 1759.1 Grundlagen nichtlinearer Zustandsbeobachter.. 1759.2 Nichtlineare Zustandsbeobachter mit zeitvarianterFehlerdifferentialgleichung 178

9.2.1 Struktur des nichtlinearen Beobachters 1789.2.2 Analyse der Beobachtbarkeit des Systems 181

9.3 Entwurf eines Beobachters für die Fahrbahnsteigung 1829.3.1 Struktur des Beobachters 1829.3.2 Beobachtbarkeitsanalyse des Systems 1839.3.3 Berechnun g der zeitvarianten Beobachtermatrix 184

9.4 Ergebnisse der Beobachtung der Fahrbahnsteigung 1869.5 Zusammenfassung 189

10 Implementierung des Fahrzeugmodells 19110.1 Echtze itimplementierung des Fahrzeugmodells 191

10.1.1 Hardware 19110.1.2 Software 194

10.2 Ergebni sse der Echtzeitsimulation 19610.3 Visualisierung der Simulationsergebnisse 199

10.3.1 Koordinaten systeme der Fahrzeugbewegung 19910.3.2 Transfonnation der Koordinaten systeme 20210.3.3 Darstellung der Fahrzeugbewegung in RealMotion 208

10.4 Zusammenfassung 209

11 Anwendungsbeispiele des Fahrzeugmodells 21111.1 Dynamisches Übergangsverhalten 21111 .2 Charakteristische Übertragungsfunktionen 21811.3 Zusamm enfassung 224

12 Zusammenfassung 227

Literatur 231

Sachverzeichnis 243

Symbolverzeichnis

Lateinische Symbole

Symbol

C*ST

CVISK

Cwx, CWy, Cwz

D

Einheit

m

Nm/rad

N/m

Nm/rad

Nm/rad

m

Ns/m

N

Bedeutung

Querschnittsfl äche des Bremsbelages ,der Brernsleitung, des Radbremszylindersund des FahrzeugsHebelarm des Stabili sators

Elastizität der Bremsflüssigkeit

Federsteifigkeit der Lenkun g

Vertikale Federsteifigkeit des Reifens,der Fahrwerksfeder und des Stabilisators

Tors ionssteifigkeit des Stabilisators

Koeffizient der viskosen Lagerreibungan der Radachse

Luftwiders tandsbeiwerte des Fahrzeugsin X-, y- und z-Richtung des fahrzeugfestenKoordinaten systemsKoeffizienten der Reifenkennlinie nachBurckhardt

Kreislaufdurchmesser der Pumpeim Drehmomentwandler

Dämpfungskoeffizient des Reifensund der Radaufhängung

Vertikalkraft der Fahrwerksfeder .des Stoßdämpfer s, des Stabilisatorsund der Radaufhän gung

XII Symbolverzeichni s

FNR N

fRO, fRb fR4 -, slm,S4tm4

Fs, FN N

FT N

FXF, FyF, FXR, FYR N

Fwx, Fwy, Fwz N

FZF, Fzp N

g m/s2

hNA, hwA, hsp m

iD, iG, iLG, iLK, iOES

kAI> kHL,kw

m

IBL m

Iv, IH, INA, Iw m

ffiK , m-, ffiR kg

MA,MB ,MRR Nm

Dynami sche Aufstandskraft eines Rades

Rollwiderstandsbeiwerte des Reifens

Steigun gswiderstandskraft und Neigungs­widerst andskraft der Straße

Trägheitskraft der Fahrzeugkarosserie

Horizontalkraft in x- und y-Richtungdes fahrzeugfesten und des radfestenKoordinatensystemsLuftwiderstand in X-, y- und z-Richtungdes fahrzeugfesten Koordinatensystem s

Zentrifugalkraft und Zentripetalkraftdes Fahrzeugs

Erdbeschleunigung

Höhe der Nickachse , der Wankachseund des Fahrzeugschwerpunkts über derFahrbahnÜbersetzung des Differenti al-,des Automatik- und des Lenkgetriebes,der Lenkkinematik und der LenkanlageVerstärkungsfaktor des anisotropen Reifen s,der Hilfskraftlenkung und der Pumpe imDrehmomentwandlerRadstand des Fahrzeugs

Länge einer Bremsleitung

Abstand vom Schwerpunkt zur Vorder- ,zur Hinter- und zur Nickach se undzum Druckpunkt des LuftwiderstandsMasse der Karosserie, des Fahrzeugs unddes Rades

Antriebs-, Brems - und Reibmomentum die Radachse

Symbo lverzeic hnis XIII

MCOUL Nm Coulombscher Antei l des Reibmomentsan der Radachse

MG Nm Drehmoment an der Abtriebswelledes Automatikgetriebes

ML, MLG, MLZ Nm Lenkradmoment, bezogenes Lenkmomentund Drehmoment des Lenkzw ischen hebels

MMOT, MM,MN Nm Statisches Motorrnomen t, Kurbelwe llen-moment und Lastmoment durch Neben-aggregate

Mp,MT Nm Drehmoment der Pumpe und der Turbinedes Drehmomentwandlers

MRVR, MRVL Nm Rückste llmomen t des rechten bzw. linkenVorderrades

M' sT Nm Torsionsmoment des Stabilisators

nG, nKON,ßR m Gesamtnachlauf, konstruktiver Nachlaufund Reifennachlauf des Rades

PB, PBL, PDK, PR, PSK, PRZ N/m2 Druck im Hauptbremszylinder, in derBrems leitung , im Druckkreis, im Reifen,im Schwimmkreis und im Radbre mszylinder

rKUR, rR. m Kurvenradius und dynamis cher Radradius,rL Lenkro llhalbmesser des Rades

rBB m Mittle rer Abstand eines Bremsbelags vonder Radachse

Sv, SH m Spurwei te der Vorder- und der Hinterachse

SYL, SYR, Sill, SHR, SWA m Absta nd vom Schwerp unkt zur Spurvorne links, vorne rechts , hinten links,hinten rechts und zur Wankachse

Yp, VR, VRES, VW, VClIAR mls Übergrundgeschwindigkeit des Fahrzeugs ,des Radaufstandspunktes, der Luft unddes natürlichen Windes und charakte ristischeGeschwindigkeit des Fahrzeugs

XF,Y F m Horizo ntalkoordinaten des Fahrze ugs imfahrzeugfes ten Koordinatensystem

ZK, ZR, Zs m Vertikalkoordinate der Karosserie,des Rades und der Straße

XIV Symbol verzeichnis

Griechische Symbole

Symbo l Einheit

rad

Bedeutung

Schrägla ufwinkel am Rad

ß, 'l' rad

Y,X rad

Öt, ÖtG, Ötz, ÖtvL, ÖtvR rad

~, Ova, ÖtJa rad

L\~(FXR), L\~(FYR), L\~(K) rad

t , (J rad

L\FXR N

L\z m

<p,K rad

AL, x, ARES

f}A rad

IlBB

IlL' Ils, IlRES

Schwimmwinkel und Gierwinkeldes Fahrzeugs

Steigungswi nkel und Neigungswinkelder Fahrbahn

Lenkradwinkel, bezogener Lenkradwinkel,Winkel des Lenkzwischenhebels undkinematische Lenkwinke l des linken unddes rechten VorderradesEinschlagwinkel eines Rades und Vorspur­winkel am Vorder- und am Hinterrad

Dynamischer Radeinschlagwinkel durchUmfangskraftlenken, Seitenkraftlenkenund WanklenkenNachla ufwinkel und Spreizungswinkelder Lenkachse

Horizontale Korrekt urkraftpara llel zur Radebene

Federweg der Radaufhängung

Nick- und Wankwinkelder Fahrzeugkarossetie

Längsschlupf, Seitenschlupf undresultierender Schlupf des Reifens

Öffnungswinkel der Drosselklappe

Reibbeiwert zwischen Bremsbelagund Bremssc heibe

Reibbeiwert in Richtu ng des Längs­schlupfes, in Richtung des Seitensch lupfesund resultierender Reibbeiwert

radis

Symbol verzeic hnis XV

Wirkungsgrad des Differentialgetriebeslind des Automatikgetriebes

Dichte der Luft und des Ölsim Drehmo mentwandler

Massent rägheits moment des Antriebs­strangs, des Differential- und des Automa ­tikgetriebes, der Kardanwelle, des Motors,des Drehmomentwandlers und des RadesMassenträgheitsmoment der Karosserieum die X- , y- und z-Achse des karosserie­festen KoordinatensystemsViskosität der Bremsflüssigkeit

Winkelgeschwindigkeit der Getriebeab­triebswelle, der Kurbe lwelle , des Radesund des Drehmome ntwandlers

Bezeichnungen aus der Systemtheorie, der Parameterschätzung,der Theorie Neuronaler Netze und der Beobachtertheorie

Symbol Bede utung Symbol Bede utung

aj,k Koeffizienten eines alge- Q (" ,) Beobac htbarkeitsmatrixlbraisc hen Polynoms Gewichtungsma trix

c Zentrum einer Gaußsehen T ZeitkonstanteGlocke nkurve

e Eigenwert TK Tschebyscheff-Polynome

e, eik) Fehlervektor To Abtastzeit(analog bzw, zeitdiskret)

f Funktion w, w(k) Gewichtsvektor(analog bzw. zeitdiskret)

F( " ,) Dynamikmatrix x, x(k) Zustandsvektor(analog bzw. zeitdiskret)

f(" ,) Nichtlineare vektorie lle Xo AnfangszustandSystemfunktion

XVI Symbolverzeichnis

h(...) Nichtlineare vektorielle x BeobachterfehlervektorAusgangsfu nktion

h H( · · · ) Hinge Funktion y, y(k) Ausgangs vektor(analog bzw. zeitdiskret)

Einhei tsmatrix Z·d Variab le der z-Transformation

k, Geradensteigung ß Abweichu ng

kH Smoothness-Parameter 11>(..•) Basisfunktion

L(...) Beobachtermatrix y(...) Aktivierungsfunktion

Lt<...) Linearer Differentialope- \PI< Koeffizient en eines orthogo-rator nalen Polynom s

p, p(k) Parametervektor Jl Fuzzy-(analog bzw. zeitdiskret) Zugehörigke itsfunktion

PA Algebraisches Polynom e Parametervektor

Po Orthogonales Polynom (J Standardabweichung einerGauß'schen Glockenk urve

q Zeitlicher Verschiebe-operator

Abkürzungen

Abkürz ung Bedeutung Abkürzung Bedeutung

ABS Antib lockiersystem LOLIMOT Local Linear Model Tree

ACC Adaptive Cruise Control LRGF Local Recurrent GlobalFeedforward

ARX Autoregressive with MIMO Multiple Input Multipleexogenious input Output

Symbolverzeich nis XVII

ASMS Automatisches Stabilitäts- MKS MehrkörpersystemManagement-System

CAD Computer Aided Design MSE Mittlerer quadratischerFehler

CAE Computer Aided Enginee- NN Neuronales Netzring

CAN Controller Arca Network PM Physikalisches Modell

(D)MLP (Dynamisches) PMU Physical Mock-UpMulti -Layer-Perzeptron

DMU Digital Mock-Up PTl, PT2 Verzögerungssystemerster bzw. zweiter Ordnung

DSFI Discrete Square root Filte- RBF Radial-Basis-Funktionring in Information form

DSP Digita ler Signalprozessor (R)LS (Rekurs ive) Methodeder kleinsten Quadrate

ESP Electron ic Stability RTI Real Time InterfaceProgram

FEM Finite Elemente Modell SiL Software-in-the-Loop

FNN Fast Neural Networks TCC Torq ue Converter Clutch

HHT Hinging Hyperplane Tree VDE Verein DeutscherElektro techniker

HiL Hardware-in-the-Loop VDI Verein DeutscherIngenieure

UR Infinite Impulse Response VR Virtua l Reality

ISO International Standardiza- ZVF Zustandsvariablenfiltertion Organisation

1 Einleitung und Übersicht

Die wesentlichen Ziele bei der Entwicklung moderner Kraftfahrzeuge werdenhauptsächlich durch individuelle Kundenwünsche, die Rahmenbedingungen derPolitik, den Stand der technischen Entwicklung sowie die wirtschaftlichen Interes­sen der Automobilindustrie bestimmt. Diese Ziele lassen sich wie folgt zusam­menfassen (Gi ssinger u. Kortüm 1997):

- Erhöhung der aktiven und passiven Sicherheit- Erhöhung des Fahrkomforts- Verbesserung der Produktqualität- Energie- und Kosteneinsparung- Verbesserung der Umweltverträglichkeit- Kostensenkungen in Entwicklung und Produktion.

Darüber hinaus zeichnet sich aufgrund der technischen Möglichkeiten und desstarken Wettbewerbs zwischen den Automobilherstellem um Marktanteile eineTendenz zu immer kürzeren Entwicklungszyklen und größerer Modellvielfalt ab(Balasubramanian u. Winterstein 1998). Um sich dieser Herausforderung zu steI­len und aufgrund der Verfügbarkeit immer leistungsfähigerer Rechnersystemewerden innerhalb des Automobilentwicklungsprozesses verstärkt sog. ComputerAided Engineering (CAE) - Werkzeuge eingesetzt (Großmann 1998).

Neben der Anwendung von Rechnersystemen bei der Entwicklung und Pro­duktion von Fahrzeugen hat auch der Einsatz von Elektronik und Mikrorechnernim realen Serienfahrzeug in den letzten Jahren stark zugenommen. Dies lässt sichzum einen daran ablesen, dass der Anteil der Elektronik am Produktionswert einesAutomobils kont inuierlich gestiegen ist. Nach Studien der VDE/ VDI Gesellschaftfür Mikroel ektronik (VDE 1998) und der Firma Bosch (Klasche 1996) wird derElektronikanteil im Jahr 2005 im Mittel aller weltweit gefertigten Fahrzeuge etwa30% gegenüber 10% im Jahr 1995 betragen. Zum anderen ist der Umfang der inSteuergeräten verwendeten Software ein Indikator für den zunehmenden Einsatzvon immer umfangreicheren algorithmischen Lösungen im Fahrzeug. Bei Getrie­besteuerungen (Aumann et al. 1998) verdoppelt sich beispielsweise der Pro­grammumfang alle drei Jahre (Abb . 1.1.).

Die ständig steigende Leistungsfähigkeit von Rechnersystemen eröffnet dieMöglichkeit zur Implementierung immer komplexerer Algorithmen für diverseSteuerungs-, Regelungs- und Diagnosefunktionen im Kraftfahrzeug (Benninger u.Dieterich 1996) . Hierbei sind insbe sondere modell basierte Ansätze und Technikenimmer weiter auf dem Vormarsch (Beutner et al. 1998) . Aktuelle Beispiele für be-

2 I Einleitungund Übersicht

•••• 0 0 •.. ......

300 . .... ; ..

600 . . . . .: . .

100 ..

....

....

....

........

.. ..

..~ ... ' .

..: .

....

....

.....

...... , :"

....... . . ~ .

........400

o

ClCIII

E:JEE~ 200Clea.

In 500=.

Abb. 1.1. Entwicklung des Softwareumfangs elektronischer Getriebesteuergeräte (1981­2002)

reits in Serienfahrzeugen verfügbare modellbasierte Regelungen sind die Fahrdy­namikregelung ES? (van Zanten et al. 1996 ; Fennel 1998) und die automatischeAbstands- und Geschwindigkeitsregelung ACC (Germann 1997; Winner u. 01­brich 1998) . In einem weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befinden sichauch aktive Fahrwerkregelsysteme, wie z.B. Global Chassis Control (Schwarz u.Rieth 2002), sowie modellbasierte Motormanagementsysteme (Zöller u. Lands­mann 2002).

Eng verbunden mit dem Begriff Modell ist auch der Begriff Simulation. Inner­halb einer Simulation wird versucht, das Verhalten eines realen Systems auf derBasis eines Modells im Rechner möglichst genau nachzubilden (Kramer u. Necu­lau 1998) . Die Einsatzmöglichkeiten von Simulationen im Bereich der Automo­bilentwicklung sind sehr vielfältig, Es ist sowohl möglich, das Verhalten einesGesamtfahrzeugs, z.B. bezüglich seiner Fahrdynamik (Adamski et al. 1998), alsauch das Verhalten einzelner Fahrzeugkomponenten, z.B. des Verbrennungsmo­tors (Weeks u. Moskwa 1995), zu simulieren. Je nach Aufgabenstellung und ge­wünschter Güte der Ergebnisse müssen die Simulationsmodelle mehr oder weni­ger detailliert sein . Die Komplexität der eingesetzten Modelle und der damit ver­bundene Rechenaufwand bestimmt in Kombination mit der verwendeten Rechner­hardware die Auswertegeschwindigkeit des Modells bzw. die Rechengeschwin­digkeit der Simulation (Moser et al. 1999) . Bei der Erstellung eines Simulations­modells ist demzufolge auf einen vernünftigen Kompromiss zwischen Rechenzeitund Modellgüte zu achten.

1.1 Fokusdes Buches 3

1.1 Fokus des Buches

Im Rahmen dieses Buches soll ein möglichst exaktes, aber dennoch echtzeitfähi­ges Modell zur Simulation der Fahrdynamik eines Kraftfahrzeugs entwickelt wer­den. Dieses Modell soll anschließend innerhalb einer prototypischen Implementie­rung online in Versuchsfahrzeugen eingesetzt und erprobt werden .

Durch die Vorgabe der Echtzeitfähigkeit ergibt sich automatisch eine Limitie­rung hinsichtlich des maximalen Rechenaufwands. Daher ist es für die ge­wünschte Anwendung nicht möglich, auf kommerzielle Modelle zur Simulationder Fahrzeugdynamik zurückzugreifen, da es sich hierbei meistens um sehr auf­wändige Modelle handelt, deren Auswertung selbst auf Workstations um ein Viel­faches langsamer als in Echtzeit abläuft.

Die in diesem Buch beschriebene ModelIierung der Gesamtfahrzeugdynamikbasiert auf Ansätzen für Teilmodelle der Fahrzeuglängsdynamik in C (Germann1997) sowie der Fahrzeugquerdynamik unter MATLAB/Simulink (Würtenberger1997). Von diesen ausgehend wird das Gesamtmodell durchgängig in der block­orientierten grafischen Simulationsumgebung MATLAB/Simulink realisiert. DieEntscheidung für diese im Bereich der Regelungstechnik weit verbreitete Simula­tionsplattform (Mendt 1998) resultierte daraus, dass Simulink in Verbindung mitzusätzlichen Entwicklungswerkzeugen der Firma dSPACE zu einer komplettenRapid-Prototyping-Entwicklungsumgebung erweitert werden kann. Mit dieser istes möglich, aus Simulink heraus mit Hilfe eines automatischen Codegenerators C­Code zu erzeugen, der anschließend auf eine Zielhardware der Firma dSPACEheruntergeladen werden kann (Otterbach u. Leinfellner 1999).

Für das Fahrdynamik-Echtzeitsimulationsmodell sind verschiedene Anwendun­gen denkbar. Einerseits ist es damit möglich, im Fahrzeug eingesetzte Regelalgo­rithmen im geschlossenen Regelkreis modellbasiert zu entwerfen oder zu optimie­ren. Ein Beispiel hierfür ist die Optimierung des Beschleunigungsreglers einesACC-Systems im Rahmen der Applikation des Systems auf verschiedene Fahr­zeugtypen (Holzmann et al. 1999).

Andererseits kann ein Simulationsmodell. das schneller als in Echtzeit rechnet,dazu genutzt werden, zukünftige Fahrzustände zu prädizieren. Hiermit wird es inZukunft möglich sein, durch eine geeignete Kombination des Modells mit Navi­gations- und Bildverarbeitungssystemen (Hofmann et al. 1998) vorausschauendeFahrerassistenzsysteme aufzubauen (Hamberger et al. 1996; Mühlenberg 2001) .Falls die vor dem Fahrzeug liegende Fahrbahntrajektorie bekannt ist, wird es mög­lich sein, ausgehend vom aktuellen Fahrzustand mit Hilfe des Modells zu überprü­fen, ob das Fahrzeug über einen Prädiktionshorizont hinweg einen kritischenFahrzustand erreichen wird. Trifft dies zu, können bereits vor dem Eintreten deskritischen Fahrzustands automatisch Maßnahmen getroffen werden, diesen zuvermeiden . Ein Beispiel hierfür wäre eine prädiktive Fahrdynamikregelung, dieeinen gezielten Bremseneingriff schon vor der Detektion eines kritischen Fahrzu­stands durch konventionelle Sensorik einleiten kann.

Die angesprochenen Anwendungen setzen voraus , dass das Fahrzeugmodell inallen denkbaren Fahrsituationen möglichst realitätsnahe Ergebnisse liefert. Ein

4 1 Einleitung undÜbersicht

rein physikalisches Modell der Kraftfahrzeugdynamik mit fester Parametrierungist allerdings nicht in der Lage, dies zu gewährleisten. Kommt es z.B. zu einerVeränderung der Fahrbahnoberfläche oder der Fahrzeugmasse, treten innerhalbdes physikalischen Modells sog. parametrische Fehler auf, die die Simulationser­gebnisse negativ beeinflussen.

Um derartige Veränderungen zu kompensieren und das Modell somit adaptivzu gestalten, wird im Rahmen dieses Buches versucht, spezielle Parameter desphysikalischen Modells, wie z.B. die Fahrzeugmasse. direkt zu bestimmen. Dar­über hinaus wird das physikalische Fahrzeugmodell mit verschiedenen lernfähigenSystemen (Neuronalen Netzen) zu einem sog. Hybriden Modell kombiniert. Alsmögliche Realisierung einer adaptiven Modellstruktur zeigt Abb. 1.2. ein Block­schaltbild des hier vorgeschlagenen Konzepts für ein adaptives Modell zur Fahr­dynamiksimulation. Das adaptive Simulationsmodell kann in fünf Hauptebenenuntergliedert werden:

- Steuerungs- und Regelungsebene- Analyse und Assistenzebene- Adaptionsebene- Simulationsebene- Prozessebene.

Der Hauptbestandteil der Prozessebene ist das Versuchsfahrzeug mit Messwert­erfassung, Hier werden vom Fahrer oder von einem Fahrzeugregelsystem (z.B.ESP, ACC) Stellgrößen vorgegeben. Als Ausgangsgrößen stehen diverse physika­lische Messgrößen zur Verfügung.

In der Simulationsebene oberhalb der Prozessebene befindet sich das physikali­sche Fahrzeugmodell. Hier sind die physikalischen Zusammenhänge der Fahr­zeugdynamik abgebildet. Zusätzlich zu den auch im Versuchsfahrzeug verfügba­ren Eingangsgrößen stehen weitere Eingänge zur Verfügung, die in der Adaptions­ebene bestimmt werden.

Dies sind zum einen zeitvariante Parameter des physikalischen Fahrzeugmo­dells, die im Block Parameterschätzung mit Hilfe konventioneller Parameter­schätzverfahren (lsermann 1992) bestimmt werden. Darüber hinaus werden zu­sätzliche Umweltgrößen, wie z.B. die Fahrbahnsteigung, im Block Beobachterdurch Beobachterverfahren ermittelt. Nichtlineare Teilsysteme des Fahrzeugs, diesich physikalisch gar nicht oder nur sehr aufwändig modellieren lassen, werden inForm von Neuronalen Teilnwdellen in das physikalische Fahrzeugmodell inte­griert. Der Block Korrektur durch Neuronale Netze, der sich ebenfalls in derAdaptionsebene befindet, dient dazu, den Ausgangsfehler des gesamten adaptivenFahrzeugmodells durch Kompensation verschiedener Modellfehler mittels neuro­naler Lernverfahren zu reduzieren.

LI Fokus des Buches 5

Fahrer / I

1 Regelsysteme :~~ -- - 1

,------------------- ,Ste Ilgrößen 1 ~===il

si mulierte

Ausg angs­g rößen

IIIL _III

IIIIr - -------II

rII

IIII1

II

------,I

Korrektur durchNeurona le

Netze

Beobachter

NeuronaleTeilmode lle

HybridesModell

Phys ika lischesFahrzeugs imulationsmodel l

- -- - -- - -~1t;~~~~~~grÖo

1ßenl

f=f'-------------_1-_I

-IIIIIIIIIII

-- - -- ~I III .=.I

I

_:__~'!i!Pti"!~~!~:'7:..e~gm~.:J!!!- _

ÜbergangsfunktionenFrequenzgänge

Fah rzustandserken nung

Zeilkonstan ten n icht mess bareEigenfrequenzen Zus tandsgr öß en

-r-------------------II Umwelt-I größe nI r-::=III . ze itvarianie- - r --- -- - --- -pä~nwl~-- - - - --- - -- - - -- - -

IIIIII

_ _ L _ _ __ ze itvarianie-PMam~~----------------------

(\)"Oe:e:(\);,.0.v~rn e:>.(\)Cöene:'iii<rn<

(\)e(\).0(\)rne:.2Q.l'Il"0<

eh(\)rne:l!lße(\)a.. Sle llgröße n

Versuchsfahrzeug mitMesswerterlassung Mess größen

Abb. 1.2. Struktur des adaptiven Fahrzeugsimulationsmodells

6 I Einleitung undÜbersicht

Da die in der Adaptionsebene angesiedelten Verfahren nicht in allen Fahrsituatio­nen sinnvoll arbeiten können, befindet sich in der Analyse- und Assistenzebeneeine Fahrzustandserkennung. Diese steuert anhand des auf der Basis gemessenerund simulierter Daten ermittelten aktuellen Fahrzustands den Einsatz der Adapti­onsverfahren. Zusätzlich kann die Fahrzustandserkennung bei kritischen Fahrzu­ständen Regelsysteme zur Assistenz des Fahrers einsetzen.

1.2 Gliederung

Nach der Einleitung und Übersicht wird in Kapitel 2 der aktuelle Stand der Tech­nik des Einsatzes von Simulationsverfahren im Automobilbereich beschrieben .Die verschiedenen Einsatzgebiete von Simulationsverfahren bei der Fahrzeugent­wicklung werden einzeln angesprochen, wobei Schwerpunkte auf der virtuellenProduktentwicklung, dem Rapid Prototyping, und dem Einsatz von Simulationenbzw. Modellen im Serienfahrzeug liegen. Weiterhin gibt Kapitel 2 einen Über­blick über die im Automobilbereich verwendeten Simulationswerkzeuge. Dabeiwerden die gängigen Simulationstools in Gruppen eingeteilt und repräsentativeVertreter genannt.

Die Grundlage des in diesem Buch beschriebenen adaptiven Fahrzeugmodellsbildet ein theoretisches Modell der Kraftfahrzeugdynamik, das in Kapitel 3 detail­liert hergeleitet wird. Es umfasst die funktionale Beschreibung der wesentlichenKomponenten des Antriebsstrangs, der Bremsanlage und der Lenkung des Kraft­fahrzeugs sowie die physikalischen Bewegungsgleichungen der Räder und derRadaufhängungen, der Karosserie und des Gesamtfahrzeugs. Das Resultat dertheoretischen Modellbildung ist ein physikalisches Modell des Kraftfahrzeugs inForm von Bilanz- und Zustandsgleichungen, das im Folgenden als Basis für dasadaptive Fahrzeugmodell verwendet wird.

Zur realitätsgetreuen Simulation der dynamischen Bewegung des Fahrzeugs istzunächst eine genaue Parametrierung des physikalischen Fahrzeugmodells not­wendig. Diese wird in Kapitel 4 beschrieben . Zur Strukturierung der Wissensbasisder physikalischen Fahrzeugparameter werden diese zunächst klassifiziert . Dieprimären Kriterien der Klassifikation sind die Abhängigkeit der Parameter von derZeit und den Zustandsgrößen des Fahrzeugs sowie die Geschwindigkeit ihrer zeit­lichen Änderung. Neben der Darstellung des Einflusses der zeitlichen Änderungenbestimmter Fahrzeugparameter auf die Modellgenauigkeit werden Methoden derParameterschätzung aufgezeigt , mit denen sich zeitlich veränderliche Parameteroffline anhand spezieller Fahrversuche und auch online im realen Fahrbetriebbestimmen lassen. Am Beispiel des Parameters der Fahrzeugmasse werden dieverwendeten Methoden der Parameterschätzung ausführlich beschrieben und dis­kutiert. Durch die Kopplung der Schätzalgorithmen mit dem Fahrzeugmodell ent­steht ein parameteradaptives physikalisches Modell des Kraftfahrzeugs.

Zur objektiven Bewertung des parameteradaptiven physikalischen Fahrzeug­modells wird das Modell im Kapitel 5 durch Vergleiche zwischen simuliertenGrößen und realen Messwerten validiert. Zur Validierung der einzelnen Teilsys-

1.2 Gliederung 7

terne des Fahrzeugmodells werden Messdaten aus Testfahrten mit verschiedenenVersuchsfahrzeugen verwendet. Um eine Bewertung der Approximationsgenauig­keit des Fahrzeugmodells über die gesamte Bandbreite der Fahrdynamik hinwegzu ermöglichen, wurden die Horizontal- und die Vertikaldynamik des Fahrzeugswährend dieser Versuchsfahrten gezielt bis an die Grenzen der Fahrstabilität ange­regt. Dadurch werden die Güte aber auch die Grenzen der Simulation der Fahr­zeugdynamik auf der Basis vereinfachter, rein physikalisch motivierter Modelleaufgezeigt. Als Abschluss von Kapitel 5 wird durch das Aufzeigen möglicherFehlerquellen bei der Verwendung eines rein physikalischen Modells die Notwen­digkeit zum Aufbau eines adaptiven Modells begründet.

In Kapitel 6 werden die theoretischen Grundlagen des innerhalb des adaptivenFahrzeugmodells verwendeten Ansatzes der Hybriden Modellbildung behandelt.Es wird versucht , den Stand der Forschung auf diesem relativ jungen Themenge­biet zu beschreiben und Hybride Modelle in den allgemeinen Kontext der theoreti­schen und experimentellen Modellbildung einzuordnen. Anschließend werdenverschiedene Strukturen Hybrider Modelle vorgestellt, die in den späteren Kapi­teln des Buches Anwendung finden . Bei den zwei wesentlichen Ansätzen handeltes sich einerseits um das Ersetzen von Teilsystemen des physikalischen Modellsund andererseits um die Kopplung physikalischer und experimenteller Modelle.Neben der Struktur der Hybriden Modelle werden auch die theoretischen Grund ­lagen der im Rahmen der experimentellen Modellbildung verwendeten Neurona­len Netze beschrieben.

In Kapitel 7 wird der Aufbau eines Hybriden Modells durch Ersetzen von Tei­len des physikalischen Modells durch verschiedene andere Modellformen darge­stellt. Die Verwendung experimenteller Modelle ermöglicht die Beschreibungspezieller Teilsysteme des Kraftfahrzeugs mit nichtlinearer Charakteristik, die sichphysikalisch nur schwer oder gar nicht modellieren lassen. Als Beispiele für der­artige Teilsysteme werden die Identifikation der Charakteristik des Verbren­nungsmotors, der Radaufhängung und der Wankdynamik vorgestellt.

Als zweiter hybrider Modellansatz wird in Kapitel 8 die externe Kopplung desphysikalischen Modells mit lernfähigen Strukturen untersucht. Zunächst werdenhierbei verschiedene Möglichkeiten zur Verschaltung vorgestellt und erläutert.Nach einer Auswahl der für den Anwendungsfall der Kraftfahrzeugsimulation amgeeignetsten erscheinenden Architektur wird anhand von zwei Beispielen dasstarke Verbesserungspotential der eingesetzten Hybriden Modelle demonstriert.

Das Fahrzeugmodell liefert nur dann eine gute Approximation des realen Fahr­zeugverhaltens, wenn die Umwelteinfl üsse. die als Störgrößen auf die hybrideModellstruktur einwirken, bekannt sind und für die Dauer der Simulation als kon­stant angenommen werden können . Im neunten Kapitel wird angenommen, dassdiese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, so dass insbesondere der Einfluss exter­ner Fahrwiderstände mit berücksichtigt werden muss. Die Adaption des Fahr­zeugmodells an diese Umwelteinflüsse geschieht auf der Basis eines Beobachters.Zur Beobachtung externer Fahrwiderstände wird ein nichtlinearer Beobachter fürdie Fahrzeuglängsdynamik implementiert. Diesem Anwendungsbeispiel vorange­stellt ist eine Einführung in die Theorie und den Entwurf nichtl inearer Beobachterim Zustandsraum. Der Beobachter bildet eine Adaptionsebene, in der zeitlich ver-

8 1 Einleitung undÜbersicht

änderliche Umwelteinflüsse berechnet werden, welche dem Fahrzeugmodell alszusätzliche Eingangsgrößen aufgeschaltet werden.

Ausgehend von den zuvor beschriebenen Modellbildungsverfahren wird in Ka­pitel 10 die Implementierung des Kraftfahrzeugsimulationsmodells auf einer echt­zeitfähigen Hardwareplattform vorgestellt. Das Echtzeitsimulationsmodell kannsowohl online im Versuchsfahrzeug als auch innerhalb eines speziellen Laborauf­baus betrieben werden. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt im Regelfall durchdie zeitlichen Verläufe wichtiger fahrdynamischer Größen. Im Rahmen des La­boraufbaus ist es zusätzlich möglich, die Bewegung des Fahrzeugs im Raum mit­tels einer dreidimensionalen Animation zu visualisieren.

Als Beispiel für eine Anwendung des adaptiven Fahrzeugmodells wird in Ka­pitel 11 eine Analyse des Einflusses verschiedener Fahrzeugparameter (Fahrzeug­masse, Reifendruck) auf das Fahrverhalten durchgeftihrt und anhand von Sprung­antworten und Frequenzgängen im Zeit- und im Frequenzbereich dokumentiert.Die aus der Analyse des Fahrverhaltens gewonnenen Erkenntnisse können demFahrer oder den im Fahrzeug implementierten Regelsystemen der Fahrdynamikals zusätzliche Informationen zur Verfügung gestellt werden.

Den Abschluss bilden in Kapitel 12 eine Zusammenfassung der wichtigsten Er­gebnisse und ein Ausblick darauf, in welchen Anwendungsbereichen im Kraft­fahrzeug weitere Verbesserungen durch den Einsatz modellbasierter Simulations­verfahren möglich sind.

2 Simulation im Automobilbereich

Ziel des folgenden Kapitels ist es, einen Überblick über den aktuellen Stand derTechnik beim Einsatz von Simulationsverfahren und modellbasierten Algorithmenin der Automobilindustrie zu geben. Darüber hinaus wird beispielhaft auf einigegängige Softwarewerk zeuge eingegangen, die im Bereich der FahrzeugsimulationAnwendung finden. Abschließend wird die Notwendigkeit des neuen Ansatzes zuradaptiven Echtzeitsimulation der Fahrzeugdynamik abgeleitet , der Thema diesesBuches ist.

2.1 Einsatzgebiete von Simulationsverfahren

Simulationen begleiten heutzutage den kompletten Entwicklungsprozess einesFahrzeugs von der Spezifikation bis hin zur Serienfertigung und Modellpflege(Gissinger u. Kortüm 1997). Ihr Einsatz führt zu deutlichen Verbesserungen imHinblick auf folgende Teilaspekte der Produktentwic klung:

- Verkürzun g der Entwicklungszeit (Göthel u. Fuchs 1998)- Verbesserung der Produktqualität (von der Mühlen 1998)- Beherr schbarkeit zunehmender Komplexität und Vernetzung von Baugruppen

(Kiencke u. Neumann 1998)- Verwendung automatisierter Test-, Diagnose- und Optimierungsverfahren

(Wohnhaas u. Sailer 1997; Moser et al. 1999)- Kostenein sparung (Benninger u. Dieterich 1996).

Eine Kosteneinsparung wird u.a. dadurch erreicht, dass etwaige Fehler bereitsin einem frühen Stadium des Entwicklungsprozesses erkannt und dadurch noch re­lativ einfach und günstig behoben werden können (Krimmel u. Deiss 1998). Da­rüber hinaus ist es möglich, immer größere Teile des aufwändigen Prototypenbausdurch Simulationen zu ersetzen. Welch großes Potential hierin steckt, zeigt einBeispiel aus der Flugzeugindustri e, wo bei der Entwicklung der Boeing 777 sokonsequent mit CAE-Methoden gearbeitet wurde, dass bereits der erste Prototypverkauft werden konnte (Brüning 1998).

Abb. 2.1. stellt allgemein den Ablauf der Entwicklung eines Kraftfahrzeug s ineiner Form dar, wie er heute bei den meisten Automobilherstellem Anwendungfindet. Zur Strukturierung lässt sich dieser Ablauf in drei Phasen, die Spezifika­tions-, die Entwicklungs- und Erprobungsphase sowie die Implem entierungsphaseunterteilen.

10 2 Simulation im Automobilbereich

I11IC0 Spez ifikationi:il~lll • Ideel;::J::.ON 0- • LastenheftGI0-ll)

_ ._ ._ ._ ._ ._ ._ o_ o_ ._ ._~_ ._ ._ ._ o_ ._ ._ o_ o_ ._ ._ o

IKonstruktion· CAD

"CGI tC 11I:::I III

I J::. Virtuellelila.Cl 11I Produktentw icklungCCl:::I C • Virtual Reality (VR )-:::I~.o • Digital Mock-Up (DMU)0- 0!ii +C "-WW

I • Software- in-the-Loop ( SiL)IIII • Automat ische CodegenerierungI

Rapid II • Hardware- in-the-Loop ( HiL)I

Proto- I• _ 0 _._ ._ ._._._ ._._._._ ._.-.- .-.

0 -

I

typing I

~• Fahrversuch• Manuelle Codegenerierung

+Prototyp

I • Fahrversuch11I • SeriensteuergerätecodeClC:::I +"-GI GI-I/l-lll

I Serien -cJ::.~a. fahrzeugGIQ. +oE

I Fertigung

..IModellpflege

Abb. 2.1. Phasen und Einzelschritte im Entwick lungsprozess eines Kraftfahrzeugs

2.1 Einsatzgebiete vonSimulationsverfahren 11

Im Folgenden soll nun - konkret für jeden Teilschritt der Entwicklung - auf dieEinsatzmöglichkeiten von Simulationsverfahren eingegangen werden. Die Be­trachtungen konzentrieren sich dabei auf die Bereiche Virtuelle Produktentwick­lung, Rapid Prototyping und den Einsatz modellbasierter Algorithmen im Serien­fahrzeug .

2.1.1 Spezifikation

Die Spezifikationsphase dient dazu, auf der Basis einer Produktidee ein Lastenheftfür ein zu entwickelndes Fahrzeug zu erstellen. Hierbei wird die früher üblicheverbale Formulierung zunehmend von Software-Lastenheften (Wohnhaas 1997)abgelöst, da sich eine widerspruchsfreie schriftliche Formulierung von Software­Funktionen als zunehmend schwierig erweist (Gerhards 2002).

In einem solchen - oft auch als "ausführbares Lastenheft" bezeichneten - Soft­ware-Lastenheft werden alle Informationen , die das Produkt beschreiben, wie z.B.Geometrie oder funktionales Verhalten in einer rechnerintemen Darstellung ab­gelegt (Beutner et al. 1998). Zur Erstellung einer derartigen produktspezifischenDatenbasis können z.B. moderne Beschreibungssprachen wie SGML , UML, XML(Braun et al. 2000) oder Spezialwerkzeuge zur Erstellung von Lastenheften, z.B.DOORS (Gebhard u. Rappl 2000), verwendet werden.

Darüber hinaus zeichnet sich eine Entwicklung ab, funktionale Zusammenhän­ge mit Hilfe von Simulationswerkzeugen wie z.B. MA TLAB/Simulink (Kokes u.von Querfurth 2001) oder ASCET-SD (von der Beeck et al. 2001) abzubilden . Fürdie Spezifikation ereignisgesteuerter Systeme werden Softwaretools wie Statemateoder Stateflow verwendet (Wohnhaas u. Sailer 1997; Gerhards 2002).

Auf das innerhalb der Spezifikationsphase erstellte Software-Lastenheft kannanschließend in allen weiteren Schritten der Fahrzeugentwicklung zurückgegriffenwerden.

2.1.2 Konstruktion

Der erste Entwicklungsschritt, bei dem die im Rahmen der Spezifikation angelegteDatenbasis verwendet wird, ist die Konstruktion . Sie beschäftigt sich als ersterTeilschritt der Erprobungsphase im Wesentlichen mit der rechnergestützten Ent­wicklung von Bauteilgeometrien mit Computer Aided Design (CAD) - Methoden .

Diese Methoden wurden in den letzten Jahren stark weiterentwickelt, so dasssie heutzutage von einer hochgenauen geometrischen Darstellung eines Einzelteilsbis hin zur vollständigen, integrierten ProduktmodelIierung mit Produkteigen­schaften (Material, physikalische Eigenschaften, Rauminformation , Toleranzdefi­nition,...) eingesetzt werden können (Balasubramanian u. Winterstein 1998). EinBeispiel für moderne Konstruktionstechniken ist die CAD-basierte Entwicklungvon Fahrzeuggetrieben (Moser et al. 1999).

Die im Rahmen der Konstruktion am häufigsten verwendeten Typen von Mo­dellen sind Finite-Elemente-Modelle (FEM) , Mehrkörpermodelle (MKS) und Strö-

12 2 Simulation im Automobilbereich

mungsmodelle (CFD) (Beutner et al. 1998). Sie können im nächsten Schritt desFahrzeugentwicklungsprozesses, der Virtuellen Produktentwicklung, zur virtuel­len Darstellung und Simulation von Produkteigenschaften eingesetzt werden.

2.1.3 Virtuelle Produktentwicklung

Als virtuelle Produktentwicklung bezeichnet man den Prozess der Erstellung einesvirtuellen Prototypen eines Fahrzeugs in einer Rechnerumgebung. Ein solchervirtueller Prototyp wird oft als Digital Mock-Up (DMU) bezeichnet (Brüning1998). Mit einem DMU können diverse Simulationsuntersuchungen durchgeführtwerden, ohne dass ein realer, physikalischer Prototyp (Physical Mock-Up , PMU)aufgebaut werden muss (d' Aprile 1999). Die Aufgabenfelder, in denen Simulatio­nen auf der Basis von DMUs innerhalb der Produktentwicklung eingesetzt wer­den, haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich ausgedehnt (Großmann 1998).

Am Anfang der virtuellen Produktentwicklung stehen die sog. Szenario-Simu­lationen, bei denen versucht wird, die Marktchancen des geplanten Produkts aus­zuloten. Mit Hilfe von photorealistischen Darstellungen (sog. Virtual Reality) derKarosserie sowie des Innenraums und der anschließenden Projektion dieser Dar­stellungen in reale Verkehrssituationen können die Reaktionen potentieller Kun­den ermittelt und analysiert werden (Balasubramanian u. Winterstein 1998).

Schwerpunkte bei der virtuellen Produktentwicklung liegen im Bereich derKomfort- und Sicherheitsanalyse sowie -optimierung der virtuellen Prototypen .Zur Verbesserung der passiven Sicherheit von Kraftfahrzeugen werden Crash­Simulationen auf der Basis von FEM und MKS durchgeführt (Holtzner et al.1998). Das primäre Ziel ist hierbei, unter Einhaltung aktueller Crashrichtlinien,den größtmöglichen Schutz der Fahrzeuginsassen bei verschiedenen Arten vonKollisionen zu gewährleisten. Darüber hinaus werden verstärkt Untersuchungenhinsichtlich der Crash-Kompatibilität zwischen Fahrzeugtypen verschiedenerGröße sowie zwischen Fahrzeugen und Fußgängern durchgeführt (Kramer 1998;Philipps u. Howard 1999).

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt der Sicherheitsanalyse ist die Beurteilungdes Fahrverhaltens virtueller Prototypen (Gissinger u. Kortüm 1997). Das Ziel da­bei ist es, die Auslegung des Fahrwerks anhand von Simulationen so zu optimie­ren, dass ein möglichst sicheres Fahrverhalten bis in fahrdynamische Grenzberei­che gewährleistet wird (Ammon et al. 1995). Üblicherweise werden für derartigeFahrdynamik-Simulationen sehr komplexe MKS-Modelle eingesetzt (Schröder etal. 1997). Diese sind allerdings normalerweise nicht echtzeitfähig (Kobayashi etal. 1998).

Bei der Komfortanalyse wird das charakteristische Schwingungsverhalten einesvirtuellen Prototypen einschließlich der Eigenfrequenzen und Schwingungsformenermittelt. Die Auswirkungen typischer Lastfalle wie Motoranregung, Straßenanre­gung oder Reifenunwucht können bereits in der Simulation beurteilt werden (Ba­lasubramanian u. Winterstein 1998). Simulationen können im Rahmen der Kom­fortanalyse auch zur Untersuchung des Geräuschverhaltens virtueller Prototypengenutzt werden (Weid u. Böhner 1998).

2.1 Einsatzgebiete von Simulationsverfahren 13

Eines der aktuellen Hauptziele der Forschung im Bereich der Virtuellen Pro­duktentwicklung ist es, die für die verschiedenen Anwendungen teilweise sehrunterschiedlichen Simulationswerkzeuge innerhalb einer durchgängigen Entwick­lungsumgebung zu integrieren (Witte u. Rauh 1997). Ein Beispiel hierfür ist dasProjekt Modellverbund der DaimlerChrysler AG, bei dem Teilmodelle, die mitSimulationswerkzeugen aus verschiedenen Disziplinen (Mechanik, Hydraulik, E­lektronik) erstellt worden sind, zu einem Gesamtmodell verknüpft werden (Rauhu. Eichberger 1997).

2.1.4 Rapid Prototyping

Während sich die virtuelle Produktentwicklung auf die Abbildung und Simulationdes Gesamtfahrzeugs konzentriert, werden im nächsten Schritt des Fahrzeugent­wicklungsprozesses, dem sog. Rapid Prototyping, einzelne Teilfunktionen desFahrzeugs modellbasiert entwickelt und optimiert (Schwehr et al. 2001). Als An­wendungsbeispiele für den Einsatz von Rapid Prototyping Techniken sind z.B. dieEntwicklung und Applikation von Steuergeräten (Bayer et al. 1998; Kessler u.Gebert 2000), Diagnoseverfahren (Sinsel et al. 1997), Fahrdynamikregelsystemen(v. Zanten et al. 1998) und Fahrwerksregelsystemen (Pruckner 1998) zu nennen.

Beim Rapid Prototyping handelt es sich um die rechnergestützte Entwicklungvon Software für bereits existierende oder noch in der Entwicklung befindlicheHardwarekomponenten (Kircher u. Dudeck 1998). Der Prozess des Rapid Proto­typing besteht im Wesentlichen aus drei Schritten :

- werkzeuggestützte Funktionsentwicklung und Software-in-the-Loop Simulation- automatische Codegenerierung und Hardware-in-the-Loop Simulation- manuelle Codegenerierung und Implementierung auf Serienhardware.

Die Vorgehensweise und den zeitlichen Ablauf des Rapid Prototyping verdeut­licht Abb. 2.2. (Wohnhaas u. Sailer 1997).

Auf Basis der innerhalb der Spezifikation vorgegebenen Anforderungen wirdzunächst eine werkzeuggestützte Funktionsentwicklung durchgeführt (Beiker2002) . Hierfür werden heutzutage überwiegend grafische Simulationstools einge­setzt, die sehr komfortabel zu bedienen, aber nicht echtzeitfähig sind. Anschlie­ßend wird die neue Funktionalität im Rahmen von Software-in-the-Loop Simulati­onen (SiL) rechnerbasiert überprüft (Schmitz u. Plöger 1997). Dazu wird die ent­wickelte Software innerhalb einer geschlossenen Simulationsumgebung mit beste­henden Modellen (z.B. einem Fahrzeugmodell) verschaltet, getestet und optimiert.

Nach erfolgreichem Abschluss dieser Software-in-the-Loop Simulationen wirdmit Hilfe eines automatischen Codegenerators, den die meisten aktuellen grafi­schen Simulationstools optional zur Verfügung stellen, Programmcode erzeugt,der auf einer prototypischen, echtzeitfähigen Zielhardware implementiert werdenkann. Als Zielhardware werden üblicherweise VME-Bus Rechner (Göthel u.Fuchs 1998), Power PCs (Kircher u. Dudeck 1998) oder Signalprozessorsysteme(Bayer et al. 1998; Schaffnit et al. 1998) verwendet.

14 2 Simulation im Automobilbereich

Lastenheft I Spezifikation

--;:~CJ

(J)

.....

Serienfahrzeug

Abb. 2.2. Teilschritte im zeitlichen Ablaufdes RapidPrototyping Prozesses

Bei korrekter Definition der Schnittstellen ist es anschließend möglich, den er­zeugten Code innerhalb einer sog. Hardware-in-the-Loop Simulation (HiL) im Zu­sammenspiel mit realen Hardwarekomponenten in einem Prüfstands- oder Fahr­versuch ausgiebig zu testen (Sinsel 2000) . Hierbei ist zwischen zwei verschie­denen Vorgehensweisen - der Bypass- und der Fullpass-Technik - zu unterschei­den. Bei der Fullpass-Technik übernimmt der entwickelte Algorithmus die kom­plette Funktionalität einer Systemkomponente, z.B. eines Steuergerätes, währendbei der Bypass-Technik nur eine spezielle Teilfunktion einer bereits existierenden

2.1 Einsatzgebiete vonSimulationsverfahren 15

Komponente ersetzt wird (Kircher u. Dudeck 1998; Kasper 2002). Es ist unmittel­bar einsichtig, dass die Fullpass- Technik hauptsächlich bei der Neuentwicklungvon Systemen und die Bypass-Technik meistens bei der Optimierung bereits exis­tierender Komponenten Anwendung findet.

Die beiden ersten Schritte des Rapid Prototyping Prozesses können mit aktuel­len Softwarewerkzeugen in einer integrierten Entwicklungsumgebung durchge­führt werden . Als Beispiele hierfür sind die Entwicklungsumgebungen von ETAS(SchäuffeIe u. Zurawka 2002) und dSPACE (Hanselmann 1998) zu nennen, die inder Automobilindustrie am weitesten verbreitet sind. In Kapitel 10 dieses Bucheswird beispielhaft die Toolkette der Firma dSPACE zur Echtzeitsimulation derKraftfahrzeugdynamik eingesetzt. Dort ist eine ausführliche Beschreibung derVorgehensweise beim Einsatz der einzelnen Werkzeuge zu finden.

Da der von modemen Entwicklungsumgebungen automatisch generierte Codeimmer noch einen gewissen Overhead besitzt, ist es heutzutage noch nicht üblich,ihn direkt in Seriensteuergeräte zu übernehmen. Nach erfolgreichem Abschlussder Hardware-in-the-Loop Simulationen muss deshalb im dritten und letztenSchritt des Rapid Prototyping Prozesses eine Nachbearbeitung und Optimierungdes Codes von Hand erfolgen (Krimmel u. Deiss (998) . Der manuell nachbear­beitete Code kann anschließend auf einem Seriensteuergerät implementiert und imrealen Fahrversuch erprobt werden (Deiss u. Krimmel 1997). Verläuft die Erpro­bung erfolgreich, kann die neu entwickelte Funktionalität auf Serienhardware ineinem Prototypen eingesetzt werden . Dies ist dann der erste Schritt der Imple­mentierungsphase im Fahrzeugentwicklungsprozess (Abb. 2.1.).

2.1.5 Prototypen

Obwohl immer weitere Bereiche des realen Fahrzeugeinsatzes durch Simulationenim voraus untersucht werden können , ist in der Fahrzeug-Serienentwicklung bisheute der Aufbau realer Prototypen unverzichtbar (Brüning 1998). Nur mit ihnenist es möglich, die immense Vielzahl der in einem Autoleben möglichen Fahrsitu­ationen unter extremen Bedingungen, wie z.B. den auf Maximalbelastung ausge­legten Dauertestzyklen oder Sommer- und Wintertests, zu erproben. Diese realenTestprogramme dienen zur konsequenten Absicherung der gewünschten Produkt­eigenschaften. Erst wenn alle erforderlichen Tests bestanden sind, wird eine neuentwickelte Teilfunktion bzw. ein gesamtes Fahrzeug für die Serienproduktionfreigegeben .

2.1.6 Serienfahrzeug

Was den Einsatz von modellgestützten Algorithmen und Simulationen in aktuellenSerien fahrzeugen angeht, ist festzustellen , dass die Automobilindustrie hier erstam Anfang einer zukunftsweisenden Entwicklung steht (Thompson 1998). Zwarsind die meisten der im Bereich des Rapid Prototyping vorgestellten Anwen­dungsbeispiele für modellgestützte Regel- und Diagnoseverfahren in Serienfahr-

16 2 Simulation im Automobilbereich

zeugen bereits realisiert, aber die Komplexität der verwendeten Modelle und da­mit auch deren Genauigkeit ist bisher aufgrund der in Serienfahrzeugen aus Kos­tengründen begrenzten Hardwareleistung limitiert. Da allerdings im Hardware­bereich deutliche Leistungszuwächse zu erkennen sind, wird es in Zukunft mög­lich sein, aufwändige modellgestützte Simulationsverfahren zunehmend in Serien­fahrzeugen zu verwenden. Ein Beispiel für ein derartiges Verfahren ist das in die­sem Buch entwickelte adaptive Simulationsmodell für die Fahrzeugdynamik.

2.1.7 Fertigung

Den vorletzten Schritt im Fahrzeugentwicklungsprozess stellt die Serienfertigungdes Kraftfahrzeugs dar. Auch in diesem Umfeld werden Simulationsverfahren be­reits in einem frühen Stadium eingesetzt, um die Herstellung und Montage desProduktes bereits vor der materiellen Realisierung mit hoher Genauigkeit zu si­mulieren (Klein 1999). Unter anderem geht es hierbei um Bauteilgeometrien, dieFestigkeit sowie die HersteIlbarkeit der Teile, die Montagereihenfolge und eineabschließende Toleranzanalyse (Balasubramanian u. Winterstein 1998). Mit heu­tigen Simulationssystemen ist es möglich, weite Teile des Fertigungsprozesses imRahmen einer Fabriksimulation bereits in der Planungsphase vorab abzubilden, zuuntersuchen und zu optimieren.

2.1.8 Modellpflege

Den letzten Abschnitt im Fahrzeugentwicklungsprozess bildet die Modellpflege.Hier wird kontinuierlich dazu beigetragen , durch neue, u.a. auch mit Rapid Pro­totyping Methoden entwickelte, Teilsysteme und Funktionen die Produktqualitätzu verbessern und das Fahrzeug über die gesamte Laufzeit der Fahrzeugbaureihefür den Kunden attraktiv zu gestalten.

2.2 Moderne Simulationswerkzeuge

Nachdem die Einsatzgebiete von Simulationsverfahren im Verlauf des Fahrzeug­entwicklungsprozesses erläutert worden sind, soll im Folgenden versucht werden,die in der Automobilindustrie verwendeten Simulationswerkzeuge in Kategorieneinzuteilen und repräsentative Vertreter zu nennen. Die Auswahl der Werkzeuge,die sich wiederum auf die Bereiche Virtuelle Produktentwicklung, Rapid Prototy­ping und Einsatz im Serienfahrzeug konzentriert , erhebt keinen Anspruch aufVollständigkeit.

2.2 Moderne Simulationswerkzeuge 17

2.2.1 Allgemeine Simulationswerkzeuge

Unter diesem Oberbegriff sollen Simulationswerkzeuge angesprochen werden , de­ren Einsatz nicht notwend igerweise auf die Automobilindustrie beschränkt ist.

a) Finite-Elemente-Simulationswerkzeuge (FEM)

Finite-Elemente-Modelle, die haupt sächlich im Bereich der Konstruktion und vir­tuellen Produkt entwicklung eingesetzt werden, erlauben die Beschre ibung vonBauteilen als Zerlegung in ein Netz vieler kleiner, als elastisch angenommenerKörper, die als Finite Elemente bezeichnet werden . Je nach Aufgaben steIlungwerden eindimen sionale (Stab), zweidimensionale (ebene Scheiben, Platten) oderdreidimensionale (rotations symmetrische) Elemente verwendet. Die typische Zahlder Freiheit sgrade liegt heute in der Größenordnung von einigen Hunderttausend(Gebhardt 1999).

Die Auswertung von FEM findet in der Regel im Frequenzbereich unter har­monischer Anregung und Annahme eines eingeschwun genen Zustands statt. Beihinreichend hoher Auflösung der FEM-Netze ist ein solche s Simulationsmodellauch für hohe Anregungsfrequenzen aussagekräftig (Weid u. Böhner 1998).

Beisp iele für den Einsatz von FEM-Simulationen sind die Berechnung und Op­timierung von Körper formen sowie Schwingungsverhalten, Temperatur- und Ge­schwindigkeitsverteilungen. Darüber hinaus wird die Methode auch zu Akustik­und Aerodyn amikanalysen eingesetzt (Becker 1999). Klassische Anwendungsge­biete von FEM-Methoden im Automobilbereich sind z.B. Crash-Simulationen(Holtzner et al. 1998) oder die genaue Berechnung des Kontakts zwischen Reifenund Fahrbahn (Becker u. Seifert 1997; Nackenhorst et al. 1997). Dabei werdenSoftwaretools wie z.B. ABAQUS, ANSYS , LS·DYNA oder PAM-SYSTEM verwen­det, die in der Automobilindustrie eine weite Verbreitun g gefunden haben.

Aufgrund der Komplexität der Modelle können FEM-Modelle selbst in Verbin­dung mit leistungsfähiger Hardware in den meisten Fällen keine Echtzeitanforde­rungen erfüllen. Beispiel sweise kann die Berechnun g eines sehr deta illierten Rei­fenmodells IDDDD-fach und mehr länger als Echtzeit dauern (Gipser 1998). FürEchtzeitanwendungen im fahrenden Fahrzeug sind FEM-Simul ationen daher nachdem heutigen Stand der Techn ik noch nicht einsetzbar.

b) Mehrkörper-Simulationswerkzeuge (MKS)

Mehrkörpersysteme bestehen aus einer endl ichen Anzahl von starren Körpern (imGren zfall Punktrnassen), die durch masselose Elemente wie Federn, Dämpfer oderLager unterein ander oder mit der Umgebung verbunden sind (popp u. Schiehlen1993). Im Allgemein en führt die Berechnung eines Mehrkörpersimulationsmo­deli s auf die Auswertung eines Systems linearer Bewegungsdifferentialgleichun­gen . Aufgrund der in einem MKS-Modell im Gegen satz zu FEM-Modellen deut­lich kleine ren Zahl von Einzelelementen ist auch die Anzahl der Systemfreiheits­grade deutlich geringer. Je nach Modell reicht sie in der Regel bis zu einigen hun-

18 2 Simulation im Automobilbereich

dert Freiheitsgraden. Dies ermöglicht im Vergleich zu FEM-Simulationen we­sentlich schnellere Simulationsgeschwindigkeiten.

Eine klassische Anwendung von Mehrkörper-Simulationssystemen innerhalbder virtuellen Produktentwicklung liegt im Aufbau von Gesamtfahrzeugmodellenzur Beschreibung der Fahrzeuglängs- und Querdynamik. Darüber hinaus wird oftdas Verhalten von Teilmodellen wie z.B. Radaufhängungen untersucht (Weid u.Böhner 1998).

Eine weite Verbreitung im Bereich der Mehrkörpersimulation haben die kom­merziellen Softwaretools ADAMS, MESA VERDE und SIMPACK gefunden . ImHochschulbereich wird oft mit dem nichtkommerziellen Werkzeug NEWEUL(Schiehlen u. Kreuzer 1977; Popp u. Schiehlen 1993; Sailer 1997) gearbeitet. Ei­nige dieser MKS-Simulationswerkzeuge ermöglichen es, MKS-Modelle auf leis­tungsfähiger Hardware im Rahmen von Hil.-Sirnulationen in Echtzeit auszuwerten(Adamski et al. 1998; Kortüm et al. 1998).

c) Blockschaltbildorientierte Simulationswerkzeuge

Der Einsatz von sog. blockschaltbildorientierten Simulationswerkzeugen ermög­licht die Modellierung von Prozessen oder Funktionalitäten auf einer systemtheo­retischen Ebene . Sie zeichnen sich durch einfache Erlembarkeit sowie gute Do­kumentationsmöglichkeiten aus (Lauzi 1997). Durch die Strukturierung der zumodellierenden Systeme in sog. Subsysteme können selbst sehr komplexe Zu­sammenhänge übersichtlich dargestellt werden (Krimmel u. Deiss 1998). DieHauptelemente von Blockschaltbildern sind:

- Ein- und AusgangsgrößenVariablen, Parameter und Konstanten

- Arithmetische und logische Operationen, Zugriffe auf Datenstrukturen- Datenflusslinien- Unterlagerte Subsysteme.

Die Abarbeitung eines Blockschaltbildes erfolgt im Allgemeinen so, dass Da­tenflusslinien, die zu einem Operator führen, die Argumente zum Operator trans­portieren , während Datenflusslinien, die vom Operator wegführen , das Ergebnisder Operation weiterleiten. Anstelle von Operatoren können natürlich auch Sub­system-Blöcke verwendet werden. Die Reihenfolge der Abarbeitung wird durchdie Anordnung der Operatoren und Subsysteme im Blockschaltbild bestimmt.

In der Automobilindustrie hat MATLAB/Simulink als Standard-Simulations­werkzeug eine weite Verbreitung gefunden. Darüber hinaus wird oft das ToolASCET-SD verwendet, dessen Einsatz allerdings weitgehend auf den Automobil­bereich beschränkt ist. Beide angesprochenen Werkzeuge stellen mittlerweile einegeschlossene Entwicklungsumgebung zur Verfügung, in der die als Blockschalt­bild generierten Modelle mit automatischen Codegeneratoren in C-Code umge­setzt werden können, der anschließend z.B. auf Rapid Prototyping Plattformeneingesetzt werden kann.

2.3 Zusammenfassung 19

Ein allgemeiner Vergleich der Anwendungsmöglichkeiten sowie eine Zusam­menstellung der Vor- und Nachteile der drei angesprochenen blockschaltbildori­entierten Simulationswerkzeuge ist bei Kireher und Dudeck (1998) zu finden .

Für die in diesem Buch beschriebene Anwendung, die Erstellung eines Modellszur Kraftfahrzeug-Echtzeitsimulation. wurde die blockschaltbildorientierte Simu­lationsumgebung MATLAB/Simulink ausgewählt. Hierbei besteht in Verbindungmit der Echtzeitentwicklungsumgebung der Firma dSPACE die Möglichkeit, dasFahrzeugmodell auf einer prototypischen Hardwareplattform im Fahrzeug zubetreiben .

2.2.2 Automobilspezifische Simulationswerkzeuge

Neben den zuvor beschriebenen allgemeinen Simulationswerkzeugen, deren An­wendungsgebiete nicht notwendigerweise auf den Automobilbereich beschränktsind, gibt es Simulationssysteme, die speziell für Fahrzeuganwendungen entwi­ckelt oder an diese angepasst wurden . Im Hinblick auf die Zielsetzung dieses Bu­ches soll hier kurz eine Auswahl entsprechender Softwaretools vorgestellt werden.Im Bereich kommerzieller Software werden zur Fahrdynamiksimulation überwie­gend Mehrkörpersimulationssysteme eingesetzt. Dabei handelt es sich einerseitsum Erweiterungen allgemeiner MKS-Softwarepakete, andererseits um eigenstän­dige Neuentwicklungen.

Vertreter der ersten Gruppe sind z.B. die Systeme ADAMS/Car und SIMPACKAutomotive+. Inderartigen Programmen sind neben den Standardfunktionalitätenzusätzliche Bibliotheken frei konfigurierbarer .Automotive Elemente" enthalten .Dies sind z.B. Motor-, Reifen- oder Antriebsstrangmodelle sowie vorparametrierteModelle für verschiedene Achskinematiken und Radaufhängungen (Kortüm et al.1998). Darüber hinaus werden auch Fahrermodelle und Visualisierungswerkzeugeangeboten, um eine komfortable Simulation des Gesamtsystems Fahrer-Fahrzeug­Umwelt zu ermöglichen. Eigenständige Systeme zur Simulation der Fahrdynamik,die nicht an eine MKS-Standardsoftwareumgebung gebunden sind, sind z.B. dasSimulationstool FASIM_C++ (Adamski et al. 1999) oder die Programmpakete derFirma IPG (IPG-CAR, IPG-T1RE, u.a.).

Auf der Basis von blockschaltbildorientierten Simulationswerkzeugen werdenbisher keine kommerziellen automobilspezifischen Simulationssysteme angebo­ten. Eine fahrzeugspezifische Blockbibliothek für MATLAB/Simulink ist aller­dings in Vorbereitung.

2.3 Zusammenfassung

Ziel dieses Kapitels war es, einen Überblick über die Einsatzmöglichkeiten vonSimulationsverfahren in der Automobilentwicklung zu geben . Es wurde gezeigt ,in welchen Phasen im Fahrzeugentwicklungsprozess welche Arten von Simulati­onswerkzeugen eingesetzt werden. Die im Automobilbereich verbreiteten Simula-

20 2 Simulation im Automobilbereich

tionstools wurden in Gruppen eingeteilt und repräsentative Vertreter wurden bei­spielhaft genannt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz von Simulationsverfahrenin der Automobilentwicklung einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Invielen Schritten des Entwicklungsprozesses wird bereits mit - teilweise sehr kom­plexen - Simulationsmodellen gearbeitet. Aufgrund der begrenzten Hardwareleis­tung in Serienfahrzeugen ist der on-board Einsatz dort allerdings erst in den An­fängen. Da in Zukunft auch im Serieneinsatz leistungsfähigere Rechnersystemezur Verfügung stehen werden, wird es möglich sein, Simulationsmodelle, die bis­her nur auf prototypischer Hardware in Echtzeit rechenbar sind, auf Serienhard­ware zu betreiben.

Wie in der Einleitung beschrieben, liegen mögliche Anwendungen von kom­plexen Simulationsmodellen der Fahrzeugdynamik in der Verbesserung von fahr­dynamischen Regelsystemen wie ACC und ESP. Darüber hinaus wird es möglichsein, zukünftige Fahrzustände modellbasiert zu prädizieren. Dies setzt allerdingsdie Verfügbarkeit von sehr genauen und schnellen Simulationsmodellen voraus.

Nach heutigem Stand der Technik sind bereits sehr genaue Fahrdynamikmo­delle verfügbar, die teilweise im Rahmen von prototypischen Implementierungenin Echtzeit ausgewertet werden können. Diese liefern allerdings nur dann gute Si­mulationsergebnisse , wenn die Modelle korrekt parametriert sind, d.h. die Rand­bedingungen der Simulation genau bekannt sind. Falls sich die Umweltbedingun­gen (z.B. der Fahrbahnzustand) oder die Masse des betrachteten Fahrzeugs imVerlauf der Simulationsuntersuchungen ändern, werden die Ergebnisse falsch.

Um dies zu verhindern, sollen in diesem Buch Ansätze beschrieben werden, diees ermöglichen, ein Fahrdynamik-Simulationsmodell "adaptiv" zu gestalten. DasModell soll sich selbständig an bestimmte Parameterveränderungen anpassen, wasdauerhaft korrekte Simulationsergebnisse gewährleisten soll. Kommerzielle Mo­delle, die dies leisten, sind bislang nicht erhältlich.

Als Basis für die in diesem Buch dargestellten adaptiven Modellansätze dientein physikalisches Modell der Kraftfahrzeugdynamik, das im folgenden Kapiteltheoretisch hergeleitet wird.

3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

Das Ziel dieses Kapitels ist die Erstellung eines analytischen Modell s zur Be­schreibung der dynami schen Bewegung eines Personenkraftwagens . Dabei stehtnicht die detaillierte Modellbildung jeder einzelnen Komponente des Fahrzeugsim Vordergrund, sondern es wird ein Kompromi ss zwischen der erforderlichenGenauigkeit und dem Aufwand zur Berechnung und zur Implementierung desFahrzeugmodells gesuch t. Die Modellbildung sowohl der linearen als auch dernichtlinearen Teilsysteme des Fahrzeugs erfolgt ausschließlich auf der Basis phy­sikalischer Gesetzmäßigkeiten.

Das physikali sche Fahrzeugmodell ist Grundlage und Hilfsmittel der in denfolgend en Kapiteln beschriebenen Untersuchungen zur Identifikation und adapti­ven Simulation des Fahrverhaltens von Personenkraftwagen.

3.1 Aufbau und Struktur des Fahrzeugmodells

Das Fahrzeugmodell ist in fünf Teilmodelle untergliedert, die ihrerseits wiederumhierarchisch strukturiert sind (Abb. 3.1.). Jedes Teilmodell beinhaltet die analyt i­sche Beschreibung konstruktiv oder funktionell zusammenhängender Einheiten.

Die der Konstrukt ion und Funktion zugrundel iegende Theori e kann in zahlrei­chen Arbeiten nachgelesen werden (Breuer 1997; Burckhardt 1991, 1993; Gilles­pie 1992; Kortüm u. Lugner 1994; Mitschke 1988, 1990; Popp u. Schiehlen 1993;Reimpell 1988, 1995; Stoll 1992; Zomotor 1991). Deshalb werden konstruktiveund funktionelle Details der einzelnen Teilsysteme im Folgenden nur insoweitdargestellt , als sie für die Zielsetzung dieses Kapitel s von Bedeutung sind.

Die Ableitung und die Darstellung der Bewegung sgleichungen der einzelnenKomponenten erfolgt, gemäß den Prinzipien von Newton und Euler (Kortüm u.Lugner 1994) mit Hilfe phänomenolog ischer und konstitutiver Gleichungen (lser­mann 1999).

Zur Verknüpfung der Teilmodelle zum Gesamtmodell werden an den Schnitt­stellen zwischen den einzelnen Teilmod ellen Bilanzgleichungen aufgestellt, inwelche die an der Schnitt stelle ausgetauschten Energiestr öme (Leistungen) nachdem Ursache- Wirkung- Prinzip eingehen. Ausnahmen von dieser Regel werdennur an denjenigen Schnitt stellen gemacht, an denen nicht die translatorischen oderrotatorisehen Geschwindigkeiten, sondern die entsprechenden Wege und Winkelvon Interesse sind.

22 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

%41 .Fahrzeug- t-:::.:..""-'----------~

karosserie i4...,=----=------~

.o .0

chal1er

Antrieb .Bremse .Lenkung

Abb, 3.1. Strukturdes physikalischen Fahrzeugmodells

Zur Modellbildung der Fahrzeugdynamik unter Berücksichtigung der Interakti­on des Fahrzeugs mit seiner Umgebung sind insgesamt acht kartesische Koordi­natensysteme notwendig. Neben einem inertialen und einem fahrbahn festen Koor­dinatensystem werden Bezugssysteme zur Beschreibung der Bewegung derFahrzeugkarosserie, der vier Räder und des Gesamtfahrzeugs benötigt. Eine de­taillierte Beschreibung der verwendeten Koordinatensysteme sowie der Transfor­mation der Systeme mittels homogener Koordinaten findet sich in Kapitel 10.

Als Eingangsgrößen des Fahrzeugmodells werden der vom Fahrer vorgegebeneDrosselklappenwinkel i}A, der Hauptzylinderbremsdruck PB, der Lenkradein­schlagwinkel Öt. sowie einige Schalter- und WählhebelsteIlungen verwendet. Aus­gangsgrößen des Modells sind neben einer Vielzahl interner Fahrzustandsgrößendie Koordinaten Xsp, YsP und Zsp des Fahrzeugschwerpunkts sowie die DrehwinkelK. <p und \jf des Fahrzeugs um die Wank-, Nick- und Gierachse.

Das zentrale Teilmodell ist dasjenige, in dem die Zustandsgleichungen der dy­namischen Bewegungen der vier Räder des Fahrzeugs zusammengefasst sind. Alleaus dem Kontakt mit der Fahrbahnoberfläche resultierenden Kräfte FxRi, FyRi, FZRi(i = VL, VR, HL, HR) werden über die Reifen und die Räder auf das Fahrzeugübertragen. Ebenso greifen die vom Fahrer kommandierten Stellgrößen, die An­triebsmomente MAi, die Bremsmomente MBi und die kinematischen LenkwinkelÖt.i, an den Rädern an. Daher bildet das Teilmodell Reifen und Räder sowohl dieSchnittstelle zwischen der Fahrbahn und dem Fahrzeug, als auch zwischen denStellsystemen Antrieb, Bremse und Lenkung und der Reaktion des Fahrzeugs inForm einer Bewegungsänderung.

In den Teilmodellen Antrieb, Bremse und Lenkung sind die Modelle des An­triebsstrangs, der Bremsanlage und der Lenkung des Fahrzeugs implementiert. Sie

3.2 Stellsystemeim Kraftfahrzeug 23

beinhalten die Umformung der vom Fahrer vorgegebenen Eingangsgrößen ~A, PBund ÖL in die an den Rädern des Fahrzeugs wirksamen Stellgrößen MAi, MBi undÖLi. Die Raddrehzahlen CURi und die Rückstellmomente MRi repräsentieren dieRückwirkung der Räder auf die einzelnen Stellsysteme.

Die Beschreibung der Reaktion des Fahrzeugs auf die Stellgrößen erfolgt imTeilmodell Fahrzeug im Raum ausschließlich bezogen auf eine zur Fahrbahn pa­rallele Ebene . Die resultierende Bewegung des Fahrzeugs wird einerseits bezüg­lich seiner horizontalen Hauptachsen, andererseits aber auch durch die Geschwin­digkeit VF des Fahrzeugs entlang seiner Trajektorie beschrieben. Die Relationzwischen beiden Bezugssystemen wird durch den Schwimmwinkel ßhergestellt.

Die Trägheitskräfte FZF und FT regen eine infolge einer beschleunigten Bewe­gung des Fahrzeugs auftretende Vertikalbewegung des Fahrzeugkarosserie an. DieEinfederung der Karosserie ZKi wird durch die Reaktionskräfte FZRKi des Fahr­werks und die Einfederungen ZRi der Räder auf der Fahrbahn abgestützt. Dadurchwird eine Änderung der Horizontalkräfte verursacht, die in der Kontaktfläche zwi­schen Reifen und Fahrbahn übertragen werden, und der Wirkungskreis zwischender Horizontal- und der Vertikaldynamik des Fahrzeugs wird geschlossen .

3.2 Stellsysteme im Kraftfahrzeug

3.2.1 Antrieb

Der Antriebsstrang des Fahrzeugs hat die Aufgabe, den durch die Betätigung desGaspedals ausgedrückten Wunsch des Fahrers nach einer Beschleunigung desFahrzeugs in Antriebsmomente umzusetzen, welche an den angetriebenen Räderndes Fahrzeugs angreifen.

Moderne Pkw werden heute zunehmend mit elektrischen DrosselklappensteI­lern ausgerüstet, welche die vom Fahrer auf das Gaspedal ausgeübte Kraft in einenproportionalen Öffnungswinkel der Drosselklappe umsetzen. Da die Pedalkraftohne größeren technischen Aufwand einer Messung nicht zugänglich ist, wird derÖffnungswinkel der Drosselklappe als Eingangsgröße des Antriebsstrangmodellsverwendet (Germann 1997). Dieses erscheint insbesondere vor dem Hintergrundsinnvoll , dass auch die meisten Regelsysteme der Fahrzeugdynamik, wie z.B.ACC, ESP und ASMS, sich des Drosselklappenwinkels als Stellgröße bedienen(Dorißen u. Höver 1996; van Zanten et al. 1996; Fenne1 1998).

Einen Überblick über die Struktur und die wesentlichen Komponenten des An­triebsstrangmodells gibt Abb. 3.2.. Alle zur Validierung des Fahrzeugmodells he­rangezogenen Versuchsfahrzeuge waren mit Ottomotoren, Trilok-Drehmoment­wandlern und Automatikgetrieben ausgerüstet. Deshalb werden im Folgenden aus­schließlich Modelle dieser Komponenten angegeben .

24 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

Abb, 3.2. Blockschaltbild des Antriebsstrangmodells mitden wichtigsten Einflussgrößen

Saugrohr und Motor

Die Modellbildung des Ansaugrohrs und des Motors erfolgt in Anlehnung anGermann (1997) . Der in das Saugrohr einströmende Luftmassenstrom wird vonder Drosselklappe geregelt, und die wesentlichen im Saugrohr und Motor auftre­tenden Verluste sind von der Winkelgeschwindigkeit OlM der Kurbelwelle abhän­gig . Daher wird das vom Motor abgegebene statische Drehmoment MMOT in Ab­hängigkeit des Drosselklappenwinkels i}A und der Winkelgeschwindigkeit ffiMangegeben:

(3.1)

Diese nichtlineare Abhängigkeit wird auf Motorprüfständen statisch vermessen .Dabei ist zu berücksichtigen, dass aus Gründen der Kosten- und Zeitersparnisnicht alle möglichen Arbeitspunkte des Motors angefahren werden und dass dievermessenen Arbeitspunkte nicht gleichmäßig über den Eingangsraum verteiltsind. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Vermessung der Motorcharakteristikunter der in der DIN-Norm 1940 spezifizierten Nennbelastung des Motors durchdie Nebenaggregate erfolgt . Werden zusätzliche Nebenaggregate wie z.B. dieKlimaanlage zugeschaltet, so reduziert sich das an der Kurbelwelle abgegebeneDrehmoment um das Nebenaggregatemoment MN (Schmidt u. Isermann 1998).

Mit der Hilfe statischer Neuronaler Netze lässt sich das statische Verhalten desVerbrennungsmotors mit Ansaugrohr gemäß GI. (3.1) über den gesamten Arbeits­bereich des Motors beschreiben (Holzmann 2(01). ImFahrzeugmodell wird dasstatische Motorkennfeld nach GI. (3.1) durch ein statisches Multi-Layer-Perzep­tron Netz abgebildet, wobei auch die aktuelle Belastung des Motors durch die Ne­benaggregate berücksichtigt wird (Abb. 3.3.).

+

Abb. 3.3. Hammerstein-Modell des Motorsmit Ansaugrohr

(3.2)

(3.3)

3.2 Stellsysteme im Kraftfahrzeug 25

Das Modell des Motors mit Ansaugrohr wird durch ein Totzeitglied vervoll­ständigt, welches den dynamischen Anteil des Systemverhaltens beschreibt. Dabeiwird angenommen, dass die Totzeit , mit der das Drehmoment an der Kurbelwelleaufgebaut wird, umgekehrt proportional von der Motordrehzahl abhängt (Ger­mann 1997). Das resultierende Hammerstein-Modell des Motors mit Ansaugrohrist in Abb. 3.3. dargestellt.

Trilok-Drehmomentwandler

Im hydrodynamischen Drehmomentwandler wird die mechanische Energie desMotors in der von der Kurbelwelle angetriebenen Pumpe in Strömungsenergie ei­nes Zwischenmediums (meist Öl) umgewandelt. Danach wird die Strömungsener­gie in der mit der Getriebeeingangswelle verbundenen Turbine wieder in mechani­sche Energie zurückgeformt (Bosch 1995; Germann 1997). Das zwischen Pumpeund Turbine angeordnete Leitrad mit Freilauf verhindert die Umkehrung derRichtung des Energieflusses (Trilok-Prinzip).

Das von der Pumpe aufgenommene Drehmoment läßt sich mit der Dichte PÖL

des Öls, dem Kreislaufdurchmesser D und der Leistungszahl kw der Pumpe be­rechnen (Bosch 1995):

MI' =kW( ;: )- PÖL ' D5 ' llJ~ =kwl ( ;: ,pöL ,D)'llJ~ .

Die Leistungszahl kw der Pumpe ist nichtlinear vom Verhältnis der Drehzahlder Kurbelwelle zur Drehzahl der Ausgangswelle des Wandlers abhängig undwechselt beim Übergang von Zugbetrieb (~I>ffir) zu Schubbetrieb (ffiM<ffir) ihrVorzeichen (Germann 1997).

Für die Winkelgeschwindigkeit ffiMder Kurbelwelle ergibt sich bei bekanntemMassenträgheitsmoment SM des Motors mit GI. (3.2) aus der Momentenbilanz ander Schnittstelle zwischen Motor und Drehmomentwandler eine nichtlineare Dif­ferentialgleichung erster Ordnung:

BM ·inM = MM - M I' = MM -kw{ ;: ,pöL ,D}llJ~ .

Ebenso wie die Leistungszahl ist auch das Verhältnis zwischen Pumpen- undTurbinenmoment nichtlinear vom Drehzahlverhältnis der Ein- und der Ausgangs­welle des Wandlers abhängig. Mit dem Pumpenmoment nach GI. (3.2) berechnetsich das Turbinenmoment zu:

(3.4)

26 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

6 x10- 3

sr:..!!!E 4z;1L.

.9 2.:.:.coLL.

Ol-----~---~

o 0.5Drehzahlverhältnis (i) TI(i)M [-I

Abb. 3.4. Übertragungsfaktor kW3 zwischenTurbinenmoment MT und Quadrat der Motor­drehzahl OlM2

Das an der Getriebewelle zur Verfügung stehende Turbinenmoment ist nach GI.(3.4) vom Quadrat der Motordrehzahl und dem Verstärkungsfaktor kW3 abhängig,

der vom Drehzahlverhältnis der Wellen bestimmt wird (Abb. 3.4.). Es wird nurdann ein Drehmoment übertragen wird, wenn der Wandler mit Schlupf arbeitet. Inden Betriebspunkten, in denen auf die Drehmomentwandlung verzichtet werdenkann, verbindet deshalb eine Wandlerüberbrückungskupplung (Torque Con verterClutch, TCC) Turbinen- und Pumpenrad und verhindert so den wirkungsgradun­günstigen Schlupf. Die Steuerung der TCC erfolgt durch das Getriebe-Steuergerät.Das aus den Gin. (3.3) und (3.4) resultierende Modell des Drehmomentwandlersist in Abb. 3.5. dargestellt.

Abb. 3.5. Blockschaltbild des Modells des Drehmomentwandlers

Automatikgetriebe

Das Automatikgetriebe setzt das an der Eingang swelle des Getriebes anliegendeTurbinenmoment MTin ein der jeweiligen Fahrsituation angepasstes DrehmomentMG an der Getriebeabtriebswelle um. Es wird als verlustbehafter Übertrager mitdem Wirkungsgrad Ilo modelliert, dessen Übersetzungsstufen iG gangabhängigumgeschaltet werden:

3.2 Stellsysteme im Kraftfahrzeug 27

(3 .5)mit. OJ rle=--'

OJe

Die Umschaltung der Übersetzung erfolgt auf elektrohydraulischem Wege. Sieist von zahlreichen Einflussfaktoren abhängig (Tabelle 3.1.) und wird vom Getrie­be-Steuergerät gesteuert und überwacht . In Analogi e zur Implementierung im Ge­triebe-Steuergerät sind die Umschaltkriterien der einz elnen Gänge ebenso wie dieSteuerung der TCC im Fahrzeugmodell in Form von Kenn feldern abgelegt.

Tabelle 3.1. Ein-/Ausgangsgrößen des Getriebe-Steuergeräts (Dach u. Köpf 1994)

vom / zum Motor vom / zum Getriebe vom / zum Fahrer

EingangsgrößenMotordrehzahlMotorlastDrosselklappensteilung

Abtriebsdrehzahl(Geschwindigkeit)

WählhebelsteIlungProgrammschalterKickdown-Schalter

Ausgangsgrößen MotoreingriffAnzeigen am Amatu­renbrett (Wählhebel­position, Programm)

Differentialgetriebe

Um im Automatikgetriebe Gewicht und Bauvolumen einzusparen, wird zwischenGetriebe und Rädern ein Differentialgetriebe mit einer weiteren Übersetzung iDangeordnet (Abb. 3.6.). Es dient der Anpassung des Dreh zahlbereichs der Getrie­beabtriebswelle an den Dreh zahlbereich der Räder, der durch den Geschw indig­keitsbereich des Fahrz eugs und den Radius der Reifen vorgegeben ist.

Darüber hin aus hat das Differ entialgetriebe die Aufgabe, das Antr iebsmoment ,unabhängig von den z.B. bei Kurvenfahrten auftretenden Dreh zahlunterschiedenan den Rädern, glei chmäßig auf die Antriebsräder zu verteilen:

Automat ­getriebe

CtMotor

Abb. 3.6. Massenträgheitsmomente und Übersetzungen der Komponenten des Antriebs­strangs (dargestellt für Fahrzeuge mit Heckantrieb)

28 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

(3.6)

(3.7)

Aus der Momentenbilanz an der Getriebeabtriebswelle ergibt sich eine lineareDifferentialgleichung für die Winkelgeschwindigkeit ffic; der Getriebeabtriebs­welle. Dabei ist neben den Massenträgheitsmomenten SR der Antriebswellen undder Antriebsräder und dem Massenträgheitsmoment SD des Differentials auch dasauf die Getriebeabtriebswelle bezogene Massenträgheitsmoment der übrigen An­triebsstrangkomponenten zu berücksichtigen (Abb. 3.6.):

( 02 ·0R +OD). ' _ _ MAL +MARA+ .2 OJe - Me . .

I D I D

In SA sind die Massenträgheitsmomente des Motors, des Wandlers, des Getrie­bes und der Kardanwelle.Oe ,Sw ,SG und SKW, zusammengefasst. Bei der Berech­nung von SA ist zu berücksichtigen, dass der Drehmomentwandler bei ausgerück­ter TCC mit Schlupf arbeitet (OlM 7; ü}y). Bei eingelegter TCC sind der Motor unddas Getriebe starr miteinander verbunden (OlM = ü}y).

0A =1(00[ : : l:+owJ'J+OG+Ow

(0 M + 0 W ) "o + Oe + 0 KW

3.2.2 Bremse

, bei ausgerückter TCC

, bei eingelegter TCe.

(3.8)

Betätigt der Fahrer das Bremspedal , so wird die auf das Bremspedal ausgeübteKraft in der Bremsanlage des Fahrzeugs auf mechanisch-hydraulischem Wege inBremsmomente umgesetzt , welche an den Radachsen des Fahrzeugs angreifen unddie Fahrzeugbewegung verzögern.

Die Pedalkraft wird im Bremskraftverstärker verstärkt und auf mechanischemWege an den Tandem-Hauptbremszylinder weitergeleitet. Der mechanische Druckam Eingang des Hauptbremszylinders bildet die Eingangsgröße des Modells derBremsanlage. In Analogie zur Modellbildung des Antriebsstrangs wird damit einederjenigen Größen als Eingangsgröße des Modells der Bremsanlage benutzt, wel­che auch als Stellgröße in Regelsystemen der Fahrzeuglängsdynamik verwendetwerden (Germann 1997). Der Eingangsdruck wird im Hauptbremszylinder auf diebeiden Bremskreise verteilt, im Hydroaggregat des Antiblockiersystems (ABS)moduliert und über die Bremsleitungen an die Radbremsen weitergeleitet. Dortwird der hydraul ische Druck in ein verzögerndes Drehmoment um die Radachsendes Fahrzeugs umgesetzt (Abb. 3.7.). Im Folgenden werden die Funktionen dereinzelnen Komponenten der Bremsanlage näher betrachtet.

3.2 Stellsysteme im Kraftfahrzeug 29

Bremskraftverstärker Raddrehzahlsens r

/<, Bremsleitungen

Radbremszyl indez.

Abb. 3.7. Prinzipskizze und Blockschaltbild einer elektro-hydraulischen Bremsanlage mitABS. Die Bezeichnung CAN (Controller Area Network) symbolisiert die Datenbusverbin­dung zur Messdatenerfassung

Hauptbremszylinder

Im Hauptbremszylinder wird der vom Bremskraftver stärker über einen Druck­stangenkolben übertragene mechanische Eingangsdruck in hydraulische Drückeumgewandelt, welche in die beiden Brem skreise des Fahrzeugs weitergeleitetwerden .

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen muss ein Pkw mit zwei getrenntenBrems kreisen ausgerüstet sein (Bosch 1994). Durch die Tandem-Konstruktion desHauptbremszylinders ist gewährleistet, dass bei Ausfall eines Bremskreises die si­cherheitstechni schen Anforderungen an die Bremsanlage erfüllt bleiben . Sind bei­de Bremskrei se intakt , so sind im stationären Zustand die Drücke PD K im primärenBremskreis (Druckkrei s) und P SK im sekundären Bremskreis (Schwimmkreis) desHauptbremszylinders gleich dem Eingangsdruck:

Antiblockiersystem

PIJK =PSK = P R' (3.9)

Das Antiblockiersystem (ABS) ist ein Regelkre is im Bremssystem des Fahrzeugs,der das Blockieren der Räder beim Bremsen verhindert. Es gewährlei stet, dass dieLenkbarkeit des Fahrzeugs während des Bremsvorganges insbesondere bei Kur­venfahrten erhalten bleibt.

Beim Anbremsen des Fahrzeugs steigt der Druck in den beiden Bremskreisendes Fahrzeugs an, und die Bremsmomente MBi (i = VL, VR, HL, HR) an den Rä­dern nehmen zu. Der Bremsschlupf, d.h. die Differenz zwischen der Geschwin­digkeit des Fahrzeugs und der Umfangsgeschwindigkeit des Rades, steigt an, unddie zwischen Reifen und Fahrbahn übertragbare Bremskraft erreicht ihr Maxi­mum . Wird dieses Maximum überschritten , so hat eine Erhöhung des Bremsmo-

(3.10)

30 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

ments keine weitere Erhöhung der Bremskraft zur Folge, und das überschüssigeBremsmoment führt zu einem starken Anstieg der Umfangsverzögerung sowie desBremsschlupfes und schließlich zum Blockieren des Rades .

Im Steuergerät des ABS werden aus den Raddrehzahlsignalen die Fahrzeugge­schwindigkeit sowie die Umfangsverzögerungen, die Umfangsgeschwindigkeitenund die Bremsschlüpfe an den Rädern berechnet. Überschreiten die Verzögerungund der Bremsschlupf an einem Rad bestimmte Schwellwerte, so sendet der Reg­ler eine Sequenz von Steuersignalen an die Magnetventile des Hydroaggregats,welche durch eine zyklische Folge von Druckaufbau-, Druckabbau- und Druck­haltephasen die maximale Bremskraft an diesem Rad einregeln. Im Modell desABS ist dieser Regelalgorithmus in Form einer Entscheidungslogik implementiert.

Bremsleitungen

Die vom ABS modulierten hydraulischen Drücke PBLi pflanzen sich über dieBremsleitungen an die Radbremszylinder fort. Die Dynamik der Druckfortpflan­zung über eine Bremsleitung lässt sich durch eine lineare Differentialgleichungerster Ordnung beschreiben (i = VL, VR, HL, HR) (Germann 1997):

Sir' V BF · IBU · A Rz i •PRZi + . PR Zi = PBU '

CBF . ABU

Die Zeitkonstante des Druckautbaus in der Bremsleitung ist nach GI. (3.10) vonder Viskosität "UBF und der Elastizität CBF der Bremsflüssigkeit, der Länge IBL undder Querschnittsfläche ABL der Bremsleitung sowie der Querschnittsfläche ARzdes Radbremszylinders abhängig.

Radbremsen

Eine Radbremse besteht aus dem Radbremszylinder, dem Bremssattel, denBremsbelägen und der Bremsscheibe. Ihre Aufgabe ist es, den hydraulischenDruck PRZ im Radbremszylinder in das Bremsmoment MB um die Radachse um­zusetzen . Dieses ergibt sich mit der Fläche ARZ des Radbremszylinders, demmittleren Abstand rBB der Bremsbeläge von der Radachse und dem ReibbeiwertIlBB(PRZ, ffiR) zwischen den Bremsbelägen und der Bremsscheibe zu (i = VL, VR,HL, HR):

(3.11)

Der Reibbeiwert IlBB hängt neben der Temperatur an der Radbremse nichtlinearvon der Raddrehzahl ffiR und dem hydraulischen Anpressdruck PRZ des Kolbens imRadbremszylinder ab.

3.2 Stellsysteme im Kraftfahrzeug 31

Abb. 3.8. Vereinfachte schematische Darstellung der Lenkanlage eines Pkw mit Hilfs­kraftlenkung. Alle Elastizitäten der Lenkanlage sind im Parameter CL zusammengefaßt

3.2.3 Lenkung

Die Lenkanlage des Kraftfahrzeugs hat die Aufgabe , eine Drehbewegung desLenkrades in eine Drehbewegung der Vorderräder umzusetzen. Die Drehung desLenkrades wird durch das Lenkgetriebe in eine Schubbewegung der Spurstangenumgesetzt, welche von der Hilfskraftlenkung unterstützt wird . Über die Lenk­kinematik wird diese translatorische Beweg ung wiederum in eine Drehbewegungder Vorderräder um die Lenkach sen umgewandelt (Abb. 3.8.).

Aus Abb. 3.8. läßt sich eine verein fachte Blockschaltbilddarstellung ableiten , inder alle elasti schen Eigenschaften der Lenkung im Block Lenksteifigkeit zusam­mengefaßt sind, wohingegen alle geometrischen Eigenschaften im Block Lenkk i­nematik behandelt werden (Abb. 3.9.).

Der Fahrer gibt dem Fahrzeug durch den Lenkradeinschlag eine bestimmteBewegungsrichtung vor, die er gegen die von den Rädern über die Mechan ik derLenkung auf das Lenkrad zurückwirkenden Rückstellmomente einregelt. Demge­mäß ist der Einschlagwinkel ÖL des Lenkrades die Eingangsgröße. und die kine­matischen Lenkwinkel ÖLVL und ÖLVR der Vorderräder sind die Ausgangsgr ößendes Modell s der Lenkung. Die Summe der Rückste llmomente MRVL und MRv R derVorderräder bildet das Reaktionsmoment, welches auf das Lenkrad zurückwirkt.

Abb. 3.9. Blockschaltbilddes Modells der Lenkung

(3.12)

(3.13)

32 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

Lenkgetriebe und Hilfskraftlenkung

Die Funktion des Lenkgetriebes besteht darin, die Drehbewegung des Lenkrads ineine Schubbewegung der Spurstangen umzusetzen . Durch eine genügend großausgelegte Übersetzung iLG des Lenkgetriebes kann das vom Fahrer aufzubringen­de Lenkradmoment MLklein gehalten werden.

Die vorrangige Aufgabe der Hilfskraftlenkung ist es, die großen Lenkkräfte, diebei geringen Fahrgeschwindigkeiten auftreten, herabzusetzen. Dazu wird auf hyd­raulischem, pneumatischem oder elektrischem Wege eine Hilfskraft erzeugt, wel­che die Schubbewegung der Spurstange unterstützt.

In den zur Verfügung stehenden Versuchsfahrzeugen wird die Lenkkraftunter­stützung lastabhängig so geregelt, dass sie über den gesamten Drehwinkelbereichdes Lenkrades als Proportionalglied mit konstantem Verstärkungsfaktor kHL>Ibetrachtet werden kann. Fasst man das Lenkgetriebe und die Hilfskraftlenkung zu­sammen (Abb. 3.9.), so ergeben sich für den bezogenen Lenkradwinkel ÖLG unddas Lenkradmoment MLdie folgenden Beziehungen :

tSLG =~ M - MLG

'LG' L - iLG

·kHL

Lenksteifigkeit

Sind die Vorderräder nicht mit Rückstellmomenten belastet, so ist der bezogeneLenkradwinkel ÖLo gleich dem Einschlagwinkel ÖLz des Lenkzwischenhebels. Beibelasteten Rädern ist dagegen die Steifigkeit der Lenkung zu berücksichtigen . Siesetzt sich aus den Torsionssteifigkeiten der Lenksäule sowie den Elastizitäten desLenkgestänges und seiner Gelenke zusammen . 1m stationären Fall ergibt sich derDrehwinkel ÖLz des Lenkzwischenhebels unter Belastung zu

MLGöu=ö LG - - - , MLG=M LZ •CL

Der Drehwinkel ÖLz des Lenkzwischenhebels nach GI. (3.13) entspricht demmittleren kinematischen Lenkwinkel der Vorderräder.

Lenkkinematik

Aufgrund der unterschiedlichen Kurvenradien müssen das kurveninnere und daskurvenäußere Vorderrad beim Durchfahren einer Kurve unterschiedlich stark ein­geschlagen werden. Die Kinematik der Lenkung wird deshalb so ausgelegt, dassder Lenkdifferenzwinkel der Vorderräder eine gewünschte nichtlineare Charakte­ristik aufweist (Stoll 1992). Demzufolge kann die Lenkkinematik als nichtlinearesÜbertragungsglied modelliert werden, dessen Übertragungsfaktor l±iLK(ÖL) vomBetrag und dem Vorzeichen des Lenkradwinkels abhängt (i = VL, VR) (Rompe1975):

(3.14)

3.3 Bewegung der Reifen und Räder 33

Öu =(I±iLK(öd)'ö LZ ' MLZ =(MRVL+MRVR)'

Setzt man die GIn. (3.12) und (3.13) in GI. (3.14) ein, so erhält man die kine­matischen Lenkwinkel der Vorderräder in Abhängigkeit des Lenkradwinkels ~und der RückstelImomente MRVL und MRVR (i =VL, VR):

(3.15)

Das arbeitspunktabhängige Übersetzungsverhältnis iGEs(~) zwischen dem Lenk­radwinkel und den kinematischen Lenkwinkeln der Vorderräder (vgI. GI. (3.15»wird nach DIN 70000 und der SAE-Richtlinie J 670e als kinematische Gesamt­übersetzung der Lenkung bezeichnet. Diese ist im FahrzeugmodelI in Form einernichtlinearen Kennlinie abgelegt (StolI 1992).

Mit den Antriebsmomenten nach GI. (3.6) , den Bremsmomenten nach GI.(3.11) und den kinematischen Lenkwinkeln nach GI. (3.15) stehen alIe SteIlgrößenzur Verfügung, welche die rotatorisehen Bewegungen der Räder beeinflussen.Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bremsmomente an alIen Rädern des Fahr­zeugs wirksam sind, während die Antriebsmomente nur an den angetrieben Rä­dern des Fahrzeugs angreifen. Die kinematischen Lenkwinkel werden nur an denVorderrädern des Fahrzeugs gestelIt.

Im nächsten Abschnitt werden die rotatorisehen und translatorischen Bewegun­gen der Räder analytisch beschrieben. Dabei werden auch die Winkelgeschwin­digkeiten und die Rückstellmomente der Vorderräder betrachtet, welche auf dieStellsysteme des Fahrzeugs zurückwirken.

3.3 Bewegung der Reifen und Räder

Die ModelIe der Reifen und der Räder sind der zentrale Block des Fahrzeugmo­delIs (vgl. Abb. 3.1.). Sie bilden zum einen die Schnittstelle zwischen den an denRädern angreifenden SteIlgrößen des Fahrzeugs und der Reaktion des Fahrzeugsin Form einer Bewegungsänderung. Zum anderen werden alle horizontalen undvertikalen Kontaktkräfte zwischen Reifen und Fahrbahn, ohne die eine Bewegungdes Fahrzeugs nicht möglich wäre, über die Räder auf das Fahrzeug übertragen .

Die Modellbildung der Radbewegungen erfolgt in zwei Abschnitten (Abb.3.10.). Im ersten Abschnitt werden die rotatorisehen Bewegungen betrachtet. Derzweite Abschnitt umfasst die Beschreibung des Reifen-Fahrbahn-Kontaktes undder translatorischen Radbewegungen.

34 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

Abb. 3.10. Strukturbild des Modellsder Reifen und Räder

3.3.1 Rotatorisehe Bewegungen der Räder

Von den rotatorisehen Freiheitsgraden der Räder werden hier lediglich die Dre­hungen um die horizontalen Radachsen sowie die Lenkbewegungen der Räder be­trachtet, da diese von den vom Fahrer kommandierten SteIlgrößen beeinflusstwerden. Erstere werden durch die Winkelgeschwindigkeiten der Räder besch rie­ben . Die letzteren sind durch die Einschlagwinkel der Räder bei Kurvenfahrt cha­rakterisiert.

Berechnung der Radwinkelgeschwindigkeiten

Zur Berechnung der Winkelgeschwindigkeiten der Räder wird die Momentenbi­lanz eines Rades um seine horizontale Achse betrachtet (Abb. 3.11.).

Wird das Fahrzeug beschleunigt. so wirkt dem Antriebsmoment MA das aus derKontaktkraft FXRzwischen Reifen und Fahrbahn und dem dynamischen RollradiusrR des Rades resultierende Radumfangsmoment FxRrR entgegen. Darüber hinausgreift an der Radachse ein Reibmoment MRR= McouLsign(OlR) + CVISKOlR an , wel­ches sich aus einem coulombschen und einem viskosen Anteil zusammensetzt.Wird das Fahrzeug abgebremst, so greift zusätzlich das Bremsmoment MB nachGI. (3.11) an der Radachse an .

l ahrtrichlung

Abb. 3.11. Drehmomentenbilanz um die horizontaleRadachse

3.3 Bewegung der Reifen und Räder 35

Bei bekanntem Massenträgheitsmoment eR aller mit der Winkelgeschwindig­keit des Rades rotierenden Teile ergibt sich als Momentenbilanz um die Radachseeine Differentialgleichung erster Ordnung. Aus ihr lässt sich durch einfache Integ­ration die Winkelgeschwindigkeit des Rades berechnen, die als Regelgröße vomSteuergerät des Antiblockiersystems eingelesen wird (i = VL, VR, HL, HR) (vgl.Abb.3.7.) :

(3.16)

Berechnung der Radeinschlagwinkel

Wird ein Vorderrad des Fahrzeugs beim Einfahren in eine Kurve mit dem kine­matischen Lenkwinkel gemäß GI. (3.15) beaufschlagt, so verformt sich seine Rad­aufstandsfläche infolge der Seitenkraftaufnahme und ihr Schwerpunkt wandert ausder Radmittelebene heraus nach hinten und zur Seite .

Unter dem Einfluß der Seitenkraft entsteht ein Rückstellmoment MR um dieLenkachse, dessen Hebelarm nucos't sich aus der Summe nu des ReifennachlaufsnR und des konstruktiven Nachlaufs nKON sowie dem Nachlaufwinkel t berechnenlässt (Abb. 3.12.). Wird das Rad zusätzlich beschleunigt oder verzögert, so wirktder Abstand rLCOS(j als Hebelarm des Rückstellmoments. welches durch die Rad­umfangskraft erzeugt wird (Abb. 3.12.). Dieser lässt sich aus dem Lenkrollhalb­messer ri. und dem Spreizungswinkel o berechnen. Fasst man die resultierendenDrehmomentanteile zusammen, so ergibt sich das gesamte auf das Lenkgestängewirkende Rückstellmoment an jedem Vorderrad zu (i =VL, VR):

MRi ="a -cos t - FYRi ± rL ' COSO" ' FXRi ' sigll(e5d· (3.17)

Abb. 3.12. Definition der Nachlaufstrecken . des Lenkrollhalbmessers sowie des Nachlauf­und des Spreizungswinkels

(3.18)

36 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

Mit den GIn. (3.15) und (3.17) lassen sich die kinematischen Lenkwinkel derVorderräder angeben, welche im stationären Fall die Einschlagwinkel der Vorder­räder darstellen .

Im instationären Betrieb treten zusätzliche Radeinschläge auf, die durch die dy­namischen Bewegungen der Radträger verursacht werden . Diese in der Literaturals Umfangskraft-, Seitenkraft- und Wanklenken bezeichneten Anteile sind vonder Elastokinematik der Radaufhängungen bestimmt und werden vom Fahrzeug­hersteller in Form nichtlinearer Kennlinien angegeben (Mitschke 1990).

Berücksichtigt man in der Berechnung sowohl die kinematischen als auch diedynamischen Anteile, so lassen sich die Einschlagwinkel der Räder durch die fol­genden Winkelbeziehungen beschreiben:

sRi = sLi ± eSv o + ssRi( FXRi) + ssRJFyRi) + ,MRi(K) (i = VL, VR),

eSRi = ± eSHO + t-.eSd FXRi) + t-.eSRi(FyRi) + t-.eSRi(K) (i =RL, RR).

In GI. (3.18) bezeichnen die Ö(j die kinematischen Lenkwinkel gemäß GI.(3.15). Die Terme t-.ORi(FXRi), ,M Ri(FYRi) und t-.ORi(K) beschreiben die dynamischenAnteile der Radeinschlagwinkel durch Umfangskraft-, Seitenkraft- und Wanklen­ken. Darüber hinaus wird an den Rädern der Vorderachse der konstruktiv einge­stellte Vorspurwinkel Ovo berücksichtigt.

An den Hinterrädern sind neben dem Vorspurwinkel ÖHo ausschließlich die imdynamischen Betrieb auftretenden Radeinschläge zu berücksichtigen.

3.3.2 Translatorische Bewegungen der Räder

Die translatorischen Bewegungen der Räder und der Fahrzeugkarosserie werdenvon den in den Kontaktflächen zwischen den Reifen und der Fahrbahn in hori­zontaler und vertikaler Richtung übertragenen Kräften bestimmt.

Zur Modellbildung der translatorischen Radbewegungen wird angenommen,dass die Räder durch die Radaufhängungen parallel zur Fahrbahnoberfläche starrmit der Karosserie verbunden sind. Daher sind die Vertikalbewegungen der Räderderen einzige translatorische Freiheitsgrade. Diese sind charakterisiert durch dieVertikalgeschwindigkeiten und die Aufstandskräfte der Räder auf der Fahrbahn .Letztere haben entscheidenden Einfluss auf den Kraftschluss zwischen Reifen undFahrbahn. Dieser hängt darüber hinaus von der Beschaffenheit der Fahrbahnober­fläche, der Bauart der Reifen sowie dem Schlupf an den Rädern ab.

Vertikalbewegungen der Räder

Zur Berechnung der Vertikalbewegung jedes Rades wird vorausgesetzt, dass alleLenker der Radaufhängung parallel zur Fahrbahnebene ausgerichtet sind. Dement­sprechend steht die Radebene senkrecht auf der Fahrbahnebene, der konstruktiveingestellte Sturzwinkel des Rades und seine dynamische Änderung während desFahrbetriebs werden vernachlässigt.

3.3 Bewegung der Reifenund Räder 37

Abb. 3.13. Viertelfahrzeugmexlell zur Beschreibung der Vertikalbewegung des Rades

Der Modellbildung der Vertikalbewegung jedes Rades liegt das in Abb. 3.13.dargestellte Viertelfahrzeugmodell zugrunde. In dieser vereinfachten Modellvor­stellung werden die vertikaldynamischen Eigenschaften des Reifens und der Rad­aufhängung jeweils durch ein Feder-Dämpfer-System abgebildet. Das Rad selbstwird als in der Radnabe konzentrierte Punktrnasse mR betrachtet.

Fasst man die von der Radaufhängung auf diese Punktrnasse ausgeübten Feder­und Dämpferkräfte zur Kraft FZRKi zusammen , so lässt sich die Kräftebilanzglei­chung in vertikaler Richtung aufstellen (i =VL, VR, HL, HR):

(3.19)

Aus GI. (3.19) lässt sich unmittelbar eine lineare Differentialgleichung zweiterOrdnung für die vertikale Koordinate ZR des Rades ableiten, deren Parameter beifest vorgegebenem Reifendruck konstant sind (i = VL, VR, HL, HR):

(3.20)

Das messtechnisch nur sehr schwer erfassbare Anregungssignal der Vertikal­bewegung des Rades, das Fahrbahnprofil zs, wird zur geschlossenen Lösung derGI. (3.20) in der Regel durch analytische Rauschsignalmodelle angenähert (Buß­hardt 1995).

Die Aufstandskraft FNRjedes Rades setzt sich aus einem statischen und einemdynamischen Anteil zusammen . Der statische Anteil ist durch die Masseverteilungdes Fahrzeugs und der daraus resultierenden Lage des Fahrzeugschwerpunktes be­stimmt. Der dynamische Anteil wird von der Summe der vom Reifen auf dieFahrbahn ausgeübten Kräfte gebilde t. Überlagert man beide Anteile , so erhält mandie gesamte von einem Rad auf die Fahrbahn ausgeübte Normalkraft, welche fürdie horizontale Kraftübertragung zwischen Reifen und Fahrbahn von zentralerBedeutung ist:

(3021)

(3022)

38 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

F - ( ) d ( . . ) IH sYRNRYL -cR o ZRYL -ZSYL + R · ZRYL -ZSYL +mog ._o-,I sY

F ( ) d ( . .) IH SYLNRYR=CR o ZRYR-ZSYR + R O ZRYR-ZSYR +m og o-o-,

I sY

F ( ) d ( . . ) Iy SHRNRHL = c R · ZRHL -ZSHL + R O ZRHL - ZSHL +mog o-o--,

I sH

F ( ) d ( . 0) Iy SHlNRHR =cR o ZRHR-ZSHR + R O ZRHR-ZSHR +mog o-o--" .

I sH

In GI. (3.21) bezeichnen die Parameter Iv und IH, sowie SVL, SVR, SHL und SHR dieAbstände des Fahrzeugschwerpunktes zur Vorder- bzw. zur Hinterachse sowie zurSpur vorne links, vorne rechts, hinten links und hinten rechts. Die Parameter I, Svund SH bezeichnen den Radstand und die Spurweite der Vorder- bzw , der Hinter­achse des Fahrzeugs (vgl. auch Abb. 3.16.).

Kraftübertragung zwischen Reifen und Fahrbahn

Der Schwerpunkt der Radaufstandsfläche - der Radaufstandspunkt - bewegt sichbei Kurvenfahrt in einer anderen Richtung als derjenigen , welche durch die Rad­ebene festgelegt ist. Der resultierende Winkel zwischen der Radebene und demGeschwindigkeitsvektor des Radaufstandspunktes. der Schräglaufwinkel o, lässtsich durch den Einschlagwinkel ÖR des Rades sowie den Schwimmwinkel ß unddie Gierwinkelgeschwindigkeit \jf des Fahrzeugs ausdrücken.

Den Geschwindigkeitsvektor des Radaufstandspunktes erhält man durch vekto­rielle Addition der Geschwindigkeit des Fahrzeugschwerpunkts und der Drehge­schwindigkeit des Fahrzeugs um seine Hochachse (Daiß 1996)0Spaltet man ihn ineine Komponente in Richtung der Fahrzeuglängsachse und in eine senkrecht dazuauf und bildet den Quotienten dieser beiden Anteile, so erhält man eine Berech­nungsgleichung für den Schräglaufwinkel an jedem Rad:

(

v F osinß+Iy 0/;/ )aRYL =0RYL -arctan . ,

VF 0cos ß-IL 0lf/

(v F osin ß + l y 0/;/ )

a RYR = 0 RYR - arctan . ,VF 0 cos ß+ IR 0 If/

(

VF os in ß - IH . /;/ )a RHL = 0 RHL - arctan . ,

VF ocosß-IL 0lf/

("r osinß-IH 0/;/ )

a RHR = 0 RHR - arctan . ."r ocosß+IR 0lf/

3.3 Bewegung der Reifen und Räder 39

.-4_--- Fahrzeug- ---+-1-4-1I ngsachse

J.-"'t-- - - Schwerpunkt- - - - r 1rder Radauf­standsftäche

"-_--Radebene

Abb. 3.14. Schlupfberechung nach Burckhardt (1993). Linkssind die Verhältnisse im An­triebsfall. rechtsdiejenigen im Bremsfall dargestellt

Rollt das Rad ohne Krafteinwirkung geradeaus über die Fahrbahn, so ist dieGeschwindigkeit des Radaufstandspunktes gleich der Radumfangsgeschwindig­keit WRrR.

Wird das Rad angetrieben oder abgebremst, so entsteht aufgrund der elasti­schen Verformung des Reifens eine Differenzgeschwindigkeit, welche als Schlupfbezeichnet wird. Bezieht man den Schlupf auf die jeweils größere der beiden Ein­zelgeschwindigkeiten, so ergibt sich die Unterscheidung in den dimensionslosenAntriebs- bzw. Bremsschlupf. Darüber hinaus wird der Schlupf auf den Wertebe­reich zwischen 0 und I normiert.

In der Literatur finden sich verschiedene Definitionen des Schlupfes am Rad(Burckhardt 1993; Reimpell 1988; Daiß 1996). Sie unterscheiden sich in der Wahlder Bezugsgröße und der Art der Normierung. Hier wird die Definition des Rad­schlupfes nach Burckhardt (I993) verwendet (Abb. 3.14.). Gemäß dieser Definiti­on wird der Schlupf in Richtung des Geschwindigkeitsvektors des Radaufstands­punktes als Längsschlupf AL des Reifens bezeichnet. Die aus dem Schräg lauf desReifens bei Kurvenfahrt resultierende, senkrecht zum Geschwindigkeitsvektor desRadaufstandspunktes stehende Komponente des Schlupfes bezeichnet Burckhardtals Seitenschlupf As des Reifens .

Für die Berechnung des Reibbeiwertes zwischen Reifen und Fahrbahn ist derresultierende Schlupf ARES maßgebend. Er ist definiert als die geometrische Sum­me aus Längs- und Seitenschlupf. In GI. (3.23) sind die aus Abb. 3.14. ablesbarenBerechnungsgleichungen für den Antriebs- und den Bremsschlupf in Längs- undSeitenrichtung sowie für den resultierenden Schlupf an jedem Rad zusammenge­fasst (i = VL, VR, HL, HR):

40 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

Brem sschlupf

1 _ wRi ·rR ·cosaj- vRi/l. Li -

VRi

1 _ W Ri ' rR ·s in a j/l. Si -

vRi

Antriebsschlupf

(3.23)

Re sultierender Schlupf

A.RESi =~A.~ +A.~i

Das statische Reibun gsverhalten des Reifens auf der Fahrbahn wird in der Re­gel mit Hilfe nichtlinearer Kennfelder beschrieben. Diese Reifenkennfelder lassensich durch funktionale Approximationen der Messreihen, die das Reibungsver­halten des Reifens auf der Fahrbahn beschreiben, hinreichend gut darstellen.

In Analogie zur Definition des Radschlupfes sind in der Literatur verschiedeneparametrische Näherungsformeln zur Beschreibung des Reifen-Fahrbahn-Kon­takte s zu finden (Tabelle 3.2.). Die in der Praxis am häufi gsten einge setzten Rei­fenmodelle sind die Magic-Tyre-Formula von Pacejka (Bakker et al. 1987, 1989;Pacejka 1989; Pacejka u. Besselink 1997), das Reifenmodell von Burckhardt(1993) und das sogenannte HSRI-Modell (Dugoff et al. 1969). Diese drei Modellewurden bezüglich ihrer Approximationsgüte und ihres Rechenzeitbedarfs mitein­ander verglichen (Holzmann 2oo!) . Die Ergebnisse dieses Vergleich s sind inTabell e 3.2. dargestellt.

Tabelle 3.2. Kenngrößen der untersuchten Reifenmodelle

ReifenmodellVerwendeter FunktionstypAnzahlder ParameterApproximationsgüteRelativer Rechenzeitbedarf

HSRIlinear3gutI

Burckhardtexponential5sehr gut2.5

Pacejkatrigonometrisch4sehr gut4.6

Als optimaler Kompromiss zwischen Approximationsgüte und Rechenzeitbe­darf wurde das Reifenmodell nach Burckhardt (1993) ausgewählt. Es beschreibtden resultierenden Reibbeiwert !lRES zwischen Reifen und Fahrbahn in Abhängig­keit des resultierenden Schlupfes A.RES und der Aufstandskraft FNR des Rades so­wie der Geschwindigkeit VF des Fahrzeug s (i = VL, VR, HL, HR):

- ( (I - C,.ARfS; ) • 1 ) - C, ·ARESi·vF (I ",2)!lRESi - cl ' - e - C3 . "-R ESj ·e . - cs " NRi . (3.24)

Die Werte der Parameter CI bis c, hängen von der Bauart des Reifens und derArt und der Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche ab. Charakteristische Wertedieser Parameter für verschiedene Fahrbahnoberfl ächen sind in Daiß (1996) zufinden.

I 1.0

1°·8a; 0.6~ 0.4:Q 0.2coa: 00

3.3 Bewegung der Reifenund Räder 41

50

Ahh. 3.15. Reifenkennfeld für nassen Asphalt

Abb. 3.15 . zeigt ein mit der Näherungsformel von Burckhardt nach GI. (3.24)approximiertes Reifenkennfeld. Das Kennfeld zeigt die Abhängigkeit des Reib­beiwertes zwischen dem Reifen und nassem Asphalt in Abhängigkeit des resultie­renden Schlupfes und der Fahrgeschwindigkeit. Die Radaufstandskraft wird inAbb. 3.15. als konstant angenommen. Man erkennt deutlich die Abnahme desReibbeiwertes mit zunehmender Geschwindigkeit, ein Effekt , der auf nasser Fahr­bahn stärker ausgeprägt ist als auf trockener Fahrbahnoberfläche. Darüber hinauserkennt man die typische Abhängigkeit des Reibbeiwertes vom resultierendenSchlupf am Rad: Vom Schlupfwert ARE S = 0 steigt die Kennlinie zunächst steil undnahezu linear an. Danach läuft die Kennlinie degressiv in den maximalen Kraft­schlussbeiwert. Ist das Maximum überschritten, so fällt die Kennlinie leicht de­gressiv ab und endet im Gleitbeiwert bei ARE S = I.

Der Vektor des result ierenden Reibbeiwertes zeigt in die gleiche Richtung wieder Vektor des resultierenden Schlupfes am Rad (Burckhardt 1993). Dementspre­chend lassen sich die Reibbeiwerte in Richtung des Längs- und des Seitenschlup­fes des Rades entsprechend der geometrischen Aufteilung der Schlupfwerte be­rechnen (i = VL, VR, HL, HR):

_ A,LiJi Li - Ji RES; .-,-- ,

"'RES;

_ • A,SiJi Si - kAI . JiRESi ' - - .

A,RESi(3.25)

Mit dem Faktor kAI wird dem richtungsabhängigen Reibungsverhalten ani­sotroper Reifen Rechnung getragen . Bei anisotropen Reifen ist der maximaleReibbeiwert in Querrichtung des Reifens kleiner als in Längsrichtung. Daher liegtder Wertebereich von kAI für gängige Niederquerschn ittsreifen , die heute in derRegel anisotropes Verhalten aufwei sen, im Intervall von 0,9 bis I.

Die in der Kontaktfläche zwischen Reifen und Fahrbahn übertragenen Hori­zontalkräfte lassen sich auf der Basis des Coulombsehen Gesetzes aus den korres­pondierenden Reibbeiwerten und der aktuellen Radaufstandskraft berechnen (Daiß1996). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in Richtung des Geschwindigkeits­vektors des Radaufst andspunktes bzw. senkrecht dazu definierten Reibbeiwerte in

(3.26)

42 3 Modellbildun g der Fahrzeugdynamik

das jeweilige radfeste Koordinatensystem transformiert werden müssen(i = VL, VR, HL, HR):

FXRi =(Ji li -cos rr, + Ji Si -sin zz.} FNRi •

FYRi = (Ji Si ' cos a j - Ji li . sin a j ) · FNRi ·

Untersuchungen des instationären Reifenverhaltens bei schnellen Änderungendes Schräglaufwinkel s haben gezeigt, dass der Aufbau der Seitenkraft am Rad einVerzögerungsverhalten erster Ordnung mit einer geschwindigkeitsabhängigenZeitkonstanten aufweist (Würtenberger 1997).

Die Zeitkonstante des Kraftaufbaus in Richtung der Radebene ist sehr viel klei­ner. Daher wird die Dynamik erster Ordnung des Seitenkraftaufbaus am Rad imFahrzeugmodell berücksichtigt, wohingegen der Kraftaufbau in Richtung derRadebene als quasistatisch betrachtet wird.

3.4 Fahrzeugbewegung parallel zur Fahrbahnoberfläche

Der Beschreibung der Bewegung des Fahrzeugs parallel zur Fahrbahnoberflächeliegt das in Abb. 3.16. dargestellten Zweispurmod ell der Horizontaldynamikzugrunde. Dieses Modell basiert auf der vereinfachenden Annahme, dass sich derSchwerpunkt des Fahrzeugs in Höhe der Fahrbahneben e befindet, d. h. Dreh- undHubbewegungen der Fahrzeugkarosserie werden zur Beschreibung der Horizon­talbewegung des Fahrzeugs vernachlässigt.

Die drei Freiheitsgrade des Zweispurmodells werden durch die Kräftebilanzenin Richtung der Fahrzeughauptachsen sowie durch die Momentenbilanz des Fahr­zeugs um seine vertikale Achse vollständig beschrieben. Vor dem Aufstellen derBewegungsgleichungen müssen die in Abb. 3.16. dargestellten horizontalen Rad­kräfte jedoch zunächst von den radfesten Koordinatensystemen (Index Ri) insfahrzeugfeste Koordinatensystem (Index F) transformiert werden. Die Relationzwischen den Bezugssystemen wird durch die Radeinschlagwinkel hergestellt:

(3.27)

Der Schwerpunkt des Fahrzeugs bewegt sich mit der Tangentialgeschwindig­keit VF um den Krümmungsmittelpunkt seiner Bahnkurve. Infolge der dabei auf­tretenden Zentripetalbeschleunigung wirkt auf den Fahrzeugschwerpunkt dieZentripetalkraft

(3.28)

Die Luftwiderstandskräfte Fwx und Fwy greifen um die Strecke lw vor denSchwerpunkt versetzt am Fahrzeug an. Sie lassen sich aus der Dichte PLder Luft,der wirksamen Anströmflächc AF und den Luftwiderstandsbeiwerten Cwx und CWydes Fahrzeugs berechnen.

3.4 Fahrzeugbewegung parallel zur Fahrbahnoberfläche 43

Krümmungs ­i'P"k1

Abb. 3.16. Zweispurmodell zur Beschreibung der Bewegung des Fahrzeugs parallel zurFahrbahnoberfläche

Die resultierende Anströmgeschwindigkeit VRES der Luft ergibt sich aus der ge­ometrischen Überlagerung der Geschwindigkeit VF des Fahrtwindes und der na­türlichen Windgeschwindigkeit vw, welche im Winkel t zur Fahrzeuglängsachsesteht (Mitschke 1990):

z- A PL 2rWY = CWY ' F .-. vRES

2

mit vRES = ~v} + v~ +2,vF' "w -cos t.

(3.29)

In Richtung der Fahrzeuglängsachse ist darüber hinaus der Steigungswider­stand Fs des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Er hängt nichtlinear vom Steigungs­winkel y der Fahrbahn ab . Analog dazu ist in Fahrzeugquerrichtung die durch dieFahrbahnneigung hervorgerufene Kraftkomponente FN zu berücksichtigen, welchetrigonometrisch vom Neigungswinkel X der Fahrbahn abhängt:

44 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

(3.30)

Die Roll- und die Kurvenwiderstände der Räder werden in den Modellen derKraftübertragung zwischen Reifen und Fahrbahn berücksichtigt und greifen überdie Horizontalkräfte der Räder am Fahrzeug an (Abb. 3.16.).

Damit ergeben sich für die beiden translatorischen Freiheitsgrade der Horizon­talbewegung des Fahrzeugs mit den geometrischen Fahrzeugabmessungen ausAbb. 3.16. und den Reifennachläufen aus Abb. 3.12. die folgenden Bewegungs­gleichungen:

Kräftebilanz in Fahrzeuglängsrichtung

m F , x F = m F ' VI' ·cosß= FXFVL + FXFVR + FXFHL + FXFHR - Fz p . sinß- Fwx - Fs

Kräftebilanz in Fahrzeugquerrichtung

mF ' h = m F , v F ·sinß= FYFVL + FYFVR + FYFHL + FYFHR + Fzp . cosß- FWY - FN .

(3.31)

(3.32)

Der rotatorisehe Freiheitsgrad der Horizontaldynamik lä sstsich durch die Mo­mentenbilanzgleichung um die vertikale Achse des Fahrzeugs beschreiben:

- Kräftebilanz in Fahrzeugquerrichtung

Oz .;;=FXFVR ' sVR - FXFVL ' SVL +FXFHR 'SHR -FXFHL ' SHL -Fwr .t; (3.33)

+ FYFVR .(lv - n RVR) + FYFVL .(lv - n RVL)- FyFHR ' (IH + n RHR)

-FYFVL ·( I H +nRHL) ·

Setzt man die oben modellierten Widerstandskräfte in die Bewegungsgleichun­gen ein und löst das resultierende Gleichungssystem auf, so erhält man nach ein­facher bzw. zweifacher Integration nach der Zeit die Zustandsgrößen Xp, Yr und '"bzw. vp, ß und", der Horizontaldynamik des Fahrzeugs im fahrzeugfesten Koor­

dinatensystem bzw. entlang seiner parallel zur Fahrbahnoberfläche verlaufendenTrajektorie im Raum.

3.5 Bewegung der Fahrzeugkarosserie

Die Fahrzeugkarosserie ist parallel zur Fahrbahnebene über die Lenker der Rad­aufhängungen starr mit den Rädern verbunden. In vertikaler Richtung wird dieBewegung der Karosserie über die Fahrwerksfedern, die Stoßdämpfer und die

3.5 Bewegungder Fahrzeugkarosserie 45

Stabilisatoren des Fahrwerks auf den Rädern und den Radachsen abgestützt. Da­her verbleiben für die Bewegung der Karosserie ein translatorischer und zwei ro­tatorische Freiheitsgrade. Diese lassen sich durch die Kräftebilanzgleichung inRichtung der vertikalen Fahrzeugachse sowie durch die Momentenbilanzglei­chungen um die Nick- und die Wankachse des Fahrzeugs beschreiben (Abb.3.17.). Die Hubbewegung der Fahrzeugkarosserie ergibt sich aus der Überlage­rung statischer und dynamischer Kräfte , welche an der Karosserie angreifen . Derstatische Anteil resultiert aus der statischen Einfederung der Karosserie infolge ih­rer Schwerkraft. Der dynamische Anteil setzt sich aus den Reaktionskräften derRadaufhängungen und der Auftriebskraft der Luft zusammen.

Mit der Masse mK der Karosserie erhält man die Bewegungsgleichung in verti­kaler Richtung als

- Kräftebilanz in Richtung der vertikalen Fahrzeugachse

mK . ZK = F ZRKVL + FZRKVR + FZRKfiL + FZRKllR + Fwz - m K . g . (3.34)

Die Auftriebskraft Fwz berechnet sich analog den in horizontaler Richtung amFahrzeug angreifenden Luftwiderstandskräften mit der AnströmgeschwindigkeitVRES der Luft gemäß GI. (3.29) zu

PL 2Fwz = <wz ·AF ' - ' VRES '

2(3.35)

Wird das Fahrzeug beschleunigt, so ruft die am Schwerpunkt SP angreifendeTrägheitskraft FT = - m K. XFeine Nickbewegung der Karosserie hervor. BeimDurchfahren einer Kurve wankt die Karosserie infolge der auf den Schwerpunktwirkenden Zentrifugalkraft FZF = -m K . YF ' Nick- und Wankbewegungen der Ka­

rosserie können auch vom Straßenprofil angeregt werden und einander überlagern.Sie sind Drehbewegungen der Karosserie um ihre Nick- und ihre Wankachse(Abb, 3.11.).

Abb. 3.17. Lage der Momentanachsen der Nick- und der Wankbewegung des Fahrzeugs(Nickachse: NA, Wankachse: WAl sowie Hebelarme und Angriffspunkte der Radaufhän­gungskräfte. Die Radaufhängungskräfte an einer Achse bzw. an einer Spur des Fahrzeugssindjeweils zu einer Kraft zusammengefasst dargestellt.

46 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

Die Lage der beiden virtuellen Momentan achsen der Drehbewegungen lässtsich in Abhängigkeit der Radaufhän gungen auf geometri schem Wege berechnen(Matschinsky 1987) oder kann durch Messung der Spurweitenänderungskurve er­mittelt werden (Reimpell 1995). Die Wankachse des Fahrzeugs liegt in der MitteI­ebene des Fahrzeugs und die Nickachse ist stets parallel zur Fahrzeugquerachseausgerichtet. Daher kann die Modellbildung der Nick- und Wankdynamik anhandder in Abb. 3.17. dargestellten Halbfahr zeugmodelle erfolgen .

Mit den Massenträghei tsmomenten Sx und Sy um die Längs- und die Querach­se können die rotatorisehen Freiheitsgrade der Fahrzeugkarosserie mit Hilfe vonAbb. 3.17. durch die Momentenbilanzgleichungen um die Nick- und die Wank­achse des Fahrzeugs beschrieben werden:

- Momentenbilanz um die Nickachse (NA) des Fahrzeugs

Br .ip= (FZRKHL+ FZRKHR) ·(IH -INA)-(FZRKvL+FZRKvRHlv +INA)

- FTF.(hsp - hNA)+mK .g· INA

- Momentenbilanz um die Wankachse (WA) des Fahrzeugs

Bx . i(-= FZRKVL .(SVL+sw,\)- FZRKVR'(SVR- swA)+FZRKHL .(SHl. +SWA)

-FZRKHR .(SHR - SWA)+ FZF.(hsp -hWA)-mK' g'SWA .

(3.36)

(3.37)

Bei der Modellb ildung der Nick- und der Wankdyn amik des Fahrzeugs ist zuberücksichtigen, dass die an der Karosserie angreifenden Vertikalkräfte der Rad­aufhängungen nichtlinear von der Einfederung des Fahrzeugs abhängig sind(i =VL, VR, HL, HR): FZRKi =FZRKi (ZK, rp, K).

Berücksicht igt man diesen Sachverhalt, so erhält man für die Bewegung sglei­chungen der Fahrzeugkarosserie (Gin. (3.34), (3.36) und (3.37» nichtlineare Dif­ferential gleichung en zweiter Ordnung. Zur Auflösung dieser Different ialgleichun ­gen nach den Zustandsgrößen ZK, <p und K müssen die vertikalen Krafteinle itungender Radaufhängungen an der Karosserie modelliert werden.

3.6 RelatiVbewegung zwischen Rädern und Karosserie

Die Relativbewegung zwischen einem Rad und der Karosserie hängt vom Über­tragungsverhalten der Radaufhängung ab. Zur ihrer mathematischen Beschreibungwird von der vereinfachten Modellvor stellung ausgegangen, dass die Feder undDämpferelemente der Radaufhängung parallel zur Radebene senkrecht über derRadaufstandsfläche stehen.

3.6 Relativbewegung zwischen Rädern und Karosserie 47

Abb. 3.18. Modellder Radaufhängungen und des Torsionsstabilisators an der Vorderachse.Aufder rechtenFahrzeugseite sind die Komponenten, auf der linkendie auf die Karosseriewirkenden Kräfte eingezeichnet

Weicht diese Modell vorstellung von der Realität ab, so können die Parameterder realen Radaufhängung bei bekannter Geometrie des Fahrwerks in das Modellumgerechnet werden (Reimpell 1988).

Die Radaufhängung setzt sich aus der Fahrwerksfeder , dem Stoßdämpfer unddem an jeder Fahrzeugach se angebrachten Stabili sator zusammen . Die Fahrwerks­feder hat die Aufgabe, durch kurzfristige Zwischen speicherung kinetischer Ener­gie vertikale Beschleunigungsspitzen von der Karosserie fernzuhalten.

Der Stoßdämpfer sorgt dafür, dass durch das Straßenprofil oder auch durch in­stationäre Beschleuni gungs-, Brems- oder Seiten kräfte angeregte Schwingungender Fahrzeugkarosserie , die den Fahrkom fort und die Fahrsicherheit beeinträchti­gen , gedämpft werden und schnell abklingen. Außerdem verringert er die dynami­sche Amplitude der Radaufstandskraft des Rades.

Die Aufgabe des Torsionsstabili sators ist es, die Wanknei gung des Fahrzeugsbei Kurvenfahrten zu verringern und so das Fahrverhalten des Fahrzeu gs in derKurve positiv zu beeinflu ssen . Eine schematische Darstellung des Modell s derRadaufhängung, das den folgenden Berechnungen zugrunde liegt, zeigt die Abb.3.18..

Zur Modellbildung der den einzelnen Komponenten der Radaufhängung zuge­ordneten Kräfte ist es erforderlich, den Federweg ~Zi (i = VL, VR, HL, HR) an je­dem Rad zu berechnen. Er ist definiert als Relativweg zwischen der Radnabe unddem Kontaktpunkt der Radaufhängung mit der Karosserie (Abb. 3.18.):

(3.38)

Die Vertikalkoordinate des Rades erhält man durch Auflösung der Differential­gleichung (3.20) .

Die vertikale Koordinate des senkrecht über der Radnabe liegenden Kontakt­punktes an der Karosserie hängt vom Hub ZK des Schwerpunktes sowie dem Nick­winkel <p und dem Wankwinkel K der Karosserie ab:

(3.39)

48 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

ZKVL ::: ZK - 1V · rp+ SVL ·K , zKvR:::zK-lv·rp-svR·K,

ZKHL ::: ZK +IH . rp+sHL ' K , ZKHR ::: ZK +IH ' rp - SHR ' K.

Die Federkraft der Fahrwerksfeder hängt gemäß dem Newtonsehen Federgesetzvom Federweg ab. An den Rädern der Vorderachse von Personenkraftwagen wer­den in der Regel Linearfedern eingesetzt , deren Federkoeffizient über den gesam­ten Arbeitsbereich der Fahrwerksfeder konstant ist. An der Hinterachse werden inder Regel Federbeine mit progressiver Kraft-Weg-Charakteristik verwendet, derenFederkoeffizienten mit wachsender Einfederung nichtlinear zunehmen:

FCj ::: cRKj ' t:.z j

FCk ::: C RKk(t:.z k ) . AZk

(j::: VL, VR),

(k::: HL, HR).(3.40)

Die Dämpfungskraft des Stoßdämpfers hängt nichtlinear von der Federge­schwindigkeit ab. In der Literatur finden sich zahlreiche Näherungsmodelle desStoßdämpfer s, welche die Kraft-Geschwindigkeits-Charakteristik entweder innichtlinearer Form mit Hilfe von Wurzel- und Signumfunktionen oder aber durchabschnittsweise lineare Näherungen beschreiben (Bußhardt 1995; Majjad 1997).

Im Folgenden wird die Kraft-Geschwindigkeits-Charakteristik des Stoßdämp­fers in ihrer allgemeinen Form als nichtlineare Relation zwischen der Federge­schwindigkeit und der Dämpfungskraft modelliert und identifiziert (i ::: VL, VR,HL, HR):

(3.41)

(3.42)

Es ist zu berücksichtigen, dass in der Kennlinie des Stoßdämpfers nach GI.(3.41) implizit eine Coulombsehe Reibungkraft enthalten ist. Sie entsteht durchdie Reibung zwischen Kolben und Zylinder sowohl im Zug- als auch im Druck­betrieb des Stoßdämpfers. Dem Betrage nach konstant ändert sie ihr Vorzeichengemäß dem Vorzeichen der Geschwindigkeit des Federweges. Das äußert sich inder Kraft-Geschwindigkeits-Charakteristik des Stoßdämpfers in Form eines gro­ßen Gradienten im Bereich nahe dem Nullpunkt der Kennlinie.

Zur Modellbildung der Stabilisatorkraft wird der Stabilisator als Torsionsstabmodelliert, an dem an jedem Endpunkt ein Hebelarm der Länge IST angesetzt ist(Abb.3.18.).

Bewegen sich die Räder einer Achse des Fahrzeugs in vertikaler Richtung rela­tiv zueinander um den Weg (AzL-L'1zR), so übt der Torsionsstab mit der Torsions­

steifigkeit C;T an jedem seiner Endpunkte ein Drehmoment auf die Hebel aus, dasproportional zu seiner Verdrehung ist:

*M;r::: csr ·(AzL -AzR ) .

lsr

Die diesem Drehmoment entsprechende Kraft an jedem Rad der betrachtetenFahrzeugachse ist

(3.43)

3.6 Relativbewegung zwischen Rädernund Karosserie 49

1 * C;T ( )FST =±-·MST =±-o- ' t.zL -t.z R .IST IST

Analog zur Krafteinle itung an den Rädern erfolgt eine Krafteinleitung an derFahrzeugkarosserie. Bezieht man die an der Karosserie eingeleitete Kraft auf denPunkt der Karosserie, der senkrecht über dem Radaufstandspunkt liegt, so erhältman wiederum die Kraft FST nach GI. (3.43).

Rechnet man die Tor sionsteifigkeiten C;TV bzw. C;TH des Stabilisators derVorder- bzw. der Hinterachse in die entsprechenden Linearfedersteifigkeiten CSTVund CSTH um,

2* Sv

CS7V =CS7V '-2- ,tS7V

,.2* " H

CSTH = CSTH '-t2 'STH

(3.44 )

so erhält man die folgenden Berechnungsgleichung en für die an der Karosseriebzw. an den Rädern des Fahrzeug s angreifenden Stabilis atorkr äfte :

CS7V ( )FS7V1. = - 2- ' &Vl. - t.ZVRSv

CS7V ( .FS7VR = - 2- ' &vR-&vd '

Sv

CSTH ( )FSTIl I. = -2-' & Hl. - t. ZHR 'SH

(3.45)

Die Bewegungsgleichungen der Fahrzeugkarosserie (Gin . (3.34), (3.36) und(3.37» und die Modellgleichungen der Stabilisatorkräfte (GI. (3.45» zeigen, dassdie vier Radaufhängungen des Fahrzeugs über die Karosserie miteinander verkop­pelt sind, und dass zusätzlich die Aufhängungen der Räder einer Achse über denStabilisator miteinan der verbunden sind. Daher reicht zur Beschreibung der Verti­kalbewegung einer Radaufh ängung die Betrachtung eines Viertelfahrzeugmodellsnach Abb. 3.13. nicht aus. Vielmehr ist zur Modellbildung der Kinematik einerRadaufh ängung die Kenntni s der Kinematik der Aufhängungen der drei übrigenRäder notwendig.

Abb. 3.19. Blockschaltbild zur Berechnung der Vertikalkraft der vorderen linken Radauf­hängung

50 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

Die von jeder Radaufhängung auf die Karosserie ausgeübte Kraft FZRKi (i = VL,VR, HL, HR) ergibt sich als Summe der Einzelkräfte ihrer Komponenten (Abb.3.19.):

(3.46)

(3.47)

Sind die Vertikalkräfte der Radaufhängungen bekannt, so lassen sich die Be­wegungsgleichungen beliebiger Punkte der Fahrzeugkarosserie angeben.

Differenziert man beispielsweise die GI. (3.39) zweimal nach der Zeit und setztin die entstehenden Gleichungen die Bewegungsgleichungen der Fahrzeugkaros­serie (Gin. (3.34), (3.36) und (3.37)) unter Berücksichtigung der Gin. (3.40),(3.41), (3.45) und (3.46) ein, so erhält man nach einigen Umrechnungen die Verti­kalbeschleunigungen der Kontaktpunkte zwischen den Radaufhängungen und derFahrzeugkarosserie in Abhängigkeit der Federwege und der Federgeschwindig­keiten. Für den Kontaktpunkt ZKVL, der senkrecht über dem Aufstandspunkt desvorderen linken Rades liegt (vgl. Abb. 3.18.), erhält man die folgende Bewe­gungsgleichung:

ZKYL =

[(1 ly(ty +INA) SYL(SYL +SWA)) SYL ]-+ + CRKVL+--CSTV ßzYLmK By Bx syBX

[(1 ly(ty +INA) SYL(SYL +SWA)) (')] .+ -+ + dRKYL &'YL &'YL

mK By Bx

[(I lv(tv +INA) SYL(SYR -SWA)) SYL ]+ -+ CRKYR---cSTV ßzYR

»« By Bx SyBX

[(I ly(ly +INA) SVL(SYR -SWA)] (.)].+ -+ dRKYR &.VR AZYR

m« By Bx

[(1 ly(lH -INA) SYL(SHL +SWA)) ( ) sYL ]+ -- + CRKHL ßzHL +--cSTH ßzHL

mK By Bx sHBX

+[(_I__ ly(lH -INA) + SYL(SHL +SWA))dRKHL(&'HL)]&'HL»« By Bx

+[(_I__ ly(lH -INA) SYL(SHR -SWA))C (ßz )+~c ]ßzB B RKHR HR B STH HR

mK y x SH X

+[(_I__ ly(lH -INA) SYL(SHR -SWA)]dRKHR(&'HR)]&'HR .mK By Bx

3.7 Zusammenfassung 51

GI. (3.47) beschreibt ein komplexes Modell der vorderen linken Radaufhän­gung des Fahrzeugs mit den vier Federwegen und den vier Federgeschwindigkei­ten als Eingängen . Den Ausgang des Modells bildet die Vertikalbeschleunigungdes Kontaktpunktes der Radaufhängung an der Fahrzeugkarosserie.

Strukturell betrachtet handelt es sich um ein dynamisches Modell zweiter Ord­nung, das linear in seinen Parametern ist. Die Parameter selbst hängen jedochnichtlinear vom aktuellen Arbeitspunkt, d.h. von der aktuellen Einfederung derRadaufhängung, ab. Die nichtlineare Abhängigkeit der Modellparameter von denaktuellen Zustandsgrößen des Systems verhindert den Einsatz konventioneller Pa­rameterschätzverfahren zur Identifikation der unbekannten Koeffizienten derFahrwerksfedern , der Stoßdämpfer und der Stabilisatoren des Fahrzeugs.

Um dennoch ein Modell zu erhalten, welches das dynamische Verhalten derRadaufhängung über den gesamten Arbeitsbereich mit ausreichend hoher Genau­igkeit beschreibt, wird deren Nichtlinearität mit Hilfe Neuronaler Netze identifi­ziert. Der Aufbau und die Struktur der verwendeten Netze, die Algorithmen zu de­ren Training sowie die Integration der Netze in das Fahrzeugmodell werden imsiebten Kapitel dieses Buches ausführlich erläutert .

3.7 Zusammenfassung

Im vorliegenden Kapitel wurde ein theoretisches Modell zur Beschreibung der dy­namischen Bewegung eines Personenkraftwagens und seiner Komponenten her­geleitet. Das Fahrzeugmodell umfasst die mathematisch-physikalische Beschrei­bung der Stellsysteme sowie der Horizontal- und der Vertikaldynamik des Kraft­fahrzeugs.

Der Begriff .Stellsysteme" umschreibt die Modellbildung des Antriebsstrangs,der Bremsanlage und der Lenkung des Fahrzeugs. Das Modell des Antriebsstrangswurde gemäß den betrachteten Versuchsfahrzeugen vorhandenen physikalischenKomponenten in die Teilmodelle zur funktionellen Beschreibung des Motors, desTrilok-Drehmomentwandlers, des Automatik- und des Differentialgetriebes unter­gliedert. Das Modell der Bremsanlage umfasst die Teilmodelle des Hauptbrems­zylinders, des Antiblockiersystems, der Bremsleitungen und der Radbremsen . DasLenkungsmodell setzt sich aus den Modellen des Lenkgetriebes, der Hilfskraftlen­kung, der Lenksteifigkeit sowie der Lenkkinematik zusammen. Die Modellbildungder Bewegungen der Räder wurde in zwei Teilmodelle aufgespalten. Das Teilmo­dell, das die rotatorisehen Freiheitsgrade umfasst , beschreibt die Berechnung derWinkelgeschwindigkeiten um die Radachsen und der Einschlagwinkel der Räder.Das Modell der translatorischen Freiheitsgrade beschreibt neben den Vertikalbe­wegungen der Räder die ModelIierung der Reibungscharakteristik und der Kraft­übertragung zwischen Reifen und Fahrbahn .

Die Horizontaldynamik des Fahrzeugs beschreibt die Bewegung des Fahrzeugsparallel zur Fahrbahnobertläche. Sie wurde auf der Basis eines nichtlinearenZweispurmodells mit Hilfe der Kräftebilanzen in Richtung der Längs- und der

52 3 Modellbildung der Fahrzeugdynamik

Querachse des Fahrzeugs sowie der Momentenbilanz um die Fahrzeughochachsemodelliert .

Die Modellbildung der Vertikaldynamik des Fahrzeugs wurde in die Beschrei­bung der Bewegung der Fahrzeugkarosserie und die der Radaufuängungen auf­gespalten . Die Bewegung der Karosserie wurde durch die Kräftebilanz in Rich­tung der Fahrzeughochachse sowie durch die Momentenbilanzen um die virtuelleNick- und Wankachse des Fahrzeugs beschrieben. Zur Beschreibung der Relativ­bewegungen zwischen den Rädern und der Karosserie des Fahrzeugs wurde ex­emplarisch für das linke Vorderrad ein komplexes Modell der Radaufuängunghergeleitet. Es beschreibt die Bewegung des Kontaktpunktes zwischen Radauf­hängung und Karosserie in Abhängigkeit der Federwege und deren ersten zeitli­chen Ableitungen.

Die einzelnen Teilmodelle wurden, wo immer es möglich war, aus einfachenDifferentialgleichungen aufgebaut. Lediglich zur Beschreibung komplexer physi­kalischer Zusammenhänge, wie z.B. der Motorcharakteristik oder des Reifen­Fahrbahn-Kontaktes, wurde auf phänomenologische Gleichungen oder Kennfeld­darstellungen zurückgegriffen.

Der überwiegende Teil der in den Modellgleichungen auftretenden Parameterdes Fahrzeugs ist konstant. Einige der benötigten Parameter sind zeitvariant, wo­bei die Änderung ihre Werte mit der Zeit stark variiert. Darüber hinaus gibt es Pa­rameter, die nichtlinear vom aktuellen Arbeitspunkt, d.h. von den Zustandsgrößendes Fahrzeugs oder den aktuellen Umweltbedingungen, abhängen. Demzufolge istdie Bestimmung des kompletten Satzes aktueller Parameterwerte, die zur modell­basierten Simulation des Fahrverhaltens eines Fahrzeugs benötigt werden, außer­ordentlich schwierig. Die Parametrierung des Fahrzeugmodells ist daher das The­ma des nächsten Kapitels, in dem Verfahren aufgezeigt werden, mit deren Hilfeauch die zeitvarianten und arbeitspunktabhängigen Fahrzeugparameter bestimmtwerden können.

4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

Im vorhergehenden Kapitel wurde ein mathematisches Modell des Kraftfahrzeugshergeleitet. Um dieses Modell zur Berechnung und Simulation der dynamischenBewegung des Fahrzeugs und seiner Komponenten einsetzen zu können , ist esnotwendig, die in den Modellgleichun gen auftretenden Parameter möglichst genauzu bestimmen .

Dazu wird in diesem Kapitel zunächst eine Klassifikation der in den Modell­gleichun gen verwendeten Fahrzeug- und Umweltparameter vorgenommen . Aufder Basis dieser Klassifikation werden anschließend Möglichkeiten zur Bestim­mung der Parameterwerte diskutiert. Am Beispiel des Parameters Fahrzeugmass ewerden Methoden der Parameterschätzung aufgezeigt, die es ermöglichen, be­stimmte aktuelle Werte der zeitlich veränderlichen Parameter des Fahrzeugs so­wohl offline anhand gezielt durchgeführter Fahrversuche, als auch online währenddes normalen Fahrbetriebs. zu bestimmen.

4.1 Klassifikation der Modellparameter

Die Mehrzahl der in den Modellgleichungen des dritten Kapitels auftretenden Pa­rameter kann über die Laufzeit eines Fahrzeugs als konstant betrachtet werden.Einige Parameter ändern sich jedoch mit der Zeit, wobei die Zeitintervalle. in de­nen relevante Änderungen der Parameterwerte auftreten, stark unterschiedlichsind. Verwendet man die Abhängigkeit der Parameter von der Zeit sowie die Ge­schwindigkeit ihrer zeitlichen Änderung als Klassifikation skriterien . so lassen sichdie Parameter des Fahrzeugmodells in die folgenden drei Klassen einteilen:

- Parameter, deren Werte über die durchschnittliche Laufzeit eines Fahrzeugs alskonstant angenommen werden können,

- Parameter , deren Werte durch Alterung und Verschleiß der Fahrzeugkompo­nenten langfristigen zeitlichen Änderungen unterworfen sind und

- Parameter, die sich aufgrund wechselnder Betriebs- oder Umweltbedingungenkurzfristig oder sogar sprungart ig ändern können.

Zur Gruppe der konstanten Parameter , zählen diejenigen Parameter , derenWerte konstant sind oder nichtlinear vom aktuellen Fahrzustand abhängen, sichjedoch nicht direkt mit der Zeit ändern (Tabelle 4.1.). Die meisten dieser Parame­ter werden bereits in der Entwurfs- und Konstruktionsphase des Fahrzeugs fest-

54 4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

gelegt und sind im Fahrzeug mechanisch oder elektronisch fest implementiert.Daher sind ihre Werte bekannt und können den Datenblättern zu den verwendetenKomponenten, Baugruppen oder Materialien entnommen werden.

Analysiert man die in Tabelle 4 .1. aufgeführten Parameter genauer, so stelltman fest, dass nicht alle Parameter wirklich konstant sind. So variieren beispiels­weise die Masse und das Trägheitsmoment der Reifen geringfügig in Abhängig­keit des verwendeten Reifen- und Felgentyps, und die im Fahrzeug verwendetenFluide sind Alterungseffekten unterworfen, die Einfluss auf ihre Viskosität und ih­re Dichte haben. Darüber hinaus sind geringe Veränderungen der Federsteifigkei­ten der Fahrwerksfedern zu beobachten (Schwarz 1999).

Die daraus resultierenden Parameterschwankungen und ihre Auswirkungen aufdie Fahrdynamik sind jedoch so gering, dass auch diese Parameter in erster Nähe­rung als konstant angenommen werden können.

Tabelle 4.1. Konstante Parameter des Fahrzeugmodells

Physikalische BedeutungGeometrische Daten (Längen, Abstände,Querschnittsflächen)

Übersetzungen,Verstärkungen, Wirkungsgrade

Schwellwerte und Schaltkennlinien in Steuer­gerätenMassen und Trägheitsmomente

Widerstandsbeiwerte und Federsteifigkeiten

Viskosität und Dichte von Fluiden

Zugeordnete konstante ParameterGeometrie der Komponenten des An­triebsstrangs, der Bremsanlage und derLenkung;Radstand, Spurweiten und Anströmflä­ehe des Fahrzeugs;Nachlaufstrecken und Vorspurwinkel derRäderÜbersetzungsstufen und Wirkungsgradedes Automatik- und des Differentialge­triebes;Übersetzungen und Verstärkungsfakto­ren der LenkungSchaltkennlinien des Automatikgetriebesund der WandlerüberbrückungskupplungTrägheitsmomente der Antriebstrang­komponenten;Massen und Trägheitsmomente der Rä­derLuftwiderstandsbeiwerte des Fahrzeugs;Koeffizienten der Fahrwerksfedern undder StabilisatorenViskosität und Dichte der Bremsflüssig­keit;Dichte des Zwischenmediums im Dreh­momentwandler

Bei den Parametern der zweiten Klasse (Tabelle 4.2.) sind die Alterungs- undVerschleißeffekte durch den täglichen Betrieb des Fahrzeugs so groß, dass siedeutlichen Einfluss auf die Fahrzeugsimulation haben. Die Hauptursachen derAlterung und des Verschleißes der den Parametern zugeordneten Bauteile sindunterschiedlicher Natur.

4.1 Klassifikation der Modellparameter 55

Der Reibbeiwert zwischen dem Bremsbelag und der Bremsscheibe eines Radesverändert sich im Wesentlichen durch die Materialermüdung infolge der extremenTemperaturbedingungen an den Radbremsen . Er kann unter Anwendung moder­ner, neu entwickelter Verfahren identifiziert und adaptiert werden (Schwarz1999).

Die Änderungen der Elastokinematik der Lenkung und der Radaufhängungensowie der Reibungseigenschaften der Radlager sind überwiegend auf mechanischeKrafteinwirkungen durch Schläge und Stöße zurückzuführen. Dadurch kann es zurAusbildung von Losen kommen, welche die Bestimmung der Parameterwerte er­schweren. Zur analytischen Beschreibung dieser Effekte müssten komplexe nicht­lineare Identifikationsverfahren eingesetzt werden , die aufgrund ihres hohen Be­darfs an Rechenzeit nicht echtzeitfähig sind. Daher werden auch diese Parameterim Fahrzeugmodell konstant gehalten .

Tabelle 4.2. Langfristig zeitlichveränderliche Parameterdes Fahrzeugmodells

Physikalische BedeutungÜbertragungseigenschaften

Reibungseigenschaften

Elastizitätseigenschaften

LangfristigveränderlicheParameterKennfeldder Drehmomentcharakteristikdes MotorsKennliniender StoßdämpferReibbeiwert zwischen Bremsbelag undBremsscheibeReibungskoeffizienten der RadlagerFedersteifigkeiten der LenkungElastokinematische Eigenschaften derRadaufhängungen

Den größten Einfluss, insbesondere auf die Fahrzeugl ängsdynamik. hat die Än­derung der Drehmomentcharakteristik des Motors . Schon während der Produktiondes Motors werden trotz des Einsatzes modernster Verfahren Fertigungsstreuun­gen von bis zu 20 Prozent beobachtet. Im Fahrbetrieb sind diesen Fertigungstole­ranzen Alterungseffekte überl agert, die mit der Laufzeit des Motors zunehmenund eine Reduktion des an der Kurbelwelle abgegebenen Motorrnoments gegen­über dem nominalen Drehmoment zur Folge haben .

Die Identifikation und die Adaption der Drehmomentcharakteristik des Motorsim Fahrzeugmodell erfolgt daher in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird aus denvom Fahrzeughersteller auf dem Prüfstand vermes senen Motordaten ein reprä­sentatives statisches Kennfeld des betrachteten Motortyps identifiziert. Dazu wer­den bekannte Verfahren zur Appro ximation nichtlinearer statischer Kennfeldereingesetzt, welche auf Neuronalen Netzen , Neuro-Fuzzy-Verfahren oder Poly­nomapproximationen basieren (Holzmann 200 I). Im zweiten Schritt wird dasidentifizierte statische Motorkennfeld im Fahrzeugmodell implementiert und eswerden ausgewählte Versuchsfahrten , wie z.B. Beschleunigungsfahrten mit unter­schiedlichen Drosselklappenwinkeln. mit dem Fahrzeugmodell nachsimuliert. ZurOptimierung des Ausgangsfehlers des Fahrzeugmodells bezüglich der Geschwin­digkeit und der Längsbeschleunigung des Fahrzeugs wird das Motorkennfeld

56 4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

schließlich entsprechend korrigiert, so dass die tatsächliche Drehmomentcharakte­ristik des im betrachteten Fahrzeug eingebauten Motors optimal abgebildet wird .

Dem Einfluss der Motorcharakteristik auf die Fahrzeuglängsdynamik ver­gleichbar ist der Einfluss der Feder-Dämpfer-Charakteristik der Radaufhängungenauf die Vertikaldynamik des Fahrzeugs. Neben der vernachlässigbaren Alterungder Fahrwerksfedern spielt hier der Verschleiß der Stoßdämpfer infolge der durchvertikale Fahrbahnunebenheiten hervorgerufenen Stoßbelastungen eine entschei­dende Rolle . Verschlissene Stoßdämpfer wirken sich nicht nur negativ auf denFahrkomfort aus , sondern haben auch entscheidenden Einfluss auf das Bremsver­halten.

Durch die benachbarten Einbauorte und die oftmals gemeinsamen Kraftan­griffspunkte ist eine von der Fahrwerksfeder und dem Stabilisator unabhängigeIdentifikation des Stoßdämpfers im eingebauten Zustand nur mit hohem Aufwandan Messtechnik möglich. Deshalb wird hier die nichtlineare Feder-Dämpfer­Charakteristik der Radaufhängung in ihrer Gesamtheit betrachtet und im Fahrzeugmit Hilfe Neuronaler Netze identifiziert. Die zur Identifikation eingesetzten Ver­fahren und die Besonderheiten ihrer Anwendung zur Identifikation der Radauf­hängungen werden in Kapitel 6 erläutert und diskutiert.

Tabelle4.3. Kurzfristig zeitlich veränderlicheParameterdes Fahrzeugmodells

Veränderliche Bedingungender FahrzeugsimulationBetriebsbedingungen desFahrzeugs

Umweltbedingungender Simulation

ParameteränderungenverursachendeFaktorenFahrzeugbeladung

Reifendruck, Reifen­wechsel

Beschaffenheitder Fahr­bahnoberflächeSteigungund Neigungder Fahrbahn

Kurzfristigzeitlich veränderli­che ParameterMasse der Karosserieund Ge­samtmassedes FahrzeugsHöhe des Schwerpunkts, derNick- und der Wankachse überder StraßeAbstände des Schwerpunktszuden Angriffspunkten der Rad­kräfte, der Luftwiderstands­kräfte und zur Nick- undWankachseDynamischerRadradiusFedersteifigkeitund Dämp­fungskoeffizient des ReifensKoeffizientender Reifenkenn­felder nach BurckhardtSteigungs-und Neigungswin­kel der Fahrbahn

Die dritte Parameterklasse umfasst diejenigen Parameter, die sich aufgrundwechselnder Betriebsbedingungen oder wechselnder Umweltverhältnisse desFahrzeugs kurzfristig ändern können (Tabelle 4.3 .). Der Einfluss der Betriebstem­peratur der Fahrzeugkomponenten auf die Parameter des Fahrzeugmodells bleibtdabei unberücksichtigt, da die zur Verfügung stehenden Versuchsfahrzeuge nichtmit der zur Temperaturmessung notwendigen Sensorik ausgerüstet waren .

4.2 Identifikation zeitvarianter Fahrzeugparameter 57

Die Umweltbedingungen. unter denen die Fahrzeugsimulation durchgeführtwird, können sich mitunter sehr schnell aber nie sprunghaft ändern . Daher ist esnotwendig, die Steigung und die Neigung der Fahrbahn sowie die aktuelle Be­schaffenheit der Fahrbahnoberfläche zur Laufzeit zu beobachten und in das Fahr­zeugmodell einzubringen. Zur Adaption des Fahrzeugmodells an unterschiedlicheFahrbahnoberflächen und zur Erkennung der wechselnden Fahrwiderstände wer­den Beobachter eingesetzt. Dem Entwurf dieser Beobachter und ihrer Implemen­tierung im Simulationsmodell der Fahrzeugdynamik ist das neunte Kapitel diesesBuches gewidmet.

Der Reifendruck und die Fahrzeugbeladung können sich sowohl kontinuierlichals auch sprunghaft ändern. Sprunghafte Änderungen treten auf, wenn das Fahr­zeug zum Stillstand gekommen ist und die Fahrt mit verändertem Reifendruckoder anderer Beladung fortgesetzt wird. Ändern sich diese Parameter jedoch kon­tinuierlich, wie es durch den Verbrauch des Treibstoffs oder die Erwärmung undAusdehnung der Reifen während einer längeren Fahrt der Fall ist, so liegt dieZeitkonstante relevanter Parameteränderungen im Bereich von Stunden . Es ist da­her nicht notwendig, den Reifendruck und die Fahrzeugmasse in Echtzeit zu beob­achten . Es reicht aus, diese Parameter einige Minuten nach Fahrtantritt zu identifi­zieren, die aktuellen Werte der korrespondierenden Modellparameter zu berech­nen und anschließend im Fahrzeugmodell zu adaptieren .

Zur Überwachung des Reifendrucks sind sowohl signal- als auch modellba­sierte Verfahren entwickelt worden. Die signalbasierten Verfahren erfassen mitHilfe zusätzlicher in die Reifen eingebrachter Sensorik die Reifendr ücke, über­mitteln die Daten telemetrisch ins Fahrzeug und warnen den Fahrer, wenn der Rei­fendruck zu stark vom Referenzdruck abweicht (Uhl 1995).

Inden Ansätzen zur modellbasierten Erkennung und Überwachung des Reifen­drucks werden andere im Fahrzeug zur Verfügung stehende Messsignale, wie z.B.die Raddrehzahlen (Williams 1992; Mayer 1996) oder vertikale Beschleunigungs­signale (Hohnheiser 1993; Halfmann et al. 1997) zur Rekonstruktion der aktuellenLuftdrücke in den Reifen herangezogen.

4.2 Identifikation zeitvarianter Fahrzeugparameter

Einer der wichtigsten zeitvarianten Parameter im Fahrzeugmodell ist die Gesamt­masse mFdes Fahrzeugs. Die Fahrzeugmasse beeinflusst nach den GIn. (3.31) und(3.32) sowohl die Längs- als auch die Querdynamik des Fahrzeugs.

Im Rahmen der Grundparametrierung des physikalischen Fahrzeugmodellswird als Referenz ein Wert für die Fahrzeugmasse durch Wiegen ermittelt. Der sobestimmte Wert kann im realen Fahrbetrieb allerdings nur ein Anhaltspunkt fürdie aktuelle Masse sein, da sich diese in Abhängigkeit von der Beladung in festenGrenzen ändert. Der untere Grenzwert für die Fahrzeugmasse ist das Leergewichtdes Fahrzeugs einschließlich des Fahrers, der obere Grenzwert ist das zulässigeGesamtgewicht. Hinzu kommt die evtl. unbekannte Verteilung der Masse imFahrzeug.

58 4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

Grundsätzlich sind bei einer Masseänderung zwei Fälle zu unterscheiden. Ei­nerseits kann sich die Fahrzeugmasse im Stillstand durch die Änderung der An­zahl der mitfahrenden Personen oder die Beförderung von Gepäck im Fahrzeugbzw. im Kofferraum ändern. Hierbei ist auch die mögliche Montage eines Dach­gepäckträgers zu berücksichtigen.

Die zweite Möglichkeit der Masseänderung ist die kontinuierliche Reduktionder Masse im Fahrbetrieb bedingt durch den Kraftstoffverbrauch des Verbren­nungsmotors.

Um einen Eindruck von den Auswirkungen einer Masseveränderung auf diewichtigsten fahrdynamischen Zustandsgrößen der Längsdynamik zu vermitteln,zeigt Abb. 4.1. den Vergleich zwischen zwei Simulationen einer mittelmäßig starkgebremsten Fahrt mit einem Versuchsfahrzeug.

Bei der ersten Simulation wurde eine Masse von 1630 kg, welche dem Gewichtdes Versuchsfahrzeugs mit Fahrer entspricht und im Folgenden als Basismassebezeichnet wird, eingestellt. Die zweite Simulation wurde mit dem zulässigen Ge­samtgewicht des Fahrzeugs von 2020 kg durchgeführt.

In den beiden oberen Diagrammen von Abb. 4.1. sind die Verläufe der Ein­gangsgrößen aufgetragen (links der Drosselklappenwinkel in grau und der Brems­druck in schwarz , rechts der Lenkradwinkel, der hier zu null gesetzt wurde).

In den sechs unteren Diagrammen befindet sich jeweils auf der linken Seite derVergleich zwischen den Verläufen der Längsbeschleunigungen, der Geschwindig­keiten und der zurückgelegten Wege. Hierbei entsprechen die schwarzen Kurvender Simulation mit 1630 kg, die grauen der Simulation mit 2020 kg Fahrzeugmas­se. In den nebenstehenden Diagrammen ist jeweils der absolute Fehler bezogenauf die Simulation mit 1630 kg aufgetragen.

Es ist offensichtlich, dass bei Vorgabe des gleichen Bremsdruckverlaufs dieLängsbeschleunigung des schwereren Fahrzeugs deutlich kleiner als die desleichteren Fahrzeugs ist. Durch diese niedrigeren Beschleunigungswerte kommtdas voll beladene Fahrzeug erst nach ca. 13 s Simulationszeit zum Stehen, wäh­rend das leichtere Fahrzeug schon nach etwa 11,5 s steht. Der während der Brem­sung zurückgelegte Weg verlängert sich bei beladenem Fahrzeug gegenüber demleeren um ungefähr 13 Meter.In Abb. 4.2. ist eine Messfahrt dargestellt, bei der ein zweites Versuchsfahrzugzunächst aus einer Geschwindigkeit von ca. 100 kmlh bis zum Stillstand abge­bremst und anschließend (mit gleicher Beladung) wieder beschleunigt wurde.Die Simulationen, in welchen der Parameter Fahrzeugmasse gleich dem Leerge­wicht (m» = 1386 kg) bzw. gleich dem zulässigen Gesamtgewicht des Fahrzeugs(m- = 1788 kg) gesetzt wurde, weisen deutliche Abweichungen zwischen der si­mulierten und der gemessenen Geschwindigkeit auf.

Die Simulation, in der die Fahrzeugmasse gleich dem tatsächlichen vor derFahrt gemessenen Wert (rn»= 1623 kg) eingestellt wurde, zeigt hingegen eine sehrgute Übereinstimmung zwischen dem gemessenen und dem simulierten Ge­schwindigkeitsverlauf.

4.2 Identifikation zeitvarianterFahrzeugparameter 59

60i5'ca '='~ ca Qj 0.5 ·..i···· .;.2!.o x

&~40 c:

'3: i5'0

~ j"Cee"20 x -

~ ., c: -0.5e Ci 30 0 -100 2 4 6 8 10 12 14 2 4 6 8 10 12 14

2 6Clc Ci;

tj°LJ ';';' :E 4 .,.,., :::J _2 . . .' k u. ...:E .~ . ~ ~ '" 2 . .....:... .. ; . . ........... ..

J!! ~ll! - -4 . .., .~-., ...

.0 '" 0"'~ -6 . . . . ~g' - 1630kg-~ -8 0 2 4 6 8 14 .2

0 2 4 6

100 0

~ .~ 80 Ci;-5:E

Cl- .,- ~ 60

~ I-l 0:g 'iii~ ....:. 40

~~ 20

.2 _g -15.0,, - <I:

00 ·202 4 6 8 10 12 14 0 2 4 6 8 10 12 14

300 2020 kg. 0Ci;

t-; 200:E ·5.,

. 1630kg u.-0; '5 Ci;e., E i -·1O;: 'iii 100

.0<I:

0 -150 2 4 6 8 10 12 14 0 2 4 6 8 10 12 14

Zeit[sI Zeit [sI

Abb. 4.1. Vergleich zweier Simulationen von Brcmsungen mit leerem und voll beladenemFahrzeug

Die Darstellung in Abb . 4.2. macht deutlich, dass es zur korrekten Simulationder Fahrzeugdynamik notwendig ist, die Masse des Fahrzeugs möglichst exakt zukennen . In den folgenden Abschnitten werden daher Verfahren vorgestellt, mit de­ren Hilfe die Schätzung der Fahrzeugmasse sowohl offline aus Versuchsfahrtenals auch online während des Fahrbetriebs möglich ist.

60 4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

. s imuliert mit10·· . -:.. ,· :··:· m.= 1623 kg

00 5 10 15 20 25 30 35 40 45Zeit ls)

. simu liert mit~ . . : .. : m, =1386 kg '

00 5 10 15 20 25 30 35 40 45Zeit(s)

Abb. 4.2. Gemessene und mit verschiedenen Fahrzeugmassen simulierte Fahrgeschwin­digkeiten. Links: Gemessene und mit der gemessenen Fahrzeugmasse simulierte Fahrzeug­geschwindigkeit. Rechts: Gemessene und mit Leergewicht bzw. zulässigem GesamtgewichtsimulierteFahrzeuggeschwindigkeit.

4.2.1 Offline-Schätzung der Fahrzeugmasse aus Fahrversuchen

Die Güte einer Parameterschätzung ist umso höher, je genauer die der Schätzungzugrunde liegende Prozessmodellstruktur ist. Daher muss bei der Auswahl der An­regungssignale zur Parameterschätzung einerseits darauf geachtet werden, dasskeine Prozesszustände auftreten, die messtechnisch nicht erfassbar sind und durchdas Modell nicht oder nur ungenau abgebildet werden. Andererseits muss die Dy­namik des Prozesses ausreichend angeregt werden .

Zur Identifikation der Fahrzeugmasse wird die Kräftebilanzgleichung in Rich­tung der Fahrzeuglängsachse, GI. (3.3 I), herangezogen. Zu ihrer Vereinfachungwerden ausschließlich solche Fahrzustände betrachtet, während derer das Fahr­zeug näherungsweise geradeaus fährt. In diesem Falle ist der Schwimmwinkelß= 0, d. h. die Längsdynamik des Fahrzeugs darf entkoppelt von der Querdyna­mik betrachtet werden , was bis zu Querbeschleunigungen von 4 rnJs2 zulässig ist.

Verwendet man darüber hinaus ausschließlich Fahrten auf ebener Strecke, soverschwindet auch der Steigungswiderstand des Fahrzeugs. Unter diesen Voraus­setzungen erhält man aus GI. (3.31) folgende vereinfachte Bewegungsgleichung inRichtung der Fahrzeuglängsachse:

mit

FXSUM = FXFVL + FXFVR + FXFHL + FXFHR '

F. PL 2 2wx=cWX'AF ' - 'V = CWA ·v.

2

(4 .1)

(4.2)

4.2 Identifikation zeitvarianter Fahrzeugparameter 61

20 40 60 80 100 120 140Zeit(s!

O,....---r-----,.------r----,- -r----,- -,~ -0 . 1--0.2Cls -0.3

·~ -0 .4

al-O.S~-0.6.8 -0.7l3,-Q .8~ -0.9..J

- 10~~-~~~-::-:-~~~~·20 40 60 80Zeit[51

Abb. 4.3. Links: Geschwindigkeit (Eingangsgröße) der zur Offline-Schätzung der Fahr­zeugmasse und der Rollwiderstandsbeiwerte benutzten Ausrollfahrt. Rechts: Gemesseneund mit den geschätzten Parameterwerten simulierte Längsbeschleunigung (Ausgangs­größe) im Vergleich.

(4.3)

In der Modellg!eichung verbleiben lediglich die Horizontalkräfte der Räder unddie Luftwiderstandskraft des Fahrzeugs. Beide Kraftkomponenten werden nichtgemessen und müssen daher modellbasiert berechnet werden.

Um Ungenauigkeiten in der Modellbildung der Horizontalkräfte auszuschlie­ßen, wird zur Offline-Schätzung der Fahrzeugmasse eine Versuchsfahrt herange­zogen, bei der das Fahrzeug bei hoher Geschwindigkeit (ca. 190 km/h) ausgekup­pelt wird und bis in den niedrigen Geschwindigkeitsbereich (ca. 35 km/h) gerade­aus ausrollt (Abb. 4.3. links) . Während dieses Fahrversuchs wird die geschwin­digkeitsabhängige Dynamik der Fahrzeuglängsbewegung ausreichend angeregtund die Störeinflüsse durch eine ungenaue Modellbildung der Horizontalkräfte anden Rädern werden relativ klein .

Durch das Auskuppeln des Getriebes wird der Antriebsstrang von den Räderngetrennt. Dadurch werden keine Antriebsmomente an den Rädern erzeugt, und esmüssen lediglich die Trägheitsmomente der rotierenden Massen des Antriebs­stranges berücksichtigt werden . Dies geschieht durch den Drehmassenzusch1ag­faktor km' Er repräsentiert den Faktor , um den sich die Fahrzeugmasse durch dasBeschleunigen der rotierenden Teile des Antriebsstranges scheinbar vergrößert.

Nach (Breuer 1997) kann der Drehmassenzuschlagfaktor km für ausgekuppeltePkw mit ausreichender Genauigkeit abgeschätzt werden :

eR«; > 1+1,1'---2'mF ·rR

Rollt das Fahrzeug mit ausgekuppeltem Getriebe über die Fahrbahn, so redu­ziert sich die Horizontalkraft FXSUM auf die Summe der RollwiderstandskräfteFXSUM = -FRSUM an den Rädern . Diese ist nach Mitschke (1988) näherungsweiseproportional zur Summe der Radaufstandskräfte FZSUM =m F . g , wobei sich derProportionalitätsfaktor - der sogenannte Rollwiderstandsbeiwert fR - durch einPolynom vierter Ordnung der Geschwindigkeit darstellen lässt:

62 4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

FRSUM = IR · FZSUM = (IRO + IRI . V + IR4 . v4) . mF · g. (4.4)

Setzt man die GI. (4.2), (4.3) und (4.4) in GI. (4.1) ein, so erhält man die Mo­dellgleichung der Fahrzeuglängsbewegung, die zur Schätzung der gesuchten Pa­rameter herangezogen wird:

In Vektorschreibweise ergibt sich eine Gleichung der Form

y=(J·u,

mit der gemessenen Geschwindigkeit im Eingangsvektor

u=[-I -v _v 2 -v4 J' ,den zu schätzenden Parametern im Parametervektor

(4.5)

(4.6)

und der gemessenen Beschleunigung als Ausgangssignal

y=xF ·

GI. (4.6) ist linear in den Parametern . Daher kann zur Schätzung der gesuchtenParameter mF, fRo , fR I und fR4 die Methode der kleinsten Quadrate in ihrer nichtre­kursiven Form (LS-Methode) verwendet werden (Isermann 1992).

Da nicht alle physikali schen Parameter der GI. (4.6) geschätzt werden können,wird der cWA-Wert vorgegeben. Dieser darf als zeitlich konstant betrachtet wer­den. Die Schätzung der Fahrzeugparameter erfolgt unter der Prämisse, dass keineSignale verwendet werden, deren Messung Sensorik notwendig macht, die überdie heute übliche Serienausstattung moderner Personenkraftwagen hinaus geht.

Daher wird zur Parameterschätzung ein Längsbeschleunigungssignal verwen­det, welches durch Zustandsvariablenfilterung (ZVF) der gemessenen Fahrzeug­geschwindigkeit erzeugt wird (Abb. 4.4.).

Auf die Beschreibung der Struktur , des Entwurfs und der Implementierung desZustandsvariablenfilters soll hier verzichtet werden. Diesbezüglich sei auf Peter(1993) und Höfling (1996) verwiesen.

4.2 Identifikation zeitvarianter Fahrzeugparameter 63

Prozess Signalvor­verarbeitung

Parameter­schätzung

Abb. 4.4. Offline-Schätzung der Fahrzeugmasse und des Rollwiderstands. Die Geschwin­digkeit wird gemessen, die Beschleunigung mit Zustandsvariablenfilteraus der Geschwin­digkeit berechnet.

Identifiziert man den durch GI. (4.6) beschriebenen Prozess mit der Methodeder kleinsten Quadrate, so ergeben sich die folgenden Schätzwerte für die physi­kalischen Fahrzeugparameter:

Fahrzeugmasse:Rollwiderstandsbeiwerte:

mF = 1658,78 kg ,

i RO =0,00691 ,

- siRl = 0,00457-,

m4

- SiR4 = 0,00001 -4 .

m

Die vor der Versuchsfahrt gemes sene Fahrzeugmasse betrug 1623 kg. Der rela­tive Schät zfehler bezüglich dieses Parameters liegt also bei ca. 2,2%. Der absoluteSchätzfehler liegt mit 36 kg unter dem durchschnittlichen Gewicht eines Fahr­zeuginsassen. Daher darf das Schätzergebnis der Fahrzeugmasse als gut bezeich­net werden.

Für die Koeffizienten des Rollwiderstandsbeiwertes sind keine Referenzwertebekannt. Die Überprüfung der geschätzten Parameterwerte muss daher indirekt er­folgen . Dazu wird mit der Modellgleichung (4.5) und den oben angegebenen ge­schätzten Parameterwerten eine Längsbeschleunigung simuliert und mit der ge­messen Beschleunigung verglichen (Abb. 4.3. rechts) . Wie man sieht, wird derMittelwert des verrau schten Messsignal s durch die simulierte Beschleunigungrecht gut approx imiert. Man darf daher annehmen, dass sowohl die geschätzteFahrzeugmasse als auch die Schätzwerte der Koeffizienten des Rollwiderstands­beiwertes den tatsächlichen Werten der physikalischen Parameter sehr nahe kom­men, falls die genannten Voraussetzungen (Geradeausfahrt, keine Steigung, keinaktiver Gegenwind, cWA-Wert bekannt) erfüllt werden .

4.2.2 Direkte Online-Schätzung der Fahrzeugmasse im Fahrbetrieb

Zur einmaligen experimentellen Ermittlung der Masse eines Fahrzeugs ist dieDurchführung einer Ausrollfahrt, wie sie in Abb. 4.3. darge stellt ist, akzeptabel.Zur Adaption des Parameters .Fahrzeugrnasse" im Online-Betrieb des Simulati­onsmodells im Fahrzeug ist es jedoch notwendig, die aktuelle Fahrzeugmassewährend des normalen Fahrbetriebs zu identifizieren.

64 4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

Um geeignete Anregungssignale zur direkten Online-Identifikation der Fahr­zeugmasse zu finden, wurden mehrere charakteristische Fahrzustände untersucht.Dabei hat sich gezeigt, dass Autobahnfahrten bei relativ geringen Geschwindig­keiten aus den folgenden Gründen am besten geeignet sind:

Fahrten auf der Autobahn sind anhand der Geschwindigkeit und des Lenkwin­kels einfach zu erkennen. Der Schätzalgorithmus ist gezielt zuschaltbar.Autobahnfahrten sind in der Regel ausreichend lang. Es stehen genügend Mess­werte für die Schätzung zur Verfügung.

- Autobahnen haben in der Regel sehr große Kurvenradien. Die Querdynamikund der Kurvenwiderstand des Fahrzeugs können vernachlässigt werden (vgl.Abschnitt 4.2.1).

- im unteren Geschwindigkeitsbereich (60 bis 130 kmIh) sind die Störeinflüssedurch die Fahrbahnwiderstände und die Windverhältnisse relativ gering. DasNutz-/Störsignalverhältnis der Anregungssignale ist ausreichend hoch.

- Schaltvorgänge sind selten und die TCC ist geschlossen. Die Antriebskräfte anden Rädern lassen sich mit hoher Genauigkeit aus dem Motormoment berech­nen.

- es treten in der Regel keine extremen Bremsmanöver auf. Blockierende Räderoder regelnde Eingriffe des ABS müssen in der Prozessgleichung nicht berück­sichtigt werden.

Zur direkten Online-Schätzung der Fahrzeugmasse werden außer der gemesse­nen Geschwindigkeit gemäß GI. (4.2) die im Fahrzeugmodell berechneten, inRichtung der Fahrzeuglängsachse angreifenden Horizontalkräfte als zusätzlicheEingangsgrößen der Schätzung verwendet (Abb. 4.5.). Sie repräsentieren den Ein­fluss der auf das Fahrzeug wirkenden Antriebs- und Bremskräfte und beinhaltengemäß der im dritten Kapitel beschriebenen Modellbildung die Rollwiderständeder Räder sowie den Zuschlagfaktor aufgrund der rotierenden Massen des An­triebsstranges. Diese Faktoren müssen also in der Schätzgleichung der Fahrzeug­masse nicht mehr berücksichtigt werden.

Im Allgemeinen ist zusätzlich der Steigungswiderstand zu berücksichtigen . DieSteigung der Fahrbahn kann mit Hilfe eines Beobachters erkannt und gegebenen­falls in der Simulation der Fahrzeugdynamik berücksichtigt werden (Kapitel 9).

4.2 Identifikation zeitvarianter Fahrzeugparameter 65

Prozess!Prozessmodell

Signalvor­verarbeitung

Parameter­schätzung

(4.7)

,

,' , J

Abb. 4.5. Strukturbild zur Online-Schätzung der Fahrzeugmasse. Die gestrichelte Liniesymbolisiert die Möglichkeit, die Masse im Fahrzeugmodell zu adaptieren.

Unter diesen Voraussetzungen lautet die Modellgleichung zur direkten Online­Schätzung der Fahrzeugmasse

.. FXSUM CWA 2XF =------·V

mF mF

mit

FXSUM =FXFVL + FXFVR + FXFHL + FXFHR .

Man erhält eine skalare Schätzgleichung der Form

y=8'u

mit der skalaren Eingangsgröße

u = FXSUM - CWA . v2,

dem einzigen zu schätzenden Parameter

und dem gemessenen Ausgangssignal

y=XF •

Zur direkten Online-Schätzung der Fahrzeugmasse wurden mehrere rekursiveSchätzverfahren untersucht und miteinander verglichen. Unter diesen Verfahrenhat sich die rekursive Methode der kleinsten Quadrate (RLS-Methode) als diejeni­ge herauskristallisiert. die bei vergleichbarer Schätzgüte am einfachsten zu imp­lementieren und in Echtzeit zu rechnen ist.

Exemplarisch für eine ganze Reihe untersuchter Fahrten mit vergleichbaren Re­sultaten sind in Abb. 4.6. die Ergebnisse der Massesch ätzung während zweierFahrten auf der Autobahn bei Geschwindigkeiten zwischen 70 und 120 km/h dar­gestellt.

66 4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

34 .---~~~~--------,

32~ 30i' 28~26

'g 24~ 22oli1 20Cl 18 . . : . '.' . ~ .. : "":MeSs'ahrt 2: ' .

160 10 20 30 40 50 60 70 80 90Zeit [s\

1800I.---~-~------~...,

~ ::: ~~~SSf~hrt:2. : ; . . : : . : :: : :~ 1200 V\~ess'ahrt i .. : .. : :.. ~ . .~ 1000 ' .. , ' ' . .- ..g' 800 , ..§ 600 . -: :- ..:- . : . . : . -: :- ..:- .~ .8!. 400 , .. r • • " ..

200 , .

00 10 20 30 40 50 60 70 80 90Zell[s\

Abb. 4.6. Geschwindigkeitsprofile und geschätzte Fahrzeugmasse zweier Autobahnfahrten

Die Masseschätzung wird erst eingeschaltet, nachdem die Einschwingvorgängeder Kräfte im Fahrzeugmodell abgeklungen sind. Vor beiden Fahrten wurde eineFahrzeugmasse von 1623 kg gemessen. Die Abtastzeit betrug jeweils 100 ms.

Aufgrund der zu großen Varianz der in Abb. 4.6. rechts dargestellten Schätz­werte, ist es nicht möglich, die aktuelle Fahrzeugmasse in Echtzeit, d.h. in jedemAbtastschritt, korrekt zu identifizieren. Wartet man jedoch das Einschwingen derSchätzwerte ab und bildet anschließend den Mittelwert über die während einerMessspanne von einer Minute berechneten 600 Schätzwerte, so erhält man sehrgute Näherungswerte für die aktuelle Masse des Fahrzeugs (Tabelle 4.4.) .

Tabelle 4.4. Kennwerte der Schätzung der Fahrzeugmasse

Index derMessfahrt

I2

MittlererSchätzwert[kg]1633.71636.1

Mittlerer abso­luter Schätzfehler[kg]10.713.1

Mittlerer relati­ver Schätzfehler[%]0.660.81

Standard­Abweichung[kg]19.638.6

Die relative Abweichung der mittleren Schätzwerte von den Messwerten liegtunter einem Prozent, die mittleren absoluten Fehler liegen im Toleranzband von±50 kg. Die Standardabweichung der zweiten Messfahrt ist allerdings doppelt sogroß wie die der ersten. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Güte der Schätzung starkvom Anregungssignal, nämlich dem gefahrenen Geschwindigkeitsprofil, abhängt.Darüber hinaus sind die Schätzbedingungen (genaues Motorkennfeld, kein aktiverGegenwind, cWA-Wert bekannt) einzuhalten . Diejenigen Abschnitte einer Fahrt,während derer die direkte Online-Schätzung eingeschaltet werden kann, sind alsosehr sorgfältig auszuwählen.

4.2 Identifikation zeitvarianter Fahrzeugparameter 67

Fahrzeugmodell ' \X BASlSmit

Basismasse

Eingangsgrößen :Gas . Bremse

Gemessenelängsbeschleun igung

bei unbekannter Masse

Fahrzeug mit ~lU.AWKl

unbekannterMasse

Fahrer

~

Abb. 4.7. Grundsätzliche Funktionsweise des indirekten Verfahrens zur Masseschätzung

4.2.3 Indirekte Online-Schätzung der Fahrzeugmasse

Trägt man in einem Diagramm das simulierte Läng sbeschleunigungssignalxBAS IS, welches das mit der Basismas se (1630 kg) parametrierte, in Kapitel 4 be­schrie bene physikali sche Fahrzeugmodell liefert , über dem gemessenen Längsbe­schleunigungss ignal xZULADUNG des Fahrzeug s mit unbekannter Ma sse auf, ergibtsich in erster Nähe rung eine Gerade (Abb . 4.7.). Die Steigung dieser Geraden, diemittel s Parametersch ätzu ng bestimmt werden kann, lässt in ausgew ählten Fahrsi­tuationen einen direkten Rückschluss auf die Fahrzeugmasse zu.

Grundlagen des Verfahrens zur indirekten Masseschätzung

Die gem essene Beschl eun igung XZU LADUNGdes realen Fahrzeugs mit unbekannterMa sse mZULADUNGkann somit wie folgt darge stellt werden:

.. ( 2 )X ZULADUNG = F XSUM .MESS - CWA . VM ESS .m ZULADUNG

(4 .8)

Analog gilt für die simulierte Beschl eun igun g XBASIS des mit Basismasse mBASISparametrierten Fahrzeugmodells:

.. I ( 2 )xBASIS = --- F XSUM .SIM -CWA , v slM .

m BASIS(4.9)

Werden je weil s kleine Änderungen der Beschleunigungen LlXBASIS und~X ZULADUNG ins Verhältnis zueinander gesetzt, ergi bt sich folgender Zus ammen­hang:

68 4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

LlXBASIS

LlXZUUlDUNG

mZUUlDUNG

mBASIS

= m ZUUlDUNG . c{t) .

mBASIS

(4.10)

In GI. (4.10) werden Veränderungen nur bei zeitveränderlichen Größen berück­sichtigt. Es ist offensichtlich, dass das Verhä ltnis der Beschleu nigungsänderungenumgekehrt proportional zum Verhältnis der Massen mZULADUNG zu mBASIS multi­pliziert mit einem zeitvar ianten Faktor c(t) ist. Wenn es gelingt, die Auswertungder Gleichung auf Fahrsi tuationen zu beschränken, in denen der Faktor c(t) unge­fähr konstant ist, besteht zwische n der in Abb. 4.7. eingezeichneten Steigung unddem Verhältnis der Massen eine direkte Proportionalität.

Da sowohl das mit Basismasse parametrierte Fahrzeugmodell als auch das rea leFahrzeug mit denselbe n, vom Fahrer vorgegebenen Eingangsgrößen beaufschlagtwird , sind die Änderungen der gemessenen Antriebs- und Bremskräfte mit denÄnderungen der simulierten Größen annähernd identisch . Wird GI. (4.10) darüberhinaus nur bei annähernd konstanter oder sich nur langsam verändernder Fahr­zeuggeschwindigkeit ausgewertet, so sind auch die geschwindigkeitsabhängigenTerme vernach lässigbar. Falls die obigen Bedingungen erfüllt sind, wird c(t) '" Iund GI. (4.10) reduziert sich wie folgt:

k = LlXBASIS

a LlX ZUUlDUNG

m ZUUlDUNG

mBASIS

m BASIS + I'illlmBASIS

Sm1+ - - .

mBAS IS(4 .11)

Gelingt es, innerhalb der zugelassenen Fahrzustände die Steigung L'l.XBASISIL'l.XZULADUNG, die im Folgenden mit k, bezeichnet werden soll, zu schätzen, er­möglicht dies bei bekannter Basismasse mBASIS unmittelbar eine Aussage über diegesuchte Masse L'l.m. Zur Veranschaulichung dieser Bezieh ung zeigt Abb. 4.8 . denZusammenhang zwischen der Gerade nsteigung k, und der Massenänderung L'l.m.

Cl5.:-Cl'" 0.5'c E" -CI> CI> 0:c: '"u '"'" ca ·0 .5CI> ECD '"CI> '0; -1t: .,CI> CD~ ,-=:E Eü)

-1.5 ·1 -0.5 0 0.5S imuliene Beschleun igung

mit tatsächlicher Masse [rn/s']

1.25 ,..~

- 1.2 ·~.

Clc:1.15 '"Cl

'<5c;; 1.1 rc:Q)'0ca 1.05 'Ci;C>

o 100 200 300 400Zusätz liche Mass e m [kg]

Abb. 4.8. Zusammenhangzwischen Geradensteigung k, und zusätzlicher Masse Llm

4.2 Identifikation zeitvarianter Fahrzeugparameter 69

Im linken Diagramm von Abb. 4.8. sind die Verläufe der Beschleunigungenfu(BASIS und fu( ZULADUNG einer Fahrt auf ebener Autobahn übereinander aufgetra­gen. Da in der Praxis die Reproduktion identischer Fahrzyklen bei unterschiedli­chen Beladungszuständen des Fahrzeugs nicht möglich ist, werden hier reine Si­mulationsergebnisse verwendet.

Ohne Zuladung, d.h. bei Llin = 0, ergibt sich die schwarze Kurve. Wie zu er­warten, ist die Steigung k, der Geraden in diesem Fall gleich eins. Bei einer Zula­dung von 400 kg, was in etwa dem zulässigen Gesamtgewicht des Versuchsfahr­zeugs entspricht, erhält man die graue Kurve, deren Geradensteigung k, gleich1,245 ist. Gemäß GI. (4.11) besteht im Bereich zwischen der Basismasse und demzulässigen Gesamtgewicht zwischen der ermittelten Geradensteigung k, und derzusätzlichen Masse Am ein linearer Zusammenhang (Abb. 4.8. rechts):

(4.12)

Eine Massenänderung um 100 kg entspricht somit in etwa einer Änderung derGeradensteigung um etwa 0,06. Diese, unter Verwendung reiner Simulationssig­nale gewonnene Zuordnung , kann im Folgenden ohne Einschränkung auf Mess­daten übertragen werden.

Masseschätzung mit realen Messsignalen

In diesem Abschnitt soll das vorgeschlagene Verfahren zur Masseschätzung mitrealen Messdaten verifiziert werden. Zur Bestimmung der Geradensteigung k,werden zwei verschiedene Verfahren vorgestellt und diskutiert .

Im Gegensatz zum linken Diagramm von Abb. 4.8., in dem die Geraden sehrgut zu erkennen sind, ergibt sich bei Verwendung von gemessenen Beschleuni­gungssignalen X ZULADUNG ein verrauschter Bereich, aus dem die Geradensteigungk, nicht mehr ohne weiteres optisch zu ermitteln ist.

Als Beispiel hierfür zeigt Abb. 4.9. die Ergebnisse zweier Autobahnfahrten imGeschwindigkeitsbereich zwischen 80 und 130 km/h mit leichten Beschleuni­gungs- und Bremsvorgängen .Das Gewicht des Versuchsfahrzeugs betrug bei beiden Fahrten 1887 kg. Zu den inAbb. 4.9. sichtbaren Abweichungen gegenüber einer idealen Geraden kommt eseinerseits durch das verrauschte Beschleunigungsmesssignal sowie durch Mess­und Modellfehler. Andererseits können zusätzliche Abweichungen daraus resultie­ren, dass die dargestellten Autobahnfahrten nicht exakt den Bedingungen entspre­chen, die für eine Gültigkeit von GI. (4.11) zugrunde gelegt wurden.

70 4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

Autobahnlahrt I Aulobahnlahrt 11Clc:::> ::-Cl'" 0.5·c E:::>-.91111 0"5lJl'" '" -0.5&l$III iiI -I1: '"llllD3-= -1.5E Ei:i)

-1.5 -I -0.5 0 0.5Gemessene Beschleunigungmit tat chlicher Masse [mls ']

-0.5

- I

-1.5

-2.2 .1.5 · 1 -0.5 0 0.5Gemessene Beschleunigungmit tat chlicher Masse [mls 'l

Abb. 4.9. Verhältnis von simulierten und gemessenen Beschleunigungen zweier Autobahn­fahrten

Führt man auf der Basis der in Abb. 4.9. dargestellten Daten eine Schätzung derGerad ensteigung durch, ergibt sich für die Autobahnfahrt I ein k, von 1,1417 undfür die Autobahn fahrt II ein Steigung von 1,0934 . Dies entspricht gemäß GI.(4.12) für Autobahnfahrt I einer zusätzlichen Masse illn von 231,0 kg. Für Auto­bahnfahrt II errechnet sich illn zu 152,2 kg. Die Beträge der Abweichun gen zwi­schen dem wahren und den geschätzten Massewerten liegen somit für Autobahn­fahrt I bei 26,0 kg und für Autobahnfahrt II bei 104,8 kg.

Eine Abweichun g von nur 26,0 kg bei der Autobahnfahrt I stellt ein für ein sig­nalbasiertes Masseschätzverfahren sehr gutes Ergebnis dar. Der für AutobahnfahrtII ermittelte Fehler des Verfahrens von 104,8 kg ist hingegen nicht zufriedensteI­lend. Umfangreiche Untersuchungen mit einer Vielzahl verschiedener Fahrten(Link 1999) bestätigten die Tatsache, dass eine direkte Verwendung von rohenMessdaten oft zu großen Fehlern bei der Masseschätzung führt. Um dies zu ver­hindern , werden im Folgenden zwei Möglichkeiten zur Vorverarbeitung des ge­messenen Beschleun igungssignals X ZULADUNG vorgestellt.

Filterung der Messsignale

Die erste Möglichkeit einer Vorverarbe itung des Beschleun igungssignals bestehtin einer Filterung der Messdaten. Um die Wirkung einer Filterung zu veranschau­lichen, zeigt Abb. 4.10. einen Vergleich zwischen dem ungefilterten (links) undeinem gefilterten (rechts) Beschleunigungsmesssignal.

Wie im linken Diagramm von Abb. 4.10. zu erkennen ist, ist das gemesseneBeschleunigungssignal stark verrauscht. Im Rahmen umfassender Untersuchungenzur Filterung des Beschleunigungsmesssignals wurden verschiedene digitale Fil­teralgorithmen erprobt und deren Einfluss auf die Ergebnisse der Masseschätzungbetrachtet (Link 1999). Im Einzelnen handelt es sich dabei um Zustandsvariablen­filter ZVF (Höfling 1996), Savitzky-Golay Filter (Flammery 1990) und AdaptiveFilter (Hamming 1987; Kammeyer u. Kroschel 1996).

4.2 Identifikation zeitvarianter Fahrzeugparameter 71

20

ungef iltert (roh)

40 60Ze it [sI

80 20

mit ZVF gef iltert

40 60Zeit [s)

80 100

Abb. 4.10. Vergleich zwischen ungefiltertem und mit ZVF gefilterte m Beschleunigungs­signa l

Bei der Filterung des Beschleunigungssignals ist die Wahl der Grenzfrequenzder Filter von großer Bedeutung. Hierbei ist ein Kompromiss zu finden, um dasRauschen des Signals zu reduzieren, ohne dass das gefilterte Signal eine zu starkeZeitverzögerung gegenüber dem Originalsignal erhält. Als Beispiel für die Wir­kung einer Filterung ist im rechten Teil von Abb. 4.10. das mit einem Zustandsva­riablenfilter gefilterte Beschleunigungssignal der Autobahnfahrt I dargestellt.

Da eine Filterung bei korrekter Filterein steIlung nur das Rauschen des Signalsreduziert, ergibt sich bei einer Anwendung auf das Beschleunigungsmesssignalkeine wesentliche Verbesserung im Hinblick auf die Güte der Masseschätzung.Wenn die der Masseschätzung zugrunde liegenden Versuchsfahrten lang genugsind, hat das zufällige Rauschen auf dem Beschleunigungssignal keinen Einflussauf das Ergebnis der Schätzung der Geradensteigung ka, da sich bei sehr vielenMesspunkten die zufälligen Fehler weitestgehend kompensieren.

Auswahl geeigneter Fahrsituationen

Eine weitere Möglichkeit zur Vorverarbeitung der gemessenen Beschleunigungs­signale besteht in einer Beschränkung auf geeignete Fahrsituationen. Hierbei han­delt es sich um eine Daten-Vorauswahl mit Hilfe einer Logik, die sicherstellensoll, dass zur Schätzung nur Messwerte aus solchen Fahrzuständen verwendetwerden, in denen die Vereinfachungen, die zu GI. (4. 11) führen, erfüllt sind.Grund sätzlich werden also Messdaten aus Fahrsituationen mit

großen Beschleunigungen oder Verzögerungen,große n Änderungen des Drosselklappenwinkels,kleinen Fahrzeuggeschwindigkeiten.Schaltvorgängen des Automatikgetriebes,

nicht bei der Masseschätzung berücks ichtigt.

72 4 ParametrierungdesFahrzeugmodells

Im Einzelnen müssen folgende Bedingungen erfüllt sein, damit Daten zur Schät­zung verwendet werden können (Link 1999):

Vorzeichengleichheit von XBASISund xZULADUNG,Betragsdifferenz /XBAStS- XZULADUNGI:::; 0.25 m / S2,

Betrag IXZULADUNGIs 2 m / s2,Fahrzeuggeschwindigkeit VF ~ 15 m / s ,

Drosselklappenwinkel tJA ::;400/\ tJ A ::;4°/s,

Bremsdruck PB ::; 10bar ,Änderung der Getriebeübersetzung ~iG = O.

Alle aufgeführten Bedingungen sind mit einem logischen UND miteinanderverknüpft. Zur Veranschaulichung der sich aus der gezielten Auswahl der Mess­daten ergebenden Resultate zeigt Abb. 4.11. einen Vergleich zwischen den rohenund den durch Datenvorauswahl vorverarbeiteten Messdaten der Autobahnfahrt H,die anschließend zur Masseschätzung verwendet werden sollen.

Nach der Datenvorauswahl liegen die zur Masseschätzung verwendeten Dateninnerhalb eines Korridors deutlich dichter entlang der zu erwartenden Geraden(Abb. 4.11. rechts). Durch die Bedingung der Vorzeichengleichheit von gemesse­nen und simulierten Beschleunigungsdaten sind nur noch die Quadranten I und IIImit Datenpunkten belegt.

Um die Verbesserung der Masseschätzung, die durch die Vorauswahl derMessdaten erreicht wird, zu demonstrieren, zeigt Tabelle 4.5. eine Zusammen­stellung der geschätzten Geradensteigungen k, und die entsprechenden Beträgedes absoluten Fehlers der Masseschätzung em für vier verschiedene Autobahn­fahrten.

Aulobahnlahrt 11 Aulobahnfahrt 11ohne Messdatenvorauswahl mit Messdatenvorauswahl

Cl ClC C:::l ,;- :::l ,;-Cl'" 0.5 Cl'" 0.5'c I; 'c E:::l_ :::l~

~Gl 0 ~Gl 0Z;'" -fi~lllgj -0.5 '" '" -0.5Gl E ~~al",Q) 'cn -1 .. . . . . . ... Q) 'C;; -1 . ...1:,"

~Q1lGlal~ .,= -1.5 ... .. .. .. .. . ~ .-=: - loS •••• •• ••••• •••• 1 • •• • •• •• • • • ••••

E E E Ein -2 in ·2-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 -2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5

Gemessene Beschleun igung Gemessene Beschleunigungmit tatsäch licher Masse lm/s 1 mit latsächl icher Masse Im/s ')

Abb. 4.11. Verhältnis von simulierten und gemessenen Beschleunigungsdaten für Auto­bahnfahrt TI ohneundmitMessdatenvorauswahl

4.2 Identifikation zeitvarianter Fahrzeugparameter 73

Tabelle 4.5. Vergleich der Ergebnisse der Masseschätzung mit rohen, gefilterten und durchDatenvorauswahl selektierten Beschleunigungsmessdaten xZULAD UNG

Messdaten X ZULADUNG

ungefiltert (roh)Messdaten X ZULADU NG

gefiltert mitZVFMessdaten X ZULADUNG

vorher selektiert

AutobahnfahrtI

k, = 1,1417C m = 26,0 kgk,=I ,1391em = 30,2 kgk,= 1,1408em = 27,5 kg

AutobahnfahrtII

k, = 1,0934em = 104,8 kgk, = I,1013em = 91,9 kgk, = 1,1213Cm = 59,3 kg

AutobahnfahrtIII

k, = 1,1301em = 44,9 kgk, = 1,1310em =43,5 kgk,= 1,1349Cm = 37,2 kg

AutobahnfahrtIV

k,= 1,1134em = 72,2 kgk, = 1,1114Cm = 75,3 kgk, = 1,1276em = 49,0 kg

Es ist offensichtlich, dass die Masseschätzung mit selektierten Messdaten diebesten Ergebnisse liefert. Mit der Datenvorauswahl ist es möglich, den vorher ma­ximalen Fehler em von 104,8 kg bei Autobahnfahrt [] fast zu halbieren . Bis auf ei­ne leichte Verschlechterung des Schätzergebnisses bei Autobahnfahrt I sind dieErgebnisse mit selektierten Daten bei allen betrachteten Fahrten besser als mit ro­hen oder gefilterten Daten . Mit der Messdatenvorauswahl ist es somit möglich,den maximalen Fehler der Masseschätzung auf ca. 60 kg zu reduzieren. Eine reineFilterung der Messdaten mit einem Zustandsvariablenfilter führt zu keiner nen­nenswerten Verbesserung der Masseschätzergebnisse.

Die durch die Messdatenselektion bedingte gezielte Auswahl der zur Masse­schätzung verwendbaren Fahrsituationen führt je nach untersuchtem Fahrzykluszu einer u.U. starken Reduktion der verwendbaren Messdatenmenge. Um einegute Genauigkeit des Masseschätzverfahrens zu garantieren, ist es daher zwingendnotwendig, auch nach der Vorauswahl eine ausreichende Datenmenge zur Verfü­gung zu haben . Voraussetzung hierfür ist neben einer ausreichend langen Dauereiner betrachteten Messfahrt auch deren Zusammensetzung im Hinblick auf Fahr­situationen. Bei einer Autobahn- oder Landstraßenfahrt wird die Messdatenmengedurch die Datenvorauswahl nur relativ wenig reduziert, während z.B. im reinenStadtverkehr kaum Messdaten anfallen , die den Bedingungen der Datenselektiongenügen.

Online-Masseschätzung mit dem DSFI-Verfahren

Für die Masseschätzung nach dem obigem Verfahren ist es notwendig, alle Mess­daten einer Versuchsfahrt aufzuzeichnen, anschließend zu selektieren und zumSchluss auf der Basis aller verbliebenen Daten die eigentliche Schätzung durchzu­führen . Die Bestimmung der Fahrzeugmasse mit diesem Verfahren ist somit nuroffline im Anschluss an eine Versuchsfahrt möglich .

Um einen Online-Einsatz der Masseschätzung in Echtzeit im bewegten Fahr­zeug zu ermöglichen, muss ein rekursives Schätzverfahren eingesetzt werden , daskontinuierlich einen Schätzwert für die aktuelle Fahrzeugmasse liefert. Ein solchesSchätzverfahren. das sich schon in sehr vielen Anwendungen bewährt hat , ist dasDSFI-Verfahren (Discrete Square root Filtering in Information form) . Eine theo­reti sche Herleitung des Verfahrens ist bei Höfling (1996) und Schwarz (1999) zufinden.

74 4 Parametrierung des Fahrzeugmodells

Fahrer

~

Fahrzeugmode llmit

Bas ismasse

Fahrzeug mitunbekannter

Masse

Messdaten· llllASls

vorauswahl Rekurs ivek.Parameter -

(Fahr. schiltzungzustands- (0 5 FI)

erkennung ) llzuuo

Abb. 4.12. Gesamtkonfiguration des Verfahrens zur Masseschätzung für den Online­Einsatz

Einen Überblick über die Gesamtkonfiguration der auf dem DSFI-Verfahrenbasierenden Masseschätzung für den Online-Einsatz gibt Abb. 4.12 ..

Die Messdatenvorauswahl wird entsprechend der im vorangehenden Abschn ittbeschriebenen Bedingungen realisiert. Die im Rahmen der Datenselektion ausge­wählten Datenpaare XBASIS und X ZULADUNG dienen anschließend direk t als Ein­gangsgrößen für das rekursive DSFI-Verfahren. Als Ausgangsgröße liefert dasDSFI-Verfahren wiederum die geschätzte Geradensteigung k., die nach GI. (4.12)einen direkten Rückschluss auf die aktuelle Fahrzeugmasse ermöglicht.

Da mit Hilfe des DSFI- Verfahrens eine kontin uierliche Schätzung der Fahr­zeugmasse gewährleistet werden soll, müssen die Eingangsgrößen X BASIS undxZULADUNG des Schätzverfahrens zu den Zeitpunkten, zu denen durch den Bereini­gungsalgorithmus Teile der Eingangsdaten unterdrückt werden , zu null gesetztwerden. Durch dieses .zu null setzen" der Eingangsgrößen verharrt die Ausgangs­größe k, des DSFI-Verfahrens solange auf dem gleichen Wer t, bis eine Fahrsitua­tion erreicht wird, in der neue Eingangsdaten für die Schätzung zur Verfügung ge­steilt werden können.

Um die Qualität des Online-Schätzverfahrens zu demon strieren, zeigt Abb.4. 13. die Schätzergebnisse von vier Fahrten mit dem Versuchsfahrzeug auf derAutobahn A5 zwischen Darmstadt und Frankfurt mit unterschiedlichen Zuladun­gen (I bis 4 Personen). Die einze lnen Zuladungen betrugen -25 kg (Tank halbvoll), +60 kg, +160 kg und +240 kg. Eine Zusammenstellung der geschätztenSteigungen ka, der geschätzten und der tatsächlichen Zuladung sowie der Beträgedes absoluten Fehlers em ist in Tabelle 4.6. zu finden .

Tabelle 4.6. Schätzergebnisse mehrererAutobahnfahrten mit unterschiedlicher Zuladung

Personenzahl

I234

geschätzteSteigung k,1,00211,03941,10161,1283

geschätzteZuladung

3,4 kg64,2 kg

165,6 kg209,2 kg

tatsächlicheZuladung-25 kg60kg

160kg240kg

absoluterFehler em28,4 kg4,2kg5,6 kg

30,8 kg

4.3 Zusammenfassung 7S

Zuladung : ~60 kg

300250

;Zuladung: ·25 kg

200100 150

Ze it [sI

..Zu~dung : +240kg

.~u ladu~g~ +160kg

50

1.2

1.15-~.

Cl 1.1c::JCl"§<J>

1.05e'""01':!'"(!l

0 .950

Abb. 4.13. Ergebnisse der DSFI-Schätzung am Beispiel von vier Autobahnfahrten mit un­terschiedlichen Zuladungen

Es ist deutlich zu erkennen , dass das vorgestellte Verfahren zur Schätzung derFahrzeugmasse bei verschiedenen Messfahrten mit unterschiedlichen Beladungs­zuständen sehr gute Ergebnisse liefert. Schon nach etwa 50 s Fahrzeit ist bei denbetrachteten Autobahnfahrten eine relativ zuverlässige Aussage über die Fahr­zeugmasse möglich . Ausführliche Untersuchungen haben gezeigt , dass der maxi­male Betrag des absoluten Fehlers bei der Verwendung des Online-Schätz­verfahrens bei etwa 60 kg liegt (Link 1999).

Aussch laggebend für die Güte der Schätzung ist allerdings die Anzahl der Ein­gangsdatenpaare, die die Datenvorauswahl passieren und anschließend in derSchätzung Berücksichtigung finden . Es ist davon auszuge hen , dass die Genauig­keit des Verfahren s mit einer zunehmenden Anzahl von Schätzdaten besser wird.Da das Schätzverfahren bisher nur im Laborbetrieb getestet werden konnte, be­schränken sich die maximalen Fahrzeiten wegen der dort begrenzten Speicherka­pazität auf etwa 300 s. Der Einsatz des Verfahrens online im Versuchsfahrzeug,bei dem keine unmittelbare zeitliche Begrenzung der maximalen Dauer einer Ver­suchsfahrt existiert, verspricht eine weitere Verbesserung der Ergebnis se. Zusätz­liches Verbesserungspotential liegt in einer Verfeinerung des Algori thmus zurAuswahl der für die Schätzung relevanten Fahrzustände.

4.3 Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurde eine Klassifikation der Parameter des Fahrzeugmodellsvorgenommen. Basierend auf dieser Klassifikation wurden die Möglichkeiten derIdentifikation der zeitvarianten Fahrzeugparameter diskutiert.

Am Beispie l des Parameters Fahrzeugmasse wurden die Einsatzm öglichkeitender Methoden der Parameterschätzung zur Identifikation zeitlich veränderlicher

76 4 Parametrierung desFahrzeugmodells

Fahrzeugparameter aufgezeigt. Dabei wurde auf die Herleitung und die expliziteDarstellung der verwendeten Verfahren zur Signalvorverarbeitung und zur Para­meterschätzung verzichtet, da diese hinlänglich bekannt sind und der zitiertenFachliteratur entnommen werden können.

Es wurde gezeigt, dass die Masse des Fahrzeugs und der Rollwiderstand derReifen aus den Messdaten einer Ausrollfahrt offline identifiziert werden können.Eine Online-Schätzung der Fahrzeugmasse während des normalen Fahrbetriebs istdagegen aufgrund der zu großen Varianz in den Schätzwerten nicht möglich. Bil­det man jedoch den zeitlichen Mittelwert über die während einer längeren Zeit­spanne berechneten Schätzwerte, so erhält man einen guten Näherungswert für dieMasse des Fahrzeugs, da dann zeitlich veränderliche Umwelteinflüsse, wie z. B.eine Steigung der Fahrbahn, über dem Zeitintervall der Schätzung im Mittel ver­schwinden. Ist dies nicht der Fall, so müssen diese Einflussgrößen online beo­bachtet werden. Die besten Schätzergebnisse wurden während Autobahnfahrtenerzielt, da dann die der Schätzung zugrundeliegende Modellgleichung das realeFahrzeugverhalten am genauesten abbildet.

Im Anschluss an das direkte Schätzverfahren zur Ermittlung des ParametersFahrzeugmasse wurde ein neuer Ansatz zu dessen indirekter Identifikation durchSchätzung und Auswertung eines für die aktuelle Fahrzeugmasse charakteristi­schen Merkmals aufgezeigt. Im Rahmen einer theoretischen Herleitung wurde ge­zeigt, wie ein Merkmal generiert werden kann, durch dessen Auswertung in spe­ziellen Fahrsituationen eine Aussage über die aktuelle Fahrzeugmasse möglich ist.Zur Auswertung des Merkmals wurden zwei Verfahren vorgeschlagen. Einerseitshandelt es sich um eine Methode, die eine Schätzung der Fahrzeugmasse nur off­line im Anschluss an eine Messfahrt ermöglicht. Um die Masseschätzung auch imOnline-Betrieb verwenden zu können, wurde das generierte Merkmal mit einemrekursiven DSFI-Schätzverfahren ausgewertet.

Zur qualitativen Verbesserung der Schätzergebnisse wurden verschiedene Ver­fahren zur Vorverarbeitung der Messdaten untersucht. Dabei zeigte sich, dass derEinsatz konventioneller Filterverfahren keine Verbesserung der Ergebnisse bringt,da mit ihnen nur das zufällige Messrauschen reduziert werden kann. Dieses Rau­schen hat allerdings bei genügend langer Messzeit keinen Einfluss auf die Schätz­ergebnisse . Eine deutliche Verbesserung der Ergebnisse wurde durch den Einsatzeines Verfahrens zur Messdatenvorauswahl erreicht. Hierbei handelt es sich umeine Logik zur Klassifikation von Fahrzuständen . Diese Logik gibt nur in solchenFahrzuständen Messdaten an das Schätzverfahren weiter, in denen die theoreti­schen Vorraussetzungen für dessen Einsatz erfüllt sind. Bei Verwendung des Da­tenauswahlverfahrens liegt der maximale Betrag des absoluten Fehlers der Masse­schätzung sowohl bei der Offline- als auch bei der Online-Schätzung bei etwa 60kg. Einschränkungen der Genauigkeit müssen bei Fahrzyklen, die Fahrbahnstei­gungen und Gegenwind beinhalten, in Kauf genommen werden, da diese beidenEinflussgrößen im Datenauswahlalgorithmus bisher nicht berücksichtigt sind.

5 Offline-Implementierung und Validierung desFahrzeugmodells

Im ersten Teil des folgenden Kapitels wird die Implementierung des physikali­schen Fahrzeugmodells unter MATLAB/Simulink auf dem PC beschr ieben . Da­nach wird das in Simul ink implementierte Fahrzeu gmodell anhand ausgewählterSimulationen realer Messfahrten validiert.

5.1 Offline-Implementierung des Fahrzeugmodells

Um mit einem konventionellen PC Simulationsuntersuchungen zur Fahrdyna mikoffline durchführen zu können, wurde das physikali sche Fahrzeugmodell in derSimulationsumgebung MATLAB/Simulink (The MathWorks 1996, 1997) imple­mentiert.

Neben einer komfortab len, intuiti v zu bedienenden Benutzeroberfläche bietetSimulink den Vorteil, dass die Struktur und die Parametrierung des Fahrzeugmo­dells leicht verändert werden können. Darüber hinaus stehen unter Simulink nebenden zur Simulation notwendigen Prograrnmroutinen, wie z. B. Integrations- undDifferenzierungsalgorithm en, nahezu alle Funktionen des ProgrammpaketsMATLAB zur Verfügung und können im Simulationsmode ll verwendet werden.Daher erfordert beispie lsweise die Implement ierung der komplexen Logik desABS-Algorithmus oder der mehrd imensionalen Reifenkenn felder keinen erhöhtenProgrammierungsaufwand.

Bei der Implementierung in Simulink wurde die im zweiten Kapitel in Wortund Bild beschri ebene Struktur des Fahrzeugmodells in eine äquiva lente, modularaufgebaute und hierarchisch strukturierte Blockschaltbildd arstellung umgesetzt. InAbb. 5.1. und Abb. 5.2. sind die beiden obersten Ebenen des in Simulink imple­menti erten Fahrzeugmodells dargestellt.

Auf der linken Seite sind die Subsysteme zum Laden der Eingangsdaten desModells aus MATLAB in die Simulationsumgebung dargestellt. Im SubsystemUMWELT können dem Fahrzeugmode ll zusätzlich simulierte Einflussgrößen ausder Umgebung des Fahrzeugs, wie beispielsweise Gegenwind oder ein bestimmtesFahrbahnprofil, vorgegebe n werden.

78 5 Offline-Implementierung und Validierung des Fahrzeugmodells

•I

• PHYSIKALISCHES AUSGAENGE DESck MODELL DES PHYSIKALISCHEN

KRAFTFAHRZEUGS FAHRZEUGMODELLS•e l

•en

[time ,theta_a] IDrosselklappenwinke

[time ,p_b] IHauptzy linderbremsdru

[time ,delta _l] ILenkradeinschlagwink

UMWELT'

Umwelteinflussgroess

Abb. 5.1. Oberste Ebenedes physikalischen Fahrzeugmodells in Simulink

Die Module zur Speicherung der Ausgangsgrößen des Fahrzeugmodells inMATLAB sind aus Gründen der Übersichtlichkeit auf der rechten Seite zu einemBlock zusammengefa sst.

Das Fahrzeugmodell wird in der für Simulink typischen Weise soweit in funk­tional zusammenhängende Untermodule aufgegliedert, bis sich die Grundglei­chungen der Fahrzeugbewegung auf der untersten ModelIierungsebene mit Hilfeelementarer Simulink-Blöcke darstellen und interaktiv parametrieren ließen. Da ­durch ergibt sich eine vertikale Modellierungstiefe von bis zu sechs Modellebe­nen.

Alle fahrzeugspezifischen Parameter werden als globale Variablen in die Funk­tionsbIöcke in Simulink eingetragen . Die Werte dieser globalen Variablen sind ineiner fahrzeugspezifischen MATLAB-Skript-Datei abgelegt und werden währendder Initialisierung des Simulationsmodells in den MATLAB-Workspace geladen .

Um das Fahrzeugmodell an ein spezielles Fahrzeug anzupassen, muss lediglichdie diesem Fahrzeug zugeordnete Parameterdatei geladen werden. StrukturelleÄnderungen im Simulink-Modell sind beim Übergang von der Simulation einesFahrzeugtyps auf einen anderen nicht durchzuführen .

Zur Berechnung zeitlicher Integrationen während der Simulation wird das Ein­schrittverfahren nach Euler (Schumann 1993), mit einer konstanten Integrations­schrittweite von einer Millisekunde verwendet. Die Verwendung komplexerer In­tegrationsverfahren, wie beispielsweise das Runge-Kutta- Verfahren (Schumann1993), die ebenfalls unter Simulink zur Verfügung stehen, hat lediglich zu einersignifikanten Erhöhung der Simulationsdauer, nicht jedoch zu einer Verbesserungder Simulationsergebnisse geführt und wurde deshalb verworfen.

5.2 Validierung des Fahrzeugmodells 79

CDout

REIFENUND '-

~RAEDER

r+ .----1

theta _a r+ANTRIEB

2_p_b

~BRE MSE

3LENKUNGdelta _ I

~Mux~- f--. HO RIZONTAL

~ DYNAMIK

4 VERTIKAL-Umwelt

~ DYNAMIK

'-

in

in

Abb. 5.2. Zweite Ebenedes physikalischen Fahrzeugmodells in Simulink

5.2 Validierung des Fahrzeugmodells

Im Folgenden soll das unter Simulink implementierte physikalische Fahrzeugmo­dell anhand einer repräsentativen Auswahl realer Fahrzyklen valid iert werden.Dazu werden die Simul ationsergebni sse der ausgew ählten Versuchsfahrten denwährend dieser Fahrten im Fahrzeug tatsächlich gemessenen Fahrzustandsgrößengegenübergestellt. Aus dem Vergle ich zwischen Simulation und Messung wird ei­ne qualitative Bewertung der Simulationsgüte des physikalischen Fahrzeugmo­dells in Abhängigkeit der Fahrsituation abgeleitet. Die Validierung des Fahrzeug­modell s erfolgt im Zeitbereich. Eine detaillierte Untersuchung und Bewertung desVerhaltens des Simulati onsmodell s im Frequenzbereich erfolgt in Kapitel ll.

Die im Folgenden dargestellten Fahrten wurden auf dem öffentlichen Verkehrnicht zugänglichen Teststrecken durchgeführt . Im Gegensatz zu öffentlichen Stra­ßen ist es dort möglich, gezie lt Fahrmanöver im Grenzberei ch der Fahrstabilität

80 5 Offline-Implementierung und VaIidierung des Fahrzeugmodells

durchzuführen, ohne dabei dem störenden Einfluss des öffentlichen Verkehrs aus­gesetzt zu sein und diesen durch die extreme Fahrweise zu gefährden.

Während der Messfahrten wurden die Eingangsgrößen des physikalischenFahrzeugmodells (Drosselklappenwinkel, Hauptzylinderbremsdruck und Lenk­radwinkel) sowie die charakteristischen Zustandsgrößen der Horizontaldynamik,(Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung und Geschwindigkeit) und der Verti­kaldynamik (Nick- und Wankwinkelgeschwindigkeit) des Fahrzeugs aufgezeich­net. Darüber hinaus stand die Winkelgeschwindigkeit der Kurbelwelle, die Motor­drehzahl, als Messgröße zur Verfügung. Zur Validierung des Fahrzeugmodellswurden die gemessenen Eingangsgrößen dem Simulationsmodell nach der Been­digung der Fahrversuche aufgeschaltet und die Fahrt wurde offline nachsimuliert.

5.2.1 Validierung des Modells der Horizontaldynamik

In Abb. 5.3. sind die Ergebnisse der Simulation einer Versuchsfahrt dargestellt,bei der das Fahrzeug zunächst aus dem Stand heraus mit Vollgas geradeaus aufetwa 100 kmIh beschleunigt wurde. Anschließend wurde das Fahrzeug mit maxi­malem Bremsdruck bis zum Stillstand verzögert. Die Fahrt wurde auf einem ebe­nen Fahrbahnabschnitt mit trockener Asphaltoberfläche durchgeführt. Alle Größenwurden mit einer Abtastzeit von 5 ms gemessen .

Die während dieser Fahrt gemessenen Verläufe des Drosselklappenwinkels, desBremsdrucks sowie des Lenkradwinkels sind in den beiden oberen Teilbildern vonAbb. 5.3. dargestellt. Die beiden mittleren Teilbilder zeigen die Vergleiche derGeschwindigkeiten und der Längsbeschleunigungen. In den beiden unteren Teil­bildern werden die Motordrehzahlen sowie der simulierte und der tatsächlich zu­rückgelegte Fahrweg einander gegenübergestellt.

Sowohl in der Beschleunigungsphase, als auch während der Bremsung stimmendie simulierten Größen gut mit den gemessenen überein. Lediglich während desersten Gangwechsels tritt in der simulierten Längsbeschleunigung des Fahrzeugsein Überhöhung auf. Diese resultiert aus der kurzzeitigen Öffnung der kraftschlüs­sigen Verbindung zwischen dem Antriebsstrang und den Rädern des Fahrzeugsund tritt in dem gemessenen Beschleunigungssignal nicht auf. Trotz geringfügigerAbweichungen zwischen den beiden Motordrehzahlsignalen ist auch bezüglichdieser Größe die Übereinstimmung zwischen Simulation und Messung sehr gut.

5.2 Validierungdes Fahrzeugmodells 81

q) 2 4 6 8 10 12 14 16182022Zeit [51

20

:cl!!~(ij.l<c:'3''0l!!

.l<c:GI..J

· 1

2 4 6 8 10 12 14 16 18 2022

8 10 12 14 16 18 20 22Zeit [51

Abb, 5.3. Mess- und Simulationsergebnisse einer Versuchsfuhrt. bei der das Fahrzeugzunächst mit Vollgas beschleunigt und danach mit maximalem Bremsdruck abgebremstwurde

Die Abb. 5.4. zeigt die Simulationsergebnisse einer Stotterbremsung auf tro­ckenem Beton . Durch den sinusförmigen Verlauf des Bremsdruckes, dessenAmplitude etwa 50% des maximal möglichen Druckes erreicht, wird während die­ser Messfahrt die Bremsdynamik des Fahrzeugs stark angeregt. Das Modell derBremsanlage kann daher anhand dieser Fahrt sehr gut validiert werden .

In der Längsbeschleunigung, der Geschwindigkeit und dem zurückgelegtenWeg des Fahrzeugs lässt sich eine gute Übereinstimmung zwischen den simu lier­ten und den gemessenen Größen feststellen. Lediglich das Nachwippen der Karos­serie nach dem Abbremsen in den Stillstand ist in der Reali tät deutlich ausge­prägter als in der Simulation .

82 5 Offline-Implementierung und Validierung des Fahrzeugmodells

14

:. ~ .. I' "

. .. . . . 0 .

6 8 10 12 14

Z rt [sI

6 8 10 12 14

4

4

. ' :' . .t-, . : ... . . ~ .• \ •• 0°•• • \ •• 0°•• • \ ••

2

2

o 2 4 6 8 10 124r--~----~----_..,

2 ...:- . . : .. -:

o~ .:·2

-4

·6

-a

14

:... ·il'

·····N·· .. ·. . .. .. . , . .. .

4 6 8 10 12

2 4 6 8 10 12 14Z9It [s)

240,...---------~-,

iij1: 35'>:;~E 30't: 'ij\ 25~

'65 20i c 15

~ ~ 10t3 5

OO,..........,~~~~~~~

500.----- - - - - - - - - -,1:450

~3 400~I; 350- "'-§'B 300.E!::l 250'E 200o~ i 150

o '~l-~~.-;.--.;;~:;:-:;:;.--J

Abb. 5.4. Messung und Simulation einer Stollerbrernsung aus ca. 140 km/h bis zum Still­stand des Fahrzeugs

Berücksichtigt man, dass die oben genannten Größen durch Integration über derZeit auseinander hervor gehen, so lässt dies darauf schließen, dass die parametri­schen Fehler im Modell der Längsdynamik des Fahrzeugs relativ gering sind, dadiese sich sonst durch die Integration fortpflanzen und sogar verstärken müssten.

Fasst man die in Abb. 5.3. und Abb. 5.4. dargestellten Simulationsergebnissezusammen, so kann man festhalten, dass sowohl das Beschleunigungsverhalten alsauch das stationäre und dynamische Bremsverhalten des Fahrzeugs durch das Si­mulationsmodell gut abgebildet wird.

In den folgenden Bildern sind die Simulationsergebnisse von Fahrten darge­stellt. während derer insbesondere die Fahrzeugquerdynamik stark angeregt wur­de. Neben der Geschwindigkeit und der Längsbeschleunigung sind daher jeweils

5.2 Validierung des Fahrzeugmodells 83

auch die Gierwinkelgeschwindigkeit (Gierrate) und die Querbeschleunigung desFahrzeugs dargestellt.

Die Abb. 5.5. zeigt die Ergebnisse der Simulation einer Kreisfahrt mit kon­stantem Radius. Bei dieser Fahrt nimmt der Einschlagwinkel des Lenkrades mitwachsender Geschwindigkeit des Fahrzeugs zu. Nur so ist es möglich, in be­schleunigter Fahrt eine Kreisbahn mit konstantem Radius zu befahren. Analog denvorangehenden Darstellungen zeigen die beiden mittleren Teilbilder die Ge­schwindigkeit und die Längsbeschleunigung. In den beiden unteren Teilbildernsind die die Querdynamik des Fahrzeugs charakterisierenden Größen Gierwinkel­geschwindigkeit und Querbeschleunigung aufgetragen .

oC5

o 5 10 15 20 25 30 35 40Z8't(S]

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50Z811 [ I

Abb. 5.5. Messungund Simulation einer Kreisfahrt mit konstantem Radius 17,5m

84 5 Offline-Implementierung und Validierung des Fahrzeugmodells

. . . .-:l20-15-10-50 5 1015202530

Position in v-Richtung Im)

Abb. 5.6. Simulierte Ortskurve der Kreisfahrt aus Abb. 5.5.

Die während dieser Fahrt auftretenden Querbeschleunigungen erreichen einenMaximalwert von ca. 7,5 m1s2

• Das bedeutet, dass die Grenze der Fahrstabilität auftrockener Fahrbahn nahezu erreicht wird. In jedem Falle aber wird der Bereich derQuerbeschleunigung « 4 m1s2

) weit überschritten, in dem die Querdynamik desFahrzeugs mit einfachen, linearisierten Modellen ausreichend genau beschriebenwerden kann. Mit dem in der Simulation verwendeten nichtlinearen Zweispurmo­dell der Horizontaldynamik (vgl. Abschnitt 3.4) sind die querdynamischen Zu­standsgrößen des Fahrzeugs auch bis an die Grenze der Fahrstabilität ausreichendgenau approximierbar.

Diese Tatsache spiegelt sich auch in der in Abb. 5.6. dargestellten simuliertenOrtskurve wieder . Sie beschreibt die Kreisbahn, die das Fahrzeug während dieserFahrt entgegen dem Uhrzeigersinn durchfahren hat. Der tatsächlich befahreneKreis mit 17,5 m Radius wird relativ exakt abgebildet.

Die geringfügigen Abweichungen zwischen simulierter Ortskurve und SolIkur­ve des Fahrzeugs liegen im Toleranzband der Fahrbahnbreite von ca . 2,5 m. AmEnde der Ortskurve wurde eine Rechtskurve durchfahren. Diese beschreibt dieAusfahrt aus der Kreisbahn, die, wie es auch am Vorzeichenwechsel der Querbe­schleunigung zu diesem Zeitpunkt zu erkennen ist, im Uhrzeigersinn erfolgte.

Bei der in Abb. 5.7. dargestellten Messfahrt wurde das Fahrzeug schnell auf ei­ne Geschwindigkeit von etwa 40 kmlh beschleunigt. Danach wurde diese Ge­schwindigkeit etwa konstant gehalten. Gleichzeitig wurde das Fahrzeug durch einesinusförmige Lenkbewegung in eine Wedelbewegung versetzt. Danach wurde dasFahrzeug rasch bis zum Stillstand abgebremst. Analog der Wirkung einer Stotter­bremsung auf die Längsdynamik wird durch den dynamischen sinusförmigenVerlauf der Radeinschlagwinkel die Querdynamik des Fahrzeugs während dieserFahrt stark angeregt.

Auch diese starke querdynamische Beanspruchung des Fahrzeugs wird in denmit dem physikalischen Fahrzeugmodell simulierten Zustandsgrößen sehr gutwiedergegeben . Die Abweichungen, die zwischen dem simulierten und dem ge­messenen Signal der Querbeschleunigung auftreten, liegen im Bereich des Rau­schens der Messgröße. Die Abweichungen bezüglich der Gierrate sind so gering,dass sie in Abb. 5.7. links unten kaum zu erkennen sind.

5.2 Validierung des Fahrzeugmodells 85

I~

10 15 20 25 30

5 10 15 20 25 30

2:00r-~---~--~--,

:0 150e1~100

~ 50C

~~ ·50 ... ;\G>...J -100 .. . t ••

:0 50e1 45~ 40~~ 35c -

30'~ tlC ::l 25G> ~a:C

200. '"<ll E~ ~ 15~lD 10e 50

0012

_1: 10",G>e3-E 8·~ ·üi

-""0.g')c"O::l

.~ 15

.c '"u '"", G>G> EC) 2l.

Abb. 5.7. Messungund Simulation einer Fahrtmit sinusförmigem Verlauf des Lenkwinkels

Das simulierte Geschwindigkeitsprofil dieser Versuchsfahrt stimmt sehr gut mitdem gemessenen überein, und in der simu lierten Längsbeschleunigung ist sogardie Rückwirkung der Querbeschleunigung auf die Längsdynamik des Fahrzeugszu erken nen.

Als näch ster Testzyklus wird eine Fahrt über einen einer Landstraße vergleich­baren Rundkurs von etwa 3,5 km Länge betrachtet, auf dem in unregelmäßigenAbständen vertikale Fahrbahnunebenheiten , wie beispielsweise Kopfsteinpflasteroder Bodenwellen , in die Fahrbahn eingebracht sind. Diese Strecke dient norma­lerweise dazu, die Fahrwerke neu entwickelter Fahrzeuge zu testen und den Fahr ­komfort zu optimieren. Hier wird die in Abb. 5.8. dargestellte Messfahrt jedochdazu benutzt, zu untersuchen, wie sich der Einfluss vertikaler Störeinflüsse auf dieSim ulation der Fahrzeugdynamik auswirkt.

86 5 Offline-Implementierung und Validierung des Fahrzeugmodells

Der Vergleich der simulierten und der entsprechenden gemessenen Größen be­legt, dass alle horizontaldynamischen Zustandsgrößen des Fahrzeugs gut nachge­bildet werden, obwohl die vertikalen Störeinflüsse im Fahrzeugmodell nicht abge­bildet werden. Die relativen Fehler zwischen der Simulation und den Messwertenbleiben übe rden gesamten Simulationszeitraum hinweg kleiner als zehn Prozent.

• • 1 •• ' , • • ' , . , . ,", ••", •

. . ~ .. ".. .' .. : .. '. .. ' ... . . . . .' ,. 1. 0" ' . , ' • • I. 0 ". , ',.

20 40 60 80 100 120 140 160 180

• "' .0" . :. , ",. ,',.:. ,", . . '. . . .· " " . "". :. ' ". ' ," . ':. . '" ..

· , ', . ... . . : .. ",. ,',.:. , ', . ,",.. . . . ......~~--=01"cE".-0I1Il

'c 'gäl" · 1:c eu c:.> ·2lß lll.0 c:.> .3IIlEg'~ -4~

20 40 60 80 100 120 140 160 180

:0 60 15

"'C. 50 .'. .'. . , .' . :0--- "''Q; ce §-" .0 40c~ äi~g -"

30c

Q> ~ .~0:0a. 1Il "0

~ ~ 20 , .' e-"c

~lD Q> ·5010 ...Je0 ·1180

32 ,....-~~~~-~~__--,_1: 30~:§ 28-E 26'S' iij 24~-g'ö " 22·i l5 20-5 ~ 18lß ~ 16 : :.. ~ .. : : . .Cl ~ 14 , ..

120 .~ 20 40 60 80 100 120 140 160 1800.5 ... 10,...-~~--~--------,

'~ 0.4 . .• •.' , ~,~ 8 , • ..• •_:; 0.3 , """3 6IIlE r~~'iij 0.2 " 1Il 4.=.-g 0.1 .~ 2~J j ~

~ c 0 ~ c 0t: cu • • • • .c Q)

.~ ~ ·0.1 .. •. ' .' . ' .' . , ' . ' . ~ III ·2Cl~ -0.2 . " , ~ ~ -4~ -0.3 ..... _ - . • .. • . 0 01 -6

-0.40 20 40 60 80 100 120 140 160 180 .80!:-~20::--4O:-::-~60:::--:8~0-:--:loo~I:'::2:::0:-:'1 ~40;;-;";160-:;z-!1·80

Ze it [si Ze it [sI

Abb . 5.8. Messung und Simulation einer Fahrt über die Komfortstrecke eines Testzentrums

5.2 Validierung des Fahrzeugmodells 87

5.2.2Validierung des Modells der Vertikaldynamik

Eine systematische Validierung der Modelle zur Beschreibung der Vertikalbewe­gungen des Fahrwerks und der Karosserie ist schwieriger durchzuführen als dieje­nige der horizontalen Bewegungen des Fahrzeugs. Dies liegt daran, dass eineVertikalbewegung der Radaufhängungen und der Karosserie zwar durch das Über­fahren geeigneter Fahrbahnprofile angeregt werden kann , diese Anregung aber inkein em der Versuchsfahrzeuge direkt messbar ist und daher auch dem Simul ati­onsmodell nicht aufgeschaltet werden kann .

150

'0 100~,9 50c;.><c 0'3:'0ll! -50.><cCl> -100...J

2 3 4 5 6 7 8 9 10

Zeit [sI

Abb. 5.9. Messung und Simulation eines Spurwechselmanövers bei einer Geschwindigkeitvon 55 km/h

88 5 Offline-Implementierung und Validierung des Fahrzeugmodells

Zur Validierung der Vertikaldynamik müssen also Versuchsfahrten herangezo­gen werden, während derer das Fahrwerk infolge einer auf die Karosserie einwir­kenden Trägheits- oder Zentrifugalkraft in vertikale Schwingungen versetzt wird.Dies geschieht beispielsweise durch eine entsprechend dynamische Betätigung desBremspedals bzw. des Lenkrades . Als aussagekräftige Messgrößen der Vertikal­dynamik stehen die vier Federwege sowie die nahe dem Fahrzeugschwerpunktgemessene Nick- und die Wankwinkelgeschwindigkeit der Fahrzeugkarosserie zurVerfügung .

In Abb. 5.9. sind die zeitlichen Verläufe dieser Größen dargestellt, die währendeines Spurwechsels mit einer konstanten Geschwindigkeit von 55 km/h aufge­zeichnet wurden. Bei diesem Fahrmanöver betrug die maximale Zentrifugal be­schleunigung der Fahrgastzelle etwa 6,5 rn/s2

• Dadurch wurde insbesondere dieWankbewegung der Karosserie stark angeregt und die Radaufhängungen wurdenbis in die nichtlinearen Bereiche der Feder- und Dämpferelemente belastet.

Da das Fahrzeug während des Spurwechsels mit konstanter Geschwindigkeitfrei über die ebene Fahrbahnoberfläche rollte, wurde auf die explizite Darstellungdes Drosselklappenwinkels, des Bremsdrucks sowie der Fahrzeuggeschwindigkeitverzichtet. Lediglich der Lenkradwinkel als Anregungsgröße der Karosseriebewe­gung ist in Abb. 5.9. oben links aufgetragen .

Betrachtet man die dargestellten vertikaldynamischen Zustandsgrößen, so fälltauf, dass weder die simulierten Federwege noch die simulierte Wankwinkelge­schwindigkeit eine zufriedenstellende qualitative oder quantitative Übereinstim­mung mit den gemessenen Größen zeigen.

Ein vergleichbares Resultat erhält man aus der Analyse der berechneten verti­kaldynamischen Zustandsgrößen der bereits in Abb. 5.4. betrachteten Stotterbrem­sung. Eine solche dynamische Bremsung ist eines der wenigen Fahrmanöver, mitdem durch die dynamische Betätigung des Bremspedals (vgl. Abb. 5.10. obenlinks) eine Nickbewegung der Karosserie während der Fahrt gezielt angeregt wer­den kann. Wie Abb. 5.10. jedoch zeigt, werden die gemessenen Signale wederdurch die simulierte Nickwinkelgeschwindigkeit noch die simulierten Federwegezufriedenstellend approximiert . Dabei sind neben den Amplitudendifferenzen auchPhasenverschiebungen zwischen Simulation und Messung zu erkennen .

Während in Abb. 5.10. die simulierten Federwege der Vorderräder noch ver­hältnismäßig gut mit den gemessenen übereinstimmen, zeigen die simulierten Fe­derwege der Hinterräder und auch die simulierte Nickwinkelgeschwindigkeitdeutlich größere Amplituden als die entsprechenden Messsignaie.

Die in Abb. 5.9. und Abb. 5.10. auftretenden Abweichungen zwischen den mitdem Fahrzeugmodell simulierten und den tatsächlich gemessenen Zustandsgrößender Vertikaldynamik sind unter Umständen darauf zurückzuführen, dass in denLagern der Radaufhängungen zusätzliche Reibungen und Nachgiebigkeiten auf­treten, die im Fahrzeugmodell vernachlässigt wurden. Darüber hinaus bleiben dieEigenschwingungen des auf Gummipuffern gelagerten Motors, die insbesonderedie vorderen Federwegsignale beeinflussen, im Fahrzeugmodell unberücksichtigt.

5.3 Fehlerquellen in der Simulation 89

.~+.i- .· \/.· . ~ ..

. . .: .. ", .. : . .

4 6 8 lU 12 14

. ~ .. ~ ... . . . .. . . ~ ..

~:

2

0.3r--..,-~~--~-~---,

c;;l:::c cP 0 .2 •.. .(0 :'=~ :>

;~O.I ~ 'J"§ -g or.! .cP :>~ g'O.1x l2.~ cP,O.2x E28r°.3 . . .:...: . . '," .. :....:...: ..

'O.4Ir~.-----::--r----.l,..--:n-t;;----!14

~ .

10 12

2 4 6 II 10 12 2 4 6 II 10 12

. . ... . . . ..... .

.Mv'J. .: ..

!I· .

', •• ,' ••• 1 ••. . . .. ••0" ' • • '• • •. . .

Ze it [sI4 6 8 10 12 14

Ze it [sI

Abb . 5.10. Messung und Simulation der vertikaldynamischen Zustandsgrößen während derStotterbremsung aus 140 km/h bis zum Stillstand (vgl. Abb. 5.4.)

5.3 Fehlerquellen in der Simulation

Wie zuvor gezeigt , lässt sich die Güt e des Simulationsmode lls du rch einen Ver­gleich zwischen den Au sgangsgrößen des Modell s und den entsprechenden, imVer such sfahr zeug (rea ler Prozess) ge messenen Größen beurteilen . Je größer dieÜbereins timmung zw ischen beiden Verl äufen ist, desto besser repräse ntiert dasModell das reale Fahr zeugverhalten.

90 5 Offline-Implementierung und Validierung des Fahrzeugmodells

'11'............,----....· .· .: Annahmen:· .:••••••• • .1

Abb. 5.11. Einteilung verschiedener Typenvon Modellfehlem

Die verbleibenden Differenzen resultieren zum einen aus Fehlern im Bereich derMesswerterfassung und -verarbeitung, zum anderen aus den durch die bei der Mo­dellbildung getroffenen Annahmen hervorgerufenen sog. Modellierungsfehlernbzw. Modellfehlern (Frank 1990).

Da bei korrekter Konfiguration und Kalibrierung der Sensorik die dort entste­henden Fehler gegenüber den Modellfehlern weitgehend zu vernachlässigen sind,soll im Folgenden nicht ausführlicher auf fehlerhafte Messwerterfassung einge­gangen werden. Ausführliche Klassifikationen verschiedener möglicher Fehler imBereich der Sensorik sind z.B. bei Isermann (1994), Tränkler (1996) oder Hoff­mann (1998) zu finden .

Die im Zusammenhang mit der Fahrzeugsimulation weitaus entscheidendereGruppe der Modellfehler lässt sich in zwei Hauptkategorien - strukturelle und pa­rametrische Fehler - unterteilen . Einen allgemeinen Überblick über die wichtigs­ten Typen von Modellfehlern gibt Abb. 5.11.

5.3.1 Strukturelle Modellfehler

Strukturelle Modellfehler entstehen hauptsächlich im Rahmen einer vom Men­schen durchgeführten theoretischen Modellbildung. Hierbei kann zwischen unbe­wussten und bewussten Fehlern unterschieden werden.

Unbewusste strukturelle Fehler treten durch eine nicht beabsichtigte falscheModelIierung bzw. unerlaubte Vernachlässigung einzelner , für das Gesamtmodellwichtiger, physikalischer Zusammenhänge auf.

Im Gegensatz dazu werden bewusste strukturelle Fehler vom Menschen wis­sentlich in Kauf genommen. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um absichtlicheVernachlässigungen oder vereinfachte Abbildungen von physikalischen Effekten,wie beispielsweise die Linearisierung von nichtlinearem Systemverhalten. DieGröße des resultierenden Fehlers hängt hauptsächlich vom gewählten Modell­abstraktionsgrad ab. Wichtige Einflussgrößen auf den Abstraktionsgrad sind dieerforderliche Modellgenauigkeit sowie eventuelle Beschränkungen hinsichtlich

5.3 Fehlerquellen in der Simulation 91

der Rechenzeit. So muss ein Modell, das zur Prozessfehlerdiagnose eingesetztwerden soll, im Allgemeinen deutlich genauer und somit detaillierter sein, als einModell zur modellgestützten Regelung (Höfling 1996). Falls andererseits Rah­menbedingungen im Bereich der Rechenzeit eingehalten werden müssen, kann ei­ne Reduktion der Komplexität des Modells, verbunden mit einer Vergrößerungder bewussten strukturellen Fehler, erforderlich sein. Bei der theoretischen Mo­dellbildung ist es somit äußerst wichtig, den Modellabstraktionsgrad gemäß derbeschriebenen Rahmenbedingungen möglichst optimal zu wählen .

5.3.2 Parametrische Modellfehler

Zusätzlich zu den strukturellen Modellfehlern kommt es durch Unsicherheiten beider Parameterermittlung sowie durch Variationen der Modellparameter zu densog. parametrischen Fehlern. Diese lassen sich, abhängig davon, ob sie sich imLaufe der Zeit verändern oder nicht, in zeitinvariante und zeitvariante Fehler un­terteilen .

Zeitinvariante parametrische Fehler können dadurch entstehen, dass bei derGrundparametrierung des Fahrzeugmodells Parameterwerte verwendet werden,die auf das zu modellierende Versuchsfahrzeug nicht exakt zutreffen . DiesesProblem betrifft prinzipiell alle drei in Kapitel 4 vorgestellten Klassen von Mo­dellparametern mit Ausnahme der Parameter , die direkt statisch gemessen werdenkönnen. Insbesondere die aus der Literatur übernommenen und die durch Modell­abgieich bestimmten Parameterwerte sind häutig fehlerbehaftet. Darüber hinauskönnen natürlich auch bei Parametern, die aus Messfahrten geschätzt werden,durch biasbehaftete Schätzungen (Isermann 1992) parametrische Fehler auftreten .Neben diesen nur in bezug auf ein spezielles Versuchsfahrzeug relevanten Fehlernkommen bei einer eventuellen Implementierung des Fahrzeugmodells in Serien­fahrzeugen weitere parametrische Fehler hinzu, die durch Serienstreuungseffektebedingt sind.

Zeitvariante parametrische Fehler resultieren daraus, dass sich Parameterwertedes Versuchsfahrzeugs gegenüber der Grundparametrierung im Laufe der Zeitverändern. Dies kann kontinuierlich oder aber nur vorübergehend geschehen. AlsGründe für die sog. kontinuierlichen parametrischen Fehler sind insbesondere ir­reversible Alterungseffekte, beispielsweise bei Stoßdämpfern, zu nennen. Zusätz­lich entstehen durch Veränderungen am Fahrzeug oder Änderung der Umge­bungsbedingungen sog. temporäre Parameterfehler. Eine veränderte Beladungkann zum Beispiel zu signifikanten Veränderungen der im Fahrzeugmodell ver­wendeten Parameter Luftwiderstandsbeiwert und Fahrzeugmasse führen, Auch ei­ne straßen- oder wetterbedingte Änderung des Reibbeiwertes zwischen Reifen undFahrbahn führt zu Simulationsfehlern, da die Parameterwerte der im Fahrzeugmo­deli verwendeten Burckhardt-Approximation nur für eine trockene Fahrbahnober­fläche korrekt sind. Ein weiteres Beispiel für eine temporäre Parametervariationist eine Veränderung der Fahrbahnsteigung, deren Auswirkungen auf die Simula­tionsgüte im folgenden Abschnitt näher untersucht werden sollen .

92 5 Offline-Implementierung und Validierungdes Fahrzeugmodells

150 20010050

50 100 150 200Zeit(5)

'ö 25 'ö

T~~~ 'Cll -.:" ~ 15Q.~ 20 ~ 10~ tS 15 4i

"" jt0. :> cCll ~

~~ ~:g E ~g ~ 5 ""c~ lD ...Cl ...J -15

200 0 50 100 200t:: 260

ü) .~

- .... ···V ~"3 240~ E 220= "üS..c::"E 200~:> 180"i c~ ... 160"E l:jg ... 140s s

:::E Gl 120050 100 150 200 Cl

&- r:-~~

"'t:: 1.50.8 §.~

"(;3 g' .§ 1es:> .- ::>'" 0.5Cl'" .~ 'O'e -g 0 Ce 0~:> :> :>~ c:c c ..c:: w -0.5

~ ~ -0.4 ~ '"

~ Gl I ~ l3 · 1~ El:1 ~ -0.8 <3 s .1.50§ Cl 0 50 100 150 200

Zeit [51

Abb. 5.12. Fahrtauf der Autobahn A3 zwischen Idsteinund Bad Camberg

5.3.3 Auswirkungen von Modellfehlern auf die Simulat ion

Die zuvor beschriebenen Modellfehler können bei einer rein auf physikalischenModellen basierten Fahrzeugsimulation deren Güte stark negativ beeinflussen , sodass die Simulationsergebnisse unbrauc hbar werden. Als Beispiel hierftir zeigtAbb. 5.12. den Vergleich zwischen Simu lations - und Messergebnissen einer Au­tobahnfahrt auf der A3 zwischen Idstein und Bad Camberg.

Es fällt unmittelbar auf, dass sich sowohl bei der Fahrzeuggeschwindigkeit alsauch bei der Motordrehzahl gravierende Abweichungen zwischen den gemessenenund den simulierten Verläufen ergeben. Diese resul tieren aus den in diesem Auto­bahnabschnitt teilweise beträchtlichen Fahrbahnsteigungen, die im Versuchsfahr­zeug nicht direkt messtechnisch erfasst werden und der Simulation somit auchnicht als zusätzliche Eingangsgröße zur Verfügung gestellt werden können . ZumBeispiel nimmt im Bereich zwischen der I 10. und 170. Sekunde der Messfahrt,trotz einer im Mittel steigenden DrosselklappensteIlung, die gemessene Fahrzeug­geschwindigkeit kontin uierlich ab. Dies lässt auf eine leichte Steigung schließen.

5.4 Zusammenfassung 93

Ein Gefälle lässt sich zwischen der 70. und 100. Sekunde der Messfahrt erkennen,wo trotz abnehmendem Drosselklappenwinkel die Fahrzeuggeschwindigkeit zu­nimmt.

Auch beim Vergleich der gemessenen und simulierten Längs- und der Querbe­schleunigungen zeigen sich deutlich größere Abweichungen als bei allen gezeig­ten Fahrzyklen , die in der Ebene durchgeführt wurden.

5.3.4 Ansätze zur Reduktion von Modellfehlern

Ähnlich starke negative Auswirkungen auf die Simulationsergebnisse wie die 0­

ben gezeigten wechselnden Fahrbahnsteigungen haben auch Veränderungen derBeladung des Fahrzeugs und Reibwertveränderungen zwischen Reifen und Fahr­bahn. Um die Einflüsse derartiger parametrischer Modellfehler zu reduzieren,werden in den folgenden Kapiteln verschiedene Möglichkeiten erarbeitet, dasFahrzeugmodell adaptiv zu gestalten.

Veränderungen der Fahrzeugmasse können sowohl durch den Einsatz signalba­sierter Parameterschätzverfahren (siehe Kapitel 4) als auch durch eine Kombinati­on des physikalischen Modells mit lernfähigen Strukturen im Rahmen eines Hyb­riden Modells (siehe Kapitel 8) kompensiert werden. Ein weiterer möglicherEinsatzbereich Hybrider Modelle ist die Anpassung des Modells an sich verän­dernde Reibwertbedingungen .

Neben der Möglichkeit, gemessene oder berechnete Steigungswerte der Simu­lation direkt als zusätzliche Eingangsgröße vorzugeben, kann die Steigung auchmittels Beobachterverfahren rekonstruiert werden. Eine ausführliche Darstellungdieser Thematik ist in Kapitel 9 zu finden.

5.4 Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurde die Implementierung des physikalischen Fahrzeugmo­dells unter MATLAB/Simulink beschrieben . Um aus der Simulation Aussagen zurFahrdynamik der Versuchsfahrzeuge ableiten zu können, wurde das Fahrzeugmo­dell anschließend anhand einer Reihe charakteristischer Versuchsfahrten validiert.

Diese Versuchsfahrten umfassten statische und dynamische Beschleunigungs-,Brems- und Lenkmanöver des Fahrzeugs sowie gezielt angeregte Nick- undWankbewegungen der Karosserie .

Aufgrund des Fehlens entsprechender Messtechnik an den Schnittstellen dereinzelnen Teilmodelle konnten diese nicht getrennt voneinander simuliert und va­lidiert werden. Es wurde vielmehr die Güte des Fahrzeugmodells in seiner Ge­samtheit untersucht. Die Bewertung der Simulationsgenauigkeit erfolgte anhanddes Vergleiches der wichtigsten simulierten Zustandsgrößen der Horizontal- undVertikaldynamik des Fahrzeugs mit den entsprechenden gemessenen Größen.

Die untersuchten Fahrten zeigen, dass das Modell der Horizontaldynamik diereale Bewegung des Fahrzeugs parallel zur Fahrbahnoberfläche sehr gut abbildet.

94 5 Offline-Implementierung und Validierung des Fahrzeugmodells

Diese Aussage gilt sowohl in longitudinaler als auch in lateraler Richtung im line­aren Bereich der Fahrdynamik bis hin an die Grenze der Fahrstabilität.

Die mittleren Simulationsfehler aller betrachteten horizontaldynamischen Zu­standsgrößen bleiben in allen simulierten Fahrsituationen unterhalb einer Schwellevon etwa 10%. Daher dürfen die physikalischen Modelle des Antriebsstrangs, derBremsanlage, der Lenkung, der Reifen und der Räder sowie der Horizontaldyna­mik des Fahrzeugs als ausreichend genau bezeichnet werden.

Es wird jedoch vorausgesetzt, dass die während der simulierten Fahrt herr­schenden Umgebungsbedingungen bekannt sind und sich nicht ändern. Ist diesnicht der Fall, können Modellfehler auftreten, deren Einfluss so stark sein kann,dass die Simulationsergebnisse unbrauchbar werden. Am Beispiel einer Verände­rung der Fahrbahnsteigung wurden derartige negative Auswirkungen auf die Si­mulation demonstriert.

ImGegensatz zu den Teilmodellen der Horizontaldynamik weisen die Modelleder Radaufhängungen und der Bewegung der Fahrzeugkarosserie ein deutlichesVerbesserungspotenzial auf. Dieser Sachverhalt ist insbesondere in den Versuchs­fahrten, in denen speziell die Vertikalbewegung des Fahrwerks und der Karosserieangeregt wurde, durch den Vergleich der simulierten Federwege sowie der Nick­und der Wankwinkelgeschwindigkeit mit den entsprechenden gemessenen Größeneinfach nachzuvollziehen .

6 Hybride Modellbildung

Nach der ausführlichen Beschreibung des verwendeten physikalischen Fahrzeug­modells wird im Folgenden ein modernes Verfahren zur Modelladaption, die sog.Hybride Modellbildung beschrieben .

Das Gebiet der Hybriden Modellbildung ist eine Thematik , die als Forschungs­gebiet in den letzten Jahren - insbesondere aufgrund der großen Fortschritte imBereich der künstlichen Neuronalen Netze und der Verfügbarkeit preiswerter Re­chenleistung - stark an Bedeutung gewonnen hat (te Braake et al. 1996). Ziel die­ses Kapitels ist es, die verschiedenen Betrachtungsweisen und Verwendungen desBegriffs Hybride Modellbildung umfassend anhand ausgewählter Beispiele zu er­läutern und in den allgemeinen Zusammenhang der technischen Systemanalyseeinzuordnen .

6.1 Grundlagen der Systemanalyse

Beim Aufstellen mathematischer Modelle für dynamische Systeme, der sog. Sys­temanalyse, unterscheidet man zwischen zwei Vorgehensweisen, der theoreti­schen und der experimentellen Modellbildung (lsermann 1992).

Wenn sehr viel Wissen über die physikalischen Zusammenhänge in einem Sys­tem vorhanden ist, können im Rahmen einer theoretischen Modellbildung durchAufstellen von

- Bilanzgleichungen,- Konstitutiven Gleichungen ,- Phänomenologischen Gleichungen und- Entropiebilanzgleichungen

theoretische Modelle für Teilprozesse formuliert werden, die dann mittels

- Schaltungsgleichungen

zum Gesamtmodell eines dynamischen Systems verschaltet werden (Isermann1999). Diese Vorgehensweise zielt darauf ab, ein System gewöhnlicher und/oderpartieller Differentialgleichungen zu erstellen, das sich explizit lösen lässt. Viel­fach ist ein derartiges theoretisches Modell allerdings so komplex, dass es nichtmehr explizit gelöst werden kann und deshalb vereinfacht werden muss.

Die experimentelle Modellbildung, auch Identifikation genannt, ermöglicht dasErzeugen von mathematischen Modellen für Systeme durch Auswertung von ge-

96 6 Hybride Modellbildung

messenen Ein-/Ausgangssignalen. Ein Vorteil dieser Technik besteht darin, dasssie auf verschiedenste, beliebig komplizierte Systeme mit denselben Methodenangewendet werden kann. Die Eingangssignale können entweder die natürlichenim System auftretenden Betriebssignale oder künstlich eingeführte Testsignalesein. Je nach Typ des der experimentellen Modellbildung zugrunde liegendenModells muss bei der Identifikation mehr oder weniger apriori Wissen mit einge­bracht werden.

Da sich die beiden beschriebenen Methoden gegenseitig ergänzen, werden beider praktischen Systemanalyse theoretische und experimentelle Modellbildung oftinnerhalb eines iterativen Vorgangs kombiniert (Isermann 1992). Eine Übersichtder daraus entstehenden Typen von Modellen gibt Abb. 6.1. (Isermann 1997).

Wenn ein Modell eines Systems durch eine ausschließlich theoretische Modell­bildung aufgestellt wird, bezeichnet man es als rein quantitatives oder White-boxModell . Dies beinhaltet, dass sowohl die physikalischen Gesetze als auch die zu­gehörigen Parameter des zu modellierenden Systems bekannt sein müssen. Da dietheoretische ModelIierung keine experimentellen Untersuchungen erfordert, sindauch real nicht existierende Systeme modellierbar.

•Light-grey-boxMod 11

• 0, " roo !gIeochungen • Wenn-Dam ·R In • G8WlChtslun lllll'lenm P ramet rsen lZung "'" Parame I lIC lZung · Frequenzgange

• Ta ~Sugeno-Fuzzy· • Otffllfenl 19IeochungMode • Ku ronaJe lZe

Wh lte-boxModelle

t=~===::::;:~==.:=roGrad der experimentellen Kenntniso .

Grad der physika Ischen Kenntnis

Abb. 6.1. Kombinationen theoretischer undexperimenteller Modellbildung

6.2 Einordnung des Begriffs"Hybrides Modell" 97

Falls dagegen kein physikalisches Wissen über einen Prozess zur Verfügungsteht, kann im Rahmen einer experimentellen Modellbildung ein rein experimen­telles oder Black-box Modell generiert werden. Dazu müssen im ersten SchrittAnnahmen über die Modellstruktur getroffen werden . Anschließend werden dieParameter auf der Basis von gemessenen Ein-/Ausgangsdatensätzen mittels ma­thematischer Schätz- oder Optimierungsverfahren bestimmt. Beispiele für reineBlack-box Modelle sind messtechnisch ermittelte Frequenzgänge, aber auch Neu­ronale Netze.

Bei der oben erwähnten kombinierten Vorgehensweise aus theoretischer undexperimenteller Modellbildung entstehen die sog. Grey-box Modelle . Je nachdem,welches Verfahren bei der ModelIierung dominiert, wird zwischen Light-grey-boxund Dark-grey-box Modellen unterschieden.

Light-grey-box Modelle stützen sich im Wesentlichen auf theoretische Zusam­menhänge, wobei unbekannte Parameter durch experimentelle Untersuchungenermittelt werden . Derartige, eher theoretisch orientierte Grey-box Modelle werdenoft auch als physikalische Modelle bezeichnet (Jergensen u. Hangos 1994) . Einklassischer Vertreter dieser Modellgattung ist das in Kapitel 3 beschriebene physi­kalische Modell eines Kraftfahrzeugs.

Wenn andererseits bei einem Grey-box Modell physikalisches Wissen nur mit­tels z.B. von einem Bediener einer Anlage formulierter linguistischer Regeln ein­fließt, wird es zur Kategorie der Dark-grey-box Modelle gerechnet. Neuro-FuzzyModelle oder mit einer Parameterschätzung gekoppelte reine Fuzzy-Systeme sindBeispiele für diesen Modelltyp.

6.2 Einordnung des Begriffs "Hybrides Modell"

Mit dem Begriff "Hybride Modelle" (eng. "Hybrid Models" oder "Multiple Mo­dels " (Narendra et al. 1995; Murray-Smith u. Johansen 1997» werden in der Lite­ratur im Allgemeinen solche Modelle bezeichnet, die durch eine Kombinationmehrerer Teilmodelle unterschiedlicher ModelIierungsart versuchen, die Nachteileder jeweiligen Einzelmodelle zu kompensieren (Goonatilake u. Khebbal 1995;Kandel u. Langholz 1992). Zur Veranschaulichung zeigt Abb. 6.2. eine Einord­nung des Begriffs "Hybrides Modell" in das in Abb. 6.1. vorgestellte Schema zurKlassifikation von Modelltypen.

Bei "Hybriden Modellen" handelt es sich um eine irgendwie geartete Kombi­nation aus Light-grey-box, Dark-grey-box und Black-box Modellen. Darüber hin­aus kann ein Hybrides Modell natürlich auch als Kombination aus physikalischenund experimentellen Modellen angesehen werden (Johansen 1994).Um einen Eindruck von der universellen Verwendung des Begriffs "HybridesModell" zu vermitteln, zeigt Abb. 6.3. eine Übersicht ausgewählter Gruppen vonModellen, die in der Literatur als ,,hybrid" bezeichnet werden . Die Darstellung be­schränkt sich hauptsächlich auf Modelltypen, die im Bereich der Regelungstech­nik eingesetzt werden und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Da die

98 6 Hybride Modellbildung

TheoretischeModellbIldung

• meerensehequantitative Model le

PhysikalischeModelle

• quanmanv• mechanIStIsch

• Iheor tische ModellemIt Experimenten

~ ! l ,! Hybride I

t-----~I Modelle !<IIIl1 t---I .Einbringen von Vorwissen II . Kombinatoon aus physika- II ksch und expenmenlell I

-----------------~Abb. 6.2. Einordnung des Begriffs "Hybride Modelle"

oftmals englischen Originalbegriffe auch im deutschen Sprachgebrauch verwendetwerden, wird auf eine Übersetzung verzichtet.

r-------,I II Hybride II Modelle II I---T---

+ .. + .. .. ..Contl/lOUsI Oualltatlve Sem/· Regime Neuro· Hardware Iddferen tialdlSClete equahon physlcal based Fuuy Sohware

models models modfll. models models models

I.. ..Ersetzen von TOllkomponen ten Kopplung von phYSikalISchenphysikalischer Modelledurch experimenteUe Modelle und experimentellen Modellen

+ +parallele serielle

Slrukluren Slrukluren

Abb , 6.3. Ausgewählte Typen Hybrider Modelle

• • •

6.3 Strukturen semiphysikalischer Modelle 99

Bei den sog. Continuousldiscrete models handelt es sich um Modelle von Sys­temen, bei denen kontinuierliche und ereignisdiskrete Komponenten zusammen­wirken (Raisch 1995; EngeIl 1997; Lunze et al. 1999). Möglichkeiten zur Model­Iierung derartiger Systeme bietet neben der Bond Graph Methode (Buisson u.Cormerais 1997; Mostermann u. Biswas 1997) und dem Einsatz von Petri-Netzen(Demongodin u. Koussoulas 1996) auch die objektorientierte SimulationsspracheDymola (Elmquist et al. 1993).

Im Rahmen der sog. Qualitative differential equation models wird versucht,qualitatives Wissen über ein zu modellierendes dynamisches System in Form vonsymbolischen Werten oder Intervallen anstelle von realen Parametern in mathe­matischen Modellen zu verarbeiten (Fishwick u. Luker 1991; Lunze 1993). ImGegensatz zu rein regelbasierten Fuzzy-Modellen (Preuß 1992; Isermann 1996)bestehen die Qualitative differential equation models aus einer physikalisch orien­tierten Struktur von algebraischen Gleichungen sowie Differentialgleichungen(Jergensen u. Hangos 1994).

Eine weitere Form Hybrider Modelle sind die sog. Regime based models. Beiihnen wird der komplette Geltungsbereich eines Modells in verschiedene Teil­Arbeitsbereiche unterteilt, für die jeweils lokale Modelle aufgestellt werden kön­nen. Um ein weiches Übergangsverhalten zwischen den einzelnen lokalen Mo­dellen sicherzustellen, werden Interpolationsverfahren verwendet (Johansen1994).

Neuro-Fuzzy models, bei denen versucht wird, Fuzzy Modelle mit Hilfe neuro­naler Lernverfahren zu optimieren, verbinden die Transparenz einer Fuzzy Mo­dellierung mit der Adaptionsfähigkeit Neuronaler Netze (Preuß u. Tresp 1994;Hensel et al. 1995).

Im Rahmen sog. Hardware/Software models werden sowohl Hardware- alsauch Software-Komponenten eines zu modellierenden Systems mit einer mög­lichst einheitlichen Methodik abgebildet. Ein typischer Ansatz dieser hybridenModelIierung basiert aufPetri-Netzen (Kapadia et al. 1997).

Im Hinblick auf den Autbau eines adaptiven Fahrzeugmodells erscheint einespezielle Gruppe Hybrider Modelle, die sog. Semi-physical models, die in Abb.6.3. dunkel hervorgehoben sind, als besonders vielversprechend. Diese aufdeutsch als "semiphysikalisch" bezeichneten Modelle beinhalten eine Kombinati­on von physikalischen Modellen und lernfähigen Strukturen, z.B. NeuronalenNetzen (te Braake et al. 1996).

6.3 Strukturen semiphysikalischer Modelle

Die Idee, physikalische Modelle mit lernfähigen Strukturen zu kombinieren,stammt ursprünglich aus dem Bereich der Verfahrenstechnik. Dort taucht oft dasProblem auf, dass sich - aufgrund mangelnder Kenntnis über chemische Reakti­onsabläufe - Teilprozesse physikalisch gar nicht oder nur unzureichend mathema­tisch modellieren lassen (Psichogios u. Ungar 1992; Chen et al. 1995; te Braake etal. 1996). Da in den meisten Fällen zumindest einige Teilprozesse physikalisch

100 6 Hybride Modellbildung

modelIierbar sind, ist es im Allgemeinen nicht sinnvoll, eine rein auf Black-boxModellen basierende ModelIierung des Systems durchzuführen. Dies resultiert ausder Tatsache, dass Teilprozesse, die sich durch mathematische Modelle hinrei­chend genau beschreiben lassen, durch lernfähige Systeme nicht besser beschrie­ben werden können (Oliveira et al. 1999). Ziel einer semiphysikalischen Modeliie­rung sollte es daher sein, das vorhandene Vorwissen in Form von mathematischenModellen zu nutzen und nur dort Alternativen einzusetzen, wo eine physikalischeModelIierung nicht möglich oder nicht wirtschaftlich vertretbar ist. Im Folgendensollen zwei spezielle Formen semiphysikal ischer Modelle, die im weiteren Verlaufder Betrachtungen Anwendung finden, näher betrachtet und diskutiert werden.

6.3.1 Ersetzen von Teilkomponenten physikalischer Modelle

Eine Möglichkeit, physikalische Modelle mit lernfähigen Strukturen zu kombinie­ren, besteht im Ersetzen von Teilkomponenten eines physikalischen Modellsdurch experimentelle Modelle. Nach einer exakten Definition der Schnittstellenzwischen den beiden Modelltypen kann z.B. ein Neuronales Netz in ein physikali­sches Modell integriert werden.

Als Beispiel hierfür soll die Approximation eines auf einem Motorenprüfstandausgemessenen Motorkennfeldes durch verschiedene datenbasierte Modellformenund deren Integration in das physikalische Modell eines Kraftfahrzeugs dienen(Holzmann et al. 1997). Eine ausführliche Beschreibung dieser und weiterer An­wendungen innerhalb der Fahrzeugmodellbildung, bei der als experimentelle Mo­dellstrukturen alternativ Neuronale Netze, Neuro-Fuzzy Systeme und Polynom­approximatoren verwendet werden, sind in Kapitel 7 zu finden.

6.3.2 Kopplung von physikalischen und experimentellen Modellen

Falls in ein existierendes physikalisches Modell intern nicht strukturell eingegrif­fen werden soll, kann es im Rahmen einer externen Verschaltung mit NeuronalenNetzen zu einem Hybriden Gesamtmodell erweitert werden. Nach Agarwal (1995)existieren hierbei drei grundsätzliche Möglichkeiten der Verschaltung :

- Parallele Modelle- Serielle Modelle mit Hammerstein-Struktur- Serielle Modelle mit Wiener-Struktur.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, ein semiphysikalisches Modell so aufzu­bauen, dass es als

- Neuronale Parameterschätzung

verwendet werden kann.In den folgenden Unterabschnitten sollen diese vier Ansätze vorgestellt und

erläutert werden. Um eine allgemeine Beschreibung zu ermöglichen, werden dieHybriden Modellstrukturen jeweils in Verbindung mit dem eigentlich zu modellie-

6.3 Strukturen semiphysikalischer Modelle 101

renden realen Prozess dargestellt. Die gewäh lte Anordnung erlaubt eine Wah lzwischen seriell-parallelem und parallelem Betrieb (NelIes et al. 1997) von Pro­zess und Hybridem Modell. Die seriell-parallele Anordn ung wird für das Tra iningdes Hybriden Modells verwendet, die parallele zur Generalisierung und zum spä­teren Betrieb des Mode lls.

Anwe ndungen der hier darges tellten Grundlagen sind in Kapitel 8 zu finden,wo das in Kapitel 3 beschriebene physikal ische Fahrzeugmodell und verschiedeneTypen Neurona ler Netze miteinander strukturell gekoppelt werde n.

a) Parallele Modelle

Bei diese m Ansatz wird das Neurona le Netz (NN) in einer parallelen Anordn ungmit dem physikalischen Modell (PM) zum Hybriden Modell verschaltet (Abb.6.4.). Hierbei berech net sich der Modellausgang y des Hybr iden Modells durchAddition der Ausgänge der beiden Teilmodelle YPM und YNN wie folgt:

Y =YPM + YNN =PM(u,y,p) +NN(u,y, w{y- y}) . (6.1)

Als Eingänge erhält das Neuronale Netz bei serie ll-parallelem Betrieb zwisc henProzess und Hybridem Modell (Schalterstellung 1.) im Allgemeinen dieselbenGrößen u und y wie das physikalische Mode ll. Es handelt sich hierbei um die ak­tuellen sowie zeitlich verzögerte Werte der Größen u und y (symbolisiert durchden Operator z-d). Abweichende Einga ngsgrößen sind aber ebenso möglich.

u yP rozess

I.

Zrz'"

11.

Y"", _Y +, v=t Physikalisches e

+r- ~Modell

I

);.

~ Neuhmales YNNN~~

-, I....._._---_._-_........ _.... - ...................... .:Hybrides Modell

Abb. 6.4. Struktur eines parallelenHybridenModells(I.: seriell-parallelerBetrieb von Prozessund Hybridem Modell;H.: paralleler Betriebvon Prozessund Hybridem Modell)

102 6 Hybride Modellbildung

Bei parallelem Betrieb (SchaltersteIlung II.) muss die gemessene Größe y ent­sprechend durch die Modellausgangsgröße yersetzt werden. Der Vektor p in GI.(6.1) symbolisiert die Parameter des physikali schen Modells.

Das Training der Gewichte w des Neuronalen Netzes basiert auf der Minimie­rung des Fehlers e zwischen dem gemessenen Prozessausgang y und dem Mo­dellausgang y. Demnach wird das Neuronale Netz dahingehend trainiert, die Dif­ferenz zwischen den gemessenen Ausgangsdaten und dem Ausgang des physika­lischen Modells YPM zu kompensieren (Thompson u. Kramer 1994). Diese Diffe­renz stellt ein Maß für die Güte des physikalischen Modells dar. Ist sie sehr klein,so beinhaltet das physikalische Modell bereits alle Informationen , die in den ge­messenen Prozessdaten vorhanden sind. In diesem Fall besteht der Fehler e nurnoch aus stochastischem Messrauschen , auf dessen Basis ein Neuronales Netznicht sinnvoll trainiert werden kann. Liegen hingegen strukturelle oder parametri­sche Fehler im physikalischen Modell vor, so kann das Neuronale Netz erfolgreichauf die Vorhersage der in der Differenz verbliebenen Prozessinformation trainiertwerden (Su et al. 1992).

In der Literatur sind mit parallelen Hybriden Modellen sowohl bei Verwendungvon Multi-Layer-Perzeptron Netzen (MLP) als auch mit Radial-Basis-FunktionenNetzen (RBF) in Kombination mit physikalischen Modellen sehr gute Ergebnissebei der Modellierung verfahrenstechni scher Prozesse erzielt worden. AusführlicheBeschreibungen verschiedener Anwendungen sind z.B. bei Narendra und Partha­sarathy (1990), Iiguni et al. (1991), Su et al. (1992), Thompson und Kramer(1994) und bei Zhao und McAvoy (1996) zu finden.

b) Serielle Modelle mit Hammerstein-Struktur

Wird im Rahmen einer Reihenschaltung eine statische Nichtlinearität einem dy­namischen System vorangeschaltet, bezeichnet man diese Anordnung in der Theo­rie nichtlinearer Systeme nach Hammerstein (1930) als Hammerstein-Modell. InAnlehnung daran wird im Bereich der Hybriden Modellbildung eine Struktur, beider ein Neuronales Netz einem physikalischen Modell vorgeschaltet ist, ebenfallsHammerstein-Struktur genannt (Su u. McAvoy 1993).

Im Allgemeinen handelt es sich in diesem Fall allerdings nicht zwingend umein statisches Neuronales Netz in Kombination mit einem linearen physikalischenMcx.lell. Auch Kombinationen von dynamischen Neuronalen Netzen mit nichtline­aren physikalischen Modellen sind denkbar . Abb. 6.5. zeigt den allgemeinen Auf­bau eines seriellen Hybriden Modells mit Hammerstein-Struktur.

Bei dieser Anordnung ist der Ausgang des Hybriden Modells Yidentisch mitdem Ausgang des physikalischen Modells YPM. Die Berechnungsgleichung für Y(Schalterstellung 1.) lautet:

Y =YPM =PM( u,y ,NN(u,y,w{y- y}) ,p). (6.2)

Bei einer parallelen Anordnung zwischen Prozess und Hybridem Modell(SchaltersteIlung 11.) muss analog zu a) in GI. (6.2) der Modellausgang Yanstattdes Prozessausgangs y als Eingangsgröße des physikalischen Modells verwendetwerden.

6.3 StrukturensemiphysikalischerModelle 103

u , y, Prozess ,

I.

~Zod

=-..I 11.'\ +Physikalisches ~

e

rc Modell Y,.. = -y

... [J9N

...:::~ Neut QnalesNetz

-,

'........__._.__...._._......_. .........................Hybrides Modell --I

Abb. 6.5. Serielles HybridesModell mit Hammerstein-Struktur(I.: seriell-parallelerBetrieb von Prozessund Hybridem Modell;11.: paralleler Betrieb von Prozessund HybridemModell)

Das vorgesc haltete Neuronale Netz dient als zusä tzlicher Eingang für das phy­sika lische Modell und arbeitet als eine Art Einga ngsfi lter. Das Trai ning des Neu­rona len Netzes basiert ana log zur paralle len Hybriden Mode llstruktur erne ut aufder Minimierung des Fehlers e.

Ähnlich wie parallele Hybride Modelle sind auch serielle Hybride Modelle mitHammerstein-Struktur erfolgreich zur ProzessmodelIierung eingesetzt worden .Beispiele finden sich z.B . in Foster et al. (1992), Narendra und Mukhopadhyay(1992) sowie bei Psichogios und Ungar ( 1992).

c) Serielle Modelle mit Wiener-Struktur

Wenn bei einer Reihenschaltung ein Neuronales Netz hinter einem physikalischenModell angeordnet ist, wird eine solche Struk tur wiederum in Anlehnung an dieTheorie nichtlinearer Systeme als Hybrides Modell mit Wiener-Struktur (Wiener1958) bezeichnet. Den Aufbau einer derartigen Anordnung zeigt Abb. 6.6.

Bei der Wien er-Struktur dient das Neuronale Netz als eine Art Filter für denAusgang YPM des physikalischen Modells, der hierbei alleiniger oder zusätzlicherEingang des Neuronalen Netzes sein kann . Der Ausgang des Neuronalen NetzesYNN ist identisch mit dem Ausgang des Hybriden Mode lls y. Die Ausgangsglei­chung lautet:

Y=YNN =NN( u, y ,PM(u,y, p) , w{y - Y}). (6.3)

104 6 Hybride Modellbildung

u YProzess

I.

~ rz-d

11.~ <,

+Neuronales ~

e

rC Netz \ ", A

YNN= Y\

",

~ Physika lisches LJ y:'~" -" '-'- '............. ...... . . ... . .... . . . J

== Modell I--

Hybrides Modell

Abb. 6.6. Serielles Hybrides Modell mitWiener-Struktur(I.: seriell-parallelerBetrieb vonProzessund Hybridem Modell;11.: paralleler Betrieb von Prozess und Hybridem Modell)

Genau wie in den zwei zuvor beschriebenen Fällen wird das Neuronale Netzwiederum so trainiert, dass der Fehler e minimiert wird. Auch die Umschaltungzwischen seriell-parallelem und parallelem Betrieb von Prozess und HybridemModell durch einen Schalter ist analog zu a) und b) realisiert.

Eine ausführliche Beschreibung einer Anwendung aus der Verfahrenstechnik,bei der verschiedene Hybride Modelle in Wiener-Struktur verwendet werden, istbei Schenker und Agarwal (1995) zu finden.

d) Neuronale Parameterschätzung

Eine der einfachsten Kombinationsformen physikalischer Modelle mit NeuronalenNetzen ist der Einsatz neuronaler Modelle zur Schätzung veränderlicher Parameter

9 eines physikalischen Modells (Abb. 6.7.).Der Ausgang des hybriden Gesamtmodells y ergibt sich hier, ähnlich wie beim

seriellen Hybriden Modell mit Hammerstein-Struktur, direkt aus dem Ausgang desphysikalischen Modells YPM:

Y =YPM = PM( U,y,p,e)= PM( u,y, p,NN(u,y,w{y - y})) . (6.4)

Das Neuronale Netz dient bei dieser Architektur des Hybriden Modells in ersterLinie dazu, unbekannte oder zeitvariante Parameter, die innerhalb des physikali ­schen Modells verwendet werden, datenbasiert zu ermitteln. Analog zu den vorhe­rigen Abschnitten gelten auch hier die zuvor gemachten Bemerkungen hinsichtlichTraining des Neuronalen Netzes und zur Umschaltung zwischen seriell-parallelemund parallelem Betrieb.

6.4 Experimentelle ModeJlbildung von Teilsystemen 105

u y~

Prozess ,

I.

lrz'"

11.

Il~ Phys ikalisches+~

e-Mode ll YPU = A

YA

0~" Hybrides

~ Ne~l'<males Modell

._..._.. _----'Netz -,.... ........_....._-_..__...._...

Abb. 6.7. Neuronale Schätzung von Parametern einesphysikalischen Modells

Ausgewählte Beispie le für Anwendungen dieses Konzepts zur neuronalenSchätzung von Parametern sind in der Literatur z.B. bei Cubillos und Lima(1998), Wagen huber et al. (1998) oder Zander et al. (1998) zu linden.

6.4 Experimentelle Modellbildung von Teilsystemen

Die im Rahmen der semiphysikalischen Modellbildung verwendeten experimen­tellen Mode lle dienen im Wesentlichen zur Abbildung von Teilprozessen, derenrein physikalische ModelIierung sehr aufwändig oder gar nicht möglich ist. Klas­sische Beispiele hierfür sind Teilprozesse mit statisch oder dynamisc h nichtlinea­rem System verhalten. Beispielhaft werden im Folgenden einige grundlegende Ty­pen experimenteller Modelle vorgestellt, die in den Kapiteln 7 und 8 innerha lb derdort verwendeten Hybriden Modelle eingesetzt werden.

6.4.1 Darstellungsformen nichtlinearer statischer Kennfelder

Als Möglichkeiten zur Darstellung dreidi mensionaler Kennfelder sollen hier dieheute in der Automobilindustrie weit verbrei tete Methode der Rasterkennfelddar­stellung sowie Kennfelddarstellungen durch Polynome, Neuronale Netze undNeuro-Fuzzy Systeme vorgeste llt werden. Allgemein lässt sich das Problem derDarstellung dreidimensionaler Kennfelder als nichtlineare Abbild ung f zweierEingangsgrößen Xein und Yein auf eine Ausgangsgröße Zaus formulieren:

Zall s =f (Xein' Y ein ) . (6.5)

106 6 Hybride Modellbildung

In den folgenden Abschnitten werden alle vier angesprochenen Darstellungs­methoden grundlegend erläutert. Ein Vergleich der Verfahren und eine Diskussionüber deren Vor- und Nachteile folgt im Rahmen des Anwendungsbeispiels derApproximation des Motorkennfeldes in Kapitel 7.1.

a) Rasterkennfelder

Die Darstellung nichtlinearer statischer Zusammenhänge mittels Rasterkennfel­dem ist heute in der Automobilindustrie weit verbreitet, da diese auf den in Steu­ergeräten verwendeten gängigen Mikrocontrollem einfach und preisgünstig imp­lementiert werden können. Als Beispiel zeigt Abb. 6.8. ein Rasterkennfeld inForm eines äquidistanten Gitters.Die Eckpunkte des Gitters symbolisieren die 20·20 =400 Stützstellen des Raster­kennfeldes. In der Praxis werden diese StützsteIlen im Speicher des Steuergerätsabgelegt. Die Berechnung von Zwischenwerten , die innerhalb des Gitters liegen,erfolgt üblicherweise mit Hilfe eines Flächeninterpolationsverfahrens (Schmitt1995). Die allgemeine Gleichung zur Berechnung eines Wertes Zaus in Abhängig­keit von Xein und Yein sieht wie folgt aus:

zaus(xein,Yein) =[zU, i) : ~ xCi + I) - xein) ·( y(j + I) - Yein ~

Flächel

+ zU+ I, j) . ~ xein - x( i»)·(y(j + I) - Yein~

Flä;he 2

+ zU, j + I) . ~ x(i + I) - xein )-( Yein - y(j)~

Fläche 3

+ Z( i + l, j + l) . ~ xein -XU»)-( Yein - y(j ) ~l

Flä~he4

/ [~x(i+ 1)-x(i») .( y(j+I)- y(j)~l.

Gesamtjläche

(6.6)

Zur Auswertung von GI. (6.6) für einen allgemeinen Punkt (Xein, Yein) im Ein­gangsraum müssen alle Höhen z der vier umliegenden StützsteIlen explizit be­kannt sein. Die Höhen der vier Eckpunkte werden mit den jeweils gegenüberlie­genden Teilflächen (Flächen 1-4) multipliziert , anschließend aufsummiert unddurch die Gesamtfläche dividiert. Zur Veranschaulichung des Verfahrens zeigtAbb. 6.9. die zur Interpolation verwendeten Flächen.

Die Genauigkeit des beschriebenen Flächeninterpolationsverfahrens hängt starkvon der Anzahl der verwendeten StützsteIlen und der Art der zu beschreibendenNichtlinearität ab. Bei schwach nichtlinearem Charakter reicht es, mit relativ we­nigen StützsteIlen zu arbeiten. Wenn stark nichtlineares Verhalten vorliegt, mussdas Gitter entsprechend engmaschiger gewählt werden.

6.4 Experimentelle Modellbi ldung von Teilsystemen 107

250200150

-;; 100~- 5011N .'.0

·50 ,.' 0':

·10080 : .:'

yo 0

6000'4000 5000

2000 3000 X1000

Abb. 6.8. Beispiel für eine dreidimensionale Rasterkennfelddarstellung

Ein entscheidender Nachteil des Rasterkennfeldverfahrens besteht darin, dass dasGitter äquidistanter StützsteIlen explizit bekannt sein muss. Jeder Gitterpunktmuss als realer (Mess)-Wert zur Verfügung stehen, was oftmals einen nicht uner­heblichen Zeit- und Kostenaufwand verursacht.

Eingang 2

y(j+l )

Y ....• n

y(j)

z(i,i+l ). ... . • .. . . . ...Flä­

che2

z(i,j) :

Fläche 1

Fläche 3

z(i+l ,i+1)...

•: z(i+l ,j)

x(i) x(i+l ) Eingang 1

Abb. 6.9. Flächen und StützsteIlen, die bei der Flächeninterpolation verwendet werden

(6.7)

108 6 Hybride Modellbildung

Falls die Kennfelddaten nicht als äquidistantes Gitter vorliegen, muss nach an­deren Möglichkeiten gesucht werden, um eine möglichst kompakte funktionaleDarstellung für die nichtlineare Charakteristik zu finden. Eine Alternative bestehthierbei in der Verwendung von mehrdimensionalen Polynomen, deren Koeffi­zienten in Abhängigkeit von vorliegenden Messdaten bestimmt werden müssen.

b) Polynome

Polynome stellen klassische Approximatoren dar, die sich insbesondere durch einegute Interpretierbarkeit sowie hohe Berechnungs- und Auswertegeschwindigkeitenauszeichnen. Bei einer angemessenen Wahl des maximalen Grades ist die erziel­bare Approximationsgenauigkeit sehr hoch . Zur Approximation dreidimensionalerKennfelder werden im Folgenden drei verschiedene aus der Literatur (Bronstein etaI. 1998) bekannte Arten von Polynomen untersucht.

Algebraische Polynome

Mit Hilfe eines algebraischen Polynoms PA kann die in GI. (6.5) gesuchte allge­meine Funktion f wie folgt approximiert werden:

PA (x, y ) = ao.o+al ,o ' x +ao,1. y+az,o' xZ+al,l .x · y+ao,z·l + ...m rn-I rn-I m... +am,o ·x +am_I.I ·x . y+ ...+a l •m_1 -x -y +ao,m ' y .

Der maximale Grad des Polynoms wird hier mit m bezeichnet. Mit ihm ergibt sichdie Anzahl n, der unbekannten Polynomkoeffizienten aj,k zu:

nk =1/2 ·(m+I)·(m+2). (6.8)

Wenn N Ausgangsmesswerte z, und die zugehörigen Eingangsmesswertepaare (x.,Yi)existieren, muss zur Bestimmung der Koeffizienten aj,k die Summe der Fehler­quadrate

(6.9)

minimiert werden, Zur Lösung kann ein einfaches Least-Squares Verfahren (Iser­mann 1992) verwendet werden.

Orthogonale Polynome

Bei der zweiten, im Allgemeinen weniger bekannten Gruppe von Polynomen , diehier betrachtet werden soll, handelt es sich um die sog. orthogonalen Polynome. Indiesem Fall sieht die allgemeine Gleichung für ein Polynom Po m-ten Grades fol­gendermaßen aus:

n, -I

Po(x,y) =ao '/Po(x,y)+a l • lf1J(x,y)+ ...=L ak ' /Pk(x, y ).k=O

(6.10)

(6.12)

(6.13)

6.4 Experimentelle Modellbildung von Teilsystemen 109

Ebenso wie bei den algebraischen Polynomen berechnet sich die Zahl der un­bekannten Parameter n, auch hier zu n, = 1/2·(m+ I)·(m+2) . Unbekannt sind dieKoeffizienten a, und die Polynome Cl'k(x, y). Ihre Bestimmung erfordert wiederumdie Minimierung der Summe der Fehlerquadrate

N

E=L( z;-Po(x;, y;>( (6.11);=,

Nach Auswertung der hierzu notwendigen Bedingung

~=o(jak

entsteht ein schlecht konditioniertes Gleichungssystem. Dieses lässt sich mit Hilfedes sog. Orthogon alisierungsverfahrens nach Gramm-Schmidt (Meister 1999) lö­sen.

Tschebyscheff-Polynorne

Bei der dritten Gattung von Polynomen , die hier vorgestellt werden soll, handeltes sich um die sog. Tscheby scheff-Polynome. Die Approximation der Funktion fwird in diesem Fall durch eine geeignete Kombination von Tschebyscheff­Polynomen T, realisiert. Aus der Mathematik (Bronstein et a1. 1998) sind die fol­genden Rekursionsformeln für Tschebyscheff-Polynome bekannt:

T,(x ) = I ; T2(x) = x ; T,(x) = 2x 2 -I ; T4(x) =4x3 -3x ; .

1J(y)=I; T2( y)= y; J:,(y)=2 /-I; T4(y)=4 y3-3y; .

oder

1J(x)=1J( y) I;

T2 (x ) x ; T2 ( y ) = Y ;

(6 .14)

Tk+I(X)=2x·Tk(x)-Tk_,(x) ;

Tk+l( y)=2y ·Tk(y)-Tk_l(y) für alle k?2.

Für m als maximalem Grad der x- bzw. y-Komponente können die Approxima­tionspolynome PT,i(X,y) wie folgt aufgestellt werden:

• m = I:Pr,l(x, y) = a' .I·Tdx)·TdY) + a2.l'T2(x)·T1(y) + al,2·Tdx)·T2(y)(3 Unbekannte)

• m=2:Pr.2(x,y) = a' ,I'Tdx)-Tdy) + a2.l'T2(x)·Tdy)+ al .2'Tdx)·T2(y)

+ a3.I·Tlx)-Tdy) + a2,2'T2(x)-T2(y) + a l,3·T,(x)·TlY)(6 Unbekannte)

110 6 Hybride Modellbildung

• m=3:PT,lx,y) = al,lT,(x)T,(y) + aUT2(x)-Tdy) + a1,2 ,T,(x)-TiY)

+ a3" ,Tlx),Tdy) + a2,2,Tix),T2(y) + ai,3,T,(x),T3(y)+ a4,l'T4(x)·TdY)+ a3,2·Tlx)·T2(y)+ a2,3'Tix)-T3(y) + aI,4·Tdx)·T4(y)

(10 Unbekannte)

u.s.W. ...

Die Anzahl der unbekannten Koeffizienten aj,k kann - genau wie bei den algebrai­schen und orthogonalen Polynomen - mit Hilfe der GI. (6,8) berechnet werden.Zur Bestimmung der Koeffizienten wird, wie im Falle der algebraischen Polyno­me, eine Least-Squares Schätzung durchgeführt .

c) Neuronale Netze

Neben den beschriebenen Polynomansätzen bieten künstliche Neuronale Netze,deren Einsatz sich zur Identifikation nichtlinearen Systemverhaltens schon oft be­währt hat (Kosko 1991), eine weitere Möglichkeit zur Approximation nichtlinea­rer statischer Kennfelder. Aus der Vielzahl der heute bekannten Typen NeuronalerNetze (Haykin 1994; Rojas 1996) wurden für den speziellen Anwendungsfall zweisehr verbreitete Netztypen, die Multi-Layer-Perzeptron Netze (MLP) und die Ra­dial-Basis-Funktionen Netze (RBF), exemplarisch ausgewählt. In den folgendenAbschnitten soll deren Funktionsweise kurz erläutert werden,

Multi-Layer-Perzeptron Netze (MLP)

Multi-Layer-Perzeptron Netze (MLP) gehören zu der weitverbreiteten Gruppe dervorwärtsgerichteten (feedforward) Neuronalen Netze (Hecht-Nielsen 1990). Hier­bei handelt es sich um mehrstufige Netze mit verschiedenen versteckten Schichten(hidden layers). Ein einzelnes Element oder Neuron eines solchen Netzes wird oftauch als Perzeptron (von lat. percipere: wahrnehmen, erkennen) bezeichnet. Abb.6.10. zeigt den Aufbau eines Perzeptrons.

C;

u, w,

Abb. 6.10. Schematischer Aufbau einesPerzeptrons

6.4 Experimentelle Modellbildung von Teilsystemen 111

Das Perzeptron führt eine mit den Faktoren WI ... Wp gewichtete Summation seinerEingangsgrößen u....Up durch. Das Ergebnis x, dieser Summe wird als Aktivierungbezeichnet. Mit Hilfe der Aktivierungsfunktion Yl und eines festgelegten SchweIl­wertes Ci wird anschließend der Ausgangswert Yi des Perzeptrons berechnet. Ma­thematisch lässt sich die Funktionsweise eines Perzeptrons durch die folgendenzwei Gleichungen beschreiben :

(6.15)

Die Idee, Perzeptronen in mehreren Schichten anzuordnen und damit ein Neu­ronales Netz aufzubauen, folgte zwangsläufig aus den Untersuchungen von Mins­ky und Papert (1969), die nachgewiesen haben, dass mit einem einzelnen Per­zeptron oder auch einer einzigen Schicht von Perzeptronen nur linear separierbareProbleme gelöst werden können. Beispielhaft für eine mehrschichtige Netzstrukturzeigt Abb. 6.11. ein dreischichtiges MLP-Netz mit zwei Eingängen UI und U2 undeinem Ausgang y.

Um mit einem solchen MLP-Netz eine nichtlineare Funktion f zu approximie­ren, müssen die Gewichte Wkj an die spezielle AufgabensteIlung angepasst werden.Dies geschieht im Rahmen des sog. Trainings des Netzes auf der Basis von ge­messenen Daten. Zur Bestimmung der Gewichtsfaktoren ist es erforderlich, einnichtlineares Optimierungsproblem zu lösen.

Eine verbreitete Methode zum Training von MLP-Netzen ist der von Rumelhartund McClelland (1986) vorgestellte sog. Backpropagation-Algorithmus. Hierbeihandelt es sich um ein Gradientenverfahren, das z.B. in Rajas (1996) ausführlichbeschrieben wird.

y

Eingangs­sch icht

VerdeckteSch icht

Ausgangs ­schicht

Abb. 6.11. Topologie eines dreischichtigen MLP-Netzes mit zwei Eingängen und einemAusgang

112 6 Hybride Modellbildung

Für den speziellen Anwendungsfall der Approximation nichtlinearer Kennfel­der wird zum Training des MLP-Netzes eine Weiterentwicklung des Backpropa­gation-Algorithmus, das sog. Levenberg-Marquardt Verfahren (Hagan u. Menhaj1994), verwendet. Hiermit ist es möglich, die Trainingszeiten im Vergleich zu ei­nem mit der Backpropagation-Standardversion trainierten MLP-Netz um denFaktor 10 bis 100 zu reduzieren .

Radial-Basis-Funktionen Netze (RBF)

Radial-Basis-Funktionen Netze (RBF) sind aus der Mathematik schon lange als u­niverselle Approximatoren bekannt. In den Kontext Neuronaler Netze wurden sieerstmalig von Broomhead und Lowe (1988) eingeordnet. Ihre Grundidee bestehtdarin, mittels einer gewichteten Überlagerung vieler Basisfunktionen desselbenTyps die unbekannte Funktion f zu approximieren . Zur Veranschaulichung zeigtAbb. 6.12. ein RBF-Netz mit pEingängen u]...up und einem Ausgang y.

Im Regelfall werden die M Basisfunktionen und deren interne Parameter a prio­ri festgelegt. In Abb. 6.12. sind dies die Zentren Cjk und die Standardabweichungen(Jjk von Gauß 'schen Glockenfunktionen. Prinzipiell können beliebige radiale, d.h.in jeder Raumrichtung symmetrische, Funktionen verwendet werden. GängigeVerfahren zur Platzierung der Basisfunktionen im Eingangsraum sind z.B. dieFestlegung innerhalb einer Gitterstruktur oder das Clustering der Eingangsdaten(Cichocky u. Unbehauen 1993).

Die Ausgänge der Glockenkurven G, ...GM werden mit den GewichtsfaktorenWI ... WM multipliziert und anschließend aufsummiert. Oft wird innerhalb der Sum­mation ein zusätzlicher Schwellwert do berücksichtigt. GI. (6.16) beschreibt diefür RBF-Netze gültige Berechnungsvorschrift für den Ausgangswert y (Ayoubi1996).

e " ,(J "

U,-- - r(

•••••

Abb. 6.12.Topologie eines RBF-Netzes mitp Eingängen undeinemAusgang

I--_ y

6.4 Experimentelle Modellbildung von Teilsystemen 113

(6.16)

Dieser Ansatz führt zu einem linearen Optirnierungsproblem, bei dem zumTraining der Gewichte Wj ein konventionelles Least-Squares Verfahren (lsennann1992) eingesetzt werden kann. Hierin unterscheiden sich RBF-Netze grundlegendvon den nur mit nichtlinearen Verfahren trainierbaren MLP-Netzen.

Ein grundsätzlicher Nachteil einer ausschließlich auf Neuronalen Netzen basie­renden Kennfeldapproximation besteht darin, dass eine solche Darstellung für denAnwender nicht transparent erscheint. Wegen des reinen Black-Box-Ansatzes sinddie innerhalb des Trainingsprozesses vom Neuronalen Netz gelernten Gewichts­werte physikalisch nicht interpretierbar. Eine manuelle Nachbearbeitung oder A­daption des Kennfeldes ist somit unmöglich . Abhilfe schafft hier die Darstellungvon Kennfeldern mit Hilfe von Fuzzy-Logik.

d) Fuzzy-Logik

Fuzzy-Identifikationsverfahren setzen konventionelle Parameterschätzmethodenoder neuronale Lernverfahren dazu ein, die Parameter eines Fuzzy-Systems auto­matisiert zu optimieren (Preuß u. Tresp 1994). Zur Veranschaulichung zeigt Abb .6.13 . den allgemeinen Aufbau eines Fuzzy-Systems (Mamdani u. Gaines 1981)mit zwei Eingängen UI und U2 und einem Ausgang y.

Ein Fuzzy-System besteht im Allgemeinen aus drei Komponenten: der Fuzrifi­zierung, dem Rege/werk und der Defuzsifizierung (Preuß 1992) .

WENN u,= 'mitte l'

Regel1

u, - + t-- - - -t

U, - ..f-----+--------i

DANN Y='groß'

Defuzzi­fizierung

WENN u, = 'groß' UNDu, = 'groß ' DANN y = 's e hr groß '

Abb. 6.13. Struktur und Komponenten einer Fuzzy-Logik mit zwei Eingängen und einemAusgang

114 6 Hybride Modellbildung

Die Fuzzifizierung dient zur Überführung scharfer Eingangswerte u, und U2 mitHilfe der sog. Zugehörigkeitsjunktionen Ili in unscharfe Werte. Diese werden da­raufhin im Regelwerk mit Hilfe von WENN-DANN-Regeln weiterverarbeitet.Nach Auswertung der Regeln erfolgt die Defuzzifizierung, bei der die unscharfenWerte in einen scharfen Ausgangswert y zurückübersetzt werden. Die Komplexi­tät eines Fuzzy-Systems wird im Wesentlichen von der Zahl und Art der Zugehö­rigkeitsfunktionen bei der Fuzzifizierung und der Defuzzifizierung sowie von derAnzahl der Regeln bestimmt.

Aus Platzgründen soll an dieser Stelle auf eine detaillierte Beschreibung derTheorie von Fuzzy-Systemen verzichtet werden. Eine vertiefende Einftihrung indie Thematik bieten die Grundlagenwerke von Bothe (1995) und Zimmermann(1996). Anwendungen der Fuzzy-Logik im Bereich der Regelungstechnik werdenvon Pfeiffer (1995) vorgestellt. Wie bereits oben erwähnt liegt ein besondererVorteil von Fuzzy-Systemen in der Transparenz der Darstellung. Mit ihnen ist esmöglich, Expertenwissen manuell in Form von Regeln zu formulieren und so dasVerhalten eines Systems sehr anschaulich zu beschreiben.

Neben dieser manuellen Generierung einer Fuzzy-Logik gibt es seit Anfang der90er Jahre Bestrebungen, die Synthese und Optimierung von Fuzzy-Systemenautomatisiert durchzuftihren (Berenji u. Khedkar 1992; Grant u. de Bruijn 1993;Hensel et al. 1995). Hierzu werden sog. Fuzzy-Identifikationsverfahren eingesetzt,mit denen es möglich ist, die Lage der Zugehörigkeitsfunktionen und einen Satzvon Regeln auf der Basis des gemessenen EtA-Verhaltens eines Systems zu er­mitteln. Einige dieser Verfahren basieren auf konventionellen Parameterschätz­techniken, wie z.B. das Verfahren von Pfeiffer (1995). Daneben haben sichClustering-Verfahren (z.B. Chiu 1994) sowie unterschiedliche Kombinationen ausFuzzy-Logik und Neuronalen Netzen (z.B. Jang 1993) zur Identifikation vonFuzzy-Systemen bewährt.

6.5 Modellierung dynamischer nichtlinearer Systeme mitNeuronalen Netzen

Neben den zuvor betrachteten statischen Nichtlinearitäten können auch nichtlinea­re dynamische Systeme bei der semi-physikalischen Hybriden Modellbildung ein­gesetzt werden. Eine Möglichkeit zur ModelIierung nichtlinearer dynamischerSysteme besteht in der Verwendung von dynamischen Neuronalen Netzen. Dasdynamische Verhalten kann hierbei durch zwei grundsätzlich verschiedene Ansät­ze - externe oder interne Dynamik - abgebildet werden.

6.5.1 Neuronale Netze mit externer Dynamik

Neuronale Netze mit externer Dynamik basieren auf statischen Neuronalen Net­zen. Die Dynamik dieser Netze wird dadurch erzeugt, dass die zeitdiskreten Ein-

6.5 Modellierung dynamischer nichtlinearer Systememit NeuronalenNetzen 115

u,(k)

uz(k)

Neuro­nalesNetz

y(k)u,(k)

uz(k)

L....:.,..----:":""":""--+il Neuro­nalesNetz

y(k)

y",(k)

Abb. 6.14. Neuronales Netz mit zwei Eingängen und einer externen Dynamik zweiter Ord­nung. Links: seriell-paralleles Modell, rechts: paralleles Modell

gangssignale u.rk) (i = 1,2,...,n) und das geme ssene bzw. das identifizierte Aus­gangssignal y(k) bzw. YNN(k) über vorgeschaltete Filter dem statischen Netz auf­geschaltet werden (Abb . 6.14.) . Im einfachsten Fall sind die Filter reine Verzöge­rung sglieder.

Ein Neuronales Netz mit externer Dynamik enthält keine dynami schen Kom­ponenten, deren Parameter während der Trainingsphase des Netze s optim iert wer­den . Das bedeutet, dass zum Training des Netzes die gleichen Verfahren ange­wendet werden können wie bei stati schen Neuronalen Netzen . Die externeDynamik bringt jedo ch zwei Nachteile mit sich. Zum einen führt sie zu einer ex­tremen Vergrößerung des Eingangsraumes, zum anderen sind Stabilitätsproblememöglich, da die Stabil ität dieser Netze nur sehr schwer nachweisbar ist.

Zum Training eines Netzes mit externer Dynamik wird neben den verzöger tenEingangssignalen das gemessene Ausgangssignal y(k) des Prozesses auf denNetzeingang geschaltet (Abb . 6.14., links). So ent steht ein seriell-paralleles Mo­dell. Im Online-Betrieb des trainierten Netzes wird der Netzausgang YNN(k) aufden Eingang des Netze s zurückgekoppelt (Abb. 6.14., rechts ). Im Betrieb des Net­zes als paralleles Prozessmodell wird das gemessene Ausgangssignal nicht mehrbenötigt.

Aus der Klasse Neuronaler Netze mit externer Dynamik werden im Folgendenausschließlich Typen verwendet, deren nichtlineares Approximation svermögenauf der Verwendung lokaler Modelle basiert.

a) Loeal Linear Model Trees (LOL/MOT)

In diesem Abschnitt wird ein erwe itertes Radial-Basis-Funktionen (RBF) Netz­werk und der dazugehörige Tr ainingsalgorithmus für lokale lineare Modelle(LOLIMOT) vorgestellt.

116 6 Hybride Modellbildung

Da die Optimierung der Parameter der lokalen linearen Modelle mit linearenOptimierungsverfahren erfolgt, ist das Training eines Local Linear Model Treesim Vergleich zum Training eines Neuronalen Netzes anderer Struktur sehr schnell.Daher wird dieser Netztyp zur Klasse der Fast Neural Networks (FNN) gezählt.Detaillierte Beschreibungen der Netzarchitektur und des LOLIMOT-Algorithmusfinden sich in Nelles et al. (1996) und Nelles (1999).

Strukturdes LOLIMOT-Netzes

Strukturell stellt das Netz eine Erweiterung der bekannten RBF-Architektur (Nel­les 2001) dar, in der die Gewichte der Ausgangsschicht durch lineare Funktionender Eingänge des Netzes ersetzt wurden. Jedes Neuron repräsentiert ein lokales li­neares Modell und die dazugehörige Basisfunktion (Abb. 6.15.)

Die Basisfunktion legt diejenige Region des Eingangsraumes fest, in der daszugehörige Neuron aktiv ist. Als Basisfunktionen werden normierte Gaußfunktio­nen verwendet. Sie werden durch eine achsenorthogonale Partitionierung des Ein­gangsraumes erzeugt und sind so normiert, dass die Summe der Modellzugehörig­keiten an jedem Punkt des Eingangsraumes den Wert eins ergibt. Daher ist esmöglich, sie aus eindimensionalen Zugehörigkeitsfunktionen zu erzeugen und dasNeuronale Netz als Takagi-Sugeno Fuzzy Modell zu interpretieren (Takagi u. Su­geno 1985).

u,

Abb, 6.15. LOLIMOT Netzmitzwei Eingängen unddrei lokalen linearen Modellen

6.5 ModelIierungdynamischer nichtlinearer Systeme mit Neuronalen Netzen 117

Bei M lokalen Modellen berechnet sich der Netzausgang zuM

y = ~)wo; + wjju, +...+ wn;un) ·<1>; (u ,c; , (J; ),;= 1

(6.17)

wobei WOj, •••, Wn i die Parameter des i-ten lokalen Modells und U j,"',Un die Ein­gangsgrößen sind. Die normierte Gaußs ehe Basisfunktion des i-ten lokalen Mo­dells mit den Zentrum skoordinaten Ci und den Standardabweichungen Cij ist

)t'J

<1>; (u, c; ,(J; =~

Lz9jj = l

(6.18)

Für die Basisfunktionen und für die lokalen linearen Modelle können verschie­dene Eingangsräume gewählt werden. Der Eingangsraum für die Basisfunktionenmuss alle Variablen beinhalten, die das nichtlineare Prozessverhalten beeinflu ssen,wohingegen der Eingang sraum der lokalen linearen Modelle diejenigen Variablenbeinhalten sollte, welche die Dynamik des Prozesses bestimmen.

Betrachtet man das Neuronale Netz als Takagi-Sugeno Fuzzy Modell, so be­deutet dies, dass sich die Variablen in den Regelprämissen von denjeni gen in denKonklusionen unterscheiden können.

Training des LOLIMOT-Netzes

Zum Training eines erweiterten RBF-Netzes der beschriebenen Struktur wird derLocal Linear Model Tree (LOLIMOT) Algorithmus verwendet, der von Nellesund Isermann (1996) vorgeschlagen wurde und in Nelles (1999) ausführlich er­läutert wird. Das Training des erweiterten RBF-Netzes erfolgt dabei iterativ in ei­ner äußeren und einer inneren Schleife.

In der äußeren Schleife wird die Anzahl der Neuronen und die Partitionierungdes Eingangsraumes festge legt. Diese ist durch die Zentren und die Standardab­weichun gen der normierten Gaußsehen Basisfunktionen definiert . Um die Zent­ren und die Standardabweichungen der Gaußglocken festzulegen, wird ein Algo­rithmu s zur Konstruktion von Entscheidungsbäumen eingesetzt. Dieser benutztAnsätze der sog. Classification and Regression Trees (Breiman et al. 1984) undder Multivariate Adaptive Regression Splines von Friedman (1991) .

Als Kriterium zur Optimierung der Netzstruktur wird der Ausgangsfehler desLOLlMOT-Netzes verwendet. Der LOLlMOT-Algorithmus teilt den Eingangs­raum in Hyperquader auf, in deren Zentren die Basisfunktionen liegen . Jedes lo­kale lineare Modell gehör t zu einem dieser Hyperquader. Die Standardabweichun­gen der Basisfunktionen werden proportional zur Größe der Quader gewählt.Dadurch wird die Größe des Gültigkeitsbereiches eines lokalen linearen Modells

118 6 Hybride Modellbildung

proportional zur Ausdehnung des zugehörigen Hyperquaders. Die Konstruktionder Hyperquader erfolgt nach den folgenden Schritten (Abb. 6.16 .):

I . Lege den ersten Hyperquader so, dass er alle Datenpunkte einschließt.Schätze ein globales lineares Modell y = WOi + WliUl + ... + WniUn .

2. Für alle Eingangsdimensionen j = l ,...,n:a) Teile den Hyperquader entlang der Dimension j in zwei Hälften.b) Plaziere je eine Gewichtsfunktion in beiden neuen Hyperquadem.c) Schätze die Parameter der lokalen linearen Modelle für beide Hyperquader.d) Berechne den Ausgangsfehler des Netzes mit den Gin. (6.17) und (6.18).

3. Führe denjenigen der obigen n Schritte aus, der den kleinsten Ausgangsfehlerverursacht. Verwende dabei die Gewichtsfunktionen aus Schritt 2b) und die Pa­rameter aus Schritt 2c).

4. Berechne für jedes lokale lineare Modell ein Fehlermaß durch Gewichtung desAusgangsfehlers aus Schritt 2d) mit der zugehörigen Gewichtsfunktion. Selek­tiere denjenigen Hyperquader mit der größten lokalen Verlustfunktion zurnächsten Teilung.

5. Ist das Abbruchkriterium nicht erfüllt, dann gehe zurück zu Schritt 2. Ist dasKriterium erfüllt , so hat der Algorithmus konvergiert.

uD1.Iteration

r!r u, "'\r

DJ ·u, 2. u,

• Itera tton Bu, ~ U, ~

u,to 3. U'B~teration+------J.

r!r u, "'\r u,

EJ ·u, u,

~te;;;on~.u, r!r u, "'\r

Abb, 6,16. Zweidimensionale Darstellung der Partitionierung des Eingangsraums einesLOLIMOT-Netzes durchdie Konstruktion von Hyperquadern

6.5 ModelIierung dynamischer nichtlinearer Systeme mit Neuronalen Netzen 119

In jedem Iterationsschritt der äußeren Schleife wird das lokale Modell, welchesden größten lokalen Fehler aufweist, in zwei neue lokale Modelle aufgeteilt (Abb.6.16.). Danach werden die Teilungen nach allen Eingangsdimensionen getestetund diejenige Teilung, welche die größte Verbesserung der Approximationsgütedes Netzes bringt, wird ausgewählt. Es werden also nur dort Modelle verfeinert,wo dies im Hinblick auf die Approximationsleistung des Netzes notwendig ist.

In der inneren Schleife werden die Parameter der lokalen Modelle in ARX­Struktur (ARX = AutoRegressive with eXogenious Input, Ljung (1987)) mit ei­nem gewichteten Least-Squares-Verfahren geschätzt. Dabei werden die Fehler derauf den einzelnen lokalen Modellen basierenden Einschritt-Vorhersagen mit denzugehörigen Basisfunktionen gewichtet. Mit der Matrix U, deren k-te Zeile denVektor

uT (k ) = [ u1 (k ), u2 (k ), ... ,ull (k )r (6.19)

enthält, der diagonalen Gewichtungsmatrix Q;, in deren Elementen qkk der Wertder i-ten Gewichtsfunktion an der Stelle u(k) steht, und dem Vektor y der Soll­werte der Ausgangsgröße berechnet sich der optimale Parametervektor w,des i-tenlokalen Modells zu

[ T J-1Twi = U Q;U U QiY· (6.20)

Jedes lokale lineare Modell wird separat geschätzt , d. h. die Überlappung zwi­schen benachbarten lokalen Modellen wird vernachlässigt. Durch diese Vernach­lässigung entsteht ein Interpolationsfehler (Johansen u. Foss 1993). Er steigt mitzunehmender Überlappung stetig an. Es lässt sich jedoch zeigen, dass dieser lo­kale Ansatz gegenüber einem globalen Schätzansatz schnell und robust ist undtrotz der Interpolationsfehler dem globalen Ansatz in der Approximationsgüteüberlegen ist (Murray-Smith 1994). Ein weiterer Vorteil des lokalen Ansatzes istdie Tatsache, dass der Rechenaufwand zur Schätzung der Parameter nur linear mitder Anzahl der Modelle ansteigt.

b) Hinging Hyperplane Trees (HHT)

Die Hinging Hyperplane Trees (HHT) gehören wie die Local Linear Model Trees(LOLIMOT) zu der Klasse Neuronaler Netze, welche zur Identifikation eine Par­titionierung des Eingangsraumes vornehmen (Murray-Smith u. Johansen 1997).Zur Identifikation nichtlinearer dynamischer Systeme werden statische HingingHyperplane Trees verwendet , die um eine externe Dynamik erweitert werden, vgl.Abb. 6.14. Eine detaillierte Beschreibung der dynamisch erweiterten Hinging Hy­perplane Trees findet sich in Ernst (1998) und Töpfer (2002) .

Die Struktur der Hinging Hyperplane Trees wird durch einen Konstruktionsal­gorithmus für binäre Entscheidungsbäume festgelegt. Die Identifikation derBaumstruktur basiert auf sogenannten Hinge-Funktionen, deren Verwendung alsBasisfunktionen erstmals in Breiman (1993) vorgeschlagen wurde. Die HingingHyperplane Trees verwenden eine Erweiterung dieser ursprünglichen Basisfunkti-

120 6 Hybride Modellbildung

onen, sog. weiche Hinge-Funktionen (Pucar u. Millnert 1995). Aufgrund der Ver­wendung der nichtlinearen Hinge-Funktionen, müssen lokal aktive nichtlineareFunktionen identifiziert werden. Der binäre Baumkon struktionsalgorithmu s teiltden Eingangsraum gemäß der Lage der Hinge-Funktionen rekursiv auf. Durch diewillkürliche achsenschräge Lage der nichtlinearen Hinge-Funktionen im Raum er­folgt die Aufteilun g des Eingangsraumes durch achsenschräge Schnitte. Dieses istneben der Verwendung der nicht linearen Hinge-Funktionen das wichtigste Cha­rakteristikum der Hinging Hyperplane Trees und unterscheidet sie von anderenhierarchisch strukturierten Modellen, wie z. B. den Local Linear Model Trees, dielineare lokale Modelle und eine achsenorthogonale Partitionierung des Eingangs­raumes verwenden.

DieHinge-Funktionen

Eine Hinge-Funktion y = hH (u) im n-dimensionalen Eingangsraum mit dem ein­dimensionalen Ausgang y besteht aus zwei miteinander verbundenen n-dimen­sionalen Hyperebenen. Diese Hyperebenen werden durch die Skalarprodukte

y+ = 8~ · u und y_ = 8~· u (6.21)

definiert , wobei u = [uo,uJ

, ,, , , un f der um den konstanten Term Uo == I erweiterteEingangsvektor ist. Die Hyperebenen sind an ihrer Schnittstelle

J T ·U=O mit J = 8+- 8_ (6.22)

kont inuierlich miteinander verbunden. Derjenige Unterraum des Eingangsraumes,der GI. (6.22) erfüllt, heißt Hinge (Breiman 1993). Daraus resultieren zwei mögli­che mathematische Beschreibungen einer Hinge-Funktion:

(6.23)odery =hH (u)=max (O~ .u,0: .u)

y =hH (u) =min (O~ .u, 0: .u ) .

Da die stückweise linearen Hinge-Funkt ionen in GI. (6.23) an dem Hinge AT·u= 0nicht stetig differen zierbar sind, schlagen Pucar und Millnert (1995) eine weicheHinge-Funktion vor, welche durch die gewichtete Summe der in GI. (6.21) defi­nierten Hyperebenen gegeben ist:

(6.24)

mit

und (6.25)

Das ±-Zeichen in GI. (6.25) gibt an, ob in GI. (6.23) der max- oder der min­Operator angewendet wird. Dieses hängt von den Parametervektoren 9+ und 9_ab. Durch die Sigmoidfunktionen O'+(u) und o. tu) wird ein stetig differenzierbarer

6.5 ModelIierung dynamischer nichtlinearer Systememit Neuronalen Netzen 121

2

y_=8~ 'U ,// ,f -; - - --r- -'r~ Hinge y+=8I·u

/' / Hyperebenen

-o .~~ -1 0 1Eingang u

>­0)s 0 r=:::::::::::::::i:.==~~0)In::l

« -0.4

0.4

0.8.--------------."y=max(81 · u , 8~ .u)____

Abb. 6.17. Eindimensionale Hinge-Funktion

Übergang realisiert, dessen Charakter durch den Parameter kH eingestellt werdenkann (Abb. 6.17.) .

Normiert man den Vektor L1 auf eins, so wird die Weichheit des Übergangszwischen den beiden Hyperebenen ausschließlich vom Parameter kH bestimmt.Für kH -> 00 geht die weiche Hinge-Funktion in die ursprüngliche Hinge-Funktionaus GI. (6.23) über. In Analogie zu den bekannten sigmoiden Basisfunktionen derMulti-Layer-Perzeptron Netze (Haykin 1994; Ayoubi 1996) bilden die Hinge­Funktionen einen n-dimensionalen Eingangsraum durch Bildung des Skalarpro­duktes auf einen skalaren Ausgang ab. Dabei wird über dem Eingangsraum eineArt Gebirge gebildet. Die Hinge-Funktionen, welche die Form des Gebirges defi­nieren , haben dabei in bestimmten Richtungen des Eingangsraumes einen nichtli­nearen Verlauf (Abb. 6.18.).In den anderen Richtungen des Raumes sind sie dagegen linear oder sogar kon­stant. Die Hinge-Funktionen werden von dem im Folgenden beschriebenen Baum­konstruktionsalgorithmus nacheinander im Eingangsraum platziert, wobei jeweils

3>­0)2c:~1In

~ 01

Eingang u, -1 -1o

Eingang u,

::l~

0)

fä 00)c:W

oEingang u,

Abb. 6.18. Zweidimensionale Hinge-Funktion (links) und der dazugehörige Hinge im Ein­gangsraum(rechts)

122 6 Hybride Modellbildung

eine Nichtlinearität in der Richtung des Vektors A erzeugt wird (Abb. 6.18.,rechts) .

Aufgrund des nichtlinearen Charakters der Hinge-Funktionen müssen zur Be­stimmung ihrer Parameter - im Gegensatz zur Identifikation der Parameter der lo­kalen linearen Modelle der LOLIMOT-Netze - nichtlineare Optimierungsverfah­ren eingesetzt werden .

Zur Optimierung der Parameter der Hinge-Funktionen wird oftmals der Konju­gierte Gradienten Algorithmus eingesetzt (Scales 1985). Dabei werden nur dieVektoren 0 + und 0., die die Hyperebenen charakterisieren, nichtlinear optimiert,nicht jedoch der Parameter kH. Dieser muss geeignet initialisiert werden, um dannkonstant gehalten zu werden (Ernst 1998; Töpfer 2002).

Zur Initialisierung des nichtlinearen Optimierungsalgorithmus muss zunächsteine Hinge Startfunktion gefunden werden . Dazu werden die Ein-/Ausgangsdatenentlang der n möglichen Richtungen des Eingangsraumes jeweils in zwei Hälftenaufgeteilt. Für jede Raumrichtung werden mit der Methode der gewichtetenkleinsten Quadrate (Isermann 1992) zwei lineare Modelle geschätzt. Auf dieseWeise wird in jeder Richtung des Eingangsraumes eine Hyperebene gebildet, vondenen diejenige mit dem kleinsten Fehlerrnaß als Hinge Startfunktion benutzt wird(Ernst 1998).

DerBaumkonstruktionsalgorithmus

Die Struktur eines Hinging Hyperplane Trees wird durch einen Konstruktionsal­gorithmus für binäre Entscheidungsbäume aufgebaut, der den Algorithmen derClassification and Regression Trees (Breiman et al. 1984), der Multiple AdaptiveRegression Splines (Friedman 1991), der Basis Function Trees (Sanger 1991) undder Local Linear Model Trees (Nelles u. Isermann 1996) verwandt ist.

Der Baumkonstruktionsalgorithmus erweitert in jedem Iterationsschritt denHinging Hyperplane Tree um eine neue Hinge-Funktion . Jede Hinge-Funktionwird dabei als ein einfacher binärer Baum mit einer Verzweigung und zwei End­knoten betrachtet. Die Endknoten werden von den Hyperebenen der Hinge­Funktion hH(u) nach GI. (6.21) gebildet. Die Verzweigung ist durch den Hinge ge­mäß GI. (6.22) festgelegt. Dadurch wird der Eingangsraum rekursiv partitioniert.

Der Algorithmus führt eine Reihe binärer Teilungen in den Endknoten durch,d.h. er teilt in den Regionen des Eingangsraumes, in denen die lokalen linearenTeilmodelle Gültigkeit besitzen . Diese Gültigkeitsgebiete der einzelnen Teilmo­delle werden durch die ihnen zugeordneten Gewichtsfunktionen festgelegt. Auf­grund des hierarchischen Charakters des Algorithmus werden diese Gewichts­funktionen zu einem gewissen Anteil von den Gewichtsfunktionen der vorherge­henden Knoten in der Baumstruktur bestimmt.

Beim Aufbau eines Hinging Hyperplane Trees werden die folgenden Schrittedurchlaufen:

I. Schätze eine globale Hinge-Funktion aus allen zur Verfügung stehendenEin-/ Ausgangsdaten.

6.5 ModelIierung dynamischer nichtlinearer Systememit Neuronalen Netzen 123

2. Optimiere die Parameter der Hinge-Funktion mit dem gewählten nichtlinearenOptimierungsalgorithmus.

3. Teile den Eingangsraum entlang dem Hinge in zwei Hälften. Betrachte jede derbeiden Hyperebenen als ein unabhängiges lokales Modell mit der ihm zugeord­neten Gewichtsfunktion nach GI. (6.25).

4. Berechne für jede Hyperebene ein lokales Fehlermaß durch Gewichtung desAusgangsfehlers mit der dem lokalen Teilmodell zugeordneten Gewichtsfunk­tion. Wähle diejenige Hyperebene mit der größten lokalen Veriustfunktion zurnächsten Teilung aus .

5. Schätze eine neue Hinge-Funktion aus den im Gültigkeitsbereich dieses lokalenModells liegenden Ein-/ Ausgangsdaten.

6. Wiederhole die Schritte 2 bis 5 solange, bis das Abbruchkriterium erfüllt ist.

Alle Teilmodelle, die nicht den Endknoten zugeordnet sind, vererben die Regi­onen des Eingangsraumes, in denen sie gültig sind, an ihre Nachfolger. Darausfolgt, dass sich die Gewichtsfunktionen zweier Hyperebenen, die zu einer Hinge­Funktion an einer beliebigen Stelle in der Baumstruktur gehören, stets aus derMultiplikation der Gewichtsfunktion des nächst übergeordneten Knotens desBaumes mit den Sigmoidfunktionen cr+(u) und o.ru) berechnen lassen, welche derHinge-Funktion zugeordnet sind. Daher ist die Summe aller Gewichtsfunktionengleich eins , ohne dass eine explizite Normierung durchgeführt werden muss.

Abb. 6.19. Struktureines Hinging Hyperplane Trees mit drei Hinge-Funktionen. an denenjeweils eine binäreTeilungausgeführt wird

124 6 HybrideModellbildung

c) Vergleich zwischen LOLIMOTund Hinging Hyperplane Trees

Das wichtigste Charakteristikum der Hinging Hyperplane Trees ist die achsen­schräge Partitionierung des Eingangsraumes. Die Aufspaltung des Eingangsrau­mes in Regionen beliebiger Polygonform beruht auf der Identifikation von Rich­tungen nichtlinearen Verhaltens im Eingangsraum.

Basisfunktionen wie zum Beispiel die Hinge-Funktionen, die diese Eigenschaftbesitzen, sind vom Ridge COllstructioll -Typ (NelIes et al. 1997). Sie erlauben imAllgemeinen eine exaktere Adaption der Nichtlinearität als sie mit dem LOLI­MOT-Algorithmus erfolgen kann, der eine achsenorthogonale Aufteilung des Ein­gangsraumes durchführt.

Der Aufba u eines Hinging Hyperp lane Trees erfor dert mehr Rechen leistung alsdas Training eines Local Linear Model Trees , da zur Festlegung der Hinge-Funk­tionen und der Parameter der Hyperebenen nichtlineare Optim ierungsroutinen not­wendig sind. Zur Identifikation der lokalen Parameter in LOLIMOT können dage­gen lineare Schätz verfahren eingesetzt werden .

6.5.2 Neuronale Netze mit interner Dynamik

Im Gegensatz zu der im vorigen Abschn itt beschriebenen Klasse Neuronaler Net­ze mit externer Dynamik sind bei Neuronalen Netzen mit interner Dynamik diedynamischen Komponente n in die Netzstruktur integriert (Abb. 6.20.).

Abb. 6.20. Struktur eines DMLP-Netzes mit zwei Eingängen und einer verdeckten Schichtmit fünf Perzeptronen. Als Aktivierungsfunktionen sind exemplarisch Tangenshyperboli­kus-Funktionen dargestellt.

6.5 ModelIierungdynami scher nichtlinearer Systeme mit Neuronalen Netzen 125

Durch diese lokalen Speicher brauchen den Neuronen keine verzögerten Ein­gang swerte aufgeschaltet zu werden (Abb. 6. 14.) wodurch die Dimension des Ein­gangsraumes reduziert wird. In Abhängigkeit der Realisierung der dynamischenElemente innerhalb der Netzstruktur unterscheidet man voll verne tzte, partiell re­kurrente und lokal rekurrente Strukturen (NelIes et al. 1997).

a)Dynamische Multi-Layer-Perzeptron-Netze (DMLP)

Aus der Klasse der Neuronalen Netze mit interner Dynamik werden im Folgendenfür spätere Anwendungen die dynamisc hen Multi -Layer-Perzeptron Netze nachAyoubi (1996) näher betrachtet. Dieser Netztyp gehört zur Klasse der Local Re­current Global Feedforward Netze (LRGF), bei denen die Struktur des entspre­chenden statischen Neuronalen Netzes beibehalten wird und die einzelnen Neuro­nen dynamisiert werden.

Nach der Art der Dynamisierung kann man unter den LRGF-Netzen Netze mitSynapsendynamik. Aktivierungsdynam ik und R ückführungsdynamik unterscheiden.Bei den DMLP-Netzen nach Ayoub i (1996) handelt es sich um LRGF-Netze mitAkt ivierungsdynamik. Die Chara kteristika dieses Netztyps werden im folgendenAbschnitt kurz zusammengefasst.

Das dynamische Perzeptron-Modell

Strukturell betrachtet hande lt es sich bei einem DMLP-Netz nach Ayoubi (1996)um ein statisches MLP-Netz , in dem jedes statische Perzeptron um ein ARX-Filterzweiter Ordnung erweitert wurde. Dieses ist der nichtlinearen Aktivierungsfunkt i­on des Perzeptrons in Wiener-Anordnung vorgeschaltet (Abb. 6.20.).

Diesem Aufbau eines dynami schen Perzeptrons liegt die Idee zugrunde, ein li­neares Filter mit einer nichtli nearen Aktivie rungsfu nktion zu kombinieren . DerArbei tsbereic h des linearen Filters wird durch die Aktivierungsfunktion in denaktue llen Arbeit spunkt des Netzes verschoben. Als Aktivierungsfunktion )'(x(k),C,A) wird eine lineare, eine Sigmoid- oder eine Tangen shyperbolikus-Funktionverwen det, die eine gewisse Steig ung A hat und die durch ihren Schwellwe rt centlang der x-Achse verschoben werden kann (Abb. 6.21.).

Am Eingang jedes dynamischen Perzeptrons werden die n Eingänge desDMLP-Netzes durch die Bildung ihrer gewichteten Summe auf eine Eingangsva­riable v(k) reduziert.

Diese bildet den Eingang des ARX-Fil ters, dessen interner Zustand x(k) dieAktivie rung des Perzeptrons bestimmt (Abb. 6.21.) .

Da das dynamische Perzeptron über ein lokales Gedächtn is verfug t, arbeite t eswie ein nichtl ineares UR-Filter (UR =Infinite Impulse Response).

126 6 HybrideModellbildung

Dynamisches Perzeptron

Statisches Perzeptron

Abb. 6.21. Zusammenhang zwischen dynamischem und statischemPerzeptron-Modell

Die das dynamische Perzeptron beschreibenden Gleichungen lauten :n

v(k)= Lw; .u;(k),;=\

2 2x(k) = ~) . v(k -i)-La;. x(k -i),

;=0 ;=\

y(k) = r(x(k),C,A) .

(6.26)

Führt man den linearen Operator q,l(v(k» = vtk-Ij -ein und fasst man in B(q)die transversalen Filterkoeffizienten bo, b, und b2 und in A(q) die rekursiven Pa­rameter al und a2 des Filters zusammen, so erhält man die mathematischen Be­schreibungsgleichungen des dynamischen Perzeptrons, in denen das lineare Filterdurch seine zeitdiskrete Übertragungsfunktion beschrieben wird (Abb. 6.20. undAbb. 6.21., oben):

v(k)= Iw;,u;(k),;=\

(6.27)

y(k) = r(x(k),C,A) .

Das statische Perzeptron-Modell (Abschnitt 6.4.1 c) bildet einen Sonderfalldes dynamischen. Es geht aus dem dynamischen Perzeptron-Modell hervor, wenndas lineare Filter durch seinen Verstärkungsfaktor im eingeschwungenen Zustandersetzt wird (Abb. 6.21., unten) :

6.5 ModelIierung dynamischer nichtlinearer Systeme mit Neuronalen Netzen 127

2

L b;r (B(q» ) ;=0(/~ A(q) = ~ (6.28)

1+L.,{l;;=1

Mit Hilfe dieses dynamischen Perzeptron-Modells ist es möglich, hochdimen­sionale Eingangsräume kompakt zu beschreiben. Das Perzeptron reduziert den p­dimensionalen Eingangsraum des Netzes auf den eindimensionalen Zustand v(k).Die Anzahl der verwendeten Gewichte erhöht sich dabei linear mit der Anzahl derEingänge des Perzeptrons. Das ist ein Vorteil eines dynamischen Multi-Layer­Perzeptron Netzes gegenüber einem um entsprechende dynamische Komponentenerweiterten Radial-Basis-Funktionen Netz (Ayoubi u. Isermann 1996).

Training eines dynamischen Multi-Layer-Perzeptron Netzes

Wie bei statischen MLP-Netzen wird zum Training von dynamischen MLPs in derPraxis zumeist der Backpropagation-Algorithmus verwendet (Rurnelhart u. Mc­Clelland 1986). Es können aber auch beliebige nichtlineare Optimierungsverfah­ren höherer Ordnung verwendet werden (Scales 1985).

In der Trainingsphase des DMLP-Netzes werden sowohl die Netzgewichte alsauch die Koeffizienten der linearen Filter und die Parameter der nichtlinearen Ak­tivierungsfunktionen optimiert . Als Gütekriterium wird ein bezüglich des Aus­gangsfehlers des Netzes formuliertes, quadratisches Kriterium verwendet, dessenglobales Minimum gesucht wird. Im Gegensatz zu den in Abschnitt 6.5.1 be­schriebenen Neuronalen Netzen mit externer Dynamik wird jedoch keine Optimie­rung der Netzstruktur - z.B. der Anzahl der Perzeptronen in der verdecktenSchicht - durchgeführt.

Zum Training eines DMLP-Netzes können zwei verschiedene Modi verwendetwerden (Ayoubi 1996). Im Batch-Modus werden zunächst die Gradienten allerTrainingsdatentupel berechnet, bevor ein Iterationsschritt zur Optimierung derNetzparameter durchgeführt wird. Im Sampie-Modus dagegen werden die Para­meter des Netzes nach jedem einzelnen Trainingsdatenpunkt optimiert. In diesemFalle müssen in jedem Iterationsschritt lediglich die Gradienten eines Datentupelsberechnet werden . Das Training eines DMLP-Netzes im Sample-Modus erfordertdaher wesentlich weniger Rechenaufwand als das Training im Batch-Modus undkann auch online durchgeführt werden. Der Batch-Modus ist jedoch das mathe­matisch korrekte Verfahren und ist insbesondere dann erforderlich, wenn dasTraining des Netzes mit einem Gradientenverfahren höherer Ordnung, wie bei­spielsweise dem Konjugierte Gradienten Algorithmus, erfolgt.

128 6 Hybride Modellbildung

6.6 Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurde der Begriff der "Hybriden Modellbildung" eingeführtund in den Kontext der allgemeinen Systemanalyse eingeordnet. Darüber hinauswurden ausgewählte Beispiele dafür gezeigt, welche Kategorien von Modellen inder Literatur als "hybrid" bezeichnet werden.

Aus der Menge der Hybriden Modelle wurden die sog. semiphysikalischenModelle als Grundlage für die in den späteren Kapiteln folgenden Anwendungs­beispiele weiter vertieft. Innerhalb der semiphysikalischen Modelle wurden zweiAnsätze näher betrachtet: das Ersetzen von Teilkomponenten eines physikalischenModells durch experimentelle Modelle sowie die strukturelle Kopplung zwischenphysikalischen und experimentellen Modellen. Erfolge beim praktischen Einsatzbeider Methoden wurden durch umfangreiche Literaturhinweise dokumentiert .

Zusätzlich zur Theorie der Hybriden Modellbildung wurden grundlegende Ver­fahren zur Darstellung nichtlinearen Systemverhaltens, die als experimentelleTeilmodelle innerhalb eines Hybriden Modells Verwendung finden können, vor­gestellt. Hierbei wurden Modelle zur Beschreibung von statischem oder dynami­schem nichtlinearen Verhalten unterschieden.

Zur Darstellung von statisch nichtlinearem Verhalten eigenen sich u.a. Raster­kennfelder, Polynome, statische Neuronale Netze oder Fuzzy Logik. Für die expe­rimentelle Modellbildung dynamischer nichtlinearer Teilsysteme bietet sich dieVerwendung dynamischer Neuronaler Netze mit externer oder interner Dynamikan.

Anwendungen, bei denen die hier vorgestellten semiphysikalischen HybridenModellansätze einschließlich der experimentellen Teilmodelle zur adaptiven Mo­dellierung eines Kraftfahrzeugs eingesetzt werden, sind in den Kapiteln 7 und 8 zufinden.

7 Ersetzen von Teilsystemen desFahrzeugmodells

Als Anwendung der in Kapitel 6 beschriebenen Grundlagen der Hybriden Modell­bildung sollen die dort vorgestellten semiphysikalischen Modellstrukturen in denfolgenden zwei Kapiteln zur Verbesserung der in Kapitel 3 dargestellten rein phy­sikalischen ModelIierung des Kraftfahrzeugs eingesetzt werden. Zunächst wird inKapitel 7 das Ersetzen von Teilkomponenten des physikalischen Modells durchverschiedene andere Modellformen beschrieben . Diese Methode wird oftmals dortangewendet, wo eine rein physikalische ModelIierung einer speziellen Teilkom­ponente sehr aufwändig oder gar nicht möglich ist.

7.1 Identifikation des Verbrennungsmotors

Ein Beispiel für eine physikalisch relativ schwer zu modellierende Teilkompo­nente des Kraftfahrzeugs ist die ModelIierung des Verbrennungsmotors. In der ausdem Bereich der Motorenentwicklung stammenden Literatur sind zwar sehr de­taillierte ModelIierungen der im Motor ablaufenden thermodynamischen Prozessezu finden (Heywood 1988; Pischinger 1989; Urlaub 1995; Koller et al. 1998), al­lerdings erscheinen diese Modelle aufgrund ihrer Komplexität zur Verwendung ineinem Fahrdynamikmodell insbesondere im Hinblick auf die gewünschte Echtzeit­fähigkeit als nicht angemessen. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle auf einedeutlich einfachere ModelIierung des Motors, die Darstellung der Charakteristikdes Verbrennungsmotors als statisches Motorkennfeld, zurückgegriffen. DieKennfelddarstellung ersetzt somit eine Teilkomponente des physikalischen Mo­dells, so dass das Gesamtmodell als semiphysikalisches Hybrides Modell bezeich­net werden kann.

Das Motorkennfeld soll hier als ausgewähltes Beispiel für den Einsatz dreidi­mensionaler Kennfelder innerhalb der ModelIierung des Kraftfahrzeugs dienen .Da in modernen Motorsteuergeräten mehrere hundert verschiedene Kennfelderimplementiert sind (Beckmann et al. 1998) und Kennfelder auch in anderen Berei­chen der Fahrzeugmodellbildung eingesetzt werden können, werden im Folgendenzunächst einige grundsätzliche Möglichkeiten zur Darstellung dreidimensionalerKennfelder vorgestellt. Diese werden anschließend auf das konkrete Beispiel derMotorkennfelddarstellung angewendet.

130 7 Ersetzen vonTeilsystemen des Fahrzeugmodells

;: ' . . '

: . ', .

6040

Drosse lklappe[Grad]

.; . '

20

: .

: .

. ~ .. . . " -:...

250

E 200~ 150C 100Q)

E0 50§2 00~ -50

-10080

Abb. 7.1. Aufeinem Motorprüfstand aufgezeichnete Messdaten des Motors

(7.1)

Gemäß GI. (3.1) beschreibt das dreidimensionale Motorkennfeld die Abhän­gigkeit des vom Verbrennungsmotor abgegebenen statischen Drehmoments MMOTvom Drosselklappenwinkels l}A und der Winkelgeschwindigkeit OlM. In diesemAbschn itt soll das Motorkennfeld als Anwendungsbeispiel für die zuvor beschrie­benen Methoden zur Approximation von Kennfeldern dienen . Als Grundlage allerApproximationsverfahren zeigt Abb. 7.1. die auf einem Motorenprüfstand aufge­zeichneten Messdaten des Motors vom Versuchsfahrzeug.

Es ist offensichtlich, dass die Messdaten nicht äquidistant verteilt vorliegen .Während im Bereich kleiner und mittlerer Drosselklappenwinkel über das gesamteDrehzahlspektrum hinweg eine große Zahl von Messdaten zur Verfügung steht, istdie Dichte der Messpunkte bei großen Drosselklappenwinkeln eher gering .

Um die Charakteristik des Motorkennfeldes in das physika lische Fahrzeugmo­dell zu integrieren, werden im Folgen den die in Abschnitt 6.4 beschriebenen Me­thoden zur Approximation von Kennfeldern am praktischen Beispiel eingesetzt.Im Anschluss an die Beschreibung der Anwendung und die Diskussion der einze l­nen Methoden folgt ein Vergleich der verschiedenen Verfahren hinsichtlich derGüte der Approximation und des Berechnungsaufwands. Als Maß für die Appro­xima tionsgüte wird für alle Verfahren einheitlich die sog. mittlere Abweichung ~%

in Prozent verwendet (Chalupa 1995). Sie ist wie folgt definiert:

I N

N~]ek I~% = k=l .100% .

zmax - zmin

Hierbei bezeichnet N die Anzahl der zur Verftigung stehenden Messwerte und ekden Fehler zwischen dem koten Messwert und dem entsprechenden vom Appro-

7.1 Identifikation des Verbrennungsmotors 131

ximationsverfahren berechneten Wert. Zmax und Zmin sind die obere bzw. untereGrenze des Wertebereichs der Messwerte.

Um die Qualität der Approximationen auch grafisch darzustellen, zeigen alleMotorkennfelddarstellungen dieses Abschnitts einen Vergleich zwischen denMesspunkten (vgl. Abb. 7.1.) und einer äquidistanten Gitterdarstellung, der dieApproximationsergebnisse an 20 . 20 = 400 Stützstellen zugrunde liegen. Das be­rechnete Gitter ist an die in Abschnitt 6.4.1 beschriebene Rasterkennfelddarstel­lung angelehnt.

7.1.1 Einsatz von Polynomen

Die Abb. 7.2. bis Abb. 7.4. zeigen Approximationsergebnisse, die mit drei unter­schiedlichen Polynomansätzen erzielt wurden. Um eine Vergleichbarkeit der Er­gebnisse zu gewährleisten, wurde für alle Polynomtypen der maximale Grad 10gewählt.

Abb. 7.2. stellt die Approximation des Motorkennfeldes mit einem algebrai­schen Polynom dar. Der Kennfeldverlauf ist sehr glatt und zeigt auch in Berei­chen, in denen nur wenig Messdaten zur Verfügung stehen , keine Einbrüche. Diemittlere Abweichung ~% beträgt in diesem Fall 2,624% .Obwohl die mittlere Abweichung ~% bei der in Abb. 7.3. dargestellten Approxi­mation mit einem orthogonalen Polynom deutlich kleiner ist (~% = 0,744 %), wirktdie Approximation optisch schlechter. Insbesondere am Kennfeldrand (großerDrosselklappenwinkel bei kleiner Motordrehzahl) und in Bereichen mit geringerMessdatendichte kommt es zu großen Einbrüchen.

250 1E 200 --l

z 150 "liCI 1~: t·~ .ö::?; -50 . ' .

-100 , . . o • •

80 ~ . ..

60 ~()<". O ~~oooDrosselklappe 20'>.~'---:------ 2000 3000 Motordrehzahl

[Grad] 0 0 1000 rU/minI

Abb. 7.2. Approximation des Motorkennfeldes mit algebraischem Polynom 10. Grades

132 7 Ersetzen vonTeilsystemendes Fahrzeugmodells

"EQ)

EoE.9o~

Drosselk lappe[Grad]

20

... .. . .•... . ... .. . ~OOO

... . .4000 5000

. 2000 3000 Motordrehzahlo 0 1000 [U/min]

Abb. 7.3. Approximation des Motorkennfeldes mit orthogonalemPolynom 10. Grades

Genau wie die algebraischen und die orthogonalen Polynome gewährleistenauch Tschebyscheff-Polynome eine gute Kennfeldapproximation in Bereichen miteiner großen Anzahl von Messdaten (Abb. 7.4.) . Die mittlere Abweichung ~%

liegt mit 0,856% in einer ähnlichen Größenordung wie beim orthogonalen Poly­nom . In Bereichen geringer Messdatendichte zeigt sich allerdings ein deutlichwelligeres Verhalten als bei der Approximation mit einem algebraischen Polynom.

"EQ)

EoE.9o~

. ; .. -

40Drosselklappe

[Grad]20

..... ..... ~ooo

.. 4000 5000

. .. 2000 3000 Motordrehzahlo 0 1000 lU/minI

Abb. 7.4. Approximation des Motorkennfeldes mit Tschebyscheff-Polynom 10. Grades

7,1 Identifikation des Verbrennungsmotors 133

Ein gravi erender Nachteil aller drei Polynomapproximationen ist deren Ex tra­polationsverhal ten. Bedingt durch ihren Ansatz streben alle Polynome außerhalbdes durch Messdaten vorgegebenen Eingangsbereichs ins Unendliche .

Mit der Erhöhung des maximalen Grades zeigen die drei Polynomtypen einunterschiedliches Approxi mationsverhalten. Zur Verdeutlichun g ist in Abb. 7.5.der Verlauf der mittleren Abweichung ß % über dem maximalen Grad der Polyn o­me aufgetragen. Es ist offensic htlich, dass ß % bis zu einem maximalen Grad vonvier für alle drei Polynomtypen gleich ist. Für Grade größer vier verkleinert sichdie mittlere Abw eich ung des algebraischen Polynoms nur noch unwesentl ich . Sieerrei cht bei einem maximalen Grad von 16 ihr absolutes Minimum (ß %= 2,2 63%)und steigt mit weiterer Gra dzunahme leicht in etwa linear an. Die mittlere Abwei­chung des orth ogonalen und des Tscheb yscheff-Polynoms nimmt bis zu einemmax. Grad von 15 in etwa gleich förmig weiter ab. An dieser Stelle erreicht ß %desorthog onalen Polyn oms ein absolutes Minimum (ß %=0,471 %), um mit weitererGradzunahm e wegen schlechter Kond itionierun g der Matrizen stark anzusteigen(Guber 1999). Einzig und allein die maximale Abweichung des Tsc hebyscheff­Polynoms nimmt kontinuierli ch mit der Erhöhung des max. Grades weiter ab.

Da die mittle re Abwe ichung nur ein Maß dafür ist, wie gut die vorgegebenenMesspunkte angenähert werden, erlaubt sie keine Aussage über die tatsächlicheQualit ät der Approxi mation. Wird der maximale Grad der Polynome zu hoch ge­wählt, könn en Probleme mit Schwingungen auftreten (Guber 1999). Aus der The­orie der Neuronalen Netze ist dieses Phänomen als Overfitting beka nnt (Ayoubi u.Nelles 1995). Dies bedeutet , dass bei eine r Zunahm e der Anzahl freier Modellpa­rame ter (hier : ab einem gewi ssen max . Grad des Polynoms) das gewünschte Inter­polationsverhalten zwischen den Messdatenpunkten verlore n geht. Im Rahm en derKennfeldapproximation ist deshalb ein Kompromiss zu suchen , bei dem einemög lichst geringe mittlere Abweic hung ß % erzielt wird, ohne dass Overfittingauftritt. Bei dem hier betrachteten Motorkennfeld ist dies bei einem max. Gra d derPolynome von etwa 10 der Fall.

orth~gona l .

. . . . . . . . . . ..Tscheby schef

14

~ 12<d'0> 10c::;)s: 8o'0;:;; 6.0-c~ 4Q)

E 2~

00 5 10 15 20 25 30

Max. Grad des Polynoms [ J

Abb. 7.5. Güte der Polynomapproximationen in Abhängigkeit vom rnax. Grad

134 7 Ersetzen vonTeilsystemen des Fahrzeugmodells

7.1.2 Einsatz von Neuronalen Netzen

Als Vergleich zu den Polynomverfahren zeigen die Abb. 7.6. und Abb. 7.7. Ap­proximationsergebnisse, die mit Neuronalen Netzen erzielt wurden.

In Abb. 7.6. wurde ein dreischichtiges MLP-Netz mit zwei Neuronen in derEingangsschicht, sechs Neuronen in der verdeckten Schicht und einem Neuron inder Ausgangsschicht zur Approximation des Motorkennfeldes verwendet. Nach100 Trainingszyklen mit dem Levenberg-Marquardt Verfahren liegt die mittlereAbweichung Ae, bei 1,025%.

Die Generalisierung des Netzes wurde analog zur Auswertung der Polynomemit einem Raster von 400 StützsteIlen durchgeführt. Es ist offensichtlich, dass dieApproximationsqualität des MLP-Netzes unabhängig von der Dichte der Mess­punkte im Eingangsraum sehr gut ist. Gleiches gilt für das Extrapolationsverhaltenin Randbereichen des Kennfeldes.

Die mit MLP-Netzen erzielbaren Ergebnisse hängen stark von der gewähltenNetztopologie ab. Da im voraus keine Aussage über die ideale Netzkonfigurationmöglich ist, muss, beginnend mit einem kleinen Netz mit sehr wenigen Neuronen ,die Neuronenzahllangsam gesteigert werden. Dabei sollte die Zahl der Neuronen,welche mit der Zahl der freien Parameter korreliert ist, nur so weit vergrößertwerden, dass Overfitting gerade vermieden wird. Mit einer weiteren Erhöhung derNeuronenzahl können die Trainingsdaten zwar beliebig genau abgebildet werden ,ein sinnvolles Generalisierungs- bzw. Interpolationsverhalten geht allerdings ver­loren . Im Fall des Motorkennfeldes hat sich die verwendete 2-6-1 Netztopologieals ausreichend erwiesen .

CQlEoEBo::2

40Drosselklappe

[Grad]

' . . " . "' . '

" " , ' 6000" 4000 5000

2000 3000 Motordrehzahlo 0 1000 [U/min]

Abb.7.6. Approximation des Motorkennfeldes miteinemMLP-Netz mit 2-6-1 Topologie

7.1 Identifikation des Verbrennungsmotors 135

. . . . . . . .v - ••.... · · · ~OOO

. 4000 5000

2000 3000 Motord rehzahl1000 [U/min]o 0

• • . • . • t .

~ ..

60~ . · ·40~ .

Drosselklappe 20[Grad]

EQlEoE5Ö::2:

Abb. 7.7. Approximation des Motorkennfeldes mit einem RBF-Netz (50 Glockenkurven)

Abb. 7.7. zeigt die Approximation des Motorkennfeldes mit einem RBF-Netz,das 50 Gauß' sche Glockenkurven enthält (ß % = 1,082%). Die Standardabwei­chung (J alle r Glocken kurven beträg t 1,2. Im Rahmen des Trainingsprozesseswerden mit Hilfe eines Clustering-Ver fahrens (Chen et al. 1991) iterativ immerneue Glocken hinzugefügt und anschließe nd die Gewichte Wj neu geschätzt. An­ders als beim MLP- ist beim RBF-Netz somit das Train ing mit einer Erweiterungder Netztopologie verbunden.

Aus der in Abb. 7.7. gezeigten Generalisierun gsdarstellun g ist unmittelbar er­sichtlich, dass das RBF-Netz in Bereichen mit großer Messdatendichte sehr guteAppro ximationsergebnisse liefert. Probleme treten allerdings in Bereichen auf, indenen nur wenige Messdaten zur Verfüg ung stehen (großer Drosselklappenwinkelbei klein er Motordrehzahl ).

Da bei den hier verwe ndeten RBF-Netzen die Komplexität des Netzes und da­mit die Zahl der freien Parameter im Verlau f des Trai nings zunimmt, ist es sinn­voll, zur Vermeidung von Overfitting-E ffekten, die maximale Zahl von Glocken­kurven zu begrenzen. Um einen Eindruck von der Konvergenz der mittlerenAbweichung ß % im Verlauf des Trai nings zu vermitteln, zeigt Abb. 7.8. einenVergleich zwischen dem Fehlerverlau f eines MLP- und eines RBF-Netzes über100 Training szyklen hinweg.

Die Fehlerkurve des RBF-N etzes fallt innerhalb der ersten 40 Trainingszyklenmit einem unstetigen Verlauf ab, um anschließend im Bereich einer mittleren Ab­weichung ß % von etwa I% zu verharren. Ab einer Anzahl von 40 Glockenku rvenergi bt sich somit nur noch eine marginale Verbesserung der Approximationsqua­lität. Mit einer weiter zunehmenden Zahl von Trainin gszyklen erhöht sich die Ge­fahr von Overfitt ing-Effekten .

136 7 Ersetzen vonTeilsystemen des Fahrzeugmodells

RBF-Netz (0-=1,2)

20 40 60 80 100Anzahl der Tra iningszyklen [ ]

1

'--

,

10'~4g' 10:::Js:U"0;;;:~ 10'~CIlE~ 10 o

MLP-Netz (2-6-1)

20 40 60 80 100Anzahl der Trainingszyklen [ J

a

I ,

c '---- ---.

"'

10~

Abb.7.8. Verlauf der mittleren Abweichung beim Training eines MLP- und eines RBF­Netzesüber 100Trainingszyklen zur Approximation des Motorkennfeldes

Im Gegensatz zu den RBF-Netzen und den Polynomverfahren sind die Fehler­verläufe von MLP-Net zen aufgrund der zufälligen Initialisierung ihrer Gewichtenicht 100%ig reproduzierbar. Das linke Diagramm von Abb. 7.8. zeigt einen bei­spielhaften Fehlerverlauf für das verwendete MLP-Netz mit 2-6-1 Topologie. Biszu einer Zahl von etwa 50 Trainingszyklen nimmt die mittlere Abweichung ~% biszu einem Wert von ca. I% stetig ab. Mit einer weiter zunehmenden Zahl vonTrainingszyklen verbessert sich jedoch die Approximat ionsqualität kaum noch. Dasich die Zahl der freien Parameter des Netzes beim Training nicht erhöht, kommtes jedoch nicht zum Overfitt ing.

7.1.3 Einsatz von Fuzzy-Identifikationsverfahren

Um einen Eindruck von der Approximationsqualität moderner Fuzzy-Identifika­tionsverfahren zu erhalten, zeigen die Abb. 7.9. bis Abb. 7.11. die Ergebnisse derdrei im Abschnitt 6.4.4 angesproche nen Methoden . Eine ausführliche Beschrei­bung der Verfahren sowie Vorschläge zur Auswahl der Parameter sind bei Taus(1996 ) und Holzmann et al. (1997) zu finden . Abb. 7.9. stellt die Approximationdes Motorken nfeldes mit dem Fuzzy-Identifikationsverfahren von Pfeiffer (1995)dar. Hier beträgt die mittlere Abweichung ~% = 2,181%.

Das Regelwerk besteht aus 23 Regeln, wobei pro Eingang jeweils sechs Zuge­hörigkeitsfunktionen verwendet werden. Dieses relativ einfache und schnelle Ver­fahren liefert in Bereichen mit großer Messdatendichte sehr gute Approximations­ergebnisse. In Randbereichen des Kennfeldes (kleiner Drosselklappenwinkel beikleiner Motordrehzahl) und in Bereichen mit wenigen Messdaten (großer Drossel­klappenwinkel bei kleiner Motordreh zahl) sind die Ergebnisse nicht befriedigend.

Bessere Ergebn isse bei geringer Messdatendichte liefert das Neuro-Fuzzy Ver­fahren von Chiu (1994). In diesem Fall liegt die mittlere Abweichung ~% bei1,344% (Abb. 7.10.).

7.1 Identifikation des Verbrennungsmotors [37

250

E 200~ 150

. . .. . . . . .. ..~~~.

~< ·~:~400050006 000

',.... .... ~ 3000Drosselklappe 20~ 2000 Motordre hzahl

[Grad ] 0 0 1000 [U/min]

100

50

o-50

-10080

c'"Eo§.9o~

Abb. 7.9. Approximation des Motorkennfeldes mit dem Fuzzy-Identi fikationsverfahren von(Pfeiffer 1995) mit sechs Zugehörigkeitsfunktionen pro Eingang

An der unter en linken Ecke des Kennfeldes ze igt sic h in Abb. 7.10 . ein ähnlichschlechtes Verh alt en wie beim Verfahren von Pfeiffer. Das Verfahren von Chiuge neriert zur Beschreibung des Motorkennfeldes automa tisc h eine Fu zzy-Strukturmit zehn Regeln und je zehn Zugeh örigkeitsfunktio nen pro Eingang .

250

E 200

~ 150C 100'"E0 50E.9 o · .'0~ -50

-100 .- ;

8060

40Drosselkl appe 20

[Grad] o 0

· · ·~ooo. ' 4000 5000

2000 3000 Motordr ehzahl1000 [Ulmin]

Abb. 7.10. Approximation des Motorkennfeldes mit dem Fuzzy Clustering-Verfahren von(Chiu 1994) mit zehn Zugehörigkeitsfunktionen pro Eingang

138 7 Ersetzen vonTeilsystemen des Fahrzeugmodells

c:Q)

EoEBo:2

o·50

-10080

6040

Drosselklappe[Grad]

I.-ll\~~"" :" . 6000.4000 5000

2000 3000 Motordrehzahlo 0 1000 [U/min]

Abb. 7.11. Approximation des Motorkennfeldes mitdem Neuro-Fuzzy-Verfahren vonlang(\ 993) mitacht Zugehörigkeitsfunktionen pro Eingang (50 Trainingszyklen)

Im Gegensatz zum Verfahren von Pfeiffer, bei dem die Zugeh örigkeitsfunkrio­nen äquidistant im Eingangsraum verteilt liegen, werden sie beim Verfahren vonChiu verschoben. Da für eine gute Approximation in stark nichtlinearen Bereicheneines Kennfeldes deutlich mehr Zugehörigkeitsfunktionen als in nahezu linearenBereichen benötigt werden, führt diese automatische Verschiebung der Zugehö­rigkeitsfunktionen gegenüber einer äquidistanten Positionierung zu einer deutli­chen Reduktion des Beschreibungsaufwands.

Ein letztes Verfahren , dessen Ergebnisse hier präsentiert werden sollen, ist dasNeuro-Fuzzy-Verfahren von lang (1993) . Bei der Approximation des Motorkenn­feldes wird hier nach 50 Trainingszyklen eine mittlere Abweichung ll%= 0,672 %erreicht (Abb. 7.11.).

Zur Kennfeldbeschreibung verwendet das Neuro-Fuzzy- Verfahren acht Zuge­hörigkeitsfunktionen pro Eingang und insgesamt 23 Regeln. In Kennfeldbereichenmit großer Messdatendichte ist die Approximation sehr gut. Im Problembereich(großer Drosselklappenwinkel bei kleiner Motordrehzahl) mit wenigen Messdatenist das Ergebn is dagegen ungenügend, obwohl die Zugehörigkeitsfunktionen imEingangsraum wie beim Verfahren von Chiu variabel verschoben werden können .

7.1.4 Vergleich der Verfahren

Um eine abschließende Einschätzung dafür zu liefern, welches der vorgestelltenApproximationsverfahren am besten zur Darstellung des Motorkennfeldes inner­halb des physikalischen Fahrzeugmodells geeignet ist, sollen die Verfahren imFolgenden auf der Basis repräsentativer Kennwerte verglichen werden . WichtigeEntscheidungskriterien bei der Auswahl sind die mittlere Abweichung ll% sowiedie Anzahl der Rechenoperationen (als Maß für die Rechenze it) zur Berechnung

7.1 Identifikation des Verbrennungsmotors 139

und Auswertung der Kennfelddarstellungen. Die entsprechenden Kennwerte sindin Tabelle 7.1 . für alle Verfahren zusammengestellt.

In den beiden rechten Spalten, die den Aufwand zur Berechnung bzw. Aus­wertung der Kennfeldapproximationen beschreiben, wurde jeweils das schnellsteVerfahren als Referenzwert gewählt. Die Zahlenwerte bei den anderen Verfahrenbeschreiben den Faktor, um den sich der Rechenaufwand gegenüber dem Refe­renzverfahren erhöht.

Es erscheint auffällig, dass die mittleren Abweichungen ~% aller Verfahren inetwa in derselben Größenordnung liegen . Die größte mittlere Abweichung entstehtbei der Approximation durch ein algebraisches Polynom, die kleinste bei Verwen­dung des Neuro-Fuzzy-Verfahrens von lang. Leider lässt die mittlere Abwei­chung, wie oben beschrieben , keine Aussage über das Extrapolationsverhalten amKennfeldrand und das Interpolationsverhalten in Bereichen geringer Messdaten­dichte zu. Eine subjektive Beurteilung des Approximationsverhaltens anhand desoptischen Eindrucks der Kennfeldverläufe ist daher unabdingbar. Nach diesemKriterium bietet eindeutig das Neuronale MLP-Netz die beste Approximations­qualität. Es verfügt über ein gutes Extrapolationsverhalten und liefert auch in Be­reichen mit einer geringen Anzahl von Messwerten sehr plausible Ergebnisse.

Beim Aufwand zur Berechnung, d.h. zur Ermittlung der Parameter der ver­schiedenen Approximationsverfahren auf der Basis gegebener Messdaten, liegendie drei Polynomverfahren klar vorn. Das schnellste Verfahren ist die Approxi­mation mit einem algebraischen Polynom. Die Fuzzy-Identifikationsverfahren,insbesondere das Neuro-Fuzzy Verfahren von lang, brauchen deutlich mehr Re­chenoperationen als die Polynomapproximatoren. Den bei weitem größten Be­rechnungsaufwand benötigen allerdings die Neuronalen Netze . Beim MLP-Netzist er etwa 166 mal, beim RBF-Netz sogar 583 mal höher als beim algebraischenPolynom. Da die Berechnung der Approximationsdarstellung nur einmal durchge­führt werden muss , ist der Aufwand zur Auswertung, d.h. zur Berechnung einesAusgangswertes Zaus hinsichtlich einer Implementierung des Motorkennfeldes imFahrzeugsimulationsmodell deutlich aussagekräftiger. Hier benötigen die Fuzzy­Darstellungen, insbesondere das Clustering-Verfahren von Chiu, das hier als Refe­renz dient, am wenigsten Rechenaufwand.

Tabelle 7.1. Vergleich der Approximationsverfahren bzgl. Güte und Berechnungsaufwand

Kennfeld­Approximations­verfahrenAlgebraisches PolynomOrthogonalesPolynomTschebyscheff-PolynomNeuronalesMLP-NetzNeuronalesRBF-NetzFuzzy-Verfahren von PfeifferFuzzy-Verfahren von ChiuFuzzy-Verfahren vonlang

MittlereAbweichungß%[%]2,6250,7450,8561,0251,0822,1811,3440,672

Aufwand zurBerechnung

1,004,322,38

166,02583,67

4,827,84

43,66

AufwandzurAuswertung

3,3726,043,322,84

21,681,091,001,17

(7.2)

140 7 Ersetzen von Teilsystemendes Fahrzeugmodells

Die Auswertung von algebraischen oder Tschebyscheff-Polynomen sowie Neu­ronalen MLP-Netzen ist etwa um den Faktor drei aufwändiger. Mit sehr großemRechenaufwand verbunden ist hingegen die Auswertung von orthogonalen Poly­nomen und Neuronalen RBF-Netzen (> Faktor 20).

Aufgrund der sehr guten Approximationsqualität des Neuronalen MLP-Net zesverbunden mit einem relati v geringen Auswertungsaufwand (Faktor 2,84) wurdedas MLP-Netz mit 2-6-1 Topologie ausgewählt, um die Charakter istik desVerbrennungsmotors im Fahrzeugsimulationsmodell nachzubilden, d.h. ein physi­kalisches Modell des Verbrennungsmotors zu ersetzen.

7.2 Identifikation der Radaufhängung

Die Identifikation des dynamischen Verhaltens einer Radaufhän gung wird im Fol­genden am Beispiel des McPherson-Federbeins am linken Vorderrad des Ver­suchsfahrzeugs dargestellt. Die Identifikation der drei übrigen Radaufhängungenerfolgte analog. Die dabei erzielten Ergebnisse sind den hier dargestellten ver­gleichbar. Die physikalische Grundlage bildet das in Abschnitt 3.6 hergeleiteteModell der Radaufh ängung gemäß GI. (3.47). Es beschreibt die physikali sche Ab­hängigkeit der Vertikalbeschleuni gung am Federdom von den vier Federwegenund den vier Federgeschwindigkeiten des Fahrzeugs. Diese lässt sich durch eindynamisches System zweiter Ordnung der Form

ZKVL = wl~VL + w 2L'l.ZVL + w 3L'l.zvR + W4&VR +w5~HL + w 6&HL + w 7L'l.ZHR + w g&HR

beschr eiben, vgl. GI. (3.47) sowie die Abb. 3. 18 und 3.19. Das Modell nach GI.(3.47) bzw. GI. (7.2) ist linear in seinen Parametern . Die Parameter w, (i = I ... 8)hängen jedoch nichtlinear vom aktuellen Arbeitspunkt, d.h. von der aktuellen Ein­federung und der Geschwindigkeit der Einfederung des Fahrzeugs ab. Die Identi­fikation der Modellparameter mit einer konventionellen Methode der Parameter­schätzung ergäbe daher mehrere Gruppen geschätzter Parameter, von denenjeweils eine Gruppe in einem begrenzten Arbeitsbereich der Radaufhängung Gül­tigkeit besäße.

Das Ziel ist es jedoch, ein parametrisches Modell des Federbeins zu erhalten,welche s dessen dynamisches Verhalten über den gesamten Arbeitsbereich hinweghinreichend gut approximiert. Daher wird zur Identifikation des nichtlinearen dy­namischen Verhalten s der Radaufhängung ein Neuronales Netz verwendet.

Betrachtet man die Struktur der GI. (3.47) bzw. GI. (7.2) genauer, so erkenntman, dass die Information über die Dynamik des Systems in den Eingangssignalenenthalten ist. Zur Identifikati on bietet sich also ein Neuronales Netz mit externerDynamik an. Darüber hinaus verlaufen die Nichtlinearitäten parallel zu den Ach­sen des Eingangsraumes. Daher wird ein Neuronale s Netz der LOLIMOT -Strukturausgewählt , da dieses eine achsenorthogonale Partitionierung des Eingangsraumesdurchführt.

7.2 Identifikation der Radaufhängung 141

8 ,..---~-----,.-----,

. .. . . . : : .

15O L..-_~~--~_-J

o 5 10Frequenz [Hz]

Abb. 7.12.Spektrale Leistungdichte des Anregungssignales der Radaufhängung

Zur Identifikation kann ein LOLIMOT-Netz mit einer Dynamik zweiter Ord­nung und den Federwegen als Eingangssignalen verwendet werden. Alternativ da­zu kann auch ein statisches LOLIMOT-Netz trainiert werden, dem sowohl die Fe­derwege als auch die Federgeschwindigkeiten als Eingangssignale aufgeschaltetwerden. Beide Netzstrukturen liefern äquivalente Ergebni sse. Im Folgenden wirddie zweite Möglichkeit näher beschrieben.

Zur Identifikation des McPherson-Federbeins am linken Vorderrad wurden dieFederwege ~Zi (i =VL, VR, HL, HR) sowie die Vertikalbeschleunigung zKVL desvorderen linken Federdom s gemessen . Die Dynamik der Radaufhängung wurdedadurch angeregt, dass das Fahrzeug an der Vorderachse manuell in eine Wipp­bewegung versetzt wurde.

Um Störungen durch das Profil der Fahrbahn zu vermeiden , wurden die Mes­sungen bei stehendem Fahrzeug durchgeführt. Das Frequen zspektrum des manu­ellen Anregungssignal s, das von oben auf die Radaufhängung aufgebracht wurde ,zeigt, dass die Eigenschwingung des Rades, deren Frequenz je nach Reifendruckbei etwa 12 bis 13 Hz liegt, praktisch nicht angeregt wird (Abb. 7.12 .). Es wird al­so lediglich die Dynamik der Radaufh ängung , nicht jedoch diejenige des Radesidentifiziert, wie es beispielsweise der Fall wäre, wenn das System von der Fahr­bahnoberfläche her angeregt würde .

Abb. 7.13. zeigt die bei diesen Messungen aufgezeichneten Signale, die als Ein­und Ausgangssignale zur Identifikation der Radaufhängung verwendet werden. Dadie Anregung in der Mitte der Vorderachse des Fahrzeugs aufgebracht wurde, sinddie Federwege an der Hinterach se des Fahrzeugs gering und können zur Identifi­kation der vorderen Radaufhängung vernachlässigt werden . Darüber hinaus kannder Einfluss des Stabilisators an der Vorderachse vernachlässigt werden . Unterdiesen Voraussetzungen kann GI. (7.2) zu der Gleichung

Z KVL = W o + WI~ZVL + W2&VL + w3~ZVR + w4~ZVR

vereinfacht werden.

(7.3)

142 7 Ersetzen von Teilsystemen des Fahrzeugmodells

n::~[-· _~~';"k' jo 500 1000 1500 2000 2500

n:~t H-f3t-,'"" j

J kJi;;~;~;Jo 500 1000 1500 2000 2500

Anzahl der Meßwerte (-I

Abb. 7.13. Im Stillstand gemessene Ein- und Ausgangssignale, die als Trainingsdatendes LOLIMOT-Netzes zur Identifikation der Radaufhängung verwendet werden

Die Parameter Wo bis W4 der GI. (7.3) sind durch die folgenden nichtlinearen ar­beitspunktabhängigen Koeffizienten definiert:

1Wo =-. F , F =Anregungskraft,

mK

(7.4)

7.2 Identifikation der Radaufhängung 143

Um GI. (7.3) mit einem LOLIMOT-Netz zu identifizieren, muss eine nichtlineareFunktion

(7.5)

(7.6)

approximiert werden . Zur Identifikation dieser Gleichung wird ein LOLIMOT­Netz mit fünf lokalen linearen Modellen ausgewählt. Die Federgeschwindigkeitenwerden durch numerische Differentiation der gemessenen Federwegsignale be­rechnet (i = VL, VR):

&Jk)=!idk)-~dk-I) , To=Abtastzeit.

Die klassische numeri sche Differentiation nach GI. (7.6) liefert unter störungs­freien Messbedingungen gute Ergebnisse. Bei Messsignalen, denen ein hochfre­quentes Rauschen überlagert ist, können durch die Bildung des Differenzenquo­tienten jedoch Fehler auftreten . Um diese Fehler auszuschließen, werden dieFederwegsignale vor der Bildung des Differenzenquotienten mit einem Butter­worth-Filter 2. Ordnung mit einer Eckfrequenz von 3 Hz tiefpassgefiltert. Da dievertikale Eigenfrequenz des Fahrwerks moderner Pkw bei etwa 1,3 Hz liegt, ent­steht durch die Filterung keine wesentliche Reduktion des Informationsgehalts inden Messsignalen .

Trainiert man das LOLIMOT-Netz mit den in Abb. 7.13. dargestellten gemes­senen Federwegsignalen und den mit GI. (7.6) berechneten Federgeschwindigkei­ten als Eingangssignalen sowie der gemessenen Vertikalbeschleunigung am vor­deren linken Federdom als Ausgangssignal, so ergibt sich ein Netz der Form

sZKVL = 2)WOi+W\i~ZVL +w2i~ZVR+w3i&VL +W4i~ZVR) ' "

i;\ (7.7)

. . . . <l>i(&VL'&VR'&VL'&VR)

mit den normierten Gauß'schen Basisfunktionen

<I>,.(x,c .,z.) = -s1'Jj

- - I -I

L1'Jjj ; 1

mit

(7.8)

(7.9)

144 7 Ersetzen vonTeilsystemen des Fahrzeugmodells

1.5r-------.-----r------r-----.-------,LOLIMOT

-10 500 1000 1500 2000 2500

1r

i phys . Modell

CD 0.5:2<Il

U.

~:::>

~.Qcl:

-0.50 500 1000 1500 2000 2500

Anzahl der Messwerte [-I

:2";~E<Il~ 0.5~~~~ O~--~:;I'" <Ilo c:~ g -0.5

Abb. 7.14. Oben: Vergleich zwischen gemessenem, mit dem physikalischen Modell simu­liertem und mit dem LOLIMOT-Netz identifiziertem Ausgangssignal. Unten: AbsoluterFehlerdes physikalischen Modells unddes LOLIMOT-Netzes.

In Abb. 7.14. sind die gemessene, die mit dem physikalischen Modell nach GI.(3.47) simulierte und die mit dem LOLIMOT-Netz identifizierte Vertikalbe­schleunigung am vorderen linken Federdom im Vergleich zueinander dargestellt.

Das LOLIMOT-Netz nähert die gemessene Beschleunigung deutlich besser anals das physikalische Modell, dessen Parameter den Datenblättern des Testfahr­zeugs entnommen wurden . Der mittlere Approximationsfehler des NeuronalenNetzes liegt bei etwa 2,5% des Maximalwertes des Ausgangssignals, der maxi­male Fehler bleibt kleiner als 15%.

Abb. 7.15 . zeigt eine dreidimensionale Darstellung der identifizierten Feder­Dämpfer-Charakteristik der Radaufhängung. Es fallt auf, dass der Arbeitsbereichdes Federbeins durch die manuelle mechanische Anregung nicht vollständig ange­regt werden kann. Da jedoch das LOLIMOT-Netz so konfiguriert ist, dass es überdie Ränder des Eingangsraumes hinaus linear extrapoliert, wird die nichtlineareCharakteristik der Radaufhängung über den gesamten Arbeitsbereich hinweg gutapproximiert.

Multipliziert man das Ausgangssignal des Neuronalen Netzes mit der gefeder­ten Masse des vorderen linken Teils der Fahrzeugkarosserie und betrachtet dieCharakteristik jeweils bezüglich einer der beiden Eingangsdimensionen, so erhältman die bekannte Darstellung der Kraft-Weg-Charakteristik der Fahrwerksfedersowie die nichtlineare Kraft-Geschwindigkeits-Kennlinie des Stoßdämpfers (Buß­hardt 1994).

7.2 Identifikationder Radaufhängung 145

o . .Federgeschw . -0.2 0

vorne li nks [m/s) -0.4 -0.02

0.06

Abb. 7.15. Kennfelddarstellung der identifizierten nichtlinearen Charakteristik der Radauf­hängung

In Abb. 7.15. ist zu erkennen, dass die resultierende Vertikalbesch leunigungder Karosserie linear vom Federweg und nichtlinear von der Federgeschwindig­keit abhängt. Gemäß der physikalischen Modellbildung nach GI. (3.47) und GI.(7.2) bedeutet dies, dass die Fahrwerksfedern der McPherson-Federbeine an derVorderachse des Fahrzeugs eine lineare Kraft-Weg-Charakteristik besitzen, wäh­rend die Stoßdämpfer nichtl ineare Kraft-Geschwindigkeits-Kennlinien aufweisen.

Die GI. (7.7) kann in eine pseudo-lineare Darstellung umgerechnet werden , de­ren arbeit spunkt-abhän gige Koeffizienten Schätzwerte der wahren Parameter desKraftfahrzeugs nach GI. (7.4) sind:

ZKVL = wo (*) +w1(*)& VL+ w2 (*) ~VL + w3(*) &VR+ W4(*) ~VR (7 .10)

mit

5

wo (*)=2:>0/11 (*) ,i=15

W!(*)=2:>litP,(*) ,i=1

5W2(*)=LW2itP, (*) ,

;=15

W3(*)=LW3;tP, (*) ,i=15

W4(*)=Lw4itP, (*) ·i=1

(7.11)

In GI. (7.10) und GI. (7.11) ist das Symbol "(*)" eine Abkürzung für den Term"(Ll ZL, LlzL, Ll zR,Ll zR)" , der die Abhängigkeit der Koeffizienten wj (*) vom Ar­

beitspunkt symbolisiert.

146 7 Ersetzen von Teilsystemen des Fahrzeugmodells

Tabelle 7.2. Koeffizientendes LOLIMOT-Netzes und errechnete Modellparameter

Index des lokalenlinearen Modells12345MittelwertNominalwert

43,664132,663142,600038,959543,174040,2121

CRKVL[kN/m]22,129416,554021,590119,745021,881020,379821,0000

wz

1,01675,7645

10,08626,56215,06065,6980

dRKVL[kNs/m]0,51532,92155,11183,32572,56482,88783,0000

Aus den Koeffizienten \V;(*) lassen sich mit GI. (7.4) Näherungswerte für dieFedersteifigkeit CRAVL der Fahrwerksfeder und den Dämpfungskoeffizienten dRKVLder linearisierten Kennlinie des Stoßdämpfers berechnen. Die Näherungswerte, dieman für die physikalischen Modellparameter erhält, sind in Tabelle 7.2. aufgelis­tet.

Weiterhin sind in Tabelle 7.2. die Nominalwerte der Feder- und Dämpferkoef­fizienten der Radauthängung angegeben. Beide Nominalwerte wurden den Daten­blättern des Testfahrzeugs entnommen. Im Falle der Federsteifigkeit konnte derNominalwert direkt den Angaben des Automobilherstellers entnommen werden.Für den Dämpfungskoeffizienten wurde der Mittelwert des Gradienten der nichtli­nearen Kennlinie des Stoßdämpfers als Nominalwert angenommen.

Die identifizierten physikalischen Modellparameter, gemittelt über die Anzahlder lokalen Modelle, weichen um weniger als vier Prozent von den angegebenenNominalwerten ab.

7.3 Identifikation der Wankdynamik

Das vereinfachte physikalische Modell zur Beschreibung der Wankbewegung derKarosserie nach GI. (3.37) beschreibt die reale Bewegung nur dann ausreichendgenau, wenn die auf die Fahrzeugkarosserie wirkende Querbeschleunigung einenGrenzwert von etwa 4 rn/s2 nicht überschreitet und der lateralen keine longitudi­nale oder vertikale Beschleunigung überlagert ist. Die Gründe für dieses Verhaltensind in den zur physikalischen Modellbildung der Karosseriebewegung getroffe­nen Vereinfachungen zu suchen:

- Die physikalischen Modellgleichungen der Karosseriebewegung basieren aufder vereinfachenden Annahme, dass die Vertikalkräfte der Radaufhängungenstets in senkrechter Richtung an der Karosserie angreifen. Im Stillstand desFahrzeugs lässt sich diese Modellvorstellung bei genauer Kenntnis der Kon­struktion des Fahrwerks durch geometrische Umrechnungen darstellen (Wür­tenberger 1997; Schwarz 1999). Im dynamischen Betrieb des Fahrzeugs jedochändert sich die Ausrichtung der Radträger im Raum ständig. Dadurch verändernsich sowohl die Lage der virtuellen Momentanachsen. um die sich die Karosse-

7.3 Identifikation der Wankdynamik 147

rie dreht, als auch die Beträge und die Richtungen der Kraftvektoren . Die dar­aus resultierenden parametrischen Fehler im physikalischen Wankrnod ell (GI.(3.37)) nehmen mit wachsender längs- und querdynami scher Beanspruchungdes Fahrzeugs zu. Im Nickmodell (GI. (3.36)) treten diese Fehler nicht auf, dain GI. (3.36) die Summen der Vertikalkräfte an den beiden Achsen des Fahr­zeugs eingehen.

- Im Rahmen der physikalischen Modellbildung wurden die Wechselwirkungender Nick- und Wankbe wegun g sowie der Paralleleinfederung des Fahrzeugsvernachlässigt. Diese Vereinfachung führt zu strukturellen Fehlern in der Si­mulation der Wankbewegung, wenn das Fahrzeug beispielsweise gleichzeitiggelenkt und abgebremst wird. In der Simulati on der Nickbewegung dagegenentstehen Fehler , die vernachlässigt werden können .

- Genauere Untersuchungen der Nick- und die Wankbew egung moderner Pkwhaben gezeigt, dass diese kein statisches (vgl. GI. (3.36) und (3.37)), sondernein dynamisches Verhalten zweiter Ordnung aufweisen (GilIespie 1992; Ger­mann 1997; Würten berger 1997). Die Eigenfrequenz der Nickbewegung desTestfahrzeugs beispielsweise liegt je nach Beladun g des Fahrzeugs zwischen 2und 3 Hz, die der Wankbew egung zwischen 8 und 11 Hz.

Eine physikalische Modellbildung der Wankbe wegung, in der alle genanntenEffekte berücksichtigt werden, müsste die exakte Beschreibung aller konstrukti­ven Detail s des Fahrwerks beinhalten und daher für jedes Fahrzeug neu durchge­führt werden. Darüber hinaus wären die resultierenden Modellgl eichungen sehrkompl ex, kaum noch zu handhaben und nicht mehr online berechenbar.

Dennoch ist eine exaktere Modellbildung insbesondere der Wankbewegung derKarosserie notwendig. Um die dynamische Wankbewegun g des Fahrzeugs überden gesamten stabilen Bereich der Fahrdynamik hinweg echtze itfähig abbilden zukönnen, werden daher im Folgenden dynamische Neuronale Netze zur Ident ifika­tion der Wankbe wegung des Fahrzeugs eingesetzt.

Das physikalische Modell der Nickbewegung der Karosserie nach GI. (3.36) istfür die in der Praxis vorkommenden niederfrequenten Anregungssignale ausrei­chend genau und braucht daher nicht weiter betrachtet zu werden.

Zur Identifikation der Wankbewegung mit einem dynamischen NeuronalenNetz müssen zunächst geeignete Ein- und Ausgangsgrößen des Netzes sowie dieNetzstruktur festgelegt werden .

Betrachtet man die vereinfachte physikalische Momentenbilanzgleichung umdie Wankach se des Fahrzeugs (GI. (3.37)) so stellt diese einen funktionalen Zu­sammenhang der folgenden Form dar:

K = t( FZRKVL' FZRKVR,FZRKHL ' FZRKHR ' FYF ) . (7.12)

Da in keinem der Versuchsfahrzeuge Kräfte gemessen werden können, müssenals Eingang sgrößen des dynamischen Neuronalen Netzes die entsprechenden ge­messenen Besch leunigungen verwendet werden. Anstelle der Vertikalkräfte der

148 7 Ersetzen von Teilsystemen des Fahrzeugmodells

Radaufhängungen werden die am Federdom der jeweiligen Radaufhängung ge­messenen Vertikalbeschleunigungen der Fahrzeugkarosserie verwendet. Dieseverhalten sich proportional zu den auf die Karosserie wirkenden Vertikalkräften ,wobei als Proportionalitätsfaktor die jeweilige anteilige Masse mKi (i = VL, VR,HL, HR) der Karosserie eingesetzt werden kann.

Analog wird an Stelle der Zentrifugalkraft FYF die gemessene Querbeschleuni­gung YF verwendet, die mit der Gesamtmasse mK der Karosserie proportional mitder Zentrifugalkraft verknüpft ist:

(7.13)

Zur Berücksichtigung der Kopplung zwischen Wanken, Nicken und Parallel­einfederung der Karosserie werden darüber hinaus die Nickbeschleunigung iP unddie messbare Vertikalbeschleunigung zK des Karosserieschwerpunkts als zusätzli­che Eingangsgrößen des Neuronalen Netzes verwendet. Die die Wankbewegungder Fahrzeugkarosserie beschreibende Funktion lautet damit:

(7.14)

In den Testfahrzeugen sind nicht die Nick- und Wankwinkelbeschleunigung derKarosserie, sondern die entsprechenden Winkelgeschwindigkeiten messbar. Umdirekt die gemessene Wankwinkelgeschwindigkeit identifizieren zu können, müs­sen die an der Karosserie gemessenen Beschleunigungen einmal aufintegriertwerden.

Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass eine fehleranfällige zeitliche Ab­leitung der gemessenen Drehraten vermieden wird. Darüber hinaus werden diegemessenen Beschleunigungssignale durch die zeitdiskrete Integration tiefpassge­filtert, wodurch hochfrequente Rauschanteile aus den Messsignalen herausgefiltertwerden . Die durch die Integration entstehende Phasenverschiebung der Signaleum einen Abtastschritt wurde korrigiert. Damit ergibt sich die durch das Neuro­nale Netz zu approximierende Funktion zu

(7.15)

Zum Training und zur anschließenden Generalisierung des Neuronalen Netzesmüssen Ein- und Ausgangsdaten verwendet werden, welche die Dynamik desSystems genügend anregen und den Wertebereich der Ein- und Ausgangsgrößenmöglichst gut abdecken. Aus diesem Grunde wird sowohl der Datensatz zumTraining als auch derjenige zur Generalisierung des Neuronalen Netzes aus Mess­daten mehrerer Wedelfahrten und Spurwechselmanöver zusammengesetzt, welchebei unterschiedlichen Geschwindigkeiten durchgeführt wurden (Abb. 7.16. undAbb.7.I7.).

7.3 Identifikation der Wankdynamik 149

12001000800600400200

A B c D. E .F

./1.

~:'n .~ AI I.

.~

. ~.. ·u .' . . ...

~

" .. . ..

>---.:....:..::.

200

-200o25

~. '11' '11'

\i' V. ~IVy .. ..

1200

1200

1200

1000

1000

1000

800

800

600

600

400 600 800Anzahl der Meßwerte [-I

400

400

200

200

20010o10

i 5Ol

• c:~ ::l~ .~ 0O§

Q)

~ -5.8

-10o0.5~----:::";":"r-----r:---n-':"-'_-'---"'-'Tr--r.....---,

~<0

~:;-.~ ~~ .2'-"'-0~ .S?;!

~Q)

0l.0.5 L ..L-L__..L-__--lu... .......__..L...J..JL......:.......L........L-....J

o

Abb. 7.16. Charakteristische Größen der zur Identifikation der Wankdynamik verwendetenTrainingsdaten. Der Datensatz wurde aus einer langsamen (A), einer mittleren (B) und ei­ner schnellen (C) Wedelfahrt, sowie einem langsamen (D), einem mittleren (E) und einemschnellen (F) Spurwechselmanöver zusammengesetzt. Im oberen Teilbild ist der Lenkwin ­kel, in den beiden unteren Teilbildern sind die Querbeschleunigung und die Wankwinkel­geschwindigkeit des Fahrzeugs dargestellt.

150 7 Ersetzen von Teilsystemen des Fahrzeugmodells

.. .. - ..

>---

A. B C. 0 E .F

. . .... . .

~v 'y': ~ ...

~ :Ir

. ~I~·

~. .. ~. ...... . . . . . .. .. . .. . . .

200

-200o25

200 400 600 800 1000 1200

~~ . ~. ~ .f-., ~ \ll 1 I~

.. ~ .V. ... y' .

1200

1200

1200

1000

1000

1000

800

800

600

600

400 600 800Anzahl der Meßwene H

400

400

200

200

20010o10

i 5Cl

• C~ ::l~ 2' 0O §

Q)

:E -5~.8

-10o0.5r-- - -.--- -r-,-- - ---,-,--- - r----,ro-...--- ...--or----,

'$-gii=~ ·iV

1~~ 5~ 1

:1lQ)Cl-0.5'--__.......__-'--'--__.....L.I..-__-'--_....L..----L_----l_-'------J

o

Abb. 7.17. Charakteristische Größen der zur Identifikation der Wankdynamik verwendetenGeneralisierungsdaten. Der Datensatz wurde ebenso wie der Trainingsdatensatz aus Wedel­fahrten (A,B,C) sowie Spurwechselmanövem (D,E,F) bei unterschiedl ichen Ge­schwindigkeiten zusammengese tzt.

Aufgrund der hohen Eingangsdimension des Netzes wird auf die explizite Dar­stellung aller Eingangsgrößen verzichtet. Statt dessen sind in Abb. 7.16. und Abb.7.17. einige charakteristische Größen der zum Training bzw. zur Generalisierungdes Netzes verwendeten Messfahrten dargestellt. Der jeweils im oberen Teilbild

7.3 Identifikation der Wankdynamik 151

dargestellte Verlauf des Lenkradwinkels stellt das Anreg ungssignal der querdy­namischen Fahrzeugbewegung dar . Die Reaktion des Fahrzeugs auf diese Anre ­gung ist in den Verlä ufen der Querbeschleunig ung und der Wankwinkelgeschwin­digkeit dokumentiert, welche in den beiden unteren Teilbi ldem darges tell t sind.Die Abtastzeit betrug 5 ms. Insbesondere an den hohen Beträgen der Querbe­schleunigung (bis ca. 9 m/s2

) in Abb. 7.16. und Abb. 7.17. ist zu erkennen, dassdie Querdynamik und die Wankbewegung des Fahrzeugs tatsächlich bis an dieGrenze der Fahrstabilität angeregt wurde .

Die gemessene Wankwinke lgeschwindigkeit bildet die zu identifizierende Aus­gangsgröße (vgl. GI. (7.15)) . Zu ihrer Identifikation werden die drei Typen Neu­ronaler Netze herangezogen , die in den vorangehenden Abschnitten beschriebenwurden . Gemäß dem A-priori-Wissen aus physikalischen Untersuchungen (Gi l­lespie 1992; Würtenberger 1997), wurden alle Netze mit einer Dynamik zweiterOrdnung trainiert . In Abb. 7.18. sind die Ergeb nisse der Approximation der Trai­nings- und der Generalisierungsdaten durch die verschiedenen Typen NeuronalerNetze im Vergleich zueinander dargestellt.

Abb . 7.18. zeigt , dass der mittlere quadratische Fehler (MSE) der beiden Netz­typen mit externer Dynamik bezüglich der Trainingsdaten mit zunehmender An­zahl lokaler Modelle mono ton fallend verläuft. Der Fehler bezüg lich der Generali­sierungsdaten hingegen hat ein Minimum bei der zur Approximation desnicht linearen Systemverhalten s opt imalen Netzkonfiguration. Wird die Anzahl lo­kaler Modelle und damit die Komplexität des Netzes weiter erhöht, so steigt derFehler wieder an. Diese typischen Fehlerverläufe stimmen mit theoretischen Un­tersuchungen zum Konvergenzverhal ten Neuron aler Netze überein (Haykin 1994;Sjöberg 1995; Isermann et al. 1997).

Die Fehlermaße der jeweils optimalen Struktur jedes Netztyps sind in Tabelle7.3. einander gegenübergestellt. Als Maß für den Rechenaufwand und die Onli ne­Fähigkeit der Netze sind in Tabelle 7.3. darüber hina us die relativen Trainings­zeiten der Netze mit eingetragen .

Die DMLP-Netze zeigen die niedrigsten Fehlermaße sowohl bezüglich derTrainings- als auch bezüglich der General isierungsdaten. Sie benötigen allerdingsauch die bei weitem längste Tra iningszeit (Tabe lle 7.3.). Aufgrund der starkenAbhängigkeit der Approximationsleistung von der Anfangsinitialisierung sind diemit den DMLP-Ne tzen erzielten Ergebnisse, im Gegensatz zu den Netzen , die lo­kale Mode lle verwenden, jedoch kaum reproduzierbar.

Tabelle 7.3. Vergleich der Approximationsleistung der verschiedenen Neuronalen Netze

Typ des Anzahl MSEbzgl. MSEbzgl. Absolute RelativeNeuronalen Modelle! Trainings- Generalisie- Trainingszeit TrainingszeitNetzes Neuronen Daten rungsdaten [s] [-]

[-] [%] [%]LOLIMOT 4 0,28 0,47 12,4 1,00HHT 6 0,11 0,34 167,0 13,47DMLP 6 0,09 0,17 605,5 48,83

152 7 Ersetzen vonTeilsystemen des Fahrzeugmodells

9

:z: 4 X10 -~

Q; : / HHT :Cf) 1 .. ,' ... ,. ,'. .. ,', .. . . .E::i0.52 3 4 5 6 7 8

Anzahl der Modelle I Neuronen H9

... 6 x10 -J- .~ 5.5 ./~OLl~OT:' ...: ...Lf 5

!4.: :: : :::: :.; ~~!;:::1§ 3.5 r •••• -";~-'-'-~"":---1-e~ 3 .. -:... : ... : : : .. -:. . .~ 2.5 : / DMLp, : ; ... ' .Q; 2 v r __ . ~ ;/. .. : .

~ 1.52 3 4 5 6 7 8

Anzahl der Modelle I Neuronen [-I

Abb. 7.18. Vergleich der Approximationsgüte der drei verschiedenen Netztypen in Abhän­gigkeitder Netzstruktur. Linksist der mittlere quadratische Fehlerbezüglich der Trainings­daten, rechtsist der Fehlerbezüglich der Generalisierungsdaten aufgetragen.

In Abb. 7.18 . und Tabelle 7.3. fällt auf, dass die LOLIMOT-Netze das Mini­mum ihres Approximationsfehlers bezüglich der Generalisierungsdaten mit einergeringeren Anzahl lokaler Modelle erreichen als es bei den Hinging HyperplaneTrees der Fall ist. Allerdings liegen die Absolutwerte des Trainings- und des Ge­neralisierungsfehlers bei den Hinging Hyperplane Trees deutlich niedriger als beiden LOLIMOT-Netzen. Daraus kann man schließen, dass die achsenorthogonalePartitionierung des Eingangsraumes, die der LOLIMOT-Algorithmus durchführt,unabhängig von der Netzkomplexität eine Einschränkung der Freiheitsgrade zurApproximation der Nichtlinearität des Systems darstellt. Die Hinging HyperplaneTrees, welche das Verfahren der Kammlinienprojektion (ridge construction) zurBeschreibung der Lage der Nichtlinearität verwenden, unterliegen dieser Ein­schränkung nicht (NelIes et al. 1997). Fasst man diese Beobachtungen zusammen,so ist ein HHT-Netz mit sechs Hinge-Funktionen und einer Dynamik zweiter Ord­nung am besten geeignet, die nichtlineare dynamische Wankbewegung der Fahr­zeugkarosserie zu approximieren. Daher wird dieses Netz im semiphysikalischenModell der Fahrzeugvertikaldynamik eingesetzt.

In Abb. 7.19. und Abb. 7.20. sind die Approximationen der Trainingsdaten undder Generalisierungsdaten durch das HHT-Netz in der oben angegebenen Konfi­guration und durch das physikalische Modell nach GI. (3.37) im Vergleich zuein­ander dargestellt. Die Identifikationsergebnisse des HHT-Netzes bezüglich derGeneralisierungsdaten sind mit denen der Trainingsdaten vergleichbar. Lediglichwährend der Spurwechselfahrten treten etwas höhere absolute Fehler auf als es inder Simulation des Datensatzes, mit dem das Netz trainiert wurde, der Fall ist.

Man erkennt in beiden Datensätzen, dass die gemessene Wankwinkelge­schwindigkeit durch das HHT-Netz sowohl während der Wedelfahrten als auchwährend der Spurwechselmanöver gleichmäßig gut abgebildet wird. Das HHT­Netz benötigt lediglich zu Beginn eine gewisse Zeit zum Einschwingen, wodurchdie hohen absoluten Approximationsfehler bezüglich der ersten Datenpunkte zu­stande kommen.

7.3 Identifikation der Wankdynamik 153

0.5 r-----,-----,.---.,.-----.------,---..,....--,'in

1200

1200

1200

1000

1000

1000800

800600

600

elZ

400

400

anscbes odell :

200

200

200 400 600 800Anzahl der eßwerte H

-0.50

0.5 r--- - -,...- - - ,.--- - -,...- - - .,.-- - -,...- - - -r----,;3

~ -02

~ -0 .4 L..-__........ .L...-__ --'- ""---__ --'- -'-___'

o

-",,'"

i-""~ 'E

~iIII

-0.5 O':---:-'-:--~-=-------:~--~:---~:-:-....:....-~---'

_ 0.4.-- - -,...- - - .,.-- - -r- - - .,.-- - -r- - - .,.....--,;3~ 0 .2.2su.

Abb. 7.19. Vergleich der Approximation der Trainingsdaten mit einem Hinging Hyper­plane Tree mit sechs lokalen Modellen, einer Dynamik zweiter Ordnung und dem physika­lischen Modell der Wankdynamik nach GI. (2.37). Im oberen Teilbild sind die gemesseneund die mit dem HHT-Netz identifizierte Wankwinkelgeschwindigkeit im Vergleich darge­stellt. Das mittlere Teilbild zeigt den Vergleich zwischen der gemessenen und der mit demphysikalischen Modell simulierten Wankwinkelgeschwindigkeit. Im unteren Teilbild sinddie absoluten Fehler der beiden Modelle dargestellt.

Die mit dem physikalischen Modell simulierte Wankwinkelgeschwindigkeit inAbb. 7 .19. und Abb . 7.20. weist sowohl während der Wedelfahrten als auch in denSpurwechselmanövern deutliche Abweichungen zur gemessenen auf. Insbesonde­re das dynamische Nachfedem der Karosserie nach dem Spurwechsel des Fahr­zeugs wird vom physikalischen Modell nur sehr unzureichend abgebildet. Nacheinem leichten Überschwinger stellt sich im Fahrzeugmodell schnell der stationäreWert der Wankwinkelgeschwindigkeit ein , während das reale Fahrzeug ein deut­lich ausgeprägteres Schwingungsverhalten mit mehreren Überschwingphasenaufweist.

154 7 Ersetzen von Teilsystemen des Fahrzeugmodells

1200

1200

1200

1000

1000

1000

800

800

600

600

400

400

400 600 800Anzah l der Meßwerte H

"p~ySikaIiSChe~ Mode ll

200

200

200

..~. ~ : ~ : : ..physikal isches Modell : : :. .

. . . .HHT·Netz · . ../. : : : ~ .

. . ,

0.5 ...--- - ,..-- - -,-- - ---,-- - - .----- ....,.......,.-- - --r----,

s'""t=

~~3: .Ql 0 IH 'U 'L'I.'xuc: c:~~

U<JlCIlcn-0.5

0'--- - --'-- - - '--- - --'-- - - '--- - --'-- - - -'-----'

0.5 ...--- - --r- - - r-----r- - - r-- --.,..--r- - - ..,....---,

~'"-ä;=­

~ .ä)

~:2>c:l?~i

:l!8,

.0 .50

_ 0.4 ...------r---...------r- --r-----r---r----,~~ 0.2Ci;zCIlu.Ci;~ ·0.2<Jl.0<t .0 .4 l..-__ ---' --'- -'- -L.. ....... .........----J

o

Abb. 7.20. Vergleich der Approximation der Generalisierungsdaten mit einem HingingHyperplane Tree mit sechs lokalen Modellen, einer Dynamik zweiter Ordnung und demphysikalischen Modell der Wankdynamik nach GI. (2.37). Im oberen Teilbild sind die ge­messene und die mit dem HHT-Netz identifizierte Wankwinkelgeschwindigkeit im Ver­gleich dargestellt. Das mittlere Teilbild zeigt die gemessene und die mit dem physikali­schen Modell simulierte Wankwinkelgeschwindigkeit. Unten sind die absoluten Fehler desNeuronalen und des physikalischen Modells dargestellt.

Da es nicht möglich war, diese Elastizitäten zu identifizieren und in Form zu­sätzlicher dynamischer Modellkomponenten in das physikalische Fahrzeugmodelleinzubringen, ist das physikalische Modell nicht in der Lage, die Dynamik derWankbewegung ausreichend genau abzubilden. Daher sind die absoluten Fehlerdes physikalischen Modells insbesondere während der Simulation der Spurwech­sel extrem hoch.

7.4 Strukturdes semiphysikalischen Fahrzeugmodells 155

7.4 Struktur des semiphysikalischen Fahrzeugmodells

Nachdem die nichtlineare Charakteristik des Verbrennungsmotors sowie dienichtlinearen dynamischen Bewegungen des Fahrwerks und der Fahrzeugkarosse­rie auf der Basis verschiedener Typen von Neuronalen Netzen identifiziert wur­den, müssen die Neuronalen Teilmodelle nun in das physikalische Fahrzeugmo­deli integriert werden .

Die nichtlineare statische Charakteristik des Verbrennungsmotors wurde aufder Basis eines Neuronalen MLP-Netzes in 2-6-1 Netztopologie identifiziert. Die­ses Neuronale Netz wird nun zur ModelIierung des nichtlinearen statischen Mo­torkennfeldes in das physikalische Fahrzeugmodell integriert. Das resultierendenichtlineare Modell des Verbrennungsmotors ist in Abb. 7.21 dargestellt.

Zur Abbildung des dynamischen Verhaltens der Radaufhängungen haben sichdie statischen LOLIMOT-Netze als am besten geeignet erwiesen (vgl. Abschnitt7.2). Daher wird im physikalischen Modell des Fahrwerks (vgI. Abschnitt 3.6) dasentsprechende physikalische Teilmodell der Radaufhängung (vgl. Abb. 3.19.)durch dasjenige LOLIMOT-Netz ersetzt, welches mit den an diesem Radträgeraufgenommenen Ein-/Ausgangsdaten trainiert wurde . Dabei ist zu beachten, dassdie Verarbeitung der Eingangsgrößen und die Berechnung der Ausgangsgrößendes physikalischen Teilmodells der Konfiguration der identifizierten LOLIMOT­Netze angepasst werden muss. Den Aufbau des resultierenden semiphysikalischenModells des Fahrwerks, in dem die physikalischen Modelle der Radaufhängungenjeweils durch ein LOLIMOT-Netz ersetzt wurden , zeigt Abb. 7.22..

Betrachtet man die Struktur des Modells in Abb. 7.22. genauer, so erkennt man,dass physikalische Gesetzmäßigkeiten und Parameter nur noch zur Berechnungder Eingangsgrößen der Neuronalen Netze sowie zur Anpassung der Netzausgän­ge an die im Fahrzeugmodell definierten Schnittstellen (vgI. Abb. 3.1 und 3.19.)herangezogen werden . Es existieren jedoch keine physikalischen Teilmodellemehr, die das nichtlineare dynamische Verhalten bestimmter Komponenten desFahrwerks abbilden. Daher kann das semiphysikalische Modell des Fahrwerksauch als rein experimentelles Modell der Relativbewegungen zwischen den Rä­dern und der Karosserie des Fahrzeugs interpretiert werden .

Motorkennfeld M..I

~~r~: :Abb. 7.21. Semiphysikalisches Teilmodelldes Verbrennungsmotors. Das nichtlinearestati­sche Kennfelddes Verbrennungsmotors wird durch ein NeuronalesNetz modelliert, das imBild als Motorkennfeld dargestellt ist. Die dynamische Totzeit in der Charakteristik desVerbrennungsmotors ist durch ein physikalisches Modellabgebildet.

156 7 ErsetzenvonTeilsystemen des Fahrzeugmodells

•cCI>Clc::>Clc:,'"e::>

'"'0'"a:Gi'0!!!äi'8::EVICI>'0• eCI>~g.Clc:'"Cl

'":>«

LOLIMOTRadauf­hängung

HL

LOLIMOTRadauf­hängung

HR

LOLIMOTRadauf­hängung

VR

LOLIMOTRadauf­hängung

VL

+

+

+

J

Abb. 7.22. Aufbau des semiphysikalischen Modells der Radaufhängungen mit den Schnitt­stellen zu den benachbarten Teilmodellen(vg1. Abb. 2.1.). Die experimentellen Teilmodellesind doppelt eingerahmt.

Zur Beschreibung der Wankbewegung der Karosserie wird das in Abschnitt 7.3identifizierte Hinging Hyperplane Netz verwendet. Analog der Vorgehensweisebei der Modellbildung des Fahrwerks wird nun auch im Modell der dynamischenKarosseriebewegungen das entsprechende physikalische Teilmodell der Wankbe­wegung durch das HHT-Netz mit der identifizierten Struktur und Parametrierungersetzt (Abb. 7.23 .).

Anhand der Eingangsgrößen des HHT-Netzes in Abb. 7.23 ist zu erken nen,dass das Neuronale Netz die Wankbewegung der Karosserie in Abhängigkeit derLängs- und der Querbeschleunigung des Fahrzeugs beschreibt. Im Gegensatz zurphysikalischen Beschreibung der Rotationsbewegungen der Karosserie gemäß GI.(3.36) und (3.37) beschreibt das HHT-Netz das Wanken der Karosserie also nichtentkoppelt von deren Nickbewegung. In das neuronale Modell der Wankbewe­gung der Fahrzeugkarosserie geht vielmehr die Überlagerung beider Rotationsbe­wegungen der Karosserie ein. Dies führt zu einer deutlichen Verbesserung derGüte des Vertikaldynamikmodells (vgl. Abschn . 7.3) .

7.5 Zusammenfassung 157

HHTWank­

dynam ik

Nick- 11-'11,--' -,-t-+tdynamik

E~ '-'F"""= -t-_~

~~J!!-c.~ sc: c:'5.&(/.,..5

a::i:l

Abb. 7.23. Struktur des semiphysikalischen Modells der Fahrzeugkarosserie mit denSchnittstellen zu den benachbarten Teilmodellen. Dasexperimentelle Teilmodell ist doppelteingerahmt. Die Berechnung der Vertikalgeschwindigkeiten der vier Kontaktpunkte zwi­schenden Federdomen undder Karosserie ist in einem Blockzusammengefasst.

Vergleicht man die semiphysikalischen Modelle des Fahrwerks (Abb. 7.22.)und der Karosserie (Abb. 7.23.) miteinander, so fällt auf, dass im Gegensatz zumFahrwerkmodell im Modell des Fahrzeugkarosserie nicht alle physikalischenTeilmodelle durch Neuron ale Netze ersetzt wurden . Daher handelt es sich im Falldes Karosseriemodells um ein semiphysikalisches Modell , wohingegen das Mo­dell des Fahrwerks genaugenommen ein rein experimentelles Modell ist.

7.5 Zusammenfassung

Kapitel 7 beschreibt den Aufbau von hybriden Modellstrukturen durch Ersetzenvon Teilkomponenten des physikalischen Fahrzeugmodells. In Abschnitt 7.1 han­delt es sich bei der zu ersetzenden Komponente um die Charakteristik des Ver­brennungsmotors, die physikalisch nur sehr aufwändig zu modellieren ist. DieMotorcharakteristik wird in Form einer dreidimensionalen Kennfelddarstellung indas Fahrzeugmodell integriert.

Zunächst werden in diesem Kontext verschiedene Verfahren , die eine Appro­ximation von Kennfeldern auf der Basis gegebener Messdaten ermöglichen , vor­gestellt. Hierbei handelt es sich um Polynomverfahren, Neuronale Netze sowieFuzzy-Identifikationsverfahren. Vor- und Nachteile dieser Verfahren werden am

158 7 Ersetzen von Teilsystemen des Fahrzeugmodells

konkreten Beispiel der Motorkennfelddarstellung herausgearbeitet. Abschließenderfolgt ein Vergleich der Verfahren hinsichtlich der Approximationsgüte und desbenötigten Rechenaufwands.

In den folgenden Abschnitten wurden die Radaufhängungen und die Wankbe­wegung des Fahrzeugs auf der Basis dynamischer Neuronaler Netze identifiziert.Zu Identifikation wurden aus der Klasse Neuronaler Netze mit externer Dynamikdie Local Linear Model Trees und die Hinging Hyperplane Trees herangezogen.Aus der Gruppe der Netze mit interner Dynamik wurden die dynamischen Multi­Layer-Perzeptron Netze verwendet. Die untersuchten Netztypen wurden bezüglichihrer Komplexität, dem Zeitaufwand zum Training und ihrer Identifikationsleis­tung miteinander verglichen.

Zur Identifikation des nichtlinearen dynamischen Verhaltens der Radaufhän­gungen haben sich die Local Linear Model Trees als am besten geeignet erwiesen.Sie zeichnen sich durch sehr kurze Trainingszeiten aus. Darüber hinaus bieten siedie Möglichkeit, aus den identifizierten Parametern der lokalen linearen Modelledie realen physikalischen Parameter der Radaufhängungen in den jeweiligen Ar­beitspunkten zu berechnen.

Zur Abbildung der Wankdynamik des Fahrzeugs wurde ein Hinging Hyper­plane Tree eingesetzt. Dieses Netz bildet den besten Kompromiss zwischen Trai­ningsdauer, Approximationsleistung und Stabilität bezüglich aller betrachtetenFahrten.

Die physikalischen Teilmodelle und die Neuronalen Netze wurden zu einemsemiphysikalischen Fahrzeugmodell integriert. Dabei wurden die entsprechendenTeilmodelle des physikalischen Fahrzeugmodells durch die experimentell ermit­telten Modelle ersetzt. Das resultierende semiphysikalische Gesamtmodell bildetdie Grundlage der im nächsten Kapitel beschrieben Beobachterentwürfe zur Adap­tion des Fahrzeugmodells an zeitlich veränderliche Umwelteinflüsse.

8 Kopplung physikalischer und experimentellerModelle

Nachdem in Kapitel 7 gezeigt wurde, wie ein semiphysikalisches Hybrides Modelldurch das Ersetzen von Teilkomponenten des physikalischen Modells erzeugtwerden kann, beschäftigt sich dieses Kapitel mit der zweiten, in Kapitel 6 vorge­schlagenen Hybriden Modellstruktur, der externen Kopplung physikalischer undexperimenteller Modelle . Während das physikalische Modell des Kraftfahrzeugs(vgl. Kap. 3) an dieser Stelle als unveränderlich bzw. als gegeben angenommenwird, ermöglicht der zusätzliche Einsatz eines lernfähigen Systems und dessenstrukturelle Kopplung mit dem physikalischen Modell die Kompensation para­metrischer Modellfehler.

Das Verbesserungspotential, das in diesem Ansatz zur Adaption des Fahrzeug­simulationsmodells an sich verändernde Rahmenbedingungen steckt , soll anhandzweier Beispiele demonstriert werden. Bei den zu kompensierenden Einflüssenhandelt es sich einerseits um eine zusätzli che Beladung des Fahrzeugs , anderer­seits um eine durch den Übergang von einer trockenen auf eine nasse Fahrbahn­oberfläche verursachte Veränderung des Fahrbahnreibwertes.

Grundsätzlich ist es denkbar , als lernfähiges Teilsystem innerhalb des HybridenModells diverse Typen Neuronaler Netze, mit denen die Approximation eines dy­namischen Systemverhaltens realisierbar ist, einzusetzen . Inder Literatur wird al­lerdings meistens auf die im Kapitel 6 bereits vorgestellten, vorwärtsgerichtetenMLP- oder RBF- Netze zurückgegriffen. Beispielhafte Anwendungen für hybrideModelIierungen unter Verwendung von MLP-Netzen sind bei liguni et al. (1991)oder Su und McAvoy (1993) zu finden . Hybride Strukturen mit RBF-Netzen wur­den z.B. von Kramer et al. (1992) , Thompson u. Kramer (1994) oder McDowell etal. (1996) untersucht.

Darüber hinaus wurden Hybride Modellstrukturen unter Verwendung von Lo­cal Linear Model Tree Netzen (LOUMOT, vgl. Kap. 6) untersucht. Dieses Ver­fahren ist insbesondere wegen seiner für Neuronale Netze sehr schnellen Trai­ningszeiten schon in diversen Anwendungen erfolgreich zur ModelIierung nicht­linearer Systeme eingesetzt worden (NelIes 1999).

160 8 Kopplung physikalischerund experimentellerModelle

8.1 Adaption des Fahrzeugmodells an veränderlicheFahrzeugmassen

Als erstes Beispiel einer Kopplung von physikali schen und experimentellen Mo­dellen soll an dieser Stelle ein Hybrides Modell zur Kompensation des parametri­schen Modellfehlers, welcher sich aus einer Veränderung der Fahrzeugmasse er­gibt, betrachtet werden. Im Gegensatz zu der in Kapitel 4 vorgestellten direktenSchätzung der Fahrzeugmasse soll allerdings hier der Parameter Masse nicht di­rekt bestimmt, sondern nur dessen Einfluss auf die Simulation kompensiert wer­den.

Ein erster Eindruck von den durch Massenveränderungen bedingten negativenAuswirkungen auf die Güte der Fahrzeugsimulation wurde bereits in Kapitel 4.2am Beispiel einer Bremsung vermittelt (vgl. Abb. 4.1). In diesem Abschnitt sollnun beispielhaft anhand von verschiedenen Bremsungen gezeigt werden, wie derVerlauf der simulierten Längsbeschleunigung trotz veränderter Fahrzeugmassendurch Verwendung Hybrider Modelle stark verbessert werden kann.

8.1.1 Struktur des Hybriden Modells

Zur Kompensation des durch eine Masseveränderung bedingten Modellfehlerswurden verschiedene der in Abschnitt 6.3 vorgeschlagenen Architekturen zurKopplung des physikalischen Fahrzeugmodells mit einem LOLIMOT-Netz unter­sucht. Hierbei wurden LOLIMOT-Netze mit diversen Kombinationen von Ein­und Ausgangsvariablen sowie verschiedenen Ordnungen externer Dynamik ver­wendet .

Als Ergebnis dieser Untersuchungen ist festzuhalten, dass es nur bei Verwen­dung von seriellen Modellen mit Wiener-Struktur möglich war, den massebe­dingten Modellfehler signifikant zu reduzieren. Serielle Modelle mit Hammer­stein-Struktur sowie parallele Modellansätze brachten gegenüber dem rein physi­kalischen Fahrzeugmodell keine oder nur sehr geringe Verbesserungen der Mo­dellgüte, durch die der zusätzliche Aufwand an Rechenzeit nicht gerechtfertigt er­scheint.

Abb. 8.1. zeigt den Aufbau des seriellen Modells mit Wiener-Struktur, mit demdie besten Ergebnisse bei der Reduktion des Modellfehlers erzielt werden konn­ten. Das LOLIMOT-Netz ist hierbei dem physikalischen Fahrzeugmodell nachge­schaltet. Zur besseren Übersicht sind in Abb. 8.1. nur diejenigen Ein- und Aus­gangsgrößen explizit dargestellt, die im Rahmen des Trainings oder der Generali­sierung des Hybriden Modells verwendet werden.

Als Eingänge für das physikalische Fahrzeugmodell dienen, genau wie im Ver­suchsfahrzeug, der Drosselklappenwinkel ~A und der Bremsdruck PB . Um die Di­mension des LOLIMOT-Eingangsraums zu reduzieren, werden für das NeuronaleNetz die beiden Größen ~A und PBnicht separat als Eingänge vorgegeben .

8.1 Adaption des Fahrzeugmodells an veränderliche Fahrzeugmassen 161

eP

A x.......Versuchs-

" fahrzeug

.r: I "\ x......Physikal isches

Fahrzeugmodell

I + ev. ....

>---I-~.. x.......~ LOLIMOT--

t.1~.~+ ~XF.LOUtoIOT = XF..... .

\.. :....................................

Hybrides Modell

(8.1 )

Abb. 8.1. Hybrides Modell zur Kompensation von Veränderungen der Fahrzeugmasse

Da vom Fahrer die Drosselklappe und die Bremse im Allgemeinen nicht gleich­zeitig betätigt werden , reicht es, dem Netz die auf den Wertebereich [-I ; I) nor­mierte Differenz ~A - PB aus beiden zuzuführen . Die zweite Eingangsvariabl e fürLOLIMOT ist die vom physikalischen Modell simulierte Fahrzeuggeschwindig­keit VF,PM. Um mit LOLIMOT ein dynamisches Modell zu schät zen, werden alszusätzliche Eingänge die jeweils um zehn Abtastschritte (entspricht hier IOms)verzögerten Wert e von VF.PM und der Differenz ~A - PB verwendet.

Die allgemeine Gleichung zur Bestimmung des Ausgangs des Hybriden Mo­dell s XF.HM ' der wegen der seriellen Anordnung direkt dem LOLlMOT-Ausgang

x F.LOLIMOT entspricht, lautet :.. ..x F.HM = xF.LOUMOT

= NN([ tJA - P B )(k),[tJA - PB )(k -10),

VF•PM (k) , VF•PM (k -10), w,4» .

Die Bestimmung der LOLIMOT-Parameter w und <I> erfolgt mittel s des zuvor be­schriebenen LOLIMOT Trainingsverfahrens auf der Basis ausgewählter Mess­fahrten .

Falls die reale Mas se des Versuchsfahrzeugs und der als Parameter im physika­lischen Simulationsmodell verwendete Massewert differieren, ist die vom physi­kalischen Modell berechn ete Läng sbeschleunigung XF•PM fehlerbehaftet. DieZielsetzung beim Einsatz des Hybriden Modells besteht in diesem Fall darin, denent stehenden Fehler zu kompensieren und einen Beschleunigungswert XF,HM zuberechnen, der möglichst genau mit der im Versuchsfahrzeug gemessenen Be­schleunigung XF.mess überein stimmt. Eine Reduktion des Fehlers innerhalb der

162 8 Kopplung physikalischerund experimenteller Modelle

simulierten Längsbeschleunigung zieht gleichzeitig eine Verbesserung im Verlaufder simulierten Geschwindigkeit und des Weges nach sich, da diese durch Inte­gration aus der Längsbeschleunigung gewonnen werden.

8.1.2 Training des Hybriden Modells

Zum Training des LOLIMOT-Netzes innerhalb des Hybriden Modells werdenverschiedene Messreihen mit Bremsungen unterschiedlicher Charakteristik ver­wendet. Die Messungen wurden mit einem Versuchsfahrzeug mit einer Masse von1630 kg durchgeführt. Um einen parametrischen Modellfehler zu erzeugen , wurdeder im physikalischen Modell bei der Simulation verwendete Massewert um 300kg auf 1930 kg erhöht. Abb. 8.2. zeigt die Trainingsdaten, die aus einer Aneinan­derreihung von vier Fahrzyklen bestehen .

Bei den Fahrten handelt es sich um eine Bremsung (l3,5s), gefolgt von einerStotterbremsung (l2,2s), einer Autobahnfahrt (89,9s) und einer gebremsten undbeschleunigten Fahrt (23,9s).

Im oberen Diagramm von Abb. 8.2. sind als Eingangsgrößen der Drosselklap­penwinkel (grau) und der Bremsdruck (schwarz) aufgetragen. Bei Betrachtung derLängsbeschleunigungen während der Bremsphasen fallt unmittelbar auf, dass -

140

140120

Bremsen u.I Beschleu- !I nigen iIJII

100

~ U \iS imulation

80

60 80Zeit [sI

Autobahnfahrt

60

11I ,.,

4020

°IP5

Storter-!Brem-!brem~

'ö isung i sung i~ ~ 150 i I

(9 8l ::i ::; 100 ! Ia. g i i~ ~ 50 .j i'iii E :~ <lle liio

'ijj:.:Cl'i5~ 100.~ ~TI =. 50I/l<ll(9

Abb. 8.2. Zusammenstellung desTrainingsdatensatzes für das Hybride Modell

8.1 Adaption des Fahrzeugmodells an veränderliche Fahrzeugmassen 163

wie erwartet - die Simulation, bedingt durch die im Vergleich zur Messung zu ho­he Masse, geringere Verzögerungswerte als die Messung liefert. Daraus folgt, dassdie Geschwindigkeit des simulierten Fahrzeugs gegenüber den gemessenen Wer­ten zu langsam abnimmt , d.h. das simulierte Fahrzeug kommt zu spät zum Still­stand. Um diese Differenz zu kompensieren, wurde ein LOLIMOT-Netz mit 20Teilmodellen gemäß der Anordnung in Abb. 8.1. trainiert.

8.1.3 Generalisierung des Hybriden Modells

Nach Abschluss des Trainingsvorgangs werden die Parameter des LOLIMOT­Netzes konstant gehalten . Daraufhin soll gezeigt werden, dass das Hybride Modellmit trainiertem LOLIMOT im Rahmen einer sog. Generalisierung in der Lage ist,auch bei Fahrten, die nicht im Trainingsdatensatz enthalten waren, bessere Simu­lationsergebnisse als das rein physikalische Modell zu liefern . Anhand von zweiverschiedenen Fahrzyklen zeigen die Abbildungen 8.3 und 8.4 einen Vergleichzwischen den Ergebnissen des 300 kg zu schwer parametrierten physikalischenund des Hybriden Modells.

In beiden Bildern sind jeweils oben die Eingangsgrößen Drosselklappenwinkel,Bremsdruck und Lenkradwinkel aufgetragen . Darunter befinden sich auf der lin­ken Seite die Verläufe der gemessenen (grau) und der vom physikalischen Modellberechneten (schwarz) Größen Fahrzeuglängsbeschleunigung und Geschwindig­keit. Das untere Diagramm stellt den absoluten Fehler der beiden Längsbeschleu­nigungen dar. Die Darstellungen auf der rechten Seite sind analog aufgebaut. Indiesem Fall werden allerdings die gemessenen Verläufe den Ausgangsgrößen desHybriden Modells gegenübergestellt.

Bei der in Abb. 8.3. dargestellten Fahrt handelt es sich um eine mittelstarkeBremsung aus etwa 100 kmlh bis in den Stillstand. Wie erwartet, zeigen sich beimVergleich der Längsbeschleunigungen und der Geschwindigkeiten deutliche Dif­ferenzen zwischen den gemessenen und den vom physikalischen Modell berech­neten Werten , was auch bei Betrachtung des absoluten Fehlers der Längsbe­schleunigung deutlich wird. Das physikalische Modell braucht mehr als eine Se­kunde länger , um zum Stehen zu kommen, als das Versuchsfahrzeug.

Bei Verwendung des trainierten Hybriden Modells reduziert sich diese Diffe­renz auf etwa 0,3s. Es ist offensichtlich, dass nun die Übereinstimmung zwischenMess- und Simulationsergebnissen deutlich besser ist. Beim Betrachten der vomHybriden Modell berechneten Längsbeschleunigung fällt allerdings ein deutlichglatterer Verlauf gegenüber dem des physikalischen Modells auf. Dies resultiertdaraus, dass das LOLIMOT-Netz in der gewählten seriellen Wiener-Struktur alseine Art neuronales Ausgangsfilter fungiert .

Entsprechendes gilt für den in Abb. 8.4. dargestellten Fahrzyklus. Hierbei han­delt es sich um eine leicht gebremste und anschließend wieder beschleunigteFahrt. Insbesondere beim Vergleich der Geschwindigkeitsverläufe werden diedurch Einsatz des Hybriden Modells erzielten Verbesserungen offensichtlich. Dasgemessene Geschwindigkeitsprofil wird mit dem Hybriden Modell deutlich besser

164 8 Kopplungphysikalischerund experimentellerModelle

108642

a;~ 0.5.~ '0"C e 0 :---- - - - - ­eC].>< -~ -o.s

...J

8642o=>..L-~_~_~_~___J -1 L-_~_~_~_~___J

o 10 0- ··_ ··_··_ ··_··-··_ ··-··_··_· ·-··-r·- ··-··_· ·-··_··_··_ ..- ..- .. - .._..-

Ergebnisse des Ergebnisse desphysikalischen Modells Hybriden Modells(Messung / Simulation): (Messung / Simulation):

108642

o

5 .---~---...,.....---r----,ClC:::lCl'c:::lCD -

~ ~:3 - -5J:JVlClc -10 L- -'- --'

~ 0

108642oL.. .....J

o

100 - =-- - - - - - - -,

108642O '---~-~"">""'''''':>''----'o

4 6Zeit [51

8 10 2 4 6Zeit (5)

8 10

Abb, 8.3. Vergleich der Simulationsergebnisse zwischen rein physikalischem und Hybri­dem Modell am Beispiel einer mittelmäßig stark gebremstenFahrt aus ca. 100kmlh

nachgefahren als vom rein physikalischen Modell. Auch beim absoluten Fehlerder Längsbeschleunigung ergibt sich eine erkennbare Reduktion.Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Hybride Modell in der Lage ist, nacheiner Trainingsphase die Auswirkungen einer Diskrepanz zwischen der realen

8.1 Adaption des Fahrzeugmodells an veränderliche Fahrzeugmassen 165

80

2515 20105·1 '-'- - --- - - - - -o 30

0.5 täi.><c:~'ö-g!!! 0----------~C).><-ai -0.5 '

...J

302515 200 ...::::...:=:.1o 5 10

20 t

60 '

302515 20105

2

-4o3025

4

2

- "-"-"-"-"-"-"-"-"-"-"-C'-"-"-"-"-"-" _ .._ .._ .._ .._ ..-Ergebnissedes: Ergebnisse des

physikalischen Modells ! Hybriden Modells( I Simulation): i I Simulation):

i § 4.2'c::::>SI::­.c:~~.$..

~ ·2Clc:~

l00 __-==--

200~~5--10 15 20 25 30

100--=-- --·S~ 80 'u-.s ~ 60:t.><.c:_~ 40

C)200-~-~ ,

5 10 15 20 25 30

~

5 10 15 20 25 30Zeit [sI

~ '"~E~ '(;; 0.c: c:Cl> :::>lJ..Cl.... ·cCl> :::> .1.ä~s ~~ Cl> ·2<10 0 5 10 15 20 25 30

Zeit [sI

Abb. 8.4. Vergleich der Simulationsergebnisse zwischen rein physikalischem und Hybri­dem Modell am Beispiel einer gebremsten und wieder beschleunigten Fahrt

Fahrzeugmasse und der im physikalischen Modell eingestellten Masse zu kom­pen sieren. Der dur ch die falsche Parametrierung entstehende Fehler ließ sich überalle untersuchten Messdaten sätze hinweg auf etwa 1/3 redu zieren.

166 8 Kopplung physikalischerund experimenteller Modelle

8.2 Adaption des Fahrzeugmodells an veränderlicheFahrbahnreibwerte

Im Rahmen eines zweiten Beispiels soll gezeigt werden, dass es mit Hilfe vonHybriden Modellen möglich ist, einen aus einer Veränderung des Fahrbahnreib­werts resultierenden parametrischen Modellfehler zu kompensieren . Reibwertver­änderungen können einerseits durch wechselnde Fahrbahnoberflächen, beispiels­weise beim Übergang zwischen Beton und Asphalt, auftreten. Darüber hinaushaben Witterungseinflüsse wie Regen, Schnee oder Eis sehr großen Einfluss aufden Reibwert (vgl. Abschn. 3.3.2).

Die Parameter der im physikali schen Fahrzeugmodell verwendeten Reibwert­Schlupf Approximation nach Burckhardt (GI. (3.24» sind innerhalb der Grundpa­rametrierung auf eine trockene Asphaltfahrbahn eingestellt worden. Werden nunFahrversuche auf nasser Straße durchgeführt, sind die Parameter der Burckhardt­Gleichung nicht mehr korrekt, und es kommt teilweise zu gravierenden Fehlernbei der Simulation . Am Beispiel verschiedener Bremsungen auf nasser Fahrbahnwird im Folgenden demonstriert, dass die Güte der simulierten Größen Fahrzeug­längsbeschleunigung und Geschwindigkeit bei Verwendung Hybrider Modell­strukturen stark verbessert werden kann.

8.2.1 Struktur des Hybriden Modells

Zur Kompensation der durch Reibwertveränderungen bedingten Fehler wurdenähnlich wie im Abschnitt 8.1.1 verschiedene Architekturen zur Kopplung des phy­sikalischen Fahrzeugmodells mit Neuronalen Netzen untersucht. Es wurden hy­bride Ansätze unter Verwendung von LOLIMOT-Netzen mit jeweils verschiede­nen Kombinationen von Ein- und Ausgangsvari ablen getestet.

Analog zum oben beschriebenen Beispiel einer veränderten Fahrzeugmassewurden auch bei einer Veränderung des Fahrbahnreibwerts die besten Ergebnissemit einer hybriden seriellen Wiener-Struktur erzielt. Abb. 8.5. zeigt den Aufbaudes Hybriden Modells. Zur besseren Übersichtlichkeit sind wiederum nur diejeni­gen Ein- und Ausgangsgrößen dargestellt, die innerhalb des Trainings oder derGeneralis ierung des Hybriden Modells Verwendung finden.

Als Eingangsvariablen für das Versuchsfahrzeug und das physikalische Fahr­zeugmodell dienen der Drosselklappenwinkel i}A und der Bremsdruck PB. Zur Re­duktion des Eingangsraums wird dem LOLIMOT-Netz nur die Differenz beiderGrößen i}A - PB vorgegeben . Weitere Eingangsgrößen für LOLIMOT sind dievom physikalischen Modell berechnete Fahrzeuglängsbeschleunigung xF•PM so­

wie deren jeweils um 10 bzw. 20 Abtastschritte (entspricht 10 bzw. 20ms) verzö­gerte Werte .

Die allgemeine Gleichung zur Bestimmung des Ausgangs des Hybriden Mo­dells XF,HM ' der wegen der seriellen Anordnung wiederum direkt dem LOLI-

MOT-Ausgang xF,LOLIMOT entspricht, lautet:

8.2 Adaption des Fahrzeugmodells an veränderliche Fahrbahnreibwerte 167

op• x........Versuchs-B fahrzeug

lr: I x......I Physikal isches

Fah rzeugmodellI + e

~-----~

* LÖLIMOT- x......- N'ltz X•.lCllJMOT = X.........

+ ...~..-.........--................_.. ...._-HybridesModell

Abb, 8.5. Hybrides Modell zur Kompensationvon Veränderungen des Fahrbahnreibwertes

.. ..XF,HM = XF,LOLIMOT

= NN([tJA - PB](k), XF,PM (k), XF,PM (k -10), (8.2)

XF,PM(k-20), w,tP) ,

Analog zum Anwendungsbeispiel Fahrzeugmasse erfolg t die Bestimmung derLOLIMOT-Parameter w und CI» mittels des in Abschnitt 6,5,1 beschriebenen Trai­ningsverfahrens auf der Basis ausgewählter Messfahrten .

Falls sich der Reibwert der Fahrbahnoberfläche änder t, treten bei der Berech­nung der Längsbeschleunigung des physikalischen Modells KF,PM aufgrun d einerdann fehlerhaften Parametrierung der Burckhardt-Approximation Fehler auf. DasZiel beim Einsatz der hybriden Modellstruktur an dieser Stelle ist es, die reibwert­bedingten Fehler zu kompensieren und eine Längsbeschleunigung xF,HM zu be­

rechnen, die möglic hst genau mit der im Versuchsfah rzeug gemessenen Besch leu­

nigung XF,mess übereinstimmt.

8.2.2 Training des Hybriden Modells

Da sich Veränderungen des Fahrbahnreibwertes besonders auf das Bremsverhalteneines Fahrze ugs auswirken, werden zum Training des LOLIMOT-Netzes inner ­halb des Hybriden Modell s verschiedene Messreihen verwendet, die Bremsungenunterschiedlicher Charakteristik enthalten , Die Messungen wurden mit dem Ver­suchsfahrzeug auf einer nassen Asphaltfah rbahn durchgeführt.

168 8 Kopplung physikalischer und experimentellerModelle

::, {,;""".!!!l/l.cE~-CllOl.Dcl/l ;,0l0lc ·­

'<1l c...J

10

1~0

lao

120

Abb. 8.6. Zusammensetzung des Trainingsdatensatzes für das Hybride Modell bestehendaus verschiedenen Bremsungen auf nasserStraße

Dadurch, dass der Maximalwert der Reibwert-Schlupf-Charakteristik auf nasserFahrbahn (Ilmax ~ 0,8) gegenüber dem auf trockener Fahrbahn (Ilmax ~ 1,15) deut­lich abnimmt, entsteht ein parametrischer Modellfehler im physikalischen Fahr­zeugmodell. Um diesen zu kompensieren, wird das Hybride Modell mit den inAbb . 8.6. dargestellten Messdaten trainiert. Es handelt sich hierbei um eine Anein­anderreihung von acht normalen Bremsmanövern aus etwa 100 km/h und zweiStotterbremsungen aus etwa 140 km/h . Die Gesamtlänge des Trainingsdatensatzesbeträgt ca. 112 Sekunden.

Im oberen Diagramm von Abb. 8.6. sind als Eingangsgrößen der Drosselklap­penwinkel (grau) und der Bremsdruck (schwarz) aufgetragen . Die beiden unterenGrafiken zeigen einen Vergleich zwischen gemessenen (grau) und simulierten(schwarz) Verläufen der Längsbeschleunigung und der Geschwindigkeit.

Bei Betrachtung der Längsbeschleunigungen während der Bremsphasen fälltauf, dass die Simulation, bedingt durch das für trockene Straße parametrierteBurckhardt-Modell, zu hohe Verzögerungswerte im Vergleich zur Messung lie­fert. Daraus folgt unmittelbar, dass die Geschwindigkeit des simulierten Fahrzeugsgegenüber den gemessenen Werten zu stark abnimmt, d.h. das simulierte Fahrzeugkommt zu früh zum Stillstand. Um diese Differenz zu kompensieren, wurde einLOLIMOT-Netz mit 10 Teilmodellen gemäß der Anordnung in Abb. 8.5 . trainiert.

8.2 Adaption des Fahrzeugmodells an veränderliche Fahrbahnreibwerte 169

8.2.3 Generalisierung des Hybriden Modells

Analog zum Anwendungsbeispiel aus Abschnitt 8.1 werden auch im Fall einerReibwertänderung die Parameter des LOLIMOT-Netzes nach Abschluss des Trai­ningsvorgangs konstant gehalten . Im Rahmen der Generalisierung soll anschlie­ßend am Beispiel von drei Bremsungen auf nasser Fahrbahn , die nicht im Trai­ningsdatensatz enthalten waren, gezeigt werden, dass das trainierte Hybride Mo­dell in der Lage ist, bessere Simulationsergebnisse als das rein physikalische Mo­dell zu liefern . Zur Veranschaulichung zeigen die Abbildungen 8.7. bis 8.9. je­weils einen Vergleich zwischen den Simulationsergebnissen des rein physikali­schen Modells und des Hybriden Modells bei gebremsten Fahrzyklen mit unter­schiedlicher Charakteristik.

Analog zu den Abbildungen 8.3 und 8.4 sind jeweils oben die EingangsgrößenDrosselklappenwinkel, Bremsdruck und Lenkradwinkel aufgetragen. Darunter be­finden sich auf der linken Seite die Verläufe der gemessenen (grau) und der vomphysikalischen Modell berechneten (schwarz) Größen Fahrzeuglängsbeschleuni­gung und Geschwindigkeit. Das unterste Diagramm stellt wiederum den absolutenFehler der beiden Längsbeschleunigungen dar. Bei den Darstellungen auf derrechten Seite handelt es sich um den analog zu links aufgebauten Vergleich zwi­schen den vom physikalischen (grau) und vom Hybriden (schwarz) Modell be­rechneten Größen .

Abb. 8.7. zeigt eine stark gebremste Fahrt (max. Bremsdruck ca. 100 Bar) aufnasser Fahrbahn - beginnend bei einer Geschwindigkeit von ca. 100 kmIh bis zumStillstand. Bei Betrachtung der Geschwindigkeitsverläufe fällt auf, dass, bedingtdurch den im physikalischen Modell zu hoch eingestellten Reibwert, das physika­lische Modell deutlich früher zum Stehen kommt als das Versuchsfahrzeug. DerGrund hierfür sind die vom physikalischen Modell berechneten zu hohen Verzö­gerungswerte. Dadurch treten, insbesondere in der Zeit, während das Modell be­reits steht und das Versuchsfahrzeug noch rollt, erhebliche absolute Fehler (bis zu8 rn/s") im Vergleich der Längsbeschleunigungen auf.

Bei Verwendung des Hybriden Modells verschwindet die Abweichung zwi­schen den gemessenen und simulierten Verläufen der Fahrzeuggeschwindigkeitfast vollständig. Die Übereinstimmung bei den Längsbeschleunigungswerten istebenfalls deutlich besser , was sich auch im Verlauf der Kurve des absoluten Feh­lers widerspiegelt. Der Betrag des maximalen absoluten Fehlers bei der Längsbe­schleunigung liegt hier nur noch bei ca. 0,8 m/s". Damit ergibt sich eine Verbesse­rung des Hybriden Modells gegenüber dem rein physikalischen Modell um denFaktor 10.

Um das durch den Einsatz Hybrider Modelle entstehende Verbesserungspoten­tial weiter zu verdeutlichen, zeigen die Abbildungen 8.8. und 8.9. Ergebnisse einermittelmäßig stark gebremsten Fahrt aus ca. 100 km/h und einer Stotterbremsungaus ca. 130 km/h jeweils bis zum Stillstand. Bei beiden Fahrzyklen gelingt es demHybriden Modell, die Größe des absoluten Fehlers im Vergleich zum rein physi­kalischen Modell auf etwa 1/5 des ursprünglichen Wertes zu reduzieren .

170 8 Kopplung physikalischerund experimentellerModelle

0.5~c.~ '0~ ~ 0 f--------------i.><Q.c~ -0.5

12.5107.55

'0 100 '-- """-- ....,....- --..,--:0=-"- --'Ol ';::-

Q.~ 80~ 15 600. 2~ ~ 40Q; E~ l!! 20e lll 0o 0'--- "'--- - .u-- - - - l.J

- "- "- "- "- "- "- "-"-"-"-"-r'-"-"-"-"-"-"-'._.._.._.. _..-Ergebnisse des Ergebnisse des

physikalischen Modells Hybriden Modells(Messung / Simulation): (Messung / Simutation):

10 12.57.552.5

2 .--- - - - - - - -,o1-.......------'--,

-2-4-6·8

.10 '---_"'-- -'-_-'-_...Jo

Clc:>.2'c:>G> &-:c~

~-ClC00l...J12.51052.5

2 .--- ,--- - - - - - ---,01-----....

·2·4·6·8

-10 l..-- - - - - - - - ---lo

10 12.57.552.5

20O L-_~~_~_~J,..---l

o

100F======:=:~-"--I8060

12.5107.552.5

100 F========-~~-I806040

20ol..-~~~_~_~~---l

o

_ A

'V

5 7.5 10 12.5Zert [s]

2.5

6 .--- - - - - - - - -,42O ~----"""....."........A-.~

·2-4-6-8 '--- '--- '------J

o12.5105 7.5Zeit[sI

2.5

6 ,-- - - - - - - -----,42Or--'----OO'"/

·2·4·6 ..8 '-- -'-_...J

o

Abb. 8.7. Vergleich der Simulationsergebnisse zwischen rein physikalischem und Hybri­dem Modellam Beispieleiner stark gebremsten Fahrt aus ca. 100kmIh

Durch die schon in Abschnitt 8.1.3 erwähnte Glättungseigenschaft des LOLl­MOT-Netzes sind auch in diesem Beispiel die Kurvenverläufe des Hybriden Mo­dells gegenüber denen des physikalischen Modells deutlich glatter. Dies ist z.B.bei Betrachtung des Verlaufs der Längsbeschleunigung während der Stotterbrem­sung zu erkennen. Der sich hieraus ergebende leichte Nachteil im Hinblick auf die

8.2 Adaption des Fahrzeugmodellsan veränderlicheFahrbahnreibwerte 171

'5'"' ';:'- '" GiQ.~ .>< 0.5c:<1> .>< '3: '5'0. <.>0. 2 -0'" 0"' ~~ -o -Cl=r" ", .>< -

<l> E c: -0.5'" <I>

<I><J) _ ...J~ !Il 0 - t0 0 2 4 6 8 10 0 2 4 6 8 10

10

108

86

64

42

2

40

20OL-- --'-"::..J

o

100 c-------------,

80

60

10

8

8

6

6

4

42

2

20OL-- ----"''---J

o

1o-1-2-3-4

-50

100 ,..-- - - - - - - - - -,

- "-"-"-"-"-"-"-"-"-"-"-"-"-"-"-"-'1-"-"-"-"-"-'.- .._ ..- ..- ..- ..- .._ .._ .._ .._ .._ ..Ergebn isse des i Ergebn isse des

phys ikalischen Modells i Hybriden Modells(Mp u 9 I Simulation ): ! (M sLlnqI Simulation):

i g' 1! s 0! '§ - 1! <1> ,:- -2i~ ~! .8 - -3! l3> -4

10 ! ~ -50!j

Clc::::lCl'e:::l<1> ,:-- '"'§~<1> ­D

'"Clc~

~ 80Cl'5 - 60.s ~;t.>< 40~ -<I>Cl

1084 6Ze it (51

21 1

O~ .........I"i"""""'"- 1

·2

-3 0 21084 6Ze il [s]

Abb. 8.8. Vergleich der Simulationsergebnisse zwischen rein physikalischem und Hybri­dem Modell am Beispieleiner mittelmäßiggebremstenFahrt aus ca. 100km/h

Dynamik sollte allerdings in Anbetracht des sonstigen durch den Einsatz HybriderModelle erreichbaren starken Verbesserungspotentials in Kauf genommen werden.

Als Ergebnis dieses Anwendungsbeispiels lässt sich festhalten, dass es demHybriden Modell auch hier gelingt, einen parametrischen Modellfehler innerhalbdes rein physikalischen Modells zu kompensieren. Die Reduktion des Fehlers liegtbei einer Veränderung des Fahrbahnreibwertes etwa in derselben Größenordnung

172 8 Kopplung physikalischer und experimenteller Modelle

'0 80 .-- ,- -,"' -='~ '" "a;Q.~ ",; 0.5 'c:a- ",;

~'O0. 00. 2 ~'" 0'" ~.!!! ~ ~Cli!! '" ",;-

'" E 20 c: -0.5CI>", CI> ...J~ m -ICl 2.5 5 7.5 10 12.5 0 2.5 5 7.5 10 12.5-"-"-"-"-"-"-"-"-"-"-"-r-"-"-"-"-"-"-.._.._.._ .. _ .. -

Ergebnisse des Ergebnisse desphysikalischen Modells Hybriden Modells(Mt unq / Simulation): / Simulation):

Clc::>Cl'E:>C1>::-

~~C1>­.0

'"Clc:...J

2 r

'~IMNWV' I-4 1 _ j

·6 .--8 1

-10o 2.5 5 7.5 10 12.5

Clc::>Cl'E:>CI> ::-

~~C1>­.0

'"Clc:...J

20 1

·2·4 1-6-8

-10o 2.5 5 7.5 10 12.5

140'S 120~ iooru E 80 1,S E~",; 60 1~- 40 1~ 20 .

00 2.5 5 7.5 10 12.5

140'S 120~ 100'OE 80 '' ~ ~ 60 1~- 40 '~ 20 -

00 2.5 5 7.5 10 12.5

-6-8o 2.5 5 7.5

Zeit [sI10 12.5

42 I

O~·2-4 _

-6-8 o 2.5 5 7.5 10

Zeit [sI12.5

Abb. 8.9. Vergleich der Simulationsergebnisse zwischen rein physikalischem und Hybri­dem Modell am Beispiel einer Stollerbremsung aus ca. 130 km/h

wie bei einer Masseänd erun g. Prinzip iell wäre es möglich, ein serie lles HybridesModell mit Wiener-Struktur auch bei einer gleichzeitigen Veränd erung beider Pa­ram eter erfolgre ich einzusetzen.

8.3 Zusammenfassung 173

8.3 Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurden verschiedene Möglichkeiten einer externen Kopplungzwischen dem in Kapitel 3 vorgestellten physikalischen Fahrzeugmodell und Neu­ronalen Netzen zu Hybriden Modellen beschrieben . Der hybride Modellansatz sollhier dazu dienen, parametrische Fehler des physikalischen Fahrzeugmodells zukompensieren.

Um aufzuzeigen, welches Verbesserungspotential in einem hybriden im Ver­gleich zu einem rein physikalischen Modellansatz steckt, wurden zwei Anwen­dungsbeispiele vorgestellt. Während sich das erste Beispiel mit einer Veränderungder Fahrzeugmasse beschäftigte, wurde im zweiten mit veränderten Fahrbahn­reibwerten gearbeitet. In beiden Fällen gelang es nach einem relativ kurzen Trai­ning des LOLIMOT-Netzes mit Hilfe der Hybriden Modelle die Fehler des physi­kalischen Modells signifikant zu reduzieren .

Leider ist es aus Gründen beschränkter Rechenkapazität derzeit noch nichtmöglich, das LOLlMOT-Netz eines der vorgestellten Hybriden Modelle online imVersuchsfahrzeug zu trainieren. Das Training musste bei den gezeigten Anwen­dungsbeispielen offline durchgeführt werden. Die Generalisierung der trainiertenNetze ist hingegen bereits heute in Echtzeit möglich.

Weiterentwicklungen der Rechnertechnologie sowie im Bereich der Neurona­len Netze werden allerdings in nicht allzu ferner Zukunft einen Online-Einsatz derbeschriebenen Verfahren ermöglichen . Zur Beschleunigung des LOLlMOT-Ver­fahrens bestünde z.B. die Möglichkeit, die beiden Optimierungsschleifen zu sepa­rieren. Während die aufwändige Strukturoptimierung innerhalb der äußerenSchleife nur einmal im voraus durchgeführt werden müsste, wäre es möglich, dieSchätzung der Teilmodellparameter in der inneren Schleife auch online durchzu­führen.

9 Beobachtung externer Fahrwiderstände

Neben der Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche und dem Rollwiderstand derReifen haben noch weitere zeitlich veränderliche externe Fahrwiderstände Ein­fluss auf die Fahrzeugsimulation. Unter diesen hat die Änderung der Fahrbahn­steigung den größten Einfluss auf die Fahrdynamik. Daher ist es notwendig, ins­besondere diese zu beobachten und die Information über ihre zeitlichen Änderun­gen in das Fahrzeugmodell einfließen zu lassen.

Eine Messung der Fahrbahnsteigung ist nur mit Hilfe zusätzlicher Sensorik imFahrzeug möglich. Da jedoch zur Ermittlung der Fahrbahnsteigung keine Sensorikverwendet werden soll, die über die Serienausstattung moderner Pkw hinaus geht,wird ein nichtlinearer Beobachter entworfen, mit dessen Hilfe die Steigung derFahrbahn online ermittelt werden kann. Dieser Beobachter benötigt als Messgrößelediglich die Fahrzeuggeschwindigkeit - ein Signal, das im Fahrzeug ohnehin zurVerfügung steht.

9.1 Grundlagen nichtlinearer Zustandsbeobachter

In Analogie zum linearen Beobachterentwurfnach Luenberger (1964, 1966, 1971)ermöglichen nichtlineare Beobachteralgorithmen die näherungsweise Berechnungnicht messbarer Zustandsgrößen nichtlinearer Systeme, wenn für diese hinrei­chend genaue, beobachtbare, mathematische Modelle bekannt sind. Im Unter­schied zur linearen Entwurfsmethodik gibt es jedoch keine geschlossene nichtline­are Beobachtertheorie.

Der Entwurf eines nichtlinearen Beobachters und die Dimensionierung seinesEinschwingverhaltens hängt wesentlich von der Form der Nichtlinearitäten desSystems ab und erfordert in der Regel einen nicht unerheblichen Rechenaufwand.

Unter den in den letzten drei Jahrzehnten entwickelten Entwurfsmethoden fürnichtlineare Beobachter kann man prinzipiell zwischen deterministischen und sto­chastischen Verfahren unterscheiden. Während bei den deterministischen Verfah­ren die Stabilitätsuntersuchungen des Schätzfehlersystems im Vordergrund stehen,liegt der Schwerpunkt der stochastischen Entwurfsverfahren auf der Minimierungder Varianz des Schätzfehlers .

Ein Überblick über die stochastischen Entwurfsverfahren wird in Krebs (1980)gegeben . Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Erweiterungen der Filtertheo­rie von KaIman (1960). Da in diesem Buch keine stochastischen Entwurfsverfah­ren Anwendung gefunden haben, werden sie im Folgenden nicht weiter betrachtet.

176 9 Beobachtung externer Fahrwiderstände

Die bisher bekannten deterministischen Entwurfsverfahren für nichtlineare Be­obachter lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen (Halfrnann 2001):

- Nichtlineare Zustandsbeobachter können besonders einfach entworfen werden,wenn das System in der verallgemeinerten Beobachterform vorliegt (Zeitz1979). In dieser Darstellung hängen die Nichtlinearitäten nur von den Ein- undAusgangsgrößen des Systems ab. Durch eine Aufschaltung der Ein- und Aus­gangsgrößen im Beobachter erhält man ein lineares Schätzfehlersystem, so dassder Beobachterentwurf analog zum Luenberger-Beobachter durchgeführt wer­den kann (Zeitz 1979; Birk 1992).

- Liegt das nichtlineare System nicht in verallgemeinerter Beobachterform vor,kann man versuchen, es durch eine eineindeutige nichtlineare Transformationin die nichtlineare kanonische Beobachter-Normalform zu überführen, um danndie Ein- und Ausgangsaufschaltung anzuwenden. Die Transformation kann di­rekt (Li u. Tao 1986; Xia u. Gao 1988, 1989) oder in mehreren Schritten erfol­gen (Krener u. Respondek 1985; Keller 1986; Phelps 1991). Die Anwendbar­keit dieser sehr rechenintensiven Transformationsverfahren ist von einerVielzahl von Randbedingungen abhängig, welche an das System und dieStruktur seiner Nichtlinearitäten gestellt werden. Aufgrund dieser Einschrän­kungen und aufgrund des hohen Entwurfsaufwandes sind diese Verfahren inder Praxis nur in Einzelfällen anwendbar .

Bei den sogenannten Ljapunow-Beobachtem werden zur Überprüfung der a­symptotischen Stabilität der Schätzfehler-Differentialgleichung Ljapunow­Funktionen eingesetzt. Zu dieser Klasse nichtlinearer Beobachter gehören ne­ben den Beobachtern mit Gütemaßangleichung (Sieber 1991) insbesondereauch die Beobachter variabler Struktur (Sliding observers) (Walcott u. Zak1987; Slotine et al. 1987). Diese Entwurfsverfahren sind nur auf spezielle Klas­sen von Systemen anwendbar, deren Nichtlinearitäten bestimmten Anforderun­gen, wie beispielsweise den Lipschitz-Bedingungen, genügen. Darüber hinausbereitet die Bestimmung geeigneter Ljapunow-Funktionen und der zum Teilstark eingeschränkte Stabilitätsbereich im Zustandsraum bei der Anwendungdieser Verfahren in der Praxis unter Umständen erhebliche Probleme.

Die nichtlinearen Beobachter, welche sich zur praktischen Anwendung als ambesten geeignet erwiesen haben, sind diejenigen, in denen zur Dimensionierungder Beobachtermatrix eine Linearisierung der Schätzfehler-Differential­gleichung durchgeführt wird. Diese Linearisierung erfolgt entweder in der Nä­he eines Arbeitspunktes (Ackermann 1983) oder einer Schar stationärer Lösun­gen (Baumann u. Rugh 1986, 1987) oder um die Trajektorie der beobachtetenZustandsgröße herum (Zeitz 1977). Das diesen Entwurfsmethoden zugrunde­liegende Zustandsraummodell des zu beobachtenden Systems muss keine be­sonderen strukturellen Anforderungen erfüllen. Die Dimensionierung der Be­obachtermatrix kann wie im Linearen durch Lösung einer Matrix-Riccati­Differentialgleichung oder durch Eigenwertvorgabe erfolgen und ist daher ver-

9.1 Grundlagen nichtlinearer Zustandsbeobachter 177

gleichsweise einfach . Der Nachweis der Beobachtbarkeit des Systems sowieder Stabilität der linearisierten Fehlerdifferentialgleichung kann dagegen schonfür Systeme niedriger Ordnung erheblichen Rechenaufwand erfordern und ist inEinzelfällen sogar nur in eingeschränkten Arbeitsbereichen der Beobachtermöglich.

- Des Weiteren existieren Methoden zum Entwurf nichtlinearer Beobachter, indenen verschiedene der oben genannten Verfahren miteinander kombiniertwerden. So verwenden die sogenannten Erweiterten Luenberger-Beobachter(Bestie u. Zeitz 1983; Zeitz 1987; Birk u. Zeitz 1988), beispielsweise Verfah­ren, welche auf der Transformationsvorschrift in die nichtlineare Beobachter­Normalform und der anschließenden Linearisierung um die geschätzte Trajek­torie basieren .

Eine Einführung in einige ausgewählte nichtlineare Beobachterverfahren ist in(Misawa u. Hedrick 1989) zu finden. Eine umfassende Übersicht über die bislangexistierenden Entwurfsverfahren für nichtlineare Beobachter sowie ihre Vor- undNachteile im Hinblick auf ihre rechnergestützte Implementierung und Anwendungwird in Birk (1992) gegeben .

Der Entwurf eines nichtlinearen Beobachter s erfolgt in Analogie zur linearenTheorie in mehreren Schritten (Zeitz 1979):

- Zunächst ist auf der Basis der als bekannt vorausgesetzten Systemgleichungeneine Beobachtbarkeitsanalyse durchzuführen . Anhand der Analyse der Beob­achtbarkeit des Systems lässt sich festzustellen, ob eine eindeutige Lösung derBeobachtungsaufgabe existiert.

- Anschließend ist die Struktur der Beobachtergleichungen festzulegen. Danachist die Beobachtermatrix zu dimensionieren, und die damit zusammenhängen­den Dynamike igenschaften des Beobachters sind zu analysieren.

Die Beobachtbarkeit nichtlinearer Systeme ist in zahlreichen Arbeiten unter­sucht worden, (Lee u. Markus 1967; Griffith u. Kumar 1971; Kou et al. 1973;Schönwandt 1973; Brandin et al. 1976; Hermann u. Krener 1977; Nijmeijer 1981;Zeitz 1984; Krener 1985; Keller 1986).

Im Gegensatz zu linearen Systemen, für die nur eine einzige Definition der Be­obachtbarkeit existiert , wurden im Rahmen dieser Untersuchungen eine Vielzahlverschiedener Definitionen der Beobachtbarkeit nichtlinearer Systeme eingeführt.

In der Praxis sind zum Entwurf nichtlinearer Beobachter jedoch lediglich dieglobale und die lokale Beobachtbarkeit eines Systems von Bedeutung . Die ma­thematisch exakten Definitionen globaler und lokaler Beobachtbarkeit sind in(Birk 1992) gegeben . Verbal umschrieben lauten sie wie folgt:

- Ein nichtlinea res System ist global beobachtbar, wenn alle Anfangszustände Xoaus y(t) und o(t) im gesamten Definitionsbereich des Systems für alle Ein­gangsvektoren o(t) eindeutig bestimmbar sind.

178 9 Beobachtung externerFahrwiderstände

- Das nichtlineare System ist lokal beobachtbar in einem Punkt xp, wenn alle An­fangs zustände Xo in einer Umgebung von xp eindeutig bestimmbar sind. DasSystem ist lokal beobachtbar, wenn diese Eigenschaft im gesamten Definiti­onsbereich des Systems erfüllt ist.

Zur Beobachtung der Fahrbahnsteigung wird ein Entwurfsverfahren für nichtli­neare Beobachter angewendet , das auf Untersuchungen von Zeitz (1977,1979) zu­rückgeht.

Es handelt sich dabei um einen nichtlinearen Beobachter mit zeitvarianter Feh­lerdifferentialgleichung, zu dessen Entwurf eine Linearisierung der Differential­gleichung des Schätzfehlers durchgeführt wird.

Die Grundlagen dieser Entwurfsmethode werden im Folgenden so detailliertbeschrieben, wie es für das Verständnis der in den folgenden Abschnitten be­schriebenen Anwendung notwendig erscheint. Für ihre vollständigen theoretischenHerleitung sei auf die Arbeiten von Zeitz (1977, 1979) und Birk (1992) verwiesen.

9.2 Nichtlineare Zustandsbeobachter mit zeitvarianterFehlerdifferentialgleichung

9.2.1 Struktur des nichtlinearen Beobachters

Der Entwurf eines nichtlinearen Beobachters mit zeitvarianter Fehlerdifferential­gleichung orientiert sich eng am Autbau des linearen Zustandsbeobachters nachLuenberger (Zeitz 1977). Zum Beobachterentwurf wird von der nichtlinearen Zu­standsraumdarstellung des Systems in der folgenden allgemeinen Form ausgegan­gen:

x=f(x,u),

y =h(x,u).(9.1)

Die vektoriellen Funktionen fund h müssen im Arbeitsbereich des Systemshinreichend oft differenzierbar sein. Das nichtlineare Zustandsdifferentialglei­chungssystem GI. (9.1) darf also sowohl nichtlinear vom Zustandsvektor x alsauch nichtlinear vom Eingangsvektor u des Systems abhängen.

Die Gleichung des nichtlinearen Beobachters wird analog der Gleichung desLuenberger-Beobachters angesetzt :

; = f(x,u)+ L(x,u).(y-y)y= h(i,u) .

(9.2)

9.2 NichtlineareZustandsbeobachter mit zeitvarianterFehlerdifferentialgleichung 179

u

e =y -y +

y

Nichtlin . Beobachter mit zeitvarianter Fehler-Dgl.

Abb. 9.1. Blockschaltbild des nichtlinearen Beobachters mit zeitvarianter Fehlerdifferenti­algleichungnach Zeitz (1977)

Im Unterschied zum linearen Entwurf wird die frei wählbare BeobachtermatrixL(x,u) nicht als konstant angenommen, sondern ihre Koeffizienten dürfen vomZustandsvektor x des Beobachters und vom Eingangsvektor u abhängen. In Abb.9.1. ist die Struktur des nichtlinearen Beobachters mit zeitvarianter Fehlerdiffe­rentialgleichung als Blockschaltbild dargestellt.

Wie im Linearen sind die Koeffizienten der Beobachtermatrix L(x,u) so zuwählen, dass der Fehler x(t) = x(t)- i(t) -+ 0 strebt für t -+ +00 . Dies wird aller­

dings nicht für beliebige Anfangswerte Xo gefordert, sondern nur für Anfangs­

werte in einer Umgebung von x = O.Um das Verhalten des Schätzfehlers x leicht ablesen zu können , ist es wün­

schenswert, eine lineare, homogene Differentialgleichung für x zu erhalten.Dazu wird das Differentialgleichungssystem f(x,u) nach dem Taylorschen Satz umx = i entwickelt, wobei u als Parameter betrachtet wird:

J(x,u) = J(i ,u)+ ~ (i ,u)·(x -i) + Restglieder höherer Ordnung. (9.3)

In GI. (9.3) bezeichnet

180 9 Beobachtung externerFahrwiderstände

3l !1i ~dr, dr2 dxn

(f(9.4)

dx

dfn (fn dfndrl dr2 dxn

die lakobische Funktionalmatrix des Funktionensystems n-ter Ordnungf =[f1(x, u) f2 (x, u) ... fn (x,u)f Entsprechend wird die Messmatrix h(x,u)um die Stelle x =i entwickelt:

h(x,u)= h(x,u)+ : (x,u) .(x-x)+ Restglieder höherer Ordnung (9.5)

mit

(9.6)

Vernachlässigt man in GI. (9.3) und (9.5) die Restglieder höherer Ordnung undsetzt sie dann in GI. (9 .1) bzw. (9.2) ein, so erhält man die resultierende System­gleichung

x= f(i, u)+ df (i, u] .(x- i),dX

y = h(x,u),

sowie die resultierende Beobachtergleichung des Systems

; = j(x,u)+ L(x,u)·dh(x,u)·(x -x),dX

y= h(x,u).

(9.7)

(9.8)

Berechnet man daraus die Differentialgleichung für den Schätzfehler x=x-i,so ergibt sich die lineare homogene Differentialgleichung

.; . ~ [(f ( A ) L( A ) dh( A )] ( A) ( A )-X=X-X= - X,u - X,u ·- X,u . x-x =F X,u ·xar dX

mit der Dynamikmatrix

(9 .9)

9.2 Nichtlineare Zustandsbeobachter mit zeitvarianter Fehlerdifferentialgleichung 181

F(x,u) = ~ (x,u)- L(x,u) ·~: (.r ,u). (9 .10)

Nach (Föllinger 1993) sind die Koeffizienten der Matrix L(x,u) nun so zu wählen,dass

1. die Eigenwerte von F(x ,u) links der imaginären Achse liegen und2. die Koeffizienten der Dynamikmatrix F(x,u) konstant sind.

Praktische Anwendungen dieses Beobachterentwurfs haben gezeigt, dass sichdie Dynamikrnatrix F(x,u) durch die Beobachtermatrix L(x,u) nur in Sonderfäl­len auf eine zeitinvariante Form mit stabilen Eigenwerten zurückfuhren lässt.Dennoch kann der entworfene Beobachter durchaus gute Ergebnisse liefern(Halfmann 1994; Abou-EI-Ela 1999). Es ist also nicht zwingend notwendig, dieobige zweite Forderung an F(x ,u) zu erfullen . In der Regel erfolgt die Bestim­mung der Koeffizienten der Beobachtermatrix L(x,u) gemäß der ersten der obengenannten Forderungen durch die Zuweisung reeller stabiler Eigenwerte an dieDynamikmatrix F(x ,u) des Systems nach GI. (9.10).

9.2.2 Analyse der Beobachtbarkeit des Systems

Nach Zeitz (1979) lassen sich die Koeffizienten der Beobachtermatrix eines nicht­linearen Beobachters mit zeitvarianter Fehlerdifferentialgleichung als Funktionender Eingangs- und der Zustandsgrößen des nichtlinearen Systems nach GI. (9.1)genau dann eindeutig bestimmen, wenn das System lokal beobachtbar ist. Dies istder Fall, wenn die Beobachtbarkeitsmatrix

LOf

LI dhQ(x,u)= f - (9.11)

dXu:'f

den Höchstrang n besitzt (Birk 1992). In GI. (9.11) bezeichnen die Ausdrücke

dhq ]-1Lf -

dX '

(9.12)

mit

182 9 Beobachtung externer Fahrwiderstände

L dhi : = ~ (L hi)=~[dhi . f (x ,u)+ dhi . dU]f dX dX f dX dX dU dt

(9 .13)

einen linearen Differentialoperator , mit dessen Hilfe sich die in GI. (9.11) auftre­tenden Differentialausdrücke kompakt darstellen lassen. Der Ausdruck dh/ dXbezeichnet wiederum die Jakobische Funktionalmatrix des Funktionensystemsh(x,u) nach GI. (9.6).

9.3 Entwurf eines Beobachters für die Fahrbahnsteigung

9.3.1 Struktur des Beobachters

Eine Fahrbahnsteigung hat eine Steigungswiderstandskraft Fs zur Folge, die amSchwerpunkt des Fahrzeugs angreift und die Longitudinalbewegung des Fahr­zeugs entsprechend dem Vorzeichen des Fahrbahngradienten verzögert bzw. be­schleunigt. Zur Bestimmung des aktuellen Steigungswinkels der Fahrbahn ist esdaher notwendig, die Fahrzeuglängsdynamik zu beobachten.

Dem Beobachter der Fahrzeuglängsdynamik liegt die vereinfachte Modellglei­chung (3.31) zugrunde, die das Kräftegleichgewicht in Richtung der Längsachsedes Fahrzeugs beschreibt:

mF · vF ·cosß = FXFVL + FXFVR + FXFHL + FXFHR - Fzp ·sinß- Fwx - Fs . (9.14)

Sie sagt aus, dass sich die resultierende Beschleunigungskraft mF . VF . cos ßdes Fahrzeugs aus der Summe der von den Rädern auf das Fahrzeug übertragenenLongitudinalkräfte FXFi (i = VL, VR, HL, HR), des Luftwiderstandes Fwx und desSteigungswiderstandes Fs berechnen lässt.

Vernachlässigt man den Einfluss der Querdynamik des Fahrzeugs (ß = 0) undsetzt die im zweiten Kapitel aufgestellten mathematischen Modelle der einzelnenWiderstandskäfte nach GI. (3.29) und (3.30) in GI. (9.14) ein, so erhält man diefolgende Modellgleichung des Beobachters:

(9.15)

GI. (9.15) lässt sich in eine nichtlineare Zustandsraumdarstellung umformen,welche strukturell der allgemeinen Form nach GI. (9.1) entspricht. Da keine In­formation über die zeitliche Änderung des Steigungswinkels ~ = x2 zur Verfü­gung steht, wird diese zunächst zu Null angenommen :

(9.17)

9.3 Entwurfeines Beobachters für die Fahrbahnsteigung 183

(9 .16)

mit

[

FXFVL

x=[VF] , u= FXFVRr FXFHL

FXFHR

9.3.2 Beobachtbarkeitsanalyse des Systems

Vor dem Entwurf des Beobachters mit zeitvarianter Fehlerdifferentialgleichungmuss die Beobachtbarkeit des Systems nach GI. (9 .16) überprüft werden . NachAbschnitt 9.2 .2 kann dies durch die Überprüfung des Ranges der Beobachtbar­keitsmatrix Q(x,u) nach GI. (9 .11) geschehen . Für das nichtlineare System zweiterOrdnung (9 .16) ergibt sich diese mit

LO dh := dh =dh =[~ ~]=[I 0]f dx dx dx dX I dX2

und

zu

Llr dh =Lr( L~ dhI=Lr dh =Lr dh:=~[dh .!(X,u)]

dx · dX)dXdX dxdx-

= d~[[1 Ol[Ji(x,u) !2(X,U)r]

d= - Ji(x,u)

dX

(9.18)

[L

O] dh [ IQ(x u) = f - = cwx . AF . PL, LI d - ,x lf x mF

(9.19)

Da die Werte des Steigungswinkels X2 = Yöffentlicher Straßen auf etwa -12 0 <Y < 120 begrenzt sind, gilt für die Determinante der BeobachtbarkeitsmatrixQ(x,u):

det(Q(x,u))=-g,cos x2,co (9.20)

184 9 Beobachtung externerFahrwiderstände

Die Beobachtbarkeitsmatrix besitzt also stets den Höchstrang n = 2 und dasSystem (9.16) ist lokal beobachtbar. Nach Abschnitt 9.1 ist die lokale Beobacht­barkeit des nichtlinearen Systems (9.16) hinreichend dafür, dass die Beobachter­matrix als Funktion der Eingangsgrößen U und der Zustandsgrößen x des Systemseindeutig bestimmt werden kann.

9.3.3 Berechnung der zeitvarianten Beobachtermatrix

Analog zum Verfahren in Abschnitt 9.2.1 muss zur Dimensionierung des Beob­achtervektors

(9.21)

zunächst die Dynamikmatrix F(x,u) des Systems nach GI. (9.16) berechnet wer­den. Diese ergibt sich mit den Jakobischen Funktionalmatrizen des Systems undseiner Messgleichung

~(X,U)=[CJh-(x,u)=[1 0]CJx

o (9.22)

in ihrer noch unbestimmten Form zu

(9.23)

(9.24)

Die Koeffizienten Il(x,u) und h(x,u) des Beobachtervektors L(x,u) müssen so di­mensioniert werden, dass

1. F(x,u) einen doppelten reellen Eigenwert el/2< 0 besitzt und2. die Dynamikmatrix F(x,u) eine konstante Matrix wird.

Zur Erfüllung der ersten Forderung wird das Verfahren der Eigenwertzuwei­sung (Föllinger 1993) an die Dynamikmatrix F(x,u) aus GI. (9.23) verwendet.

Aus der Vorgabe des reellen doppelten Eigenwerts el/2 < 0 für die Dynamik­matrix F(x,u) und der Auflösung der Forderung

! 2det[s ·] -F]=(s-ellz)

nach den gesuchten Koeffizienten des Beobachtervektors ergeben sich diese zu

9.3 EntwurfeinesBeobachters fürdie Fahrbahnsteigung 185

(9.25)

Setzt man einen Eigenwert el/2 und die Koeffizienten des Beobachtervektorsnach GI. (9.25) in GI. (9.23) ein, so erkennt man, dass, unabhängig vom Wert desEigenwertes el/Z, die obige zweite Forderung nach konstanten Koeffizienten derDynamikmatrix F(x,el/z) nicht erfüllbar ist.

Da jedoch die Dynamikmatrix gemäß GI. (9.23) und (9.25) lediglich von denZustandsgrößen des Systems, nicht aber von dessen Eingangsgrößen abhängt undder Wertebereich der Zustandsgrößen beschränkt ist, bleibt auch die Varianz derKoeffizienten der Dynamikmatrix F(x,el/z) beschränkt und der Beobachter liefertin allen Fahrsituationen einen ausreichend dynamischen Näherungswert für denaktuellen Steigungswinkel y der Fahrbahn.

Mit den Koeffizienten des Beobachtervektors nach GI. (9.25) und der System­gleichung (9.16) des Beobachters erhält man die resultierende Beobachterglei­chung für die Fahrzeuglängsdynamik:

(9.26)

Die Zeitkonstante der Längsdynamik moderner Pkw liegt je nach Fahrzeugtypund Motorisierung bei 0,3 bis 0,5 s. Da der Beobachter dynamisch schneller alsdie Strecke und gleichzeitig unempfindlich gegenüber Änderungen der in den GI.(9.16) und (9.25) auftretenden fahrzeugspezifischen Parameter, insbesondere derFahrzeugmasse Hlp, ausgelegt werden muss, hat sich die Wahl des Eigenwertes ei /Z

=-10 S·I für die Beobachtung der Fahrbahnsteigung als günstig erwiesen.Wählt man den Beobachterpol weiter links auf der reellen Zahlenachse, so wird

der Beobachter schneller, der beobachtete Verlauf der Fahrbahnsteigung ist jedochstark verrauscht und der Beobachter reagiert empfindlich auf Veränderungen desParameters Hlp. Wählt man den Pol des Beobachters näher an der imaginären Ach­se, so wird der beobachtete Verlauf des Steigungswinkels geglättet. Das berech­nete Signal ist jedoch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung behaftet, da dieDynamik des Beobachters in diesem Falle zu langsam ist.

Der Steigungsbeobachter errechnet in jedem Abtastschritt einen Wert für denaktuellen Steigungswinkel der Fahrbahn. Dieser wird dem adaptiven Fahrzeug­modell als zusätzliche Eingangsgröße aufgeschaltet. Er beinhaltet die ausschließ­lich aus den im Fahrzeug zur Verfügung stehenden Sensorsignalen berechnete In­formation über die während der Simulation herrschenden Umweltbedingungen.Diese wird im Fahrzeugmodell dem Teilmodell der Horizontaldynamik aufge-

186 9 Beobachtung externer Fahrwiderstände

schaltet und in der Kräftebilanzg leichung In Richtung der Fahrzeuglängsachsegemäß GI. (9.14) berücksichtigt.

9.4 Ergebnisse der Beobachtung der Fahrbahnsteigung

Mit einem Versuchsfahrzeug wurden Versuchsfahrten auf Autobahnen durch­gefiihrt, die sowohl über Steigungs- als auch über Gefällestrecken führten. In Abb.9.2. sind die Ergebnisse der Simulation einer dieser Autobahnfahrten mit und ohneSteigungsbeobachter dargestellt. Die Fahrt wurde bei trockenem Wetter auf einemsteigungsbehaftete n Abschnitt der Bundesautobahn A3 zwischen den Anschluss­stellen Bad Camberg und Niedernhausen durchgeführt .

Bei der Simulation dieser Versuchsfahrt mit den Fahrzeugmodell ohne Stei­gungsbeo bachter treten deutliche Abweichungen zwischen der gemessenen undder simulierten Fahrzeuggeschwin digkei t auf (Abb. 9.2. Mitte). Der Maximalwertdes absoluten Approximationsfehlers beträgt etwa 10 mJs.

Da sich die Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche während dieser Fahrt nichtsignifikant geändert hat, werden die auftre tenden Abweichungen zwischen demModell und dem realen Fahrzeugverhalten durch die auf diesem Streckenabschnittauftrete nden Fahrbahngradienten verursacht, welche die Bewegung des Fahrzeugsunabhängig vom Verhalten des Fahrers zusätzlich beschleunigen oder verzögern.Das adaptive Fahrzeugmodell mit dem Steigungsbeobachter hingegen fahrt dasgemessene Geschwindigkeitsprofil so gut nach, dass nur noch äußerst geringeAbweichungen zwischen dem gemessenen und dem simulierten Verlauf der Ge­schwindigkeit zu erkennen sind.

Abb. 9.2. unten zeigt die bei dieser Messfahrt aus dem vom Beobachter ermit­telten Verlauf des Steigungswinke ls der Fahrbahn berechnete Fahrbahnsteigung inProzent. Zur Validierung des beobachteten Gradienten der Fahrbahn wurde dertatsächliche Verlauf der Fahrbahnsteig ung auf diesem Streckenabschnitt mit auf­getragen. Dieser wurde aus Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen ermittelt.Der reale Verla uf der Fahrbahnsteigung wird vom Beobachter gut nachgebildet.Die maximalen Abweichungen zwischen der gemessene n und der beobachtetenFahrbahnsteigung liegen bei etwa 0,8%.

Diese Abweichungen sind darauf zurückzufiihren, dass der Steigungsbeobach­ter neben der aktuellen Fahrbahnsteigung auch alle anderen Effekte erfasst, derenEinfluss sich in einer Abweichung zwischen der gemessenen und der simuliertenFahrzeuggeschwindigkei t widerspiegelt.

9.4 Ergebnisseder Beobachtungder Fahrbahnsteigung 187

200

s imuliert I"(lit BeoQachter

simu l(ert mit Beobachter

100 1~ 1~ 1~ 180 200

100 120 140 160 180

80 100 1 ~ 1 ~ 160 180 2002M [si

8060

60

40

40

20

20

. . .s imuliert ohne Beobachter -,. . .

Drosse lk lappenw inkel.. .. ... . ..... I · ···. ··· · ... ····... · · ··..··· · , .. . . '." .. .

iii~'S.>CCl'6,Ss 25'5CI)CI>

Cl202

0..e....Clc:>Cl'Siiics:

'" ·4€s:

'"u.·6

0

'C 25 .----""T"""----r---r----.---.----""T"""----r--,----.-----,~.5:l_20~~.s :; 15~ o

a~ 10g.e~ ~ 5~CD

eo

Abb. 9.2. Simulation einer Autobahnfahrt mit Steigung und Gefalle. Oben sind die rele­vanten Eingangsgrößen des Simulationsmodells aufgetragen. Im mittleren Teilbild sind diegemessene und die mit dem Fahrzeugmodell mit bzw. ohne Steigungsbeobachtersimulier­ten Geschwindigkeiten dargestellt. Unten ist die gemessene und die aus dem beobachtetenSteigungswinkelberechnete Fahrbahnsteigung aufgetragen.

Da der Beobachter nur über eine freie Zustandsgröße verfügt, werden alle dieseEffekte vom Beobachter als eine Änderung der Fahrbahnsteigung interpretiert.Sind also neben der Steigung der Fahrbahn noch weitere zeitlich veränderliche,externe Fahrwiderstände (z.B . Gegen- oder Rückenwind) wirksam oder treten pa­rametrische Fehler in der dem Beobachter zugrundeliegenden Modellgleichungoder in der modellbasierten Berechnung der Eingangsgrößen des Beobachters auf,so führen diese zu Ungenauigkeiten in der Beobachtung des aktuellen Steigungs­winkels der Fahrbahn.

Die korrekte Berechnung der Fahrzeuggeschwindigkeit im adaptiven Fahrzeug­modell mit Steigungsbeobachter hat zusätzlich positiven Einfluss auf die Rekon­struktion der querdynamischen Zustandsgrößen des Fahrzeugs, zu deren Berech­nung die Geschwindigkeit benötigt wird .

188 9 Beobachtung externer Fahrwiderstände

100

100

100

100

908070

60

6050

50

Ze it [sI

40

30

30

- Bremsdruck

20

20

~~i~~I!~rt ~~n~.~e.o~~t~r. .: ... . -, .. . . '. ' ... '.' . . .sirnullert mit Beobachte r :

. . . . . . . . .: ••• • : •••• : •.••: .. . . ", " .•. ".' ••.', 0 • • • '0"··.'0 ' · ··

10

10

"':-Orosselklappenwin kel'ö 80'"C,--~~c-. ~ tSc 2~u0.1/)"'E~~:l: coI/)eQ

'öe~

äi 200.><c. ~

0ue.><

·200ceil..J

·4000

25Cii:§. 20-;

15.><.~-g.~

s:oI/)eilCl

::-

~e>c

.:. '"eile>", .-

O§eilzoI/)eil.0

Abb. 9.3. Simulationsergebnisse einer Fahrt auf einer extremen Berg- und Talstrecke. Inden beiden unteren Teilbildern sind die mit dem Fahrzeugmodell mit und ohne Steigungbe­obachter simulierten Verläufe der Geschwindigkeit und der Querbeschleunigung des Fahr­zeugs im Vergleich zueinander dargestellt. Als Referenz ist jeweils die entsprechende ge­messene Größe mit aufgetragen.

Abb. 9.3. zeigt die Simulation einer Versuchsfahrt, die auf einer Berg- und Tal­Teststrecke durchgeführt wurde. Auf dieser Teststrecke müssen neben extremen

9.5 Zusammenfassung 189

Steigungs- und Gefällestrecken auch Kurven mit sehr engen Kurvenradien durch­fahren werden.

Anhand des trotz der niedrigen Geschwindigkeit deutlichen Unterschieds zwi­schen dem gemessenen Geschwindigkeitsprofil und dem mit dem Fahrzeugmodellohne den Steigungsbeobachter simulierten Geschwindigkeitsprofil sind die Ab­schnitte mit Steigung oder Gefälle deutlich zu erkennen. Zu den Zeitpunkten, zudenen diese Differenzen am größten sind, sind auch die Abweichungen zwischenden gemessenen und dem vom Fahrzeugmodell ohne Beobachter simuliertenVerlauf der Querbeschleunigung am größten.

Inder Simulation dieser Fahrt mit dem Fahrzeugmodell mit Steigungsbeob­achter sind die Abweichungen zwischen dem gemessenen und dem simuliertenVerlauf der Querbeschleunigung des Fahrzeugs insbesondere an diesen Stellendeutlich geringer. Das führt zu einer deutlichen Verringerung des Approxima­tionsfehlers der Querbeschleunigung, wenn man diesen im Mittel über die ge­samte Simulationszeit betrachtet.

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass zur Beobachtung der Fahrzeuglängs­dynamik der Luftwiderstandsbeiwert Cwx und die wirksame frontale Anströmflä­ehe Ap des Fahrzeugs bekannt sein müssen. Gemäß Kapitel 4 sind diese Parameterin erster Näherung konstant und können den Datenblättern des Fahrzeugs ent­nommen werden. Darüber hinaus ist zur Beobachtung der Fahrbahnsteigung dieKenntnis der aktuellen Fahrzeugmasse mp notwendig.

Die Dynamik des Beobachters ist jedoch so robust gegenüber Parameter­schwankungen ausgelegt , dass die Veränderungen der Fahrzeugmasse in Abhän­gigkeit der Beladung praktisch keinen Einfluss auf die Güte der Beobachtung derFahrbahnsteigung hat.Als Messgröße des Beobachters wird die Fahrzeuggeschwindigkeit verwendet.Diese wird in den Versuchsfahrzeugen ebenso wie in den meisten Serienfahrzeu­gen im Antiblockiersystem mittels eines komplizierten Algorithmus aus den ge­messenen Raddrehzahlimpulsen berechnet. Diese berechnete Übergrundge­schwindigkeit des Fahrzeugs kann in der Regel als Ausgangsgröße des ABS­Systems abgegriffen werden. Die Genauigkeit und die Auflösung dieses Referenz­signals für die Fahrzeuggeschwindigkeit ist für die Beobachtung der Fahrzeug­längsdynamik völlig ausreichend .

9.5 Zusammenfassung

Indiesem Kapitel wurde der Entwurf eines Beobachters zur Adaption des Fahr­zeugmodells an Umgebungsbedingungen beschrieben, die apriori unbekannt sindoder sich während der Fahrt ändern können.

Zur Adaption des Fahrzeugmodells an zeitlich veränderliche externe Umwelt­einflüsse, wie beispielsweise eine Fahrbahnsteigung, wurde ein nichtlinearer Be­obachter mit zeitvarianter Fehlerdifferentialgleichung für die Längsdynamik desFahrzeugs entworfen . Dieser Beobachter berechnet unter Verwendung der gemes­senen Geschwindigkeit des Fahrzeugs in jedem Abtastschritt einen Wert für den

190 9 Beobachtung externer Fahrwiderstände

nicht messbaren Steigungswinkel der Fahrbahn, der dem Fahrzeugmodell als zu­sätzliche Information aufgeschaltet wird.

Es ist zu berücksichtigen, dass der Steigungsbeobachter jegliche Abweichungzwischen der gemessenen und der simulierten Fahrzeuggeschwindigkeit als Fahr­bahnsteigung interpretiert, unabhängig davon, ob sie durch parametrische Fehlerim Modell der Horizontaldynamik des Fahrzeugs, durch andere zeitlich veränder­liche externe Fahrwiderstände (z.B. aktiven Gegenwind) oder tatsächlich durcheinen Anstieg oder ein Gefälle der Fahrbahn verursacht wird. Durch den Stei­gungsbeobachter ist die Adaption des Fahrzeugmodells an die Summe dieser un­bekannten Störgrößen gewährleistet.

Der Beobachter ist so dimensioniert, dass Veränderungen der in der Beobach­tergleichung auftretenden reifen- bzw. fahrzeugspezifischen Parameter innerhalbder physikalisch möglichen Grenzen einen vernachlässigbar geringen Einfluss aufdie Güte der Beobachtung haben.

Der Steigungsbeobachter bildet eine Adaptionsebene, die dem semiphysikali­sehen Fahrzeugmodell überlagert und mit ihm gekoppelt ist. Das um den Beob­achter erweiterte adaptive Fahrzeugmodell gestattet die Simulation der dynami­schen Bewegung eines Pkw unter Verwendung der Eingangsgrößen desphysikalischen Fahrzeugmodells (Drosselklappenwinkel, Hauptzylinderbrems­druck und Lenkradwinkel) und der Messgröße des Beobachters (Fahrzeugge­schwindigkeit) .

10 Implementierung des Fahrzeugmodells

In diesem Kapitel wird zunächst die Implementierung des in den vorhergehendenAbschnitten hergeleiteten adaptiven Fahrzeugmodells auf einer echtzeitfähigenHardware beschrieben. Diese Hardware ist sowohl im Versuchsfahrzeug als auchoffline im Laborbetrieb einsetzbar. Anschließend wird die Güte der Online­Simulation auf der Basis des adaptiven Fahrzeugmodells am Beispiel einiger imFahrzeug aufgezeichneter Versuch sfahrten aufgezeigt.

10.1 Echtzeitimplementierung des Fahrzeugmodells

Zur Echtzeitimplementierung des adaptiven Fahrzeugmodells wurde eine flexibleRechnerumgebung geschaffen, deren Hardwarestruktur und deren wesentlicheSoftwarekomponenten in Abb. 10.1. im Überblick dargestellt sind. Diese gestattetdie Simulation der Fahrzeugdynamik in Echtzeit sowohl offline im Laborbetriebals auch online im Versuchsfahrzeug. Die besonderen Eigenschaften der im Abb.IO.!. genannten Hard- und Softwarekomponenten werden in den folgenden Ab­schnitten näher beschrieben.

10.1.1 Hardware

Den Kern der Hardwareplattform zur Echtzeit simulation bildet eine von der FirmadSPACE speziell für Anwendungen im Kraftfahrzeug entwickelte Autobox (Abb.10.2.). Sie enthält die echtzeitfähige Hardware sowie entsprechende Einsteckkar­ten zu deren Ansteuerung und zur Kommunikation mit dem in den Versuchsfahr­zeugen implementierten CAN-Datenbus (CAN = Controller Area Network), (Law­renz 1994; Etschberger 2000).

Die Echtzeithardware besteht aus einer Kombination eines digitalen Signalpro­zessors (DSP) mit 50 MHz Taktfrequenz und einem DEC Alpha-Prozessor mit500 MHz Taktfrequenz. Die beiden Prozessoren arbeiten in einer Master-Slave­Konfiguration. Auf dem DSP, der als Master-Prozessor arbeitet, erfolgt die Da­tenkommunikation mit dem CAN-Bus und die Vorverarbeitung der Messdaten .Die weitaus größere Rechengeschwindigkeit des als Slave arbeitenden Alpha­Prozessors wird ausschließlich zur Berechnung des adaptiven Fahrzeugmodellsund der Adaptionsalgorithmen eingesetzt.

192 10 hnplementierung des Fahrzeugmodells

Ofn in e im Labo rOnl ine im Fahr zeug

Ethe rnet

""',..---- PC mitSoftware

_. Rea lMot ion

laptopmit SoftwareContro lDesk

Autobox m rt:

- DSP Board m it Master-Prozessormit 50 Mhz Taktfreq uenz

• Alpha Board mrt S lave-Prozessorm it 500 MHz Taktfrequenz

Testlahrzeug m rtMesswe rterfassungund CAN-SChnrttste lie

..o

~. !i:

- P C-Einsteckkarte

- Ethemet ·Netzwerkkarte zu r Date n­kommun ikation Ober Ethemet

- CAN-Interface-Karte zu m Trans fervon Daten Ober de n CAN-Bus

CAN 2.0 A. 500 kBaud

Standard·PCmit CAN·l nterface -Karteund Software PCA N

Abb. 10.1. Hard- und Softwareumgebung zur Echtzeitsimulation der Fahrzeugdynamikonline im Versuchsfahrzeug oder offline im Labor. Die grauen Pfeile symbolisieren, dassdie simulierten Fahrzustandsgrößen wieder auf den CAN-Bus im Fahrzeug geschriebenwerden können, um den Fahrdynamik-Regelsystemen im Fahrzeug als zusätzliche Ein­gangsinformation zu dienen.

Abb, 10.2. Anordnung der Autobox im Versuchsfahrzeug . Links: Einbau der Autobox undzusätzlicher Elektronik zur Aufbereitung der Messdaten im Kofferraum des Testfahrzeugs .Rechts : Blick auf die Autobox aus dem Fahrgastraum bei umgeklappter Rücksitzbank.

10.1 Echtzeitimplementierung des Fahrzeugmodells 193

Die Steuerung des Programmablaufs erfolgt über eine PC-Einsteckkarte. Andiese ist ein Laptop angeschlossen, der als externes Terminal mit eigenem Spei­cherbereich dient. Der bidirektionale Datenaustausch zwischen dem Laptop undder Echtzeithardware der Autobox erfolgt über eine Ethernet-Verbindung (Abb.10.1. und Abb. 10.3.).

Das Einlesen der Messdaten kann auf zweierlei Art erfolgen: Im Online-Betriebdes Fahrzeugmodells im Versuchsfahrzeug werden die Eingangsgrößen des Fahr­zeugmodells direkt von dem im Fahrzeug implementierten CAN-Bus eingelesen.

Im Offline-Betrieb des Simulationsmodells im Labor werden die vorher wäh­rend einer Versuchsfahrt aufgezeichneten Messdaten von einem PC auf den CAN­Bus geschrieben. In diesem Fall ersetzt der PC das Fahrzeug, und die Übertra­gungseigenschaften des CAN-Bus werden wie in einer Hardware-in-the-Loop Si­mulation mit dem CAN-Bus als Echtteil mit berücksichtigt (Abb. 10.3.).

In beiden Fällen werden die Messdaten anschließend über eine CAN -Interface­Karte in der Autobox in das Simulationsmodell eingelesen und dem Fahrzeugmo­deli als Eingangsgrößen aufgeschaltet. Die simulierten , nicht messbaren Fahrzu­standsgrößen, wie beispielsweise die Schräglaufwinkel oder der Schwimmwinkeldes Fahrzeugs, können wiederum als zyklische Botschaften auf den CAN-Busgelegt werden, um den im Fahrzeug implementierten Fahrdynamik-Regelsystemenals zusätzliche Eingangsinformation zu dienen.

Abb. 10.3. Laboraufbau zur Echtzeitsimulation der Fahrzeugdynamik mit dem adaptivenFahrzeugmodell. Links: PC zur Darstellung der Simulationsergebnisse als Zeitverläufe oderin Form einer 3D-Animation der Fahrzeugbewegung. Mitte: Autobox mit 12V-Span­nungsversorgung. Rechts: Pe. mit dem Messdatenauf den CAN-Busgeschriebenwerden.

194 10Implementierung des Fahrzeugmodells

10.1.2 Software

Mit Hilfe spezieller Software ist es möglich. das adaptive Fahrzeugmodell und dieModule zur Erfassung und Vorverarbeitung der Messdaten direkt aus Simulinkheraus auf die Hardware herunterzuladen .

Dieses sogenannte Multiprozessor (MP) Real Time Interface (RTI) bildet dieSchnittstelle zwischen der blockschaltbildorientierten EntwicklungsumgebungMATLAB/Simulink und dem ausführbaren Maschinencode der Signalprozessoren(Abb. 10.4.).

Das Simulink-Blockschaltbild wird zunächst mit Hilfe des Real Time Work­shops in C-Code übersetzt. Dieser C-Code wird im Multiprozessor Real Time In­terface in ein hardwarespezifisches C-Programm umgewandelt. Aus diesem C­Programm werden dann mit Hilfe spezieller Cross-Compiler die prozessorspezifi­schen Maschinencodes erzeugt, welche die Rechenprozeduren auf den Prozesso­ren der Echtzeithardware der Autobox steuern.

Schon im Simulink-Blockschaltbild wird festgelegt, welche Programmteile aufwelchem der beiden Prozessoren gerechnet werden. Die Routinen zum Einlesenund zur Vorverarbeitung der Messdaten sowie diejenigen zur Ausgabe der Simu­lationsergebnisse werden auf dem DSP gerechnet. Die deutlich höhere Rechen­leistung des Alpha-Prozessors wird ausschließlich zur Berechnung des Fahrzeug­modells eingesetzt.

Ebenso wie die Verteilung der einzelnen Rechenprozesse auf die beiden Pro­zessoren wird auch der Datentransfer mit dem CAN-Bus direkt im Simulink­Modell definiert. Dazu stehen parametrierbare CAN-Blöcke unter Simulink zurVerfügung, mit deren Hilfe die Schnittstelle zum CAN-Bus vollständig beschrie­ben wird.

Bezüglich der Herkunft der Messdaten auf dem CAN-Bus muss zwischen demOnline-Betrieb des Modells im Fahrzeug und der Echtzeitsimulation offline imLabor unterschieden werden.

Im Online-Betrieb werden die Messdaten von den Sensoren des Versuchsfahr­zeugs auf den CAN-Bus gelegt und können direkt über die CAN-Karte der Auto­box eingelesen werden. Dazu ist neben dem oben beschriebenen CAN-Blocksetvon Simulink keine weitere Software notwendig.

Im Offline-Betrieb müssen die Messdaten, die zuvor während der Fahrt imVersuchsfahrzeug aufgezeichnet wurden, zunächst von einem mit einer CAN­Interface-Karte ausgerüsteten PC auf den CAN-Bus geschrieben werden. Dazuwird ebenso wie zur Aufzeichnung der Daten im Versuchsfahrzeug die SoftwarePCAN der Firma Peak Service verwendet.Zur eigentlichen Steuerung des Programmablaufs wird das Softwarepaket Control­Desk eingesetzt. Diese Software bietet neben einer komfortablen menügeführtenAblaufsteuerung der Echtzeitsimulation die Möglichkeit, Parameter der Simulati­on und des Fahrzeugmodells mittels speziell zu diesem Zweck gestalteter Benut­zeroberflächen online zu ändern.

10.1 Echtzeitimplementierung des Fahrzeugmodells 195

MATLAB

S imulink mitCAN-Blockset

Real-TimeWorkshop

C-Code Mode ll

Zustands­großen

Parameter

Abb. 10.4. Strukturbild der verwendeten Softw aremodule zum Design und zum Downloaddes Echtzeitsimulationsmodells, zur Steuerung der Echtzeitsimulation und zur Visualisie­rung der Simulationsergebnisse.

Eben so wie die Messwerterfassun g ist auch die Ana lyse der Simulation sergeb­nisse auf zwei Wegen möglich. Der zei tlic he Verlauf der simulierten Zustands­größen des Fahrzeugs kann in mehreren an wendungsspezifisch ges talte ten Ober­fläch en in Echtzei t am Bild sch irm des Laptops verfolgt wer den (Abb. 10.5. ).

196 10 Implementierung des Fahrzeugmodells

~ ....----.~

!t •

f,I. I .,

Abb. 10.5. Online-Visualisierung der Simulationsergebnisse. Die Art der Darstellung istmit dem Aufbau der Bilder imfünften Kapitel vergleichbar.

10.2 Ergebnisse der Echtzeitsimulation

Die echtzeitfähige Hardware wurde in der in Abb. 10.2. dargestellten Weise in einVersuchsfahrzeug eingebaut. Die Autobox ist im Kofferraum des Fahrzeugs un­tergebracht und wird über einen Laptop vom Fahrgastraum aus gesteuert. Nebender Autobox wurde in dieses Versuchsfahrzeug umfangreiche Sensorik zur Mes­sung der fahrdynamischen Zustandsgrößen der Horizontaldynamik eingebaut. Diezur Aufbereitung der Sensordaten notwendi ge Elektronik ist ebenfalls im Koffer­raum des Fahrzeugs untergebracht (Abb. 10.2.). Alle im Fahrzeug eingebautenSensoren sind über einen CAN-Datenbus mit 500 kBaud Transferrate veme tzt. Andiesen Datenbus ist auch die Autobox angeschlossen. Alle Messsignale werdennach dem Einlesen in die Autobox auf eine gemeinsame Abtastrate von 20 ms in­terpoliert. Der Algorithmu s zur Interpolation der Messgrößen ist ebenso wie dieProzeduren zur Umrechnung der Sensorsignale in dem Teil des Simul ink-Modellsrealisiert, der auf dem DSP gerechnet wird. Alle Sensorsignale werden mit einemButterworth-Filter 4. Ordnung mit einer Eckfrequenz von 3 Hz tiefpassgefiltert.

Um einen Eindruck vom Verhalten der Echtzeit simulation der Fahrzeugdyna­mik online im Testfahrzeug zu vermitteln, werden im Folgenden zwei der wäh­rend der zahlreichen Messfahrten aufgezeichneten Datensätze im Bild dargestellt.

In Abb. 10.6. ist die Echtzeitsimulation eines doppelten Spurwechsels zu sehen.Die Fahrgeschwindigkeit betrug etwa 125 kmJh. In den beiden oberen Teilbildernsind die gemessenen Eingangsgrößen des Simulationsmodells aufgetragen. Stell­vertretend für die Zustandsgrößen der Längsdynamik des Fahrzeugs sind in denbeiden mittleren Teilbildern die Fahrzeuggeschwindigkeit und die Motordrehzahldargestellt. Die beiden unteren Teilbilder zeigen die Gierrate und die Wankwin­kelgeschwindigkeit des Fahrzeugs.

10,2 Ergebnisse der Echtzeit simulat ion 197

2 4 6 8 10 12 14 16 18

6 8 10 12 14 16 18

Zeit [sI

6 8 10 12 14 16 18

42

-s~'3 325!!1E~.; 320"'<:.c!"~ ~ 315~ ~~ E 310

0>

8 10Zell [sI

64

. ,' , . : . ,.,. ,',.

· . . .. . . . .. . . .. . .· . . .· . . .. .......... ." ,

2

_t:

~:§ 35;-.~~'C 34 .50><:'ö"'is 34.<: !:l1Il '"Q) E 33 .5 ' ,', , ,' . .•. . -, .. ' .. , . .• .. '. .t) 8,

Abb. 10.6. Aufzeichnung eines doppelten Spurwechselmanö vers auf der Autobahn bei ei­ner Geschwindigkeit von etwa 125 krn/h. Die simulierten Größen wurden mit dem adapti­ven Fahrzeugmodell auf der Autobox online im Fahrzeug berechnet und zusammen mit dengemessenen Fahrzustandsgrößen abgespeichert,

Die querdynamischen Zustandsgrößen des Fahrzeugs (in Abb. 10.6. die Gier­rate) werden vom adaptiven Fahrzeugmodell sehr gut abgebildet. Dabei ist zu be­rücksichtigen, dass das Simulationsmodell ebenso wie in der Offline-Simulationauf dem pe eine Einschwingzeit von etwa 2 s benötigt.

198 10Implementierung des Fahrzeugmodells

5 10 15 20 25 30

4oo.-~----.---=---~--,

'ö 300~~ 200

~e:. ~

'0l!!-"e:'"...J

_t: t:

"'''' Ui".21:'3 '0 "5200= .5 l!!E'ä:) CI) ::"0)-"'0 .c: 'O.2' e: <Ce: 150'O:J ~:J.5 c: ", e:~ '" i55l.c: gj ... .. . . ... ~ '"

~ '"B ", 100

"' E o ECl'" 2 ~ '"01 01

10 5 10 15 20 25 30 500 5 10 15 20 25 300.8 0.15

t: 0.6 ~t: 0.1.!O? ca ·~_"5 ":':5"'E 0.4 ~ EO.05~ ·iii

.ii\

0.2 15'0 0.::g "'e:~:J ~:J<C e: 0 äi e:·0.05:: '" -,, '""' ''' e: '"a :3 -0.2 . ~:g -0. 1

E -" E~ ·0.4 . .. : 15 010. 15 .. . : . . . : . . . : .. . .' .. . .',

;:.0.6

0 5 10 15 20 25 30.0.2

0 5 10 15 20 25 30

Zeu Is] ZM [S]

_ 301r-~-----~-~""'"

-g~25 - ..äi iä~ e. 20 .. . • . . . , .~~e: 215b~ g 10~cDe 5Cl

Abb. 10.7. Aufzeichnung einer Fahrt mit großen Lenkeinschlägen bei sehr niedriger Fahr­geschwindigkeit (max. 30 km/h). Die Simulationder dargestellten Fahrzustandsgrößen er­folgte wiederumonline im Versuchsfahrzeug.

Bei hohen Lenkeinschlägen ist der Einfl uss der nichtlinearen Charakteristik derLenkkinematik auf das Fahrverhalte n am größte n. Bei niedrigen Geschwindigkei­ten erweist sich darüber hinaus die mathematische Beschreibung des nichtlinearenVerhaltens des Antriebsstrangs (Leerlaufdrehzahlregelung, Motorcharakteristik imunteren Drehzahlbereich usw.) als schwierig. Daher sind die Fehler einer modell­basierten Simulation in der Regel in denjenigen Fahrsituationen am größten, indenen hohe Lenkeinschläge bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten auftreten.

Um das Verhalten der Echtzeitsimulation insbesondere in diesen Fahrzuständenzu untersuchen, wurden verschiedene Fahrten durchgeführt, deren Charakteristi­ken der in Abb. 10.7. dargestellten Fahrt vergleichbar sind. Die gefahrene Ge-

10.3Visualisierung der Simulationsergebnisse 199

schwindigkeit schwankt während dieser Fahrt zwischen 30 km/h und dem Still­stand des Fahrzeugs (Abb. 10.7. Mitte links) . Sie wird vom adaptiven Fahrzeug­modell zu jedem Zeitpunkt mit vemachlässigbar geringem Fehler approximiert.Die Motordrehzahl sinkt bei den niedrigsten Fahrgeschwindigkeiten bis auf dieLeerlaufdrehzahl ab. In der Simulation wird die Drehzahl des Motors in diesemMoment konstant auf die Leerlaufdrehzahl eingeregelt, wohingegen der realeMotor den Nominalwert der Ruhedrehzahlleicht unterschreitet (Abb. 10.7. Mitterechts) . Die Einschlagwinkel des Lenkrades liegen zwischen -240° und +400°(Abb. 10.7. oben rechts) , was zur Folge hat, dass sehr hohe Winkelgeschwindig­keiten in der Gierbewegung des Fahrzeugs (bis zu 0,8 radIs = 46 o/s) und in derWankbewegung der Karosserie (über 0,18 radis = 10 °/s) auftreten . Dennoch wer­den auch diese beiden Fahrzustandsgrößen vom adaptiven Fahrzeugmodell gutabgebildet.

10.3 Visualisierung der Simulationsergebnisse

Sowohl bei der Offline-Simulation unter Simulink als auch bei der Online­Simulation unter ControlDesk erfolgte die Darstellung der Simulationsergebnissebisher in Form von Zeitverläufen. Eine Überprüfung der Güte des Modells fandanhand eines Vergleichs der gemessenen und der simulierten Kurvenverläufe cha­rakteristischer Fahrzustandsgrößen statt.

Da derartige Zeitverläufe nur mit Expertenwissen aussagekräftig interpretiertwerden können , erscheint es sinnvoll , als weitere Darstellungsform für die Simu­lationsergebnisse eine auch für Laien unmittelbar verständliche optische Darstel­lung zu verwenden. Um dies zu realisieren, wird innerhalb der Echtzeitsimula­tionsumgebung (Abb. 10.1.) das dSPACE Softwaretool RealMotion zur dreidi­mensionalen Animation der Fahrzeugbewegung in Echtzeit eingesetzt. Bei derBeurteilung einer solchen bewegten Darstellung des Fahrzeugs kann der Betrach­ter auf diverse in der alltäglichen Praxis gesammelte Erfahrungen aus dem Bereichder Kraftfahrzeugdynamik zurückgreifen .

Zur dreidimensionalen Animation des Fahrzeugs im Raum werden direkt dievom Echtzeitsimulationsmodell auf der Autobox berechneten Modellausgangs­größen verwendet. Um den Animationsaufwand zu reduzieren, werden die zu vi­sualisierenden Objekte lediglich als Gittermodelle dargestellt. Die Beschreibungder Bewegung der einzelnen Gittermodelle wird mit Hilfe von zeitabhängigenhomogenen Transformationsmatrizen realisiert.

10.3.1 Koordinatensysteme der Fahrzeugbewegung

Zur Modellbildung und zur dreidimensionalen Darstellung der Kinematik desFahrzeugs wurden mehrere rechtsdrehende Koordinatensysteme verwendet. Da­durch wird die im Rahmen der physikalischen Modellbildung des Fahrzeugs not-

200 10hnplementierung des Fahrzeugmodells

wendige Beschreibung der Bewegung der Teilkörper zueinander vereinfacht. ImEinzelnen wurden die folgenden Koordinatensysteme verwendet:

- das ortsfeste Inertialsystem (Index I),- das fahrbahn feste Koordinatenystem (Index 0),- das fahrzeugfeste Koordinatensystem (Index F),- das karosseriefeste Koordinatensystem (Index K),- die vier radfesten Koordinatensysteme (Indizes RVL, RVR, RHL, RHR).

Das Inertialsystem stellt das Referenzsystem dar. Zur Darstellung der Bewe­gung des Fahrzeugs im dreidimensionalen Raum werden alle Punkte in dieses Ko­ordinatensystem transformiert. Sein Ursprung befindet sich am Startpunkt desFahrzeugs, d.h. zu Beginn einer Simulation unter dem Fahrzeugschwerpunkt inder Fahrbahnebene.

Vom Inertialsystem gelangt man in das fahrbahnfeste Koordinatensystem (In­dex 0) durch eine Drehung um XI mit dem Fahrbahnkippwinkel y, und eine Dre­hung um YI mit dem Fahrbahnneigungswinkel X und durch das Verschieben desUrsprungs in die Fahrbahnoberfläche an die aktuelle x-y-Position des Fahrzeugs(Abb. 10.8.).

Von hier gelangt man zum fahrzeugfesten Koordinatensystem durch Drehenum Zo mit dem Gierwinkel \jI.

Das karosseriefeste Koordinatensystem erreicht man durch Anheben des Ur­sprungs in das Nick- und Wankzentrum und Drehen um XF mit dem WankwinkelK, sowie durch Drehen um YF mit dem Nickwinkel lp. Das Nick- und Wankzen­trum liegt im Abstand hsp+ ZASP (K =0, lp =0) senkrecht unter dem SchwerpunktSP (Abb. 10.9.).

Abb. 10.8.Fahrbahnkipp- und Fahrbahnneigungswinkel im inertialen und im fahrbahnfes­ten Koordinatensystem

10.3 Visualisierung der Simulationsergebnisse 201

oh

J

Abb. 10.9. Wank- und Nickwinkel im fahrzeugfesten und im aufbaufesten Koordinaten­system

Ver schiebt man den Ursprung des fahrzeugfesten Koordinatensystems in dieNaben der Räder und dreht um zF mit dem Radeinschl agwinkel ORi (i = VL , VR ,HR, HL ), so gel angt man in die radfesten Koordinatensysteme (Abb. 10.10 .).

o----\)

y,

U'.s~ \

\j.... ---- .-.- -', ,... -, ... .. ..~ .

Abb. 10.10. Darstellung des inertialen, des fahrzeugfesten und des vorderen linken radfes­ten Koordinatensystems in der Ebene (y = 0, X= 0)

202 10Implementierung des Fahrzeugmodells

10.3.2 Transformation der Koordinatensysteme

Die Transformation der Koordinatensysteme erfolgt mittels homogener Koordi­naten. Homogene Koordinaten stellen eine Erweiterung des kartesischen Koordi­natensystems dar. Das Haupteinsatzgebiet homogener Koordinaten sind räumlicheTransformationen, wie sie zur Platzierung, Orientierung, Skalierung und projekti­ven Darstellung von Objekten eingesetzt werden. Außerdem können durch Trans­formationen Bewegungen von Objekten durchgeführt oder komplexe Objekte auseinfacheren, separat konstruierten Objekten zusammengesetzt werden.

Die Einführung der homogenen Koordinaten geschieht ausgehend von der Dar­stellung eines Vektors in kartesischen Koordinaten. Ein Punkt des n-dimen­sionalen euklidischen Raumes ist durch einen Vektor x = [x, Xz ... xnlT gegeben.Die einzelnen Komponenten des Vektors bestimmen die Lage des Punktes imRaum. Im Gegensatz dazu besitzt bei den homogenen Koordinaten die einzelneKomponente eine Bedeutung für die Lage eines Punktes. Diese ist durch das ge­genseitige Verhältnis der Koordinaten gegeben.

Aus diesem Grund benötigt man zur Darstellung eines Punktes in homogenenKoordinaten eine zusätzliche Vektorkomponente, die als homogene Komponentew bezeichnet wird. Diese Komponente ist ein Skalierungsfaktor, mit dem dieKomponenten des herkömmlichen Vektors multipliziert werden. Dem Punkt

in homogenen Koordinaten entspricht

[XI] [VI/

W]x = Xz = Vz / W

x3 v3 / W

(10 .1)

(10.2)

in kartesischen Koordinaten. Mit dieser Darstellung bezeichnen die Vektoren

(10 .3)

den gleichen Punkt eines dreidimensionalen kartesischen Koordinatensystems.Dieser Umstand führt dazu, dass w häufig zu eins gesetzt wird, um leicht die kar­tesischen Koordinaten ablesen zu können. Für w ungleich Null bezeichnet v einenPunkt im Raum und wird als Punktvektor bezeichnet. Für w gleich Null erhältman einen Punkt im Unendlichen, welcher nur noch eine Richtung angibt unddeswegen Richtungsvektor heißt. Dividiert man einen homogenen Vektor durchseine homogene Komponente, so ist er homogenisiert.

10.3 Visualisierung der Simulationsergebnisse 203

Um die Koordinaten eines Punktes von einem Koordinatensystem in ein ande­res zu transformieren, bedient man sich der drei Grundtransformationen:

- Translation (Verschiebung) ,- Skalierung (Dehnung) ,- Rotation (Drehung) .

Die Einführung homogener Koordinaten macht es möglich, beliebige Trans­formationen durch die Multiplikation entsprechender Transformationsmatrizen mitden Punktvektoren durchzuführen. Ist zum Beispiel zur Beschreibung von Objek­ten im Raum eine Kombination aus Translation und Rotation nötig, so ist es nichtnotwendig , diese Transformationen einzeln nacheinander durchzuführen. AlleOperationen können zu einer Transformation zusammengefasst werden . Die ho­mogene Transformationsmatrix H ist für den dreidimensionalen Raum eine (4x4)­Matrix. Multipliziert man einen Vektor v mit H, so ist das Ergebnis der transfor­mierte Vektor u. Die Anwendung von H auf Punkte des Vektorraumes führt zu ei­ner Abbildung dieses Raumes auf sich selbst. Damit die Transformation eindeutigumkehrbar ist, muss H regulär sein.

Im Folgenden wird jede Grundtransformation. sowohl in Bezug auf kartesische,als auch in Bezug auf homogene Koordinaten betrachtet. Außerdem werden zu­sammengesetzte Transformationen behandelt.

Bei der Translation in kartesischen Koordinaten wird ein Punkt v auf eine neuePosition u verschoben, indem der gewünschte Betrag der Verschiebung t = [tl tzt3]T zu seinen Koordinaten addiert wird: u = v + t. Für den Fall homogener Koor­dinaten wird die Addition durch eine Multiplikation mit einer Transformations­matrix ersetzt:

mit

Vj +w ·t j

vz+w ·t zU= = H T ·vv3+ w · t3

w

~ ~ ~ ;~]o 0 I t3 •

o 0 0 1

(l0.4)

(10 .5)

Beim Skalieren oder auch Dehnen multipliziert man die einzelnen Koordinatendes Vektors mit einem entsprechenden Faktor Si. Mit kartesischen Koordinaten er­hält man:

204 10Implementierung des Fahrzeugmodells

[SI'VI]

U= s2 ,v2 =Hs 'v

s3 ' v3

mit

(10.6)

(10 .7)

Rotationsbewegungen setzen sich aus Drehungen eines Punktes um die dreiKoordinatenachsen zusammen . Im kartesischen Koordinatensystem gilt für dieRotation eines Punktes um die x-Achse:

mit

(10 .8)

oCOSK:

sin z-s~nK:] .

cosx(10.9)

Für homogene Koordinaten gilt:

[

V2 . COS•. v3 . sin K:jU = . =H ROTX . V

V2 ' SInK: + v3 ' COS K:

W

mit

H~IT"[~0 0

~]COSK: - sin K:

sin x COSK: o .0 0 I

Analog kann man für die Rotation um die y-Achse zeigen:

(10.10)

(10 .11)

10.3 Visualisierung der Simulationsergebnisse 205

mit

(10.12)

H ROTY =[ co? ~ ~-Sill ~ 0

o 0

sin eo

cos~

o(10 .13)

Schließlich gilt für die Rotation um die z-Achse:

lVI . c~s 1fI- V2 . sin IfIjVI . silllfl + v2 . COS lfI

u = = H R0 7Z ' Vv3

W

mit

(10.14)

oo

cos lfIsin lfI

H R0 7Z =

-sin lfI 0cos lfI 0

o Io 0

(10.15)

Das Zusammensetzen von Transformationen wird als Komposition bezeichnet.Der Hauptzweck zusammengesetzter Transformationen ist die höhere Effektivität,die darin begründet ist, dass auf einen Punkt nur eine Transformation angewendetwerden muss, statt nacheinander eine Reihe von Transformationen auszuführen.

Eine beliebige Folge von Transformationen in homogenen Koordinaten kannals Produkt der einzelnen Transformationsmatrizen zusammengefasst werden . Da­bei ist zu beachten, dass die Transformationen von rechts nach links auf den Vek­tor v angewendet werden . Die Hintereinanderschaltung von Transformationen istin der Regel nicht kommutativ. So ist zum Beispiel das Ergebnis der Rotation ei­nes Punktes um die x- und die y-Achse abhängig von der Reihenfolge, mit der dieTransformationen durchgeführt werden . Für die Standardanwendung

(10 .16)

ergibt sich HGES zu:

206 10 Implementierung des Fahrzeugmodells

H CES =

r

eos rp eosIf/cos e sm If/

sin rpo

- eosKsin lf/+sinKsinrpsin If/sin xsin eisin lf/+eosKeoslf/

sinxcos eo

eosnin rp sin If/+sinx sinIf/ 1I j-sinKeoslf/+eosKsinrpsinlf/ 12

cos xcos e 13

1

(10.17)

Zur Modellbildung und zur Darstellun g der Fahrzeugbeweg ung müssen die ho­mogenen Transformationsmatrizen für die Kaross erie und die Räder zu jedemAbtastzeitpunkt bestimm t werden . Aufgrund der Verkett ung der einze lnen Koor­dinatensysteme geschieht dies in der in Abb. 10.11. aufgeführten Reihenfolge.Wegen der Nichtkommutativität der Transformationen ist dabei besonderes Au­genmerk auf die Reihenfolge der Operationen zu legen. Für " H O gilt mit der imvorangehende n Absch nitt eingeführten Notation:

H1....0 =Hr(xpos,yPOs,zpos)·HROTY(X) 'HROTX(r)

bzw.

H'~ =ljo 0 X=j eosx 0 sinX

~Jlj0 0

~]1 0 Yros . o 1 0 eosy -sinyo 1 zpos - sinX 0 cos z siny eosyo 0 1 o 0 0 0 0

(10 . 18)

(10 .19)

Hierbei bezeichnen Xpos und ypos die Koordinaten des fahrze ugfesten Systems be­

zogen auf das bereits um Xund y gedrehte Inertialsystem. Die Komponente Zposgibt die aktuelle Höhe des Schwerpunkts der Karosserie abzüglich der durch dieEinflüsse von Kund q> erzeugten Änderungen an.

[~]

[~] [~] [:]HF-+ K aros seriefestes.... Syste m

~ ~ortsfestes fahrbahnfestes fahrzeugfestes I HF~R;~

[~]Inertialsystem System System YRi

ZR;

radfestesSystem

Abb. 10.11. Zusammenhangder einzelnen Koordinatensysteme, die zur ModellbildungderFahrzeugdynamik und zur dreidimensionalen Visualisierung der Fahrzeugbewegung ver­wendet werden (i = VL, VR, HL, HR)

10.3 Visualisierung der Simulationsergebnisse 207

Für K "* 0 und q> "* 0 wird die Änder ung dzpos der Höhe des Schwerpunkts be­stimmt durch

mit

VWANKNICK = [0 0 hspr.

(10 .20)

(10 .21)

Mit VWANKNICK als der Lage des Wank- und Nickzentrums bezoge n auf denSchwerpunkt ergibt sich ZPOS nun zu Zpos = ZKSP - dzPOs mit ZKSP als relativer z­Koordinate des Fahrzeugschwerpunktes bezoge n auf die Ruhe lage im kräftefreienFall. Die Kompo nente dzpos muss bestimmt werden, da ZKSP die gesamte Ver­schiebung des Fahrzeugschwerpunktes in z-Richtung angibt, aber nur der von K

und q> unabhängige Teil für die Transforma tion relevant ist. Für H O--.F gilt:

-sinljl

cos ljI

°°~ ~1I °° I

(10 .22)

und HH Kergibt sich zu

H F--. K = HROTY(IfJ) ·HROTX(K) ·H r(O,O,hwA)

bzw.

[ coup0 sin tp

][~0 0

~m0 0

hq0 I 0 cosK - sinK 1 0H F--. K = . 0 sinK 0 I-s~tp costp cos x:

0 0 0 0 0 0

Schließlich erhält man für H F--.Ri:

H F--.Ri = H ROry(nRi )· H ROrz(JR;) ·Hr(XRM;'YRM; , ZRM; + ZR;)

bzw.

H F-->Ri =COSORi - sinoRi 0

~lcosQRi 0 sinQR i

~w0 0 ',", jsinJ Ri cosoRI 0 0 , 0 , 0 YRMi

0 0 , - sinQRi 0 cosQRi 0 1 ZRMi ,+ ZR;

0 0 0 0 0 0 0 0

(10.23)

(10.24)

(10 .25)

(10 .26)

(10.27)

208 10Implementierung des Fahrzeugmodells

Der Term HROTY(QRi) beschreibt die durch die Positionsänderung des Fahr­zeugs hervorgerufene Drehung des Rades während der Fahrt. Der Wert für QRi er­gibt sich aus

j/ AKTUELL

QRi = 0 OJRi(t)dt

wobei OlRi(t) die Raddrehzahl in Radiant pro Sekunde und tAKTUELL die aktuelleSimulationszeit in Sekunden darstellt. Die Koordinaten XRMh YRMI und ZRMI be­zeichnen die Koordinaten der Lage des Drehpunkts bezüglich des fahrzeugfestenKoordinatensystems, während ZRi die vertikale Verschiebung des Schwerpunktsdes Rades zum aktuellen Zeitpunkt ist.

10.3.3 Darstellung der Fahrzeugbewegung in RealMotion

Für die dreidimensionale Animation der Fahrzeugbewegung in RealMotion wer­den Gittermodelle des Fahrzeugaufbaus und der vier Räder verwendet. Dabei wirddie Lage der verschiedenen Gittermodelle im Raum anhand der zuvor angegebe­nen Transformationsmatrizen in Echtzeit berechnet. Eine ausführliche Beschrei­bung der Umsetzung der Echtzeitsimulationsergebnisse auf der Autobox in einvon RealMotion interpretierbares Motion Data File (.mdt) ist in Drogies (1997) zufinden .

Bei der Auswahl der zur Visualisierung verwendeten Gittermodelle, die imASCII Drawing Interchange File (.dxt)-Format in RealMotion eingebunden wer­den können, wurde darauf geachtet, Modelle mit möglichst wenig Flächenele­menten zu verwenden, um eine Animation in Echtzeit zu ermöglichen . Um einenEindruck von der optischen Darstellung der Fahrzeugbewegung unter RealMotionzu erhalten, zeigt Abb. 10.12. einen Screenshot einer in Echtzeit visualisiertenVersuchsfahrt.

Zugunsten einer übersichtlicheren Darstellung werden die Richtung und dieGröße der aktuell wirkenden Radlängs- und Radquerkräfte durch dreidimensionalePfeile für jedes der vier Räder angezeigt. Zusätzliche, ins Gittermodell des Fahr­zeugaufbaus integrierte Bremsleuchten zeigen an, wenn das Fahrzeug im Verlaufder Simulation abgebremst wird.

Aufgrund der Richtung und der Länge der dargestellten Kraftpfeile ist unmit­telbar abzulesen , dass es sich bei der in Abb. 10.12. dargestellten Versuchsfahrtum eine Wedelfahrt handelt.

10.4Zusammenfassung 209

..- ---

------'.

------------------ --------- - - ----'1b/iOi

Abb. 10.12. Dreidimensionale Darstellung der simulierten Fahrzeugbewegung mit Real­Motion. Die in der Fahrbahnebene dargestellten Pfeile symbolisieren die Vektoren der ak­tuell wirksamenHorizontalkräfte der Räder.

10.4 Zusammenfassung

Zur Echtzeitsimulation der Fahrzeugdynamik wurde eine flexible Rechnerstrukturgeschaffen , die es gestattet, die gleichen Hardwarekomponenten und Software­tools einerseits zum Online-Einsatz des adaptiven Fahrzeugmodells im Versuchs­fahrz eug und andererseits zur Echtzeitsimulation des Modells offline im Labor zuverwenden. Dabei werden im Wesentlichen die Hard- und Softwarekomponentender von der Firma dSPACE entwickelten Schnittstelle zwischen Simulink und ei­ner speziell zur Anwendung in Fahrzeugen mit 12V Versorgungsspannung aus­gelegten Autobox verwendet.

Die Genauigkeit der Echtzeitsimulation im Fahrzeug ist mit derjenigen desadaptiven Fahrzeugmodells unter MATLAB/Simulink auf dem PC vergleichbar.

Im Online-Modus läuft die modellbasierte Berechnung der Fahrdynamik syn­chron zur Datenübertragungsrate des CAN-Busses in Echtzeit. Im Offline-Moduskann die dynamische Bewegung des Fahrzeugs auf der echtzeitfähigen Hardwareauf Wunsch sogar etwa um den Faktor ftinf schneller als Echtzeit berechnet wer­den .

210 10Implementierung des Fahrzeugmodells

Aufgrund der hohen Anschaffungskosten ist die zur Echtzeitsimulation ver­wendete Hard- und Software für einen Serieneinsatz im Fahrzeug nicht geeignet.Als Entwicklungssystem bietet sie dem Benutzer jedoch die Möglichkeit, dieEchtzeitsimulation der Fahrzeugdynamik auf komfortable , menügeführte Weise zusteuern und sich die Simulationsergebnisse in Form von zweidimensionalen Kur­venverläufen oder in Form einer dreidimensionalen Animation der berechnetenFahrzeugbewegung graphisch darstellen zu lassen.

11 Anwendungsbeispiele des Fahrzeugmodells

Stellvertretend für eine Vielzahl denkbarer Möglichkeiten werden in diesem Ka­pitel verschiedene Anwendungsbeispiele der Offline-Simulation der Fahrzeugdy­namik dargestellt.

Die Basis der Offline-Simulation bildet das adaptive Fahrzeugmodell. Mit die­sem wurden Simulationen durchgeführt, aus deren Ergebnissen die charakteristi­schen Übergangsfunktionen der Versuchsfahrzeuge abgeleitet werden können.Das simulierte Übergangsverhalten der Versuchsfahrzeuge wird im Zeitbereich inForm von Sprungantworten veranschaulicht. Dabei werden auch die Auswirkun­gen der Variation bestimmter Fahrzeugparameter auf das dynamische Verhaltender Versuchsfahrzeuge untersucht und bewertet.

Anschließend werden die charakteristischen Übertragungsfunktionen repräsen­tativer Fahrzeuge im Frequenzbereich untersucht. Das Übertragungsverhalten wirdin Form von Frequenzgängen dargestellt und die Einflüsse von Parameter- undZustandsänderungen des Fahrzeugs werden aufgezeigt und interpretiert.

11.1 Dynamisches Übergangsverhalten

In der Fahrdynam ik bezeichnet man das Gesamtverhalten des Regelkreises "Fah­rer - Fahrzeug - Umwelt" als das Fahrverhalten des Fahrzeugs . Die Güte desFahrverhaltens beurteilt in der Regel der Fahrer selbst auf der Basis seiner subjek­tiven Eindrücke . Seit mehr als zwanzig Jahren ist die Automobilindustrie bestrebt,das Fahrverhalten durch Messdaten aus ausgesuchten Fahrmanövern im "Open­Loop"-Betrieb des Fahrzeugs , d.h. ohne den Einfluss des Fahrers, zu beschreibenund zu bewerten (Zomotor et al. 1997/1998). Dabei wird der Fahrer durch einevorgegebene Fahranregung ersetzt und die daraus resultierende Reaktion desFahrzeugs wird untersucht. Das Reaktionsverhalten des Fahrzeugs wird in der Re­gel in Form von Übergangsfunktionen oder Frequenzgängen dokumentiert (Zo­motor 1991; Bosch 1995).

Bezüglich des Fahrverhaltens unterscheidet man prinzipiell zwischen dem Ge­radeauslauf und dem Kurvenverhalten des Fahrzeugs . Unter dem Oberbegriff desKurvenverhaltens wiederum ist einerseits das stationäre Verhalten und anderer­seits das dynamische Übergangsverhalten des Fahrzeugs zusammengefasst.

Zur Beurteilung des stationären Kurvenverhaltens hat sich über die Jahre diestationäre Kreisfahrt nach ISO 4138 durchgesetzt (ISO 1996).

212 11 Anwendungsbeispiele des Fahrzeugmodells

8O..----r----,---r----r--r---r----,---r----r---,

00 0.2 0.4 0 .6 0.8 1.2 1.4 1.6 1 .8 2

_0 .3~ VF - 60 km /h

~ VF - 40 km /h~ ·ijiO.2c.>t:

100 km / h. - Cl VF -~'öo>c . . . . . VF - 80 km /h oa~O.l ..... . . .. .... .. . ....... . .

s:. . ..

o'"0>Cl

00 0.2 0 .4 0.6 0.8 1.2 1.4 1.6 1.8 2

6. ....... v~ - 100 km I h

r

i4 . . -p':" : - -· v - 80km / h '• • • • • • • F

. : : : : : : <, VF - 60 ~m I h

Cl. c- :::l~ .Q)o§

0>

~1l

00 0 .2 0.4 0.6 0.8 1.2 1.4 1 .6 1.8 2

8

'0 : : : • :,/ VF - 100 km / h'" 6 .. ~ . . . . . . . . . ", . . . . " ... . ',' .. " .. . . " . .. ..2!-a; VF - 80km /h.>t: 4c. ~ VF - 60 km /h.>t:c 2 . .. . .. . - 40km /h ''" VF -~

00 0 .2 0 .4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2

Ze it [si

Abb. 11.1. Simulierte Sprungantworten des Fahrzeugs bei Anregung mit der oben darge­stellten Sprungfunktiondes Lenkradwinkeis. Die Geschwindigkeit vr des Fahrzeugs wurdezwischen 40 und 100krnlh stufenweise variiert.

Die wichtigste fahrdynamische Kenngröße, die aus diesem Fahrmanöver abge­leite t wird, ist der Eigen lenkgradient (Zomotor 199\). Das Eigenlenkverhal ten desFahrzeugs wurde bereits in Würtenberger (1997) un tersucht und wird daher imFolgende n nicht weiter betrachtet.

11.1 Dynamisches Übergangsverhalten 213

Zur Untersuchung des dynamischen Übergangsverhaltens bei Kurvenfahrt wer­den in der Praxis überwiegend Lenkwinkelsprünge eingesetzt. Diese Testmanöversind in der ISO Norm 7401 standardisiert (ISO 1988). Dabei ist insbesondere dieAbhängigkeit der Fahrzeugreaktion von der Geschwindigkeit und von bestimmtenFahrzeugparametern (Beladung, Reifendruck) von Interesse.

Da es im Fahrversuch selbst für geübte Testfahrer unmöglich ist, die geforder­ten genormten Lenkradwinkelsignale reproduzierbar zu erzeugen, wird im Fol­genden das adaptive Fahrzeugmodell zur Untersuchung des dynamischen Über­gangsverhaitens eines Fahrzeugs mit Frontantrieb herangezogen.

Zur Untersuchung der Sprungantwort des Fahrzeugs wird eine realitätsnaheSprungfunktion als Lenkradwinkelsignal verwendet. Diese wird durch eine idealeSprungfunktion von 0° auf 60° erzeugt, welche durch ein nachgeschaltetes, aperi­odisch gedämpftes PT2-Glied verzögert wird (Abb. 11.1. oben). Die maximaleLenkradwinkelgeschwindigkeit beträgt 680 0/s (die Mindestanforderung nach ISO7401 beträgt 2000/s). Der stationäre Endwert von ÖL = 60° wird nach 0,25 s er­reicht.

Die Reaktion des Fahrzeugs auf die Anregung mit dem in Abb. 11.1. oben dar­gestellten Lenkradwinkelsignal wurde mit dem adaptiven Fahrzeugmodell simu­liert . Die Fahrzeuggeschwindigkeit wurde für jede Simulation jeweils konstantvorgeben . Aus den simulierten Ausgangsgrößen des Fahrzeugmodells erhält mandie in den unteren Teilbildern von Abb. 11.1. dargestellten Sprungantworten(Übergangsfunktionen) der Gierwinkelgeschwindigkeit, der Querbeschleunigungund des Wankwinkels des Fahrzeugs in Abhängigkeit der konstanten Fahrge­schwindigkeit. Die wichtigsten Kennwerte zur Beurteilung des Ansprechverhal­tens des Fahrzeugs sind die auf den stationären Endwert bezogene maximaleÜberschwingweite und die Zeitspanne zwischen dem Beginn des Lenkradwinkel­sprungs und dem Erreichen des ersten Maximums (Peak Response Time) . Diesebeiden Größen sind für die in Abb. 11.1. dargestellten Sprungantworten in Tabelle11.1. zusammengefasst.

Tabelle 11.1. Sprungantworten des Fahrzeugs in Abhängigkeit der Geschwindigkeit

7,290,510

25,020,440

Geschwindigkeit [kmJh]

Max. Überschwingweite [%1Peak Response Time lsl

Max. Überschwingweite [%]Peak Response Time [sI

Max. Überschwingweite [%]Peak Response Time [s]

40 60 80 100Sprungantwort der Gierwinkelgeschwindigkeit0,74 3,95 12,69 26,810,420 0,420 0,370 0,345Sprungantwort der Querbeschleunigung4,68 1,74 3,960,215 0,525 0,510Sprungantwort des Wankwinkels59,14 31,41 24,600,350 0,390 0,420

Die maximale Überschwingweite der Übergangsfunktion der Gierwinkelge­schwindigkeit nimmt mit zunehmender Geschwindigkeit zu. Die Peak ResponseTime nimmt mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit ab. Während bis zur Ge-

(11.1)

214 11 Anwendungsbeispie1e des Fahrzeugmodells

schwindigkeit von 40 km/h praktisch kein Überschwingen zu erkennen ist, zeigtdas Fahrzeug bei 100 km/h ein deutliches Einschwingen auf den stationären End­wert. Der Einschwingvorgang ist nach etwa 1,2 s abgeschlossen. Der stationäreEndwert der Gierwinkelgeschwindigkeit variiert nur geringfügig in Abhängigkeitder Fahrgeschwindigkeit. Die Übergangsfunktion des Wankwinkels zeigt eine da­zu entgegengesetzte Charakteristik. Die maximale Überschwingweite nimmt mitzunehmender Fahrgeschwindigkeit ab, wohingegen die Peak Response Time undder stationäre Endwert mit der Fahrzeuggeschwindigkeit zunehmen.

Das unterschiedliche Übergangsverhalten der Gierwinkelgeschwindigkeit unddes Wankwinkels ist plausibel, wenn man berücksichtigt, dass es sich bei demWankwinkel um eine integrale Winkelgröße handelt, deren Absolutwert in Ab­hängigkeit der auf die Fahrzeugkarosserie wirkenden Zentrifugalkraft zunimmt.Diese Kraft steigt bei konstantem Lenkwinkel mit der Fahrgeschwindigkeit an.Der stationäre Endwert der Gierwinkelgeschwindigkeit hingegen wird im We­sentlichen vom stationären Endwert des Lenkwinkels bestimmt, mit dem die Fahr­zeugbewegung angeregt wird.

Die Sprungantwort der Querbeschleunigung ist gekennzeichnet durch großeÜberschwingweiten und kleine Ansprechzeiten bei kleinen Fahrgeschwindigkei­ten. Im Bereich der charakteristischen Geschwindigkeit des Fahrzeugs besitzt dieÜberschwingweite ein Minimum und die Peak Response Time ein Maximum.Oberhalb der charakteristischen Geschwindigkeit steigt die Überschwingweite beietwa gleichbleibender Ansprechzeit wieder an. Der stationäre Endwert der Quer­beschleunigung nimmt mit wachsender Fahrzeuggeschwindigkeit kontinuierlichzu. Die charakteristische Geschwindigkeit des Fahrzeugs ist in Mitschke (1990)definiert als:

mF ·(eH ·IH -Cv .Iv ) ·

In GI. (11.1) bezeichnet mF die Masse und I den Radstand des Fahrzeugs . DieParameter Iv und IH stehen für den Abstand des Fahrzeugschwerpunktes zur Vor­der- bzw. zur Hinterachse (Abb. 2.16.), und die Parameter cv und CH bezeichnendie Schräglaufsteifigkeiten der Vorder- bzw. der Hinterräder des Fahrzeugs.

Die charakteristische Geschwindigkeit des Fahrzeugs ist ein Maß für die Unter­steuertendenz des Fahrzeugs: je kleiner VCH ist, desto stärker neigt das Fahrzeugzum Untersteuern (Daiß 1996) .Für das simulierte Fahrzeug ergeben sich je nachBeladung charakteristische Geschwindigkeiten zwischen 49,5 kmlh und 59,4kmlh. Diese Werte liegen am unteren Ende der heute für Personenkraftwagen üb­lichen charakteristischen Geschwindigkeiten , das Fahrzeug ist also untersteuemdausgelegt.

11.l Dynamisches Übergangsverhalten 215

8O ....-- .,.-- --r-- --.-- --,- - r--- .,.-- -,-----.-----.- ---,

2

2

1.8

1.8

1.6

1.6

1.4

1.4

1.2

1.2

0.8

0.8

0.6

0.6

0.4

0.4

0.2

0.2

/

1 Person : .;, ;.. . :: ...~. '. . . 4 r:ers. + ,:"e~~k :.... :,r.. .

. . ""'\~ peisonen : '\4 pe Jsonen :•• •1. i ... . :. .. . :... . :. .. ..:. . ...:. ....:.. ...:.... .:....

0 1_ _ -'--_--'-_--'-_--'- __ L..-_-'--_-'-_--'-_--'-_----I

6°;..---.:.;.=-- :..;...-- .:..,.:..- ..::,.::..- --.-- -,-- ---.- ----r- --,r----,

'C~

i :~(; .~~ 20 . • .... •..,-' OIL-_ -'--_ -'-_ --'-_ --'-__L..-_-'--_-'-_--'-_---'-_--J

O;..----..:.,..:....._ --r-_ --.-_ --,.__.----_.,...-_-,--_--.-_---._---,_0.3:ä~

~iO.2.5 -&~'ö.,c:a~o.l

(/).,Cl

21.81.61.41.2

~ Persone n

0.80.6

1 Person . . ./: : .---4 Pers. + Gepack

0.40.2

. ..:. .. . i.~ :~rf?~~n. i. ... .:. .. ..:. .. ..:..... :. ... -: ....

21.81.6

. . .: 4 Per~ . + GeJ?3ck

1.4

2 Personen :

0.6 0.8 1 1.2Zeit (51

: 1 Person: : :" : '/':' " .: ... ..: .. . . .: . . 4personen .. .

0.40 2

'C'" 6~äi"" 4c:i""c: 2~

00

Abb. 11.2. Sprungantworten des Fahrzeugs für unterschiedliche Beladungen. Das Fahrzeugwurde mit der gleichen Sprungfunktion des Lenkradwinkels angeregt, wie es in denvorangegangenen Untersuchungen der Fall war.

Im Folgenden wird der Einfluss untersch iedli cher Beladungszu stände auf dieÜbergangsfunktionen des Fahrzeugs untersucht. Dazu wurden vier Simulat ionenmit der gle ichen Sprunganregung (obe n) und der gleiche n konstant en Gesch win­digkeit von 80 krnJh durchgefiihrt (Abb. 11.2.).

216 II Anwendungsbeispiele des Fahrzeugmodells

Dabei wurden die folgenden Beladun gszuständ e des Fahrzeugs unterschieden:

Beladun g mit einer Person (Fahrer),- Beladung mit zwei Personen (auf den beiden Vordersitzen),

Beladun g mit vier Personen (zwe i auf den Vordersitzen, zwei im Fond) undBeladun g mit vier Personen und Gepäck bis zum zulässigen Gesamtgewicht.

Für diese vier verschiedenen Beladungszustände wurden die Radaufstandsmas­sen, die Einfed erun g sowie die Reifenradien des Fahrzeugs statisch vermessen.Für die Simulationen wurden die Parameterwerte des Fahrzeugmodell s gemäßdiesen Messwerten verändert. Die dynamische Verschiebun g der Massevert eilunginfolge der Fahrzeugbewegun g wurde nicht berücksichtigt. In Tabelle 11.2. sindwiederum die zu den in Abb. 11.2. dargestellten, simul ierten Sprun gantwortenkorre spondierenden Kennwerte zusammengefasst.

Im Antwortverhalten des Fahrzeugs auf die Anregung mit dem Lenkradwinkel­sprung sind nur sehr geringe Unterschiede zu erkennen , wenn eine bzw. zwei Per­sonen vorne im Fahrzeug mitfahren. Auch bei Beladung des Fahrzeugs mit vierPersonen (zwei vorne, zwei hinten) lassen sich aus den Verläufen der Übe rgangs­funktionen und den daraus berechneten Kennwe rten keine grav ierenden Unter­schiede im Fahrverhalten ableiten. Lediglich der Wankwinkel schwing t auf einengeringer en stationären End wert ein, da die mit vier Personen belastete Fahrgast­zeIle über allen vier Rädern relativ gleichmäßig einfedert. Dadurch wird dieWankne igung des Fahrzeugs durch den ausgleichenden Druck der Fahrwerks fe­dern und der Stabilisatoren reduziert.

Anders stellt sich die Situat ion dar, wenn zusätzlich zu den vier Passagieren derKofferraum des Fahrzeugs bis zur Grenze des zulässigen Gesamtgewichts mit Ge­päckstücken gefüllt wird. Sowohl die in Abb. 11.2. dargestellten Sprungan twortenals auch die in der rechten Spalte der Tabelle 11.2. aufgefü hrten Kennwerte zei­gen, dass in diesem Fall die Grenze der Fahr stabili tät erreicht ist und das Fahrzeugzu schwingen beginnt.

Tabelle 11.2.Kennwerte der Sprungantworten für die beschriebenen Beladungzustände

Beladung 1 Person 2 Personen 4 Personen 4 Personen+Gepäck

9,810,82

52,150,80

Max. Überschwingweite [%]Peak Response Time [s]

Max. Überschwingweite [%]Peak Response Time [s]

Max. Überschwingweite [%]Peak Response Time [s]

Sprungantwort der Gierwinkelgeschwindigkeit12,69 12,71 14,66 13,750,38 0,37 0,37 0,32

Sprungantwort der Querbeschleunigung4,49 3,97 4,980,51 0,51 0,51

Sprungantwort des Wankwinkels23,55 24,51 25,400,43 0,42 0,43

11 . I Dynamisches Übergangsverhalten 217

80~-~-~--~-~--~-........----.--....--~----.

21.81.61.41.20.80.60.40.2

· . . . . . . . ... . . ; .... : . . .. : ... . : .. . . '" .. . ", ... ', " . . . '. ' ... ", . . .

°°_ 0.3 .-- ...-- ...,.--- -,-- ---.,.- - ..--- ...-- -.-- -,-- ---.,.- ---,.!!!'0~

~iO.2.= ~~i5., c:alo.l

Cl

21.81.61.41.20.80.60.40.2OLL_ ....I...-_ --'-_ ---'-_ ----L__'---_....I...-_-"-_--'-_----L_----l

°6.-- ...-- ...,.--- -,-- --.- - ..--- ...-- -.-- -,-- ---.,.- ----,.:. : ... . : .. .. : . . .. :.. .. : . . . . : .... : . . . . .:....· . . . . . . . .. . . . . . . .· . . . . . . . .

2 . . . ~ . . "1 '.. '1" .'1 ' .. ..~ .....~ ..... ~ .. .. -:-- ... ~ .. ..

°° 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 28

PRo - tO barPRo - t4 bar .

PRo - t8 bar .

p.. - 2.~ bar2 . . . . . .. . ... .. .. ... •... .• .. ..•... .•....•. . . ... ....

21.81.61.40.6 0.8 1 1.2Zeit [sl

0.40.2°L..L-....I.-_--'-_---'-_----L__'---_....I.-_--'-_---'-_----'_----l

°Abb. 11.3. Sprungantwortendes Fahrzeugsfür unterschiedlicheReifendrücke

Am deutlichsten ausgeprägt ist die Schwingung der Karosserie um ihre Längs­achse, die im simulierten Wankwinkelsignal zu erkennen ist. Hier verdoppelt sichdie Amplitude der Schwingung gegenüber den übrigen Beladungszuständen. Da­her sind der Fahrkomfort und die Fahrsicherheit während dieses Fahrmanövers

218 II Anwendungsbeispiele des Fahrzeugmodells

deutlich reduziert. Aufgrund der stark hecklastigen Beladung beginnt das Heckdes Fahrzeugs um die Solltrajektorie zu schwingen.

Die stationären Endwerte der Sprungantworten der Gierwinkelgeschwindigkeitund der Querbeschleunigung sind vergleichbar mit denjenigen der übrigen Bela­dungszustände. Das konstruktiv bedingte , untersteuemde Kurvenverhalten desFahrzeugs bleibt also auch unter dieser extremen Belastung erhalten.

Zum Abschluss der Betrachtung der Sprungantworten wird das Übergangsver­halten des Fahrzeugs bei unterschiedlichen Reifendrücken untersucht. Dazu wur­den Simulationen durchgeführt, bei denen die Reifendrücke aller Räder ausgehendvom Nominaldruck PRi =2,2 bar (i =VL, VR, HL, HR) bis auf den Wert von PRi =1,0 bar (i = VL, VR, HL, HR) abgesenkt wurden. Die Parameter der Rad- und Rei­fenmodelle des adaptiven Fahrzeugmodells wurden diesen Werten angepasst. Diesimulierten Antwortfunktionen des Fahrzeugs bei Anregung mit dem gleichenLenkradwinkelsprung sind in Abb. 11.3. dargestellt.

Die Simulationsergebnisse sind überraschend, da sich weder in der Sprungant­wort der Gierwinkelgeschwindigkeit noch in derjenigen der Querbeschleunigungeine Abhängigkeit des Übergangsverhaltens des Fahrzeugs vom Reifendruck fest­stellen lässt. Lediglich das Wankwinkelsignal zeigt eine Erhöhung der Über­schwingweite bei Abnahme des Reifendrucks. Diese Tendenz ist darauf zurückzu­führen, dass mit dem Reifendruck die vertikale Federsteifigkeit und die Dämpfungder Reifen abnimmt. Daher ist die durch den Lenkradeinschlag angeregte Wank­bewegung der Karosserie durch das vertikale Schwingungssystem Straße ­RadIReifen - Radaufhängung - Karosserie bei niedrigen Reifendrücken schwächergedämpft.

11.2 Charakteristische Übertragungsfunktionen

Wedel fahrten und Slalomtests sind Testmethoden, die schon seit den Anfängender Fahrzeugprüfung durchgeführt werden . Zur Beurteilung des Übergangsver­haltens eines Fahrzeugs werden heute zusätzlich zum Lenkradwinkelsprung zu­nehmend auch Analysen des Fahrzeugverhaltens im Frequenzbereich herangezo­gen (Bosch 1995; Zomotor et al. 1997/1998).

Erzeugt man die Frequenzgänge der charakteristischen Übertragungsfunktionenaus Simulationen mit dem adaptiven Fahrzeugmodell, so lassen sich daraus Aus­sagen über dessen Fahrdynamik reproduzierbar ableiten. Aufgrund des nichtlinea­ren Modellverhaltens kann man dadurch allerdings lediglich Tendenzen der fahr­dynamischen Eigenschaften des Fahrzeugs aufzeigen .

Zur Erzeugung der in diesem Abschnitt dargestellten Frequenzgänge wurde einsinusförmiges Lenkradwinkelsignal verwendet, das dem Fahrzeugmodell aufge­schaltet wurde. Die Frequenz des Lenkradwinkelsignals wurde während jeder Si­mulation im Intervall von 0 Hz bis 10 Hz kontinuierlich gesteigert. Um die Simu­lationsergebnisse infolge des nichtlinearen Systemverhaltens nicht zu verfälschen,wurde die Amplitude des Lenkradwinkels auf den konstanten Wert ÖL = 60° ein-

11.2Charakteristische Übertragungsfunktionen 219

gestellt. Die Amplitudengänge werden nicht auf die Amplitude des Anregungssig­nals normiert dargestellt.

Im Rahmen der Frequenzganguntersuchungen erweist sich die Arbeitspunktab­hängigkeit des adaptiven Fahrzeugmodells, welche das nichtlineare Systemver­halten des realen Fahrzeugs widerspiegelt, als problematisch. Bei der Generierungund der anschließenden Analyse der Frequenzgänge ist insbesondere die Abhän­gigkeit des dynamischen Fahrverhaltens von der Fahrgeschwindigkeit in Betrachtzu ziehen. In Abb. 11.4. und Abb. 11.5. sind die aus Simulationen mit dem adapti­ven Fahrzeugmodell berechneten Frequenzgänge der Übertragungsfunktionen derGier- und der Wankdynamik des Fahrzeugs in Abhängigkeit der Geschwindigkeitdargestellt.

Der Amplitudengang der Gierübertragungsfunktion kommt dem eines linearenPDT2-Systems nahe . Er zeigt eine Amplitudenüberhöhung im Bereich der Reso­nanzfrequenz, welche mit der Fahrzeuggeschwindigkeit zunimmt. Je größer dieseÜberhöhung ist, desto stärker neigt das Fahrzeug zum Untersteuern (Zomotor1991). Die Resonanzfrequenz verschiebt sich im Frequenzintervall zwischen 1 Hz

unc 2 1:lt m :( iz:.meh'rr:enoeflüescl1windfgkeiCtiuIZLil'bh·eren.Fr"cql.lcr:i ell.Die P ca­se der Gierübertragungsfunktion fallt bei kleinen Geschwindigkeiten und kleinenFrequenzen leicht ab.

10

1 - . - . - - - .

2

3 -: ; . . ; :... "".~-.......:.....:-

OL...-_-~-~~~~~~'----~-~~~~~..........0 .1

50r---------..........~....,....'"'T'"------....,........,........,........-.......,

101Frequenz [ Hz)

. 150 L-__~_~_~~_~~.L-__~_~_~~_........~0 .1

'ö 0'".ElCl> ·50~s:Cl. . 100

Abb. 11.4. Frequenzgang der Gierübertragungsfunktion (Eingang: Lenkradwinke1, Aus­gang: Gierwinkelgeschwindigkeit). Die Frequenzgänge sind für konstante Geschwindig­keiten VF = 40,60,80, 100km/hdes Fahrzeugs dargestellt.

220 11 Anwendungsbeispiele des Fahrzeugmodells

10o l.---------~-'----~-_........:==-----I

0.150 .--------~~--~r------~~_,~;"'!'""1

o :7..~. .:-:- ,..,..------......:.......:~

0.2

0.4

101Frequenz [Hz]

. . . . . . .' : . . ~ . .' .. '. :. ", : : ~. . .·200·250 L.-----~-~~-~L.-----~-~~-..........

0.1

W ·50oE!Cl> · 100In

~ · 150a..

Abb. 11.5. Frequenzgang der Wank übertragungsfunktion (Eingang: Lenkradwinkel; Aus­gang: Wankwinkel). Die Abstufungder Geschwindigkeit Vr entsprichtder in Abb. 11.4..

Bei höheren Frequenzen ist der Abfall linear und stärker. Mit zunehmenderFahrzeuggeschwindigkeit wird der Gradient des Phasengangs bei kleinen Fre­quenzen geringer. Im Bereich der Resonanzfrequenz nimmt er zu.

Der Frequenzgang der Wankübertragungsfunktion ist qualitativ mit dem einesschwach gedämpften PT2-Systems vergleichbar. Der Amplitudengang zeigt einenausgeprägten Resonanzpeak, der sich mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit imFrequenzintervall zwischen 1,5 Hz und 2 Hz in Richtung niedrigerer Resonanz­frequenzen verschiebt. Der Absolutwert der Amplitude in der Resonanz nimmtmit wachsender Fahrzeuggeschwindigkeit leicht zu.

Der Phasengang der Wankübertragungsfunktion fällt zur Resonanzfrequenz hinsteil ab. An der Resonanzfrequenz erreicht er einen Wert von -90°. Für höhereFrequenzen flacht der Abfall des Phasengangs wieder ab.

Die Horizontalbewegungen der Reifen und der Radaufhängungen sind deutlichstärker gedämpft als die Vertikalbewegungen dieser Komponenten. Diese Tatsa­che wird beispielsweise durch die Werte der Dämpfungskonstanten des Reifensund der Radaufhängung in horizontaler und vertikaler Richtung belegt, welche inSchwarz (1999) an einem anderen Fahrzeug identifiziert wurden. Darüber hinauswird die Gierbewegung des Fahrzeugs durch die Haftreibung der Reifen auf derFahrbahn gedämpft. Daher besitzt der Amplitudengang des Wankwinkels einedeutlich schwächere Dämpfung, als sie im Amplitudengang der Gierübertragungs­funktion zu erkennen ist.

11.2Charakteristische Übertragungsfunktionen 221

Analog den Untersuchungen der Sprungantworten des Fahrzeugs (vgl. Abschn .11 .1) wird im Folgenden der Einfluss unterschiedlicher Beladungszustände undder daraus resultierenden Masseverteilung auf die Frequenzgänge der charakte­ristischen Übertragungsfunktionen aufgezeigt. Der Einfluss des Parameters .Bela­dung" soll dabei entkoppelt von der nichtlinearen Abhängigkeit des Übertra­gungsverhaltens von der Geschwindigkeit betrachtet werden . Daher wurden dieSimulationen, auf denen die folgenden Frequenzgänge basieren , bei einer kon­stan ten Fahrzeuggeschwindigkeit von Vr = 80 km/h durchgeführt.

In Abb. 11 .6. ist der Frequenzgang der Gierübertragungsfunktion in Abhängig­keit der in Abschnitt 11.1 beschriebenen Beladungszustände dargestellt. DieAmp litudenüberhöhung bei der Resonanzfrequenz nimmt mit wachsender Fahr­zeugmasse leicht zu. Die Unterschiede zwischen dem Amplitudengang des nur mitdem Fahrer und dem Amplitudengang des mit Fahrer und Beifahrer belastetenFahrzeugs sind äußer st gering . Das bedeutet, dass ein durchschnittlicher Fahrerkeinen Unterschied im Kurvenverhalten des Fahrzeugs feststellen wird, solangeder Schwerpunkt des Fahrzeugs nicht durch Passagiere im Fond oder Lasten imKofferraum zugunsten höherer Radlasten an den Hinterädern verlagert wird.

Im Phasengang der Gierübertragungsfunktion ist keine Abhängigkeit von derMasseverteilung und der daraus resultierenden Verlagerung des Fahrzeugschwer­punktes zu erkennen.

10

10

. .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . ... .

1Frequenz [Hz)

;----i---i-.,..... :.:...:c. : " : : :.. : '.' : -,

2 '0"· · · ' . . ' . 0. ' ° 0" " " 0.'. ' . '" 0.' ' "

3

00.1

50

'ö 0l!!.2lCIl ·50(J)

'"s:11. ·100

·1500.1

Abb, 11.6. Frequenzgang der Gierübertragungsfunktion in Abhängigkeit des Beladungs­zustandes des Fahrzeugs (symbolisiert durchden ParametermF)

222 11 Anwendungsbeispiele des Fahrzeugmodells

Die Auswirkungen der Beladung auf den Frequenzgang der auf das inertialeKoordinatensystem bezogenen Gierwinkelgeschwindigkeit sind daher relativ ge­ring . Wesentlich prägnanter und daher auch für die Fahrzeuginsassen deutlicherspürbar ist der Einflu ss unterschiedlicher Masseverteilungen auf die Querbe­schleunigung des Fahrzeugs, deren Frequenzgang in Abb. 11 .7. dargestellt ist.

Charakteristisch für den Frequ enzgang der Übertragungsfunktion zwischenLenkradwinkel und Querbeschleunigung ist der Abfall des Amplituden ganges abeiner Frequenz von ca. 0,5 Hz bis zu dem lokalen Minimum im Bere ich zwischen2 und 3 Hz. Mit zunehmender Beladung des Fahrzeugs verschiebt sich der Beginndes Abfalls in Richtung höherer Frequenzen. Daher nimmt die Tendenz des Fahr­zeug s zum Unter scheuern mit der Beladung zu. Der Grad ient der Amplitudenab­nahme nimmt zu und das lokale Minimum des Amplitudenganges wird ausge­prägter. Die Frequenz, bei der das Minimum angen ommen wird, verschiebt sichjedoch nur geringfügig.

Eben so deutlich zeigen sich auch im Frequenzgang der Wankübertragungs­funkti on charakteristische Veränderungen bei unter schiedlichen Auslastungen derFahrzeugkarosserie (Abb. 11.8.). Die Höhe des Resonanzpeaks im Amplituden­gang nimmt bei gleicher Resonanzfrequenz mit zunehmender Beladung deutlichab.

10

10

·60 L...-----~~~~~.........JL...-----~~~~~-.J

0.1 1Frequenz [ Hzl

Abb. 11.7. Frequenzgang der Übertragungsfunktion der Fahrzeugquerbeschleunigung (Ein­gang: Lenkradwinkel; Ausgang: Querbeschleunigung) in Abhängigkeitder Masseverteilungdes Fahrzeugs

'ö~ ·20E!CI)

'"~ ·40c,

0 .07 r----:---:-_o-,,---:-,,"--_o~_o~..,.--:-..,.-.,.......,.......,

0.06

~;2"ä. 0.03~ 0.02

11.2Charakteristische Übertragungsfunktionen 223

0.8 ° 0 ' .

0.6

0.4 .

0.2 . . . . ' .' .. , .. , . ' ,' ."., ' ,. • "

• • : •• 0"' • 0•• 0. 0°. ~ ..

00.1

50

0'ö~ ·50oE!Cl<Il · 100cus:Cl.

· 150

·2000.1

. . . .. . ... . . . . . . ... . .. . . .

1Frequenz [Hz]

10

10

Abb. 11.8. Frequenzgang der Wankübertragungsfunktion in Abhängigkeit der Massever­teilung im Fahrzeug (symbolisiert durchden Parameter mF)

Die Phasenverschiebung zwischen Wankwinkel und Lenkradwinkel nimmt imBereich der Resonanzfrequenz mit der Beladung ebenfalls ab.

Abschließend werden die Auswirkungen eines Druckabfalls an den Reifen desFahrzeugs auf dessen Frequenzgänge untersucht. Dazu wurden wie schon imRahmen der Untersuchung der Sprungantworten des Fahrzeugs die Reifendrückean allen vier Rädern ausgehend vom Nominaldruck von 2,2 bar stufenweise um je0,4 bar bis zu einem minimalen Druck von 1,0 bar reduziert.

Ebenso wie im Zeitbereich (vgl. Abb. 11.3.) zeigt sich auch im Frequenzbe­reich der Einfluss des Reifendruckes lediglich in der Frequenzcharakteristik derWankübertragungsfunktion (Abb. 11.9,). Im Amplitudengang ist zu beobachten,dass die Höhe des Resonanzpeaks mit sinkendem Reifendruck zunimmt. Gleich­zeitig nimmt die Breite der Amplitudenüberhöhung zu,

Das bedeutet, dass bei niedrigen Reifendrücken die Karosserie des Fahrzeugsinfolge der reduzierten Dämpfung vertikaler Schwingungen durch das Reifen­Fahrwerk-System leichter zu einer Wankschwingung angeregt werden kann, ImPhasengang der Wankübertragungsfunktion sind keine markan ten Änderungen beiunterschiedlichen Reifendrücken zu erkennen .

224 11Anwendungsbeispiele des Fahrzeugmodells

10

. ... .. .: : . . : . .:.. :..:.:.: .: .

o '," "."" 0" • •• • •• 0' ' .' . , ' ,' ..

·50

. . .0.2 ", , . . , . ' ,' ' ," ', . ,' l .. ' • • •• • " " .

0.4

0.8 ° 0 " •• • •• • • ' ' .' ' . ' , .

0.6 ". 0 ' .

1Freque nz (Hz)

Abb. 11.9. Frequenzgang der Wankübertragungsfunktion in Abhängigkeit des Luftdrucksder Reifen. Der Reifenluftdruck wurde ausgehend von 2,2 bar schrittweise bis auf 1,0 barreduziert.

11.3 Zusammenfassung

Stellvertretend für eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten des adaptiven Fahr­zeugmodells im Offline-Bereich wurde in diesem Kapitel die Untersuchung derdynamischen Fahreigenschaften des Versuchsfahrzeugs im Zeitbereich (durchSprungantworten) und im Frequenzbereich (mit Hilfe von Frequenzgängen) dar­gestellt. Dabei wurden insbesondere die charakteristischen Übertragungsfunkrio­nen der Quer- und der Vertikaldynamik des Fahrzeugs untersucht.

Eine Grundvoraussetzung. um bei solchen Untersuchungen plausible, aussage­kräftige Ergebni sse zu erzielen , ist, dass das Fahrzeugmodell für die betrachtetenFahrzeugtypen validiert ist. Darüber hinaus müssen die Werte derjenigen Para­meter (z.B. statische Radaufstandsmassen und Einfederungen, Reifendrücke undstatische Reifenradien), deren Einfluss auf das dynamische Verhalten der Fahr­zeuge untersucht werden soll, vorab am realen Fahrzeug gemessen werden.

Ist dieses Know-How vorhanden oder vorher erarbeitet worden, so bietet diesimulative Untersuchung des dynamischen Fahrverhaltens gegenüber dem realenFahrversuch mehrere Vorteile:

11.3Zusammenfassung 225

- Die Systemanregungen können geeignet gewählt werden und sind jederzeit re­produzierbar,

- das dynamische Verhalten des Fahrzeugs in verschiedenen Arbeitspunkten undunter dem Einfluss unterschiedlicher Fahrzeugparameter kann ohne erheblichenMehraufwand untersucht und analysiert werden unddurch die modellbasierte Simulation können gegenüber dem Fahrversuch er­heblich Zeit und Kosten eingespart werden.

Aus den durch die Analyse des dynamischen Fahrverhaltens erzielten Erkennt­nissen lassen sich weitere Anwendungsbereiche der Offline-Simulation ableiten.So kann das adaptive Fahrzeugmodell beispielsweise auch zum modellbasiertenRapid Prototyping neuer Regelalgorithmen vorteilhaft eingesetzt werden (Holz­mann et al. 1998).

12 Zusammenfassung

Ziel des vorliegenden Buches war es, ein qualitativ hochwertiges Simulationsmo­dell für das dynamische Verhalten eines Kraftfahrzeugs zu entwickeln, das onlineim fahrenden Fahrzeug eingesetzt werden kann. Das Modell soll den aktuellenFahrzustand vom Stillstand des Fahrzeugs bis zur Grenze der Fahrstabilität mitausreichender Genauigkeit beschreiben. Als Grundlage hierzu dient ein physikali­sches Modell der Kraftfahrzeugdynamik. Da sich verschiedene Parameter desphysikalischen Modells während des Fahrbetriebs verändern können, was sichnegativ aufdie Qualität der Simulationsergebnisse auswirkt, wurden verschiedeneAdaptionsmechanismen erarbeitet, die eine automatische Anpassung des Simula­tionsmodells an Veränderungen wichtiger Parameter ermöglichen.

Eine umfassende Studie über die heutzutage in der Automobilindustrie imFahrzeugentwicklungsprozess eingesetzten Simulationsverfahren und -werkzeugeergab, dass bisher keine adaptiven Modelle für die Dynamik von Kraftfahrzeugenexistieren. Insbesondere beim Online-Betrieb von Simulationsmodellen im Fahr­zeug wird wegen der dort aus Kostengründen nur beschränkt zur Verfügung ste­henden Rechenleistung verbreitet mit relativ einfachen Modellen gearbeitet , derenGenauigkeit jedoch begrenzt ist.

Der Einsatz von sehr genauen Fahrdynamikmodellen online im Fahrzeug eröff­net allerdings neue Perspektiven und Möglichkeiten hinsichtlich einer Weiter­bzw. Neuentwicklung modellbasierter Diagnose-, Komfort- und Sicherheitssyste­me. Da in Zukunft weitere Fortschritte im Hinblick auf die Verfügbarkeit kosten­günstiger Rechenleistung zu erwarten sind, ist es die Aufgabe der Forschung,schon heute komplexe Verfahren zur Adaption von Simulationsmodellen zu ent­wickeln, die in zukünftigen Fahrzeuggenerationen umgesetzt werden können. EineMöglichkeit zur Realisierung eines adaptiven Fahrzeugmodells stellt das in derEinleitung dieses Buches vorgestellte Modellkonzept dar.

Das zentrale Element des adaptiven Modellkonzepts ist ein physikalisches Mo­dell der Kraftfahrzeugdynamik. Auf die Unterteilung dieses physikalischen Mo­dells in funktionale Teilsysteme und deren mathematische Abbildung wurde inKapitel 3 ausführlich eingegangen . Das Modell beschreibt die dynamischen Ei­genschaften der wesentlichen Komponenten des Antriebsstrange s, der Bremsanla­ge und der Lenkung. Darüber hinaus wurden Modelle des Reifen-Fahrbahn­Kontaktes und der Bewegungen der Reifen und Räder entwickelt. Die Bewegun­gen des Fahrwerks und der Karosserie wurden durch ein nichtlineares dynami­sches Vierradmodell der Radaufhängungen und der Karosserie abgebildet. DieBeschreibung der Bewegung des Fahrzeugs parallel zur Fahrbahnoberfläche er-

228 12Zusammenfas -ng

folgte auf der Basis eines nichtlinearen Zweispurmodells. Durch die Verschaltungder einzelnen Teilmodelle entstand ein Gesamtmodell der Fahrzeugdynamik inForm von physikalisch motivierten Bilanz- und Zustandsgleichungen.

Zur Bestimmung derjenigen Parameter des physikalischen Fahrzeugmodells,die online adaptiert werden müssen, wurde im vierten Kapitel eine Klassifikationder Parameter nach der Art und der Geschwindigkeit ihrer zeitlichen Änderungdurchgeführt, Mit der Methode der kleinsten Quadrate wurden die Rollreibungs­koeffizienten der Reifen und die Masse des Fahrzeugs sowohl offline aus demAusrollversuch als auch online während normaler Autobahnfahrten geschätzt.Daraus entstand ein parameteradaptives Fahrzeugmodell, dessen von der Fahr­zeugmasse abhängige zeitlich veränderliche Parameter online geschätzt werdenkönnen.

Als Softwareplattform zur Simulation des physikalischen Fahrzeugmodellswurde die Entwicklungsumgebung MATLAB/Simulink eingesetzt. Die Darstel­lung einer Auswahl von validierten Simulationsergebnissen in Kapitel 5 belegt dieQualität des physikalischen Modells, sofern die Randbedingungen der Simulation(Parameter des Modells) bekannt sind. Abschließend wurde gezeigt, wie Verände­rungen der Umgebungsbedingungen bei unveränderten Modellparametern zu einerevtl. deutlichen Verschlechterung der Simulationsergebnisse führen können. Ausdieser Tatsache wurde die Notwendigkeit abgeleitet, das Modell adaptiv zu gestal­ten.

Neben den in Kapitel 4 beschriebenen Parameterschätzverfahren wurde dieMethode der Hybriden Modellbildung zur Modelladaption eingesetzt. Diese Me­thode wurde in Kapitel 6 ausführlich vorgestellt und in den allgemeinen Modell­bildungskontext eingeordnet. In der Hauptsache handelt es sich bei der hier ver­wendeten Form der Hybriden Modellbildung um eine Kombination von physika­lischen und nicht physikalischen Modelltypen. Eine solche Kombination verschie­dener Modellformen kann einerseits das vorhandene physikalische Wissen überein System in das Hybride Gesamtmodell einbringen. Andererseits ist es möglich,Veränderungen im Systemverhalten, die innerhalb des physikalischen Modellsnicht erfasst werden können, z.B. durch lernfähige Systeme wie Neuronale Netzezu kompensieren und damit die Qualität des Gesamtmodells deutlich zu verbes­sern.

Als erste Einsatzmöglichkeit der Theorie der Hybriden Modellbildung wurde inKapitel 7 das Ersetzen von Teilmodellen des physikalischen Modells beschrieben.Dieses Verfahren bietet sich zur ModelIierung von Systemen an, die Teilkompo­nenten enthalten, welche sich physikalisch gar nicht oder nur schwer modellierenlassen. Die Abbildung der entsprechenden Teilkomponenten erfolgte mit anderen,nicht physikalisch motivierten Modellformen, die anschließend in das physikali­sche Modell integriert wurden. Als Anwendungsbeispiele wurden die Modeliie­rung der Charakteristik des Verbrennungsmotors, der Radaufhängung und derWankdynamik des Fahrzeugs vorgestellt. Bei den verwendeten Neuronalen Net­zen handelt es sich um MLP-, LOLIMOT- und Hinging-Hyperplane-Netze.

Kapitel 8 beschäftigte sich mit der externen Kopplung von physikalischen undexperimentellen Modellen zu einem hybriden Gesamtmodell. Das physikalischeModell bleibt in diesem Fall unverändert . Um Effekte abzubilden, die durch das

229

physikalische Modell nicht abgedeckt werden können, wurde das Gesamtmodellmit einem lernfähigen System, z.B. mit einem LOLIMOT-Netz, erweitert. AlsAnwendungsbeispiele für eine solche hybride Modellform dienten nicht direktmessbare Veränderungen von Modellparametern, wie z.B. des Fahrbahnreibwertesund der Fahrzeugmasse . Neben der in Kapitel 4 beschriebenen direkten Ermittlungder Fahrzeugmasse besteht hier die Möglichkeit, den durch eine Veränderung derFahrzeugmasse entstehenden systematischen Fehler des physikalischen Modellsnach Abschluss des Trainingsvorgangs des Neuronalen Netzes zu kompensieren.Gleiches gilt für eine Adaption des physikalischen Fahrzeugmodells an verschie­dene Fahrbahnreibwerte . Es bietet sich in beiden Fällen an, für das Training derNeuronalen Netze Messdaten verschiedener Bremsvorgänge des Fahrzeugs zuverwenden, da sich in diesen Fahrzyklen die durch eine Veränderung der Fahr­zeugmasse oder des Fahrbahnreibwertes bedingten Änderungen besonders cha­rakteristisch auswirken .

Eine weitere Möglichkeit, den Einfluss wechselnder Umgebungsbedingungenim Fahrzeugmodell zu berücksichtigen, besteht in der Verwendung nichtlinearerBeobachter. Beispielhaft wurde in Kapitel 9 ein nichtlinearer Beobachter mit zeit­varianter Fehlerdifferentialgleichung zur Beobachtung der externen Fahrwider­stände, wie beispielsweise der Fahrbahnsteigung, implementiert. Nachgewiesenwerden konnte hier die Stabilität des Beobachters im gesamten Arbeitsraum. Da­rüber hinaus wurde gezeigt, dass der Beobachter die Rekonfiguration des Fahr­zeugmodells im Falle des Ausfalls der Eingangssensoren gewährleistet. Der Beob­achter verwendet lediglich die Raddrehzahlen und die Fahrzeuggeschwindigkeitals Messgrößen. Zum Betrieb des adaptiven Fahrzeugmodells mit dem Beobachterim Fahrzeug ist also keine Sensorik notwendig, die über die Serienausstattungmoderner Pkw hinausgeht.

Eine Übersicht über die entwickelten Verfahren zur Adaption des Fahrzeugmo­dells und die Fahrman över. bei denen diese sinnvoll einsetzbar sind, ist in Tabelle12.1. zu finden.

Im Anschluss an die verschiedenen Adaptionsverfahren wurde in Kapitel IO dieImplementierung des Fahrzeugsimulationsmodells auf einer online im Versuchs­fahrzeug einsetzbaren prototypischen Hardwareplattform beschrieben . Hierbeihandelt es sich um eine speziell für den Einsatz im Fahrzeug konzipierte signal­prozessorbasierte Hardware der Firma dSPACE, die über CAN-Bus mit demMesswerterfassungssystem des Versuchsfahrzeugs kommuniziert. Die Darstellungder Simulationsergebnisse kann entweder in Form von Zeitverläufen wichtigerfahrdynamischer Zustandsgrößen oder mittels einer grafischen 3-D Animation ei­nes Fahrzeug-Gittermodells im Raum erfolgen .

Als Beispiel für die Anwendungsmöglichkeiten des Fahrzeugmodells wurde imAnschluss an die Echtzeitimplementierung in Kapitel II dargestellt , wie das Über­gangs- und Übertragungsverhalten des Fahrzeugs mit dem adaptiven Fahrzeug­modell untersucht und mit Hilfe von Sprungantworten und Frequenzgängen trans­parent gemacht werden kann. Dabei wurde insbesondere untersucht, in welchemMaße die unterschiedlichen Fahrzeugparameter das Gier-, Wank- und Querüber-

230 12Zusammenfassung

Tabe lle 12.1. Überblick über die in diesem Buch beschriebenen Verfahren zur Adaptiondes Fahrzeugmodellsund deren Einsatzmöglichkeiten

"0C "0.. :':l C t: t:~ Vi :':l

~,

~c

~ oe:Q .5 0 t: ..::c :2 c eil oe oe C "0:':l .!:! c ..:: u

~E c e- ::l 0 C

~ e '" ö ~ .0 :':l.. 0 E "0 0 "i:.c c, o "" ~ 0 ::l :; ~:':l~

::l C.::. ~ « CO ~ CI) -c :::>Verfahren

I Schätzung des V"Rollwiderstands (Kap. 4)

I Schätzung der V" V"Fahrzeugmasse (Kap. 4)Identifikation der Charakte-ri tik de Verbrennung mo- V"tors (Kap. 7)Identifikation der V"Radaufhängung (Kap 7)Ident ifikat ion der V" V"Wankdynamik (Kap. 7)Kompensation von Ma. se- V" V" V"veränderungen (Kap 8)Kompen ation von Reib- V" V" V"wertver änderungcn (Kap.8)Beobachtung der V" V" V" V" V" V"Fahrbahnsteigun g (Kap. 9)Frequenzgang der Gier-,

V"der Wank - und derQuerbewegung (Kap. 11 )

tragungsverhalten des Fahrzeugs beeinflussen. Darüber hinaus wurden Kennwerteberechnet, die zur Beurteilung der Stabilitätsreserve des Fahrzeugs in Grenzsitua­tionen herangezogen werden können.

Neben den in diesem Buch vorgestellten Einsatzmöglichkeiten des adaptivenFahrzeugmodells zur Adaption an Veränderungen von Masse, Reibwert oder Fahr­bahnsteigung sind für die Zukunft diverse Anwendungsmöglichkeiten adaptiverechtzeitfähiger Fahrzeugmodelle denkbar. Ein besonders wichtiges Einsatzgebietwird die modellbasierte Prädiktion zukünftiger Fahrzustände sein. In Kombinationmit Navigations- und Bildverarbeitungssystemen wird es möglich sein, die Soll­und die modellbasiert berechnete zukünftige Ist-Trajektorie des Fahrzeugs zu ver­gleichen. Wird daraus für die Zukunft ein gefährlicher Fahrzustand ermittelt, kön ­nen bereits vor Erreichen dieses Fahrzustands gezielt Maßnahmen eingeleitet wer­den , diesen beispielsweise durch automatische Reduktion der Fahrzeuggeschwin­digkeit zu vermeiden.

Literatur

Abou-EI-Ela, A (1999) Sensorarme Methoden zur Bearbeitung komplexer Werkstücke mitIndustrierobotern. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 8, Nr. 824. VDI, Düsseldorf

Ackermann, J (1983) Abtastregelung. Bd I und 2. Springer, BerlinAdamski D, Schuster C, Hiller M (1998) Fahrdynamiksimulation mit FASIM_C++ als Bei­

spiel für die ModelIierung mechatronischer Systeme . VDI Tagung .M echatronik imMaschinen- und Fahrzeugbau", Moers

Adamski D, Bardini R, Hiller M (1999) Application of Mechatronic Concepts in VehicleDynamics Simulation. European Automotive Congress , Barcelona, Spain

Agarwal M (1995) Combining Neural and Conventional Paradigms for Modeling , Predicti­on and Contro!' IEEE Conference on Control Applications, Albany, New York, USA

Ammon D, Gipser M, Rauh J, Wimm er J (1995) Effiziente Simulation der Gesamtsystem­dynamik Reifen-Achse-Fahrwerk. VDI Tagung "Reifen-Fahrwerk-Fahrbahn", Hanno­ver

d' Aprile F (1999) Digital Mock-Up and Virtual Simulation : A Methodological Approachfor Automotive Design . European Automotive Congres s, Barcelona, Spain

Aumann B, Gruhle W-D, Sieger M, Buchhold 0, König F (1998) Einsatz objektorientierterMethoden zur Entwicklung von Echtzeitsoftware - Fallbeispiel Getriebesteuerung.VDI Tagung "Elektronik im Kraftfahrzeug", Baden-Baden

Ayoubi M (1996) Nonlinear System Identification Based on Neural Networks with LocallyDistributed Dynamics and Application to Technical Processes. Fortschritt-BerichteVDI, Reihe 8, Nr. 591. VDI, Düsseldorf

Ayoubi M, Isermann R (1996) Identification of Nonlinear Dynamic Processes Based onDynamic Radial Basis Function Networks . Aerosense Conference, Orlando, USA

Ayoubi M, Nelles 0 (1995) Einführung in die Neuronalen Netze zur Identifikation nichtli­nearer Systeme . Skriptum zur Vorlesung "Identifikation dynamischer Prozesse ", Tech­nische Universität Darmstadt

Bakker E, Nyborg L, Pacejka H B (1987) Tyre Modeling for Use in Vehicle Dynamics Stu­dies . SAE International Congress and Exposition , Detroit, MI, USA

Bakker E, Pacejka H B, Lidner L (1989) A new tire model with an application in vehicledynamics studies . SAE 890087

Balasubramanian B, Winterstein R (1998) Auf dem Weg zur digitalen Fahrzeugentwick­lung. VDI Tagung "Berechnung und Simulation im Fahrzeugbau'', Würzburg.

Baumann W T, Rugh W J (1986) Feedback control of nonlinear systems by extended linea­rization . IEEE Transactions on Automatie Control 31: 4ü-46

Baumann W T, Rugh W J (1987) Feedback control of analytic nonlinear systems by exten­ded linearization. SIAM Journal ofControl and Optimization 25: 1341-1352

Bayer M, Munk F, Schneider J (1998) Hardware-in-the-Loop-Prüfstand bei BMW für au­tomatisierte Steuergerätetests. ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 100: 696-702

232 Literatur

Becker A, Seifert B (1997) Simulation von Abrieb und von Reifenkennwerten für Handlingmit einem stationär rollenden FE-Reifenmodell. VDI Tagung "Reifen-Fahrwerk­Fahrbahn", Hannover

Becker H (1999) FEM : Breites Einsatzfeld für die Kosteneinsparung. Digital Engineering2: 18-19

Beckmann R, Mertl R, Otto E (1998) Die neue Motorsteuerung von Siemens für die BMWSechszylinder-Ottomotoren. MTZ Motortechnische Zeitschrift 59 : 820-825

von der Beeck M, Braun P, Rappl M, Sehröder C (2001) Modellbasierte Softwareentwick­lung für automobilspezifische Steuergerätenetzwerke. VDI-Tagung "Elektronik imKraftfahrzeug", Baden-Baden

Beiker S (2002) Fahrdynamiksimulation in der Frühen Phase zur Auslegung und Beurtei­lung von Regelsystemen. VDI-Tagung "Steuerung und Regelung von Fahrzeugen undMotoren", Mannheim

Benninger N, Dieterich K (1996) Anwendung neuer Methoden und Werkzeuge zur effi­zienten Entwicklung digitaler Automobilelektronik. VDI Tagung "Elektronik im Kraft­fahrzeug", Baden-Baden

Berenji H, Khedkar P (1992) Learning and Tuning Fuzzy Logic Controllers Through Rein­forcements. IEEE Transactions on Neural Networks 3: 724-740

Bestie D, Zeitz M (1983) Canonical form observer design for non-linear time-variable sys­tems . International Journal of Control 38: 419-431

Beutner E, Liebermann H, Neukirchner H, Waubke S (1998) ModelIierung und Simulation- ihre Rolle im Prozeß der virtuellen Produktentwicklung. VDI Tagung "Berechnungund Simulation im Fahrzeugbau", Würzburg

Birk J (1992) Rechnergestützte Analyse und Lösung nichtlinearer Beobachteraufgaben.Fortschritt-Berichte VDL Reihe 8, Nr. 294. VDI, Düsseldorf

Birk J, Zeitz M (1988) Extended Luenberger observer for nonlinear multivariable systems.International Journal of Control 47: 1823-1836

Bosch (Hrsg) (1994) Bremsanlagen für Kraftfahrzeuge. VDI, DüsseldorfBosch (Hrsg) (1995) Kraftfahrtechnisches Taschenbuch. VDL DüsseldorfBothe H-H (1995) Fuzzy Logic. Einführung in Theorie und Anwendungen. Springer, Berlinte Braake H, van Can H, Verbruggen H (1996) Semi-physical Modeling of Chemical Pro-

cesses with Neural Networks. IFAC World Congress, San Francisco, USABrandin V N, Kostuyukovskii Y M L, Razorenov G N (1976) Global observability conditi­

ons for nonlinear dynamic systems. Automation and Remote Control36: 1585-1591Braun P, Rappl M, Schäuffele J (2000) Softwareentwicklung für Steuergerätenetzwerke ­

Eine Methodik für die frühe Phase. VDI-Tagung "Elektronik im Kraftfahrzeug", Ba­den-Baden

Breiman L (1993) Hinging Hyperplanes for Regression, Classification and Function Ap­proximation. IEEE Transactions on Information Theory 39: 999-1013

Breiman L, Friedman J H, Ohlsen R, Stone C J (1984) Classification and Regression Trees .Wadsworth Belmont, CA, USA

Breuer B (1997) Skriptum zur Vorlesung Kraftfahrzeuge I und 11. Technische UniversitätDarmstadt

Bronstein I, Semendjajew K, Musiol G, Mühlig H (1998) Taschenbuch der Mathematik.Harri Deutsch, Frankfurt a.M.

Broomhead D, Lowe D (1988) Multivariable functional interpolation and adaptive net­works. Complex Systems 2: 321-355

Literatur 233

Brüning H-C (1998) Die Rolle des DMU im Produktentwicklungsprozeß bei Audi. VDITagung "Berechnung und Simulation im Fahrzeugbau", Würzburg

Buisson J, Cormerais H (1997) Modeling hybrid linear systems with Bond-Graph using animplicit formulation . The Bond Graph Digest I : 372-378

Burckhardt M (1991) Fahrwerktechnik: Bremsdynarnik und Pkw-Bremsanlagen. Vogel,Würzburg

Burckhardt M (1993) Fahrwerktechnik: Radschlupf-Regelsysteme. Vogel, WürzburgBußhardt J (1994) Selbsteinstellende Feder-Dämpfer-Systeme für Kraftfahrzeuge. Fort­

schritt-Berichte VDI, Reihe 12, Nr. 240. VDI, DüsseldorfChalupa E (1995) Systematische Darstellung von Motor- und Abgaskennfeldern mit Hilfe

von Neuronalen Netzen und Parameterschätzverfahren. Diplomarbeit, Institut für Au­tomatisierungstechnik, TU Darmstadt

Chen L, Zhang J, Morris A, Montague G, Kent C, Norton J (1995) Combining neural net­works with physical knowledge in modelling and state estimation of bioprocesses. Eu­ropean Control Conference , Rome, Italy

Chen S, Cowan C, Grant P (1991) Orthogonal Least Squares Learning Aigorithm for RadialBasis Function Networks . IEEE Transactions on Neural Networks 2: 302-309

Chiu S (1994) Fuzzy Model Identification Based on Cluster Estimation . Journal of Intelli­gent and Fuzzy Systems 2: 267-278

Cichocky A, Unbehauen R (1993) Neural Networks for Optimization and Signal Proces­sing. Wiley, New York

Cubillos F, Lima E (1998) Adaptive hybrid neural models for process contro!. Computerschem. Engineering 22: 989-992

Dach H, Köpf P (1994) Pkw-Automatgetriebe. Moderne Industrie, LandsberglLechDaiß A (1996) Beobachtung fahrdynamischer Zustände und Verbesserung einer ABS- und

Fahrdynamikregelung. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 12, Nr. 283. VDL DüsseldorfDeiss H, Krimmel H (1997) Hardware-in-the-Loop Simulation in der Spezifikation. VDI

Tagung "Mechatronik im Maschinen- und Fahrzeugbau ", MoorsDemongodin I, Koussoulas N (1996) Modeling of Hybrid Control Systems via Differential

Petri Nets. IEEE Med. Symposium in Control and Automation , Chania, GreeceDorißen H T, Höver N (1996) Autonome Intelligente Geschwindigkeitsregelung (AICC) ­

Ein Beitrag zur Steigerung des Komforts und der aktiven Fahrsicherheit. ATZ Auto­mobiltechnische Zeitschrift 98: 396-405

Drogies S (1997) Konfigurierung und Inbetriebnahme einer signalprozessorbasierten Hard­ware zur Echtzeitsimulation von Kraftfahrzeugen. Diplomarbeit, Institut für Automati­sierungstechnik, TU Darmstadt

Dugoff H, Faneher P, Segel L (1969) Tyre performance characteristics affecting vehic1eresponse to steering and braking inputs. Highway Safety Research Institute, Ann Ar­bor, MI, USA

Elmquist H, Cellier F, Otter M (1993) Object-Oriented Modeling of Hybrid Systems . Euro­pean Simulation Symposium , Delft, The Netherlands

EngeIl S (1997) Modellierung und Analyse hybrider dynamischer Systeme . at - Automati­sierungstechnik45: 152-161

Ernst S (1998) Nonlinear System Identification with Hinging Hyperplane Trees. EuropeanCongress on Intelligent Techniques and Soft Computing , Aachen

Etschberger K (2000) CAN - Controller Area Network. Grundlagen, Protokolle , Bausteine,Anwendungen. Hanser, München

234 Literatur

Fennel H (1998) ABS plus und ESP - Ein Konzept zur Beherrschung der Fahrdynamik.ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 100: 302-308

Fishwick P, Luker P (eds) (1991) Qualitative Simulation Modeling and Analysis. Springer,New York

Flammery B (ed) (1990) Numerical Recipes in C. Cambridge University Press, CambridgeFöllinger 0 (1993) Nichtlineare Regelungen. Bd 2. Oldenbourg, MünchenFoster W, Collopy F, Ungar L (1992) Neural Network Forecasting of Short, Noisy Time

Series. Computer & Chemical Engineering 16: 293-298Frank PM (1990) Fault Diagnosis in Dynamic Systems Using Analytical and Knowledge­

based Redundancy - A Survey and Some New Results . Automatica 26: 459-474Friedman J H (1991) Multivariate Adaptive Regression Splines (with discussion). The An­

nals of Statistics 19: 1-141Gebhard B, Rappl M (2000) Requirements Management for Automotive Systems Deve­

lopment. SAE Technical Paper 2000-01-0716Gebhardt C (1999) Finite Elemente in der Produktentwicklung. CAD World 2: 36-38Gerhards H (2002) Lastenheft als Programm. Automotive Electronics. Sonderausgabe von

ATZ und MTZ, März , S 52-56Germann S (1997) Modellbildung und modellgestützte Regelung der Fahrzeuglängsdyna­

mik . Fortschritt-Berichte VDl, Reihe 12, Nr. 309. VDl, DüsseldorfGermann S, Isermann R (1993) Simulation and Parameter Estirnation of nonlinear Vehicle

Dynamics with MATLAB. MATLAB Conference, Cambridge, MA, USAGillespie T D (1992) Fundamentals ofVehicle Dynamies. SAE, DetroitGipser M (1998) Reifenmodelle für Komfort- und Schlechtwegsimulationen. Aachener

Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, AachenGissinger G L, Kort üm W (1997) Simulation of Vehicle System Dynamies, State of the Art

an Ongoing Developments. IFAC Conference on Transportation Systems, Chania,Greece

Göthel J, Fuchs M (1998) Semiformale Entwurfsmethoden für die FunktionsmodelIierungam Beispiel der Fahrzeugklimatisierung. VDI Tagung "Elektronik im Kraftfahrzeug",Baden-Baden

Goonatilake S, Khebbal S (1995) Intelligent Hybrid Systems. Wiley, New YorkGrant B, de Bruijn C (1993) Generation of Fuzzy Control Rules and Membership Functions

Using Neural Nets. EUFIT Congress, AachenGriffith E W, Kumar K S P (1971) On the Observability of Nonlinear Systems. Journal of

Mathematical Analysis and Applications 35: 135-147Großmann T (1998) Künftige Ausrichtung des CAE-Einsatzes in der PKW-Entwicklung.

VDI Tagung "Berechnung und Simulation im Fahrzeugbau'', WürzburgGuber M (1999) Vergleich verschiedener Möglichkeiten zur Darstellung und Inversion von

dreidimensionalen Kennfeldern im Kraftfahrzeugbereich. Studienarbeit, Institut fürAutomatisierungstechnik, TU Darmstadt

Hagan M, Menhaj M (1994): Training feedforward networks with the Marquardt algorithm.IEEE Transactions on Neural Networks 5: 989-993

Halfmann C (1994) Beobachtung der Fahrzeugdynamik. Diplomarbeit, Universität Karls­ruhe (TH)

Halfmann C (2001) Adaptive semiphysikalische Echtzeitsimulation der Kraftfahrzeugdy­namik im bewegten Fahrzeug. Fortschritt-Berichte VDl, Reihe 12, Nr. 467. vor, Düs­seldorf

Literatur 235

Halfmann C, Ayoubi M, Holzmann H (1997) Supervision of Vehicles' Tire Pressure byMeasurement of Body Accelerations . Control Engineering Practice 5: 1151-1159

Hamberger W, Willumeit H-P, Struck G (1996) Navigationsgeräte als Datenbasis für Fah­rerassistenzsysteme. vor Tagung "Elektronik im Kraftfahrzeug", Baden-Baden

Hammerstein A (1930) Nichtlineare Integralgleichungen nebst Anwendungen . Acta Ma­thematica 54

Hamming R (1987) Digitale Filter. VCH Verlagsgesellschaft, WeinheimHanselmann H (1998) Beschleunigte Mechatronik-Entwicklung durch Rapid Control Pro­

totyping und Hardware-in-the-Loop-Simulation. at-Automatisierungstechnik 46: 113­119

Haykin S (1994) Neural Networks - A Comprehensive Foundation. MacMillan, New YorkHecht-Nielsen R (1990) Neurocomputing. Addison-Wesley, ReadingHensel H, Holzmann H, Pfeiffer B-M (1995) Optimierung von Fuzzy-Control mit Hilfe

Neuronaler Netze. atp-Automatisierungstechnische Praxis 37: 40-48Hermann R, Krener A J (1977) Nonlinear controllability and observability . IEEE Transac­

tions on Automatie Control22: 728-740Heywood J (1988) Internal Combustion Engine Fundamentals . McGraw-Hill , BerkshireHöfling T (1996) Methoden zur Fehlererkennung mit Parameterschätzung und Paritätsglei­

chungen. Fortschritt-Berichte vor, Reihe 8, Nr. 546. vor, DüsseldorfHoffmann J (1998) Taschenbuch der Meßtechnik. Fachbuchverlag LeipzigHofmann K, Platz W, Riedel H, Sobotta G (1998) Sehen und gesehen werden. Analoge

Bildverarbeitungssysteme steuern Kraftfahrzeuge. Elektronik 13: 74-80Hohnheiser F (1993) On-line Vehicle Tire Monitoring Based on Vibration Signal Analysis.

International Conference on Fault Diagnosis, Toulouse, FranceHoltzner M, Gholami T, Mader H (1998) Virtuelles Crashlabor: Zielsetzung, Anforderun­

gen und Entwicklungsstand . VDI Tagung "Berechnung und Simulation im Fahrzeug­bau", Würzburg

Holzmann H (2001) Adaptive Kraftfahrzeugdynamik-Echtzeitsimulation auf der Basis Hy­brider Modelle . Fortschritt-Berichte vor, Reihe 12, Nr. 465. vor, Düsseldorf

Holzmann H, Halfmann C, Isermann R (1997) Representation of 3-D Mappings for Auto­motive Control Applications using Neural Networks and Fuzzy Logic. IEEE Conf. onControl Applications, Hartford, USA

Holzmann H, Halfmann C, Isermann R (1999) Model-Based Optimization of Vehicle lon­gitudinal Motion Controllers. IFAC World Congress, Beijing, China

Holzmann H, Halfmann C, Drogies S, Hamann C D, Simm N (1998) A Rapid PrototypingEnvironment for the Development and Optimization of ACC Acceleration ControlUnits. AVEC'98, Nagoya, Japan

Iiguni Y, Sakai H, Tokumaru H (1991) A Nonlinear Regulator Design in the Presence ofSystem Uncertainties using Multilayered Neural Networks. IEEE Transactions onNeural Networks 2: 410-417

Isermann R (1992) Identifikation dynamischer Systeme. Bd I und 2. Springer, BerlinIsermann R. (Hrsg) (1994) Überwachung und Fehlerdiagnose. vor, DüsseldorfIscrmann R (1996) Zur Anwendung der Fuzzy-Logik in der Regelungstechnik . atp-Auto­

matisierungstechnische Praxis 38: 24-36Isermann R (Hrsg) (1997) Theoretische Modellbildung dynamischer Systeme. Workshop

.Rechnergestützte Modellbildung dynamischer Systeme", Technische UniversitätDarmstadt

Isermann R (1999) Mechatronische Systeme. Springer, Berlin

236 Literatur

Isermann R, Ernst S, Nelles 0 (1997) Identification with Dynamic Neural Networks - Ar­chitectures, Comparisons, Applications . IFAC Symposium on System Identification,Fukuoka, Japan

ISO (1988) . Road Vehicles - Lateral transient response test methods. International Standar­disation Organization 7401

ISO (1996). Road Vehicles - Steady state circular test procedure . International Standardi­sation Organization 4138 (Erstausgabe 1982)

Jang J-S (1993) ANFIS: Adaptive-Network-Based Fuzzy Inference System. IEEE Transac­tions on Systems, Man and Cybernetics 23: 665-685

Jergensen S, Hangos K (1994) Grey-Box Modeling for Identification and Contro!. AnEmerging Discipline or an Established Technology? IFAC Workshop on System Iden­tification, Copenhagen , Denmark

Johansen T (1994) Operating Regime based Process Modeling and Identification . PhD­Thesis at the Norwegian Institute of Technology, Trondheim, Norway

Johansen T, Foss B (1993) Constructing NARMAX Models Using ARMAX Models. Inter­national Journal of Control, 58: 1125-1153

Kaiman R E (1960) On a New Approach to Filtering and Prediction Problems. ASMEJournal of Basic Engineering 28

Kammeyer K, Kroschel K (1996) Digitale Signalverarbeitung. Teubner, StuttgartKandel A, Langholz G (1992) Hybrid Architectures for Intelligent Systems. CRC Press,

Boca RatonKapadia R, Biswas G, Fromherz M (1997) Hybrid Modelling for Smart System Design. Int.

Florida Artificial Tntelligence Research Symposium, Daytona Beach, Florida, USAKasper M (2002) Einführung in das zielsystemidentische Rapid Prototyping für elektroni­

sche Steuergeräte. VDI-Tagung "Steuerung und Regelung von Fahrzeugen und Moto­ren" , Mannheim

Keller H (1986) Entwurf nichtlinearer Beobachter mittels Normalformen. Fortschritt­Berichte VDI, Reihe 8, Nr. 124. VDI, Düsseldorf

Kessler F, Gebert J (2000) Testautomatisierung und Antriebsstrangmodellierung an HIL­Steuergeräteprüfständen in der BMW Getriebeentwicklung. ATZ AutomobiltechnischeZeitschrift 102: 312-323

Kiencke U, Neumann K (1998) Modellierung und Partitionierung verteilter Echtzeitanwen­dungen. VDI Tagung "Elektronik im Kraftfahrzeug", Baden-Baden

Kireher F-M, Dudeck I (1998) Rapid Prototyping für Motor/Triebstrangfunktionen. VDITagung "Elektronik im Kraftfahrzeug", Baden-Baden

Klasche G (1996) Generationswechsel in der Kfz-Elektronik. Elektronik 25: 32-40Klein B (1999) Montagesimulation in der virtuellen Produktentwicklung. ATZ Automobil­

technische Zeitschrift 101: 492-499Kobayashi Y, Yonekawa T, Honma K, Oenoki K (1998) Development of Full Vehicle Si­

mulation Method Using Modal Approach. AVEC'98, Nagoya, JapanKokes M, von Querfurth A (2001) Methodik zur Spezifikation von Elektronik im Fahrzeug.

VDI-Tagung "Elektronik im Kraftfahrzeug", Baden-BadenKoller R, Klumpp R, Pütter R-G (1998) Berechnung und Simulation in der Pkw-Motoren­

entwicklung. MTZ Motortechnische Zeitschrift 59: 808-816Kortüm W, Lugner P (1994) Systemdynamik und Regelung von Fahrzeugen . Springer ,

BerlinKortüm W, Trautenberg W, Kovanda J, Rulka W (1998) STMPACKas a Tool for Automo­

tive Engineering . AVEC'98, Nagoya, Japan

Literatur 237

Kosko B (1991) Neural Networks for signal processing . Prentice Hall, Englewood CliffsKou S R, Elliot D L, Tarn T J (1973): Observability of Nonlinear Systems . Information and

Control 22: 89-99Kramer F (1998) Passive Sicherheit von Kraftfahrzeugen . Vieweg, BraunschweigKramer M, Thompson M, Bhagat P (1992) Embedding Theoretical Models in Neural Net-

works. Arnerican Control Conference, Chicago, USAKramer U, Neculau M (1998) Simulationstechnik. Hanser, MünchenKrebs V (1980) Nichtlineare Filterung . Oldenbourg , MünchenKrener A J (1985) (Adr,g), (adr.g) and locally (adr.g) invariant and controllability distributi­

ons. SIAM Journal of Control and Optimization 23: 523-549Krener A J, Respondek W (1985) Nonlinear observers with linearizable error dynamics .

SIAM Journal of Control and Optimization 23Krimmel H, Deiss H (1998) Virtuelle Prototypen in der Elektronikentwicklung. VDI Ta­

gung "Berechnung und Simulation im Fahrzeugbau", WürzburgLauzi M (1997) Simulation in der Entwicklung - Einsatz blockorientierter Simulations­

Software . Elektronik 3: 66-71Lawrenz W (1994) CAN - Controller Area Network. Grundlagen und Praxis . Hüthig, Hei­

deibergLee E B, Markus L (1967) Foundations of Optimal Contro!. Wiley, New YorkLi C W, Tao L W (1986) Observing non-linear time-variable systems through a canonical

form observer. International Journal of Control44: 1703-1713Link T (1999) Entwicklung und Implementierung eines echtzeitfähigen Verfahrens zur

Schätzung der aktuellen Fahrzeugmasse. Studienarbeit, Institut für Automatisierungs­technik, TU Darmstadt

Ljung L (1987) System identification - theory for the user. Prentice Hall, New JerseyLuenberger D G (1964) Observing the State of a Linear System. IEEE Transactions on Mi­

litary Electronics 8: 74-80Luenberger D G (1966) Observers for Multivariable Systems . IEEE Transactions on Auto­

matie Control l lLuenberger D G (1971) Observers for Multivariable Systems . IEEE Transactions on Auto­

matie Control 16Lunze J (1993) Ein Ansatz zur qualitativen ModelIierung und Regelung dynamischer Sys­

teme. at-Automatisierungstechnik 41: 451--460Lunze J, Nixdorf B, Sehröder J (1999) Deterministic discrete-event representations of linear

continuous-variable systems. Automatica 35: 395--406Majjad R (1997) Hybride ModelIierung und Identifikation eines Fahrer-Fahrzeug Systems.

Dissertation, Universität Karlsruhe (TH)Mamdani E, Gaines B (1981) Fuzzy Reasoning and its Applications . Academic Press, New

York.Matschinsky W (1987) Die Radführungen der Straßenfahrzeuge: Analyse, Synthese,

Elasto-Kinematik, TÜV Rheinland , KölnMayer H (1996) Reifendrucküberwachung anhand von Raddrehzahlsignalen. Fortschritt ­

Berichte VDI, Reihe 12, Nr. 274. VDI, Düsse1dorfMcDowell D, Irwin G, Lightbody G (1996) A Hybrid Autopilot for BTT Steering using

RBF Neural Networks. IFAC World Congress , San Francisco, USAMeister A (1999) Numerik linearer Gleichungssysteme. Vieweg, WiesbadenMendt W (1998) Ein starkes Pärchen. Matlab und Simulink - Entwicklung mathematisch­

technischer Anwendungen und Simulationen. Elektronik 6: 38--42

238 Literatur

Minsky M, Papert S (1969) Perceptrons: An Introduction to Computational Geometry. MITPress, Cambridge, MA, USA

Misawa E A, Hedrick J K (1989) Nonlinear observers - a statc-of-the-art survey. ASMEJournal of Dynamic System s, Measurement and ControlllI : 344-352

Mitschke M (1988) Dynamik der Kraftfahrzeuge. Bd A: Antrieb und Bremsung. SpringerBerlin

Mitschke M (1990) Dynamik der Kraftfahrzeuge. Bd C: Fahrverhalten. Springer, BerlinMoser F, Kriegler W, Zrim A (1999) Antriebsstrangoptimierung mit Hilfe von Simulati­

onswerkzeugen. ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 101: 898-909Mostermann P, Biswas G (1997) Principle s for Modeling , Verification, and Simulation of

Hybrid Dynamic Systems. Int. Conf. on Hybrid Systems, Notre Dame, Indiana, USAvon der Mühlen A (1998) Einftihrung von Digital Mock Up in der Automobilzulieferin­

dustrie . VDI Tagung "Elektronik im Kraftfahrzeug", Baden-BadenMühlenberg M (2001) Bildsensoranwendung im Kraftfahrzeug am konzeptionellen Bei­

spiel der Fahrspurerkennung. VDI-Tagung "Elektronik im Kraftfahrzeug", Baden­Baden

Murray-Smith R (1994) A Local Model Network Approach to Nonlinear Modeling. PhDThesis, University of Stratbelyde, UK

Murray-Smith R, Johansen T (Eds.) (1997) Multiple Model Approaches to Modelling andControl . Taylor & Francis , London

Nackenhorst U, Herster P, Mahmoud K, Rainer G (1997) Ein Beitrag zur akustischen Op­timierung von Reifen mittels numerischer Simulation. VDI Tagung "Reifen-Fahrwerk­Fahrbahn", Hannover

Narendra K, Mukhopadhyay S (1992) Neural Networks in Control Systems. IEEE Conf. onDecision and Control , Tucson , Arizona , USA

Narendra K, Parthasarathy K (1990) Identifi cation and Control of Dynamical System sUsing Neural Networks. IEEE Transactions on Neural Networks I : 4-27

Narendra K, Balakrishnan J, Ciliz M (1995) Adaptation and Learning Using Multiple Mo­dels, Switch ing, and Tuning. IEEE Control Systems Magazine 15: 37-51

Nelle s 0 (1997) Lokale, lineare Modelle zur Identifikation nichtlinearer dynamischer Sys­teme . at-Automatisierungstechnik 45 : 163-174

Nelles 0 (1999) Nonlinear System Identification with Local Linear Neuro-Fuzzy Models .Berichte aus der Automat isierungstechnik, D 17 Darmstädter Dissertationen, Shaker,Aachen

Nelles 0 (2001) Nonlinear System Identification. Springer, BerlinNelles 0, Isermann R (1996) Radial Basis Function Networks for Interpolation of Local

Linear Models . IEEE Conference on Decision and Contro!, Kobe, JapanNelles 0 , Ernst S, Isermann R (1997) Neuronale Netze zur Identifikation nichtlinearer, dy­

namischer Systeme : ein Überblick . at-Automatisierungstechnik 45: 251-262Nijmeijer H (1981) Observability of a dass of nonlinear systems : a geometric approach.

Ric. Automatica 12: 50-68Oliveira R, Volk N, Simutis R, Lübbert A (1999) Hybride Methoden zur Optimierung bio­

techni scher Produktionsprozesse. atp-Automatisierungstechnische Praxis 41: 12-24Otterbach R, Leinfellner R (1999) Virtuelles Ausprobieren. Vom Entwurf zur Simulation in

Echtze it - Stand der Technik bei Rapid Prototyping . Elektronik 8: 128-134Pacejka H B (1989) Modeling of the pneumatic tyre and ist impact on vehicle dynamic be­

haviour. CCG Course, Oberpfaffenhofen, Germany

Literatur 239

Pacejka H B, Besselink I (1997) Magie Formula Tyre Model with Transient Propertie s. Ve­hicle Dynamics Supplement 27

Peter K (1993) Parameteradaptive Regelalgorithmen auf der Basis zeitkontinuierlicher Pro­zeßmodelle. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 8, Nr. 348. VDI, Düsseldorf

Pischinger R (1989) Thermodynamik der Verbrennungskraftmaschine. Springer, BerlinPfeiffer B-M (1995) Einsatz von Fuzzy-Logik in lernfähigen digitalen Regelsystemen.

Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 8, Nr. 500. VDI, DüsseldorfPhelps A R (1991) On contructing nonlinear observers. SIAM Journal of Control and Op­

timization 29: 516-534Philipps M, Howard M (1999) FE-Simulation von Fahrzeug-Fußgänger-Kollisionen. ATZ

Automobiltechnische Zeitschrift 101: 506-509Popp K, Schiehlen W (1993) Fahrzeugdynamik. Teubner, StuttgartPreuß H-P (1992) Fuzzy Control - heuristische Regelung mittels unscharfer Logik. atp­

Automatisierungstechnische Praxis 34: 176-184 + 239-246Preuß H-P, Tresp V (1994) Neuro-Fuzzy. atp-Automatisierungstechn ische Praxis 36: 10­

24Pruckner A (1998) Virtuelles Prototyping zur Entwicklung von Fahrwerkregelungssyste­

men mit ADAMS und MATRIX, . Aachener Kolloquium Fahrzeug und Motorentech­nik

Psichogios D, Ungar L (1992) A Hybrid Neural Network-First Principles Approach to Pro­cess Modeling . AIChE Journal 38: 1499-1511

Pucar P, Millnert M (1995) Smooth hinging hyperplanes - an alternative to neural nets. Eu­ropean Control Conference, Rome, Italy

Raisch J (1995) Analyse und Synthese einfacher hybrider Regelsysteme. at-Automatisie­rungstechnik 43: 224-235

Rauh J, Eichberger A (1997) Coupling of Simulation Tools. IFAC Symposium on Trans-portation Systems, Chania, Greece

Reimpell J (1988) Fahrwerktechnik: Radaufhängungen. Vogel, WürzburgReimpell J (1995) Fahrwerktechnik: Grundlagen. Vogel, WürzburgRobert Bosch GmbH (Hrsg) (1994) Bremsanlagen für Kraftfahrzeuge . VDI, DüsseldorfRobert Bosch GmbH (Hrsg) (1995) Kraftfahrtechnisches Taschenbuch. VDI, DüsseldorfRojas R (1996) Theorie der neuronalen Netze. Springer, BerlinRompe K (1975) Zum Schleudern von Kraftfahrzeugen bei zu schneller Kurvenfahrt. Deut­

sche Kraftfahrtforschung und Straßenverkehrstechnik, Heft 249Rumelhart D, McClelland J ( 1986) Parallel Distributed Processing. MIT Press, Cambridge ,

MA, USASailer U (1997) Einbindung von NEWEUL-Mehrkörpermodellen in MATLAB/SIMULINK

zur Fahrdynamiksimulation. in Kuhn A, Wenzel S (Hrsg): Simulationstechnik. Vie­weg, Braunschweig

Sanger T D (1991) A Tree-Constructed Algorithm for Reducing Computation in Networkswith Separable Basis Functions. Neural Computation 3: 67-78

Scales L E (1985) Introduction to Nonlinear Optimization. MacMillan, LondonSchaffnit J, Sinsel S, Isermann R (1998) Hardware -in-the-Loop Simulation for the Investi­

gation ofTruck Diesel Injection Systems. American Contral Conference , Philadelphia ,USA

Schäuffele J, Zurawka T (2002) Automotive Software Engineering: Stand der Technik , Per­spektiven und Herausforderungen. Automotive Electranics. Sonderausgabe von ATZ

und MTZ, März, S 10-21

240 Literatur

Schenker B, Agarwal M (1995) Concentration Estimation using Neural Network s and Par­tial Convent ional Models. In: Bulsari A (ed) Neural Networks for Chemical Engineers .Elsevier Science B.V

Schiehlen W, Kreuzer E (1977) Rechnergestütztes Aufstellen der Bewegung sgleichungengewöhnlicher Mehrkörpersysteme. Ing.-Arch. 46 : 185-194

Schmidt M, Isermann R (1998) NAGREMA - A simulation environment for accessorydrive optimization, SAE 980201

Schmitt M (1995) Untersuchungen zur Realisierung mehrdimensionaler lernfähiger Kenn­felder in Großserien-Steuergeräten. VDI, Düsseldorf

Schmitz H, Plöger M (1997) Konsequenter Einsatz der Simulation in allen Phasen derFahrzeugsystementw icklung . VDI Tagung "Mechatronik im Maschinen- und Fahr­zeugbau ", Moers

Schönwandt U (1973) Approximations of Nonlinear Observers. Automatica 9: 349-356Sehr öder C, Köhne K-U, Küppers T (1997) Fahrdynamiksimulation schwerer Nutzfahrzeu­

ge. ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 99: 322-328Schumann A (1993) Digitale Simulation dynamischer Systeme. Vorlesung sumdruck, Tech­

nische Universität DarmstadtSchwarz R (1999) Rekonstruktion der Bremskraft bei Fahrzeugen mit elektromechanisch

betätigten Radbremsen. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 12, Nr. 393. VDI, DüsseldorfSchwarz R, Rieth P (2002) Global Chassis Contro!. VDI Tagung "Steuerung und Regelung

von Fahrzeugen und Motoren", MannheimSchwehr S, Dietrich W, Fromm R, Kettemann T, Stähle A (2001) Modellbasierte Software

und Einsatz von Virtual Reality im Rapid Prototyping zur Prozessbeschleunigung inder Kombiinstrumentenentwicklung. VDI-Tagung "Elektronik im Kraftfahrzeug", Ba­den-Baden

Sieber U (1991) Ljapunow-Synthese nichtlinearer Systeme durch Gütemaßangleichung.Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 8, Nr. 250 . vor, Düsseldorf

Sinsel S (2000) Echtzeitsimulation von Nutzfahrzeug-Dieselmotoren mit Turbolader zurEntwicklung von Motormanagementsystemen. Logos, Berlin

Sinsel S, Schaffnit J, Isermann R (1997) Echtzeit-Simulation von Dieselmotoren zur Ent­wicklung von Diagnosemethoden. 2. Stuttgarter Symposium "Kraftfahrzeuge und Ver­brennungsmotoren", Stuttgart

Sjöberg J (1995) Non-linear System Identification with Neural Networks . PhD Thesis, Uni­versity of Linköping, Sweden

Siotine J J E, Hedrick J K, Misawa E A (1987) On sliding observers for nonlinear systems.Transactions of the ASME Journal of Dynamics Systems , Measurement and Control109

Stoll H (1992) Fahrwerktechnik: Lenkanlagen und Hilfskra ftlenkungen. Vogel, WürzburgSu H-T, McAvoy T (1993) Integration of Multilayer Perceptron Networks and Linear Dy­

namic Models : A Hammerstein Approach . Ind. Eng. Chem. Res. 32: 1927-1936Su H-T, Bath N, Mindermann P, McAvoy T (1992) Integrating Neural Networks with First

Principles Models for Dynamic Modeling. IFAC Workshop on Dynamics and Controlof Chcmical Reactors DYCORD

Takagi T, Sugeno M (1985) Fuzzy Identification of Systems and its Application to Mode­ling and Contro!. IEEE Transactions on Systems, Man and Cybernetics 15: 116-132

Taus M (1996) Systematische Darstellung von Motor- und Abgaskennfeldern eines Kraft­fahrzeug s mit Hilfe von Fuzzy-Logik-Methoden. Diplomarbeit, Institut für Automa­tisierungstechnik, TU Darmstadt

Literatur 241

The MathWorks (ed) (1996) MATLAB®: The Language of Technical Computing. TheMathWorks, Natick, MA, USA

The MathWorks (ed) (1997) Simulink'>' : Dynamic System Simulation for MATLAB®. TheMathWorks, Natick , MA, USA

Thompson J (1998) Neue Aufgaben für die Simulation in der Fahrzeugentwicklung. VDITagung "Berechnung und Simul ation im Fahrzeugbau", Würzburg

Thompson M, Kramer M (1994) Modeling Chemical Processes Using Prior Knowledge andNeural Networks. A1ChE Journal 40 : 1328-1340

TöpferS (2002) Hierarchische neuronale Modelle für die Identifikation nichtlinearer Sys­teme . Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 10, Nr. 705 . VDI, Düsseldorf

Tränkler H-R (1996) Taschenbuch der Meßtechnik. Oldenbourg, MünchenUhl G (\995) Zwei unterschiedliche Systeme zur Reifendruck- Überwachung im Kfz. VDI­

Tagung "Reifen-Fahrwerk-Fahrbahn", HannoverUrlaub A (\995 ) Verbrennungsmotoren : Grundlagen, Verfahrenstheorie. Konstruktion.

Springer, BerlinVDE (Hrsg) (1998) VDE Mikroelektronik-Studie 1997-2002. VDEIVDI-Gesellschaft Mik­

roelektronik, Mikro- und FeinwerktechnikWagenhuber J, Horn J, Zander H-J (\998) Datengetriebene und hybride ModelIierung und

deren Anwendung zur Regelung chemischer Prozesse . DECHEMA-Jahrestagung,Wiesbaden

Wa\cott B L, Zak S H (1987) Stare observation of nonl inear uncertain dynamical systems.IEEE Tran sactions on Automatie Control 32: 166-170

Weeks R, Moskwa J (1995) Automotive Engine Modeling for Real-Time Control UsingMATLABI SIMULINK. SAE 950417

Weid D, Böhner R (1998) Mehrkörpersysteme mit elastischen Strukturen in der Komfort­Analyse. VDI Tagung "Berechnung und Simulation im Fahrzeugbau", Würzburg

Wiener N (\ 958) Nonlinear problems in random theory. Wiley, New YorkWilliarns R (\992) DWS - ein neues Druckverlust-Warnsystem für Automobil reifen. ATZ

Automobiltechnische Zeit schrift 94 : 336-340Winner H, Olbr ich H (\998) Major Design Parameters of Adaptive Cruise Contro!.

AVEC'98, Nagoya, JapanWitte L, Rauh J (1997 ) Requirements on Simulation Software for Automotive Industry Ap­

plications. IFAC Symposium on Tran sportation Systems, Chania, Greec eWohnhaas A (1997) Rechnergestützte Steuergeräte-Softwareentwicklung. ATZ Automo­

bilte chni sche Zeitschrift 99 : 744-754Wohnhaas A, Sailer U (1997) Effizienzsteigerung in der Steuergeräte-Softwareentwicklung

durch den Einsatz von Simulations- und Softwarewe rkzeugen. 2. Stuttgarter Symposi­um "Kraftfahrzeuge und Verbrennungsmotoren ", Stuttgart

Würtenberger M (1997) Modellgestützte Verfahren zur Überwachung des Fahrzustands ei­nes PKW . Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 12, Nr. 309 . VDI, Düsseldorf

Xia X H, Gao W B (1988) Non-linear observer des ign by observer canonical forms . Inter­national Journal of Control47 : 1081-1100

Xia X H, Gao W B (1989) Nonlin ear obse rver design by observer error linearization. SIAMJournal of Control and Optimization 27 : 199-216

Zander H-J, Dittmeyer R, Wagenhuber J (1998) ModelIierung von Batch-Prozessen , Ver­gleich klassischer , neuronaler und hybrider Modelle am Beispiel der Ethoxylierungvon Dodecanol. DECHEMA-Jahrestagung, Wiesbaden

242 Literatur

van Zanten A T, Erhardt R, Pfaff G (1996) Die Fahrdynamikregelung von Bosch. at-Au­tomatisierungstechnik 44: 359-365

van Zanten A, Erhardt R, BarteIs H, Hesselbarth J, Lutz A, Neuwald W (1998) Simulationbei der Entwicklung der Bosch-Fahrdynamikregelung. vor Tagung .Mechatronik imMaschinen- und Fahrzeugbau", Moers

Zeitz M (1977) Nichtlineare Beobachter für chemische Reaktoren. Fortschritt-Berichtevor, Reihe 8, Nr. 27. vor, Düsseldorf

Zeitz M (1979) Nichtlineare Beobachter. Regelungstechnik 27Zeitz M (1984) Observability canonical (phase-variable) form for non-linear time-variable

systems . International Journal of Systems Science 15: 949-958Zeitz M (1987) The extended Luenberger observer for nonlinear systems. Systems and

Control l..etters 9: 149-156Zhao H, McAvoy T (1996) Modeling of Activated Sludge Wastewater Treatment Processes

using Integrated Neural Networks and a First Principle Model. IFAC World Congress ,San Francisco , USA

Zimmermann H-J (1996) Fuzzy Set Theory and its Applications . Kluwer, BostonZöller S, Landsmann G (2002) Brennraumdruckgeführtes Motormanagement beim Otto­

motor - Funktionen und Potenziale . vorTagung "Steuerung und Regelung von Fahr­zeugen und Verbrennungsmotoren", Mannheim

Zomotor A (1991) Fahrwerktechnik: Fahrverhalten . Vogel, WürzburgZomotor A, Braess H-H, Rönitz R (1997/1998) Verfahren und Kriterien zur Bewertung des

Fahrverhaltens von Personenkraftwagen - Ein Überblick über die letzten 20 Jahre . TeilI und 2. ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 99: 780--786 (Teil I) bzw. lOO: 236­243 (Teil 2)

Sachverzeichnis

Abbruchkriterium 118Adaptionsebene 4Aktivierung 111Aktivierungsfunktion 111, 127Amplitudengang 219,221Amplitudenüberhöhung 219,221Animation der Fahrzeugbewegung 199,

208Anregungssignal 64Ansaugrohr 24Antiblockiersystem 28,29, 189Antriebsschlupf 39Antriebsstrang 23,80, 198, 227Approximationsfehler 189Approximationsgüte 119Ausgangsfehler 118, 123Ausgangsfilter

neuronal 163Autobahnfahrt 162Automatikgetriebe 23, 26, 71

Backpropagation-Algorithmus 111, 127Basisfunktion 116, 117Baumkonstruktionsalgorithmus 120,

121Beladung 216Beobachtbarkeit 177

global 177lokal 177

Beobachtbarkeitsmatrix 181, 183, 184Beobachter 4,7,57,64,93, 175, 186,

229Ljapunow 176Luenberger 176, 178Luenberger (erweitert) 177nichtlinear 175, 176, 177variable Struktur 176

Beobachterentwurf 175Beobachterform

verallgemeinert 176Beobachtergleichung 180, 185

Beobachtermatrix 176,179, 181Beobachter-Normalform

nichtlinear 177nichtlinear kanonisch 176

Beobachtervektor 184,185Betrieb

parallel 10I, 102, 104seriell-parallel 10I , 104

Betriebssignal 96Bewegung

rotatorisch 33Bilanzgleichung 95Black-box Modell 97Blockschaltb ild 18,179,194Bond Graph Methode 99Bremsanlage 227Bremsdruck 28,29, 160, 166Bremsdynamik 81Bremskraftverstärker 29Bremskreis 29Bremsleitung 30Bremsschlupf 29, 39Bremsung 160, 162Bremsverhalten

dynamisch 82Bypass-Technik 14

CAN-Bus 191, 193, 194Clustering 112, 114, 135, 139Codegenerator 3,13, 18, 194Computer Aided Design (CAD) 11

Datenvorauswahl 75Defuzzifizierung 113Differentialgetriebe 27Differentiation

numerisch 143Digital Mock-Up (DMU) 12Drehmassenzuschlagfaktor 61Drehmomentwandler 23, 25Drosselklappe 23

244 Sachverzeichnis

Drosselklappenwinkel 71,130,160,166

DSFI-Verfahren 73Dynamik

extern 119intern 124, 125

Dynamikmatrix 181, 184, 185

Echtzeitfähigkeit 3Echtzeitimplementierung 191Echtzeitsimulation 194, 196, 198Echtzeitsimulationsmodell 8Eigenlenkgradient 212Eingangsfilter 103Eingangsraum 106, 138Eingangsvektor 178, 179Elastokinematik 55Entropiebilanzgleichung 95Entwicklungsphase 9Entwicklungsprozess 9Entwicklungsumgebung 194Entwurfsverfahren 177

stochstisch 175Erprobungsphase 9Extrapolationsverhalten 133, 134, 139

Fahrbahnprofil 37Fahrbahnreibwert 159,166,167,229Fahrbahnsteigung 91,175,178,182,

186Fahrbahntrajektorie 3Fahrdynamik 54,147, 175,211 ,218Fahrdynamik-Regelsystem 193Fahrdynamikregelung 3Fahrdynamiksimulation 19Fahrstabilität 84, 216Fahrverhalten 211Fahrwerk 47,85,146,155Fahrwerksfeder 44,47,56, 144,216Fahrwiderstand

extern 175, 187Fahrzeugdynamik 64,85,191,211Fahrzeuggeschwindigkeit 189,229Fahrzeuglängsbeschleunigung 166Fahrzeuglängsdynamik 55, 182, 189Fahrzeugmasse 53,57,67,91,93, 160,

189,221 ,229Fahrzeugmodell 77,79, 80

adaptiv 187,191,194,197,211 ,213,218,219

Fahrzeugquerdynamik 82

Fahrzustand 71, 198,227,230Fahrzustandserkennung 6Fahrzustandsgröße 22Fahrzyklus 163,169Feder-Dämpfer-Charakteristik 56, 144Feder-Dämpfer-System 37Fehler

parametrisch 4, 82, 187Fehlerdifferentialgleichung

zeitvariant 178, 181, 183Fertigung 16Filter

adaptiv 70digital 70linear 127

Finite-Elemente-Modell (FEM) 11, 17Flächeninterpolationsverfahren 106Freiheitsgrad 17

rotatorisch 44Frequenzbereich 79Frequenzgang 97,211,218,219,222,

229Fullpass-Technik 14Fuzzifizierung 113Fuzzy-Identifikationsverfahren 136,

139Fuzzy-System 113,114

Generalisierung 134, 148, 160, 163, 169Gesamtmodell 3, 90Geschwindigkeit

charakteristisch 214Gewichtsfaktor 111Gierdynamik 219Gierübertragungsfunktion 219,221Gierwinkelgeschwindigkeit 38, 83, 213,

214,218Gittermodell 208Glockenkurve 112Gradientenverfahren 111, 127Grey-box Modell 97

Halbfahrzeugmodell 46Hammerstein-Modell 25, 102, 160Hardware-in-the-Loop Simulation (HiL)

13, 193Hauptbremszylinder 28Hilfskraftlenkung 32Hinge-Funktion 120,121,152Hinging Hyperplane Tree (HHT) 119,

152

Horizontaldynamik 23, 42, 44, 80, 84,185,196

Horizontalkraft 61Hybrides Modell 7,93,97, 161, 169

semiphysikalisch 159Hyperebene 120, 121Hyperquader 117

Identifikation 95Implementierungsphase 9Inertialsystem 200Interpolationsfehler 119Interpolationsverhalten 134, 139

Jakobische Funktionalmatrix 180, 182,184

Kammlinienprojektion 152Kinematik 199Komfortanalyse 12Konjugierte Gradienten Algorithmus

122Konstitutive Gleichung 95Konstruktion IIKonvergenzverhalten 151Koordinaten

homogen 22,202,203,205kartesisch 202

Koordinatensystem 22, 42fahrbahnfest 200fahrzeugfest 200karosseriefest 200radfest 201rechtsdrehend 199

Kraft-Geschwindigkeits-Charakteristik48

Kraft-Geschwindigkeits-Kennlinie 144,145

Kraftschlussbeiwert 41Kraft-Weg-Charakteristik 48, 144, 145KurvenverhaIten

stationär 211Kurvenwiderstand 44

Laboraufbau 8Laborbetrieb 191Längsbeschleunigung 161, 163Längsdynamik 60, 82Längsschlupf 39Lastenheft 11

Literatur 245

Least-Squares Verfahren 108, 110, 113,119

Leistungszahl 25Lenkgetriebe 31, 32Lenkkinematik 31,32Lenkradwinkelsprung 216Lenkrollhalbmesser 35Lenksteifigkeit 31Lenkung 55,227Lenkwinkel

kinematisch 33, 36Lenkzwischenhebel 32Levenberg-Marquardt Verfahren 112,

134Linearisierung 177Lipschitz-Bedingungen 176Ljapunow-Funktion 176LOLIMOT 115,117, 140, 143, 152,

160, 163, 166Luftwiderstandsbeiwert 42,91 , 189Luftwiderstandskraft 42, 61

Masseschätzverfahren 70Matrix-Riccati-Differentialgleichung

176Mehrkörpermodell (MKS) 11, 17Messdaten 130,229Messfahrt 161Messfehler 69Messung 80, 168Methode der kleinsten Quadrate 62, 63

rekursiv 65Modell 2

adaptiv 227dynamisch 161experimentell 97,155,159,228linearisiert 84lokal 99lokal linear 143,151mathematisch 95parallel 101physikalisch 97, 100, 159,227qualitativ 96semiphysikalisch 99, 105, 152, 155

Modellabstraktionsgrad 90Modelladaption 95Modellbildung

experimentell 7,95theoretisch 6, 90, 95

246 Sachverzeichnis

Modellfehler 69, 90parametrisch 91,93, 159, 162, 166,

168,171strukturell 90

Modellgüte 2Modellparameter 53Modellpflege 9, 16Momentanachse

virtuell 46, 146Momentenbilanz 44Motor 24, 199Motorcharakteristik 24Motordrehzahl 80, 199Motorenprüfstand 130Motorkennfeld 100, 129, 133Motormoment 130Multi-Layer-Perzeptron Netz (MLP)

102, 110, 134, 140dynamisch (DMLP) 125,151

Neigungswinkel 43Netzstruktur 125Netztopologie 134Neuro-Fuzzy System 100Neuro-Fuzzy Verfahren 136, 139Neuro-Fuzzy-Verfahren 139Neuronales Netz 51,56,97,100,110,

133dynamisch 114, 147statisch 115

Nichtlinearität 176Nickachse 45Nickdynamik 46Nickwinkel 200Normalkraft 37Normierung 123

Offline-Simulation 197,199,211Online-Identifikation 64Optimierungsverfahren

nichtlinear 122Orthogonalisierungsvcrfahren 109Ottomotor 23Overfitting 133, 134

Parameter 96, 227Parameterschätzung 4,6,60,67, 140

neuronal 104Parameterschätzverfahren 93, 228Parametervektor 120

Partitionierungachsenorthogonal 120

Peak Response Time 213,214Petri-Netz 99Phänomenologische Gleichung 95Phasengang 220Physical Mock-Up (PMU) 12Polynom

algebraisch 108,132, 140orthogonal 108, 131, 132, 140Tschebyscheff 109, 132, 133, 140

Polynomapproximation 100, 108, 139Prädiktion

modellbasiert 230Prototyp 15Prozessebene 4

Querbeschleunigung 213,218Querdynamik 60,83,84,151

Radaufhängung 44,46,47,55,87,88,140, 141, 144,218,220

Radaufstandsfläche 35, 38, 46Radaufstandskraft 40, 41Radaufstandspunkt 38Radbewegung

translatorisch 36Radbremszylinder 30Raddrehzahl 23, 57, 229Radial-Basis-Funktionen Netz (RBF)

102, 112, 135, 140Rapid Prototyping 6, I 1, 13, 225Rasterkennfeld 105, 106Reaktionskraft 23, 45Reaktionsmoment 31Rechenaufwand 2Rechenleistung 227Regelwerk 113Reibbeiwert 30,39,41 ,55,91Reibmoment 34Reibwert-Schlupf Approximation 166Reibwertveränderung 166Reifen 175

anisotrop 41Reifendruck 37,57, 141,218,223Reifen-Fahrbahn-Kontakt 40Reifenkennfeld 40,41Reifenmodell 40Reifennachlauf 35Rekonfiguration 229

Rekursionsformel 109Resonanzfrequenz 219,220,221,222Rollradius

dynamisch 34Rollwiderstand 64, 175Rollwiderstandsbeiwert 61,63Rollwiderstandskraft 61Rotation 203Rückstellmoment 23, 31, 35Runge-Kutta-Verfahren 78

Savitzky-Golay Filter 70Schaltungsgleichung 95Schätzfehler 180Schätzfehler-Differentialgleichung 176Schlupf 39

resultierend 39Schräglaufwinkel 38, 193Schwellwert 112Schwerpunkt 200, 207Schwimmwinkel 38, 60, 193Seitenschlupf 39Sensorik 175, 196Serienfahrzeug 15Serienfertigung 9Sigmoidfunktion 120, 123Signalprozessor (DSP) 191Simulation 2, 53, 58, 64, 78, 80, 154,

213Simulationsebene 4Simulationswerkzeuge 17,227Ska1ierung 203Software-in-the-Loop Simulation (SiL)

13Softwarewerkzeuge 9Spezifikation 9Spezifikationsphase 9Spreizungswinkel 35Sprungantwort 211,213,229Spurstange 31, 32Spurwechsel 154,196Spurweitenänderungskurve 46Stabilisator 45,47,48,56,141,216Stabilitätsreserve 230Steigungsbeobachter 185,186,187,189Steigungswiderstand 43,60,64, 182Steigungswinkel 43, 182Stellgröße 23Stoßdämpfer 44,47,56,91 , 144Stotterbremsung 84,88, 162, 168Strömungsmodell (e FD) 12

Literatur 247

Strukturoptimierung 173Sturzwinkel 36StützsteIle 106Systemanalyse 95

Takagi-Sugeno Fuzzy Modell 116Teilmodell 123Testsignal 96Torsionsstabilisator 47Trägheitskraft 23, 45, 88Training 102,111,115,117,127,135,

160, 167Trainingsdaten 162Trainingsdatensatz 168, 169Trajektorie 23,44, 176, 177,230Transformationsmatrix

homogen 199, 206Transformationsverfahren 176Translation 203Turbinenmoment 25

Übergangsfunktioncharakteristisch 211

Übergangsverhaltendynamisch 211,213

Übertragungsfunktion 126charakteristisch 218,221

Validierung 6,79,80,88, 186Verbrennungsmotor 129Versuchsfahrzeug 161,166,191,196,

211Vertikaldynamik 23,80,88Vertikalkraft 46Verzögerungsglied 115Vierradmodell 227Virtuelle Produktentwicklung 11, 12Vorspurwinkel 36

Wandlerüberbrückungskupplung 26Wankachse 45, 147Wankbewegung 151Wankdynamik 46,219Wankübertragungsfunktion 220,222,

223Wankwinkel 200,213Wedelfahrt 208White-box Modell 96Wiener-Modell 103, 160Winkelgeschwindigkeit

Rad 34,35

248 Sachverzeichnis

Zentrifugalkraft 88Zugehörigkeitsfunktion 114, 116, 138Zustandsbeobachter 178Zustandsgleichung 22Zustandsgröße 6,46,51,58,84,86,

175,176,187,229charakteristisch 80querdynamisch 187, 197

simuliert 195Zustandsraum 7Zustandsraumdarstellung

nichtlinear 178, 182Zustandsraummodell 176Zustandsvariablenfilter 62,70,71 ,73Zustandsvektor 178, 179Zweispurmodell 42, 84, 228