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Aktuelle Bestandsgröße und ‐entwicklung des
Sterntauchers (Gavia stellata) in der deutschen Nordsee
Henriette Schwemmer (1), Dr. Nele Markones (1), Sabine Müller (1), Dr. Kai
Borkenhagen (1), Dr. Moritz Mercker (2), Prof. Dr. Stefan Garthe (1)
(1) Forschungs‐ und Technologiezentrum Westküste (FTZ), Büsum, Christian‐Albrechts‐
Universität zu Kiel
(2) Büro für Biostatistik in der Ökologie und Biomedizin (BIONUM), Hamburg
Zu zitieren als:
Schwemmer H, Markones N, Müller s, Borkenhagen K, Mercker M, Garthe S (2019): Aktuelle Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers (Gavia stellata) in der deutschen Nordsee. Bericht
für das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und das Bundesamt für Naturschutz.
Abstract Precise knowledge of population size and trends is prerequisite for assessing the status
of seabird species and taking appropriate conservation measures. Divers (Gavia spec.)
are of high conservation concern and reach their peak abundance in the German North
Sea during spring migration. Based on generalized additive (mixed) model (GA[M]M)
modelling we calculated population numbers and trends for Red‐throated Divers (Gavia stellata) in several sub‐areas of the German North Sea for the spring season of
the last 16 years. Our results show that for the period 2002 ‐ 2017 population numbers
of Red‐throated Divers in the German North Sea are increasing and population
trends are generally positive. Since 2013 population numbers show decreasing tendencies and the core area of Red‐throated Diver distribution shows increasing relative importance for the population, due to shifts in occurrence
patterns. Both effects are temporally correlated to, and might be consequences of
increasing offshore windfarm construction.
Stand: 21.01.19
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Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
2
Inhaltsverzeichnis Abstract ........................................................................................................................ 1
Inhaltsverzeichnis ......................................................................................................... 2
Tabellenverzeichnis ...................................................................................................... 3
Abbildungsverzeichnis.................................................................................................. 3
1. Einleitung ............................................................................................................... 4
2. Methode ................................................................................................................ 4
2.1. Datengrundlage .............................................................................................. 4
2.2. Untersuchungsgebiete .................................................................................... 5
2.3. Zeiträume ........................................................................................................ 5
2.4. Statistische Methode ...................................................................................... 6
2.4.1. Berücksichtigung von unvollständiger Detektion .................................... 6
2.4.2. Kovariablen .............................................................................................. 7
2.4.3. Berechnung der Bestandsgröße und Darstellung der Bestandstrends ... 7
3. Ergebnisse .............................................................................................................. 8
3.1. Bestandsgröße ................................................................................................ 8
3.1.1. Gesamte deutsche Nordsee ..................................................................... 8
3.1.2. AWZ deutsche Nordsee .......................................................................... 10
3.1.3. SPA Östliche Deutsche Bucht ................................................................. 12
3.1.4. Seetaucher Hauptkonzentrationsgebiet ................................................ 13
3.1.5. Mittlerer Frühjahrsbestand für die Jahre 2011 bis 2016 ....................... 15
3.2. Bestandsentwicklung .................................................................................... 16
3.2.1. Gesamte deutsche Nordsee ................................................................... 16
3.2.2. AWZ deutsche Nordsee .......................................................................... 16
3.2.3. SPA Östliche Deutsche Bucht ................................................................. 17
3.2.4. Seetaucher‐Hauptkonzentrationsgebiet ............................................... 18
4. Diskussion ............................................................................................................ 18
5. Literaturverzeichnis ............................................................................................. 20
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
3
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) in der gesamten
deutschen Nordsee im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. ........................... 10
Tabelle 2: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) in der AWZ der
deutschen Nordsee im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. ........................... 11
Tabelle 3: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) im SPA Östliche
Deutschen Bucht im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. ............................... 13
Tabelle 4: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) im Seetaucher
Hauptkonzentrationsgebiet im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. ............... 15
Tabelle 5: Mittlere Bestandsgröße des Sterntauchers (Gavia stellata) in den vier
Fokus‐Gebieten (Gesamte deutsche Nordsee, AWZ Nordsee, SPA Östliche Deutsche
Bucht, Hauptkonzentrationsgebiet) im Frühjahr für die Jahre 2011 bis 2016. ........... 15
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Untersuchungsgebiete für die Analyse der Populationsgröße und des
Populationstrends der Sterntaucher (Gavia stellata). .................................................. 5
Abbildung 2: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) in der gesamten
deutschen Nordsee im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. ............................. 9
Abbildung 3: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) in der AWZ der
deutschen Nordsee im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. ........................... 11
Abbildung 4: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) im SPA Östliche
Deutsche Bucht im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. ................................. 12
Abbildung 5: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) im Seetaucher
Hauptkonzentrationsgebiet im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. ............... 14
Abbildung 6: Bestandentwicklung des Sterntauchers (Gavia stellata) in der gesamten
deutschen Nordsee für die Jahre 2002 bis 2017 im Frühjahr. .................................... 16
Abbildung 7: Bestandsentwicklung des Sterntauchers (Gavia stellata) in der AWZ der
deutschen Nordsee für die Jahre 2002 bis 2017 im Frühjahr. .................................... 17
Abbildung 8: Bestandsentwicklung des Sterntauchers (Gavia stellata) in dem SPA
Östliche Deutsche Bucht für die Jahre 2002 bis 2017 im Frühjahr. ............................. 17
Abbildung 9: Bestandsentwicklung des Sterntauchers (Gavia stellata) im Seetaucher‐
Hauptkonzentrationsgebiet für die Jahre 2002 bis 2017 im Frühjahr. ........................ 18
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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1. Einleitung
Für das Verständnis der Nutzung des Meeres durch Seevögel ist das Wissen zu zeitlich‐
räumlichen Mustern im Vorkommen der einzelnen Arten auf dem Meer von großer
Bedeutung. Daher gehört die Ermittlung von Bestandsveränderungen zu den
wesentlichen Aufgaben, wenn es um die Einschätzung des Zustandes von Schutzgütern
geht.
Im Rahmen der Berichtspflichten zur EU‐Vogelschutzrichtlinie wurde das FTZ
beauftragt, die Bestandszahlen und Bestandstrends der häufigen Seevogelarten in
Nord‐ und Ostsee neu zu berechnen. Im Laufe dieser, durch das Bundesamt für
Naturschutz (BfN) finanzierten, Auswertungen wurde eine neue, sehr umfangreiche
statistische Analyse‐Methode entwickelt. Eine der bearbeiteten Artengruppen sind die
Seetaucher, bestehend aus den Arten Sterntaucher (Gavia stellata) und Prachttaucher
(Gavia arctica).
Zeitgleich hat das FTZ eine Studie zu den Auswirkungen der Offshore Windkraft auf die
Seetaucher durchgeführt (beauftragt durch BSH und BfN; Garthe et al. 2018).
Ergänzend zu dieser Studie wurden die Bestands‐ und Trendberechnungen für die
Seetaucher um einige Gebiete erweitert und auf die Bedürfnisse der Behörden
angepasst. Hier präsentiert werden die Ergebnisse für das wichtigste Rastvorkommen
des Sterntauchers in der deutschen Nordsee, das in die Zeit des Frühjahrsdurchzugs
fällt.
2. Methode
2.1. Datengrundlage Das Frühjahrsvorkommen der Seetaucher in der Deutschen Nordsee wird anhand der
artspezifischen Phänologien als Zeitraum von März bis Mitte Mai (01.03.‐15.05.)
definiert. Dieser Zeitraum unterscheidet sich leicht von der OWP Effekt‐Analyse, bei
der nur der „Kernzeitraum“ des Frühjahrs (01.03. – 30.04.) berücksichtigt wurde.
Die Datengrundlage für diese Auswertung bilden alle verfügbaren Daten von BSH
(Umweltverträglichkeitsprüfung und Bau‐ und Betriebsbegleitenden Monitoring von
Offshore Windparks), BfN und FTZ (Marines Biodiversitätsmonitoring BfN/FTZ sowie
Forschungsdaten FTZ) aus den Jahren 2002 bis 2017. Die Daten der verschiedenen
Quellen wie auch der verschiedenen Zählplattformen (Schiff, Flugzeug visuell, Flugzeug
digital) wurden strukturell harmonisiert (Schwemmer et al. 2014) und im
Modellierungsablauf miteinander kombiniert.
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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2.2. Untersuchungsgebiete Die Populationsgrößen und Populationstrends wurden einzeln für folgende Gebiete
berechnet: Gesamte deutsche Nordsee, Deutsche AWZ, SPA Östliche Deutsche Bucht,
Seetaucher‐Hauptkonzentrationsgebiet (Positionspapier BMU/BfN; Abbildung 1).
Abbildung 1: Untersuchungsgebiete für die Analyse der Populationsgröße und des Populationstrends der Sterntaucher (Gavia stellata).
2.3. Zeiträume Aufgrund der unterschiedlichen methodischen Herangehensweise bei der Berechnung
von Bestandszahlen können die hier präsentierten Ergebnisse nicht direkt mit den in
früheren Jahren publizierten Zahlen verglichen werden. Um Vergleiche herstellen zu
können, wurden mit der neuen Methode auch für die zurückliegenden Jahre
Bestandszahlen berechnet. Die hier präsentierten Ergebnisse wurden also für das
Frühjahr (01.03. – 15.05.) für jedes einzelne Jahr, von 2002 bis 2017, und jedes
Untersuchungsgebiet berechnet. Zusätzlich wurde der mittlere Bestand für die Jahre
2011 bis 2016 ermittelt. Dieser Zeitraum wird europaweit für die nationalen Berichte
an die EU‐Kommission gemäß Art. 12 der Vogelschutzrichtlinie betrachtet. Zum
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der deutschen Nordsee
6
Vergleich wurden auch die Bestandszahlen der anderen hier betrachteten Gebiete für
diesen Zeitraum berechnet.
Auch der Bestandstrend wurde für das Frühjahr (01.03. – 15.05.) für jedes
Untersuchungsgebiet einzeln berechnet.
2.4. Statistische Methode Um sowohl den Populationstrend als auch die Populationsgröße der Seetaucher in der
Nordsee auf Basis von verschiedenen Datenquellen abschätzen zu können, wurde ein
integrativer modelbasierter Ansatz gewählt. Dafür wurde in zwei aufeinander
folgenden Schritten die Korrektur nach der Distance‐sampling Methode und ein
generalisiertes additives [gemischtes] Abundanz‐Modell (GA[M]M) kombiniert. Die
Varianz aus dem ersten Schritt wurde hierbei durch Bootstrapping in den zweiten
Schritt übertragen. Der Ansatz erlaubt die Integration von Zähldaten aus den
unterschiedlichen Erfassungsmethoden (Schiff Observer, Flug Observer, Flug Digital)
sowie die Kompensation von Distanz‐abhängigen und Distanz‐unabhängigen (z.B.
Detektion auf der Transektlinie) Erfassungsungenauigkeiten.
Schiffsgestützte observerbasierte Erfassungen von Seevögeln erfolgen in Intervallen
von einer Minute. Bei den Flugsurveys, sowohl den observerbasierten als auch den
digitalen Erfassungen, werden die Sichtungen sekundengenau aufgenommen. Um die
Analysen nicht durch die raumzeitliche Autokorrelation zwischen diesen hoch
aufgelösten Datenpunkten zu beeinträchtigen, wurden die Daten in einem räumlich‐
zeitlichen Raster gepoolt. Für jede räumliche Rasterzelle (und separat für jedes Jahr)
wurde die Anzahl der Vögel und die kartierte Fläche jeweils summiert. Alle anderen
Kovariablen wurden pro Rasterzelle gemittelt. Um die optimale Balance zwischen einer
hohen räumlichen Auflösung auf der einen Seite und einer handhabbaren
Autokorrelation und Datenmenge auf der anderen Seite zu finden, wird die optimale
Rastergröße während der Analyse ermittelt. Bei den Sterntauchern in der deutschen
Nordsee betrug die optimale Rastergröße 10 x 10 km.
2.4.1. Berücksichtigung von unvollständiger Detektion Die unvollständige Detektion von Vögeln wurde in zwei Schritten in die Analyse
integriert. Im ersten Analyse‐Schritt wurde die distance‐sampling Korrekturmethode
auf die Observer‐basierten Rohdaten (getrennt für Schiff‐ und Flugzeugmethode)
angewendet. Die digital erfassten Rohdaten wurden nicht Distanz‐korrigiert, da davon
ausgegangen wird, dass die Erfassungswahrscheinlichkeit bei dieser Methode Distanz‐
unabhängig ist. Im zweiten Schritt wurden die korrigierten Daten gepoolt und die
finalen GA[M]Ms auf diese Daten angewendet. Auch die Erfassung von Vögeln auf der
Transektlinie (Distanz‐unabhängige Detektion) birgt einen gewissen Fehler, der von
verschiedenen Faktoren wie der Erfassungsmethode und dem Seastate abhängt. Um
dieser Erfassungsungenauigkeit im finalen Abundanz‐Modell Rechnung zu tragen,
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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wurden die Variablen methode und sea‐state als zusätzliche Prädiktoren in der AIC‐
basierten Modellselektion mit berücksichtigt.
2.4.2. Kovariablen Zeitliche Kovariablen: Für die Abschätzung der Populationstrends (Trend GAMM)
wurden zwei verschiedene Modelle angepasst. Das erste enthält die Variable Year als
Haupteffekt. Dies führt zu einer statistisch validen Einschätzung des Log‐linearen
Trends (grüne Linie in Abbildung 6 ff.). In dem zweiten Modell wurde diese Variable als
smooth‐Term integriert, s(year). Hierdurch erhält man eine Einschätzung der
nichtlinearen Populationsentwicklung und kann somit die jährlichen Schwankungen
besser visualisieren (blaue Linie in Abbildung 6 ff.). Für das Populationsmodell (Census
GAM) wurde nur der nichtlineare Term s(year) berücksichtigt.
In die Trend GAMMs wurde zusätzlich die Variable decade als zufälliger Effekt
(„random effect“) eingeführt. Die Berücksichtigung dieser Variablen beugt einer
potentiellen Verschiebung durch ungleichverteilten Erfassungsaufwand innerhalb
einer Jahreszeit vor.
Umwelt‐ bzw. räumliche Kovariablen: Um den Anteil der unerklärten Varianz zu
reduzieren und die Aussagekraft und Qualität der Trend‐ und
Populationsabschätzungen zu steigern, wurden die Umweltvariablen dist_land
(=Landentfernung) und depth (=mittlere Wassertiefe) berücksichtigt. Zusätzlich wurde
ein örtlicher 2D regressions‐Spline verwendet, der von den geographischen
Koordinaten longitude und latitude abhängig ist. Hiermit wurde die räumliche
Heterogenität der Abundanzwerte berücksichtigt, die nicht von den anderen
Kovariablen erklärt wird.
Detektions‐relevante Kovariablen: Wie oben beschrieben, wurden als (distanz‐
unabhängige) detektions‐relevante Kovariablen die Variablen method und sea‐state
berücksichtigt. Des Weiteren wurden Seastate 0 und 1 und alle Werte ≥ 4 zu jeweils
einem Wert zusammengefasst, um durchgängig Seastate‐Level mit ausreichendem
Datenumfang zu erreichen. Die Variable sea‐state ist somit reduziert auf die Werte 1 ‐
4.
2.4.3. Berechnung der Bestandsgröße und Darstellung der Bestandstrends Die Abschätzungen der Bestandstrends können direkt aus dem Regressionskoeffizient
des GAMMs extrahiert werden. Für die Abschätzung der Bestandsgröße muss noch ein
weiterer Schritt durchgeführt werden. Das final angepasste Census GAM wird genutzt,
um die Vogeldichten für ein Raster von 1x1 km vorherzusagen, das alle Werte für die
erforderlichen Umweltvariablen enthält.
Alle Bestandszahlen wurden wie folgt, nach Garthe et al. (2007), gerundet: 50–500: auf
10 Ind. genau; 500–1.000: auf 50 Ind. genau; 1.000–5.000: auf 100 Ind. genau; 5.000–
20.000: auf 500 Ind. genau; 20.000–100.000: auf 1.000 Ind. Genau.
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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Für eine Vergleichbarkeit der hier präsentierten Bestandstrends mit früheren
Trendberechungen wurden die Ergebnisse zusätzlich den Trendklassifikationen von
TRIM (Trends & Indices for Monitoring data, Version 3.53; Pannekoek & van Strien
2005) zugeordnet.
Für eine detaillierte Beschreibung der Datenbearbeitung und der statistischen Modelle
siehe Mercker (2018), Trend‐ and population estimates of Gaviidae: Methodological
overview. Bericht für das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und das
Bundesamt für Naturschutz.
3. Ergebnisse
3.1. Bestandsgröße In diesem Kapitel wird für jedes Untersuchungsgebiet eine Abbildung mit den
modellierten Bestandszahlen für jedes Jahr und eine Tabelle mit den
zugrundeliegenden Werten und den dazugehörigen Konfidenzintervallen dargestellt.
Des Weiteren wird der mittlere Bestand für die Jahre 2011 bis 2016 für jedes
Untersuchungsgebiet präsentiert. In den Jahren 2007, 2008 und 2009 war der
Erfassungsaufwand in den Gebieten des Hauptvorkommens der Seetaucher
ungenügend (Garthe et al. 2015). Die Ergebnisse in diesen Jahren sind in den
Abbildungen und Tabellen grau hinterlegt.
3.1.1. Gesamte deutsche Nordsee
Mit Hilfe des Bestandsmodells wurde die Bestandsgröße der Sterntaucher (Gavia
stellata) in der deutschen Nordsee für jedes einzelne Jahr (2002 – 2017) abgeschätzt
(Abbildung 2). Über die betrachtete Zeitphase ist es insgesamt zu einer
Bestandszunahme gekommen. In den letzten Jahren weist der Bestand der
Sterntaucher in der deutschen Nordsee dagegen eine negative Entwicklung auf.
Der niedrigste Wert beträgt 3.200 Sterntauchern im Jahr 2002, im Maximum wurden
31.000 Sterntauchern im Jahr 2012 ermittelt (Tabelle 1). Dieser Maximalwert liegt
etwas unter dem Seetaucherbestand von 35.000 Tieren, der im Rahmen der Analyse
zu Effekten der OWPs auf Seetaucher für den Zeitraum vor dem Bau der OWPs für alle
Untersuchungsgebiete zusammen berechnet wurde (Garthe et al. 2018). Ein
Widerspruch liegt jedoch generell nicht vor, da die Konfidenzbereiche deutlich
überlappen. Es gibt zudem deutliche strukturelle Unterschiede zwischen den Analysen,
die diese Unterschiede in den Bestandszahlen erklären: Der „vorher“‐Zeitraum in der
Effektanalyse ist ein rein fiktiv konstruierter Zeitraum, dessen Basisdaten in jedem
Untersuchungsgebiet aus unterschiedlichen Jahren stammen. Des Weiteren wurden
dort Stern‐ und Prachttaucher zusammen betrachtet, sowie nur ein Teil der deutschen
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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Nordsee berücksichtigt. Und schließlich war in der Effektanalyse das zugrunde liegende
Modell für die Erfassung von Effekten der OWPs optimiert und nicht für die
Berechnung von Beständen, was sich u.a. in einer völlig anderen Art des örtlich‐
zeitlichen Poolens der Daten widerspiegelt.
Von 2002 bis zum Jahr 2006 stieg der Bestand der Sterntaucher in der gesamten
deutschen Nordsee an. In den darauffolgenden Jahren scheint es zu einer
vorübergehenden Abnahme gekommen zu sein. Dieses Ergebnis ist jedoch mit Vorsicht
zu werten, da das Gebiet des Hauptvorkommens der Seetaucher in entsprechenden
Jahren nur ungenügend abgedeckt wurde (Garthe et al. 2015) und es deshalb fraglich
ist, ob ein repräsentatives Bild des Vorkommens gewonnen werden konnte. Bis zum
Jahr 2012 zeigte der Bestand der Sterntaucher in der deutschen Nordsee erneut eine
deutlich positive Entwicklung. Im Anschluss ging der Bestand deutlich zurück. Im
letzten Untersuchungsjahr 2017 lag der Bestand mit 11.000 Sterntauchern deutlich
höher als im ersten Untersuchungsjahr 2002 mit 3.200 Sterntauchern in der Deutschen
Nordsee, aber auch deutlich unter dem Maximum aus dem Jahr 2012 (Tabelle 1).
Abbildung 2: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) in der gesamten deutschen Nordsee im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. Der Punkt steht für die Bestandszahl, die Balken für das 95 % Konfidenzintervall. Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind grau hinterlegt.
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der deutschen Nordsee
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Tabelle 1: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) in der gesamten deutschen Nordsee im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. CI‐Werte = Konfidenzintervall‐Grenzen (UG = Untergrenze, OG = Obergrenze). Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind in grau dargestellt.
Jahr Bestand CI_95_UG CI_95_OG
2002 3.200 2.000 4.900
2003 7.500 4.800 10.500
2004 11.000 8.000 16.000
2005 14.000 10.000 19.000
2006 17.000 13.000 23.000
2007 16.500 11.500 23.000
2008 10.500 7.500 15.000
2009 8.500 6.000 12.500
2010 13.500 9.500 18.000
2011 25.000 18.000 34.000
2012 31.000 22.000 42.000
2013 25.000 17.500 34.000
2014 19.000 13.500 27.000
2015 16.500 12.000 23.000
2016 14.000 10.500 18.500
2017 11.000 6.500 19.000
3.1.2. AWZ deutsche Nordsee
In der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) liegen die Werte in einem
ähnlichen Bereich wie für die gesamte deutsche Nordsee (Abbildung 3). Dies ist nicht
verwunderlich, da der größte Anteil der Sterntaucher in der deutschen Nordsee in der
AWZ vorkommt. Die Bestandszahlen liegen zwischen 2.600 Sterntauchern im Jahr 2002
und 27.000 Sterntauchern im Jahr 2012 (Tabelle 2).
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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Abbildung 3: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) in der AWZ der deutschen Nordsee im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. Der Punkt steht für die Bestandszahl, die Balken für das 95 % Konfidenzintervall. Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind grau hinterlegt.
Tabelle 2: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) in der AWZ der deutschen Nordsee im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. CI‐Werte = Konfidenzintervall‐Grenzen (UG = Untergrenze, OG = Obergrenze). Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind in grau dargestellt.
Jahr Bestand CI_95_UG CI_95_OG
2002 2.600 1.600 4.100
2003 6.000 3.800 9.500
2004 7.000 4.700 11.000
2005 6.500 4.200 10.000
2006 9.000 5.500 14.000
2007 12.500 7.000 22.000
2008 10.000 6.000 15.000
2009 7.000 4.500 10.500
2010 10.000 7.000 15.000
2011 23.000 15.500 33.000
2012 27.000 18.500 39.000
2013 15.000 9.500 23.000
2014 9.500 6.500 14.000
2015 11.000 7.000 16.500
2016 12.000 8.000 17.500
2017 8.000 4.700 13.500
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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3.1.3. SPA Östliche Deutsche Bucht In dem Vogelschutzgebiet Östliche Deutsche Bucht wurde für das Jahr 2002 ein
Bestand um 2.300 Sterntaucher berechnet (Tabelle 3). Bis zum Jahr 2012 hat der
Bestand im SPA deutlich zugenommen auf 6.500 Sterntaucher (Abbildung 4, Tabelle 3)
und blieb in den letzten Untersuchungsjahren ungefähr auf diesem Niveau. Der
mittlere Bestand für die Jahre 2002‐2005 wurde von Sonntag et al. (2007) auf 3.300
Individuen berechnet. Das Mittel über die aktuellen Abschätzungen für diesen
Zeitraum entspricht diesem Wert.
Abbildung 4: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) im SPA Östliche Deutsche Bucht im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. Der Punkt steht für die Bestandszahl, die Balken für das 95 % Konfidenzintervall. Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind grau hinterlegt.
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Tabelle 3: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) im SPA Östliche Deutschen Bucht im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. CI‐Werte = Konfidenzintervall‐Grenzen (UG = Untergrenze, OG = Obergrenze). Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind in grau dargestellt.
Jahr Bestand CI_95_UG CI_95_OG
2002 2.300 1.500 3.500
2003 2.900 2.100 4.000
2004 3.600 2.600 4.900
2005 4.300 3.200 5.500
2006 5.000 3.800 6.500
2007 5.500 4.200 7.500
2008 6.000 4.300 8.000
2009 6.000 4.600 8.000
2010 6.000 4.700 8.000
2011 6.500 4.700 8.500
2012 6.500 4.800 8.500
2013 6.500 4.700 8.500
2014 6.500 4.600 8.500
2015 6.000 4.500 8.000
2016 6.000 4.100 8.000
2017 5.500 3.600 8.500
3.1.4. Seetaucher Hauptkonzentrationsgebiet Die Entwicklung der Bestandszahlen im Hauptkonzentrationsgebiet der Seetaucher
verlief ähnlich wie im SPA Östliche Deutsche (Abbildung 5). Im
Hauptkonzentrationsgebiet erreichte der Bestand sein Maximum mit 11.000
Sterntauchern in den Jahren 2012 bis 2014 und nahm danach wieder leicht ab, auf
9.500 Individuen im Jahr 2017 (Tabelle 4).
In den Jahren 2002, 2009, 2014 und 2017 liegen die Werte im HKG leicht über den
Werten in der AWZ. Um die Unterschiede in den Trends und Beständen für die
einzelnen Untersuchungsgebiete besser herauszuarbeiten, wurde für jedes Gebiet ein
eigenes Modell gerechnet. Die Abschätzung des Bestands erfolgt also unabhängig für
jedes einzelne Gebiet. Hierdurch kann es prinzipiell passieren, dass höhere
Bestandszahlen in kleineren Gebieten vorhergesagt werden. Die Konfidenzintervalle
beider Gebiete überschneiden sich in allen Jahren jedoch deutlich, daher besteht
zwischen den Schätzungen der Bestände von AWZ und HKG kein logischer
Widerspruch.
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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Insgesamt lagen die Bestandszahlen im HKG höher als im SPA Östliche Deutsche Bucht.
Bemerkenswert ist dabei, dass die Bedeutung des SPA im Vergleich zu den anderen
Bereichen des HKG im Verlauf der Datenreihe kontinuierlich abnimmt. Während der
Bestand im SPA im Jahr 2002 noch 85 % der Zahlen des HKG ausmachte, betrug dessen
Anteil im Jahr 2017 nur noch bei 58 %.
Abbildung 5: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) im Seetaucher Hauptkonzentrationsgebiet im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. Der Punkt steht für die Bestandszahl, die Balken für das 95 % Konfidenzintervall. Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind grau hinterlegt.
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der deutschen Nordsee
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Tabelle 4: Bestandszahlen des Sterntauchers (Gavia stellata) im Seetaucher Hauptkonzentrationsgebiet im Frühjahr für die Einzeljahre 2002 bis 2017. CI‐Werte = Konfidenzintervall‐Grenzen (UG = Untergrenze, OG = Obergrenze). Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind in grau dargestellt.
Jahr Bestand CI_95_UG CI_95_OG
2002 2.700 1.900 3.900
2003 3.500 2.700 4.600
2004 4.500 3.500 5.500
2005 5.500 4.400 7.000
2006 6.500 5.000 8.500
2007 7.500 6.000 9.500
2008 8.500 6.500 10.500
2009 9.000 7.000 11.500
2010 9.500 7.500 12.000
2011 10.500 8.000 13.500
2012 11.000 8.500 14.000
2013 11.000 8.500 14.500
2014 11.000 8.500 14.000
2015 10.500 8.500 13.500
2016 10.000 8.000 13.000
2017 9.500 7.000 13.500
3.1.5. Mittlerer Frühjahrsbestand für die Jahre 2011 bis 2016
Für den Artikel 12‐Bericht zur EU‐Vogelschutzrichtlinie wurden die Bestandszahlen für
die Berichtsperiode 2011 bis 2016 gemittelt. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurde
der mittlere Bestand für diesen Zeitraum auch für die hier betrachteten
Untersuchungsgebiete berechnet (Tabelle 5). Ca. die Hälfte des Frühjahrs‐
Gesamtbestandes der Sterntaucher (11.000 von 22.000 Individuen) der deutschen
Nordsee kommt im Hauptkonzentrationsgebiet vor.
Tabelle 5: Mittlere Bestandsgröße des Sterntauchers (Gavia stellata) in den vier Fokus‐Gebieten (Gesamte deutsche Nordsee, AWZ Nordsee, SPA Östliche Deutsche Bucht, Hauptkonzentrationsgebiet) im Frühjahr für die Jahre 2011 bis 2016. CI‐Werte = Konfidenzintervall‐Grenzen (UG = Untergrenze, OG = Obergrenze).
Gebiet Bestand CI_95_UG CI_95_OG
Gesamte deutsche Nordsee 22.000 15.500 30.000
AWZ Nordsee 16.500 11.000 24.000
SPA Östliche Deutsche Bucht 6.000 4.600 8.500
Hauptkonzentrationsgebiet 11.000 8.500 13.500
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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3.2. Bestandsentwicklung
3.2.1. Gesamte deutsche Nordsee
Der Log‐lineare Populationstrend des Sterntauchers in der gesamten deutschen
Nordsee zeigt von 2002 bis 2017 eine signifikante Zunahme um jährlich 6,6 % (grüne
Linie in Abbildung 6). Der nichtlineare Trend (blaue Linie in Abbildung 6) zeigt den
geglätteten Verlauf der Populationsentwicklung mit den Maxima in den Jahren 2006
und 2012, die sich auch in der Darstellung der jährlichen Bestandszahlen abzeichnen
(vgl. Abbildung 2). Zum Ende der Zeitreihe ist auch in dieser Darstellung eine
abnehmende Bestandsentwicklung zu erkennen.
Abbildung 6: Bestandentwicklung des Sterntauchers (Gavia stellata) in der gesamten deutschen Nordsee für die Jahre 2002 bis 2017 im Frühjahr. Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind grau hinterlegt. Die grüne Linie zeigt den Log‐linearen Trendverlauf. Die blaue Linie stellt den nicht linearen Trend dar. Jährliche Bestandsveränderung nach dem Log‐linearen Trend: 6,6 %; 95 % ‐Cl: [3,8 %; 9,5 %]. P: < 0,001. Definition nach TRIM: Moderate Zunahme
3.2.2. AWZ deutsche Nordsee
In der AWZ der deutschen Nordsee zeigt die Analyse des Populationstrends der
Sterntaucher ein ähnliches Ergebnis wie für die gesamte deutschen Nordsee
(Abbildung 7). Von 2002 bis 2017 kam es zu einer signifikanten moderaten Zunahme
um jährlich 7,6 % (Log‐linearer Trend, grüne Linie in Abbildung 7). Anhand des
nichtlinearen Trends zeichnet sich ein deutlicher Rückgang der Populationsgröße in
den letzten Jahren ab.
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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Abbildung 7: Bestandsentwicklung des Sterntauchers (Gavia stellata) in der AWZ der deutschen Nordsee für die Jahre 2002 bis 2017 im Frühjahr. Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind grau hinterlegt. Die grüne Linie zeigt den Log‐linearen Trendverlauf. Die blaue Linie stellt den nicht linearen Trend dar. Jährliche Bestandsveränderung nach dem Log‐linearen Trend: 7,6 %; 95 % ‐Cl: [4,0 %; 11,0 %]. P: < 0,001. Definition nach TRIM: Moderate Zunahme.
3.2.3. SPA Östliche Deutsche Bucht In dem Vogelschutzgebiet Östliche Deutsche Bucht zeigt der Bestand mit einer
jährlichen Zunahme um 3,5 % eine positive Tendenz. Der Trend über die Jahre 2002 bis
2017 ist aber in diesem Untersuchungsgebiet nicht signifikant. In diesem Fall wurde
kein nicht‐lineares Verhalten des Populationstrends detektiert, so dass auch die blaue
Linie einen linearen Verlauf zeigt (Abbildung 8).
Abbildung 8: Bestandsentwicklung des Sterntauchers (Gavia stellata) in dem SPA Östliche Deutsche Bucht für die Jahre 2002 bis 2017 im Frühjahr. Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind grau hinterlegt. Die grüne Linie zeigt den Log‐linearen Trendverlauf. Die blaue Linie stellt den nicht linearen Trend dar, der in diesem Fall ebenfalls einen log‐linearen Verlauf zeigt. Jährliche Bestandsveränderung nach dem Log‐linearen Trend: 3,5 %; 95 % ‐Cl: [‐1,3 %; 8,5 %]. P: = 0,153. Definition nach TRIM: Unsicher.
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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3.2.4. Seetaucher‐Hauptkonzentrationsgebiet In dem Seetaucher‐Hauptkonzentrationsgebiet zeigt der Log‐lineare Trend eine
Zunahme um jährlich 5,7 %. Auch für dieses Untersuchungsgebiet wurde kein nicht‐
lineares Verhalten des Populationstrends detektiert, so dass auch hier die blaue Linie
einen linearen Verlauf zeigt.
Abbildung 9: Bestandsentwicklung des Sterntauchers (Gavia stellata) im Seetaucher‐Hauptkonzentrationsgebiet für die Jahre 2002 bis 2017 im Frühjahr. Die Jahre mit unzureichender Abdeckung sind grau hinterlegt. Die grüne Linie zeigt den Log‐linearen Trendverlauf. Die blaue Linie stellt den nicht linearen Trend dar, der in diesem Fall ebenfalls einen linearen Verlauf zeigt. Jährliche Bestandsveränderung nach dem Log‐linearen Trend: 5,7 %; 95 % ‐CI: [1,2 %; 10,5 %]. P: = 0,012. Definition nach TRIM: Moderate Zunahme.
4. Diskussion
Die hier präsentierten Ergebnisse der Bestandsberechnungen und Trendanalysen der
Sterntaucher zeigen deutlich, dass die Bedeutung der deutschen Nordsee als
Rastgebiet für Sterntaucher im Frühjahr seit Anfang des Jahrtausends stark
zugenommen hat. Eine Zunahme des Bestands wurde in allen untersuchten Gebieten
festgestellt und äußert sich in deutlich höheren Bestandszahlen als zu Beginn der
Datenreihe (Zunahme um den Faktor 2 bis 3,5). Die Zunahme des Bestandes war in
allen Gebieten außer dem SPA Östliche Deutsche Bucht signifikant.
Seit dem Jahr 2013 nimmt der Gesamtbestand der Sterntaucher in der deutschen
Nordsee jedoch ab. Diese Entwicklung korreliert deutlich mit der zunehmenden
Errichtung von Offshore‐Windparks (OWPs) in der Deutschen Nordsee. Dass OWPs
einen deutlichen Effekt auf das Vorkommen der Seetaucher haben, zeigte eine
gezielte, separate Untersuchung der Windparkeffekte. Diese ergab, dass das
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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Vorkommen der Seetaucher in der Umgebung der Windparks deutlich stärkere
Abnahmen aufweist als in den entfernteren Bereichen (Garthe et al. 2018). Ob der
aktuelle Rückgang des Sterntaucherbestandes allein durch die Zunahme der OWPs
bedingt ist, oder ob die Bestandsabnahme weitere anthropogene oder natürliche
Ursachen hat, ist zu diesem Zeitpunkt nicht zu klären.
Im SPA Östliche Deutsche Bucht und im Hauptkonzentrationsgebiet (HKG) zeigte der
Sterntaucherbestand in den letzten Jahren ein vergleichsweise positiveres Bild. In
beiden Gebieten nahm der Bestand zunächst deutlich zu und stabilisierte sich dann.
Dies bestärkt die Bedeutung dieser beiden Gebiete für die Sterntaucher, insbesondere
des HKGs, in dem die Zunahme deutlich stärker ausgeprägt war als im SPA. Die
unterschiedlichen Entwicklungen in den Konzentrationsbereichen und den weiter
gefassten großräumigen Gebieten könnten auf die starken Abnahmen des
Seetauchervorkommens vor den ostfriesischen Inseln zurückzuführen sein. Die OWP
Effektanalyse hat gezeigt, dass das Seetauchervorkommen, das sich in den Jahren vor
dem Bau der OWP in diesem Gebiet etabliert hatte (Garthe et al. 2015), nach dem Bau
fast gänzlich verschwunden war (Garthe et al. 2018). Während sich im Frühjahr 2012
ca. ein Drittel aller Sterntaucher der deutschen Nordsee im HKG aufhielt, lag der Anteil
im Jahr 2017 bei 86 % des Gesamtbestandes. Dies unterstreicht eindrücklich die
herausragende und zunehmende Bedeutung dieses Gebietes. Bei zuletzt tendenziell
abnehmenden Gesamtzahlen konzentriert sich das Vorkommen auf einen kleineren
Raum. Im Gegensatz zum HKG scheint das SPA zuletzt weniger Tiere aufnehmen zu
können, wie sich aus dem abnehmenden Verhältnis des SPA‐Bestands zu den Zahlen
im HKG ableiten lässt.
Die Verteilungsmuster der Seetaucher unterliegen natürlichen Schwankungen.
Seetaucher ernähren sich hauptsächlich von pelagischen Fischen, deren Vorkommen
von biotischen und abiotischen Faktoren wie z.B. bestimmten hydrografischen
Strukturen abhängig ist. Da die Seetaucher ihrer Nahrung folgen, verschiebt sich ihr
Vorkommen je nach Nahrungsverfügbarkeit mit den Wasserkörpern (Skov & Prins
2001). Die OWP‐Effektanalyse hat deutlich gemacht, dass Seetaucher OWPs
großräumig meiden. Mit der Bebauung immer größerer Flächen durch OWPs geht
immer mehr Raum für die Seetaucher verloren und die für Nahrungssuche und Rast
zur Verfügung stehenden Gebiete werden immer kleiner. Es steht zu vermuten, dass
die Seetaucher in Zukunft nur noch eingeschränkt auf die Dynamik in der Verfügbarkeit
ihrer Nahrung reagieren können. Zudem ist unklar, ob die eingeschränkten Räume die
Kapazität haben, das verbleibende Vorkommen der Seetaucher zu erhalten. Es ist
wahrscheinlich, dass zunehmende Individuendichten in den verbleibenden Gebieten
zu einer erhöhten intraspezifischen Konkurrenz bei gleichzeitig abnehmendem
Nahrungsangebot führen. Gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass die
„Ausweichgebiete“ den Seetauchern verglichen mit den traditionell genutzten
Gebieten eine geringere Habitatqualität bieten.
Bestandsgröße und ‐entwicklung des Sterntauchers in
der deutschen Nordsee
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5. Literaturverzeichnis
Garthe S, Schwemmer H, Markones N, Müller S, Schwemmer P (2015): Verbreitung,
Jahresdynamik und Bestandsentwicklung der Seetaucher Gavia spec. in der Deutschen
Bucht (Nordsee). Vogelwarte 53, 2015: 121 – 138.
Garthe S, Schwemmer H, Müller S, Peschko V, Markones N, Mercker M (2018):
Seetaucher in der Deutschen Bucht: Verbreitung, Bestände und Effekte von Windparks.
Bericht für das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und das Bundesamt für
Naturschutz.
Mercker M (2018): Trend‐ and population estimates of Gaviidae: Methodological
overwiew. Bericht für das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und das
Bundesamt für Naturschutz.
Pannekoek J, Van Strien (2005): TRIM 3 Manual (Trends & Indices for Monitoring da‐
ta). CBS Statistics Netherlands.
Schwemmer H, Kotzerka J, Mendel B, Garthe S (2014): Gemeinsame Auswertung von
Daten zu Seevögeln für das ökologische Effektmonitoring am Testfeld „alpha ventus“
(SEABIRD‐DATA). Schlussbericht zum Projekt Ökologische Begleitforschung am
Offshore‐Testfeldvorhaben alpha ventus zur Evaluierung des
Standarduntersuchungskonzeptes des BSH (StUKplus).
Skov H, Prins E (2001): Impact of estuarine fronts on the dispersal of piscivorous birds
in the German Bight. Mar Ecol Prog Ser Vol. 214: 279–287.