Ausstellungseröffnung im Sudetendeutschen Haus in München ... bezieht sich auf Psalm 31, Vers...

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Im Sudetendeutschen Haus hielt die Prager Musikwissenschaftle-rin Jitka Ludvová den Bildervor-trag „Kapitel aus der Geschichte des deutschsprachigen Theaters in den böhmischen Ländern“. Die Mitarbeiterin des Theaterin-stituts in Prag referierte bei der Veranstaltung des Adalbert-Stif-ter-Vereins über neueste For-schungsergebnisse über die Ge-schichte der Theater in den böh-mischen Ländern.

Die böhmischen Länder ver-fügten über ein dichtes Netz

an Theatern, zunächst überwie-gend deutschsprachig. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das tschechische Theaterwesen zu einem ebenbür-tigen Partner, bis es schließlich in der Tschechoslowakei die Thea-terkultur dominierte. In den letz-ten 25 Jahren wurde beiderseits der deutsch-tschechischen Gren-ze ein enormes Maß an wissen-schaftlicher Forschung geleistet, deren Ergebnisse die Stellung des deutschsprachigen Theaters in Böhmen und Mähren deut-lich machen und seinen Beitrag zur Entfaltung der tschechischen Bühnenkunst gerecht bewer-ten. „Das Thema ist keine Wüste mehr“, faßte Jitka Ludvová die erfolgreiche Forschung der letz-ten Jahre zusammen.

Die Referentin erläuterte, daß es inzwischen eine ganze Rei-he von Studien zur regionalen Theatergeschichte gebe, so zur Bühnengeschichte von Olmütz,

Troppau und Eger. „Der Stoff ist allerdings riesig“, meinte sie, und würde nur teilweise in Enzy-klopädien erfaßt wie in der von ihr herausgegebenen „Tsche-chischen Theaterenzyklopädie“. Dieses Nachschlagewerk gebe es auch im Internet unter http://

encyklopedie.idu.cz/de.

Die Bandbrei-te der Theater in den böhmischen Ländern habe sich einst „von ganz oben bis nach ganz unten“ er-streckt: Vom Hof-theater über die städtischen Büh-nen bis hin zu den „reisenden Ge-sellschaften“, den Wanderschau-spielern. Deren Routen reichten quer durch halb Europa, wie die Referentin mit Karten zeigte.

Als Beispiel stellte Ludvová die Familie Su-war vor: Diese

Theatergesellschaft sei ab 1805 mehr als einhundert Jahre und über drei Generationen lang öf-fentlich aufgetreten. Gegründet vom Prager Josef Suwar, spiel-te der Familienklan gemeinsam mit Frauen und Kindern in Böh-men und Mähren. Zunächst hät-

ten die Suwars ih-re Stücke deutsch und tschechisch, später nur noch auf Deutsch an-geboten. Anhand von Theaterzet-teln und -konzes-sionen hatte die Wissenschaftle-rin die Spuren der Künstler-Dyna-stie verfolgt, die sie jüngst auch an das ehemalige Theater von Kaa-den führten.

Auch die Pres-se beschäftigte sich viel mit dem Theater, wie die Referentin am Bei-spiel der Prager und Karlsbader Kulturzeitschrift „Hohe Warte“ zeigte, die von 1929 bis 1938 er-schien. Das Blatt sei gegründet und später fast komplett redigiert worden vom Journalisten Max Glaser (*1873 Podersam, † 1954 Prag), der sich mit Pseudonym Litumlei (nach Gottfried Kellers „Der Schmied seines Glücks“)

nannte. Glaser publizierte span-nende Theaterkritiken, politi-sche Texte und Regionalberich-te, besonders aus dem westböh-mischen Badeort Karlsbad. Die Spuren von Glasers jüdischer Fa-milie verloren sich jedoch teil-weise im Holocaust.

Das alte Gemälde eines ande-ren hervorragenden Theaterkri-tikers bildete das Schlußlicht des spannenden Vortrags: Nach lan-ger Recherche konnte Jitka Lud-vová den darauf Portraitierten als Bernhard Gutt (Potsdam 1812–Prag 1849) identifizieren, der in der Redaktion der Prager deut-schen Zeitung „Bohemia“ ge-wirkt hatte, ein kleiner Triumph für die rege Forscherin aus Prag.

Diese war eingangs von Anna Knechtel, der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Adalbert-Stif-ter-Vereins, vorgestellt worden: Jitka Ludvová studierte Klavier und Musiktheorie an der Akade-mie für musische Künste in Prag und war bis 1998 wissenschaftli-che Mitarbeiterin am Institut für Musikwissenschaft der Tsche-choslowakischen Akademie der Wissenschaften. Sie wurde 1972 über „Mathematische Methoden in der Musikanalyse“ promoviert und ist seit 1999 wissenschaftli-che Mitarbeiterin des Theaterin-stituts in Prag (Divadelní ústav). Die Herausgeberin der „Tsche-chischen Theater-Enzyklopä-die“ publizierte über Musik- und Theatergeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Genau diese Forschungen wa-ren Thema des Vortrags gewe-sen. Nach der inhaltsreichen Bil-derschau entwickelte sich eine rege Fragen- und Diskussions-runde, an der sich unter anderem der BR-Rundfunkredakteur Mar-tin Posselt engagiert beteiligte.

Susanne Habel

Im Sudetendeutschen Haus in München eröffnete Heimatpfle-gerin Zuzana Finger die neue Ausstellung „Meine Zeit steht in deinen Händen“, die das Ko-motauer Regionalmusueum zum 90. Geburtstag des Musikers Anton Enders ausgerichtet hat-te. Die Schau wurde zuvor schon in Komotau und Wien gezeigt.

Heimatliche Melodien ertön-ten im dritten Stock des Su-

detendeutschen Hauses. Die Klänge von „Baam Federnschlei-ßen“ und „Bin i niat a schäina Roußbuttnbou“ wurden in kon-zertanter Weise vom Radio-Sym-phonie-Orchesters Pilsen unter Armin Rosin gespielt. Die Eröff-nungsgäste hörten mit Vergnü-gen einige der „Egerländer Tän-ze“ von Anton Enders, allerdings von einer CD. Auch der böhmi-sche Komponist war nicht da: Wegen des Streiks der Lokfüh-rer der Deutschen Bahn hatte er die Fahrt von Baden-Baden nach München nicht riskieren wollen.

In seinem Grußwort schilder-te Enders die Nachkriegszeit in München, wo er damals Mu-sik studiert und sich beim ko-stenlosen Studentenessen der Ackermann-Gemeinde verkö-stigt habe. Seine Erinnerungen an Trümmerfrauen, Hamstertou-ren und die Konzertproben der Münchner Philharmoniker mit Hans Knappertsbusch, Wilhelm Furtwängler und Hans Rosbaud

las Heimatpflegerin Zuzana Fin-ger vor. Sie eröffnete gemeinsam mit dem Komotauer Museums-direktor Stanislav Děd die Aus-stellung, die dieser selbst zusam-mengestellt und schon im Be-zirksmuseum Komotau und in Wien gezeigt hatte. Dafür be-dankte sich die Heimatpflegerin begeistert bei dem „Wegeberei-ter“ Děd. Liebevoll und gründ-lich hatte der Komotauer Mu-seumsdirektor große Stellwän-de mit Fotos und zweisprachigen

Texten aus Leben und Werk des Komotauer Komponisten vorbe-reitet. „Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf Psalm 31, Vers 16“, erläuterte Děd: „Den Psalm, der quasi sein Lebensmotto dar-stellt, vertonte Anton Enders 1999 für Orchester und Tarogato, ein ungarisches Holzblasinstru-ment.“ Weitere Einzelheiten aus Leben und Schaffen des Kom-ponisten konnten die Gäste an-schließend auf den Ausstellungs-tafeln entdecken.

Anton Enders wurde am 30. März 1923 in Komotau geboren. Sein musikalisches Talent zeigte sich früh, und so erhielt er schon mit sechs Jahren Violin-, später auch Klavierunterricht. Bereits mit zehn Jahren spielte er in ei-ner Knabenkapelle Melodien von Johann Strauß, Nico Dostal oder Franz von Suppé.

Den Wunsch, Musik zu stu-dieren, faßte er 1940 nach ei-nem Konzert des neu gegründe-ten Prager Philharmonischen Or-

chesters unter Josef Keilberth in Komotau. Am Deutschen Staats-realgymnasium in Komotau leg-te er 1942 noch die mündliche Maturaprüfung ab. Nach Wehr-dienst und Entlassung aus ameri-kanischer Kriegsgefangenschaft im August 1945 nach Bamberg blieb er in Bayern und studier-te von 1946 bis 1949 an der Aka-demie für Tonkunst in München Komposition bei Joseph Haas und Dirigieren bei Hans Ros-baud und Kurt Eichhorn. Danach

war Enders als freischaffender Komponist tätig und schuf acht „Böhmische Tänze“, vier „Eger-länder Tänze“, eine Volkslieder-Suite für gemischten Chor und Orchester, eine Sinfonie und vie-les mehr.

Nach einer Ausbildung zum Tonmeister am Rundfunktechni-schen Institut in Nürnberg arbei-tete er ab 1955 beim Südwestfunk (SWF) in Baden-Baden. Hier be-treute er das Sinfonieorchester des SWF und die Landesorche-ster in Konstanz und Reutlingen, die Staatsphilharmonie Rhein-land-Pfalz und das Kurpfälzer Kammerorchester Mannheim so-wie gastweise auch das BBC-Or-chester. Mehr als drei Jahrzehn-te lang leitete er erfolgreich die „Donaueschinger Musiktage“. Nach seiner Pensionierung 1988 widmete er sich der Kammermu-sik, komponierte und trat mit Or-chestern auf. Enders wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. So erhielt er auch 1959 beim Sude-tendeutschen Tag in Wien aus den Händen des Sprechers Lodg-man von Auen den Sudetendeut-schen Kulturpreis für Musik.

Susanne Habel

Bis Freitag, 12. Dezember: „Meine Zeit steht in deinen Hän-den. Zum 90. Geburtstag des Ko-motauers Anton Enders“ in Mün-chen-Au, Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8. Montag bis Freitag 9.00–16.00 Uhr.

KULTURSudetendeutsche ZeitungFolge 43 | 24. 10. 2014 7

� Ausstellungseröffnung im Sudetendeutschen Haus in München

Aus Komotau nach Baden

Dr. Jitka Ludvová Bilder: Susanne Habel

Dr. Zuzana Finger und Stanislav Děd lauschen Enders-Melodien von der CD. Bilder: Susanne Habel

Die zweisprachigen Bildtafeln der Ausstellung führen in das Leben und das Werk von Anton Enders ein, der vor 91 Jahren in Komotau geboren wurde.

� Prager Wissenschaftlerin referierte in München

Bunte Theatergeschichten

Anton Enders in Komotau. Bild: RMK

Titelblatt der Kulturzeitschrift „Hohe Warte“.