Post on 25-Mar-2021
Bruno Manser (geb. 1954 – verschollen seit 25. Mai 2000)
Umweltaktivist und Sprachrohr für indigene Völker im Regenwald
«Naturfreund ist derjenige, der sich mit allem, was in der Natur lebt, innerlich verbunden weiss, an
dem Schicksal der Geschöpfe teilnimmt, ihnen soviel er kann, aus Leid und Not hilft und nach
Möglichkeiten vermeidet, Leben zu schädigen und zu vernichten»
Albert Schweitzer (1875-1965), Arzt und Philosoph.
Der neue Film «Bruno Manser – die Stimme des
Regenwaldes» von Niklas Hilber erinnerte mich
wieder an einige Begegnungen mit diesem
aussergewöhnlichen Menschen. Die 142
Minuten Filmdauer wühlen auf, berühren und
treffen trotz vieler notwendiger Auslassungen
den Kern der Botschaft, ohne in Trivialitäten
abzurutschen. Der Hauptdarsteller Sven Schelker
trifft Bruno Manser, obwohl etwas grösser, im
Erscheinungsbild sehr gut. Der Film ist
sehenswert, wenn es auch einige berechtigte
Kritiken gibt. Beispielsweise ein Übermass an
Pathos bei der Darstellung der edlen Wilden
sowie einer nicht belegten Liebesgeschichte. Als
eine weitere berechtigte Kritik kann sicher auch
die mangelnde Einführung in die Person Bruno
Mansers, sowie in seinen Lebensweg, vor seiner
sich selbst auferlegten Mission im Regenwald,
bezeichnet werden.
An den Zeitpunkt des ersten Treffens mit Bruno
kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Es
wird wohl anfangs der 1990er Jahre gewesen sein, als ich einen seiner zahlreichen Vorträge über den
korrupten Holzhandel zu Lasten des indigenen Volkes der Penan auf Borneo besuchte.
Die Beweggründe Bruno Mansers, sich als Umweltaktivist und Sprachrohr indigener Völker zu
betätigen, waren nicht ausschliesslich altruistischer Natur. Besessen von der Sehnsucht, in die Tiefen
der Wechselwirkungen von Mensch und Natur einzudringen, verspürte er nach seinen eigenen
Worten den Wunsch, von einem Volk zu lernen, das noch nahe an seinem Ursprung lebt. Im weiteren
Sinne war Bruno wohl auch auf einer Suche nach unseren eigenen verschütteten Wurzeln.
Einen geeigneten Ort für seine Forschungen fand Bruno im malaysischen Sarawak auf Borneo, wo er
von 1984 bis 1990 bei den Waldnomaden, den Penan, in den Regenwäldern lebte. Er lernte das
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Überleben im Dschungel und die Sprache
dieses Volkes. Die Penan kennen keinen
persönlichen Besitz. Ein Mitglied der Indigenen
meinte dazu: «Das Land gehört den zahllosen
Verstorbenen, den wenigen die jetzt leben und
den vielen, die noch geboren werden. Wie
denn kann die Regierung behaupten, all dieses
Land gehöre ihr, wenn Menschen dieses Land
bewohnten und gebraucht haben, noch bevor
es eine Regierung gab?»
In seinen Tagebüchern hielt Bruno seine
vielfältigen Beobachtungen mit ergänzenden
Zeichnungen fest. Der halbnackte, barfuss
laufende weisse Penan, mit einer Pagenfrisur
und runden kleinen Brillengläsern
ausgestattet, unterschied sich dabei kaum von
den Ureinwohnern.
Im Jahre 2000 musste Bruno Manser aus
Sarawak fliehen, weil ein Kopfgeld auf ihn als
Organisator des Widerstandes gegen die
Holzfirmen ausgeschrieben war. Er führte dann
seine weiteren Kampagnen für den Regenwald
und seine Bewohner von Basel aus. Einige
erinnern sich wohl noch, dass er im Jahre 1993
während 60 Tagen vor dem Bundeshaus in
Bern einen Hungerstreik durchführte. Er wollte, dass die Schweiz kein Tropenholz mehr einführt.
Zumindest die Deklarationspflicht für Tropenhölzer konnte er im Folgejahr erreichen. Manser führte
weiterhin zahlreiche spektakuläre Manifestationen durch, traf sich weltweit mit illustren
Persönlichkeiten und warb um Unterstützung für sein Anliegen. Er musste im Verlaufe der 1990er
Jahre miterleben, wie der Regenwald im malaysischen Teil von Borneo immer rascher auf nur mehr
10 Prozent der ursprünglichen Fläche zusammenschmolz.
Links: Noch intakter Regenwald in Sarawak. Rechts: Das Kronendach des Regenwaldes im Penangebiet.
Als herausragender Umweltaktivist konnte Bruno Manser am 25. November 1994 in Vaduz den
Grossen Binding-Preis für Natur- und Umweltschutz mit einer Preissumme von CHF 50‘000
Bruno Manser schrieb sein Tagebuch und die Unterlagen für
sein Manuskript «Stimmen aus dem Urwald» in nach seinen
Worten «unleserlicher Spinnenhandschrift»
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entgegennehmen. Ich durfte als Kuratoriumsmitglied für ihn die Laudatio halten. Er versah seine
Dankesworte mit dem Titel «Der Schutz des Regenwaldes geht uns alle an!» und fügte diesem Titel
folgenden Aphorismus bei:
Er komme sich vor wie ein Mann, der mit vielen Menschen zusammen einen Fruchtbaum gepflanzt
habe und nun für diese Tat geehrt werde, noch ehe jemand eine Frucht des Baumes gesehen,
geschweige denn gepflückt habe. Könne sich das Kuratorium mit diesem unbequemen Preisträger
nicht zudem die Finger verbrennen? Er meinte ja, wenn nicht alle 250 Anwesenden hier tätig
mithülfen, den gepflanzten Baum zu pflegen, auf dass seine Früchte reifen! Die Aula des
Liechtensteinischen Gymnasiums füllte sich abschliessend mit dem anschwellenden Ruf des Gibbons,
der vielleicht faszinierendsten Stimme des Dschungels gerufen von Bruno Manser. Ich erhielt von
Manser einen von ihm gedrechselten kleinen Kreisel, den ich zur Erinnerung an ihn aufbewahrt habe.
Ob er dem Kreisel eine symbolische Bedeutung beigemessen hat oder dieser einfach ein
kunsthandwerkliches Gastgeschenk war, entzieht sich meiner Kenntnis.
Oben links: Über Wasserwege erreicht man die noch intakten Regenwälder. Oben rechts: Die Mäander der Tieflagen im
Nahbereich von Brunei. Unten links: Forststrassen öffnen den Wald für dessen Nutzung. Unten rechts: Holztransport auf
dem Wasserweg.
Erst aus dem Buch von Ruedi Suter über Bruno Manser habe ich erfahren, dass dieser gemeinsam mit
seiner damaligen Freundin zur Preisverteilung nach Schaan anreisen wollte. Dazu kam es nicht, weil
das Paar in der Nacht zuvor die Beziehung beendet hatte und Bruno in sehr betrübter Stimmung
alleine nach Schaan reisen musste.
Ein weiteres Treffen mit Bruno Manser erfolgte am 2. Dezember 1995, an der Veranstaltung 10 Jahre
Binding-Preis für Natur- und Umweltschutz in Schaan. Die bisherigen Empfänger des Grossen
Bindingpreises für Natur- und Umweltschutz wurden auf Schloss Vaduz vom Landesfürsten Hans
Adam II von und zu Liechtenstein empfangen. Am Tagungsort in Schaan besuchte Bruno Manser
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vorgängig die Schaaner Kirche und überprüfte die dunklen Bänke der Kirchenbestuhlung. Er durfte zu
seiner Erleichterung feststellen, dass sie aus Buchenholz waren. Wollte Bruno Manser anschliessend
unser Tagungslokal im Theater am Kirchplatz abfackeln? Entsetzt beobachteten zwei Leute, wie sich
auf der schwachbeleuchteten Bühne Bruno Manser mit einem brennenden Feuerzeug am Rednerpult
zu schaffen machte. Im Namen der Feuerpolizei versuchten sie dies zu unterbinden. Am Pult verrät er
später in seinem Diskussionsbeitrag, dass er mit Hilfe der Flamme feststellen wollte, ob das Pult aus
Tropenholz bestand. Das war nicht der Fall. Hingegen wurde er später im Foyer an der Theke fündig.
Er ermunterte in seinem Referat dazu, die einheimischen Holzarten kennenzulernen. Wenn wir diese
Hölzer kennen, können wir auch ohne Produkteanschrift beim Kauf unsere Wahl treffen. Bruno
Manser plädierte schliesslich für den regionalen Kreislauf der Güter und wünschte sich stete kleine
Schritte in die richtige Richtung. Sein Referat musste er auf unseren Wunsch nochmals mit der
Imitation des eindrücklichen melancholischen Ruf des Gibbons abschliessen.
Links: Angesiedelte Penan in Langhäusern beim Nationalpark Gunung Mulu. Rechts: Penan-Kinder in Langhäusern beim
Mulu-Nationalpark.
Wer war Bruno Manser? Eine der Filmkritiken lautet, dass der Film zu wenig Einblick in die Person Bruno Mansers gibt. Diese
Kritik ist berechtigt und mit einem relativ geringen Rechercheaufwand wäre es sicher möglich ge-
wesen, durch Befragungen von Bruno Manser nahestehenden Personen einiges über ihn als Mensch,
jenseits seiner Forschungs- und Umweltaktivitäten, zu erfahren und in den Film einzubringen.
Links: Verdankung des Grossen Binding-Preises für Natur- und Umweltschutz in Vaduz im Jahre 1994. Rechts: Kontrolle der
Holzherkunft des Flügels auf der Bühne der Aula des Liechtensteinischen Gymnasiums mit dem damaligen Präsidenten des
Kuratoriums Robert Allgäuer.
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Links: Empfang auf Schloss Vaduz mit Binding-Preisträgern aus Anlass 10 Jahre Binding-Preis 1995. v.l.n.r. Regula Imhof,
Geschäftsführerin Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz, Amazonas-Bischof Erwin Kräutler, Bruno Manser, Dr.
Hans Bibelriether, Nationalpark-Direktor Bayerischer Wald, Prof. Michael Succow, Greifswald, S.D. Landesfürst Hans Adam
v.u.z. Liechtenstein, Prof. Hans-Christoph Binswanger, Ökonom, Prof. Hans Ruh, Sozialethiker, Dr. Bernhard Christ, Präsident
Binding-Stiftung Schaan, Krzysztof Wolfram, Grüne Lungen, Bialystock, Polen. Rechts: Bruno Manser im Gespräch mit dem
Landesfürsten und den Vertretern der Binding-Stiftung Dr. Christ und Dr. Goop.
Ich hatte das Glück, die herausragende Persönlichkeit Bruno Manser anlässlich einiger Treffen
kennenzulernen und möchte gerne etwas dazu beitragen, die Frage nach Bruno als Privatperson ein
Stück weit zu beantworten.
Bruno war im Umgang immer höflich. Ich lernte ihn als hellwachen, wagemutigen Querdenker
kennen. Trotz seinen gut ausgeprägten Kommunikationsfähigkeiten war er anlagemässig introvertiert
und mit dem dazugehörigen Eigensinn stand Bruno immer etwas abseits der Gesellschaft.
Situationsbedingt konnte er jedoch sowohl im Gespräch als auch bei seinen Aktivitäten die multiplen
Fähigkeiten als Kommunikator, Naturforscher, Sportler, Maler und vor allem als glaubhafter
Verteidiger bedrohter Lebensgrundlagen einsetzen. Die Persönlichkeit Bruno Mansers bestand aus so
vielen, zum Teil auch kontroversen Facetten. Intellekt und Naivität schliessen sich normalerweise
aus. Nicht so bei Bruno Manser. Er war ein kritischer Denker, der aber auch ein Stück seines
kindlichen Gemüts behalten hat.
Links: Bruno Manser signiert sein Buch «Stimmen aus dem Regenwald». Rechts: Eingang zum Informationszentrum des
Nationalparks Gunung Mulu aus Anlass meines Besuches im August 2000.
Seine Penan-Lebensweise behielt Bruno auch ein Stück weit in der Schweiz aufrecht. So sagte er mir,
dass er sowohl im Winter als auch im Sommer auf einer Hängematte auf dem Balkon der Wohnung
übernachte. Bruno Manser hat sich zunehmend gefragt, ob wir noch die Fähigkeit, das Wissen, die
Kraft, die Mittel und die Zeit haben, das Steuer herumzureissen um den herrschenden
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Ökovandalismus zu ersetzen. «Wer begreift und nicht handelt, der hat nichts begriffen», war einer
seiner Leitsätze.
Seine Frustration wuchs im Verlaufe seiner
Kampagnenarbeit und er entzweite sich auch
mit Teilen seines engeren Freundeskreises. Er
wurde zunehmend ungeduldig. Ich lernte seinen
damalig engsten Mitstreiter Roger Graf im
Bruno Manser Fonds erst später kennen. Nach
seinem Abschied aus dem 1991 gegründeten
Bruno Manser Fonds wurde er später
Medienverantwortlicher des Zoo Zürich. Wir
waren dann gemeinsam Stiftungsräte der vom
Galeristen Ernst Beyeler gegründeten Stiftung
«Kunst für den Tropenwald» in Basel.
Manser musste ohne grossen Erfolg seiner weltweiten Bemühungen zusehen, wie der Regenwald
weiter bedrohlich abnahm. Viele Penan siedelten sich in angebotenen Langhäusern an und gaben
den Nomadismus auf. Nochmals wollte er seine Getreuen vor Ort besuchen. Sein letztes
Lebenszeichen stammt vom 23. Mai 2000. Er kam über den indonesischen Teil Borneos, da er ja nicht
offiziell nach Malaysia einreisen durfte. Er verschwand in der Baumwelt der Penan-Nomaden im
malaysischen Sarawak und ist seither verschollen.
Im gleichen Jahr im August kam ich im Rahmen
des 21. Weltkongresses der International Union
of Forest Research Organisations (IUFRO) nach
Kuala Lumpur in Malaysia. Eine nachfolgende
Exkursion führte mich in den 529 km2 grossen
Nationalpark Gurung Mulu in das Gebiet der
Penan. Ich fragte einheimische Begleiter nach
Bruno Manser und erfuhr sehr unterschiedliche
Reaktionen. Für die Offiziellen des
Bundesstaates Sarawak war er des Teufels. Er
habe zudem Frau und Kind dort bei seiner
Flucht zurückgelassen. Die Wissenschafter
äusserten sich etwas differenzierter und
anerkannten seinen Einsatz für den Regenwald.
Bei den Penan genoss der Name Bruno Manser
hingegen Kultstatus, sie verehrten ihn.
Das Wirken von Bruno Manser ist unvergessen.
Zwei Kinofilme wurden über sein Leben gedreht.
Den ersten präsentierte sein Bruder Erich
persönlich im Jahre 2014 im TaKino in Schaan.
Mansers 1000 Seiten Tagebücher wurden in
zwei Versionen veröffentlicht. Weiters wurde
eine Biographie über Bruno Manser und sein
Wirken veröffentlicht. Er selbst verfasste 1992 auch ein Buch über die Penan. Der Bruno Manser
Fonds in Basel wirkt weiterhin für die Penan und den Erhalt des Regenwaldes. In den letzten Jahren
Angebotene Naturschätze auf dem Markt von Miri
(Sarawak).
Newsletter des Bruno Manser Fonds.
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wurde versucht, das kulturelle Leben der Penan auf Kartierwerken aufzuzeichnen. Ihre ihnen heiligen
Orte werden festgehalten, ebenso die Namen der Örtlichkeiten, ihre Orte der Bestattungen oder der
Standort besonderer Bäume. Damit sollte belegt werden, dass sie seit langer Zeit in dieser Gegend
leben und damit ihre Landrechte eingetragen werden, die sie zunehmend einklagen. Es war für mich
eine Genugtuung, mit der erwähnten Stiftung «Kunst für den Regenwald» zusammen mit Roger Graf
in Basel an der Finanzierung dieser Planfeststellungen mitwirken zu dürfen.
Gedrechselter Kreisel, eine Erinnerung an Bruno Manser.
Quellen Manser, B. (1992): Stimmen aus dem Regenwald, Zytglogge Verlag, Oberhofen, 299 S..
Bruno Manser Fonds (Hg.) (2004): Tagebücher aus dem Regenwald 1984-1990, Verlag Christoph
Merian, Basel
Donau, C. (Hg.) (2007): Bruno Manser – ein Leben für den Regenwald – Auszüge aus den
Tagebüchern, Verlag Christoph Merian, Basel, 215 S.
Suter, R. (2005): Bruno Manser – die Stimme des Waldes, Zytglogge Verlag, Oberhofen, 344 S.
Salzmann, L. (2014): Raubzug auf den Regenwald – auf den Spuren der malaysischen Holzmafia, Salis-
Verlag.
Film Bruno Manser – Laki Penan 2014
Film Bruno Manser – die Stimme des Regenwaldes 2019
Mario F. Broggi, 24.11.2019